Hagai – und die Überschrift lautet: Schluss mit dem Schlendrian.
Das war Hagais Auftrag: Er sollte im Auftrag Gottes das Volk schütteln und rütteln, sie wachmachen und aus ihrer Lethargie aufwecken. Und das soll auch heute mein Auftrag sein. Ich möchte euch heute ein bisschen schütteln und nicht langweilen.
Wir hatten diesen Sommer über sechs Freizeiten in Schoppen mit Kindern und Jugendlichen unter dem Thema Salomo. Das war unser Bibelthema. Mir ist dabei mit Erschrecken aufgefallen: Salomo hat richtig gut gestartet. Aber sein Ende war ein einziges Fiasko.
Am Ende der Freizeit haben wir immer einen Elternabschied. Dann kommen von allen Teilnehmern die Eltern, und ich soll eine Abschlussandacht halten. Dabei habe ich etwas über Salomo gesagt – und das war eine Strafpredigt an Erwachsene.
Tappen wir in die Salomofalle? Werden wir, je älter wir werden, umso nachlässiger, was den Glauben angeht? Dabei ist mir eine Sache aufgefallen: Ihr könnt jetzt hier dieses Lesezeichen in Haggai reinlegen, dann findet ihr ihn immer wieder. Erste Könige 3 hat mich richtig unter die Haut gehen lassen.
Erste Könige 3, Vers 4: Salomo ist noch sehr jung, ein Knabe, ein Heranwachsender. Gott fragt ihn: „Bitte, was soll ich dir geben?“ In diesem Zusammenhang steht, dass Salomo dem Herrn Opfer brachte.
In Vers 4 heißt es: „Der König ging nach Gibeon, um dort zu opfern, denn das war die große Höhe.“ Tausend Brandopfer opferte Salomo. Entschuldigung, was habt ihr hier für eine trockene Luft in Bayern?
Am Anfang, als er noch jung ist, opfert er tausend Brandopfer. Du kannst dir vorstellen, wie viel das ist. Dann lesen wir in Kapitel 11, Erste Könige 11, Vers 3: Als Salomo älter wurde, hing er an jeder Menge Frauen, nämlich siebenhundert Fürstinnen und dreihundert Nebenfrauen – insgesamt tausend Frauen.
Und in Vers 8 steht: „Und so tat er für alle seine fremden Frauen, die ihren Götzen räucherten.“ Am Anfang war der junge Salomo, der Gott mit tausend Brandopfern verherrlichte. Doch als er älter wurde, gab es tausend Nebensächlichkeiten oder Dinge, die ihm wichtiger wurden – und für die stieg der Rauch auf.
Ich glaube, das ist bei vielen von uns der Fall: Wir verlieren die Hauptsache aus dem Auge und verstricken uns in Nebensächlichkeiten oder sogar in falschen Dingen. Salomos Kompromissbereitschaft, seine Nachlässigkeit und seine Vergnügungssucht ließen ihn nach und nach geistig verkümmern.
Hier vorne sind noch viele wunderschöne Plätze, und ich sehe das Weiße in den Augen, wenn er hier vorne sitzt. Als wir bei dieser Freizeit diese kurze Andacht hielten, kam nachher ein Vater zu mir, ein gestandener Mann, den ich bis dahin nicht kannte. Er sagte nur: „Andreas, was du gerade erzählt hast von Salomo, der am Anfang ein glühendes Herz für Gott hatte, aber dann immer mehr abgebaut hat – Gold hat er jede Menge, aber es war kein göttlicher Reichtum.“
Das hat mich schon ganz schön getroffen. Dann sagte ich: „Aber deine Tochter, die hier war, die hat ein Herz aus Gold. Wir haben es sehr genossen, sie hier zu haben.“ Da fing er plötzlich an zu weinen. Dieser Mann weinte richtig heftig, und das sehe ich eher selten, dass Männer hemmungslos weinen.
Dann sagte er: „Weißt du was, wir haben heute Morgen in einem Andachtsbuch gelesen: ‚Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, Jesus Christus.‘ Wenn jemand auf diesem Grund baut – Gold oder Silber oder edle Steine oder Holz, Heu oder Stroh.“
Und jetzt sagst du mir, deine Tochter hat ein Herz aus Gold. Ich muss mir eingestehen, ich habe das viel zu wenig im Blick gehabt – meine Kinder, ihre Prägung. Ich habe mich viel zu sehr im Beruf verstrickt.“ Dann weinte er los und sagte: „Nächste Woche wird meine Firma zwangsversteigert. Das war alles für die Katz.“
Und ich denke, das ist auch ein bisschen der Refrain im Buch Haggai: Wofür lebst du? Wo zeigst du dich nachlässig, und wo geht deine ganze Energie hinein?
Der Haggai hat insgesamt, glaube ich, nur 38 Verse. Es ist das zweitkürzeste Buch im Alten Testament. Ganz kurz, aber es hat es in sich. Denn der Haggai schießt nicht mit Schrot, sondern er will die Kugel.
Ich habe mal unsere vierjährige Tochter Talita gefragt: Welche Sprache spricht man in Spanien? Spanisch? Ja. Welche Sprache spricht man in England? Englisch? Ja. Und welche Sprache spricht man in Deutschland? Deutlich? Genau das macht der Haggai. Er redet sehr, sehr deutlich, legt den Finger in die Wunde und macht es klar.
Lesen wir das mal: Haggai 1,1-2. Entschuldigt meine Stimme.
Im zweiten Jahr des Königs Darius, im sechsten Monat, am ersten Tag des Monats, erging das Wort des Herrn durch den Propheten Haggai an Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und an Josua, dem Sohn Josedaks, dem Hohenpriester. Er sprach:
So spricht der Herr der Heerscharen: Dieses Volk spricht: „Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des Herrn gebaut werde.“ Da haben wir Wichtigeres zu tun. Die Zeit ist noch nicht da.
Über die Jahre ist ein Schlendrian eingekehrt. Hat sich bei dir auch in der Sache mit Gott irgendwie so eine Lässigkeit eingeschlichen? Hier ein bisschen Feuer verloren gegangen?
Es wäre heute mein Anliegen, dass unsere Trägheit, unsere Schluderigkeit, unsere Nachlässigkeit uns mal wieder bewusst wird. Was könnte Gott durch uns bewirken, wenn wir mal wieder aufwachen?
Und genau das gelingt dem Haggai. Er redet sehr prägnant und eindringlich. Und was mir ein ganz großes Hoffnungszeichen ist: Dieser Haggai ist zwar schon zweieinhalbtausend Jahre her, aber das hat noch eine Relevanz für heute, für Grasso oder für dich und für mich.
Wie komme ich darauf? Warum ist dieses Buch heute noch relevant?
Dazu müsst ihr mal ins Neue Testament blättern, denn dort wird Haggai zitiert – im Hebräerbrief. Hebräer 12,25-26.
Zuvor wird in diesem Brief dargelegt: Gott redete damals im Alten Bund vom Berg Sinai – das war schrecklich. Im Neuen Testament redet er vom Berg Zion, oder man könnte auch sagen vom Berg Golgatha.
Gott redet. Und dann wird hier betont in Hebräer:
„Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der redet, denn wenn jene nicht entkamen, die den abwiesen, der auf der Erde göttliche Aussprüche gab, wie viel mehr wir nicht, wenn wir uns abwenden von dem, der vom Himmel her redet!“
Und dann kommt etwas später ein Zitat von Haggai. Da ist es dann, in Vers 26:
„Jetzt aber hat er verheißen und gesagt: Noch einmal werde ich nicht allein die Erde erbeben lassen, sondern auch den Himmel.“
Und das ist ein Zitat von Haggai.
Gott sagt: Da steht noch etwas aus. Auch die Botschaft von Haggai hat noch eine Erfüllung vor sich.
Das ist noch relevant, Leute. Lest das, beherzigt das, was Haggai gesagt hat.
Gott wird auch uns erschüttern. Sie soll uns rütteln und schütteln, diese Botschaft.
Und damit ihr euch ungefähr einen Überblick verschaffen könnt, wo wir hier eigentlich gerade sind: Das sind die Zeitgenossen von Haggai. Er gehört zu den nachexilischen Propheten, also zu denen, die nach der Rückkehr des Volkes aus Babylon wirkten. Seine Zeitgenossen sind Sacharja, Maleachi, Nehemia und als Pflichtlektüre dazu in der Mitte das Buch Esra.
Hier nun eine kleine Geschichte für diejenigen, die sich vielleicht nicht so gut auskennen – die Geschichte im Zeitraffer:
Jerusalem wurde durch Nebukadnezar zerstört. Die Juden waren in Verbannung, und nur noch ein kümmerlicher Haufen wohnte in den Trümmern der Stadt. Jahre später bekommt Nehemia die Nachricht, wie es in Jerusalem aussieht. Er ist erschüttert und muss bitterlich weinen. So kann man sich das ungefähr vorstellen.
Doch es gab eine Rückwanderung. Die Juden durften die Stadt unter Esra wieder aufbauen. Das Erste, was sie taten, war, an alter Stelle den Altar wieder aufzubauen. Vielleicht reichten die Kapazitäten, die Zeit oder das Geld nicht aus. Sie räumten erst einmal den Schutt zur Seite und bauten auf der Grundlage des alten Tempels den Altar wieder auf.
Dann kam die Zeit Haggais. Was war seine Aufgabe? Er sollte den Leuten den Marsch blasen und ihnen klarmachen: Vergesst nicht, Gott möchte, dass Folgendes geschieht. Jetzt guckt mal, was passiert – Achtung, ja, aha: Der Tempel soll wieder errichtet werden. Diese Baustelle ruhte nämlich seit sechzehn Jahren.
Noch einmal, viel später, zur Zeit Nehemias, passiert Folgendes: Die Mauer wird wieder aufgebaut, und Jerusalem ist wieder eine geschützte Stadt mit einem Heiligtum und einem Schutz. So sieht ungefähr die Geschichte Jerusalems nach dem Exil aus.
Was mir bei Haggai gefällt: In seiner kurzen Botschaft richtet er immer wieder konkrete Fragen an das Volk. Insgesamt sind es acht Fragen. Wenn ihr mal Zeit habt, könnt ihr euch diese markieren. Ich wünsche mir, dass wir das vielleicht hier schaffen, dass ich euch mit Fragen ein bisschen herausfordern kann.
Tja, und jetzt geht es erst richtig los – zehn vor zehn. Die Juden waren damals mit nur 42 Mann heimgekehrt aus Babel, nach einem 800 Kilometer langen Fußmarsch vom Irak bis ins heutige Israel. Diese Rückwanderer ließen alles zurück, was sie in den letzten siebzig Jahren aufgebaut hatten. Sie kannten nichts anderes als Babel. Nur ganz wenige waren damals als Kinder aus Israel ausgewandert. Sie wussten nicht, was sie erwartete – eine völlig ungewisse Zukunft.
Aber das Land der Väter war ihnen wichtig, und sie hatten dieses Wort im Herzen: „Gott hat noch etwas vor mit diesem Land, mit seinem Wohnort.“ 800 Kilometer Fußmarsch – oder wir lesen im Buch Esra: Sie hatten auch Reittiere, Esel, Kamele, Pferde, aber nur jeder Vierte. Die meisten mussten wirklich laufen oder auf den Reittieren mitfahren. Da waren dann der Küchenschrank oder die Badewanne oder was sie sonst so mitgenommen hatten. Die sind das wirklich zu Fuß gelaufen.
Und noch etwas bekamen sie, das lesen wir auch im Buch Esra: Die Babylonier – oder besser gesagt die Perser zu diesem Zeitpunkt – gaben ihnen tatsächlich die alten Tempelschätze wieder mit. Sie sagten zu den Juden: „Geht zurück in eure Heimat, baut sie wieder auf, und wir geben euch sogar das alte Tempelinventar wieder mit.“ Stellt euch das mal vor: Diese Kostbarkeiten auf so einer Karawane – wie gefährlich das war, wie ungeschützt und extrem verwundbar.
Und jetzt zieht da eine Schlange von 42 Menschen. Genau diese Mischung: ganz Profanes – da hat die Oma ihr Strickzeug eingepackt, die Kinder ihre Spielsachen oder ihre Klamotten – und zwischendrin die Tempelschätze. Ganz Profanes und ganz Sakrales ziehen gemeinsam in eine neue Zukunft.
Aber was sie dann in Jerusalem vorfinden, ist so deprimierend. Gott hatte dieser Stadt ja wieder siebzig Sabbate geschenkt, damit sie mal zur Ruhe kam. Aber dort sehen sie nur zerstörte Häuser und verwüstete Felder. Und als allererstes mussten die Väter irgendwie ein Obdach für ihre Familien zusammenzimmern. Nichts stand mehr, alles war kaputt und überwuchert.
Ich kann mir das gut vorstellen: Erst mal das nackte Überleben sichern, irgendwie eine Bleibe schaffen. Dann kann man vielleicht mal daran denken, ein netteres Zuhause zu machen – nicht nur eine Stube, sondern vielleicht noch ein Kinderzimmer. An den Tempel war überhaupt nicht zu denken. Es ging nur ums Überleben. Der Tempel lag in Trümmern. Sie hatten zwar den Altar, auf dem sie wieder Gott opfern und preisen konnten, aber sonst? „Wir müssen doch leben als Familien, wie soll das anders gehen?“
Und dann, obwohl sie diesen Altar gerade errichtet hatten und ein paar Trümmer zur Seite geräumt hatten, passiert 16 Jahre lang nichts mehr. 16 Jahre nur am eigenen Häuschen bauen. 16 Jahre eine stillgelegte Baustelle – ähnlich wie der BER-Flughafen in Berlin. Wir als Familie haben jetzt nach 16 Jahren, in denen wir in Schoppen waren, zum ersten Mal wieder renoviert.
Wieso kam es damals zu so einem Baustopp? Ja, es fehlte irgendwie die Energie. Das Private war doch viel vordringlicher: die Familie. Sie waren anfangs motiviert zu bauen, hatten begonnen mit dem Tempel. Aber dann gab es einen Konflikt: Die ansässigen Samariter sagten, „Ihr baut da einen Tempel, das ist cool. Wir sind auch religiös. Können wir das vielleicht zusammen machen? Irgendwie so House of One, große Ökumene hier, ein Bau in Jerusalem.“ Die Juden sagten jedoch: „Das dürfen wir nicht. Wir können keine gemeinsame Sache mit euch machen.“
Dann regten die Samariter Widerstand an, und alles kam zum Erliegen. In Esra 4,4-5 steht: „Da machte das Volk des Landes die Hände des Volkes Juda schlaff, sie schreckten sie vom Bauen ab und nahmen Ratgeber gegen sie in Dienst, um ihren Plan zunichte zu machen, alle Tage des Kyrus, des Königs von Persien, und bis zur Regierung des Darius, des Königs von Persien.“
Sie wussten die Zeit nicht einzuordnen. Haggai? Nein, das trauten sie sich lieber nicht. Früher war in Jerusalem der Tempel und der Gottesdienst die Mitte des Judentums, ihre Identität. Das war der Tempel, der Wohnort Gottes. Mittlerweile war dort in Jerusalem das eigene Haus, die Familie, der Garten zur Mitte geworden.
Und jetzt kommt Haggai und sagt: „Hier muss sich was ändern. Schluss mit diesem Schlendrian. Sechzehn Jahre sind genug.“ Aber das Erste, was das Volk sagt, ist: „Moment, die Zeit ist noch nicht gekommen, langsam, langsam.“ Sie waren nicht grundsätzlich dagegen, aber noch nicht. Jetzt sind andere Dinge wichtiger. „Wir haben landwirtschaftliche Probleme, wir haben schon ein paarmal Missernten gehabt, wie sollen wir jetzt einen Tempel bauen? Wir müssen auf den Acker.“
Sechzehn Jahre lang. Und dann kommt Haggai.
Ich finde das Wunderschöne an diesem Mann, an diesem Propheten: Er darf erleben, was ich sage, und das bewirkt etwas.
Das wäre übrigens meine ganz große Hoffnung für heute, dass ihr nicht einfach nur einen Tag hier absitzt und dann wieder nach Hause geht, sondern dass irgendetwas geschieht.
Wo hast du dich vielleicht schon längst mit etwas abgefunden, wo du denkst: Ja, das ist halt so, da kann man nichts machen? So ähnlich wie die Dresdner mit ihrer Frauenkirche. Mitten in Dresden lag dieser Trümmerhaufen. Ja, sie dachten, das ist halt kaputt, da ist eine Bombe draufgefallen, da kann man nichts machen. Aber dann gab es ein paar, die sagten: Das wäre doch spektakulär, wenn wir das Ding wieder hinkriegen – die Frauenkirche.
Kennst du das, dass Schwierigkeiten bei dir zu einer Stagnation geführt haben? Dass dann so eine geistliche Schlaffheit kommt, gar keine Glaubensenergie und keine Hoffnung mehr? Es ist halt so, ich gebe auf. So war das zur Zeit Haggais, und so ist es auch heute an vielen Orten. Man wird schlaff, lässt schleifen, macht schlapp.
Übrigens, Schlendrian – wisst ihr, was das Wort bedeutet und wo es herkommt? Das ist holländisch, „slenderen“, und das heißt so viel wie schleppend, schlurfend einhergehen. Man lässt sich so gehen. Die Jugend würde sagen: chillen.
Mir ist jetzt ein ganz interessanter Zusammenhang aufgefallen, und ich hoffe, ihr könnt das nachvollziehen. Ach ja, das hier wäre noch eine Übersicht: Es gibt ein Bible Project aus Amerika, wo jemand versucht hat, die ganze Bibel zu illustrieren – ganz schön kompakt. Ich finde das ein tolles Hilfsmittel, es ist auch sehr bibeltreu.
Das erste Kapitel von Haggai ist hier illustriert: Die Leute bauen emsig an ihren eigenen Häusern und Feldern, während der Tempel eine einzige Ruine ist. Haggai sagt: „Sind eure Privathäuser wirklich wichtiger als das Haus des Herrn?“ Das ist der erste Teil der Botschaft heute.
Schau mal nach hinten, denk mal über deine letzten Monate und Jahre nach: Hat sich bei dir so ein Schlendrian eingeschlichen? Boah, als ich zum Glauben kam, da war ich irgendwie begeistert, angezündet. Aber in letzter Zeit ist irgendwie der Ofen aus. Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der da redet, wegen all der Trümmer um euch herum.
Dazu noch eine Stelle aus dem Epheserbrief, die mich wirklich in dem Zusammenhang berührt hat. Schaut mal: In Epheser 2 heißt es: „Ihr seid nun nicht mehr Fremdlinge ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“
Genauso war das bei den Juden damals. Sie waren siebzig Jahre in Babel Fremdlinge, Exilanten. Sie bauten dort ihre Häuser, aber sie gehörten eigentlich nicht dorthin. Jetzt aber waren sie nicht mehr Fremdlinge, sondern sie waren heimgekehrt in das Land der Väter, nach Israel, nach Jerusalem. Sie waren wieder an heiligem Ort und wollten wieder Hausgenossen Gottes sein – kann man so sagen.
Hier im Epheserbrief heißt es weiter: „Wir sind aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, in dem Jesus Christus selbst Eckstein ist.“ Hey, das passt auch sehr gut zu Haggai.
Das Erste, was sie damals machten, war, die Trümmerberge beiseitezuschieben. Dort, wo einmal der Tempel stand, sagte ein alter Greis von 92 Jahren: „Ich erinnere mich noch, hier war die Ecke, da hörte der Tempel auf.“ Also machten sie den Schutt weg. Dann richteten sie die Steine aus, legten die Fundamentplatte oder das Felsenfundament frei. Dort stand einmal der Altar. Seht ihr noch? Da ist eine Vertiefung, man sieht noch altes Blut.
Genauso ist es bei uns. Auch wir sind aufgebaut auf einer Grundlage, die einmal gelegt wurde – die Apostel und Propheten, man könnte auch sagen: die Bibel. Und Jesus selbst ist der alles dominierende Eckstein, der Grund, der gelegt ist.
Und jetzt sagt Paulus: „Dieser ganze Bau soll zusammenwachsen, größer werden, fertig werden.“ Das ist unsere Aufgabe: Ein Bau, der wohl zusammengefügt wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, in dem auch ihr mit aufgebaut werdet.
Hey, du! Du gehörst dazu. Du bist einer dieser lebendigen Steine, und wenn du fehlst, fehlt etwas. Zu einer Behausung Gottes im Geist.
Ich dachte: Wow, das ist genau wie bei Haggai. Da liegt zwar ein Fundament, aber dummerweise auch noch ein Haufen Trümmer. Auch heute ist die geistliche Landschaft so verwüstet. Da liegt so viel Altlast mit drin. Die Grundlage stimmt, aber es gibt so viel Schutt, Scherben und Verletzungen, die mutlos machen.
Und da ist ganz viel Rückzug ins Private. Familie ist wichtiger. Vielleicht hast du auch erlebt, dass Gott dich herausgerufen hat aus fremder Bindung, aus der Welt. Vielleicht hat er dich zu sich gerufen, aber irgendwie bist du auf halbem Weg stecken geblieben.
Bist du auf dem neuen und lebendigen Weg von Babylon, der Vermischung, nach Jerusalem, dem Ort des Friedens, irgendwo unterwegs stecken geblieben?
Es gibt in Schottland eine kleine Kapelle in Falkirk. Dort, hinter dem Altar in der Wand, ist heute noch eine Gedenkplatte eingelassen. Darauf steht: In dieser Kirche hat im Alter von vierzehn Jahren jemand während eines Gottesdienstes beschlossen, sein Leben ganz Gott und den Menschen zu widmen.
Wisst ihr, wer das war? David Livingstone, der berühmte Afrikaforscher. David Livingstone hat in dieser Kapelle als Vierzehnjähriger erkannt: „Boah, Gott will mich!“ Und dann machte er seinem Namen alle Ehre. Er wurde zu einem lebendigen Stein und ließ sich in Gottes Pläne einbauen.
Leider war das im Buch Haggai damals irgendwie aus dem Gesichtskreis verschwunden. So ungefähr sah es damals aus: Man hatte zwar die Tempelgrundlage wieder geräumt, aber mehr auch nicht. Und irgendwie dachte man: Wer hat den Mut, so etwas anzugehen? So ein Schrotthaufen.
Ich komme übrigens gerade frisch von einem Schlichtungsgespräch. Brüder aus einer Gemeinde in Süddeutschland haben uns gebeten zu helfen. In ihrer Gemeinde gibt es schon seit zwölf Jahren Streit. Sie schaffen es allein nicht, die Probleme zu lösen, und fragten, ob wir von außen beraten und ihnen zu einer Neutralität verhelfen können. Trümmer! Und da geht der Mut verloren.
Aber wie ist es bei dir? Die Botschaft hier lautet: Richtet doch mal euer Herz auf eure Wege. So heißt es in Haggai 1,5 (oder Vers 4): „Ist es für euch Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt? Und nun, so spricht der Herr der Heerscharen: Richtet doch euer Herz auf eure Wege!“
Schaut mal kurz zurück. Denk du doch mal kurz an deine letzten Monate. Wie war dein Weg mit Gott? Oder denk auch weiter zurück, an deine Eltern und Großeltern. Falls sie schon gläubig waren: Ist es mit dir geistlich bergauf oder bergab gegangen? So in dieser Konstellation: Meine Eltern, meine Großeltern – ging es in unserer Familie geistlich bergauf oder bergab? Ging die Reise nach Babel oder nach Jerusalem?
Bei uns hat ein alter Bruder gesagt: „Wie der Acker, so die Rübchen; wie die Väter, so die Söhne; wie die Mütter, so die Töchter – oder sogar etwas schlechter.“ Was wird aus dieser Ecke da hinten, aus diesen jungen Leuten, in zehn Jahren? Werden sie unsere Gemeinden tragen und stärken? Werden sie Gott dienen? Werden sie Jesus lieben? Werden sie Menschen fischen? Oder werden sie sagen: „Das ist nicht meins“?
Das ist die Zentralbotschaft in Haggai: Schaut mal zurück, richtet euren Blick auf eure Wege, auf die vergangene Spur. Was ist das Resümee deiner Jahre? Liegen deine Wege im Rückblick auf einer Linie mit Gottes Willen – oder war da nur Schlendrian und nichts daraus geworden?
Meine Frau und ich haben mittlerweile einen Lieblingsvers in der Bibel. Diesen Vers hat mir meine Frau wirklich sehr, sehr lieb gemacht: Psalm 87,2.
Ich bin Gott und meiner Frau sehr dankbar, dass sie diesen Vers auch genau so lebt und sieht. Psalm 87,2 lautet: „Der Herr liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs.“ Versteht ihr das? Gott liebt unsere Wohnungen, Gott liebt unsere Familien, Gott liebt unsere Gemeinden, Gott liebt dich und mich. Er liebt die Tore Zions aber noch mehr.
Was bedeutet das? Zion ist der Wohnort Gottes mitten in Jerusalem. Hier heißt es, dass Gott diesen Platz mehr liebt. Er liebt uns auch, aber sein Herz schlägt für seinen Wohnort. Ich bin überzeugt, dass das heute unsere Gemeinden sind. Der Herr liebt unsere Gemeinden mehr als alle Wohnungen Jakobs, also mehr als alle Privat- und Familieninteressen.
Ich freue mich sehr, dass meine Frau das lebt. Sie sagt zu mir: „Andreas, die Gemeinde geht vor“ oder „Andreas, deine Dienste gehen vor. Fahr du nur noch nach Bayern! Ich kümmere mich um den Rest.“ Der Herr liebt die Tore Zions mehr als alle Tore Jakobs, als alle Wohnungen Jakobs.
Vielleicht musst du heute deine Prioritäten noch einmal ganz neu sortieren. Hast du in letzter Zeit deine Energie auf etwas Zweitrangiges verwendet? Im Philipperbrief schreibt Paulus einmal: „Alle Geschwister suchen nur das Ihre.“ (Philipper 2,21) Sie sind alle sehr privat unterwegs und suchen nur das, was ihnen selbst nützt, nicht das, was des Christus ist.
Wer trägt die Lasten? Betet ihr manchmal das Vaterunser – oder ist das euch zu katholisch? Wisst ihr, wie die ersten drei Bitten im Vaterunser lauten? Es geht um deinen Namen, es geht um dein Reich, es geht um deinen Willen. Erst danach kommen meine Hungergefühle, meine Befindlichkeiten und meine Versündigung.
„Vater, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe.“ Das hat die höchste Priorität. Und dann darf auch das andere kommen.
Und das ist die Botschaft von Haggai. Hier werden in erster Linie zwei Führer im Volk angesprochen: Serubbabel und Josua. Serubbabel war der Politiker, der Statthalter, Josua war der Priester, der Vertreter der Religion. Staat und Kirche – Serubbabel und Josua – sie versuchten, das Gemeinwesen wieder zum Funktionieren zu bringen, die Gesellschaft auf die Beine zu stellen.
Doch sie legten das Sichtbare wichtiger als das Geistliche. Sie versagten, indem sie die Perspektive Gottes außer Acht ließen. Sie dachten sich: Moment mal, wir sind doch schon viel weiter als noch vor ein paar Jahren in Babel. Wir haben wieder Gottesdienste, hier ist wieder ein Altar, und das hatten wir in Babel nicht. Es ist noch nicht Zeit für mehr. Sie fanden viele Ausreden.
Dann sagt Haggai: Los, es muss sich etwas tun. Er macht einen sehr konkreten Vorschlag beziehungsweise einen Auftrag: So spricht der Herr der Heerscharen, Gott selbst: „Richtet euer Herz auf eure Wege, steigt auf das Gebirge, bringt Holz mit, baut das Haus!“
Ich finde das fantastisch. Hier in Grassau kenne ich das gar nicht, aber man schaut aus dem Fenster und sieht sofort Berge oder Voralpen. So stelle ich mir das auch in Jerusalem vor. Haggai nennt drei Dinge: Bergsteigen, Baumfällen, Bauarbeiten. Das ist jetzt dran. Also los: ab ins Gebirge, holt das Holz und dann baut das Haus!
Warum müssen sie in die Berge steigen? Steine hatten sie genug, aber Holz – wo ist das Holz? Soll ich es euch verraten? Die Vertäfelung im Wohnzimmer, die Decke im Hobbyzimmer, Bankirai-Bohlen auf der Terrasse, Balkonbrüstungen am Flachdach – das ganze Holz ging für das Private drauf. Und jetzt mussten sie immer weiter klettern, auf die Berge, um überhaupt noch Holz zu holen.
So ist es doch oft: Was wir uns privat gönnen, geht häufig zu Lasten von Gottes Interessen. Ihr jungen Leute, ihr fahrt zu McDonald's, ihr kauft euch das neue iPhone, ihr geht ins Kino, und sonntags kommt der Beutel. Oder ihr sagt: „Ja, ich kriege nur Taschengeld, da bleibt nichts mehr übrig.“ Was wir uns gönnen, geht sehr oft auf Kosten der Sache Gottes.
Bei Salomo war es so, und da fing schon die Schieflage an: Er baute sieben Jahre am Tempel, aber dreizehn Jahre an seinem Palast. Der muss toll ausgesehen haben.
„Richtet euer Herz auf eure Wege“, heißt es auch an euch, ihr Bayern. Wir machen uns schön und bequem und gönnen uns so manches. Aber was haben wir als Anliegen für Gottes Interessen? Welchen Weg hast du eingeschlagen? Allmählich den breiten, bequemen oder gehst du noch den schmalen?
Richtet eure Herzen auf eure Wege! Früher gab es hier in Deutschland Zeiten, da überragten die Kirchtürme jeden Giebel und jedes Gebäude. Das war wie ein Fingerzeig in den Himmel: Es gibt etwas Größeres, es gibt etwas Wichtigeres als uns selbst.
Dann überragten die Fabrikschornsteine alles – Industrialisierung, Brauereien, Flöten, Industrialisierung, Materialismus. Und wisst ihr, was heute alles überragt? Die Skyline der neuen Götzen: Profit und Kommerz. Megawindräder, Handymasten, Fernsehtürme, Ikea und gelbe M-Schilder recken sich als Fingerzeig des Konsums über alles hinweg in den leer gewordenen Himmel.
Aber was ist das Hervorragende in deinem Leben? Wenn deine Nachbarn dich sehen, merken die dann: „Hey, der hat irgendwie etwas, das größer ist als er selbst, das ihm wichtiger ist als sein Privatwohl.“ Was ist das Hervorragende bei dir? Wofür investierst du wirklich? Was ist vorrangig?
Eine sehr treffende Zusammenfassung der ganzen Botschaft von heute Morgen ist Matthäus 6,33. Kennt ihr den Vers auswendig? Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit. Könnt ihr nicht glauben, dass er dann für den Rest sorgt?
Matthäus 6,33: Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.
Das Krasse ist ja: Die, die es umgekehrt machen, die sagen „Family first“, Privatinteressen, mein Wohlbefinden. Dann passiert genau das hier: Ihr habt viel gesät, aber wenig eingebracht. Ihr esst, aber nicht zur Sättigung, höchstens zur Fettigung. Ihr trinkt, aber nicht zur Genüge. Ihr kleidet euch, aber es wird euch gar nicht warm. Ihr wirtschaftet in einem löchrigen Beutel. Du tust das Geld rein, gehst davon, und hinter dir sieht es aus wie bei Hänsel und Gretel. Klack, klack, klack – fällt alles wieder raus. Was bleibt eigentlich übrig?
Richte dein Herz auf deine Wege. Was liegt bei dir gerade brach? Was läuft ganz gut?
Ich erinnere mich an Gehasi, den Prophetenschüler bei Elisa. Er war eher ein bisschen schlurfig oder öfter mal verpeilt. Aber einmal klingelte es bei ihm, als Naaman kam, hier mit einer Kutsche voll Gold, Silber und edlen Kleidern. Da stellten sich ihm alle Nackenhaare auf, und Gehasi wurde einmal richtig flink. Er rannte hinterher: Das muss ich haben, das brauche ich! Er war schnell, wenn es um seinen eigenen Vorteil ging, und sonst schlurfte er eher dahin.
Leider sind auch sehr, sehr viele Geschwister so. Habt ihr welche aus Thailand? Aus Bangkok? Viele Christen sind nur Bankhocker. Sie hocken einfach da, füllen einen Stuhl aus, aber mehr auch nicht.
Heute Morgen haben wir in der Andacht bei Hilverkus gelesen: „Herr, lass dein Lob auf meinen Lippen nicht ersterben.“ Kommt da etwas? Empfängt Gott etwas von mir?
Der Herr erlebt hier das Wunder, diese Bestätigung, diese Freude: Wow, ich habe gepredigt und es passiert etwas.
In diesem Buch Haggai kann man sich vorstellen, dass er es wahrscheinlich selbst kaum fassen konnte. Am selben Tag, nehme ich an, haben sie gesagt: „Der müsste wirklich etwas tun.“ Vielleicht sollte er einen Bauausschuss gründen, um die Tempelwiedererrichtung zu organisieren.
Genau so heißt es hier in Vers 12: Serubbabel, Jeschua und der ganze Überrest des Volkes hörten auf die Stimme des Herrn, ihres Gottes, und auf die Worte des Propheten Haggai, so wie der Herr, ihr Gott, sie gesandt hatte. Das Volk fürchtete sich vor dem Herrn.
Sie erkannten, dass sie etwas falsch gemacht hatten, dass etwas schiefgelaufen war. Es geschah etwas, als sie Gottes Wort empfingen: Sie erzitterten wieder vor Gott. Erst dann erhielten sie die Verheißung.
In Vers 13 sagt der Herr: „Ich bin mit euch.“ Zuvor hatte er gesagt: „Ich bin mit diesem Volk.“ Doch jetzt sagt er: „Ich bin mit euch, wenn ihr Buße tut und sagt: ‚Da muss ich etwas sortieren.‘“
Nach dieser Predigt geschieht etwas. Ich wäre sehr dankbar, wenn nach dem ersten Teil hier jemand sagen würde: „Bei mir muss etwas passieren, bei mir muss sich etwas ändern.“
Du kannst übrigens jederzeit Gottes Anspruch in deinem Leben wieder einräumen und zur Geltung bringen. Vielleicht warst du sechzehn Jahre lang ein schlafender Stein, ein Trümmerhaufen. Vielleicht ist es heute an der Zeit, endlich damit aufzuhören und zu sagen: „Das muss aufhören. Schluss mit diesem Schlendrieren.“
So, letzte Folie und dann ist Pause.
In der Offenbarung heißt es: Sei nun eifrig, tu Buße! Wann hast du das letzte Mal über dich selbst geweint oder vor Gott die Knie gebeugt und gesagt: Herr, bei mir muss sich etwas ändern? Sei eifrig und tu Buße! Amen!