Einführung in Typologie und Allegorie
Wir fahren jetzt weiter, und ich möchte einen Überblick über das Thema Typologie und Allegorie im Verlauf der Kirchengeschichte geben. Dabei soll dargestellt werden, wie diese Begriffe im Laufe der Zeit verstanden und angewendet wurden.
Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den ich bisher vergessen habe: Was ist eigentlich Allegorie?
Allegorie ist eine Darstellung, die in allen Einzelheiten einen bildlichen Sinn hat. Der Begriff „Allegorie“ stammt aus Galater 4, wo Paulus die Geschichte von Sara und Hagar als Allegorie bezeichnet. Dort heißt es in Galater 4,24 in Verbindung mit dieser Geschichte: „Was einen bildlichen Sinn hat.“ Paulus verwendet das Wort allegoreo, was „allegorisch reden“ oder „bildlich reden“ bedeutet – wörtlich also „anders reden“. Das bedeutet, dass neben dem wörtlichen Sinn die Geschichte von Sarah und Hagar noch einen weiteren, tieferen Sinn hat.
Die Allegorie ist in der Bibel meistens ein Begriff, der zur Typologie gehört. Dies werden wir im Verlauf des Vortrags noch genauer sehen.
Frühzeitliche Formen der Bildersprache im Alten Testament
Also nun zur Geschichte der Typologie und Allegorie. Das Alte Testament kennt bereits die bildliche Rede in Gestalt des Rätsels, des Bildwortes, des Gleichnisses und der Allegorien.
Ich habe unten in der Fußnote einige Beispiele angegeben, wie Hesekiel 16, 17, 19, 23, 31, 34 und weitere. Auch die Visionen im Buch Daniel sind allegorische Visionen. So ist etwa das Standbild in Daniel 2 oder die vier Tiere im Traum von Daniel, Daniel 7, allegorisch zu verstehen.
Solche allegorischen, also bildlichen Texte werden bereits im Alten Testament auch gedeutet. Die Herausführung Israels aus Ägypten mitsamt dem Wüstenzug und der Landnahme werden von den Propheten als Vorausabbildung, als Präfiguration des Kommenden dargestellt.
In Hosea 2,14 geht es um Israel in der Endzeit. Dort wird davon gesprochen, wie Gott Israel in die Wüste führt. Die Wüstenreise am Anfang wird als Bild für die letzte Zeit aufgegriffen. Ebenso wird der Auszug aus Ägypten zum Vorgeschmack für die endzeitliche Befreiung Israels.
Gerade in Jesaja 10,24 und folgenden Versen wird die Parallele gezogen: So wie Gott Israel damals aus Ägypten befreit hat, so wird er in der Endzeit Israel von all seinen Feinden befreien.
Damit wird bereits innerhalb des Alten Testaments eine Geschichte als Vorabbildung des Zukünftigen genommen. Dieses Motiv findet man auch sehr häufig bei Jesaja, wo die Wegführung, die Zerstreuung unter den Völkern und ihre Rückführung mit der Befreiung aus Ägypten verglichen werden.
Bereits im Alten Testament finden wir das Phänomen der vertikalen Typologie. So wird in 2. Mose 25 und 26 gesagt, dass die Stiftshütte und ihre Geräte Abbilder eines himmlischen Originals sind.
Dieses ganze Thema ist also eigentlich schon im Alten Testament verankert.
Typologie und Allegorie im hellenistischen Judentum und im Neuen Testament
In nachaltestamentlicher Zeit, im sogenannten hellenistischen Judentum, das durch die griechische Sprache geprägt ist, deuteten bereits Philo und Aristobulus das Alte Testament auf allegorische Weise.
Auch die Schriftgelehrten im Land Israel, die Rabbiner, verwendeten diese Methode. Dies geschah etwa zur Zeit Jesu und etwas davor, also im ersten und zweiten Jahrhundert.
Kommen wir nun zum Neuen Testament: Hier lässt sich sagen, dass die Auslegung des Alten Testaments förmlich von der Typologie durchdrungen ist. Dies werden wir anhand von Beispielen noch näher betrachten.
Typologie im frühen Christentum und bei Origenes
Und nun wenden wir uns dem frühen Christentum im zweiten Jahrhundert zu, insbesondere dem sogenannten Barnabasbrief. Auch bei Tryphon und Irenäus finden wir Beispiele dafür, wie sie die Typologie bei der Auslegung anwenden.
So behauptete Justin im zweiten Jahrhundert gegenüber dem Juden Tryphon, dass er nachweisen könne, dass alle übrigen Anordnungen des Mose Vorbilder, Symbole und Hinweise auf Christus seien. Dies zeigt sich in seinem Dialog mit Tryphon. Irenäus, ein Märtyrer aus dem zweiten Jahrhundert, lehrte ebenfalls, dass das Alte Testament im Voraus Bilder von dem zeige, was in der Kirche geschehen solle.
Wir gehen nun weiter und kommen zu Origenes, der von 185 bis 254 lebte. Er lenkte die allegorische Auslegung in Verbindung mit seinem Mystizismus in eine ganz neue Richtung. Diese Richtung entfernte sich deutlich vom neutestamentlichen Vorbild.
Bei Origenes ist die wörtliche Bedeutung des Alten Testaments überhaupt nicht mehr wichtig. Zum Beispiel sagte Origenes, es sei nicht wesentlich, ob wir glauben, dass die Welt tatsächlich an sechs Tagen erschaffen worden sei. Für ihn war es auch belanglos, ob das erste Menschenpaar wirklich von einer sprechenden Schlange verführt worden sei, ob Kain seine Schwester geheiratet habe usw. Das alles war für ihn nicht wichtig.
Der wörtliche Sinn ist nicht entscheidend; wichtig ist nur die tiefere Bedeutung darin.
Man erkennt hier eine klare Abweichung vom Neuen Testament, denn das Neue Testament misst der wörtlichen Bedeutung des Alten Testaments fundamentales Gewicht bei.
Typologie im Mittelalter und ihre Herausforderungen
Nun gehen wir weiter bis ins Mittelalter. Die Typologie und Allegorie verkam zu einem Tummelplatz für die wildesten Phantastereien. Hilarius, Ambrosius, Augustin und Hieronymus standen unter dem alexandrinischen Einfluss von Origenes. Dieser hat also bis heute viel Schaden angerichtet.
Origenes war zum Beispiel auch der erste Alversöhner, den wir so ganz klar greifen können. Die Alversöhnung hat ihre Bedeutung bis in unsere Zeit hinein. Auch den Mystizismus, den er ins Christentum hineingebracht hat, finden wir heute wieder, und zwar ganz ausgeprägt.
Diese Auslegungen bis ins Mittelalter sind oft von Willkür gekennzeichnet, doch sie haben die Auslegung so geprägt. Ein Beispiel: Augustin legt die Speisung der Fünftausend allegorisch aus. Er sagt, die fünf Brote, die Jesus den Jungen brachte, seien ein Bild von den fünf Büchern Mose.
Aber wie kommt er auf die Beziehung zwischen den fünf Broten und den fünf Büchern Mose? Er erklärt, dass die Brote aus Gerste seien, und Gerste sei äußerlich rau. So sei das Alte Testament eine äußerlich raue Hülle. Doch wenn man die Gerste isst, sei sie innerlich wunderbar im Geschmack. So sei es auch mit den fünf Büchern Mose.
Weiter legt er die zwei Fische aus auf die zwei Ämter Christi: König und Priester. Wie kommt die Beziehung zwischen Fisch, Königtum und Priestertum zustande? Man merkt, hier wird ein großer Sprung gemacht.
So funktioniert das natürlich nicht, und ebenso wenig funktioniert die typologische Auslegung im Neuen Testament. Es ist nun wirklich ein Tummelplatz für Phantasie geworden.
Reformatoren und Rückkehr zum wörtlichen Sinn
Wir kommen nun zur Reformation. Die Reformatoren haben die Bibel ganz neu entdeckt. Deshalb finden wir dort eine Rückkehr zum wörtlichen Sinn der Bibel.
Die Reformatoren haben den Kampf gegen Phantastereien aufgenommen. Gott hat uns ein Wort gegeben, und allein das Wort Gottes ist Maßstab. Das haben die Reformatoren erkannt: sola scriptura – allein die Schrift. Wir brauchen keine Konzile, wir brauchen keine Päpste, die uns sagen, was Recht und Unrecht ist. Wir haben die Bibel allein.
Deshalb wurde der wörtliche Sinn der Schrift für sie wieder ganz wichtig. Luther war jedoch fest überzeugt, dass die ganze Schrift von heimlichen Hinweisen auf Christus erfüllt sei. Hier sehen wir, dass er die Typologie nicht abgelehnt hat. Neben der Rückkehr zum wörtlichen Sinn wurde der Typologie somit auch eine Berechtigung eingeräumt.
Rationalismus und Ablehnung der Typologie
Nach der Zeit der religiösen Überzeugungen kam der Rationalismus, die Aufklärung. Der Begriff Rationalismus leitet sich vom lateinischen Wort „Ratio“ ab, was Verstand bedeutet.
Was wollten uns die rationalistischen Philosophen lehren? Sie sagten, wir müssen alles anhand des Verstandes prüfen. Die Ratio des Menschen ist die letzte Beurteilungsinstanz. Was nicht in unseren Verstand passt, das gibt es auch nicht.
So setzte der Rationalismus der Typologie natürlich ein Ende. Später werden wir vielleicht noch deutlicher sehen, warum die Typologie im Rationalismus absolut keinen Platz hat.
Der Rationalismus lehnte zum Beispiel auch echte Prophetie ab. Diese gebe es gar nicht. Zwar sagten sie nicht, Gott existiere nicht, aber sie behaupteten, Gott interessiere sich nicht für uns. Er wirke nicht in die Weltgeschichte hinein.
Deshalb sei es Phantasterei, wenn man sagt, Gott hätte in der Bibel die Zukunft vorausgesagt. Daraus folgt, dass man auch nicht glauben könne, dass Geschichten im Alten Testament eine prophetische Bedeutung haben sollen.
Die Typologie versuchte man somit endgültig auszuradieren.
Wiederentdeckung der Typologie im 19. und 20. Jahrhundert
Wir kommen zum neunzehnten Jahrhundert, zur Erweckungszeit in Nordamerika und in verschiedenen reformierten Ländern Europas. In dieser Zeit hat die Brüderbewegung der Typologie ein neues Ansehen verliehen. Man hat sie neu entdeckt, sich aber klar von den Auswüchsen im Altertum, bei Augustin, Origenes und im Mittelalter distanziert.
Im Bereich der evangelikalen Gemeinden, die ebenfalls aus der Erweckungsbewegung des neunzehnten Jahrhunderts hervorgegangen sind, hat die Typologie im Allgemeinen jedoch keine große Bedeutung erlangt. Es hat sich die Behauptung beziehungsweise das Axiom herausgebildet, dass Typologie nur in Bezug auf die Stellen gilt, die im Neuen Testament so gedeutet werden. Das heißt, wenn das Neue Testament nicht ausdrücklich sagt, dass eine Geschichte einen Hinweis auf Christus enthält, dann darf man das nicht so sehen. Andernfalls würde man zu weit gehen.
Im zwanzigsten Jahrhundert ist jedoch etwas Interessantes geschehen, und zwar im Lager der liberalen Theologie. Diese entdeckten plötzlich erneut die Typologie und die Allegorie. Theologen wie Goppelt, Eichrott, Vonrath und Stuhlmacher versuchten, die Typologie als Auslegungsmethode wieder neu zu rehabilitieren.
Dabei fällt auf, dass hier eine große Ähnlichkeit zu Origenes besteht. Die liberale Theologie verachtet nämlich das Alte Testament als historisches Dokument. Sie verspottet Christen, die glauben, dass der Schöpfungsbericht wörtlich zu nehmen sei. Das Historische hat für sie praktisch keine Bedeutung. Stattdessen suchen sie gewissermaßen einfach nach der Bildersprache darin.
Interessant ist, dass bibeltreue Evangelikale oft große Zurückhaltung gegenüber dieser Auslegung zeigen, während die Liberalen diese Methode bereits wiederentdeckt haben – sozusagen in Anführungszeichen. Das ist ein bemerkenswerter Gegensatz.
Beispiel für typologische Auslegung: 1. Korinther 9,9
Jetzt versuche ich, das Axiom zu widerlegen, dass man nur die Stellen so auslegen darf, wie sie im Neuen Testament erklärt werden.
Ein konkretes Beispiel sehen wir in 1. Korinther 9,9. Paulus behandelt in diesem Kapitel das Problem, ob ein Missionar Unterstützung annehmen darf. Der Hintergrund ist, dass die Korinther sagten, Paulus sei eigentlich aufs Geld aus. Glücklicherweise hat Paulus von den Korinthern von Anfang an nichts angenommen.
In diesem Kapitel erklärt er nun, welche biblischen Gründe es gibt, dass Missionare unterstützt werden dürfen. Dabei erwähnt er in Vers 9 – ich lese schon Vers 8: Rede ich dieses etwa nach Menschenweise? Oder sagt nicht auch das Gesetz dieses? Denn in dem Gesetz Moses steht geschrieben: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Ist Gott etwa für die Ochsen besorgt, oder spricht er nicht durchaus um unseretwillen? Denn es ist um unseretwillen geschrieben, damit der Pflügende auf Hoffnung pflügen soll, und der Dreschende auch Hoffnung dreschen, um dessen teilhaftig zu werden.
Paulus nimmt also ein Gebot aus 5. Mose 25,4 heraus, wo steht, dass ein Ochse, der in der Tenne so rundherumgehen muss über das Geerntete, damit das gedroschen wird, nicht einen Maulkorb bekommen darf. Weil er schon so mühsame Arbeit leistet, darf er zwischendurch von den Körnern fressen. Paulus sagt nun, dieses Gebot sei eigentlich wegen uns geschrieben worden. Er überträgt es auf den Missionar. Der Missionar hat ein Recht, von der Arbeit, die er tut, zu leben.
Der Ochse wird gewissermaßen zum Bild für den Missionar, und die Körner sind ein Bild für seinen Lebensunterhalt. Paulus macht ganz klar, dass dieses Gebot für uns Christen geschrieben worden ist. Nicht, weil wir unter die Gebote von Sinai gestellt sind, sondern weil das Prinzip dahinter, das göttliche bleibende Prinzip, herausgearbeitet wird.
Nun nehmen wir 5. Mose 25 genauer unter die Lupe. Dort gibt es noch viele andere Gebote. Zum Beispiel in Vers 13: Du sollst nicht zweierlei Gewichtssteine in deinem Beutel haben, einen großen und einen kleinen, und so weiter. Haben all diese Gebote keine Bedeutung, nur das eine, das im Neuen Testament erwähnt wird? Das kann man uns ja doch nicht glaubhaft machen.
Wenn 1. Korinther 9 eine Abhandlung über 5. Mose 25 wäre, dann wäre es verständlich, dass nur dieses Gebot eine neutestamentliche Bedeutung erhält. Aber das ist nicht der Fall. In einem ganz anderen Zusammenhang, wo es um Missionare und ihre Unterstützung geht, wird dieser Vers herausgezogen und erklärt: Schaut mal, im Gesetz steht das schon, und dieses Prinzip hat für Christen eine bildliche Bedeutung. Es ist für uns geschrieben worden.
Das können wir übrigens auf das ganze Neue Testament anwenden. Wenn das Neue Testament eine vollständige Auslegung des Alten wäre, eine Vers-für-Vers-Auslegung, dann könnten wir glauben, dass nur die Dinge, die im Neuen Testament typologisch ausgelegt werden, so interpretiert werden dürfen. Aber das weiß ja jeder, dass dies nicht der Fall ist.
Wir erkennen daraus bereits: Das Neue Testament zeigt uns prinzipiell, wie wir an das Alte Testament herangehen sollen. So können wir uns plötzlich die Frage stellen: Du sollst nicht zweierlei Gewichtssteine in einem Beutel haben – was könnte das für uns bedeuten, wenn Gott auch das für uns geschrieben hat?
Wörtlich bedeutet es, dass man Gewichtsteine mit einem bestimmten Gewicht hat, die stimmen, und einen zweiten, der zu leicht ist, für dasselbe Gewicht. Betrüger handelten auf dem Markt so, dass sie den leichten Stein für den Verkauf benutzten und den richtigen Stein für die Kontrolle vorzeigten. Einen braucht man für die Kontrolle, einen für den Verkauf.
Was ist das? Das ist Doppelmoral. Zwei verschiedene Maßstäbe: Dort, wo es einem passt, nimmt man den leichten Stein, dort, wo es einem passt, den schweren. Genau das ist wichtig: Wir sollen keine Doppelmoral haben.
Zum Beispiel heißt es in 1. Timotheus 5, Paulus spricht über Älteste, die falsch handeln, die sündigen. Er sagt dort: Die müssen überführt werden (Vers 20). Und dann in Vers 21: Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln, dass du diese Dinge ohne Vorurteile beobachtest, indem du nichts nach Gunst tust.
Das bedeutet, dass man bei denen, die einem nicht passen, sehr streng ist, während man bei guten Freunden ein Auge zudrückt. Das ist Doppelmoral. Im Neuen Testament wird ganz klar gesagt: Ernstlich wird vor Gott, Christus Jesus und den Engeln bezeugt, dass diese Dinge ohne Vorurteil zu beachten sind, nicht nach Gunst zu handeln.
Also hat auch das Gebot „Du sollst nicht zweierlei Gewichtssteine haben“ eine übertragene Bedeutung für uns. So wird das Alte Testament zu einer Fundgrube von Illustrationen. Die Doppelmoral, erklärt durch die verschiedenen Steine, geht viel tiefer. Wir begreifen sie besser, weil wir das Bild fassen können.
Weitere Beispiele typologischer Auslegung im Neuen Testament
Ein weiteres Beispiel findet sich in Hebräer 9,1-5. Stellen wir uns vor, wir lesen diese Verse zum ersten Mal in unserem Leben. Für manche unter uns mag es tatsächlich das erste Mal sein. Wir haben also die großartige Chance, ganz unvoreingenommen einen Blick darauf zu werfen.
Hier wird die Stiftshütte kurz beschrieben. Es wird erklärt, dass der erste Bund Satzungen für den Dienst und das Heiligtum hatte. Das Heiligtum war ein weltliches Zelt, eine Hütte, die eingerichtet wurde. Es gab einen vorderen Teil, das sogenannte Heilige, und dahinter das Allerheiligste.
Im Heiligen befanden sich der Leuchter, der Tisch und die Darstellung der Brote, die als das Heilige bezeichnet werden. Hinter dem zweiten Vorhang lag das Allerheiligste, eine Hütte, die den goldenen Räucheraltar und die Lade des Bundes enthielt. Diese Lade war überall mit Gold überzogen. Darin befanden sich ein goldener Krug mit Manna, der Stab Aarons, der gesprosst hatte, und die Tafeln des Bundes.
Über der Lade aber überschatten die Cherubim der Herrlichkeit den Versöhnungsdeckel. Über diese Dinge wird hier nicht im Einzelnen gesprochen.
Zusammengefasst wird also die Stiftshütte beschrieben: Im vorderen Teil das Heilige, dahinter das Allerheiligste. Im Heiligen gab es die Menora, den goldenen Leuchter, den Schaubrottisch, den Räucheraltar und die Bundeslade. Im Allerheiligsten befanden sich der Krug mit Manna, der Stab Aarons, die Tafeln des Gesetzes – die zehn Gebote.
Man könnte nun erwarten, dass eine Auslegung folgt, die erklärt, was all das bedeutet. Doch der Schreiber sagt ausdrücklich, dass er darüber nicht im Detail sprechen will.
Das wirft die Frage auf: Wo im Neuen Testament werden diese Details erklärt? Zum Beispiel wird im Römerbrief Kapitel 3 der Versöhnungsdeckel erwähnt und mit Christus verglichen. Gott wird dort durch Christus als Sühnedeckel dargestellt – das gleiche Wort wie hier.
Andere Dinge werden an verschiedenen Stellen im Neuen Testament erwähnt, aber es gibt keine Erklärung zum Beispiel für den Schaubrottisch. Was bedeuten die zwölf Brote? Das wird nirgends im Neuen Testament erklärt. Auch die Bedeutung des gesprossenen Stabs Aarons wird nicht erläutert.
Und hier wird ausdrücklich gesagt: Jetzt wollen wir nicht darauf eingehen. Das ist nicht das Thema von Hebräer 9.
Was bedeutet also Hebräer 9, Vers 5? Es ist ein Hinweis darauf, dass es im Alten Testament noch vieles zu entdecken gibt, das im Neuen Testament nicht ausgelegt wurde. Nun sind wir selbst gefragt, darüber nachzudenken, was zum Beispiel der Schaubrottisch bedeutet.
Der Tisch hat eine Leiste rundherum, eine Handbreit hoch, auf der die zwölf Brote lagen. Die zwölf Brote entsprechen den zwölf Stämmen Israels. Die Leiste schützt die Brote, damit sie nicht herunterfallen.
Wenn wir das Alte Testament auf Christus hin auslegen, wird deutlich: Der Tisch trägt die Brote in der Gegenwart Gottes. Es sind Schaubrotre, auf die Gott ständig schaut. Der Tisch erinnert gewissermaßen Gott an die zwölf Stämme Israels, an sein Volk.
Der Herr Jesus ist derjenige, der das Volk Gottes trägt, der uns als Gläubige durchs Leben führt. Er hat in Johannes 10,27 gesagt: „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben.“
Diese Erklärung findet sich zwar nirgends direkt im Neuen Testament zum Schaubrottisch, doch mit Hilfe des Neuen Testaments können wir die Symbolik deuten. Das berührt uns tief, wenn wir uns vor Augen halten, dass die zwölf Brote ständig im Allerheiligsten liegen und Gott uns nie vergisst.
Gott vergisst sein Volk nicht. Wir haben die Sicherheit, die Hand des Erlösers zu halten, und niemand wird uns aus seiner Hand reißen.
So merken wir, wie diese Bilder uns wirklich zu Herzen gehen. Würden wir sie vernachlässigen, würden wir einen großen Verlust im Glauben erleiden.
Melchisedek als typologisches Beispiel
Noch ein Beispiel: Hebräer 5,11-14.
Hier geht es um Melchisedek, diesen geheimnisvollen König von Salem, Jerusalem, der in 1. Mose 14 erwähnt wird. Er ging Abraham nach der Schlacht der Könige entgegen und stärkte ihn mit Brot und Wein.
Was heißt es hier von Melchisedek? Vers 11 sagt: „Über welchen wir viel zu sagen haben, und was mit Worten schwer auszulegen ist, weil ihr im Hören träge geworden seid. Denn da ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, bedürft ihr wiederum, dass man euch lehre, welches die Elemente des Anfangs der Aussprüche Gottes sind. Und ihr seid solche geworden, die der Milch bedürfen und nicht der festen Speise; denn jeder, der Milch teilhaftig wird, ist unerfahren im Wort der Gerechtigkeit. Denn er ist ein Unmündiger. Die feste Speise aber ist für Erwachsene, welche vermöge der Gewohnheit geübte Sinne haben, zur Unterscheidung des Guten sowohl als auch des Bösen.“
Hier wird erklärt: Über Melchisedek gibt es sehr viel zu berichten. Aber es ist eine schwierige Sache, die nicht so einfach zu verstehen ist. Wenn man dann noch träge im Zuhören ist, wird es erst recht mühsam.
Der Schreiber sagt hier, dass ihr, wenn man schaut, seit wann ihr bekehrt seid, eigentlich schon fähig sein müsstet, andere zu belehren. Aber ihr seid immer noch wie Babys, die Muttermilch brauchen. Ihr könnt also noch keine fortgeschrittene biblische Nahrung, feste Speise für Erwachsene, aufnehmen. Ihr seid noch alle Babys.
Das sagt der Hebräerbrief, nicht wir. Aber wenn ihr im Glauben Fortschritte macht, dann seid ihr auch fähig, diese Auslegung über Melchisedek zu begreifen.
In Hebräer 7 geht der Schreiber tatsächlich auf die Auslegung über Melchisedek ein, allerdings nur kurz. Er sagt hier: „Über den haben wir sehr viel zu sagen.“ Das zeigt, dass wir nicht erwarten dürfen, dass im Hebräerbrief alles über die typologische Bedeutung von Melchisedek berichtet wird. Aber wir finden hier Prinzipien, wie wir daran herangehen sollen.
Nun wollen wir das gleich einmal näher betrachten: Hebräer 7, Vers 1: „Denn dieser Melchisedek, König von Salem, Priester Gottes des Höchsten, der Abraham entgegenging, als er von der Schlacht der Könige zurückkehrte und ihn segnete, welchem auch Abraham den Zehnten zuteilte von allem, der erstlich verdolmetscht König der Gerechtigkeit heißt, sodann aber auch König von Salem, das ist König des Friedens, ohne Vater und ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habend, aber dem Sohn Gottes verglichen, bleibt Priester auch immerdar.“
Wir haben hier ein schönes neutestamentliches Beispiel, wie man predigen soll. Man kann das in 1. Mose 14 nachlesen, der Geschichte von Melchisedek. Dort haben wir gewissermaßen den Predigttext, 1. Mose 14, Verse 17-24.
Hier wird ganz kurz das, was in diesen Versen gesagt wird, nochmals zusammengefasst. Zur Predigt gehört manchmal einfach die Erklärung, was überhaupt steht – kurz und prägnant zusammengefasst. Dann folgt die Erklärung.
Der Schreiber übersetzt die Namen: „Erstlich verdolmetscht König der Gerechtigkeit heißt.“ Melchisedek bedeutet auf Hebräisch „König der Gerechtigkeit“. Aber er wird in 1. Mose auch „König von Salem“ genannt. Das bedeutet auf Deutsch „König des Friedens“. Salem ist die Kurzform von Jerusalem, die Gründung des Friedens. Salem heißt Frieden – König des Friedens.
Er übersetzt also die Namen. Daraus lernen wir bereits, dass die Namensbedeutungen im Alten Testament einen Sinn für die typologische Auslegung haben.
Weiter erklärt er: In der Geschichte wird kein Vater und keine Mutter erwähnt. Nicht, dass Melchisedek keinen Vater oder keine Mutter gehabt hätte, aber im Text steht es nicht. Im Geschlechtsregister haben wir bei Abraham das Geschlechtsregister bis zurück auf Adam. Von Melchisedek erscheint plötzlich in der Geschichte nichts über Vater, Mutter oder Geschlechtsregister. Weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens werden genannt.
Seine Geburt wird nicht erwähnt, obwohl er einmal geboren worden sein muss. Sein Tod wird nicht erwähnt, obwohl er auch einmal gestorben ist, sonst würde er heute noch leben.
Der Schreiber sagt damit, dass Melchisedek dem Sohn Gottes verglichen wird oder man kann auch sagen, er wird ähnlich gemacht – nämlich dem ewigen Sohn Gottes ohne Anfang und ohne Ende.
Wir lernen noch etwas: Nicht nur das, was tatsächlich geschehen ist, hat eine typologische Bedeutung, sondern auch die Art und Weise, wie etwas vom Heiligen Geist inspiriert beschrieben ist.
Der Schreiber erklärt, dass auch das, was nicht geschrieben steht, eine Bedeutung hat. Wir können so weit gehen und uns fragen: Warum hat der Heilige Geist das so beschrieben, dass kein Geschlechtsregister da ist, kein Vater und keine Mutter erwähnt werden, sondern Melchisedek einfach da ist? Melchisedek lebt, weil er ein Vorgeschmack ist auf den ewigen Sohn Gottes, der keinen Anfang und kein Ende hat.
Jesus Christus ist nämlich nicht nur Sohn Gottes, weil er von Maria geboren wurde, gezeugt vom Heiligen Geist, sondern er war von Ewigkeit her schon Sohn Gottes in seiner Beziehung der Liebe zum ewigen Vater.
Melchisedek ist also durch die Beschreibung im Alten Testament so ähnlich gemacht worden, damit er ein Bild für Jesus Christus, den Sohn Gottes, ist, der von Ewigkeit zu Ewigkeit ist.
Dann geht der Schreiber weiter mit der Auslegung: Er erklärt, was es bedeutet, dass Abraham ihm den Zehnten gab, und so weiter.
Aber er erklärt nichts über die Bedeutung der Schlacht der Könige. Er erklärt auch nicht, was das Brot und der Wein bedeuten, die Melchisedek Abraham gebracht hat.
Es gäbe also noch mehr zu entdecken. Das Neue Testament zeigt, dass es noch mehr zu finden gibt. Es ist nicht alles hier gesagt.
Ein Hindernis kann der schwache geistliche Entwicklungszustand sein. Dieser macht es unmöglich, breite Ausführungen darüber zu machen.
Wenn uns jemand sagt, dass man bei der typologischen Auslegung sehr vorsichtig sein muss und dass man nicht einfach das auslegen darf, was im Neuen Testament nicht erwähnt wird, muss man sich fragen: Hängt das vielleicht mit dem geistlichen Zustand zusammen?
Das ist eine Möglichkeit.
Es ist natürlich auch ein Problem, wenn man eine Bibelschule besucht und dort ernstlich vor der typologischen Auslegung gewarnt wird. Dann ist man geprägt, und in der Gemeinde geht man das nicht weiter an.
So gibt eine Generation etwas an die nächste weiter oder enthält etwas vor.
Beispiel der roten Kuh und ihre typologische Bedeutung
Ich habe das einmal ganz konkret erlebt: Ich war Gastdozent an einer theologischen Hochschule in Deutschland und habe dort über die Bedeutung der roten Kuh gesprochen, insbesondere über 4. Mose 19. Ich habe erklärt, was diese Bedeutung im jüdischen Hintergrund ist und was sie im Licht des Neuen Testaments in Bezug auf Christus bedeutet.
Im Nachhinein habe ich erfahren, dass das einen Wirbel ausgelöst hat. Ich möchte niemals Wirbel auslösen, das wäre mir sehr unangenehm, aber genau das ist passiert. Warum? Die Frage war: Darf man so etwas überhaupt? Darf man das Alte Testament typologisch auslegen, wenn das im Neuen Testament nicht ausdrücklich ausgeführt wird?
Nein, es wird nicht immer ausdrücklich ausgeführt, aber es wird sehr wohl angedeutet. Zum Beispiel in Hebräer 9, Vers 13: „Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen roten Kuh, die auf die Unreinen gesprengt wird, zur Reinheit des Fleisches heiligt, wie viel mehr wird das Blut Christi, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen?“
Hier wird gerade die rote Kuh, das Opfer, in Verbindung gebracht mit dem Opfer Christi. Es wird gezeigt, wie viel erhabener das Opfer Christi ist. Wir haben also die hohle Form, das Negative im Alten Testament, und das Positive, die Erfüllung in Christus.
Es gibt so viel zu entdecken. Das macht das Alte Testament plötzlich zu einer Fundgrube. So können wir am Morgen in der Andacht darauf schauen und immer wieder neu entdecken, welche Hinweise auf Christus darin verborgen sind. Dabei betreiben wir keine Phantastereien, sondern fragen zuerst: Was ist der wörtliche Sinn? Und dann überlegen wir, was der Heilige Geist damit in Bezug auf Christus zum Ausdruck bringen will.
Weitere Ausführungen zur Stiftshütte und ihrer Bedeutung
Wenn wir gerade noch in Hebräer 9 sind, haben wir die Verse 1 bis 5 gelesen. Dort wird die Stiftshütte beschrieben, allerdings geht es nicht um die Details.
Nun lese ich ein bisschen weiter in Vers 6: Da nun dieses also eingerichtet ist, gehen allezeit die Priester in die vordere Hütte und vollbringen dort ihren Dienst. In die zweite Hütte aber geht einmal im Jahr allein der Hohepriester, und zwar nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die Verfehlungen des Volkes darbringt.
Es geht hier um Jom Kippur, den großen Versöhnungstag.
Was sagt Vers 8? Der Heilige Geist zeigt hier an, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch besteht. Diese vordere Hütte ist ein Gleichnis auf die gegenwärtige Zeit.
Der Schreiber erklärt, dass diese Einrichtung der Stiftshütte so gottgewollt ist, dass man sagen kann: Der Heilige Geist hat durch diese Dinge etwas angezeigt. Der Heilige Geist spricht also durch diese Dinge zu uns.
Es wird auch hier erklärt, dass die Stiftshütte ein Gleichnis ist. Wir haben es also mit Gleichnissprache zu tun.
Apostelgeschichte 26: Paulus vor König Agrippa und die typologische Auslegung
Ich möchte noch ein Beispiel aus der Apostelgeschichte 26 geben. Paulus spricht hier vor König Agrippa, einem ungläubigen König. Er muss sich verteidigen und zeigen, dass er kein Irrlehrer ist.
In Apostelgeschichte 26,22 sagt Paulus: „Da mir nun der Beistand von Gott zuteil wurde, stehe ich bis zu diesem Tag bezeugend sowohl Kleinen als Großem, indem ich nichts sage außer dem, was auch die Propheten und Mose gesagt haben, dass es geschehen werde, nämlich dass der Christus leiden sollte, dass er als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen.“
Paulus sagt mit einer Selbstverständlichkeit, dass Mose davon gesprochen hat, dass Christus leiden muss und als Erster durch Totenauferstehung schließlich Licht verkündigen würde. Doch wo steht das in den Büchern Mose? Man kann das ganze Alte Testament von vorne bis hinten durchlesen und findet nichts. Auch rückwärts auf Hebräisch findet man nichts. Woher kommt diese Behauptung?
Paulus sagt das gegenüber König Agrippa, der das Judentum natürlich bestens kannte. Mose hat gesagt – wir bleiben hier bei 2. Mose – bei der Beschreibung des siebenarmigen Leuchters. Der Leuchter hatte siebenmal Öl. Christus heißt „der Gesalbte“. Die Könige und Priester wurden mit Olivenöl gesalbt. Christus ist der Gesalbte, das siebenfache Öl.
Da der Christus leiden sollte, durfte der siebenarmige Leuchter nicht gegossen werden, sondern musste in Schmiedearbeit, in getriebener Arbeit hergestellt werden. Jeder Hammerschlag, den der Schmied machte, wies darauf hin, dass Christus leiden wird. Es wurden 22 Mandelblüten angebracht. Der Mandelbaum ist der Baum, der Ende Januar, Anfang Februar durch seine weißen Blüten als erster Baum in Israel das neue Leben des Frühlings ankündigt.
Also sollte Christus als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen. Ja, wir haben das siebenfache göttliche Licht in den Öllampen des Leuchters. Wir finden also jedes Element in der Bildersprache der Menorah.
Mose sagt nicht explizit, dass Christus leiden muss. Wenn man aber ein bisschen Phantasie hat, kann man das dort hineinlesen. Paulus sagt jedoch, dass Mose gesagt hat, dass der Christus leiden sollte und so weiter. Das zeigt, wie selbstverständlich die typologische Auslegung war. Gerade gegenüber Agrippa, der im Judentum aufgewachsen ist, benutzt Paulus diese Typologie missionarisch.
Darum können wir auch verstehen, dass die Typologie im 19. Jahrhundert wieder neue Bedeutung bekommen hat, besonders für die Judenmission. Ab dem 19. Jahrhundert sind so viele Juden zum Glauben gekommen wie nie mehr seit dem ersten Jahrhundert. Das hat seinen guten Grund. Man hat wieder gelernt, wie man Juden das Evangelium bringt.
Es trifft ihre Herzen, wenn man ihnen anhand des Passahfestes, des Jom Kippur und so weiter erklärt, was das alles in Bezug auf den leidenden Christus bedeutet. Das ist überwältigend.
Ich kenne selbst einen ehemals orthodoxen Juden, der Medizin in Zürich studiert hat. Er wurde mit der Stiftshütte konfrontiert, mit dem Modell von Paul Kiene in Winterthur. Dadurch ist er zum Glauben gekommen.
Anhand der Stiftshütte hat er Erlösung durch Stellvertretung gelernt. Dann war der Weg offen für die Bekehrung. Er wurde von der Verwandtschaft ausgestoßen, war aber bereit, den Preis zu zahlen. Denn er hat den Reichtum in Christus entdeckt, über die Bibel, die er von Kind auf von zuhause mitbekommen hatte.
Das ist also eine sehr wichtige Sache, gerade auch für die Judenmission.
Bedeutung der Typologie in der biblischen Lehre
Nun zur Bedeutung der Typologie in der biblischen Lehre. Ein paar Punkte:
Im Neuen Testament wird durch die Typologie der Christusglaube mit alttestamentlichen Sachverhalten und Personen verknüpft. Plötzlich erhält das Alte Testament einen neuen Inhalt, nämlich die Erfüllung in Christus.
Weiterhin wird durch die Typologie Gottes Heilsplan herausgearbeitet. Dieser Plan steuert kontinuierlich von Anfang an auf die Vollendung hin. Man hat dies ganz neu für die Mission unter den eingeborenen Stämmen entdeckt. Es wurde festgestellt, dass es nie die gleichen Folgen hat, wenn man einfach mit dem Neuen Testament beginnt, wie wenn man zu einem eingeborenen Stamm geht und bei der Schöpfung, dem Sündenfall, Kain und Abel, der Sintflut usw. anfängt. Man arbeitet all diese Parallelen heraus, ohne gleich zu sagen, was das alles bedeutet – etwa die Rettung durch die Arche oder die Rettung durch das Blut des Lammes in Ägypten. Doch diese Prinzipien werden so eingeprägt, wie Gott in der Heilsgeschichte gewirkt hat. Dann kommt man auf die Erfüllung in Christus, und plötzlich bricht der Stamm durch. Oft kommen viele Menschen am gleichen Abend zum Glauben.
Das ist ganz eindrücklich, denn diese heilsgeschichtliche Kontinuität ist absolut durchschlagend. Und warum eigentlich nur für Eingeborene? Warum nicht auch in den evangelistischen Hauskreisen bei uns? Es geht einfach darum zu zeigen, was die Bibel sagt. Wenn man den ganzen Heilsplan Gottes von Anfang bis Ende ausarbeitet, ist das überwältigend. Dann wird deutlich, wie sich alles auf den Herrn Jesus Christus konzentriert.
Dritter Punkt: Die Typologie verdeutlicht die strukturelle Parallelität zwischen alttestamentlichen und neutestamentlichen Glaubensaussagen. Es ist dann nicht mehr ein Gegensatz. So haben wir gesehen, wie alttestamentliche Gebote – etwa der Ochse, der drischt – plötzlich neutestamentliche Aktualität erhalten.
Ein weiterer Punkt: In der typologischen Auslegung bemüht man sich darum, die Verklammerung von Altem und Neuem Testament zu verdeutlichen. Plötzlich merkt man, wie beides unzertrennlich zusammengehört.
Die Typologie beruht auf der Tiefe und dem Reichtum des Bibeltextes. Kein Text, so belanglos er auch scheint, darf der interpretatorischen Anstrengung für unwürdig gehalten werden. Man fragt sich plötzlich: Was bedeuten die Namen? Das hat Bedeutung. Warum ist es so und so dargestellt?
Ein letzter Punkt: Im Gegensatz zu dem Programm, die Bibel genau wie jedes andere Buch auszulegen, geht die Typologie von der Besonderheit einer genuin, also wirklich christlichen Auslegung der Schrift aus. Natürlich ist die Bibel in Sprachen geschrieben worden, die von Menschen gesprochen wurden. Aber man kann nicht sagen, die Bibel sei wie jedes andere Buch, denn sie ist Gottes Offenbarung.
Wenn man das erkennt, versteht man, dass Gott Dinge ganz bewusst hineingelegt hat – in seiner Allwissenheit – im Blick auf das Kommen des Erlösers. Es wird uns auch klar, dass Gott die ganze Geschichte in seiner Hand hält. Er hat die Geschichte so geführt und geleitet, dass die Geschichte Josefs zu einem Hinweis auf Christus wird.
Und das gilt nicht nur für Josef. Wir können bei Kain und Abel anfangen, bei Adam und Eva – alles hat voraus Bedeutung auf Christus hin. Das ist nun wirklich christliche Auslegung, wenn wir davon ausgehen, dass die Schrift Gottes Wort ist.
Beispiele typologischer Auslegung im ersten Buch Mose
Ich habe zum Schluss noch eine Liste zusammengestellt mit Beispielen, wie im Neuen Testament das erste Buch Mose typologisch ausgelegt wird.
Ganz kurz: Der erste Schöpfungstag wird in 2. Korinther 4,6 mit der Bekehrung verglichen. Der Gott, der aus der Finsternis Licht leuchten ließ, ist derselbe, der in unsere Herzen hineingeleuchtet hat, um den Lichtglanz des Evangeliums zu erkennen. Das heißt also, die erste Schöpfung ist ein Bild der Neuschöpfung.
Unser Zustand war so wie in 1. Mose 1,2: wüst und leer und Finsternis lag auf dem Abgrund. Das beschreibt den verlorenen Menschen, und dann kommt das Licht des Evangeliums hinein.
Der Sabbat der Schöpfung wird in Hebräer 4 mit der himmlischen Sabbatruhe verglichen, die noch auf uns wartet. Der Garten Eden wird zum Bild für das himmlische Paradies im Neuen Testament. Der Baum des Lebens wird im Neuen Testament wieder aufgenommen, zum Beispiel in der Offenbarung. Auch die Quelle und der Strom im Garten Eden werden im Blick auf das neue Jerusalem wieder aufgegriffen.
Mann und Frau sind in der Ehe ein Fleisch, nach 1. Mose 2. Das wird in Epheser 5 aufgenommen, um zu zeigen, wie Christus und seine Gemeinde – er der Mann, sie die Frau – eine vollkommene Einheit bilden.
Eva, die durch die Schlange verführt wurde, wird in 2. Korinther 11 zum Bild für die Braut Christi. Diese Braut ist in Gefahr, ihrem Bräutigam untreu zu werden, durch Verführung: einen anderen Geist zu empfangen, einen anderen Jesus, ein anderes Evangelium.
Adam als Haupt der Sünder wird in Römer 5,12 zum Gegensatz zu Jesus, dem Haupt der Gerechten.
Die Sintflut wird in 1. Petrus 3,21 aufgegriffen. Dort heißt es, sie sei ein anderes Bild für dasselbe wie die Taufe. Beide sprechen vom Tod und der Auferstehung Christi: das Untertauchen bei der Taufe bedeutet, mit Christus mitgestorben zu sein, das Auftauchen steht für das Auferstehen mit ihm.
Interessant ist auch die Arche, die durch das Wasser hindurchging, das Gericht Gottes. Sie landete auf dem Ararat, und der Tag der Landung entspricht genau dem Auferstehungstag Christi.
Babylon wird im Neuen Testament zum Bild für die falsche Kirche, die Hure Babylon.
Melchisedek wird zum Bild für den ewigen Sohn Gottes. Das irdische Salem ist ein Bild des himmlischen Jerusalems.
Hagar und Sara werden in Galater 4 erklärt: Hagar, die Sklavin, steht für den Bund von Sinai, einen Bund der Knechtschaft. Sara hingegen ist ein Bild der Freiheit, denn sie war keine Sklavin, sondern eine Freie. So haben wir hier zwei Systeme: den alten Bund und den neuen Bund. Wir Gläubige heute gehören nicht mehr zum Hagar-Bund, sondern zum Sara-Bund – wir sind frei.
Aber so wie damals Ismael Isaak verfolgte, so ist es auch heute noch so, dass diejenigen, die unter der Knechtschaft stehen, einen Hass auf die haben, die die Freiheit im Messias gefunden haben.
Sodom und Gomorra werden in 2. Petrus und im Judasbrief als Vorschattung auf die Höllenstrafe gedeutet.
Die Opferung Isaaks wird in Römer 8,22 auf die Opferung des Sohnes Gottes gedeutet. Dabei wird der Wortlaut der Septuaginta in 1. Mose 22,16 übernommen. Gott sagt zu Abraham: „Du hast deinen Sohn nicht verschont.“ Wörtlich heißt es so, und in Römer steht: „Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont.“ Das ist eine direkte Anspielung.
Schließlich haben wir die Geschichte von Josef, dem verworfenen und verherrlichten Christus. Stephanus nimmt diese Geschichte auf und erzählt sie vor dem Sanhedrin, ohne sie zu interpretieren. Die Zuhörer sollten selbst die Parallele erkennen, wie sie Christus verworfen haben. Viele andere Geschichten bringt er einfach so als Geschichte, damit sie selbst merken, was sie getan haben.
Am Schluss bringt er es auf den Punkt: „Ihr habt den Gerechten verleugnet und verworfen.“
Schlussbemerkung
Gut, wir sind am Schluss. Ich hoffe, dass, auch wenn einiges ein bisschen trocken war, dies eine Anregung ist, das Alte Testament ganz neu zu entdecken – im Licht des Neuen.
