Ich begrüße Sie alle ganz herzlich, meine Damen und Herren, zu diesem Abendvortrag.
Ich möchte mich entschuldigen: Meine Stimme ist nicht ganz hundertprozentig, wie Sie hören. Das liegt also nicht an meinem Schweizer Akzent, der diese Veränderung bewirkt, und deshalb steht auch diese Tasse Tee vor mir. Ich hoffe, Sie haben Verständnis und vielleicht auch ein wenig Mitleid.
Unser Thema heute Abend passt gut zum 22. Dezember 2007: Die Geburt Jesu – Tatsache oder Fiktion? Wir wollen ganz neu über die Geburt und das Leben Jesu nachdenken.
Dazu reisen wir gedanklich zweitausend Jahre zurück in die Vergangenheit, ins Land Israel. Dieses Land liegt am Knotenpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika. Hier wurde Jesus Christus vor zweitausend Jahren in Bethlehem geboren.
Historische Zugänge zur Zeit Jesu
Es stellt sich die Frage: Wie können wir etwas wissen über die Zeit vor zweitausend Jahren? Lessing, der Autor von Nathan der Weise, hat gesagt, dass uns ein garstiger Graben von den Ereignissen der Bibel trennt. Er meinte, wir können gar nicht wissen, ob die in der Bibel berichteten Dinge wirklich stattgefunden haben. Die Zeit ist so weit von uns entfernt, und es erscheint nicht sehr wahrscheinlich, dass diese Ereignisse tatsächlich so geschehen sind.
Heute, im Jahr 2007, also etwas später als Lessing, leben wir. Was können wir wissen? Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Zugänge.
Erstens wissen wir heute sehr viel durch archäologische Ausgrabungen, und zwar besonders seit 1948, seit der Staatsgründung Israels. Seitdem hat die Archäologie im Land der Bibel einen unglaublichen Aufschwung genommen. Im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die großen Archäologen des Nahen Ostens hauptsächlich Engländer und Franzosen. Doch seit der Gründung Israels haben die israelischen Archäologen sie überholt. Es gibt heute sehr viele Ausgrabungen. Israel ist aus verschiedenen Gründen ein sehr interessantes Land, besonders auch für die Archäologie. Jedes Jahr, wenn ich dorthin komme, gibt es wieder neue, fantastische Ausgrabungen.
Zweitens gibt es schriftliche Quellen aus der Antike. Dazu gehört natürlich das Neue Testament, also die Schriften des Neuen Testaments. Dann der Talmud, das wichtigste theologische Werk im Judentum, das vom zweiten bis zum fünften Jahrhundert nach Christus geschrieben wurde. Der Talmud enthält viele Informationen über die Zeit Jesu und reicht auch zurück in die vorchristliche Zeit.
Weiterhin gibt es die Schriften von Josephus Flavius. Er war ein jüdischer Priester in Jerusalem, der später mit den Römern zusammenarbeitete. Josephus hat verschiedene Geschichtswerke über Israel geschrieben, die das erste Jahrhundert nach Christus und die frühe Vergangenheit abdecken. Es gibt auch römische Quellen, wie zum Beispiel Tacitus.
Seit 1947 kennt man außerdem die Qumran-Handschriften vom Toten Meer. Sie liefern viele Informationen über die Zeit Jesu. Hinzu kommen hebräische und griechische Inschriften aus dem Land der Bibel.
Zusammengefasst gibt es also archäologische Ausgrabungen und schriftliche Quellen, die uns heute viel Wissen über die Zeit vor zweitausend Jahren ermöglichen.
Die Überlieferung und Authentizität der neutestamentlichen Schriften
Ich habe die Schriften des Neuen Testaments erwähnt. Sie wurden zwischen 30 und 98 nach Christus geschrieben, also in der Zeit der Augenzeugen. Das ist ganz wichtig.
Heute haben wir etwa fünf griechische Manuskripte vom Neuen Testament. Diese können kleine Fragmente sein oder sehr umfangreiche Handschriften. Hier sehen Sie den Codex Sinaitikus aus der Zeit um 350 nach Christus, ein weitgehend vollständiges Neues Testament.
Wir verfügen über Handschriften aus allen Jahrhunderten der handschriftlichen Überlieferung bis zur Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. Das bedeutet, wir haben Manuskripte aus dem ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten Jahrhundert und so weiter bis ins 15. Jahrhundert. Danach folgen die Buchdrucke.
Ein Beispiel ist der P 46, ein Papyrus, der in den 1930er Jahren veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Sammlung von Paulusbriefen inklusive des Hebräerbriefs. Diese Sammlung wurde in Ägypten gefunden, vor einigen Jahren durch einen Koreaner namens Kim, der hier in Deutschland gewirkt hat. Der Papyrus wird zwingend auf die Zeit von 75 bis 100 nach Christus datiert.
Das ist aus verschiedenen Gründen sensationell. Damit kommen wir den Originalen sehr nahe. Paulus hat eine ganze Serie von Briefen geschrieben. Mit dem Hebräerbrief zusammen sind das 14 Bücher der 27 Bücher des Neuen Testaments.
Das letzte Buch, der zweite Timotheusbrief, stammt aus dem Jahr 67 und wurde in der Todeszelle in Rom geschrieben. Nun haben wir eine Abschrift aus Ägypten, die auf die Zeit zwischen 75 und 100 nach Christus datiert wird.
Diese Briefe stammen aus Italien, wie zum Beispiel der Römerbrief, der von Paulus nach Italien gesandt wurde, aus Griechenland, wie die Korinther- und Thessalonicherbriefe, und aus der heutigen Türkei, wie der Epheser- und Kolosserbrief. All diese Briefe wurden zusammengefasst als die Bibel der Bauern in Ägypten im ersten Jahrhundert. Das ist sagenhaft.
Diese Handschrift ist größtenteils erhalten.
Es gab immer wieder Stimmen, die behaupteten, im vierten Jahrhundert, als Kaiser Konstantin an der Macht war, sei die Bibel vollkommen revidiert, überarbeitet und verfälscht worden. Das können Sie heute vergessen.
Wir haben Handschriften aus der Zeit Konstantins, aus dem Jahrhundert davor, aus dem dritten, zweiten und ersten Jahrhundert. Wo sollte diese Revision stattgefunden haben? Nirgends. Sie hat nachweislich nicht stattgefunden.
Zum Beispiel gibt es auch ein Fragment aus dem Matthäusevangelium, das heute auf das erste Jahrhundert nach Christus datiert wird. Carsten Peter Tiede, mein Vorgänger für neutestamentliche Archäologie an der STH, hat das veröffentlicht. Das sorgte vor einigen Jahren für eine große Sensation in der Weltpresse.
Die Schriften des Neuen Testaments wurden also in der Zeit der Augenzeugen geschrieben. Das ist eine gefährliche Sache, denn veröffentlichte Schriften bieten eine Angriffsfläche für Gegner.
Wenn irgendetwas im Neuen Testament historisch falsch gewesen wäre, hätte man das Christentum an diesem Punkt angreifen können. Das Judentum, beziehungsweise der Teil des Judentums, der den Messias Jesus ablehnte, hat sowohl Juden, die an Jesus Christus glaubten, als auch Nichtjuden, die an Jesus Christus glaubten, abgelehnt.
Es gab jedoch keine Argumente gegen die Christen, dass sie die Dinge gefälscht hätten. Zum Beispiel, dass Jesus nicht in Bethlehem geboren sei, sondern in Nazareth, oder dass Jesus Christus gar nicht gekreuzigt worden ist und das mit den Soldaten, was da geschrieben wird, nie geschehen sei.
Über diese Fakten wurde nicht diskutiert. Auch die Wunder Jesu werden im Talmud anerkannt, allerdings wird gesagt, das sei Magie. Das wird im Neuen Testament ebenfalls erwähnt: Die Feinde sagten, das sei das Werk von Beelzebub, also Magie.
Wäre an diesen Fakten etwas falsch gewesen, hätte man das Christentum an diesem Punkt angreifen können. Doch der Kampf gegen das aufkommende Christentum im ersten und zweiten Jahrhundert war vor allem eine physische Verfolgung der Christen, auch von Seiten der Römer.
Das ist ein sehr starkes Argument und darf nicht unterschätzt werden.
Die prophetische Vorgeschichte und politische Rahmenbedingungen zur Zeit Jesu
Aber jetzt gehen wir weiter zurück in die Vergangenheit und schauen uns die Vorgeschichte von Weihnachten an, im Jahr 420 v. Chr. Das war die Zeit des letzten Propheten des Alten Testaments. Malachi lebte und wirkte damals.
Die Propheten vor ihm haben immer wieder vom kommenden Erlöser für Israel und für alle Völker der Welt gesprochen – dem Messias. Die letzte Ankündigung des Kommens des Messias findet sich in der Bibel im Buch Malachi.
Im Talmud – ich habe erklärt, was der Talmud ist – steht im Traktat Sanhedrin 10a: Nach dem Tod der Propheten Zacharja, Haggai und Malachi wich der Heilige Geist von Israel. In Israel war man sich also ganz offiziell bewusst, dass es nach Malachi keine Propheten mehr gab, die eine solche Autorität besaßen wie die Propheten, die an der Bibel geschrieben haben. Diese Zeit war vorbei.
Übrigens wurden apokryphe Bücher wie zum Beispiel Makkabäer, Judith, Tobias und andere nach Malachi verfasst. So wie zu allen Zeiten Bücher geschrieben werden. Diese Bücher erheben nicht den Anspruch, zur Bibel zu gehören oder von Gott inspiriert zu sein. Im offiziellen Judentum wurden sie auch nie anerkannt.
Es gab also keine Propheten mehr. Aber schauen Sie: Darum ist es so feierlich, dass dieser letzte Prophet Malachi vom Messias spricht. In Kapitel 3, Vers 1 hört man die Stimme des Messias: „Siehe, ich sende meinen Boten, dass er den Weg bereite vor mir her.“
Dann wechselt der Redner, und plötzlich heißt es: „Und dann wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den ihr sucht, ja, der Bote des Bundes, den ihr begehrt. Siehe, er kommt“, spricht der Herr der Heerscharen.
Der Messias wird also kommen, und er wird zum Tempel in Jerusalem kommen. Ein sehr interessantes Detail: Der jüdische Tempel wurde im Jahr 70 nach Christus von den Römern zerstört und bis heute nie wieder aufgebaut.
Das heißt, ab dem Jahr 70 hätte der Messias nie mehr kommen können – zumindest nicht so, wie es in der Prophetie beschrieben ist, nämlich zum Tempel zu kommen. Diese Prophetie wäre dann nicht mehr erfüllbar gewesen.
Aber im Judentum wusste man: Er kommt. Er wird einen Vorläufer haben, und er wird noch zu Tempelzeiten kommen.
Kulturelle und sprachliche Voraussetzungen für die Verbreitung des Christentums
Wir gehen in der Geschichte ein Stück weiter. Alexander der Große tritt als Zwanzigjähriger im Jahr 336 v. Chr. auf die Bühne der Weltgeschichte. In einer sagenhaften Zeit von nur dreizehn Jahren erobert er von Griechenland aus das gesamte Medo-Persische Reich. Seine Eroberungen reichen bis über den Indus hinaus, bis nach Ägypten und bis nach Afrika.
Dadurch wird die griechische Sprache und Kultur bis nach Asien, bis nach Indien, und auch nach Afrika verbreitet. Griechisch wird so zur Weltsprache, vergleichbar mit Englisch heute. Das ist wichtig, denn auch als später das Römische Reich entstand, blieb Griechisch die Weltsprache, nicht Latein. Im gesamten Mittelmeerraum konnte man sich mit Griechisch verständigen – außer in Spanien, dort war Latein erforderlich.
Griechisch wird also zur Weltsprache. Das ist interessant, unter anderem, weil das Neue Testament in Griechisch verfasst wurde und nicht mehr in Hebräisch oder Aramäisch, wie das Alte Testament.
Gehen wir in der Geschichte weiter. Es gab viele Juden in Ägypten, die dort Handel trieben, und auch in anderen Städten rund ums Mittelmeer lebten. Diese Juden verlernten Hebräisch und sprachen Griechisch. Deshalb brauchte man für die Synagogen unbedingt eine Bibelübersetzung ins Griechische. Diese wurde um 280 v. Chr. in Alexandria, Ägypten, erstellt.
Die Übersetzung wurde in der berühmten antiken Bibliothek von Alexandria aufbewahrt. Man nennt diese griechische Bibelübersetzung die Septuaginta. Die Bibliothek selbst gibt es schon lange nicht mehr. Aus diesem Grund habe ich hier symbolisch die heutige Universitätsbibliothek in Alexandria fotografiert.
Was bedeutet das? Das ist sensationell: Seit diesem Zeitpunkt, seit der ersten Übersetzung des Alten Testaments, bekamen plötzlich auch nichtjüdische Menschen Zugang zur Bibel. Hebräisch war für die meisten eine verborgene Sprache. Nun konnte man die Bibel auf Griechisch lesen. Das ist eine ganz interessante Vorbereitung auf das Kommen von Jesus Christus.
Wir gehen noch ein Stück weiter in der Geschichte. Ein schrecklicher Tag: Jom Kippur, 63 v. Chr. Die römische Armee marschiert in Jerusalem ein und richtet ein grauenhaftes Blutbad an. Der Tempel wird geschändet, und Pompeius übernimmt die Macht über das jüdische Volk. So geraten die Juden unter römische Fremdherrschaft.
Der Mittelmeerraum wird durch das Römische Reich zu einer politischen Einheit, wie Sie hier auf der Karte sehen. Der gesamte Bereich rund ums Mittelmeer, bis nach England hinauf und sogar bis in den Irak, wird eine politische Einheit. Die Pax Romana, der römische Frieden, wird Wirklichkeit.
Das bedeutet, dass man nun innerhalb dieses riesigen Gebietes, dem Römischen Reich, reisen kann, ohne Angst haben zu müssen, von einem Kriegsgebiet ins nächste zu geraten. Das gesamte Gebiet ist befriedet. Ähnlich wie die heutige Europäische Union.
Das ist nicht selbstverständlich, denn es ist kein Problem mehr, dass man in Kriegsszenarien verwickelt wird. Die Römer bauten ein 80.000 Kilometer langes Straßennetz auf – daher stammt auch das Sprichwort „Alle Wege führen nach Rom“. Außerdem entwickelten sie einen ausgebauten Schiffsverkehr im Mare Nostrum, wie sie das Mittelmeer liebevoll nannten – unser Meer.
Sie sehen, das sind ganz interessante Voraussetzungen für eine spätere christliche Mission und die Ausbreitung der Botschaft des Messias Jesus. Eine einheitliche Sprache, die Pax Romana, Straßen- und Schiffsverkehr – so konnte die frohe Botschaft sehr schnell weit verbreitet werden.
Ein weiterer Punkt: In diesen Jahrhunderten, seit Malachi, wurden immer mehr Synagogen im gesamten Mittelmeerraum errichtet. Das lag daran, dass viele Juden Handel trieben und im Ausland lebten, rund ums Mittelmeer. Sie brauchten natürlich für ihre Gottesdienste Synagogen.
Dank der Septuaginta, der griechischen Übersetzung, wurde die Kenntnis des einen Gottes der Bibel im Mittelmeerraum schon in vorchristlicher Zeit durch Juden verbreitet. Das ist eine geschichtliche Tatsache und eine interessante Erkenntnis.
Genau vor zweitausend Jahren war die Situation im Römischen Reich allgemein so, dass viele Menschen genug hatten von den niedrigen, unmoralischen und beschränkten griechisch-römischen Göttern. Wenn Zeus eine Frau vergewaltigt und die schrecklichsten Dinge begeht, und andere Götter ebenfalls, dann soll das ein Göttervater sein? Viele Menschen hatten genug von solchen mythischen Vorstellungen.
Viele sehnten sich nach einem ewigen und allmächtigen Gott, genau so, wie er in der Bibel im Alten Testament beschrieben wird. So waren viele Menschen im Römischen Reich schon vor Christi Geburt eigentlich bereit für diese Botschaft, die ab dem Kommen von Jesus Christus und seinem Auftrag an die Jünger, die Weltmission zu erfüllen, verbreitet wurde.
Politische und religiöse Situation zur Zeitenwende
Wir kommen immer näher an die Zeitenwende. Ab 19 vor Christus geschah etwas Gewaltiges. Der römische Senat setzte einen Nichtjuden, einen Edomiter, als König über die Juden ein. Offiziell erhielt er vom römischen Senat den Titel „König der Juden“. Das war ein ganz neuer Titel, denn im Alten Testament hießen die jüdischen Könige nie „König der Juden“. So wurde er genannt.
Dieser Herodes war eine blutrünstige Bestie. Einmal ließ er zum Beispiel den Obersten Rat, den Hohen Rat, das oberste Gericht der Juden, umbringen. Dieser Rat bestand aus 72 Männern. Deshalb wurde Herodes von den Juden massiv abgelehnt. Er wollte sich jedoch beliebt machen. Deshalb erklärte er, die Juden dürften ihren alten Tempel renovieren, und er würde die Kosten übernehmen.
Herodes war sehr reich. Er erhielt zum Beispiel gewaltige Einkünfte aus den Kupferbergwerken in Zippel, die in seine Taschen flossen. So sagte er den Juden, sie könnten alle Steine bereitstellen. Die Juden hatten Angst, denn wenn er sagte, sie sollten den Tempel neu bauen, befürchteten sie, er würde den Tempel abbrechen und nicht wieder aufbauen. Doch Herodes versicherte ihnen, es gebe keinen neuen Tempel, sondern sie könnten den Tempel nur renovieren.
Die Juden akzeptierten das und begannen ab 19 vor Christus mit dem vollständigen Umbau des Tempels. Die Hauptarbeiten dauerten nur wenige Jahre. Der Opferdienst und der Gottesdienst wurden während der gesamten Bauzeit nie unterbrochen.
So entstand ein architektonisches Wunder der Antike: Der Tempelplatz wurde auf die doppelte Größe gegenüber dem salomonischen Tempel erweitert – auf 144 Quadratmeter. Man könnte alle berühmten Kathedralen Englands dort unterbringen und hätte noch Raum übrig.
Man versteht, warum im Römischen Reich von diesem einen Tempel der Juden gesprochen wurde. Die Juden durften nur einen Tempel haben, gemäß ihrer Bibel als Zeugnis dafür, dass es nur einen Gott gibt. Die Römer hatten unzählige Tempel und Götter, die Juden aber nur diesen einen Tempel als Zeichen ihres Glaubens an den einen Gott.
In dieser Zeit wurde Jesus Christus geboren. Ich lese aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2,1-7:
„Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben.“
Ich muss erklären: Erdkreis, griechisch Eukumenä, ist der Fachausdruck im Griechischen für das römische Reich. Die Indianer wurden also nicht eingeschrieben, ebenso wenig wie die Chinesen, sondern nur das gesamte römische Reich.
Weiter heißt es in Vers 3: „Und alle gingen hin, um sich einschreiben zu lassen, ein jeder in seine eigene Stadt. Es ging aber auch Joseph von Galiläa aus der Stadt Nazaret hinauf nach Judäa, in Davids Stadt, welche Bethlehem heißt, weil er aus dem Hause und Geschlecht Davids war, um sich einschreiben zu lassen mit Maria, seiner verlobten Frau, welche schwanger war.“
Und es geschah, als sie dort waren, wurden ihre Tage erfüllt, dass sie gebären sollte. Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Raum für sie war.
Historische Überprüfung der Weihnachtsgeschichte
Dann gibt es ja Leute, die sagen, das sei eine Art Märchen. Aber wollen wir uns den Text einmal genauer anschauen?
In der Schule haben wir gelernt, dass Märchen typischerweise so beginnen: „Es war einmal.“ Dann weiß man schon, dass es sich um ein Märchen handelt. Aber es kommt gar nicht so sehr auf die Formulierung „Es war einmal“ an. Wichtig ist vielmehr, dass die Geschichte nicht nachweislich in einer bestimmten Zeit geschehen ist. „Irgendwann“ zu sagen, bedeutet eigentlich, dass es nie wirklich geschehen ist. Es kommt also nicht darauf an, ob es tatsächlich passiert ist, sondern es ist einfach eine Geschichte, die in Gedanken stattgefunden hat.
Hier aber haben wir genau das, was wir in Märchen nicht finden. Es heißt: „Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging.“ Kaiser Augustus war eine historische Persönlichkeit. Hier haben wir sogar eine Statue aus seiner Zeit, sodass wir wissen, wie er aussah – mit einem besonderen Haarschnitt, einer Art Pony vorne, keine langen Haare, und einer sehr schönen Toga. Er regierte von 27 vor Christus bis 14 nach Christus. So können wir die Geschichte schön in der Zeit verorten.
Dann kommen ganz konkrete Personen vor, nicht einfach irgendein Joseph, sondern Joseph von Galiläa, aus der Stadt Nazareth. Er ging mit Maria nach Bethlehem, auch wieder eine ganz genaue geografische Angabe. Das kann man auf der Landkarte nachvollziehen.
Ich frage mich immer: Wo stand eigentlich das Hexenhaus bei Hänsel und Gretel? War das im Schwarzwald? Wenn ich so frage, dann frage ich falsch. Das Märchen will ja gar nicht von einem Hexenhaus im Schwarzwald sprechen. Der Ort und die Zeit spielen keine Rolle, weil alles fiktiv ist.
Aber hier sehen wir, dass es sich nicht um eine Märchenbeschreibung handelt, sondern um eine konkrete Geschichtsbeschreibung, die man nachprüfen kann. Man kann fragen: Gab es damals wirklich eine solche Einschreibung, bei der die Leute in ihre Heimatstadt gehen mussten?
Übrigens wurde das Lukasevangelium von Lukas geschrieben. Wie uns Kolosser 4,14 mitteilt, war Lukas Arzt von Beruf. Der Arzt Lukas schreibt am meisten von allen Evangelisten in der Bibel über die Geburt Jesu. Er war also jemand, der sich mit der Geburt von Kindern auskannte und wusste, wie Kinder ins Leben kommen.
Aber er war auch Geschichtsschreiber. Gerade in den ersten Versen seines Evangeliums richtet er sich ausdrücklich an einen hohen Beamten des Römischen Reiches, an den vortrefflichen Theophilus. „Vortrefflich“ ist ein Ausdruck, der nur für sehr hohe Beamte im Römischen Reich verwendet wurde.
Lukas sagt zu Theophilus: „Ich bin den Augenzeugen einzeln nachgegangen und habe diese Dinge zusammengestellt.“ Er hat das Evangelium geschrieben, damit man sieht, wie zuverlässig diese Dinge sind, die wir Christen glauben.
Archäologische Bestätigung der Evangelienberichte
Im 19. Jahrhundert war die liberale Theologie besonders durch die Tübinger Schule geprägt. Diese Schule, zu der unter anderem Hans Bauer gehörte, vertrat die Ansicht, dass das Neue Testament Fiktion sei. Auch die Apostelgeschichte, die Lukas verfasst hat, wurde als reine Erfindung angesehen und nicht als historische Darstellung betrachtet.
William Ramsay, ein Archäologe, reiste in die heutige Türkei, um dort Forschungen zur Zeit der Apostelgeschichte durchzuführen. Er ging mit der Überzeugung dorthin, dass die Apostelgeschichte, welche viele Ereignisse in der Region der heutigen Türkei beschreibt – insbesondere die Reisen des Apostels Paulus und die ersten Missionsreisen –, Fiktion und geschichtlich nicht korrekt sei. Doch nach jahrelangen Ausgrabungen und zahlreichen Funden änderte Ramsay seine Ansicht grundlegend.
In seinem Spätwerk zieht er den reifen Schluss: „Die Geschichtsdarstellung des Lukas ist, was ihre Vertrauenswürdigkeit anbetrifft, unübertroffen.“ Er bezeichnet Lukas als einen Historiker ersten Ranges. Selbst in Details, die man zunächst als nebensächlich ansehen könnte, zeigte Ramsay, dass Lukas genau richtig schrieb. Er verwendet die korrekten Beamtennamen an den richtigen Orten, die genau dort vorkommen, aber an anderen Orten nicht. Dadurch ergibt sich eine stimmige Darstellung.
Die Wissenschaft hat seit Ramsay große Fortschritte gemacht. Heute können wir sagen, dass die Genauigkeit von Lukas’ Berichten bis ins kleinste Detail überprüft und als richtig befunden wurde. Ein wissenschaftliches Standardwerk zu diesem Thema ist Colin Hamer: „The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History“, erschienen 1989 in Tübingen. Darin wird eindrucksvoll belegt, dass diese Berichte keine Erfindungen sind. Wer also behauptet, sie seien Fiktion, sollte sich fragen lassen, ob er Hamer berücksichtigt hat.
Lukas verfasste viele Berichte, die parallel zu denen von Matthäus, Markus und Johannes verlaufen. Durch diese breite Übereinstimmung bestätigt Lukas auch die historischen Aussagen von Matthäus, Markus und Johannes. Dabei waren Matthäus und Johannes Augenzeugen, während Lukas und Markus vor allem Augenzeugen befragten und deren Berichte in der Zeit der Augenzeugen zusammenfassten.
Zum Beispiel erklärte Augustinus um das Jahr 400, dass die Evangelien in folgender Reihenfolge verfasst wurden: zuerst Matthäus, dann Markus, anschließend Lukas und schließlich Johannes. Kritiker mögen behaupten, Markus sei das älteste Evangelium. Doch die frühen Kirchenväter verfügten über wesentlich mehr Informationen als wir heute.
Ein Beispiel aus der Weihnachtsgeschichte: Vom Kaiser Augustus ging die Verordnung aus, die gesamte Oikumene einzuschreiben. Dabei stellt sich die Frage, was genau diese Einschreibung war. Unter Augustus gab es drei Steuereintreibungen: 9/8 v. Chr., 7/6 v. Chr. und 13/14 n. Chr. Wann genau wurde Christus geboren?
Es gibt eine weitere Möglichkeit: Am 5. Februar 2 v. Chr. wurde Kaiser Augustus anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums als Kaiser vom Senat zum Pater Patriae, also zum „Vater des Vaterlandes“, ernannt. Dabei wurde von allen Bewohnern des Römischen Reiches verlangt, einen Treueeid auf Augustus abzulegen. Dies hatte nichts mit göttlicher Verehrung zu tun, sondern war eine Loyalitätserklärung gegenüber dem Staat.
Wie lässt sich das nachweisen? Die Menschen mussten in Listen erfasst werden, nachdem sie den Treueeid abgelegt hatten. Interessant ist, dass Lukas in Lukas 2,2 für die Einschreibung das Wort Apographä verwendet und nicht Apothimesis. Apothimesis ist der typische Ausdruck für eine Steuereinschreibung, während Apographä einfach eine Eintragung in Listen bedeutet, nicht zwingend eine Steuerliste. Somit ist die Möglichkeit einer Einschreibung um 2 v. Chr. durchaus plausibel.
Viele antike Schreiber stimmen darin überein, dass Jesus Christus zwei Jahre vor Christus geboren wurde. Sie verwenden natürlich nicht die moderne Zeitrechnung „vor Christus“, sondern datieren ab der Gründung der Stadt Rom. So schrieb Cicero beispielsweise in seinen Briefen „ab urbe condita“ gefolgt von der Jahreszahl. Im Lateinunterricht lernt man, dass Rom im Jahr 753 v. Chr. gegründet wurde. Dementsprechend datieren diese Schreiber Jesu Geburt auf das Jahr 2 v. Chr.
Zu diesen antiken Autoren gehören Clemens von Alexandria (150–215 n. Chr.), Julius Africanus (160–214 n. Chr.), Tertullian (160–220 n. Chr.), Hippolytus (170–236 n. Chr.), Origenes (185–254 n. Chr.), Eusebius (236–330 n. Chr.), Hieronymus (345–420 n. Chr.) und Chrysostomus (374–407 n. Chr.). Dieses starke Zeugnis kann nicht einfach ignoriert werden.
Die Problematik des Jahres Null und astronomische Datierung
Und nun kommt etwas ganz Interessantes. In der Geschichtsschreibung gibt es kein Jahr Null. Das wissen die meisten Leute nicht. Ich gebe zu, es ist wirklich merkwürdig. Sie sehen, es gibt drei Jahre vor Christus, zwei Jahre vor Christus, ein Jahr vor Christus, und ein Jahr später ist schon das Jahr eins nach Christus, dann zwei nach Christus. Ein Nullpunkt fehlt einfach. Das ist eine seltsame Tatsache.
Wenn man jedoch Astronomie betreibt, kann man mit diesem historischen Unsinn nichts anfangen. Man braucht einen Nullpunkt, um ein Koordinatensystem erstellen zu können. Deshalb hat man in der Astronomie ein Jahr Null eingefügt, und zwar zwischen eins vor Christus und eins nach Christus.
In der Astronomie entsprechen die geschichtlichen Jahre drei vor Christus und zwei vor Christus also anderen Zählungen. Sie können das selbst ausprobieren, zum Beispiel mit einem Astronomie-Programm. Wenn Sie den Sternenhimmel zwei Jahre vor Christus über Bethlehem anschauen wollen, etwa mit Redshift, ändert das Programm automatisch die Eingabe auf eins vor Christus. Sie denken vielleicht, das Programm sei verrückt, weil Sie doch zwei eingegeben haben, aber astronomisch ist zwei vor Christus tatsächlich eins vor Christus.
Historisch gesehen ist zwei vor Christus astronomisch eins vor Christus, historisch eins vor Christus ist astronomisch Jahr Null. Danach folgt wieder eins nach Christus, zwei nach Christus und so weiter. Das heißt, das Jahr 2007 ist astronomisch auch 2007. Haben wir das verstanden? Das ist wichtig für das, was jetzt folgt.
Wenn also Schreiber sagen, Jesus sei zwei Jahre vor Christus geboren, ist das astronomisch gesehen eins vor Christus, also vor dem Nullpunkt. Das bedeutet, unser Kalender, so wie wir ihn haben, ist gar nicht so falsch.
Ich war oft, auch in Luzern in der Schweiz, in dem wunderbaren Planetarium, und dort wird in der Weihnachtszeit immer noch der Stern von Bethlehem gezeigt. Es wird gesagt, es sei eine Konjunktion zwischen Jupiter und Saturn im Jahr sieben vor Christus gewesen. Das war schon die Idee von Kepler. Das können Sie aber getrost vergessen. Jupiter und Saturn kamen damals dreimal im Jahr sieben vor Christus sehr nahe zusammen, aber nur so nahe, dass man die beiden Planeten mit bloßem Auge noch unterscheiden konnte. Es war nie so, dass man einen großen Stern gesehen hätte. Das kann man also vergessen.
Wenn also Jesus Christus vor dem Nullpunkt geboren wurde, glaubt niemand, dass es am 31. Januar, in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar gewesen ist. Das ist der Nullpunkt, also auf jeden Fall davor.
Wir wissen natürlich auch, dass das Datum 24. Dezember überhaupt nicht historisch belegt ist. Es wurde wirklich erst im vierten Jahrhundert nach Christus eingeführt. Aber niemand besteht ernsthaft darauf.
Wir können aber doch versuchen, ungefähr herauszufinden, wann vor dem Nullpunkt Christus geboren wurde.
Die zeitliche Einordnung der Geburt Jesu anhand biblischer Berichte
Ja, ich lese Lukas 1. Normalerweise liest man diesen Text nicht an Weihnachten, aber wenn man in der Familie mal etwas länger vorlesen möchte, dann kann man ruhig bei Lukas 1 beginnen.
In Vers 5 heißt es: Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, gab es einen gewissen Priester namens Zacharias aus der Abteilung Abias. Seine Frau war aus den Töchtern Aarons, und ihr Name war Elisabeth. Das sind die Eltern von Johannes dem Täufer, der ja Jesus Christus als Prophet in Israel eingeführt hat.
Es geschah in Vers 8, als Zacharias im Dienst seiner Abteilung den priesterlichen Dienst vor Gott erfüllte, dass ihm nach der Gewohnheit des Priestertums das Los zugeteilt wurde, in den Tempel des Herrn zu gehen, um zu räuchern. Zacharias tat also seinen üblichen wöchentlichen Dienst von Sabbat zu Sabbat.
In Israel gab es 24 Priesterklassen. Jede Klasse musste im Jahr eine Woche dienen, dann konnten sie wieder nach Hause gehen. In der zweiten Jahreshälfte folgte nochmals eine Woche Dienst. Damit sind schon 48 Wochen abgedeckt. Das Jahr ist jedoch etwas länger, und die restliche Zeit wurde bei den großen Festen ausgefüllt. Bei diesen Festen mussten alle Männer, und freiwillig auch die Frauen, die wegen der Kinder oft zuhause blieben, nach Jerusalem zum Tempel kommen. Dort waren alle 24 Priesterklassen im Einsatz, weil viel Arbeit und umfangreiche Logistik zu bewältigen waren.
So wurden auch an Pfingsten, beim Passah und bei den Laubhüttenfesten alle Priester eingesetzt, sodass sich das Jahr gut ausfüllen ließ.
Wann begannen diese Abteilungen? Zacharias gehörte zur Abteilung Abias, die nach 1. Chronik die achte Abteilung war. Das priesterliche Jahr begann im Frühjahr, etwa im März oder April, zur Zeit der Tagundnachtgleiche. So hatte man bereits acht Wochen Dienst hinter sich, hinzu kam die Passahwoche, die ebenfalls im März oder April lag. Insgesamt sind das etwa neun Wochen, sodass man den Dienst von Zacharias in den Monat Mai ansetzen kann.
Als Zacharias im Tempel war, war der räuchernde Priester ganz allein. Plötzlich erschien jemand neben dem Altar: der Engel Gabriel, Sheomedlifneha Elohim, das heißt: „Ich bin Gabriel, der vor Gott steht.“ Er sagte: „Eure Gebete sind erhört worden.“ Elisabeth, obwohl sie eine sehr alte Frau war, wird ein Kind bekommen. Dieses Kind wird den Messias in Israel einführen.
Zacharias wusste nun, dass er nach dieser Woche nach Hause gehen würde und Elisabeth schwanger werden würde. Tatsächlich wurde sie schwanger, nachdem er heimgekehrt war. Nun kann man die neun Monate zählen.
Ich sage Ihnen schon jetzt: Astronomisch befinden wir uns hier etwa zwei Jahre vor Christus, im Mai. Ich habe bereits zurückgerechnet, Sie werden später sehen, wie das aufgeht.
Zacharias geht also nach Hause, Elisabeth wird schwanger, und neun Monate später wird Johannes geboren. Das wäre etwa im Februar, astronomisch ein Jahr vor Christus.
Lukas 1, Vers 24 erzählt noch mehr: „Nach diesen Tagen wurde Elisabeth schwanger und verbarg sich fünf Monate.“ Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt von Galiläa mit Namen Nazaret. Er kam zu einer Jungfrau, die einem Mann namens Joseph aus dem Haus Davids versprochen war. Der Name der Jungfrau war Maria.
Der Engel sprach zu ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst im Leib empfangen und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“
Also wurde Maria schwanger, als Elisabeth im sechsten Monat war. Wieder kann man etwa neun Monate rechnen. Nicht auf den Tag genau, aber ungefähr. Neun Monate später wurde Christus geboren.
So kommen wir etwa auf August vor dem Nullpunkt. Der Mönch, der den Kalender aufgestellt hat, nach dem wir heute 2007 und bald 2008 schreiben, lag also gar nicht so daneben. Er hat gute Arbeit geleistet, das kann man anerkennen. Es gab schon früher gescheite Leute.
Die Geburt Jesu liegt demnach circa im August, ein Jahr vor Christus, also kurz vor dem Nullpunkt.
Prophetische Hinweise auf den Geburtsort Jesu
Micha, der Prophet Micha, hat im achten Jahrhundert vor Christus angekündigt, dass der Messias in Bethlehem, in diesem kleinen Dorf, geboren werden wird. Micha 5,2: „Und du Bethlehem, Ephratha, zu klein unter den Tausenden von Juda, aus dir wird mir hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll. Und seine Ausgänge sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her.“
Im Judentum wurde diese Stelle ganz eindeutig auf den Messias gedeutet. Im aramäischen Targum zu Micha – einem wichtigen Werk der rabbinischen Literatur des Judentums – steht nicht nur: „Und du Bethlehem, Ephratha, aus dir wird hervorkommen“, sondern es wird sogar noch als Erklärung auf Aramäisch hinzugefügt: „aus dir wird der Messias hervorkommen.“ Man wusste also, dass der Messias in Bethlehem geboren werden soll.
Nun zur Weihnachtsgeschichte nach Matthäus. Matthäus 2,1: „Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen Herodes des Königs, siehe, da kamen Magier vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?“
Matthäus bezeugt also, dass Christus in Bethlehem geboren wurde. Das war gefährlich, weil er zur Zeit der Augenzeugen schrieb. Wir haben sogar ein Matthäusfragment aus dem ersten Jahrhundert. Diese Tatsache wird nicht in Frage gestellt. Es gab zwar harte Diskussionen, und es existiert schriftliches Material von Christen, die mit Juden über Jesus Christus aus der Frühzeit diskutierten. Doch niemand brachte das Argument vor, Bethlehem sei nicht der Geburtsort. Das war nicht der Streitpunkt.
Schauen wir uns an: Christus wurde also in Bethlehem zur Zeitenwende geboren, und plötzlich kamen Magier. Diese Magier waren Sternbeobachter aus Persien, aus der persischen Kultur. Das Wort „Magier“ (griechisch Magoi) ist ein persisches, ein iranisches Wort.
Man könnte fast scherzhaft sagen: Schreiben Sie doch mal eine E-Mail an Ahmadinedschad, er soll doch auch mal nach Jerusalem kommen und den König der Juden suchen.
Sie wissen, dass in der Folge ganz Jerusalem, und besonders Herodes, in Aufregung geriet. Das zeigt, welches politische Sprengmaterial hinter dieser Geschichte steckt. Der Ausdruck „König der Juden“ war nämlich der Titel, den der römische Senat Herodes verliehen hatte.
Jetzt kommen diese Iraner und fragen ganz blauäugig: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?“ – nicht als jemand, der ernannt wurde wie Herodes, sondern der tatsächlich dazu geboren wurde, König der Juden zu sein.
Aus den geschichtlichen Quellen des ersten Jahrhunderts wissen wir, dass Herodes ständig Angst hatte, man könnte ihm seine Macht nehmen. Deshalb schreckte er nicht einmal davor zurück, Leute aus seiner eigenen Familie umzubringen – seine eigenen Söhne und sogar seine Lieblingsfrau. Er hatte insgesamt zehn Frauen. Seine Lieblingsfrau Mariamne tötete er eines Tages sogar, weil er fürchtete, sie könnte gefährlich werden. Der Mann war wirklich verrückt.
Da versteht man, warum es in Jerusalem so durcheinander war: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?“
Wenn man die Bibel vor diesem historischen Hintergrund liest, wird die Geschichte plötzlich spannend und brenzlig.
Der authentische Geburtsort und die Folgen der römischen Herrschaft
Nun wissen wir heute sogar, wo der authentische Ort in Bethlehem war, und zwar aus folgendem Grund: Die Römer führten zwei Kriege gegen die Juden, bis sie den Judenstaat vollständig am Boden zerstört hatten. Diese Kriege fanden um das Jahr siebzig und um das Jahr hundertfünfunddreißig nach Christus statt. Dabei kamen Millionen von Juden ums Leben.
Schließlich hatte Kaiser Hadrian im Jahr hundertfünfunddreißig nach Christus eine solche Wut auf alle Juden – egal, ob sie an den Messias Jesus glaubten oder nicht (viele Juden glaubten an den Messias Jesus) –, dass er sie alle brüskieren wollte. So ließ Kaiser Hadrian in Jerusalem, an der Stelle, die als Allerhöchstes galt, einen Jupiter-Tempel auf dem Tempelplatz errichten. Dort befindet sich heute die goldene Kuppel der Oma-Moschee.
In Bethesda, Jerusalem, wo man Heilung erfahren konnte (siehe Johannes 5), baute er einen Eskulaptempel, den Gott der Medizin bei den Griechen und Römern. Auf Golgatha, dem Ort, an dem Jesus Christus gekreuzigt wurde, errichtete er offenbar einen Venus-Tempel, um die messianisch gläubigen Juden zu brüskieren.
In einer Hirtenhöhle – ich meine, in Bethlehem gibt es viele Höhlen, die oft von Hirten genutzt wurden, indem man ein Haus davor baute, sodass eine Kombination aus Grotte und Haus entstand – ließ er einen Adonistempel errichten. Die messiasgläubigen Juden in der Frühzeit des Christentums wussten genau, dass Christus dort geboren worden war. Doch von da an konnten die Christen diesen Ort nicht mehr betreten, zumindest nicht in ihrem Sinn.
Später kam die konstantinische Wende: Kaiser Konstantin ließ im Jahr 330 nach Christus diesen Adonistempel abreißen und baute dort die Geburtskirche. Im sechsten Jahrhundert wurde die Kirche durch Kaiser Justinian I. neu erbaut. Diese Kirche ist bis heute erhalten, wie Sie auf dem Bild sehen können.
Darum hat sich der genaue Ort in der Geschichte aus der Frühzeit des Christentums erhalten.
Zeitliche Einordnung von Herodes und die politische Lage zur Geburt Jesu
Eigentlich hätte es im Saal ein bisschen knistern sollen, als ich sagte: christliche Wurzel, einst vor Christus und so – astronomisch betrachtet. Viele von Ihnen wissen nämlich aus Lexika, wenn man nachliest: Herodes der Große war der Kindermörder von Bethlehem, der König zur Zeit der Geburt Jesu. Er herrschte von 37 bis 4 vor Christus.
Dann passt ja das alles nicht, denn nach der Bibel war Herodes noch am Leben, und erst danach starb er. Aber auf welcher Begründung beruht dieses "4 vor Christus"? Ganz einfach: Josephus Flavius – Sie wissen jetzt, wer das ist – schreibt über das Leben von Herodes und sagt, vor seinem Tod habe sich eine Mondfinsternis ereignet.
Nun, es gab eine partielle Finsternis am 12./13. März, 4 vor Christus, astronomisch natürlich 3 vor Christus. Aber es gab auch eine totale Finsternis am 9. oder 10. Januar 1 vor Christus. Und jetzt hat man eigentlich zwei Möglichkeiten für die Jahreszahlen, in denen man den Tod von Herodes ansiedeln kann.
Effektiv passen die Angaben über die Ereignisse vor dem Tod von Herodes nach Josephus Flavius viel besser in 1 v. Chr. Also kann man die Geburt Jesu in Bethlehem tatsächlich ohne Probleme zu Lebzeiten von Herodes dem Großen ansetzen.
Herodes hörte also von diesem neuen König und ließ deshalb die Kinder in Bethlehem und Umgebung umbringen. Das war für ihn nichts Besonderes. Wir wissen ja, dass er viele Menschen umgebracht hat. Kaiser Augustus soll einmal gesagt haben: Es ist besser, das Schwein von Herodes zu sein als sein Sohn.
Seine Söhne konnten abgeschlachtet werden, aber Schweine durften in Israel nicht geschlachtet werden. Im Griechischen klingt das fast gleich: Das Schwein heißt "üs" und der Sohn "ios". Das ist ein Wortspiel.
Die Bibel berichtet, dass nach der Geburt Jesu und der Drohung des Kindermordes die Familie flüchten musste. In Matthäus 2,14 heißt es: "Er, Joseph, aber stand auf, nahm das Kindlein und seine Mutter des Nachts zu sich und zog hin nach Ägypten."
Dann starb Herodes. Als die Familie das hörte, kehrte sie aus Ägypten ins Land Israel zurück. Dabei erfüllte sich die Prophetie aus Hosea 11,1 im Alten Testament, wo Gott vom Messias sagt: "Und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen."
Sie sind in Bethlehem geboren, nicht in Ägypten, aber aus Ägypten gerufen.
Herodes' Paläste und persönliche Lebensumstände
Herodes besaß viele Paläste, ähnlich wie Saddam Hussein, um sich immer wieder an verschiedenen Orten in Sicherheit zu bringen. Zum Beispiel gab es den Palast in Masada, am südlichen Ende des Toten Meeres, auf einem Felsen, der gewissermaßen militärisch uneinnehmbar war. Dort richtete er einen Sicherheitspalast ein.
An dieser Stelle möchte ich eine andere Perspektive aus dem Masada-Film zeigen. Dort sieht man sogar heute noch Wandmalereien aus seinem Palast. Man kann diesen Ort besuchen, und ich habe immer wieder Gruppen dorthin geführt. Außerdem gehe ich regelmäßig ins Badezimmer von Herodes. Er hatte dort einen Doppelboden mit einer Unterbodenheizung – ganz luxuriös, mitten in der jüdischen Wüste.
Ich muss sagen, es trennt uns kein großer Graben von den damaligen Ereignissen. Ich war zwar noch nie im Badezimmer von Sarkozy, aber ich war im Badezimmer von König Herodes. Das zeigt, dass mir manche Dinge aus biblischer Zeit näher sind als manche zeitgeschichtlichen Ereignisse.
Herodes hatte auch einen Palast in der Nähe von Bethlehem: das Herodion. Es ist kein Vulkan, sieht aber so aus. Ursprünglich war es ein Hügel, wie es Tausende in der jüdischen Wüste gibt. Tausende von Sklaven mussten diesen Hügel aufschütten, bis er die Form eines Vulkankegels annahm. Oben darauf baute Herodes einen weiteren Palast.
Josephus Flavius schrieb in seinen Schriften, dass Herodes auf dem Herodion begraben wurde. Bislang fand man jedoch nichts. Erst vor kurzem, wie Sie vielleicht in der internationalen Presse mitbekommen haben, wurde tatsächlich ein Sarkophag auf dem Herodion entdeckt – ganz konkret.
Herodes hatte auch einen Palast in Jerusalem. Dort kamen die Magoi, die Iraner, hin. Und obwohl die Römer in Jerusalem vieles abgerissen haben, steht dieser Palast noch heute.