Was macht einen guten geistlichen Leiter aus? Hätte man die Christen in Korinth gefragt, hätten sie wahrscheinlich gesagt: Er muss gut reden können und unterhaltsam sein. Oder er muss gut vernetzt sein und die richtigen Leute kennen. Vielleicht braucht er auch eine charismatische Persönlichkeit.
In dieser Serie haben wir viel darüber nachgedacht, wie sich die Christen in Korinth hinter unterschiedlichen Leitern versammelt haben. Oft spielten genau solche Kriterien eine Rolle: Wer hat die meisten Gaben? Wer kann am besten reden? Wen finden wir sympathisch?
Was wäre deine Antwort? Deine ehrliche Antwort? Das ist ja nicht immer die fromme Antwort. Ich glaube, die meisten von uns sind nicht frei davon, Leiter anhand von Äußerlichkeiten und mit den Maßstäben dieser Welt zu bewerten.
In der Textlesung haben wir gerade vom Propheten Samuel gehört, der einen König salben sollte – den König David. Samuel kam zu Isai und sah sich dessen Söhne an. Er richtete nach den Äußerlichkeiten und bewertete sie. Er betrachtete den größten, stärksten und schönsten Sohn und wollte ihn zum König salben.
Ein Gottesmann, der in seinem Urteil falsch liegt! Gott sagt zu Samuel: „Schau nicht auf das Äußere! Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“
Sogar der große Prophet Samuel brauchte diese Korrektur. Die Korinther brauchten sie, und wir brauchen sie auch.
Worauf kommt es denn wirklich an? Worauf kommt es bei einem geistlichen Leiter und bei jedem Diener Gottes an?
Unser heutiger Predigttext fordert uns heraus, mit Gottes Augen auf geistliche Leiter zu schauen – und auch etwas allgemeiner auf unseren Dienst für Jesus Christus. Was zählt wirklich? Worauf kommt es an?
Ich möchte uns diese Verse vorlesen. Finden Sie sie im ersten Korintherbrief, Kapitel 4, Verse 1 bis 5. Paulus schreibt dort an die Korinther:
Dafür hält uns jedermann – also ihn, Paulus, und auch die anderen geistlichen Leiter – für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse.
Nun wird von den Haushaltern nicht mehr verlangt, als dass sie als treu befunden werden. Mir aber ist es gleichgültig, ob ich von euch oder von einem menschlichen Gericht gerichtet werde. Auch richte ich mich selbst nicht.
Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt. Der Herr jedoch ist es, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt. Er wird auch ans Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird jedem von Gott sein Lob zuteilwerden.
Wie kann uns dieser Text helfen, zu erkennen, worauf es im geistlichen Dienst wirklich ankommt?
Gottes Wort gibt uns hier drei wichtige Einsichten:
Bevor wir darauf eingehen, möchte ich noch einmal mit uns beten.
Vater, wir danken dir für dein Wort, dass wir es haben dürfen und darin deinen Willen erkennen können. Wir haben es gerade schon gelesen: Du kennst unsere Herzen, du weißt um unsere Motive. Sie liegen offen vor dir wie ein Buch.
Herr, du weißt, wie schwer es uns oft fällt, deine Sicht anzunehmen und mit deinen Augen auf diese Welt zu blicken. Wie oft wollen wir ganz anders leben – auf andere schauen, auf uns selbst schauen.
So wollen wir beten, Herr, dass du unsere Sicht korrigierst. Hilf uns, uns von dir selbst, durch deinen Heiligen Geist, korrigieren zu lassen. Wir beten, dass du redest und dass wir es verstehen und annehmen können. Amen!
Fangen wir an mit den ersten beiden Versen: Der erste Punkt – die richtige Sicht auf geistliche Leiter.
Paulus beginnt mit einem Aufruf an jeden einzelnen Christen. Er sagt: „Dafür haltet uns jedermann!“
Dann wendet er sich an die Korinther und fragt, wofür sie ihn, Apollos, Kephas und all die anderen Leiter halten sollen. Er antwortet: „Haltet uns für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse!“
Das griechische Wort, das Paulus hier für „Diener“ verwendet, stammt vermutlich aus dem Galeerenwesen. Galeeren waren Schiffe, die durchs Mittelmeer und andere Gewässer fuhren. Die Sklaven, die dort ruderten, saßen unten im Schiff. Paulus benutzt also ein Wort, das diese Sklaven beschreibt. Damit möchte er sagen, dass sie sich für den Herrn anstrengen und „rudern“, also sich einsetzen und Mühe geben.
Das zweite Bild, das Paulus verwendet, ist das eines Haushalters. Bei den Griechen und auch bei den Römern war ein Haushalter ein Sklave, der von seinem Herrn Verantwortung übertragen bekam. Er hatte eine gewisse Autorität und Weisungsbefugnis. Er konnte Entscheidungen treffen und hatte Macht über die anderen Sklaven im Haushalt.
Doch all dies geschah immer unter der Leitung und im Auftrag seines Herrn. Der Maßstab dafür, ob er ein guter Haushalter war, war, ob der Herr mit seiner Arbeit zufrieden war.
Paulus sagt also: So sollt ihr uns und die anderen sehen — als Haushalter, die eingesetzt sind, um einen Dienst in Verantwortung vor dem Herrn zu tun.
Mit welcher Aufgabe sind sie betraut gewesen? Sie sollten Gottes Geheimnisse verwalten.
Wenn wir Geheimnisse haben, wollen wir normalerweise, dass sie nicht herauskommen. In den letzten Tagen haben wir von Bundeswehroffizieren der Luftwaffe gehört, die miteinander telefoniert und über Geheimnisse der Bundeswehr gesprochen haben. Die Russen haben mitgehört und diese Geheimnisse veröffentlicht. Das war nicht gewollt, es sollte geheim bleiben.
Ähnlich ist es bei den RAF-Terroristen, denen das Bundeskriminalamt gerade auf der Spur ist. Sie wollten im Geheimen bleiben, nicht erkannt werden und nicht, wo sie wohnen. Jetzt fragen die Medien: Kommen die letzten Geheimnisse der RAF ans Licht?
Mit Gottes Geheimnissen ist es anders. Es geht nicht um Detektivarbeit, Verhörgeschick oder darum, Puzzleteile zusammenzufügen. Gott möchte, dass die Geheimnisse, die er offenbart hat, bekannt werden, weitergesagt und mit anderen Menschen geteilt werden. Die Apostel Paulus und die anderen haben diese Aufgabe erhalten: Sie sollten die Geheimnisse weitergeben. Es sind offene Geheimnisse.
Im Kern geht es bei diesen Geheimnissen um Gottes Rettungsplan für uns Menschen. Das Alte Testament war voller Hinweise darauf, dass Gott die Beziehung zwischen sich und den Menschen wieder heil machen wollte. Diese Beziehung war seit dem Sündenfall kaputt. Gott hatte von Anfang an einen Plan, wie er das wieder heil machen würde – ein Retter sollte kommen, der alles ändert.
Doch lange blieb es geheimnisvoll, wie genau das passieren würde. Dann kam Jesus Christus in diese Welt und deckte es Stück für Stück auf. Er zeigte den Menschen, zuerst seinen Jüngern, wie er diesen Plan erfüllt: die Rettung von Sünden, damit Menschen wieder in die Beziehung zum lebendigen Gott kommen.
Jesus sagte: „Ich bin gekommen, nicht um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben als Lösegeld für viele zu geben.“ Er predigte es damals und zeigte es den Menschen. Auch heute zeigt er uns, dass wir eine große Schuld vor Gott, unserem Schöpfer, haben.
Wir haben gelebt, als wäre Gott unser Diener, als hätten wir etwas von ihm verdient. Wir haben sein Urteil ignoriert und einfach unser eigenes Ding gemacht. Jesus sagt: Ihr habt eine große Schuld, einen riesigen Sündenberg bei Gott, eine Schuld, die ihr nicht abbezahlen könnt. Ihr könnt nichts dafür tun. Aber ich gebe mein Leben, ich bezahle die Schuld, ich bezahle den Preis.
Mit seinem eigenen Leben am Kreuz hat er dafür bezahlt. Nur so konnte die Beziehung wieder heil werden. Jeder, der an ihn glaubt, hat Anspruch darauf, das anzunehmen und mit Gott versöhnt zu werden.
Das war die Botschaft der Apostel. Sie haben sie überall weitergegeben: Dieses lange geheime Geheimnis, das jetzt offenbart war, haben sie immer wieder erzählt. Sie riefen die Menschen auf: Kehrt um, vertraut Jesus Christus, folgt ihm nach!
Ich möchte diese Chance nicht verpassen, das auch an dieser Stelle zu sagen. Es kann gut sein, dass Menschen unter uns sind, die sagen: „Ich erkenne, vor Gott kann ich nicht bestehen, ich habe Schuld in meinem Leben.“ Ich möchte sagen: Es gibt einen Ort, an dem du mit Gott versöhnt wirst – am Kreuz von Golgatha. Dort hat Jesus Christus auch deine Schuld bezahlt, wenn du das annimmst, dich ihm im Glauben zuwendest und ihm vertraust.
Deshalb lade ich ein: Kehr um, lass dich wirklich freimachen von Jesus. Und lerne dann, was es heißt, Jesus nachzufolgen und ihm zu dienen.
Auch das ist nicht geheim. Wir können wissen, was Gott von uns möchte, wie er über uns denkt und wie er ist. Er hat es den Aposteln anvertraut. In der Anfangsphase der Kirche haben sie es aufgeschrieben, Evangelien und Briefe verfasst. Diese Schriften sind in der Bibel überliefert.
So kennen wir Gottes Geheimnisse, die offenbart sind. Wir können sie durch sein Wort verstehen, das uns gepredigt wird und das wir selbst lesen können. Paulus sagt, das ist seine Berufung – und es ist die Berufung aller Hirten und Lehrer in der Gemeinde: Sie sind Haushalter über Gottes Geheimnisse.
Woran erkennt man einen guten Haushalter? Paulus sagt es in Vers 2: Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Das ist das entscheidende Merkmal für einen guten Haushalter. Ist er treu?
Das heißt, ist er ein treuer Haushalter über Gottes Geheimnisse? Predigt er wirklich Gottes Wort oder seine eigenen Ideen? Geht es ihm darum, dass der Herr groß herauskommt, oder dass er eine Bühne hat? Müht er sich darum, dass Nichtchristen wie Christen Gottes Willen besser verstehen? Ist erkennbar, dass er lebt, was er predigt? Ist er treu?
Was steht auf dem Spiel, wenn ein Haushalter nicht in dieser Weise treu ist mit Gottes Geheimnissen? Ganz, ganz viel. Im Grunde steht die ganze Gemeinde auf dem Spiel, wenn die Haushalter Gottes nicht so mit seinen Geheimnissen umgehen. Der Dienst der Gemeinde steht auf dem Spiel.
In Epheser 4 lesen wir, dass die Hirten und Lehrer der Gemeinde dazu berufen sind, die Gemeinde zum Werk des Dienstes zuzurüsten. Der ganze Kontext in Epheser 4 macht so klar: Es geht darum, mit Gottes Wort die Gemeinde zuzurüsten, damit wir alle unseren Dienst tun können, für Gott leben können und uns ihm hingeben können. Dafür braucht es sein Wort, dafür braucht es Hirten und Lehrer, die das treu weitergeben.
Und es steht noch mehr auf dem Spiel als der Dienst: Es steht auch die Einheit der Gemeinde auf dem Spiel, wenn wir das nicht tun. In Apostelgeschichte 6 lesen wir, dass es in der Urgemeinde schon ganz früh einen Streit gab. Die griechischen Witwen hatten das Gefühl, sie würden bei der Witwenfürsorge übergangen. Die Leute kümmerten sich nicht um sie. Die Apostel haben das gesehen und erkannt, dass das ein echtes Problem ist.
Da ist die Einheit in Gefahr. Gleichzeitig sagten sie aber, dass sie sich nicht um diesen Dienst kümmern könnten. Es sei nicht richtig, dass sie an den Tischen dienen. Das klingt erst einmal etwas hochnäsig, als seien sie zu fein, um praktische Arbeit zu machen. Aber sie sagen es nicht richtig: An den Tischen zu dienen und darüber den Wortdienst zu vernachlässigen, weil dann auch die Einheit in Gefahr ist. Es steht auf dem Spiel, wenn das Wort nicht mehr gelehrt wird.
Ihr Lieben, lasst uns vorsichtig sein, welche Kriterien wir an den Dienst geistiger Leiter anlegen. Ich weiß, es ist immer ein bisschen schwierig, wenn man als Betroffener spricht. Trotzdem ist es wichtig: Gottes Wort sagt uns an verschiedenen Stellen, vorsichtig zu sein, welche Kriterien uns da leiten.
Rhetorik und Auftreten sind nicht der entscheidende Maßstab. David war auf den ersten Blick kein geeigneter Kandidat, ein König zu sein. Und wir haben es gesehen: Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.
Paulus selbst wurde zumindest, wenn man seine Worte liest, später von vielen Korinthern nicht als eine besonders charismatische und große Führungspersönlichkeit angesehen. Paulus schreibt im 2. Korintherbrief, Kapitel 10, Vers 10, wie viele in Korinth wohl über ihn gedacht haben. Er schreibt da aus ihrer Perspektive: "Denn seine Briefe", sagen sie, "die wiegen schwer und sind stark, aber wenn er selbst anwesend ist, ist er schwach und seine Rede kläglich."
Man muss sich gar nicht vorstellen, dass sie so über Paulus gedacht und geredet haben: Kein großer Redner in den Augen vieler Korinther, aber ein großer Mann Gottes, ein treuer Diener des Herrn.
Ob jemand jung ist, ist kein Maßstab für einen geistigen Leiter. Wir wissen, dass Paulus das seinem jungen Mitarbeiter Timotheus sagt: "Niemand verachte dich wegen deiner Jugend" (1. Timotheus 4,12). Dann ermutigt er ihn: Also für dein Alter kannst du nichts, diene dem Herrn einfach treu, in deinem Alter, tu deinen Dienst für ihn.
Nicht einmal, ob viele Menschen kommen und einen Prediger hören wollen, ist für sich ein gutes Kriterium, ob er ein treuer Haushalter ist. Es gibt Verkündiger, die predigen ein falsches Evangelium, aber die Gemeinde ist voll. Zum Beispiel Prediger, die sagen: Gott will immer, dass du reich bist, Gott will immer, dass du erfolgreich bist, Gott will immer, dass du gesund bist, er will, dass alle deine Beziehungen jetzt und hier aufblühen.
Die Menschen freuen sich, wollen das hören, kommen und spenden, und es blüht mal eine kurze Zeit auf. Das ist für sich kein Kriterium, ob jemand ein treuer Haushalter ist. Auf der anderen Seite kenne ich Pastoren, die treu jede Woche das Evangelium predigen, Gottes Wort verkündigen und deren Gemeinden sehr klein sind, teilweise sogar schrumpfen, weil viele es nicht hören wollen. Auch das ist kein Kriterium.
Der Maßstab für einen guten geistlichen Leiter ist: Ist er treu? Nicht, ob er unterhaltsam ist, charismatisch oder erfolgreich, ob die Zahlen stimmen, sondern dient er Jesus treu als Haushalter über Gottes Geheimnisse? Und...
Nachdem Paulus den Korinthern diesen entscheidenden Punkt sehr deutlich gemacht hat, wechselt er nun die Perspektive. Er sagt ihnen, wie er selbst auf seinen Dienst schaut. Was er dazu schreibt, ist eine große Hilfe – nicht nur für christliche Leiter, sondern für jeden von uns, der dem Herrn Jesus dient. Diese Perspektive auf den eigenen Dienst, die uns Paulus hier zeigt, ist wertvoll.
Der zweite Punkt ist die richtige Sicht auf den eigenen Dienst, die Verse 3 und 4. Die Frage, die Paulus hier beantwortet, lautet: Wer beurteilt eigentlich, ob ich treu bin? Wer tut das?
Als Erstes stellt er fest, dass es nicht die Menschen sind. In Vers 3a sagt er: „Mir aber ist ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht.“ Paulus wusste, dass ihn die Leute beurteilten. Ihm war sicher klar, dass nach der Predigt die Leute auch nach Hause gingen und sich dort nicht immer fröhlich über Gottes Wort austauschten. Manchmal kritisierten sie Paulus, ärgerten sich über ihn. Das war nicht immer nur erbaulich und ermutigend, was da zu Hause am Esstisch gesprochen wurde.
Es ist möglich, dass so etwas auch heute noch vorkommt – dass nicht nur über Gottes Wort nach der Predigt oder dem Gottesdienst gesprochen wird. Ich finde es bemerkenswert, wie Paulus damit umgeht. Er ärgert sich nicht darüber, sondern sagt: „Mir ist das ein Geringes.“ Mit anderen Worten: Das bereitet ihm keine schlaflosen Nächte, was die Leute über ihn sagen oder denken. Es wirft ihn nicht aus der Bahn, wenn ihm nicht alle Herzen zufliegen. Er hat einen tiefen inneren Frieden trotz aller Kritik und aller Widerstände, weil er wusste: Das Urteil der Menschen zählt nicht.
Gleichzeitig hat er aber auch nicht den Fehler gemacht, den viele heute machen. Er schaute nicht nur tief in sich selbst hinein. Viele Lebensratgeber impfen uns heute geradezu damit, dass wir uns selbst immer wieder zusprechen sollen: „Du bist gut, du schaffst das, du kannst alles erreichen, wenn du dich reinhängst.“ Man soll sich selbst gute Dinge sagen und dann kann einem egal sein, was andere sagen. So war Paulus nicht unterwegs.
Wenn wir weiterlesen, sagt er in Vers 3b: „Auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin zwar nicht bewusstlos, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt.“ Mit anderen Worten: Er hat seinen Dienst nach bestem Wissen und Gewissen getan, aber er sieht seine eigene Bewertung nicht als entscheidend an. Er will seine letzte Sicherheit nicht in sich selbst oder in seiner eigenen Bewertung suchen. Obwohl er ein ruhiges Gewissen hat, weiß er gleichzeitig: Meine Selbsteinschätzung ist nicht das entscheidende Kriterium.
Warum misstraute er sich selbst? So muss man das lesen. Zum einen, weil er genau wusste, dass unser eigenes Urteil nicht zuverlässig ist. Ron Kupsch hat uns das letzte Woche wunderbar gepredigt, auch aus dem letzten Abschnitt: Wir sind fähig, uns selbst zu täuschen und zu betrügen, selbst als Christen. Wir können blind sein für unsere eigene Sünde und unsere Unzulänglichkeiten.
Zum anderen, und das ist noch wichtiger, nahm Paulus es ernst, dass er ein Diener und ein Haushalter Gottes war. Der Maßstab für einen Diener und Haushalter ist nicht das Zeugnis, das er sich selbst ausstellt, sondern das Zeugnis, das ihm der Herr gibt – ob er sagt: „Gut gemacht.“
Genau das sagt Paulus am Ende von Vers 4: „Der Herr aber ist es, der mich richtet.“ Hier können wir ein großes Geheimnis von Paulus lernen: Wie werde ich frei von der Angst vor dem Urteil anderer Menschen, von der Sucht, von Menschen anerkannt zu werden?
Ich denke, das kennt jeder von uns auf die eine oder andere Weise. Da ist keiner ganz frei. Vielen von uns macht es sehr zu schaffen, viel darüber nachzudenken, was andere über uns denken. Die Sehnsucht, gefallen zu wollen, beliebt zu sein, bewundert zu werden. Die Unsicherheit, wenn Menschen einen schräg anschauen oder gar nicht beachten. Der Zorn und das Unverständnis, wenn jemand schlecht über einen redet, einem Dinge unterstellt, die man nicht gesagt oder so gemeint hat. Die Scham, wenn man dabei erwischt wird, nicht das zu leben, was man lehrt. Der Instinkt, die eigene Sünde zu verstecken, sich zurückzuziehen, damit niemand einen beurteilt, verurteilt oder ins Leben spricht.
Wie werde ich frei davon? Und wie werde ich frei von meiner eigenen Bewertung, wenn ich ständig in mich hineinschaue und frage: Bin ich noch gut? Bin ich richtig? Suche ich irgendwo Selbstbestätigung in mir selbst?
Paulus sagt: Schau nicht auf die anderen, schau nicht nur in dich selbst hinein, sondern schau auf den Herrn. Sein Urteil zählt.
Der schottische Prediger Robert Murray McCheyne gab den weisen Rat: Für jeden Blick, den du auf dich selbst richtest, richte zehn Blicke auf Jesus Christus. Ich möchte das ergänzen: Für jeden Blick, den du auf andere richtest, um deine Sicherheit zu suchen, ihr Urteil zu suchen, richte zehn Blicke auf Jesus. Er ist es, der zählt. Er spricht dir dein Urteil zu, und niemand sonst.
Es bringt uns zum letzten Punkt: die richtige Sicht auf den Wert unseres Dienstes, nämlich Vers fünf. Im letzten Vers beantwortet Paulus die Frage, wann und wie eigentlich sichtbar wird, ob das, was wir getan haben, wirklich wertvoll war und wie wir gedient haben. Er sagt: „Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.“
Vielleicht müssen wir kurz klären, was das nicht bedeutet, was er hier sagt. Er sagt: „Richtet nicht vor der Zeit.“ Das kann nicht bedeuten, dass er damit sagt, es falle nie ein moralisches Urteil in der Gemeinde. Wir sehen zum Beispiel in Matthäus 18, dass Jesus sehr wohl gesagt hat: Wenn Sünde im Leben von Brüdern oder Schwestern ist, dann ist es wichtig, dass wir Vier-Augengespräche führen und vielleicht sogar noch weitergehen, um ihnen wirklich gerecht zu helfen, von der Sünde umzukehren. Das ist nicht Richten im negativen Sinn.
Jesus macht das deutlich, und Paulus ermahnt nur ein Kapitel später die Korinther, dass sie jemanden sehr scharf zurechtweisen sollen, der in ihrer Mitte gesündigt hat. Sie sollen ihn sogar ausschließen. Also meint Paulus nicht „Richtet nicht vor der Zeit“ im Sinne von keinem moralischen Urteil.
Es geht nicht um Sünde oder moralische Verfehlungen, die vor Gott falsch sind. Da sollen wir einander mit aller Sanftmut zurechthelfen, wie Paulus in Galater 6 sagt, aber doch zurechthelfen.
„Richtet nicht vor der Zeit“ heißt auch nicht, dass wir uns als Gemeinde nicht von falschen Lehren abgrenzen und sie zurückweisen sollen. Jesus hat gesagt, es werden falsche Lehrer kommen. Ganze Briefe im Neuen Testament sind geschrieben, um falsche Lehren zurückzuweisen und der Gemeinde zu sagen: Bleibt auf dem richtigen Weg, bleibt bei der Lehre, bei der gesunden Lehre Jesu Christi.
Und es ist natürlich ganz klar: Wenn ein geistlicher Leiter in Sünde lebt oder falsch lehrt, hat eine Gemeinde die Verantwortung, ihn zur Umkehr zu rufen. Und wenn er nicht umkehrt, hat sie auch die Verantwortung, ihn von seinem Dienst abzuberufen. Das ist nicht der Punkt.
Was bedeutet hier „richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr wiederkommt“? Ich denke, Paulus meint damit die vielen Urteile, die wir über andere fällen. Besonders in diesem Kontext geht es um geistliche Leiter, die nicht in diese Kategorie fallen, sowie um Sünde und falsche Lehre. Es gibt so viele Urteile in der Gemeinde, dass wir einander nach ganz anderen Kriterien beurteilen.
Wir haben darüber nachgedacht, wonach man Menschen beurteilen kann. Man kann sie nach ihrem Auftreten bewerten, wie sie sich kleiden oder wie sie reden. Man kann sie auch nach Entscheidungen beurteilen, die man sich persönlich anders gewünscht hätte, weil sie nicht dem eigenen Geschmack entsprechen oder weil man es gerne anders hätte. Doch wenn ich die Schrift lese, sehe ich, dass das keine Sünde ist. Anders sein ist keine Sünde.
Paulus warnt vor schnellen Bewertungen über andere. Wer beurteilt, ob jemand seinen Dienst gut gemacht hat, ist der Herr. Und der Herr sieht viel tiefer als wir. Er sieht die Herzen und kennt die Motive. Wir sehen nur die Oberfläche und interpretieren oft vorschnell. Wir fragen oft nicht einmal nach, wie jemand etwas gemeint hat oder warum bestimmte Entscheidungen getroffen wurden. Stattdessen interpretieren, urteilen und verurteilen wir die Leiter und auch untereinander in der Gemeinde.
Das passiert so schnell, dass wir auf diese Weise über die Motive anderer richten und sie bewerten. Das ist die Herausforderung am Ende dieses Textes: Jeder von uns läuft Gefahr, den Dienst anderer so zu bewerten, zu beurteilen und sogar zu verurteilen – den Dienst der Geschwister und der Ältesten in der Gemeinde. Wir sollten vorsichtig sein und nicht zu schnell richten und verurteilen.
Wenn jemand sündigt, auch wenn es der Pastor ist, dann ist es deine Verantwortung, das anzusprechen. Zuerst unter vier Augen, vielleicht braucht es auch ein größeres Forum. Aber es ist wichtig, Sünde anzusprechen. Doch oft ist es eben keine Sünde.
Gott schenkt seiner Gemeinde und jedem einzelnen Christen besondere Gaben und Fähigkeiten. Er hat uns alle einzigartig gemacht, so wie wir sind. Wenn du dich über einen Bruder oder eine Schwester ärgerst, weil ihnen bestimmte Gaben fehlen, dann kann der Bruder oder die Schwester nichts dafür. Das ist eine Klage gegen Gott. Mach dir das bewusst. Er teilt die Gaben aus, nicht wir.
Wenn du dich ärgerst, weil Frucht fehlt oder du die Frucht nicht erkennen kannst, ist das ebenfalls eine Klage über Gott. Ich kenne treue Prediger – ich habe es schon erwähnt. Es gibt Missionare, die über Jahre und Jahrzehnte das Evangelium gepredigt haben, ohne einen einzigen Bekehrten zu erleben. Aber das ist nicht das alleinige Kriterium. Immer wieder schenkt Gott nach Jahren und Jahrzehnten Erweckungen, und es gibt Frucht zu seiner Zeit.
Für die Frucht ist der Herr verantwortlich, nicht wir. Es gibt viele Entscheidungen und Prioritäten, die unterschiedlich gesetzt werden können. Das ist eine Frage der Weisheit und manchmal nur eine Frage des Geschmacks. Auch hier ist es nicht angebracht, zu richten, zu verurteilen oder gar die Berufung eines anderen infrage zu stellen.
Ich glaube, wir werden noch überrascht sein, wenn wir vor Jesus stehen, wenn er wiederkommt. Wen er alles loben wird und für welche Dinge – weil er das Herz kennt, die Motive aufdeckt und sichtbar machen wird. Er selbst wird dann das Urteil sprechen.
Ich möchte mit einem Gedanken zu diesem Vers fünf schließen, weil ich mir vorstellen kann, dass er den einen oder anderen etwas nervös macht. Manche werden unruhig, weil der Tag kommt, an dem der Herr wiederkommt. Er wird alles ans Licht bringen, was im Herzen ist, und die Motive offenlegen. Manche kämpfen mit dieser Vorstellung.
Der Herr wird kommen und alles aufdecken. Das kann Angst machen, auch als Kind Gottes, weil man sieht, dass noch viel Sünde da ist und man oft falsch unterwegs war. Ich möchte aber zusprechen: Fürchte dich nicht vor diesem Tag! Wenn Jesus dein Herr ist, hast du keinen Grund zur Furcht. Das ist kein Tag der Verdammnis, an dem Gott dir ein Urteil spricht und dich von sich stößt.
Paulus sagt im Römerbrief 8,1: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Jesus sind.“ Das ist nichts, wovor du Angst haben musst, wirklich nicht. Und wenn du davor Angst hast, lass uns darüber sprechen. Diese Angst kann überwunden werden, mit Gottes Hilfe.
Die Grundlage ist, was Jesus getan hat: Er hat uns zuerst gedient und geliebt. Er dient uns mehr, als wir ihm jemals dienen könnten. Erst das setzt uns frei, ihn zu lieben, ihm zu dienen und für ihn zu leben. Wenn du für ihn lebst, musst du keine Angst vor dem Tag seiner Rückkehr haben. Dann wird er auch ein Lob für dich haben.
Jesus erzählt in Matthäus 25 ein Gleichnis über Knechte, die Talente von ihrem Herrn erhalten haben. Er sagt über die, die gut damit umgegangen sind und ihr Leben in Ehrfurcht vor dem Herrn gelebt haben, dass sie ein Lob bekommen werden. Am Ende des Gleichnisses heißt es: „Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht! Du bist über wenigen treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude.“
Paulus sagt uns hier, dass jedem sein Lob zuteilwerden wird. Niemand muss sich Sorgen machen, kein Lob vom Herrn zu bekommen. Deshalb lasst uns zuversichtlich für unseren guten und treuen Herrn dienen.
Lasst uns beten: Vater im Himmel, wir danken dir, dass du uns zuerst gedient hast. Wir danken dir, Jesus Christus, dass du gekommen bist, nicht um dich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und dein kostbares Leben als Lösegeld für viele zu geben – für uns.
Du hast uns freigekauft von unserer riesigen Sündenschuld und uns in die Gemeinschaft mit dir, in deinen Haushalt hineingeliebt. Wir bitten dich, dass wir lernen, dir treu zu dienen, immer mehr.
Wir beten, dass du durch deinen Geist die falschen Kategorien, vor denen Paulus hier warnt, immer mehr aus unserem Leben und dem Leben dieser Gemeinde zurückdrängst. Hilf uns, vorsichtig zu sein mit Bewertungen, Urteilen und Richten übereinander.
Hilf uns, mit deinen Augen aufeinander zu schauen. Lass diese Gemeinde weiter aufblühen, unsere Gemeinschaft wachsen – dir zur Ehre, zum Zeugnis für diese Welt und zu unserem eigenen Besten. Amen.
Vater im Himmel, wir danken dir, dass du uns zuerst gedient hast. Wir danken dir, Jesus Christus, dass du gekommen bist, nicht um dich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und dein kostbares Leben als Lösegeld für viele, für uns, zu geben.
Du hast uns freigekauft von unserer riesigen Sündenschuld. Du hast uns in die Gemeinschaft mit dir, in deinen Haushalt hineingeliebt.
Wir beten, dass wir lernen, was es heißt, dir immer treuer zu dienen. Wir beten, dass das, was Paulus hier anspricht und wovor er warnt – diese falschen Kategorien, mit denen wir auch über den Dienst denken können – durch deinen Geist immer mehr in unserem Leben und im Leben dieser Gemeinde zurückgedrängt wird.
Hilf uns, sehr vorsichtig zu sein mit Bewertungen, Urteilen und dem Richten übereinander. Hilf uns wirklich, mit deinen Augen aufeinander zu schauen.
Lass diese Gemeinde weiter aufblühen, unsere Gemeinschaft weiter wachsen – dir zur Ehre, zum Zeugnis für diese Welt und auch zu unserem eigenen Besten. Amen.