Heute Morgen beschäftigen wir uns mit der Bedeutung des Alten Testaments für Christen. Dabei liegt der Fokus besonders auf den Aspekten der Typologie und der Allegorie im Alten Testament.
Diese Begriffe mögen für manche zunächst fremd und kompliziert erscheinen, aber keine Sorge – alles wird verständlich erklärt.
Die Inspiration und der Nutzen der gesamten Schrift
Einige Punkte als Einleitung: Was bedeutet das Alte Testament für Christen?
2. Timotheus 3,16 bezeugt als klassische Inspirationsstelle im Neuen Testament, dass alle Schrift von Gott eingegeben ist. Sie ist nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung und zur Unterweisung in der Gerechtigkeit. Das Ziel ist, dass der Mensch Gottes vollkommen sei und zu jedem guten Werk völlig geschickt ist.
Als Erstes erfahren wir hier, dass das Alte Testament wie die ganze Bibel alle Schrift meint. Das umfasst sowohl die alttestamentliche als auch die neutestamentliche Offenbarung. Das Alte Testament gehört also mit zur von Gott inspirierten Offenbarung an uns Menschen.
Wichtig ist zudem: Diese Stelle sagt nicht, was auch korrekt wäre, dass die Bibelschreiber inspiriert waren. Stattdessen wird hier gesagt, dass das Geschriebene selbst inspiriert ist. Das geht noch weiter. Wenn die Bibelschreiber inspiriert waren, ist das eine Sache, aber man könnte behaupten, dass sie bei der Abfassung doch Eigenes hineingebracht haben. Diese Stelle sagt jedoch, dass das, was geschrieben ist – wortwörtlich – von Gott eingegeben, also von Gott inspiriert ist.
Ein zweiter Punkt ist, dass nicht nur das Neue Testament, sondern die ganze Schrift nützlich ist zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung und zur Unterweisung in der Gerechtigkeit. Dadurch wird der Mensch Gottes vollkommen ausgerüstet.
Wir brauchen also die ganze Schrift, um Gottes Lehre kennenzulernen. Überführung bedeutet, dass wir etwas Unrechtes tun, es aber nicht zugeben oder uns dessen nicht bewusst sind. Überführung ist nicht dasselbe wie Zurechtweisung. Zurechtweisung korrigiert uns dort, wo wir wissen, dass wir falschliegen. Das ist eine feine Nuance.
Die Schrift dient somit sowohl der Überführung als auch der Zurechtweisung. Außerdem ist da noch die Unterweisung, die positiv ist: Wir werden weitergeführt und lernen von Gott, was wahre Gerechtigkeit bedeutet – Unterweisung in der Gerechtigkeit.
Alles dient letztlich dazu, dass der Mensch Gottes – ein neutestamentlicher Begriff, der aber auch im Alten Testament wurzelt – ausgerüstet ist für jedes gute Werk. Dafür braucht es sowohl das Alte als auch das Neue Testament.
Die Einheit von alttestamentlicher und neutestamentlicher Offenbarung
Warum behaupte ich, dass hier beide Testamente gemeint sind? Ich lese ab Vers 14: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist.“
In Vers 15 wird gesagt, dass Timotheus vom Säuglingsalter an – das griechische Wort „πρέφος“ meint den Säugling, also ein Kind, das bis etwa vier Jahre gesäugt wurde – von seiner Mutter und seiner Großmutter die Heiligen Schriften gehört hat. Timotheus war im Judentum aufgewachsen, daher ist klar, dass hier das Alte Testament gemeint ist.
Aber in Vers 14 sagt der Apostel Paulus: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem beziehungsweise von welchen Personen du gelernt hast.“ Dieser Vers besagt, dass Timotheus von verschiedenen Personen gelernt hat. Es heißt: „von wem du gelernt hast“ beziehungsweise „von welchen Personen du gelernt hast“. Das meint Paulus und verschiedene andere neutestamentliche Apostel beziehungsweise Propheten.
So haben wir in Vers 14 die neutestamentliche Offenbarung und in Vers 15 das Alte Testament. Das wird dann in Vers 16 zusammengefasst mit: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Hier wird erklärt, dass die Schrift weise macht zur Rettung (Vers 15) – das Alte Testament. Es zeigt also, wie der Mensch in schwierigen Situationen und Versuchungen von Gott daraus gerettet werden kann.
Es geht hier nicht um das Heil, das ewige Heil, das Timotheus ja schon hat. Vielmehr wird ihm gesagt: Die Schrift macht dich weise zur Rettung durch den Glauben. Timotheus kam immer wieder in Versuchungen und Schwierigkeiten. Gerade das Alte Testament kann helfen, daraus gerettet zu werden durch den Glauben, der in Christus ist.
Die Offenbarung Jesu Christi im Alten Testament
Ein weiterer Punkt ist, dass das Alte Testament Jesus Christus offenbart. Der Auferstandene begegnet den Emmaus-Jüngern in Lukas 24. Dort lese ich ab Vers 25: „Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen und Trägen Herzens, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben. Musste nicht der Christus dies leiden, um in seine Herrlichkeit einzugehen?“
Von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf. Das war ein wunderbarer Unterricht von etwa zwei Stunden, denn so lange dauert der Weg von Jerusalem nach Emmaus. Die Jünger erhielten eine Übersicht über das ganze Alte Testament: Mose, die Propheten und schließlich alle Schriften, und zwar das, was Jesus betraf.
Im gleichen Kapitel, Vers 44, ist der Auferstandene in der Mitte der elf Apostel zu finden. Er spricht zu ihnen: „Dies sind die Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war, dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht im Gesetz Mose, den Propheten und Psalmen.“ Dann öffnete er ihnen das Verständnis, um die Schriften zu verstehen.
Das Gesetz Mose ist in der hebräischen Bibel der erste Teil, die Propheten der zweite Teil – beginnend mit Josua, dann Richter und so weiter, große und kleine Propheten. Die Psalmen bilden den dritten Teil. Die hebräische Bibel hat eine andere Anordnung als unsere deutsche Bibel. Die Psalmen stehen jeweils an der Spitze dieses dritten Teils.
Kurz gesagt, im gesamten Alten Testament wird auf Jesus Christus hingewiesen. All dies wurde in seinem ersten Kommen erfüllt.
In Johannes 5,39 richtet sich der Herr an die Pharisäer, die führenden Schriftgelehrten, und sagt: „Ihr erforscht die Schriften, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von mir zeugen.“ Die Schriften des Alten Testaments weisen auf Jesus Christus hin.
Im gleichen Kapitel, Verse 45 bis 46, sagt Jesus: „Ich meine, dass ich euch bei dem Vater verklagen werde. Da ist einer, der euch verklagt: Mose, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt. Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr mir glauben, denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“
Jesus Christus findet sich im Gesetz Mose, in seinen Schriften. Mose hat die fünf Bücher verfasst, die am Anfang der Bibel stehen. Sie weisen auf Jesus Christus hin und sind in völliger Übereinstimmung mit ihm. Wenn man seinen Schriften nicht glaubt – den Pentateuch, den fünf Büchern Mose – dann glaubt man auch nicht an Jesus Christus. Wenn man Jesus Christus glaubt, glaubt man auch den fünf Büchern Mose.
Das Gesetz als Schatten zukünftiger Segnungen
Und noch weiter, in Hebräer 10 heißt es: „Denn da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat, so kann es nimmer mit denselben Schlachtopfern, welche sie alljährlich ununterbrochen darbringen, die Hinzunahenden vollkommen machen.“
Hier wird erklärt, dass das Gesetz, die Tora, einen Schatten der zukünftigen Güter darstellt. Die zukünftigen Güter im Hebräerbrief bezeichnen all die Segnungen, welche der Messias einmal einführen sollte. Das Gesetz hat also einen Schatten und weist in Schattenbildern auf das hin, was in Christus einmal konkret kommen sollte.
Dazu kommt noch Kolosser 2, Vers 17, wo der Apostel Paulus erklärt, dass Christen nicht verurteilt werden können, wenn sie zum Beispiel den Sabbat nicht einhalten. Das Sabbatgebot ist Israel gegeben worden und nicht der Gemeinde. In diesem Zusammenhang sagt er: „So richte euch nun niemand in Bezug auf Speise oder Trank oder im Hinblick auf ein Fest oder auf Neumonde oder auch Sabbate, die ein Schatten der zukünftigen Dinge sind; der Körper aber ist Christus.“
Alle diese Dinge, die im Gesetz Mose angeordnet sind – in Bezug auf Speise, Trank, verschiedene jüdische Feste, das Neumondfest und die Sabbate – sie alle sind ein Schatten der zukünftigen Dinge. So wie ein Schatten einen Hinweis auf den Körper gibt, der den Schatten wirft, so weist das Alte Testament auf Jesus Christus und das, was er bringen sollte, hin.
Der Körper, der den Schatten wirft, also die dreidimensionale Realität, findet sich im Neuen Testament in Christus erfüllt. Bereits das Alte Testament mit all diesen Einrichtungen weist in allen Details auf Jesus Christus und auf das, was er bringen sollte, hin.
Nun ist uns natürlich klar: Ein Schatten ist nicht dasselbe wie der Körper. Der Schatten hat nur zwei Dimensionen, der Körper hingegen drei. Je nach Lichteinfall ist der Schatten etwas verzogen, und es ist nicht immer möglich, vom Schatten auf den Körper zu schließen, wenn man den Körper nicht kennt. Aber wenn man den Körper kennt, kann man Rückschlüsse auf den Schatten machen.
So ist das Verhältnis von Altem und Neuem Testament: Im Alten Testament haben wir die Schattenbilder, im Neuen Testament die Erfüllung. Wenn wir die Erfüllung in Christus haben, also neutestamentlich, können wir diese Voraushinweise verstehen.
Augustinus hat gesagt: „Das Neue Testament ist im Alten verhüllt, und das Alte Testament ist im Neuen enthüllt.“ Das zeigt ganz wunderbar die Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament.
Das Alte Testament als Belehrung für Christen
Wir haben also einerseits ganz direkte Prophezeiungen, auf die Jesus Christus in Lukas 24 hingewiesen hat, sowie ganz direkte Aussagen und eine Unzahl von Schattenbildern. All dies gehört nun hier zu Punkt vier.
Punkt fünf: Das Alte Testament ist ausdrücklich für Christen geschrieben worden.
Römer 15,4 sagt zunächst: „Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben.“ Deutlicher könnte man es kaum sagen. Alles, was vorher – das heißt im Alten Testament – aufgeschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, sagt Paulus den neutestamentlichen Gläubigen, den Christen. Es bewirkt Ausharren, also die Fähigkeit, aushalten und warten zu können, und es ermutigt. So können wir wirklich in der Hoffnung des Glaubens leben, das sagt dieser Vers.
Dann 1. Korinther 10,11: Paulus berichtet hier über die Zeit nach dem Auszug aus Ägypten, über die Schechina, über das Rote Meer, durch das Israel gezogen ist. Er spricht über das Manna, über das Wasser aus dem Felsen, über den Fels selbst und was so in der Wüste geschehen ist. Schließlich sagt er in Vers 11: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist.“
Hier wird ausdrücklich gesagt, dass all diese Dinge in Verbindung mit Israel für uns geschrieben worden sind, für die Christen. Das geht also sehr, sehr weit. Das Alte Testament ist für die Christen geschrieben worden. Das heißt nicht, dass es nicht auch für Israel aufgeschrieben worden ist, aber es ist ausdrücklich für die Christen geschrieben worden, zu unserer Belehrung.
Dann im gleichen Kapitel, als nächster Punkt, 1. Korinther 10,6: Nachdem diese Einzelheiten aus der Zeit nach dem Exodus aus Ägypten berichtet worden sind, heißt es: „Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, dass wir nicht nach bösen Dingen gelüsten, gleich wie auch jene gelüsteten.“
Hier wird also gesagt, dass das, was Israel in der Wüste erlebt hat, für uns geschehen ist. Hier heißt es noch nicht, dass es für uns aufgeschrieben ist, sondern dass sich diese Dinge für uns ereignet haben. Das sind zwei verschiedene Dinge, und beide sind wahr. Das, was aufgeschrieben worden ist, ist für uns aufgeschrieben. Aber auch das, was sich damals ereignet hat, hat sich für uns ereignet, damit wir aus diesen Dingen konkret für unser Leben Lektionen ziehen können.
Die Befreiung vom Gesetz des Sinai durch Christus
Jetzt haben wir aber einen Konflikt, es ist eine Tatsache: Christen stehen nicht unter dem Gesetz vom Sinai.
Das Gesetz vom Sinai, beschrieben ab 2. Mose 19, legt dar, wie Israel als Nation einen Bund mit Gott einging. Zuerst erhielten sie die Zehn Gebote mündlich, dann schriftlich, gefolgt von Hunderten weiterer Gebote, die in den Büchern Zweite, Dritte, Vierte und Fünfte Mose aufgeschrieben sind. Dieses Gesamtwerk bildet das Gesetz vom Sinai.
Dieser Bund wurde jedoch mit dem Volk Israel geschlossen, nicht mit allen Völkern. In Galater 4,4-5 heißt es: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz, damit er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen.“ Hier wird ausdrücklich gesagt, dass der Messias als Jude unter dem Gesetz von Sinai stand. Er kam jedoch, um die Juden, die an ihn glauben würden, vom Gesetz loszukaufen.
Das bedeutet: Juden, die zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, sind nicht mehr in diesem Bund vom Sinai eingeschlossen. Auch heute gilt: Ein Jude muss sich beschneiden lassen, den Sabbat beobachten und alle Gebote einhalten, solange er kein Christ geworden ist. Das Gesetz ist nie aufgehoben worden, aber Juden, die zum Glauben an den Messias gekommen sind, sind von diesem Bündnispaket losgekauft.
Weiter lesen wir in Römer 7,1-6, wo das Bündnis vom Sinai mit einem Ehebund verglichen wird. Es wird erklärt: Solange der Ehepartner lebt, ist die Ehefrau an ihren Mann gebunden. Erst mit dem Tod wird diese Bindung aufgelöst. Wenn nun der Tod des Ehemannes eingetreten ist, ist die Frau frei, sich neu zu verheiraten.
Diese Erklärung wird übertragen auf die jüdischen Gläubigen: Sie waren in diesem Bündnis gebunden, und daraus kommt man nur durch den Tod heraus. Durch den Glauben an Jesus Christus und die Zurechnung seines Todes durch Gott seid ihr in Gottes Augen gestorben. So seid ihr durch den Tod Christi vom Gesetz freigemacht – aber nicht, um gesetzlos zu werden.
Diese Verse erklären, dass ihr jetzt mit dem Auferstandenen verbunden seid. Deshalb steht ihr nicht mehr unter dem Gesetz von Sinai, sondern unter der Herrschaft von Christus, dem Messias. In Galater 6,2 werden seine Gebote genannt: „das Gesetz des Christus“, das Gesetz des Messias.
In der rabbinischen Literatur, zum Beispiel im Midrasch zum Buch Prediger (Midrasch Kohelet), wird erklärt: Wenn der Messias kommt, bringt er ein neues Gesetz, eine neue Tora. Diese ist so erhaben, dass man die Tora, die wir jetzt lernen, in unserer Zeit nicht mit der Tora vergleichen kann, die der Messias bringt.
In diesem neuen Gesetz sind alle neutestamentlichen Gebote enthalten, die über die Gebote vom Sinai hinausgehen in ihrer moralischen Bedeutung. Zum Beispiel sagt das Gesetz nur: „Du sollst nicht Ehe brechen.“ Das Neue Testament fordert jedoch in Epheser, dass Männer ihre Frauen so lieben sollen, dass sie bereit sind, ihr Leben für sie hinzugeben. Das ist mehr als nur keinen Ehebruch zu begehen.
Das ist das Gesetz des Christus, das über das Gesetz vom Sinai hinausgeht. Alle Gebote, die im Neuen Testament nicht mehr gelten, wie das Sabbatgebot, die Speisegebote oder die Opfergebote, gehören zum Bündnispaket vom Sinai. Christen sind nicht mehr darunter gestellt – sowohl jüdische Christen als auch diejenigen ohne jüdische Vorfahren. Letztere waren auch nie unter dem Gesetz und mussten nicht von ihm befreit werden.
Römer 10,4 erklärt abschließend: Christus ist des Gesetzes Ende.
Die bleibende Bedeutung des Gesetzes für das Gewissen
Jetzt kann man sich fragen: Was soll das Gesetz heute noch?
In 1. Timotheus 1,8-11 wird erklärt, dass das Gesetz nicht für Gerechte bestimmt ist, also für Menschen, die durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt wurden. Es ist vielmehr für Sünder gedacht. Anhand dieser Gebote kann man Menschen zeigen, dass sie Sünder sind. Das glaubt in unserer Gesellschaft kaum jemand.
In Afrika ist das zum Beispiel ganz anders. Dort ist es traditionell klar verankert, dass Menschen schuldig vor dem Schöpfergott sind. In unserer Gesellschaft ist das nicht mehr so, weil versucht wurde, den Schöpfergott wegzudiskutieren. Deshalb müssen wir zuerst eine Grundlage schaffen, damit Menschen sich bewusst werden: Ich bin schuldig.
Dazu muss man ihnen die Gebote vom Sinai zeigen, also Gottes Rechtsanforderungen. Das Gesetz hat also immer noch Gültigkeit, um Menschen zu überführen, dass sie Sünder sind und einen Erlöser brauchen. Das war die Funktion des Gesetzes vom Sinai. Bis Christus kam, sollte damit dem Volk Israel die Notwendigkeit klargemacht werden: Ihr braucht einen Erlöser. Und dann kam der Erlöser.
Weiter wird im Neuen Testament gesagt, in Römer 7,14: Das Gesetz ist geistlich, also durchdrungen von der Weisheit des Geistes Gottes. Ferner in Römer 7,12 heißt es: Das Gesetz ist heilig, gerecht und gut.
Das Gesetz vom Sinai ist ein wunderbares Gesetz. Es ist heilig, gerecht und gut. Aber wir müssen es für die richtigen Leute anwenden.
Die Notwendigkeit von Altem und Neuem Testament für das Verständnis des göttlichen Plans
Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Ohne Altes und Neues Testament könnten wir nie den ganzen Ratschluss Gottes kennenlernen. In Apostelgeschichte 20 hält der Apostel Paulus eine Ansprache an die Ältesten von Ephesus. Nach vielen Jahren seines Missionsdienstes in dieser Stadt erklärt er: „Denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“
Wenn wir nur das Neue Testament hätten, was wüssten wir dann über die Schöpfung? Natürlich wird die Schöpfung im Neuen Testament erwähnt, aber es wird nicht detailliert berichtet, wie sie entstanden ist. Die Kapitel 1 und 2 im Buch Genesis (Erste Mose) erklären uns hingegen viele Details.
Wenn wir den ganzen Ratschluss Gottes von Anfang der Heilszeit an verstehen wollen, brauchen wir das Alte Testament. Das gilt auch für die gesamte weitere Heilsgeschichte. Das Neue Testament spielt ständig darauf an, aber wir könnten sie ohne das Alte Testament nicht kennen.
Um also den ganzen Ratschluss Gottes zu verstehen, brauchen wir sowohl das Alte als auch das Neue Testament.
Weiter sagt Paulus in Vers 26: „Deshalb bezeuge ich euch an dem heutigen Tag, dass ich rein bin von dem Blut aller, denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“ Paulus betont, dass er keine Blutschuld auf sich geladen hat, weil er den ganzen Ratschluss Gottes verkündet hat – von Anfang an bis zur Wiederkunft Christi, dem tausendjährigen Reich, dem neuen Himmel und der neuen Erde.
Hätte Paulus das nicht getan, hätte er dadurch Blutschuld auf sich geladen. Dies ist eine Anspielung auf Hesekiel 3, wo Gott sagt: „Wenn ich zu dem Gesetzlosen spreche: ‚Du sollst gewisslich sterben‘, und du warnst ihn nicht, dann werde ich sein Blut von dir fordern.“
Dieses Prinzip wird hier auch auf die Gemeinde angewendet. Wenn in der Gemeinde nicht der ganze Ratschluss Gottes verkündigt wird, machen sich die Verkündiger vor Gott schuldig – sie tragen Blutschuld.
Wie könnten wir dieser Blutschuld entgehen, wenn wir nicht das Alte Testament hätten? Es zeigt auch, wie wichtig es ist, über das gesamte Alte Testament zu predigen und über das Neue. So haben wir den ganzen Ratschluss Gottes.
Die Rolle der Typologie und Allegorie im Verständnis der Gebote
Nun haben wir natürlich vielleicht ein Problem. Ja gut, wenn wir nicht mehr oder nicht unter dem Gesetz vom Sinai stehen, was sollen dann all diese Gebote? Was können wir daraus entnehmen? Es wirkt irgendwie herausgeschnitten.
Gerade das Thema der Typologie und der Allegorie hilft uns hier weiter. Es folgen einige schwierige Ausdrücke, die wir aber alle zusammen klären werden. Typologie heißt auf Deutsch „die Lehre der Vorbilder“. Dabei können wir zwei Arten von Typologie unterscheiden:
Erstens die horizontale Typologie. Hierbei sind geschichtliche Fakten, Personen, Ereignisse oder Einrichtungen Vorausdarstellungen von zukünftigen Ereignissen. Das lässt sich am besten anhand eines Beispiels zeigen.
Nehmen wir Joseph. Joseph wurde von seinen Brüdern gehasst und abgelehnt. Hier sehen wir eine Parallele zu Jesus Christus, der später von seinem Volk, von der Masse des Volkes, gehasst und abgelehnt wurde. Joseph wurde an die Heiden verkauft, und so wurde Jesus Christus analog den Römern übergeben.
Joseph kam ins Gefängnis, Jesus Christus ging in den Tod. Joseph kam aus dem Gefängnis heraus und wurde zum Herrscher über Ägypten. Jesus Christus ist auferstanden aus den Toten und wurde zum Herrscher von Millionen Heiden, Nichtjuden in der ganzen Welt.
Doch die Masse des jüdischen Volkes hat ihn nicht erkannt, während Millionen Heiden ihn erkannt haben. So war es auch bei Joseph: Ägypten hat seine Herrschaft anerkannt, aber die Brüder Josefs hatten keine Beziehung zu ihm.
Doch der Tag kam, an dem die Brüder Josefs in große Drangsal gerieten. In dieser Notzeit offenbarte sich Josef ihnen schließlich. So wird es auch dem Volk Israel ergehen: Sie werden in die große Drangsal kommen, nach der Prophetie. In dieser Zeit werden sie dann den Messias, Jesus, erkennen. Er wird wiederkommen und sich ihnen offenbaren.
Sacharja 12,10 sagt: „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“ So sehen wir, wie alttestamentliche Personen, geschichtliche Fakten und Ereignisse Vorausdarstellungen von zukünftigen Ereignissen sind.
Zum Beispiel wird in Römer 5,14 gesagt, Adam sei ein Typos, ein Vorbild von Christus, eine solche Vorausdarstellung. Oder in 1. Korinther 10,6 und 12 lesen wir von den Ereignissen auf der Wüstenreise: „Diese Dinge aber sind als Vorbilder, Typen (im Griechischen typoi), für uns geschehen, damit wir nicht nach bösen Dingen gelüsten, wie auch jene gelüsteten.“
Die Ereignisse haben also einen Sinn als Vorausdarstellungen für die Christen. Weiter heißt es dort: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Typen (wieder typoi) und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung.“ Alles sind also Vorausdarstellungen, die für die Christen Bedeutung haben.
Das Wort Typos auf Griechisch, das wir jetzt dreimal im Neuen Testament gefunden haben (Römer 5,14; 1. Korinther 10,6 und 12), bedeutet Abbild, Umriss, Muster, Form oder auch die hohle Form.
Gerade in Römer 5,12 wird erklärt: Die Sünde ist durch einen Menschen in die Welt gekommen. Aber die Lösung des Sündenproblems ist ebenfalls durch einen Menschen gekommen. Es wird verglichen: So wie durch Adam alle Menschen in die Stellung von Sündern gekommen sind, so werden alle, die an Christus glauben, durch ihn in die Stellung von Gerechten versetzt.
Adam steht gewissermaßen als Haupt der Menschheit, Christus als Haupt aller erlösten Menschen. Adam ist somit eine Vorausdarstellung, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen.
Interessant ist, dass Typos auch „hohle Form“ bedeuten kann. Die hohle Form ist spiegelverkehrt gegenüber der Abbildung, die man aus der hohlen Form macht. So ist Adam gewissermaßen ein Negativ zu dem Positiv in Christus. Typen können also manchmal gerade den Gegensatz im Vergleich deutlich machen.
Neben der horizontalen Typologie gibt es die vertikale Typologie. Hierbei sind irdische Dinge eine Abbildung von himmlischen Vorlagen.
In 2. Mose 25,9; 40,26; 30 und 27,8 wurde Mose gesagt, er solle die Stiftshütte, den transportablen Tempel, genau so bauen, wie die Vorlage, die ihm auf dem Berg gezeigt worden war. Diese Vorlage war der Tempel Gottes im Himmel.
Offenbarung 11,19 spricht ausdrücklich über den Tempel Gottes im Himmel. Die Stiftshütte war also ein Abbild, eine Kopie eines himmlischen Originals.
Das wird auch im Neuen Testament wiederholt, zum Beispiel in Apostelgeschichte 7,44 und in Hebräer 8,4-5 sowie 9,23-24. Der Tempel auf Erden ist ein Abbild eines Originals im Himmel.
So wird das Abbild in Hebräer 8 als Typos bezeichnet, also ein Abbild von einer himmlischen Vorlage. Deshalb spricht man von vertikaler Typologie: irdische Dinge, die Abbilder von himmlischen Vorlagen sind.
Es gibt übrigens noch mehr Beispiele. Im Himmel gibt es ein himmlisches Jerusalem, von dem das irdische Jerusalem ein Abbild ist. In Hebräer 11 wird von einem himmlischen Vaterland gesprochen. Das Land Israel als Vaterland für das auserwählte Volk war in diesem Sinn eine Abbildung dieses himmlischen Originals.
Die philosophische Parallele und dämonische Perversionen
Übrigens, vielleicht kennen manche das aus der Philosophie: Platon hat die Typenlehre entwickelt. Er sagte, alle Dinge, die es auf Erden gibt, sind eigentlich nur Abbilder von Ideen im Himmel. Diese Idee hat das Abendland über tausend Jahre in Bann gehalten.
Doch wir erkennen vielleicht an dieser Ideenlehre von Platon gewisse Wahrheiten. Woher hatte er das? Man könnte denken, Platon sei ein Auserwählter gewesen, ein Sprachrohr Gottes in der Heidenwelt. Das war er jedoch nicht, denn Platon war Pädophil. Er lebte wirklich in der Sünde.
Woher stammt diese Idee trotzdem? Auch durch teuflische Inspiration. Man kann Dinge wissen, die stimmen, doch sie sind dann oft pervertiert. Seine ganze Philosophie ist letztlich falsch und hat das Abendland, wie gesagt, in Bann gehalten. Das wäre ein Thema für einen anderen Bibelstudientag: die Entwicklung des Denkens im Vergleich zur Bibel hat sehr viel Schaden angerichtet.
Es ist jedoch nicht alles falsch, sondern es sind auch Realitäten dabei. Das liegt daran, dass Satan Zugang zum Himmel hat (vgl. Hiob 1 und 2). Er weiß um die himmlischen Vorlagen und die irdischen Abbilder. So konnte er diese Idee weitergeben.
Überall in der Heidenwelt findet man Tempel mit Allerheiligstem und Heiligem, genau wie im jüdischen Tempel. Dazu gehören Opfer und ein Waschbecken vor dem Tempelhaus. Das Ganze ist durch eine Mauer eingezäunt – das stimmt genau mit dem biblischen Tempel überein. Das kommt alles durch dämonische Inspiration.
Übrigens wurde zum Beispiel bei den Hethitern eine Tafel gefunden, auf der ein Gott einem Hethiter erscheint und ihm Anweisungen gibt, wie er Tempelgeräte bauen muss. Das ist absolut parallel zu dem, was Mose erlebt hatte, aber eben eine teuflische Perversion.
Antitypos – das Gegenbild und seine Bedeutung
Dritter Punkt
Der Begriff Antitypos, das heißt Gegenbild, bezeichnet in Hebräer 9,22 ein Bild, das dem Typos, also dem Vorbild, entspricht beziehungsweise mit ihm korrespondiert.
So wird der Tempel auf der Erde im Hebräerbrief Kapitel 8 als Typos bezeichnet, während der Tempel im Himmel als Antitypos, also Gegenbild, genannt wird. Es handelt sich dabei um zwei Bilder, die miteinander korrespondieren. Beide sind jedoch nur Bilder.
Worauf weisen sie hin? Beide deuten auf Jesus Christus hin. Er sagt ja zu den Juden in Johannes 2: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Somit weist der Tempel auf Jesus Christus hin.
In 1. Korinther 3,16 heißt es: „Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?“ Auch hier wird der Tempel als Bild verwendet, diesmal für die Gemeinde.
Wir haben also ein Bild im Himmel, ein Abbild auf Erden und die sinnbildliche Bedeutung für Christus und seine Gemeinde. Antitypos, Typos und dann die Erfüllung.
Das Neue Testament bezeichnet alttestamentliche Typen wiederholt als Schatten, griechisch Skia. Dies finden wir zum Beispiel in Kolosser 2,16, aber auch in Hebräer 10 und nochmals in Hebräer 8,5.
Dieser treffende Begriff bringt zum Ausdruck, dass der Typos nicht die Realität ist, also nicht der Körper, der den Schatten wirft, sondern nur eine umrissartige Abbildung. Zudem hat er eine Dimension weniger als die Vorlage.
Ich habe bereits ausgeführt, dass die Bilder im Alten Testament nicht die Wirklichkeit sind, aber auf die Wirklichkeit hinweisen.
Die Funktion der Bilder im Alten Testament für das Verständnis des Neuen Testaments
Wieso brauchen wir diese Bilder? Hätten wir nur das Neue Testament, in dem die Realität beschrieben wird, wäre das Ganze noch viel schwieriger. Wir haben ja schon Mühe, viele Dinge im Neuen Testament wirklich zu erfassen und zu verstehen, was sie für uns bedeuten.
Das Alte Testament ist deshalb das Bilderbuch zum Neuen Testament. Anhand der konkreten Bilder im Alten Testament können wir besser verstehen, was in Christus Wirklichkeit geworden ist.
Wir werden gleich sehen, dass das alles zunächst etwas abstrakt und trocken wirkt. Aber sobald wir konkret darauf eingehen, merken wir, wie diese Bilder unser Herz auf eine starke Weise ansprechen.
Wenn Christen das Alte Testament nicht als Bilderbuch für das Neue Testament nutzen, erleiden sie einen enormen Verlust im Glauben. Das schadet dem Glaubensleben sehr.
Warum betrachten wir das Ganze aber so abstrakt und theoretisch? Viele bibeltreue Christen sagen, man könne die Typologie vergessen, das sei alles Fantasie. Nur in sehr begrenztem Maß könne man das gelten lassen. Dass das Alte Testament in allen Details auf Christus hinweist, sei nicht möglich.
Das wollen wir nun gründlich widerlegen, indem wir zeigen, was das Neue Testament zu diesem Thema lehrt.
Zeichen und Vorzeichen als typologische Mittel
Ein weiterer Begriff, der uns hilft, ist Sämäjon, das heißt auf Griechisch Zeichen oder Vorzeichen. Der Herr Jesus sagte in Matthäus 12,39-40: „Ich gebe euch das Zeichen des Jonas, denn gleichwie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.“
Die Geschichte von Jonas war also eine Vorausdarstellung auf Jesus Christus. Dieses wird als das Zeichen bezeichnet, und Sämäjon bedeutet Zeichen oder Vorzeichen. Es ist ein Hinweis auf die Auferstehung Christi.
In der Offenbarung des Johannes wird das Mitteilen durch Symbolsprache mit dem verwandten Tätigkeitswort Semaino bezeichnet. In Offenbarung 1,1 heißt es: „Ich lese die Offenbarung Jesu Christi, welche Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Und durch seinen Engel sendend hatte er es seinem Knecht Johannes gezeigt.“ Das Wort „gezeigt“ ist hier Semaino und bedeutet, dass etwas durch Zeichen kundgetan oder bezeichnet wird.
Die gesamte Symbolsprache der Offenbarung ist also eine typologische Sprache, weil sie mit Bildern auf zukünftige Ereignisse hinweist. Der Ausdruck Semeion, Zeichen oder Vorzeichen, entspricht bei den Rabbinern in ihren Schriften dem hebräischen Wort Seiman. Dieses haben sie aus dem Griechischen übernommen; es ist ein Fremdwort im Hebräischen, Seiman oder Seimana, im Sinne von Vorzeichen für ein kommendes Ereignis.
Auch die Rabbiner verstanden demnach, dass es solche Zeichen gibt. Im Alten Testament findet man die Begriffe Ot für Zeichen und Mofed für Wunder. Wenn über Zeichen und Wunder im Land Ägypten gesprochen wird, etwa die zehn Plagen, werden diese als Ot und Mofed bezeichnet. Das bedeutet, dass diese Ereignisse eigentlich eine prophetische, in die Zukunft weisende Bedeutung haben.
Das sehen wir dann sofort in der Offenbarung, wo genau diese Bilder wieder aufgenommen werden: Heuschreckenplage, Hagel oder Wasser, das zu Blut wird, und so weiter. Es wird ganz klar gezeigt, dass dies Vorausweisungen auf zukünftige Ereignisse sind.
Bevor wir nun in die Pause gehen: Wenn im Neuen Testament die Wunder des Herrn Jesus und der Apostel als Zeichen und Wunder genannt werden, muss man bedenken, dass diese Ereignisse eine prophetische Aussage enthalten. Darauf werden wir später noch zurückkommen.
Jetzt machen wir eine Viertelstunde Pause.
