Auf dieser Gemeindefreizeit beschäftigen wir uns mit Beziehungen – mit Beziehungen nach Gottes Plan in Gemeinde und Familie.
Wir haben am Freitagabend mit dem Thema Gemeinde begonnen: Wie hat sich Gott die Gemeinde gedacht? Wie sieht das Miteinander in der Gemeinde aus, und wie soll es aussehen?
Am Samstag stand ein kompletter Ehetag auf dem Programm. Heute Morgen haben wir uns über das Verhältnis von Eltern zu ihren leiblichen Kindern unterhalten. Und heute Abend sind wir wieder bei einem Gemeindethema.
Eigentlich ist das ein sehr, sehr schönes Thema. Es geht um geistliche Väter und Mütter in der Gemeinde. Zu Beginn möchte ich euch zwei Fragen mitgeben: Die erste Frage lautet: Wer hat dich im Glauben geprägt? Die zweite Frage ist damit verbunden: Auf welche Art und Weise hat diese Person dich im Glauben geprägt?
Ich schlage vor, dass wir einen kurzen Austausch machen. Wenn du jetzt jemanden hast, bei dem du sagst, das war die Person, und auf diese Weise hat sie mich besonders im Glauben geprägt, dann kannst du das hier ganz kurz sagen. Wirklich nur kurz – damit es einige tun können, zwei, drei Sätze, keine langen Ausführungen. Bitte schön laut und deutlich, damit es alle mitbekommen.
Wer möchte etwas weitergeben? Bitte, Roman.
Roman: Mir ist einiges eingefallen. Mein Name ist Roman. Bei mir sind es einige Geschwister aus unserer Gemeinde, die mich geprägt haben. Als erstes nenne ich Britta und Wilfried, außerdem Beth und Gita. Das war sehr wunderbar. Danke für das Zeugnis!
Wer möchte sich noch beteiligen?
Bei dir war es der Jungscharleiter. Auf welche Weise hat er dich geprägt?
Durch sein Vorbild, ja. Er hat mich in sein Leben reinschauen lassen. Stark!
Ja, da hinten! Stark, stark, danke!
Deine Frau war zuerst im Glauben, und du bist nachgekommen, richtig? Schön, Amen, vielen Dank, Armando! Oh, wie schön, das hört man gerne.
Ich glaube und hoffe, dass es auch bei dir – auch wenn du dich jetzt nicht gemeldet hast – eine solche Person in deinem Leben gab. Vielleicht waren es Autoren, deren Bücher du gelesen hast, und durch diese Bücher wurdest du enorm im Glauben bereichert. Vielleicht Prediger, deren Predigten du angehört hast, und so weiter. Es gibt Menschen in unserem Leben, die uns enorm im Glauben vorangebracht haben.
Bei mir war es mein damaliger Pastor Jakob Goertzen. Er ist jetzt nicht mehr Pastor, sondern ist freiwillig mit sechzig aus dem Pastorendienst ausgeschieden. Er hat mich mitgenommen zu Predigtdiensten. Er wurde vor zwanzig Jahren nach Paraguay eingeladen, um auf einer Jugendevangelisation zu predigen, und er sagte: "Andre, du kommst mit."
Wir haben zusammen Predigten gehalten. Ich war 19 Jahre alt und predigte vor 700 Jugendlichen – oder vielleicht waren es 600. Er hat mir geholfen, eine Predigt auszuarbeiten, und ich konnte komplett in sein Leben reinschauen. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar.
Natürlich war auch mein eigener Vater prägend für mich. Das habe ich besonders gemerkt, als ich verheiratet war und plötzlich erkannte, wie sehr das Vorbild meines Vaters mich geprägt hat.
Es ist gut, es ist wichtig, und es ist Gottes Wille, dass es Menschen in unserem Leben gibt, die uns im Glauben prägen. Manchmal geschieht das gar nicht bewusst, aber wir schauen auf sie und können uns einiges von ihnen abschauen.
Darüber sprechen wir, wenn wir jetzt von geistlichen Vätern und Müttern in der Gemeinde sprechen. Aber...
Ich möchte dennoch einige einleitende Gedanken zu geistlichen Vätern und Müttern weitergeben. Es gibt nicht nur eine Art von geistlichem Vater oder eine Art von geistlicher Mutter. Wenn wir einen Blick in die Bibel werfen, finden wir einige Kriterien, die geistliche Väter und Mütter kennzeichnen.
Zum Beispiel in 1. Timotheus 5,1-2. Das ist zwar eine indirekte Herleitung, aber Paulus sagt dort zu dem jungen Timotheus, der in Ephesus eine recht große Gemeinde leitet: „Einen Älteren, also vom Alter her, fahre nicht an, sondern ermahne ihn wie einen Vater, die jüngeren Männer wie Brüder, die älteren Frauen wie Mütter, die jüngeren wie Schwestern mit allen Anstand.“ Hier werden grundlegend die Beziehungen in der Gemeinde beschrieben. Ältere Männer sollen wie Väter angesehen werden, vor allem aufgrund ihrer Lebenserfahrung. Ältere Frauen wie Mütter, gleichaltrige oder jüngere Männer wie Brüder und jüngere Frauen wie Schwestern.
Das hat auf jeden Fall etwas mit Lebenserfahrung zu tun, aber sicherlich nicht nur. Geistliche Väter und Mütter sind Christen, die andere Christen geistlich gezeugt haben, wenn man das Bild der Wiedergeburt nimmt. Jemand war an der Wiedergeburt beteiligt, hat dich mit anderen Worten zu Jesus geführt.
Paulus spricht zum Beispiel vom Onesimus als seinem geistlichen Kind. Paulus ist der geistliche Vater. Im Brief an Philemon schreibt er, dass Onesimus, der entlaufene Sklave von Philemon, in Rom auf Paulus getroffen ist, als dieser im Gefängnis war, und dort zum Glauben gekommen ist. Paulus bittet Philemon, seinen ehemaligen Sklaven wieder aufzunehmen. Er schreibt: „Ich bitte dich für mein Kind, das ich in den Fesseln gezeugt habe.“ Während seiner Gefangenschaft hat Paulus Onesimus zum Glauben geführt. Onesimus, der Philemon einst unnütz war, ist jetzt nützlich für ihn und Paulus.
Eine weitere Stelle findet sich in 1. Korinther 4,14-15. Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth: „Nicht um euch zu beschämen schreibe ich dies, sondern ich ermahne euch als meine geliebten Kinder. Denn wenn ihr zehntausend Erzieher in Christus hättet, so doch nicht viele Väter, denn in Christus Jesus habe ich euch gezeugt durch das Evangelium.“
In der Apostelgeschichte 18 lesen wir, wie Paulus nach Korinth kommt, das Evangelium predigt, Menschen zum Glauben kommen und die Gemeinde entsteht. Paulus sagt: „Ich bin euer geistlicher Vater, denn ich habe euch durch das Evangelium gezeugt.“ Durch seine Predigt seid ihr zum Glauben gekommen.
Die Frage ist: Hast du auf diese Weise schon geistliche Kinder? Sind durch dein Leben, dein Vorbild oder deine persönliche Evangelisation schon andere Menschen zum Glauben gekommen? Das ist natürlich etwas, das wir nicht selbst in der Hand haben, denn Gott rettet die Menschen. Aber wenn wir uns bewusst als Werkzeuge zur Verfügung stellen und sagen: „Herr, bitte hilf mir, andere Menschen zu dir zu führen, ihnen das Evangelium zu bringen, damit sie gerettet werden“, dann ist es etwas Wunderschönes, geistliche Kinder gezeugt zu haben.
Für leibliche Eltern ist es natürlich doppelt schön, wenn ihre eigenen Kinder auch geistliche Kinder werden. Das ist leider nicht immer der Fall, und auch das haben wir als Eltern nicht immer in der Hand. Dennoch werden geistliche Väter und Mütter auch in dieser Hinsicht in der Bibel erwähnt.
Eine weitere sehr schöne Stelle findet sich am Ende des Römerbriefs, in Römer 16,13. Dort steht eine lange Grußliste, die man schnell überliest und sich fragt, warum sie überhaupt enthalten ist und was sie für den Alltag bedeutet. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man viel.
Paulus schreibt: „Grüßt Rufus, den Auserwählten im Herrn, und seine und meine Mutter.“ Rufus war nicht Paulus’ Bruder. Paulus sagt, die leibliche Mutter von Rufus sei für ihn selbst eine Mutter geworden, weil sie sich um ihn gekümmert hat. Paulus war alleinstehend, wie wir aus 1. Korinther 7 wissen. Wie genau die Mutter von Rufus für Paulus zur Mutter wurde, wissen wir nicht. Vielleicht hat sie für ihn gekocht, genäht oder ihm mütterlichen Beistand gegeben, weil sie wusste, dass er alleinstehend ist und solche Fürsorge braucht. Paulus sagt jedenfalls: „Sie ist mir eine Mutter geworden.“
Das bedeutet, wenn wir über geistliche Väter und Mütter in der Gemeinde sprechen, gibt es auch diese Kategorie: Christen, die sich wie Eltern um das Wohl anderer kümmern. Wenn neue Leute in die Gemeinde kommen, kann es zum Beispiel ein Ehepaar geben, das sagt: „Dieser junge Mann ist jetzt hier ganz allein in Graz, er ist zum Studium hierhergekommen, seine Eltern sind weit weg, wir kümmern uns jetzt gemeinsam um ihn.“ So wird man geistlicher Vater und geistliche Mutter, weil man sich um diese Person sorgt.
Die Bibel kennt also mehrere Aspekte, wenn sie darüber spricht, wer ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter ist. Zum einen hat es mit Alter und Lebenserfahrung zu tun. Jemand, der mehr Lebenserfahrung hat, sollte wie ein Vater angesehen werden. Zum anderen ist es die Person, die dich zum Glauben geführt hat, die dich geistlich gezeugt hat. Dann gibt es aber auch Christen, die sich wie Eltern um dich kümmern.
Ich gehe nicht davon aus, dass ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter immer den gleichen Altersabstand haben muss wie ein leiblicher Vater oder eine leibliche Mutter. Ich glaube, dass eine dreißigjährige Frau eine geistliche Mutter für eine zwanzigjährige Frau sein kann. Die Bibel macht diesen Altersabstand nicht wirklich fest.
Es geht hier vielmehr um etwas Ähnliches wie Mentoring. Wenn wir darüber sprechen, habe ich schon etwas mehr Lebenserfahrung, bin seit 15 Jahren im Herrn, und du bist erst vor zwei Monaten zum Glauben gekommen. Dann werde ich für dich eine geistliche Mutter, eine ältere Frau im Sinne von geistlicher Reife, und kümmere mich um dich und präge dich.
Es ist nicht in erster Linie eine Frage des großen Altersabstands, sondern eine Frage von Weisheit und Reife im Glauben. Das ist es, worum es in erster Linie geht, wenn wir über geistliche Väter und Mütter sprechen.
Warum brauchen wir die Prägung geistlicher Väter und Mütter?
Ich habe euch ein Schaubild mitgebracht, das zeigt, wie Charakterprägung geschieht und wie unser Charakter geformt wird. Es beginnt alles im Denken – das ist der Punkt, um den der Kreis herum gezeichnet ist. Aus unserem Denken folgen unsere Einstellungen. Aus unseren Einstellungen ergeben sich Taten. Weil wir eine bestimmte Einstellung haben, handeln wir entsprechend.
Wenn wir mehrfach auf eine bestimmte Art und Weise handeln, entstehen daraus Gewohnheiten. Und aus Gewohnheiten formt sich unser Charakter. Wenn man den Charakter beeinflussen will, muss man also beim Denken ansetzen.
Wenn man eine Person prägen möchte, hängt das stark damit zusammen, wie wir durch unser Vorbild und durch unsere Worte die Denkweise dieser Person beeinflussen. Die Bibel würde sagen, dass wir das Herz prägen, denn in der Bibel denkt man im Herzen.
Hier treffen viele Faktoren zusammen, die vor allem die jüngere Generation, aber letztlich uns alle sehr stark prägen. Nehmen wir zum Beispiel einen Studenten: Es sind die Universität, die Professoren und der Lernstoff, die das Denken junger Menschen stark beeinflussen.
Auch Musik prägt uns, Freunde prägen uns, die Bibel prägt uns, das Internet prägt uns, Werbung prägt uns, Social Media prägt uns, die Gemeinde prägt uns, Eltern prägen uns. Ebenso prägen Fernsehen und Serien unser Denken.
Geistliche Väter und Mütter würde ich unter die Kategorie Gemeinde einordnen. Das heißt, als geistliche Väter und Mütter sollen wir Einfluss auf die Denkweisen und Einstellungen anderer Menschen ausüben, denen wir weiterhelfen wollen.
Genau das meint Römer 12,2, wo es heißt, dass wir uns in unserem Denken nicht der Welt anpassen sollen, sondern uns ständig erneuern lassen. Hier sind geistliche Väter und Mütter besonders gefragt.
Das bringt uns nun zu der Frage: Was soll ein geistlicher Vater, was soll eine geistliche Mutter mitbringen? Wie sieht ihr Charakter aus? Was ist die Aufgabe eines geistlichen Vaters, und was ist die Aufgabe einer geistlichen Mutter?
Ich möchte mit euch einige Verse aus dem Titusbrief anschauen. Titus 2 ist hier sehr, sehr wegweisend.
Zunächst einmal möchte ich mich an die Väter, an die geistlichen Väter in der Gemeinde richten. Paulus schreibt den Titusbrief an Titus. Titus war ein Mitarbeiter von Paulus auf der Insel Kreta.
Das Problem auf Kreta war die kulturelle Prägung der damaligen Zeit. Dies wird sogar im Titusbrief, gerade in den ersten Versen, deutlich. Paulus sagt: "Die Kreter sind allezeit faule Bäuche und Lügner." Es war also keine sehr christlich geprägte Kultur, wie das im ersten Jahrhundert oft der Fall war.
Dementsprechend war es sehr wichtig, dass es in der Gemeinde vorbildliche ältere Personen gab. Ältere Männer sollten als Vorbilder vorangehen für die jüngeren Männer. Ebenso sollten ältere Frauen die jüngeren Frauen lehren. Das ist vor allem die Botschaft von Titus 2.
Wir beginnen mit den geistlichen Vätern. Welches Profil sollte ein geistlicher Vater in der Gemeinde mitbringen? Ich möchte heute alle Männer hier ansprechen, unabhängig von unserem Alter. Denn auch wenn du erst 21 Jahre alt bist, kannst du vielleicht ein Vorbild für einen 14-Jährigen sein. Es ist gut, sich früh damit zu befassen: Wie sieht Gott einen reifen Mann? Man kann eigentlich nicht zu früh damit anfangen.
In Titus 2,2 schreibt Paulus an Titus: „Die älteren Männer halte dazu an, besonnen zu sein, ein glaubwürdiges Leben zu führen, verantwortungsbewusst zu handeln und sich im Glauben, in der Liebe und in der Geduld zu bewähren.“ Interessanterweise werden hier keine Fähigkeiten genannt – ist euch das aufgefallen? Hier wird ein Charakter beschrieben.
Ihr Lieben, Charakter geht immer über Fähigkeiten, Charakter immer über Kompetenz. Heutzutage ist das Image oft wichtiger als der Charakter einer Person, gerade in der Wirtschaft. Je besser du dich selbst verkaufen kannst, desto schneller bekommst du den Job. Kompetenz und Image stehen über Charakter. Die Bibel sagt jedoch in erster Linie: Das Allerwichtigste ist der Charakter einer Person. Hier werden Männer mit reifem Charakter beschrieben, es werden Charaktermerkmale eines reifen Mannes genannt.
Einmal ist es die Selbstbeherrschung. Ganz am Anfang heißt es: „Die älteren Männer halte dazu an, besonnen zu sein.“ Besonnen zu sein bedeutet, sich selbst unter Kontrolle zu haben. Ein reifer Mann hat gelernt, sich selbst unter Kontrolle zu halten – im Hinblick auf Versuchungen, auf seine Emotionen, auf seinen Zorn. Und daran soll Titus die älteren Männer erinnern. Das ist echte Stärke.
Gottes Absicht für einen Mann ist, dass er gelernt hat, seine Emotionen im Griff zu haben, dass er nicht von seinen Gefühlen gesteuert wird. Er soll einen kühlen Kopf bewahren können, auch wenn alles drunter und drüber geht. Eine Nüchternheit, die auf dem Wort Gottes basiert. Das Buch der Sprüche sagt: „Jemand, der sich selbst beherrscht, ist besser als einer, der Städte gewinnt.“ Es ist ein Zeichen von Stärke, wenn ein Mann einfach mitten im Sturm stehenbleiben kann und feststeht. Er baut allein auf das Wort Gottes und sagt: „Es geht weiter, es geht weiter.“
Wenn er sich selbst beherrschen kann, wenn andere ihn beschimpfen und nichts von ihm zurückkommt, dann verhält er sich wie Christus, der all das Geschimpfe erduldet hat. Liebe Männer, das ist etwas, was sich Christus von uns wünscht: dass wir gelernt haben, uns selbst zu beherrschen und Selbstbeherrschung an den Tag legen.
Das Zweite, was hier erwähnt wird, ist Integrität – eine unglaublich kostbare Eigenschaft eines Mannes. Dieser Mann ist immer derselbe, egal wo er ist. Es wird keine bösen Überraschungen geben. Das, was er sagt, lebt er. Im Text heißt es: „ein glaubwürdiges Leben zu führen“. Das Wort, das die NGU hier mit „Glaubwürdigkeit“ übersetzt, bedeutet eigentlich „ehrbar sein“ vom griechischen Wort „herr“. Das heißt, dieser Mann ist es wert, respektiert zu werden. Er fordert den Respekt nicht ein, aber er verhält sich so, dass er seinen Respekt verdient. Leute respektieren ihn automatisch, weil sein Leben einfach so echt ist.
Schaut mal: Respekt entsteht dort, wo jemand dauerhaft Einblick in dein Leben hat und zu dem Ergebnis kommt: Du bist glaubwürdig. Da entsteht Respekt. Respekt verliert man sehr schnell durch ein Vergehen, aber man gewinnt ihn sehr langsam zurück. Respekt entsteht auf lange Sicht.
Ihr Lieben, nichts ist abstoßender als Heuchelei, aber nichts ist anziehender als Integrität. Wenn Menschen in dein Leben schauen als Mann und feststellen, dass du lebst, was du sagst, dass du echt bist, dass du dauerhaft derselbe Mann bist – egal ob du auf der Bühne bist oder zu Hause, egal ob du vor Menschen bist oder allein, da, wo dich keiner sieht – da bist du immer derselbe. Wir brauchen Männer mit Integrität, ihr Lieben.
Integer zu sein bedeutet nicht, vollkommen zu sein. Menschen, Männer, die Integrität zeigen, sind auch Sünder und fallen. Aber sie stehen dazu. Sie geben nichts Falsches vor, sie stellen sich nicht besser dar, als sie sind.
Ich habe vor einiger Zeit ein sehr bewegendes Buch über biblisches Mannsein gelesen. Es kommt aus dem Englischen und der Titel lautet „What Every Man Wishes His Father Had Told Him“. Auf Deutsch etwas holprig übersetzbar: „Was jeder Mann sich wünscht, dass sein Vater es ihm gesagt hätte“. Ein cooler Titel.
Ich habe das Buch gelesen. Es ist von einem Pastor geschrieben und ein Stück weit sein persönliches Zeugnis. Seine Mutter war zum zweiten Mal verheiratet, aber gerade sein Stiefvater wurde für ihn zum echten Vater, ein Mann Gottes, der ihn sehr geprägt hat. Leider ist dieser Stiefvater ganz plötzlich bei einem Autounfall verunglückt, als er selbst schon erwachsen war. Seine Aufgabe war es jetzt, all das zu regeln: die Praxis aufzulösen und so weiter, all das, was mit dem Tod seines Stiefvaters einherging.
Er schreibt in dem Buch, dass er die Praxis ausgeräumt hat, und irgendwann stieß er auf eine abgeschlossene Schublade. In dem Moment ging plötzlich ein Gedanke der Angst in seinen Kopf: Was ist, wenn dieser Mann, auf den ich mein ganzes Leben lang hochgeschaut habe, wenn ich jetzt diese Schublade öffne und dahinter Geheimnisse stecken, die sein ganzes Zeugnis ruinieren?
Er beschreibt, dass er den Schlüssel gefunden hat, die Schublade aufmachte – und es war nichts drin. Das erfüllte ihn in diesem Moment mit voller Freude. Er ist einfach immer der Mann, der er vorgegeben hat zu sein. Es wurde nichts gefunden, kein Skandal. Er war, wie er vorgegeben hat zu sein.
Ich habe vor einiger Zeit mit einem frustrierten Sohn gesprochen, Aitila, der sagte: „Mein Vater hat mich so wütend gemacht, und ich wollte ihm eins auswischen. Ich bin an seinen Computer gegangen und habe seinen Computer durchsucht, ob ich irgendeine Seite finde, auch nur eine Spur von Pornografie, und dann werde ich es ihm zeigen.“
Ich habe den Computer meines Vaters durchsucht und durchsucht – und ich habe nichts gefunden. Männer von Integrität sind nicht perfekte Männer, aber sie haben keine schmutzigen Geheimnisse. Ihr Lieben, solche Männer müssen wir sein. Das ist das, was sich Gott am meisten von uns wünscht: Nicht Vollkommenheit, sondern Ehrlichkeit, Offenheit, Transparenz und dass wir das leben, was wir behaupten zu sein.
Wenn du so ein Mann bist, bist du ein geistlicher Vater für viele junge Männer. Preis den Herrn, dass Gott aus dir so etwas gemacht hat.
Es gibt weitere Charaktereigenschaften, die hier erwähnt werden: Verantwortungsbewusstsein. Hier steht weiter im Text, Titus 2,2: „Verantwortungsbewusst zu handeln.“ Verantwortungsbewusstsein ist nicht etwas Theoretisches, es ist eine Herzenshaltung, die da ist und sich dann im Handeln bemerkbar macht. Ein geistlicher Vater handelt überlegt, weil er sich seiner Verantwortung bewusst ist. Er weiß: Wenn ich jetzt das und das sage, wird das negative Konsequenzen für andere haben. Deswegen kann ich das nicht bringen. Ich habe Verantwortung.
Ein geistlicher Vater weiß: Personen schauen auf mich, dessen bin ich mir bewusst. Deswegen möchte ich so handeln, um ein Segen für die Person zu sein, die auf mich schaut. Verantwortungsbewusstsein – Männer, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen beziehungsweise die sich dessen bewusst sind, dass sie Verantwortung haben, ob sie wollen oder nicht.
Und dann ist da noch die Bewährung. Ganz am Ende wird hier die Bewährung erwähnt: „Sich im Glauben, in der Liebe und in der Geduld zu bewähren.“ Das ist die Aufgabe von älteren Männern, von geistlichen Vätern. Im Griechischen steht hier das Wort „hygiene“, daher haben wir unser Wort „Hygiene“ abgeleitet. Eigentlich sagt der Text, dass diese Männer durchweg gesund sind.
Nicht unbedingt körperlich gesund – körperliche Gesundheit ist für einen geistlichen Vater nicht entscheidend. Denn wir wissen alle, dass im 2. Korinther 4,16 steht: „Darum werden wir nicht müde, sondern wenn auch der äußere Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“
Ihr Lieben, ich habe ältere Brüder im Krankenhaus besucht, die körperlich gesehen ein Wrack waren und voller Dankbarkeit eine solche Reife im Glauben ausgestrahlt haben, dass man sagt: Was ist das für ein Mann? So möchte ich sein, wenn ich irgendwann im Krankenhaus liege. Der äußere Mensch verfällt, der innere wird Tag für Tag erneuert durch die Beziehung zu Jesus.
Und das ist die Art von Mann, die Paulus hier dem Titus nicht nur vorschlägt, sondern zu der er ihn mahnt: Die älteren Männer müssen gesund sein im Glauben. Ein geistlicher Vater hat einen gesunden Glauben. Er geht immer noch Vertrauensschritte. Er ist kein Skeptiker, er bremst nicht ständig. Es gibt auch ältere Männer, die immer nur bremsen.
Ein älterer Mann, der gesund im Glauben ist, geht immer noch voran und hat Visionen – jetzt nicht im charismatischen Sinne, sondern Pläne, Ziele. Wir müssen diese Glaubensschritte gehen, wenn Gott eine Tür geöffnet hat.
Das sind geistliche Väter: Sie sind gesund in der Liebe. Wenn das Hauptmerkmal eines Christen die Liebe ist, dann ist das Hauptmerkmal, woran man einen geistlichen Vater erkennt, die Liebe – die Liebe zu Jesus, die Liebe zu Mitmenschen, die Liebe zu Kindern, die Liebe zur Frau, die Liebe zu anderen Menschen in der Gemeinde.
Und dann aber auch die Bewährung in der Geduld. Auch in dieser Hinsicht sollte ein gestandener Mann Jesus ähnlich sein. So sollen geistliche Väter sein.
Ein paar Verse später ermahnt Paulus den Titus selbst, ein geistliches Vorbild für die jungen Männer zu sein. Titus soll ein geistlicher Vater sein. Da heißt es in Titus 2,6: „Ermahne ebenso die jungen Männer besonnen zu sein, indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst.“ Die jungen Männer haben etwas zu lernen, aber Titus, du sollst ihnen ein Vorbild sein. Mit anderen Worten: Sei du ihnen ein geistlicher Vater.
Gott möchte Veränderung in jungen Männern durch geistliche Väter wirken. Wir haben das auch bei Philemon gesehen, in Philemon 10-11: „So bitte ich dich wegen meines Kindes Onesimus, den ich gezeugt habe in der Gefangenschaft. Der dir früher unnütz war, jetzt aber dir und mir sehr nützlich ist.“
Das heißt, Gott hat den geistlichen Vater Paulus im Leben dieses Onesimus verwendet, um aus ihm einen nützlichen Mitarbeiter zu machen. Gott möchte dich als geistlichen Vater gebrauchen, damit junge Männer brauchbar werden für das Reich Gottes. Nimmst du diese Verantwortung wahr? Siehst du darin deine Verantwortung?
Unser Problem ist oft, dass unsere Kinder und Teenager einen Großteil ihrer Zeit entweder am Smartphone verbringen, vor der Playstation sitzen oder mit Gleichaltrigen zusammen sind.
Ich möchte eine kritische Frage an uns alle stellen: Kann es sein, dass wir in Gemeinden – und damit meine ich auch unsere eigene Gemeinde – unsere jungen Männer, darunter auch Dreizehnjährige, zu schnell nur unter Gleichaltrige packen?
Das hat seinen Platz, denn unsere dreizehnjährigen Jungs brauchen Freunde in ihrem Alter in der Gemeinde. Dagegen habe ich überhaupt nichts einzuwenden. Aber wie sollen sie reife Männer werden, wenn sie immer nur unter Gleichaltrigen sind oder am Smartphone hängen?
Vielleicht müssen wir als Gemeinden, auch hier in Köln, umdenken und uns fragen: Wie können wir junge Männer in die Gemeinschaft älterer Männer bringen? Damit sie lernen, wie sich ältere Männer untereinander verhalten und worüber sie in der Gemeinde sprechen.
Mir ist wichtig, dass meine Söhne immer wieder mitbekommen, wie ich mich mit anderen Männern unterhalte und dass sie daran teilnehmen. Vor einiger Zeit haben wir in unserer Gemeinde ein Männerevent veranstaltet. Dabei standen wir vor der Frage, ab welchem Alter Männer teilnehmen dürfen.
Wir saßen im Männerteam zusammen und haben uns diese Frage gestellt: Es wird gegrillt, ein Gottesdienst gefeiert, Männer erzählen aus ihrem Leben. Und wisst ihr, für welche Altersspanne wir uns entschieden haben? Ab dreizehn Jahren.
Die dreizehnjährigen Jungs, die gerade erst im Stimmbruch sind, sollen mit dabei sein. Männer haben Zeugnis gegeben, wie sie frei wurden von Pornografie. Ich glaube, die kleinen Dreizehnjährigen haben ganz erstaunt geguckt. Aber das ist so gut!
Ich wurde eingeladen, unter jungen Männern zum Thema biblisches Mannsein in einer Scheune zu sprechen. Das war ein total cooles Ambiente für Männer. Ich habe ganz bewusst einen meiner Söhne mitgenommen.
Ich sagte zu ihm: „Du kommst mit, denn wir fahren auf eine Männerveranstaltung, und ich will, dass du siehst, wie sich Männer untereinander über Jesus unterhalten. Das sollst du lernen.“ Bereits mit zwölf oder elf Jahren war er schon dabei.
Kann es sein, dass wir unsere Jungs zu sehr nur unter Gleichaltrigen lassen? Ich möchte euch ermutigen: Bei uns in der Gemeinde hat ein Diakon irgendwann gesagt: „Wir machen Vater-Sohn-Freizeiten in Schweden.“
Dann sind einige Männer einfach mit ihren Söhnen nach Schweden gefahren, haben am Lagerfeuer gesessen und die Jungs waren die ganze Zeit mit dabei. So werden wir geistliche Väter für unsere Söhne.
Denn kein leiblicher Vater kann, glaube ich, seinem Sohn alles vermitteln, was er ihm vermitteln sollte. Jeder geistliche Vater hat irgendwo blinde Flecken, und jeder leibliche Vater hat vielleicht auch welche. Jeder hat besondere Schwächen.
Wir sollten deshalb auf andere Brüder in der Gemeinde zurückgreifen, damit auch sie ein Stück weit unsere Jungs prägen. Gerade in der Gemeinschaft können unsere Jungs sehen, wie Männer ihre Knie vor Jesus beugen. Denn wir sind niemals männlicher als auf unseren Knien.
Jesus hat uns Mannsein vorgelebt. Er war auf den Knien, er war ständig im Gebet. So geht Mannsein. Ich möchte uns ermutigen, unsere Söhne und die jüngeren Männer in der Gemeinde mit hineinzunehmen, damit sie lernen, wie Gott sich Mannsein gedacht hat.
Ich möchte die geistlichen Väter ermutigen, besonders die Männer, die vielleicht vierzig Jahre oder älter sind, aktiv den Kontakt zu jungen Familienvätern und jungen Ehemännern zu suchen. Tut das von euch aus, geht auf sie zu.
Meine Erfahrung ist, dass das viel zu wenig in den Gemeinden geschieht – auch bei uns. Wir sind gerade dabei, das zu lernen. Ich möchte aber auch die Männer ansprechen, die vielleicht schon über sechzig sind.
Weißt du, Bruder, dein Dienst hört im Alter nicht auf. Im Reich Gottes gehen wir nie wirklich in Rente. Manchmal haben Männer in dieser Lebensphase Angst vor Bedeutungslosigkeit. Sie waren ihr ganzes Leben lang erfolgreich im Beruf und an der Front in der Gemeinde.
Jetzt heißt es, mehr und mehr Schritte zurückzugehen, und einige Männer fürchten, bedeutungslos zu werden. Aber Bruder, ich möchte dir eines sagen: Du verlierst nicht an Bedeutung. Du bist vielleicht gefragter als je zuvor – mehr im Hintergrund, aber mit deiner Weisheit und Lebenserfahrung.
Ich möchte dich ermutigen: Mach das aktiv, nicht sporadisch. Such dir junge Männer, in die du investieren willst. Lade sie zum Essen ein oder zu einem Spaziergang und präge sie, denn Gott hat dir so viel gezeigt und du hast so viel mit dem Herrn erlebt – Dinge, die die jungen Männer noch nicht erlebt haben.
Was für eine Chance! Was hast du für eine Bedeutung in der Gemeinde! Das sage ich dir ermutigend. Bitte denk nie: „Wer bin ich schon, ich bin alt und gebrechlich geworden.“ Du hast etwas weiterzugeben. Aber mach das aktiv.
Ich möchte die jungen Männer in unseren Reihen ermutigen: Sucht euch aktiv ein Vorbild. Geht auf einen der älteren Brüder in der Gemeinde zu und sagt: „Kann ich mich mit dir treffen? Ich will von dir lernen.“
Ich glaube, es ist sehr gesund, wenn Männer von älteren Männern lernen – und ebenso, wenn Frauen von älteren Frauen lernen.
Deswegen komme ich jetzt auch zu den geistlichen Müttern in der Gemeinde. Geistliche Mütter in der Gemeinde – da heißt es in Titus 2,3-5: Entsprechendes gilt für die älteren Frauen. Das, was Paulus gerade zu den älteren Männern gesagt hat, gilt auch für die älteren Frauen. So leitet Paulus ein.
Auch in ihrem Verhalten soll sich Gottes Heiligkeit widerspiegeln. Sie dürfen weder klatschsüchtig noch alkoholabhängig sein. Vielmehr sollen sie durch Lehre und Vorbild die jüngeren Frauen dazu anleiten, ihre Männer und ihre Kinder zu lieben, verantwortungsbewusst zu handeln und sich von jeder Verfehlung reinzuhalten. Sie sollen sich um ihren Haushalt kümmern, freundlich sein und sich ihren Männern unterordnen, denn die Botschaft Gottes soll nicht in Verruf geraten.
Ältere Frauen sollen auch als geistliche Mütter einen gewissen Charakter mitbringen. Ich habe diesen Punkt mal mit „Würde“ überschrieben – ein unglaublich schönes Wort. Ein Wort, das zu älteren Frauen so gut passt, zu älteren Frauen, die den Herrn lieben. Es gibt auch ältere Frauen, auf die man nicht hochschauen kann. Aber hier sind andere ältere Frauen gemeint.
Von diesen Frauen heißt es hier: Auch in ihrem Verhalten soll sich Gottes Heiligkeit widerspiegeln. Das Wort im Text könnte auch mit „andächtig“ übersetzt werden. Es sind Frauen, die andächtig sind. Kennt ihr solche Frauen? Sie betreten den Raum, und du merkst, eine gewisse Aura ist um sie herum.
Ich muss da an einige ältere Frauen denken, vor allen Dingen an meine Schwiegermutter. Wahnsinn, was für eine Frau! Meine Frau wurde gut geprägt von ihrer Mutter. Wenn sie in den Raum kommt, merkst du: Da ist etwas Kostbares. Das ist einfach Würde – Würde beschreibt es wirklich.
Am besten ist eine Frau, die sehr viel Würde ausstrahlt. Sie will niemandem etwas beweisen, sie lebt einfach vor Gott. Sie liebt ihren Herrn Jesus Christus ganz schlicht und kindlich und lebt mit ihm. Sie ist demütig; sie stellt sich nicht selbst in den Mittelpunkt. Es gibt Frauen, die reden zu viel von sich selbst. Das macht diese Frau nicht.
Sie ist Gott sehr nah, sie ist hilfsbereit, einfühlsam, sieht Nöte, ist immer dankbar und voller Liebe. Und vor allen Dingen sieht man dieser Frau einiges an. Man sieht ihr an, dass sie schon jahrelang unter dem heiligenden Einfluss des Wortes Gottes steht.
So eine Frau wirst du nicht von jetzt auf gleich. Aber so eine Frau wirst du, wenn du jetzt schon anfängst, täglich deine Zeit mit dem Herrn zu haben. Dann wirst du irgendwann so eine Frau. Ich glaube, dass hier einige Frauen dabei sind, die in diese Kategorie fallen, ganz sicher.
Es ist gut, als Frau anzustreben, so eine Frau zu sein. Meine Frau hatte eine Zeit lang eine Postkarte ausgedruckt, und ich finde den Spruch auf der Postkarte wirklich gut: „Be the kind of woman that when your feet hit the floor each morning the devil says, oh no, she's up.“ Auf Deutsch übersetzt: Sei die Art von Frau, bei der, wenn deine Füße morgens den Boden berühren, der Teufel sagt: „Oh nein, sie ist aufgestanden.“
Das ist die Frau, die hier beschrieben wird: eine Frau, die dem Herrn nahe ist, die lange Zeit unter dem Einfluss des Wortes Gottes stand, die Gottes Heiligkeit widerspiegelt.
Und zu einer Frau, wie gesagt, wird man nicht einfach so. Diamanten werden geschliffen. Wenn ich an meine Schwiegermutter denke: Sie hatte auch viele harte Zeiten hinter sich. Sie ist über Jahrzehnte so eine Frau geworden, und jetzt prägt sie Dutzende Frauen. Sie ist eine geistliche Mutter für viele geworden durch die Tiefe des Evangeliums.
Ich möchte dir heute ans Herz legen, egal ob du zu den älteren Semestern gehörst oder zu den jungen Frauen: Bitte Gott darum: „Herr, mach du aus mir so eine Frau, mach du aus mir so eine Frau, so eine Frau, so eine Frau…“ So eine Frau. Weißt du was? Dann macht Gott das, denn es ist ein Gebet, das ihm sehr, sehr gefällt.
Er wird dich zu so einer Frau machen. Das kann aber bedeuten, dass er dich zerbricht, dass er dich durch Schwierigkeiten gehen lässt. Aber dadurch wirst du Jesus immer ähnlicher.
Solche Frauen voller Würde sehen sich selbst nicht als solche Frauen. Kennt ihr das? Eine ältere Schwester in der Gemeinde, von der jeder sagt, sie sei ein absolutes Vorbild, und du gehst zu ihr und sagst: „Du bist mir so ein Vorbild.“ Und die Frau wird sagen: „Nee, ich habe zu viele Schwächen.“
Das ist das Kennzeichen eigentlich solcher Frauen: Solche Frauen voller Würde sehen sich selbst nicht als solche Frauen. Denn sonst wären sie nicht solche Frauen.
Ich sage diesen Satz noch mal: Solche Frauen voller Würde sehen sich selbst nicht als solche Frauen. Sonst wären sie nicht solche Frauen.
Eine Frau oder ein Mensch, der einfach behauptet, selber demütig zu sein, ist wahrscheinlich nicht demütig. Die demütigen Menschen erkennt man an ihrer Abhängigkeit von Jesus – und das wissen sie ganz genau. Sie werden sich nicht selber auf die Schulter klopfen.
Deswegen werden sich diese Frauen wahrscheinlich gar nicht als solche Frauen sehen. Aber der Punkt ist einfach: Sie sind es. Man muss sie dabei manchmal ermutigen und sagen: „Doch, du bist es. Jetzt kümmere dich doch um die anderen Frauen, investiere in sie.“
Also das eine ist Würde.
Das Zweite ist Selbstbeherrschung. Im Text heißt es, dass sie weder klatschsüchtig noch alkoholabhängig sein dürfen. Ich denke, Selbstbeherrschung ist hier der passende Oberbegriff, denn beide genannten Aspekte – Klatschsucht und Alkoholabhängigkeit – hängen mit Selbstbeherrschung beziehungsweise mangelnder Selbstbeherrschung zusammen.
Eine solche Frau, eine geistliche Mutter, wie sie in Gottes Augen sein soll, hat ihr Reden unter Kontrolle. Eine geistig reife Frau, eine geistige Mutter, erkennt man daran, dass sie sehr bedacht spricht. Es gibt Frauen, die dringend lernen müssen, auch einfach mal zu schweigen. Diese Frau hat das gelernt. Sie weiß, wann sie ihren Mund öffnet und wie sie ihn öffnet – mit welcher Absicht sie spricht. Eine geistliche Mutter hat das gelernt. Vielleicht war das nicht immer so, aber durch die Heiligung in ihrem Leben ist sie zu einer solchen Frau geworden.
Diese Hoffnung gibt es für jede Frau: Gott möchte dein Reden heiligen. Er will dir helfen und in seiner Gnade in dir wirken.
Doch nicht nur in Bezug auf ihr Reden hat sie sich unter Kontrolle, auch im Umgang mit Alkohol zeigt sie Selbstbeherrschung. Es steht wortwörtlich, dass sie nicht viel im Wein versklavt ist. Das war wahrscheinlich damals gerade auf Kreta ein großes Problem. Interessanterweise schreibt Paulus das nicht den Männern. Möglicherweise war Alkoholabhängigkeit auf Kreta ein viel größeres Problem unter Frauen als unter Männern. Das könnte erklären, warum Paulus das vor allem in Bezug auf Frauen dem Titus schreibt.
Ich kann mir vorstellen, dass das für die wenigsten hier im Raum ein großes Thema ist. Aber Abhängigkeiten können viel, viel größer sein. Ich denke, das Prinzip, das Paulus hier nennt, ist, dass es keinen Götzen im Leben dieser Frau geben soll. Es soll nichts in ihrem Leben sein, was sie versklavt.
Das zeigt sich am Beispiel Alkohol, aber es kann sich auch in ganz anderen Dingen zeigen. Es darf keine versklavende Sünde in ihrem Leben geben, keine Sache, von der sie sich mehr Freude, Halt und Erfüllung verspricht als von Gott selbst. Das ist hier gemeint.
Eine geistliche Mutter bringt also vor allem zwei Charaktereigenschaften mit: eine heilige Würde und Selbstbeherrschung.
In Titus 2 wird die Aufgabe der älteren Frauen klar beschrieben. Ich lese zu Beginn den Text noch einmal durch: Es heißt, sie sollen aktiv die jüngeren Frauen prägen. Die jüngeren Frauen sollen angeleitet werden, ihre Männer und Kinder zu lieben, verantwortungsbewusst zu handeln und sich von jeder Verfehlung fernzuhalten. Außerdem sollen sie sich um ihren Haushalt kümmern, freundlich sein und sich ihrem Mann unterordnen. Denn die Botschaft Gottes soll nicht in Verruf geraten.
Jüngere Frauen brauchen Vorbilder. Das war damals auf Kreta besonders wichtig, da die Kultur dort relativ gottlos war. Es war entscheidend, dass die jüngeren Frauen, die gerade zum Glauben gekommen waren, durch ältere Frauen Anleitung erhielten. Geistliche Mütter haben das verstanden. Auch in unserer Gemeinde in Graz sehen geistliche Mütter die Not der jüngeren Frauen und wissen, wie wichtig es ist, sie zu prägen.
Sie haben erkannt, dass jüngere Frauen lernen müssen, ihre Männer zu lieben, ebenso wie ihre Kinder. Das ist ein Prozess, der Höhen und Tiefen hat. Jüngere Frauen müssen verantwortungsbewusst handeln und einen reinen Lebenswandel führen. Sie sollen lernen, sich um ihren Haushalt zu kümmern, ohne in erster Linie eine Karriere anzustreben, sondern darin aufzugehen, für ihre Familie ein schönes Zuhause zu schaffen.
Häuslich sein bedeutet nicht nur, Essen zuzubereiten. Übrigens dürfen auch Männer im biblischen Sinne gerne das Essen machen – Jesus hat auch Essen zubereitet. Ich möchte hier nicht klischeehaft sagen: „Frau in die Küche“. Dennoch sagt die Bibel, dass die Aufgabe der Frau im Zuhause beginnt. Dazu gehört definitiv, sich um das Essen zu kümmern, aber vor allem auch, eine angenehme Atmosphäre für den Ehemann und die Kinder zu schaffen.
Jüngere Frauen sollen freundlich sein und die Verantwortung ihres Mannes anerkennen, anstatt immer selbst die Führung übernehmen zu wollen. Ich glaube, das war nicht nur damals auf Kreta aktuell, sondern gilt auch heute. Wir leben in einer ähnlich gottlosen Kultur, die das Frauenbild aus Titus 2 oft als veraltet und weltfremd darstellt. Ich sage dann immer: Ja, es ist weltfremd – aber weil es göttlich ist, ist es eben weltfremd. Es sind Gottes Gedanken.
Wenn jemand sagt, das sei mittelalterlich, antworte ich: Nein, der Titusbrief wurde im ersten Jahrhundert geschrieben, also viel, viel früher. Die entscheidende Frage ist doch: Vertraust du als Frau darauf, dass dieser Plan Gottes für dich gut ist? Glaubst du, dass darin Segen liegt?
Gerade jüngere Frauen stehen heute vielen Herausforderungen gegenüber, die unsere Gesellschaft mit sich bringt. Umso wichtiger ist es, dass es ältere Schwestern in der Gemeinde gibt, die die jüngeren Frauen stärken. Sie sagen: Gott hat uns diese Aufgabe für Frauen gegeben, und es ist ein Privileg, etwas Kostbares – auch wenn die Welt etwas anderes behauptet.
Ich möchte junge Frauen ermutigen: Wenn du kleine Kinder hast, dann weißt du, wie hoch die Berufung ist, die du als junge Frau hast. Ich selbst habe das erlebt und viel Freude daran gehabt. Jüngere Frauen brauchen ältere Schwestern in der Gemeinde, die sie immer wieder ermutigen.
Es geht hier um das Prinzip, dass eine geistliche Mutter jüngere Frauen in ihrer spezifischen Lebenssituation prägt. Das kann sich auch auf alleinstehende Frauen beziehen, auch wenn das hier nicht das Hauptthema ist. Aber ich erkenne darin das Prinzip: Kümmer dich um die Frau in einer ähnlichen Lebenssituation.
Bei uns gibt es eine Schwester, die schon in Rente ist und alleinstehend. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, sich um die alleinstehenden jüngeren Frauen in der Gemeinde zu kümmern. Sie lädt sie regelmäßig zu sich zum Brunch ein und bereitet alles wunderbar vor. Dabei geht es nicht einfach um Kaffeeklatsch, sondern um biblische Lektionen: Wie können wir als Frauen in der Einsamkeit im Sinne Gottes leben?
Sie ist eine geistliche Mutter, obwohl sie alleinstehend ist. Und sie ist geistliche Mutter für viele. Das gilt genauso für alleinstehende Frauen. Auch sie können geistliche Mütter sein.
Deshalb möchte ich auch alleinstehende Frauen ermutigen: Nehmt euren Auftrag bewusst wahr. Morgen werden wir mehr über Singles und Einsame sprechen – das betrifft auch Männer. Aber auch du als alleinstehende Frau hast eine wichtige Rolle.
Die Wichtigkeit geistlicher Mütter wird im letzten Satz besonders betont. Der Satz beginnt mit „Denn“ – das heißt, jetzt folgt die Begründung, warum all das geschehen soll: „Denn die Botschaft Gottes soll nicht in Verruf geraten.“
Das bedeutet: Wenn es keine Prägung durch ältere Frauen gibt, wenn jüngere Frauen also nicht lernen, ihren Mann und ihre Kinder zu lieben, verantwortungsbewusst zu handeln, rein zu leben, sich um ihren Haushalt zu kümmern, freundlich zu sein und sich ihrem Mann unterzuordnen, dann steht das Evangelium auf dem Spiel. Es geht um nichts Geringeres.
Das sage nicht ich, sondern das Wort Gottes. Wenn jüngere Frauen das nicht lernen, gerät die Botschaft in Verruf – vor der sichtbaren und unsichtbaren Welt.
Es macht Sinn, dass Satan gerade gegen das Rollenbild der Frau kämpft. Es geht ihm nicht in erster Linie um das Rollenbild, sondern ums Evangelium. Deshalb greift er an, damit die Botschaft in Verruf gerät.
Genau deswegen brauchen wir geistliche Mütter. Sie müssen die Fahne hochhalten für das Evangelium und schon die jüngeren Frauen prägen. Gottes Gedanken zu purer Weiblichkeit im biblischen Sinne sollen nicht nur dankbar angenommen, sondern auch gelebt werden.
Ich möchte dich als ältere Frau der Gemeinde Graz ermutigen: Kümmere dich um die jüngeren Schwestern der Gemeinde. Ich besuche immer wieder Gemeinden und habe den Eindruck, dass Titus 2 in vielen Gemeinden kaum gelebt wird.
Wir halten diesen Vortrag auf dieser Gemeindefreizeit nicht ohne Grund. Unser Wunsch ist, dass daraus ein Klima, eine Gemeindekultur entsteht. Das wünsche ich mir für Köln und für Graz: Dass es selbstverständlich ist, dass reife Männer sich um junge Männer kümmern, Teenager mit einbeziehen und ihnen zeigen, wie man lebt.
Ebenso sollen ältere, reifere Frauen sich selbstverständlich um Frauen kümmern, die gerade geheiratet haben, um Teenager und um Frauen, die noch viele Entscheidungen vor sich haben.
Deshalb brauchen wir geistliche Mütter und geistliche Väter in der Gemeinde. Ich möchte dich ermutigen: Fang einfach an. Vielleicht erzählst du von deinen eigenen Kämpfen und öffnest dich. So hilfst du anderen, sich ebenfalls zu öffnen. Als geistlich reife Person kannst du den Anfang machen.
An die jüngeren Frauen richte ich ebenfalls eine Ermutigung: Suche dir geistliche Mütter. Es ist wunderbar, wenn es die eigene Mutter ist – das genügt oft schon. Wenn das aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, geh auf andere Frauen aus der Gemeinde zu und sage: „Ich würde mich gern mit dir treffen. Ich glaube, ich kann viel von dir lernen. Möchtest du mich mal besuchen?“
Meine große Freude wäre es, wenn wir diesen Vortrag beginnen, aktiv in der Gemeinde umzusetzen. Zum Abschluss möchte ich gerne mit uns beten.
Vater im Himmel, ich bin dir so dankbar für deinen wunderbaren Plan von Gemeinde. Herr, ich danke dir für die geistlichen Väter und Mütter, die uns alle geprägt haben.
Ich bin dir auch dankbar für die hier anwesenden geistlichen Väter und Mütter. Einige von ihnen haben keine eigenen Kinder, doch sie haben viele geistliche Kinder. Danke, dass es sie gibt.
Herr, ich möchte dich bitten, jeden reiferen Christen hier im Raum zu segnen. Lass sie ihre Verantwortung erkennen und auf die jüngere Generation zugehen. Es soll nicht einfach dem Zufall überlassen bleiben, sondern wir wollen planmäßig vorgehen.
Hilf uns, für die Menschen zu beten, die du uns zeigst, in die wir uns investieren können. Lass dies wirklich in unseren Gemeinden beginnen, weil wir glauben, wie wichtig es ist, das Evangelium hochzuhalten und die Botschaft nicht in Verruf geraten zu lassen.
Herr, ich bitte dich, dass ein ganz besonderer Segen aus Titus 2 für unsere Gemeinden ausgeht. Amen.