Guten Morgen, ich möchte alle herzlich zu diesem Bibelstudientag begrüßen. Das Thema heute Morgen lautet „Die Synagoge in der Bibel“.
Gleich zu Beginn möchte ich aus Matthäus 4 lesen. Dort finden wir den Anfang des öffentlichen Dienstes des Herrn Jesus, des Messias, beschrieben.
Der öffentliche Dienst Jesu und die Bedeutung der Synagoge
Matthäus 4,23: Jesus zog in ganz Galiläa umher. Er lehrte in den Synagogen, predigte das Evangelium vom Reich Gottes und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk.
Er ging durch alle Städte und Dörfer, lehrte in den Synagogen, predigte das Evangelium vom Reich und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen.
Aus Lukas 4,15 und 44 lesen wir: Ab Vers 14 heißt es, dass Jesus in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurückkehrte. Das Gerücht über ihn verbreitete sich in der ganzen Umgebung. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen geehrt.
In Vers 43 spricht Jesus zu den Menschen: „Ich muss auch in den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkündigen, denn dazu bin ich gesandt worden.“ Daraufhin predigte er in den Synagogen von Galiläa.
Diese Verse zeigen deutlich, welche Bedeutung die Synagogen im Leben des Messias auf Erden hatten.
Begriffserklärungen zur Synagoge
Unter erstens auf dem Skript aufgeführt, gebe ich ein paar Begriffserklärungen.
Unser Wort Synagoge ist ein griechisches Wort. Synagoge heißt auf Griechisch Zusammenführung. Ganz wörtlich bedeutet Synagoge auf gut Deutsch eben Versammlung. Das heißt also, das Wort bezeichnet erstens eine Zusammenkunft von Menschen, die als Synagoge bezeichnet werden kann. Zweitens kann das Wort auch ein Gebäude für Zusammenkünfte bezeichnen.
In Apostelgeschichte 18,7 ist klar, dass mit Synagoge nicht eine Gruppe von Menschen gemeint ist, die sich an einem Ort versammelt, sondern das Gebäude. Es geht um Paulus, der auf seiner Missionsreise in Korinth war. Dort lesen wir: „Und er ging von dort fort und kam in das Haus eines Gewissen mit Namen Titius Justus, welcher Gott anbetete, dessen Haus an die Synagoge stieß. Crispus aber, der Vorsteher der Synagoge, glaubte an den Herrn mit seinem ganzen Haus, und viele Korinther, welche hörten, glaubten und wurden getauft.“
Hier wird eine Person speziell genannt, die „zufällig gerade neben dem jüdischen Versammlungsgebäude wohnte.“ Eben Synagoge meint hier das Haus, das Gebäude.
Im Hebräischen nennt man das Bet Knesset. Bet heißt Haus, und Knesset hängt zusammen mit Hikanes, was Eintreten bedeutet. Bet Knesset ist also das Haus des Eintretens, wo man eintritt, um sich miteinander zu versammeln.
Sehr oft wird dieses Wort in der ältesten Bibelübersetzung verwendet, die es gibt: der Septuaginta. Das ist die Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische. Sie wurde im dritten Jahrhundert vor Christus in Ägypten, in Alexandria, angefertigt.
Dort haben die jüdischen Übersetzer das Wort „Synagoge“ mehr als zweihundertmal verwendet. Meistens wurde es als Übersetzung für Gemeinde, hebräisch „Eda“, verwendet, wie zum Beispiel in 2. Mose 12,3. Oder als Versammlung, hebräisch „Kahal“, wie in 2. Mose 12,6.
Schauen wir uns das ganz kurz an: Das ist die Geschichte Israels in Ägypten, das Passa. Damals gab es noch keine Synagogen. Trotzdem wird mit dem Wort Synagoge das Volk Israel bezeichnet.
In 2. Mose 12,3 sagt Gott: „Redet zu der ganzen Gemeinde Israel und sprecht: Am zehnten dieses Monats nehme sich ein jeder ein Lamm für ein Vaterhaus und ein Lamm für ein Haus.“ Hier wird die Gemeinde Israel als die Synagoge Israels bezeichnet, also das ganze Volk Israel.
In Vers 6 haben wir nicht „Eda“, sondern „Kahal“. Dort heißt es: „Ihr sollt das Passalamm in Verwahrung haben bis auf den vierzehnten Tag dieses Monats, und die ganze Versammlung der Gemeinde Israel soll es schlachten.“ Für Versammlung steht hier „Kahal“ auf Hebräisch. In der Septuaginta wurde das dann mit Synagoge übersetzt.
Ursprung und archäologische Funde der Synagoge
Die Synagoge war zur Zeit des Auszugs aus Ägypten noch nicht bekannt und auch in den folgenden Jahrhunderten der Geschichte Israels nicht verbreitet. Wo liegt also ihr Ursprung?
Unter dem zweiten Punkt habe ich die ältesten Inschriften aufgeführt, die heute bekannt sind und eine Synagoge erwähnen. Diese stammen aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Archäologisch betrachtet wurden diverse Synagogen in Israel und auch außerhalb Israels ausgegraben.
In Israel fand man eine Synagoge in Jericho, die aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammt. Außerdem kennen wir die Synagoge in Kapernaum, die in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ausgegraben wurde. Dort entdeckte man eigentlich Überreste von zwei Synagogen. Der mächtige Kalkbau, der heute erhalten ist, stammt aus dem dritten oder vierten Jahrhundert. Er wurde jedoch auf Basaltfundamenten errichtet. Basalt ist ein vulkanisches, schwarzes Gestein, das für diese Gegend und auch für den Golan typisch ist. Dieses Fundament stammt aus dem ersten Jahrhundert.
Diese Synagoge ist also ganz offensichtlich die, die in Lukas 7,8 erwähnt wird. Es gibt noch weitere Stellen im Neuen Testament, in denen der Herr Jesus dort predigte. Die Synagoge wurde von einem Hauptmann in Kapernaum gestiftet. Ich lese Lukas 7,5: „Die Juden sagen von diesem hohen Militär, denn er liebt unsere Nation, und er selbst hat uns die Synagoge erbaut.“ (Im Skript sollte man „2005“ auf „2005“ korrigieren.)
Dieser Hauptmann war also ein Heide, der die Finanzierung für den Bau dieser Synagoge übernommen hat, die man heute noch bewundern kann. Antisemitismus war im Römischen Reich sehr verbreitet. Das ist keine Erscheinung der modernen Zeit, sondern auch die alten Römer hatten oft eine Abneigung gegen alles, was mit Juden und Jüdischsein zusammenhängt. Doch dieser römische Hauptmann liebte Israel und stiftete daher eine Synagoge.
In jüngerer Vergangenheit wurde die Synagoge von Magdala ausgegraben. Diese kann man heute besuchen und die Überreste bewundern. Sie stammt aus dem ersten Jahrhundert vor Christus und wurde natürlich auch in biblischer Zeit, also im ersten Jahrhundert nach Christus, genutzt.
Weiterhin kennt man die Synagoge von Masada aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Auch auf Gamla gibt es Überreste einer Synagoge aus dem ersten Jahrhundert.
Durch archäologische Hinweise, Inschriften und Ausgrabungen von Gebäuden lässt sich die Entstehung der Synagoge bis etwa ins dritte Jahrhundert vor Christus zurückverfolgen. Das zeigt deutlich, dass die Synagoge eine vergleichsweise junge Erscheinung in der Geschichte Israels ist.
Die Synagoge als alte Institution im ersten Jahrhundert
In Apostelgeschichte 15,21, während der Apostelversammlung in Jerusalem, erklärt Jakobus, dass Moses von alten Zeiten an in jeder Stadt von Menschen verkündet wird, die ihn predigen. Dies geschieht, indem an jedem Sabbat in den Synagogen aus dem Gesetz gelesen wird.
Jakobus weist somit darauf hin, dass die Synagoge im ersten Jahrhundert bereits eine etablierte Institution war. Dabei bedeutet „von alten Zeiten“ oder wörtlich „von alten Geschlechtern“ eine Zeitspanne von mehreren Jahrhunderten, etwa seit dem dritten Jahrhundert vor Christus. Das umfasst bereits viele Generationen.
Daraus wird deutlich, dass die Synagoge eine nachexilische Erscheinung ist. Mit „Exil“ ist hier das babylonische Exil der Juden gemeint. Dieses begann im Jahr 606 v. Chr. mit der ersten Wegführung durch Nebukadnezar, bei der auch Daniel dabei war (Daniel 1,1). Es folgte die Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v. Chr. mit der Hauptwegführung nach Babylon, der Zerstörung des Salomonischen Tempels und der Stadt Jerusalem (2. Chronik 36).
Eine Wende trat ein, als im Herbst 539 v. Chr. die Perser und Meder das babylonische Imperium eroberten. Sie erlaubten den Juden, in ihr Heimatland zurückzukehren. Nach dieser Zeit des Exils entstanden die Synagogen.
Vorbilder im Alten Testament für die Synagoge
Wir finden im Alten Testament Vorbilder, also Ereignisse, die als Modelle dienten, um schließlich die Institution der Synagogen in vielen Städten aufzubauen.
Ich lese aus 2. Chronik 17, das ist die Geschichte von König Josaphat, aus der Zeit vor dem Exil, aus der Zeit der Könige. Dort lesen wir von einer Zeit, in der es eine Erweckung und eine Rückkehr zum Wort Gottes gab. Ich lese bereits Vers 7:
„Im dritten Jahr seiner Regierung sandte Josaphat seine Obersten Ben Chayil, Ovadja, Zacharja, Netanel und Michael aus, damit sie in den Städten Judas lehren sollten. Mit ihnen gingen die Leviten Shemaja, Netanja, Sebadja, Asael, Shemiramot, Jonathan, Adonia, Tobija und Tov Adonia, die Leviten, sowie die Priester Elishama und Joram. Sie lehrten das Volk Judas, indem sie das Buch des Gesetzes des Herrn bei sich hatten, und zogen durch alle Städte Judas, um unter dem Volk zu lehren.“
Wir sehen also, dass dieser König ein Anliegen hatte. Er erkannte die Not, dass Israel immer wieder von Gott abkam und seinem Wort untreu wurde, indem es in Götzendienst verfiel. Was kann man dagegen tun? Man muss den Menschen die Bibel lehren. Deshalb sandte er so viele Bibellehrer durch ganz Israel aus, damit in allen Städten gelehrt wurde.
Dies war ein großes Vorbild für die Entstehung der Synagogen. Nach der babylonischen Gefangenschaft stellt sich die Frage: Warum ist das geschehen? Warum diese Katastrophe? So viele Menschen starben in den Kriegen der Babylonier gegen Juda. Die Ursache war Götzendienst. Das Volk war von Gott und seinem Wort abgefallen und hatte sich in der Verehrung falscher Götter verstrickt. Deshalb kam es zu dieser Katastrophe.
Die Frage lautet nun: Was können wir tun, damit sich so etwas wie die babylonische Gefangenschaft nie wiederholt? Die Antwort ist: Wir müssen die Menschen regelmäßig mit dem Wort Gottes vertraut machen. So entstand die Idee der Synagoge, eines Ortes der Zusammenkunft in allen Städten, an jedem Sabbat, an dem die Bibel gelesen, gebetet und gelehrt wird.
Weitere Vorbilder finden sich in den Büchern Esra und Nehemia. Dort wird die Zeit nach der Rückkehr aus Babylon beschrieben. Ich möchte aus Esra 7 lesen:
„Der Priester Esra kam aus der Gefangenschaft nach Jerusalem. Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz, also die Tora des Herrn, zu erforschen und zu tun sowie in Israel Satzung und Recht zu lehren.“
Das war sein Herzensanliegen in drei Punkten: Erstens studierte er die Bibel selbst, zweitens wollte er die Bibel in seinem eigenen Leben umsetzen, und drittens lehrte er andere darüber.
In Nehemia 8 finden wir ein Beispiel, wie Esra dies tat.
Die öffentliche Lesung und Erklärung des Gesetzes nach der Rückkehr aus Babylon
8 Vers 1
Als der siebte Monat herankam und die Kinder Israel in ihren Städten waren, versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz, der vor dem Wassertor liegt. Heute wissen wir genau, wo das war. Wenn man nach Jerusalem in die Altstadt kommt, muss man zum Ofel gehen. Der Ofel ist der Südabhang des Tempelberges, direkt unterhalb der Südmauer des Tempelberges. Dort wurde viel ausgegraben, und vor einigen Jahren wurde das Wassertor freigelegt.
Also standen sie dort auf dem Ofel, dem heutigen archäologischen Park, genannt Davidson Center.
Am ersten Tag des siebten Monats, das war übrigens Rosh Haschanah, das Neujahrsfest, das mit dem Neumond zusammenfällt. Der Neumond markiert immer den Monatsbeginn. Aus der dunklen Nacht erscheint plötzlich das erste Licht des Mondes – ein schönes Bild von einer Erweckung, bei der das himmlische Licht aus der Dunkelheit wieder zu scheinen beginnt.
Der Mond wird im Psalm 89 als „der Zeuge zwischen den Wolken“ genannt und gilt als treu. Wenn das Licht wieder wächst, ist das ein schönes Bild für eine Erweckung, die durch das Hören des Wortes Gottes ausgelöst wird.
Das nur kurz zum Datum.
Man könnte fragen, wie der siebte Monat Neujahr sein kann. Im biblischen Kalender gibt es zwei Neujahre. Sechs Monate zuvor, am 1.1., ist ebenfalls ein Neujahr. Die Zählung der Monate änderte sich mit dem Auszug aus Ägypten. In 2. Mose 12 sagt Gott: „Dieser Monat soll euch der erste der Monate sein.“ Das war der Monat Nisan, der Passamonat. Vorher war der siebte Monat der erste Monat.
Ab der Erlösung aus Ägypten wurde der siebte Monat zum ersten Monat.
Vor dem Auszug aus Ägypten war also der siebte Monat der erste Monat, nämlich der erste Tischri, der erste siebte Monat. Das entspricht der Schöpfung, genauer dem sechsten Tag der Schöpfung, als Gott den Menschen erschaffen hat. Das war der erste Tischri. Die Welt selbst wurde am 27. Elul erschaffen (1. Mose 1,1), also sechs Tage vorher.
Der erste Tischri, der Neujahrstag, ist der Tag der Erschaffung des Menschen.
Nun lesen wir in Nehemia 8,2 weiter:
Am ersten Tag des siebten Monats brachte Esra, der Priester, das Gesetz vor die Versammlung – sowohl der Männer als auch der Frauen, und vor allen, die Verständnis hatten, um zuzuhören. Es waren also nicht nur Erwachsene, sondern Männer, Frauen und alle, die verstehen konnten.
Er las auf dem Platz vor dem Wassertor vom lichten Morgen bis zum Mittag in Gegenwart der Männer, Frauen und der Verständigen.
Die Ohren des ganzen Volkes waren auf das Buch des Gesetzes gerichtet. Esra, der Schriftgelehrte, stand auf einem Gerüst aus Holz, das man zu diesem Zweck gebaut hatte.
Hier haben wir bereits das Vorbild für die Synagoge: die Bema, die erhöhte Kanzel, auf der die Tora und die Propheten gelesen werden.
Neben ihm standen Matityah, Shema, Ananiah, Uriah, Hilkiah und Masseiah zu seiner Rechten und zu seiner Linken Bedaia, Mishael, Malkiah, Haschum, Haschbat, Dana, Sekarja und Meshulam.
Esra öffnete das Buch vor den Augen des ganzen Volkes, denn er ragte über ihnen empor. Als er es öffnete, stand das ganze Volk auf. Esra pries den Herrn, den großen Gott, und das ganze Volk antwortete „Amen, Amen“, so sei es, so sei es, indem sie ihre Hände emporhoben, sich verneigten und vor dem Herrn niederwarfen mit dem Antlitz zur Erde.
Jeschua, Bani, Scherebia, Jamin, Akub, Schabbetai, Hodia, Marseja, Kelita, Assaria, Josawat, Hanan und Pelaja sowie die Leviten belehrten das Volk über das Gesetz.
Das Volk stand auf seiner Stelle, las deutlich aus dem Buch des Gesetzes Gottes und gab den Sinn an, sodass man das Gelesene verstand.
Das ist das perfekte Vorbild für die spätere Einrichtung der Synagoge: Das Wort Gottes wird vorgelesen und anschließend erklärt.
Die Entstehung der Targumim und die Sprachsituation
Hier kommt noch hinzu, dass viele, die aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehrten, insbesondere die jüngere Generation, kaum noch Hebräisch sprechen konnten. Während der Jahrzehnte in Babel wurde allgemein Aramäisch gelehrt. Aramäisch war damals die Weltsprache. Mit Aramäisch konnte man sich bei den verschiedenen Völkern des babylonischen Reiches verständigen.
Die Juden lernten Aramäisch sehr schnell, da die Sprache dem Hebräischen sehr ähnlich ist. Man kann es vielleicht mit dem Verhältnis von Holländisch und Deutsch vergleichen. Für uns ist es überhaupt nicht schwer, Holländisch zu lernen. Babylonisch oder Akkadisch zu lernen, ist jedoch etwas ganz anderes. Die Sprache der Babylonier ist zwar auch mit dem Hebräischen verwandt, aber doch ziemlich weit davon entfernt. Man muss viele tausend Formen auswendig lernen.
Ich selbst habe das gemacht, aber es erfordert wirklich Auswendiglernen. Deshalb war es nicht üblich, dass die Juden Babylonisch sprachen. Mit Aramäisch kam man jedoch überall durch. Wer aber nur Aramäisch konnte, hatte ein Problem mit der hebräischen Bibel. Deshalb war es eine wichtige Aufgabe, den Text zu erklären und auf Aramäisch zu kommentieren.
Aus dieser Praxis entstand die Tradition der Targumim. Targum bedeutet auf Aramäisch „Übersetzung“. Targumim ist die Mehrzahl. In jeder Rabbinerbibel, die man Mikra'ot Gedolot nennt, findet man in mehreren Bänden den hebräischen Text in großen Buchstaben und daneben die Targumim, also die aramäischen Übersetzungen. Je nach Text gibt es mehrere Übersetzungen, die nebeneinander aufgeführt sind. Zum Beispiel den Targum Onkelos oder den Targum Jonathan ben Ussiel.
Diese aramäischen Übersetzungen sind nicht unbedingt wörtlich. Für die fünf Bücher Mose ist der Targum Onkelos sehr wörtlich, enthält aber auch erklärende Zusätze. Der Targum Jonathan ben Ussiel ist dagegen sehr erklärend. Das sieht man zum Beispiel bei Jesaja 53. Das Kapitel beginnt schon bei 52,13 mit der Prophezeiung über den Messias: „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln. Er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein.“
Im Targum Jonathan ben Ussiel wird eingefügt: „Siehe, mein Knecht, Meschicha, der Messias.“ Der Übersetzer hat dort gleich einen Kommentar hinzugefügt, der erklärt: Hier handelt es sich um den Messias. So weiß man in jeder Rabbinerbibel, wer dieser Knecht ist, der für unsere Sünden leidet – in Jesaja 53. Das steht in jeder Rabbinerbibel.
Dazu kommen noch die wichtigen Kommentare von Raschi, Abrabanel und anderen großen Rabbinern des Mittelalters.
Der langen Rede kurzer Sinn: Diese Targumim, die aramäischen Übersetzungen, gehen zurück auf die Anfänge der Synagoge und auf Nehemia 8, wo man dem Volk die hebräische Bibel auf Aramäisch erklären musste. Das führte dazu, dass man in Israel, in den Städten, wo die Leute nicht alle Hebräisch konnten – in Jerusalem war das nicht nötig, denn dort sprachen zur Zeit Jesu alle Hebräisch – das Aramäische gebraucht wurde.
In Jerusalem hatte man Mühe, mit Aramäisch durchzukommen. In Galiläa war das anders, dort brauchte man den Meturgeman. Man merkt, dass „Meturgeman“ verwandt ist mit „Targum“, also Übersetzung. Der Meturgeman war der Übersetzer.
Man las einen Vers aus der Tora, zum Beispiel Bereschit: „Bara Elohim Eta Schamayim Weta Aretz“, der erste Satz der Bibel: „Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“ Der Meturgeman musste den Satz frei auf Aramäisch übersetzen. Dann kam der nächste Satz: „Weha Aretz, heita Dovawohu.“ Auch diesen Satz musste der Übersetzer auf Aramäisch wiedergeben.
Bei den Propheten durfte man drei Verse auf Hebräisch lesen, und der Meturgeman musste diese Verse auf Aramäisch übersetzen, damit alle verstanden, was der Bibeltext sagt und was er bedeutet.
Prophetische Ankündigung der Synagogen im Alten Testament
Prophetisch sind die Synagogen bereits im Alten Testament vorausgesagt worden. Schauen wir dazu Psalm 74 an. In der inspirierten Überschrift steht dort ein Maskil. Das ist ein Gedicht zur Unterweisung, das den Leser verständig machen soll, verfasst von Asaf. Asaf war einer der drei großen Dirigenten des Tempelorchesters und des Tempelchores zur Zeit von König David und Salomo.
In Vers 1 lesen wir: „Gott, warum hast du verworfen für immer? Rauch dein Zorn wieder die Herde deiner Weide, gedenke deine Gemeinde, die du erworben hast vor Alters, erlöst als dein Erbteil des Berges Zion, das ist der Tempelberg, auf welchem du gewohnt hast. Erhebe deine Tritte zu den immerwährenden Trümmern, alles im Heiligtum hat der Feind verderbt. Es brüllen deine Widersacher inmitten deiner Versammlungsstätte. Sie haben ihre Zeichen als Zeichen gesetzt, sie erscheinen wie einer, der die Axt emporhebt im Dickicht des Waldes, und jetzt zerschlagen sie sein Schnitzwerk, allzumal mit Beilen und mit Hämmern. Sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt, zu Boden entweiht die Wohnung deines Namens. Sie sprachen in ihren Herzen: Lasst uns sie niederzwingen allesamt. Verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Land. Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, welcher weiß, bis wann. Bis wann, o Gott, soll Höhnen der Bedränger, soll der Feind deinen Namen verachten immerfort?“
Asaf beschreibt hier prophetisch die Vernichtung des Tempels. Er lebte am Anfang der Zeit des salomonischen Tempels und spricht hier prophetisch über den Untergang des Tempels durch die Heiden. Nun stellt sich die Frage: Auf welche Zeit bezieht sich diese Prophetie? Auf die Zerstörung des Salomontempels, des ersten Tempels im Jahr 586 v. Chr., oder auf die Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70 nach Christus durch die Römer?
Wir können das ganz genau sagen: Es kann nicht die Zerstörung des Salomontempels sein. Warum? In Vers 9 beziehungsweise Vers 10, je nach Bibelausgabe (ich meine Vers 8 beziehungsweise 9), steht: „Sie sprechen in ihren Herzen: Lasst uns sie niederzwingen allesamt. Verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Land.“ Diese Versammlungsstätten gab es zur Zeit des Salomontempels gar nicht. Aber zur Zeit des Jahres 70 nach Christus gab es die Synagogen im ganzen Land, in Galiläa, Judäa und Jerusalem.
Noch wichtiger ist, um das zu beweisen, dass in Vers 9 beziehungsweise Vers 10 steht: „Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, welcher weiß, bis wann.“ Zur Zeit der Zerstörung des Salomontempels gab es Jeremia, vorher und nachher. Nach der Zerstörung hatte er die Klagelieder geschrieben und klagte über das Elend seines Volkes und den Untergang des Tempels. Er wusste, bis wann, und hat auch in Jeremia 25 und 29 geschrieben: Siebzig Jahre wird die Zeit Babylons dauern, und dann kommt die Wende, und ihr werdet zum Herrn rufen, und er wird euch annehmen und wieder zurückbringen.
Und tatsächlich dauerte die Zeit Babylons, also als Babylon das Weltreich hatte, von 609 bis 539 genau 70 Jahre. Im Jahr 612 wurde die Hauptstadt der vorangegangenen Weltmacht, Niniveh, zerstört. Die Assyrer konnten sich in Kriegen noch drei Jahre weiter verteidigen, aber 609 war das assyrische Reich am Boden – das war die Zeit von Babylon. Siebzig Jahre später, im Herbst 539, wurde Babylon erobert. Bei der letzten Party wurde Belsatza mit einem Schwertstreich beseitigt.
Also gab es Propheten, die wussten, und sie wussten bis wann. Neben Jeremia gab es auch andere, denken wir an den Propheten Hesekiel und an Daniel. Sie waren alle informiert. Aber zur Zeit des Jahres 70 gab es keine Propheten in Israel. Darum ist klar: Es geht hier um die Zerstörung im Jahr 70 nach Christus. Dort wird gesagt in Vers 8 beziehungsweise 9: „Verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Land.“
Ich habe auf dem Skript hier aufgeführt, dass das hebräische Wort „mo'adei el“ bedeutet „Versammlungsstätte Gottes“. Diese sind hier prophetisch angekündigt. Bevor es diese Institution gab, sagt der Prophet schon, dass sie dann bei dem Tempeluntergang, wenn man keine Propheten mehr hat, im ganzen Land verwüstet werden.
Und so geschah es in den Kriegen von 66 bis 73 nach Christus und dann beim zweiten Aufstand von 132 bis 135 nach Christus unter Kaiser Hadrian. Die Römer zerstörten in Israel 985 Städte und Festungen. Das kann man bei Cassius Dio, einem römischen Geschichtsschreiber, nachlesen. So hat sich die Prophetie erfüllt.
Verbreitung der Synagogen im Mittelmeerraum
Nun, drittens ein Wort zur Verbreitung der Synagogen. Wie ich bereits aus der Archäologie erklärt habe, waren diese Synagogen eine sehr wichtige Einrichtung in Israel. Es gab jedoch viele Juden, die in den Jahrhunderten vor Christi Geburt aus dem Land ausreisten und Handel trieben. Sie lebten in verschiedenen Städten, besonders rund um das Mittelmeerbecken – also in Nordafrika, der heutigen Türkei, Kleinasien und bis nach Spanien, dem damaligen Europa entlang des Mittelmeers.
Diese Juden bauten in all den Städten, in die sie kamen, Synagogen. Ein Problem für sie war, dass sie das Hebräische verloren. Das ist oft so, wenn Familien wegziehen: Die Eltern können die Muttersprache noch, aber die jungen Leute lernen die Sprache der neuen Umgebung und verlieren nach und nach ihre Muttersprache. So war es auch hier.
Deshalb war es wichtig, eine griechische Übersetzung der heiligen Schriften zu haben. Diese wurde in den Synagogen vorgelesen, und zwar die Septuaginta, die es seit dem dritten Jahrhundert vor Christus gibt. Das war eine ganz wichtige Vorbereitung auf das Evangelium.
Wir sprechen hier über die Zeit des Römischen Reiches. Warum war Griechisch damals so wichtig? Viele wissen das nicht und glauben, die Sprache des Römischen Reiches sei Latein gewesen. Natürlich war die Sprache der Römer Latein, aber die Weltsprache im Römischen Reich, mit der man überall durchkam, war Griechisch. Das geht zurück auf Alexander den Großen.
Wir haben in der Schule gelernt, dass Alexander der Große von 336 bis 323 v. Chr. in nur dreizehn Jahren die damalige Welt eroberte – von Europa, Griechenland, über afrikanische Gebiete und Ägypten bis nach Pakistan, damals sagte man bis nach Indien. Dort wurde Griechisch eingeführt und ersetzte Aramäisch als Weltsprache.
Als die Römer ihre Macht immer mehr ausbauten und schließlich auch die letzten Reste des Alexanderreichs vernichteten, blieb Griechisch weiterhin die Verkehrssprache. Nun versteht man auch, warum das Neue Testament nicht auf Latein, sondern auf Griechisch geschrieben wurde. Griechisch war das Englisch von damals.
Erstaunlich ist, dass der Apostel Paulus den Römerbrief in die Hauptstadt des Römischen Reiches auf Griechisch schreiben konnte. In der Gemeinde in Rom konnte man den Römerbrief auf Griechisch vorlesen und davon ausgehen, dass die Leute ihn verstanden. Das ist wirklich bemerkenswert.
Das gesamte Neue Testament wurde im Original auf Griechisch verfasst, weil das eben die Verkehrssprache war. Gott wollte mit der Wahl dieser Sprache zeigen, dass das Evangelium nicht nur für ein Volk bestimmt ist, nämlich Israel, sondern alle Völker der Welt erreichen soll.
So war also die Ausbreitung der Synagogen im Mittelmeerraum eine sehr wichtige Vorbereitung für das Evangelium. Dadurch erhielten nämlich Heiden – also Nichtjuden – Zugang zum Alten Testament. Es war damals nicht zu erwarten, dass ein Heide Hebräisch lernen würde. Aber sie konnten Griechisch, und in den Synagogen wurde Griechisch vorgelesen.
Die Rolle der Synagoge für Nichtjuden im Römischen Reich
Genau in der Zeit vor 2000 Jahren stellt man fest, dass es viele Nichtjuden im Römischen Reich gab, die wirklich genug hatten von den römisch-griechischen Göttern. Diese Götter waren sehr fragwürdig, denn nach ihren Mythologien betrieben sie Ehebruch, Menschenraub, Hurerei, Mord und vieles mehr. Wie sollten solche Götter irgendein Vorbild sein? Und wie sollte man solche Geschichten den Kindern erzählen? Welche Vorbilder würden ihnen da gegeben?
So gab es viele Nichtjuden, die eine Sehnsucht hatten, einen gerechten, ewigen und persönlichen Gott kennenzulernen. Überall im Römischen Reich hörte man, dass es ein Volk gibt, das ganz besonders ist, anders als die anderen. Viele hassten es, aber es war einfach anders. Dieses Volk hatte in Jerusalem einen Tempel für den einen Gott. Dort gab es kein Bild, das verehrt wurde, denn dieser Gott war unsichtbar und allgegenwärtig.
Viele hatten Interesse, diesen Glauben der Juden kennenzulernen und besuchten deshalb auch die Synagogen. So kamen viele zum Glauben an den Gott Israels. In der Apostelgeschichte findet man diese Nichtjuden. Wir haben gerade vorhin in Apostelgeschichte 18 nachgelesen. Können wir das noch einmal öffnen? Apostelgeschichte 18, Vers 7: „Und er ging von dannen fort und kam in das Haus eines Gewissens mit Namen Titius Justus, welcher Gott anbetete, dessen Haus an die Synagoge stieß.“
Der Ausdruck „welcher Gott anbetete“ war damals der Fachbegriff für Heiden, die den Glauben an den Gott Israels annahmen. Solche Menschen findet man an zahlreichen Stellen in der Apostelgeschichte. Ein Beispiel dazu: Man kann für sich alle Stellen in der Apostelgeschichte heraussuchen, in denen es heißt „von denen, die Gott anbeteten“ oder „die Gott fürchteten“. So wurden diese Menschen genannt.
In Apostelgeschichte 13 geht es um die Synagoge in Perge, Pamphilien, Antiochien in Pessidien. Paulus ging durch Perge in Pamphilien und kam nach Antiochien, dem heutigen Gebiet der Türkei. Vers 42: „Als sie aber hinausgingen, baten sie, dass sie am folgenden Sabbat diese Worte zu ihnen geredet würden.“ Als die Synagoge zu Ende war, folgten viele der Juden und der anbetenden Proselyten.
Der Ausdruck „anbetende Proselyten“ meint also Nichtjuden, die ins Judentum übergetreten waren und durch den Religionswechsel Juden wurden. Man kann also in der Apostelgeschichte all diese Stellen nachschlagen, an denen von „anbetenden“ oder „die Gott fürchtenden“ oder „Proselyten“ die Rede ist.
Dort findet man diese vorbereiteten Heiden für das Evangelium. Gerade in der Apostelgeschichte sehen wir, dass aus dieser Gruppe viele zum Glauben am Evangelium kamen. Sie waren vorbereitet, weil sie die Bibel schon kannten, das Alte Testament. So waren sie bereit, die Botschaft vom Messias anzunehmen, der nun gekommen war und alle Prophezeiungen aus dem Alten Testament über den leidenden Messias erfüllt hatte.
Beispiel Lydia – eine vorbereitete Nichtjüdin
Und dann noch eine spezielle Frau: Apostelgeschichte 16. Ich lese ab Vers 13:
Und am Tag des Sabbats gingen wir, sagt Lukas, hinaus vor das Tor an einen Fluss, wo es üblich war, das Gebet zu verrichten. Wir setzten uns nieder und redeten zu den Frauen, die zusammengekommen waren. Eine gewisse Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, welche Gott anbetete, hörte zu. Ihr Herz tat der Herr auf, sodass sie achtgab auf das, was von Paulus geredet wurde.
Als sie aber getauft worden war, zusammen mit ihrem Haus, bat sie und sagte: „Wenn ihr urteilt, dass ich dem Herrn treu sei, so kehrt in mein Haus ein und bleibt.“ Und sie nötigte uns dazu.
Diese Lydia war eine Nichtjüdin, aber sie trat ins Judentum über beziehungsweise glaubte an den Gott der Bibel. Als Paulus und Lukas kamen und das Evangelium in Philippi brachten, kam sie zum Glauben, vorbereitet durch das Judentum.
Durch die griechische Bibel, die Septuaginta, die übrigens sehr oft im Neuen Testament von den Aposteln zitiert wird. Nicht immer. Manche Zitate aus dem Alten Testament – und es gibt ja deren Hunderte – sind direkt aus dem Hebräischen übersetzt worden von den Aposteln. Andere sind fast wie die Septuaginta, nur ein bisschen anders. Und dann gibt es solche, die genau wie die Septuaginta sind.
Man kann also sagen, die Septuaginta war die Bibel der ersten Zeugen des Herrn Jesus und der Apostel. Sie haben diese Bibel benutzt, obwohl sie übrigens viele Fehler aufweist. Aber natürlich hat der Heilige Geist nicht die Fehler verwendet, wenn aus dem Alten Testament zitiert wird.
Darum ist an manchen Stellen eben direkt aus dem Hebräischen übersetzt worden und nicht nach der Septuaginta. Das zeigt, dass man also auch eine Bibel, die Fehler hat, immer noch benutzen kann, um das Evangelium zu verkündigen. Aber man muss sie zwischendurch auch ein bisschen korrigieren – das haben die Apostel auch gemacht. Von den Fehlern haben wir im Neuen Testament aber nichts.
Ja, jetzt machen wir an dieser Stelle eine Viertelstunde Pause.