Einführung in die Heilsgeschichte und ihre Vermittlung
Wer beim letzten Mal nicht dabei war, ist das kein Problem. Wir haben die Kapitel 1 bis 12 durchgenommen. Ich versuche immer, das so zu gestalten, dass es als Block in sich geschlossen ist. Wenn wir also mit dem zweiten Buch Mose weitermachen, ist auch das in sich abgeschlossen.
Natürlich ist es am besten, wenn man die ganze Abfolge hat. Was wir hier eigentlich machen, seit wir mit dem ersten Buch Mose Kapitel 1 begonnen haben, ähnelt dem Vorgehen der New Tribes Mission bei den eingeborenen Stämmen. Sie haben festgestellt, dass es nicht gut ist, wenn man das Evangelium direkt mit dem Neuen Testament zu einem eingeborenen Stamm im Regenwald oder ähnlichem bringt. Zwar bekehren sich die Leute, aber sie vermischen das Evangelium schnell mit ihren Stammesriten. Das führt zu einer Vermischung der Religionen.
Man hat herausgefunden, dass es besser ist, die Bibel von Anfang an zu erzählen, also ab 1. Mose 1. So erleben diese Menschen die Heilsgeschichte genau so, wie sie sich ereignet hat. Ihre Urzeitmythen stimmen oft in überraschenden Details mit den ersten Kapiteln der Bibel überein. Das ist die erste Begegnung. Gleichzeitig erhalten sie Antworten auf offene Fragen, die in ihren Mythen nicht beantwortet werden.
So geht man Schritt für Schritt durch die Geschichte. Sie lernen, wie Gott Gericht über Noah brachte, aber auch die Möglichkeit zur Rettung gab. Dann folgt die Zeit in Ägypten, wo sie sehen, wie Gott als Richter durch das Land zog, aber Menschen durch das Blut des Lammes gerettet wurden. So führt man sie durch die ganze Bibel.
Man kommt zur Gesetzgebung, und sie sind überrascht, dass sie zum Teil ganz anders gelebt haben, als es die zehn Gebote fordern. Sie beginnen dann gesetzlich danach zu leben, bekommen aber bald Probleme. Sie merken: Wir können das gar nicht.
Schritt für Schritt geht man weiter bis zum Neuen Testament. Dort erzählt man, dass jetzt der Retter kommt, der damals schon im Garten Eden angekündigt wurde. Die Menschen erleben das bewusst mit. Schließlich kommt die Kreuzigung, die sie als Katastrophe empfinden. Sie hatten gehofft, der Verheißene kommt, und nun wird er ermordet. Sie sind völlig erschlagen.
An dieser Stelle macht man eine Pause, damit die Leute darüber nachdenken können. Die nächste Lektion ist dann die Auferstehung. Dabei erleben sie, wie sich nach der Lektion am gleichen Abend plötzlich hundert Menschen bekehren – vorher niemand. Sie erleben so ganz bewusst den zusammenhängenden Heilsplan. Das überzeugt.
Diese Methode sollte man unbedingt bei solchen Völkern anwenden. So verstehen sie die Botschaft am klarsten und vollziehen den totalen Bruch mit der Vergangenheit.
Im Prinzip gehen wir genauso vor. Allerdings machen wir es ein wenig anders: Immer wenn wir einen Bezug zur Vollendung und Erlösung im Neuen Testament sehen, stellen wir diesen Bezug gleich her. Da wir hier in einer anderen Situation sind, kennt fast jeder schon, was danach noch kommt. Deshalb müssen wir den Bezug jetzt herstellen.
Aber das Verstehen und Durchgehen der Heilsgeschichte im Zusammenhang ist etwas ganz Wichtiges. Wir sind sozusagen schon in der zweiten Klasse bei den eingeborenen Stämmen. Wenn man einmal durch ist, kann man ihnen erklären: Seht ihr, die Rettung durch Christus ist im Prinzip genau das, was schon geschehen ist.
Bei Abel gab es ein Opfer, dann bei Noah die Rettung durch die Arche, in Ägypten die Rettung durch das Lamm. So sehen sie die Heilsgeschichte als etwas in sich Geschlossenes und Stimmiges.
In diesem Sinn gehen wir durch und kommen jetzt zu dem Block von Ägypten bis zum Sinai. Nun, ...
Verbindung von Erster und Zweiter Mose: Vom Sündenfall zur Erlösung
Zunächst, wie letztes Mal, möchte ich zeigen, wie Genesis (Erste Mose) und Exodus (Zweite Mose) zusammenhängen. Wir haben bereits gesehen, dass Erste Mose mit der Herrlichkeit Gottes in der Weite der Schöpfung beginnt. Der Schöpfungsbericht in 1. Mose 1 zeigt uns die Herrlichkeit Gottes, und Psalm 19 erklärt, dass die Himmel die Herrlichkeit Gottes erzählen.
Doch dieses Buch endet mit dem Verhängnis des Todes in der Enge eines Sarges in Ägypten (1. Mose 50,26). Der letzte Vers zeigt uns eine Mumie im Sarg – es ist Joseph. So endet das erste Buch Mose.
Was ist der Wendepunkt, der zu dieser Katastrophe geführt hat? Das Schlüsselkapitel ist 1. Mose 3, der Sündenfall.
Wenn wir nun zu Zweiter Mose kommen, beginnt dieses Buch mit dem Verhängnis des Todes und der einengenden Sklaverei in Ägypten, der Unterdrückung Israels durch den Pharao. Aber das Buch endet mit der Freiheit Israels. Im Anschauen der Herrlichkeit Gottes in 2. Mose 40,34-35 sehen wir, wie die Schechina, die Wolke der Herrlichkeit Gottes, kommt und die Stiftshütte erfüllt.
Das heißt, der Kreis ist geschlossen: 2. Mose endet dort, wo 1. Mose begonnen hat. Aber wie ist es zu dieser Wende gekommen? Das Schlüsselkapitel ist 2. Mose 12, die Erlösung durch das Blut des Lammes, wie wir letztes Mal gesehen haben.
Wir können das Ganze auch so betrachten: Erste Mose beginnt mit dem Menschen in dem umzäunten Heiligtum in Eden. Eden war ein Garten, und im Neuen Testament wird der Ausdruck Paradies verwendet – dieser Begriff wird für den Garten Eden gebraucht, bereits in der griechischen Übersetzung der Septuaginta. Paradies bedeutet „eingezäunter Garten“.
Das war ein Heiligtum, denn in diesem Bereich hatte die Sünde keinen Platz. Sobald der Sündenfall kam, musste der Mensch hinausgetrieben werden. Darum sage ich: 1. Mose beginnt mit dem Menschen in dem umzäunten Heiligtum in Eden und der durch die Sünde bedingten Vertreibung nach Osten hinaus.
Es gab einen Ausgang im Garten Eden, der nach Osten gerichtet war. Dort wurde der Mensch hinausgetrieben. Gegen Osten standen die Cherubim, die Thronwächterengel, die mit vollem Schwert den Zugang zum Baum des Lebens versperrten.
Nun endet Zweiter Mose mit dem nach Osten hin geöffneten Heiligtum, der Stiftshütte. Diese ist ein eingezäunter Bereich mit einem Ausgang nach Osten. Dort kann der Mensch in 2. Mose von Osten her hineingehen in die Stiftshütte. So endet das zweite Buch Mose – wieder mit den Cherubim.
Die Cherubim findet man in Erster Mose nicht mehr, erst in Zweiter Mose, als die Stiftshütte kommt. Dort werden die Cherubim auf der Bundeslade, auf dem Scheidevorhang und auf der Decke über dem Heiligtum angebracht.
Wir erkennen die Parallele und die Gegensätze: Zweiter Mose endet mit einem erlösten Volk, das wortwörtlich heimkehrt – ins Haus Gottes.
Wir können das auch so betrachten: Erste Mose beginnt mit der Sabbatruhe Gottes, gerade nach der Schöpfung. Doch dann kam der Sündenfall, und diese Ruhe wurde zerstört. In 2. Mose wird das erlöste Volk in die Sabbatruhe eingeführt.
In 2. Mose 20,8 finden wir das Gebot des Sabbats. 2. Mose 31,12-17 spricht ebenfalls über den Sabbat, ebenso 34,21 und 35,1-3. Dort wird gesagt, dass der Sabbat das Zeichen des Bundes zwischen Gott und seinem Volk Israel ist.
Auf diese Sabbatruhe wird viel Wert gelegt. So beginnt Erste Mose mit der Sabbatruhe, doch dann kommt der Sündenfall und alles Elend. Am Schluss von Zweiter Mose kehrt gewissermaßen ein Volk in die Ruhe Gottes ein.
Wenn wir das übertragen wollen, müssen wir uns im Klaren sein: Der Sabbat ist ausdrücklich in 2. Mose 31,17 ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und Israel und niemals zwischen Gott und der Welt oder der Menschheit.
Der Sabbat ist nicht für die christliche Gemeinde bestimmt, was auch klar aus Kolosser 2,16-17 hervorgeht. Dort wird gesagt: Niemand soll euch Christen im Zusammenhang mit Sabbat und anderen Festen verurteilen.
Im übertragenen Sinn hat der Sabbat jedoch eine große Bedeutung. Hebräer 4,9 sagt ausdrücklich: „Also bleibt für das Volk Gottes noch eine Sabbatruhe übrig.“ Die Ruhe Gottes in der himmlischen Herrlichkeit ist ein Ziel der Erlösten heute.
Schon heute sagt Herr Jesus in Matthäus 11,28-30: „Kommt her zu mir alle, ihr Mühseligen und Beladenen, ich will euch Ruhe geben.“ Das ist die göttliche Sabbatruhe.
Interessant ist, dass gerade die nächsten Verse darauf vom Sabbat handeln, in Matthäus 12.
Im übertragenen Sinn ist der Sabbat also ein Hinweis auf die Ruhe, die der Erlöser durch sein Erlösungswerk einbringen sollte.
Der langen Rede kurzer Sinn: Erste Mose beginnt mit der Sabbatruhe, und Zweiter Mose zeigt, wie das Volk in diese Ruhe Gottes schließlich eingeführt wird. So haben wir den Zusammenhang der ersten zwei Bücher, die gewissermaßen ein abgerundetes Ganzes bilden.
Der Auslegungsschlüssel in 1. Korinther 10 und die Bedeutung von Erstgeburt und Führung
Nun, wenn wir weitergehen, wollen wir uns in 2. Mose 13 und den folgenden Kapiteln den Auslegungsschlüssel in 1. Korinther 10 genauer anschauen. Paulus spricht dort über die Wolke, über den Durchzug durchs Meer, über das Manna und das Wasser aus dem Felsen. Dann sagt er in Vers 6: „Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, damit wir nicht nach bösen Dingen gelüsten, gleichwie auch jene gelüsteten.“
In Vers 11 heißt es: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist.“ So eindeutig und deutlich wird hier gesagt, dass die Geschichte Israels in der Wüste als Vorbild und Warnung für uns Christen aufgeschrieben worden ist.
Wir müssen das zweite Buch Mose also wirklich bewusst so lesen: Es ist für uns Christen geschrieben worden. Natürlich war es damals auch für Israel geschrieben. Aber Gott hat es schon damals bewusst so schreiben lassen, im Blick auf die Gemeinde. Das gibt uns den Schlüssel.
In 2. Mose 13 ist Israel eben aus Ägypten ausgezogen auf der Grundlage des Blutes des Passalam. Die Erstgeborenen Ägyptens sind erschlagen worden. Und jetzt, in 2. Mose 13, sagt Gott zu Mose als Neuoffenbarung: Von jetzt an sollen überhaupt die Erstgeborenen, die ja jetzt so speziell verschont worden sind, ganz besonders Gott geweiht werden – und auch die erstgeborenen Tiere.
Was will uns das sagen? In Kapitel 12 wurden die Erstgeborenen durch das Blut des Lammes gerettet. Nun sollen die Erstgeborenen Gott geweiht werden. Daraus lernen wir: Wer Gott erlöst, den nimmt er ganz in Anspruch. Den will Gott ganz für sich haben.
1. Korinther 6,19-20 zeigt uns das in neutestamentlicher Sprache: „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt? Und dass ihr nicht euch selbst gehört, denn ihr seid um einen Preis erkauft worden? Verherrlicht nun Gott in eurem Leib.“
Also: Erlöste Menschen gehören Gott. Daraus folgt: Es ist Gottes Wille, dass praktische Heiligung geschieht. Das ist die Konsequenz aus der Errettung.
Ich muss erklären: Das Wort „heilig“ im Alten Testament – sowohl auf Hebräisch als auch im Neuen Testament auf Griechisch – hat die Grundbedeutung „absondern“, also „für Gott reserviert sein“. Wer errettet ist, ist für Gott reserviert. Das können wir aus 2. Mose 13,1-16 lernen.
Noch etwas zu den Eseln: Die musste man nicht unbedingt weihen und durch einen Preis loskaufen, sondern man konnte ihnen auch das Genick brechen. Es gab also zwei Möglichkeiten: Entweder ein erstgeborener Esel, der erste Esel von einer Eselin, musste man das Genick brechen oder ihn freikaufen – und zwar durch ein Lamm.
In 2. Mose 13,13 heißt es: „Und jedes Erstgeborene des Esels sollst du mit deinem Lamm lösen; und wenn du es nicht lösest, so brich ihm das Genick. Und jedes Erstgeborene des Menschen unter deinen Söhnen sollst du lösen.“
Also bei den Menschen konnte man nicht wählen – das ist klar –, die musste man freikaufen. Aber beim Esel, wenn jemand sagt: „Ich habe genug Esel, das lohnt sich jetzt nicht, dafür ein Lamm herzugeben“, dann muss er ihm das Genick brechen.
Nun, die Esel sind ein sehr gutes Bild für unsere rebellische, störrische Natur. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder muss Gott uns richten und unseren harten Nacken brechen, oder er kauft uns frei durch das Lamm.
Hier haben wir also sehr drastisch die Erlösung dargestellt – im Bild vom Esel und vom Lamm.
Gottes Führung und der Umweg durch das Schilfmeer
Wir gehen einen Schritt weiter: 2. Mose 13,17-22.
Ich lese ein paar Verse:
Und es geschah, als der Pharao das Volk ziehen ließ, da führte Gott sie nicht den Weg durch das Land der Philister, obwohl er nahe war. Denn Gott sprach, damit es das Volk nicht bereue, wenn sie den Streit sehen, und sie nicht nach Ägypten zurückkehren. Und Gott führte das Volk herum, den Weg der Wüste des Schilfmeeres.
Die Kinder Israel zogen gerüstet aus dem Land Ägypten herauf. Um nach Kanaan zu gehen, wäre der direkte Weg gewesen entlang der Mittelmeerküste hinauf, dann südlich vom Gazastreifen nach Kanaan hinein – ein ganz kurzer Weg.
Doch Gott sagt ihnen: Nein, ich führe Israel nicht dort hindurch. Wenn es nämlich später Probleme gibt, wollen alle schnell nach Ägypten zurückkehren. Ich führe sie also nach Süden, durch das Rote Meer. Dort gibt es gewissermaßen eine natürliche Barriere. Wenn sie Probleme bekommen, sagen sie sich: „Oh, ein so weiter Weg, dann müssen wir da um das Schilfmeer oben herum, und so können wir nach Ägypten.“
Was lernen wir daraus? Aus dem Umweg durch das Schilfmeer lernen wir: Gott will die Brücken zum alten Leben abbrechen.
Ich lese dazu Galater 6,14, wo Paulus sagt:
Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch welches mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.
Paulus sagt also, ich bin für die Welt quasi gekreuzigt. Für das sündige Leben in dieser Welt bin ich nicht mehr zu haben. Es ist ein totaler Bruch mit der Vergangenheit. Das wollte Gott durch diesen Umweg durchs Schilfmeer erreichen.
Weiter lese ich Kapitel 13, Vers 21:
Und der Herr zog vor ihnen her, des Tages in einer Wolkensäule, um sie auf dem Weg zu leiten, und des Nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht ziehen könnten. Des Tages wich nicht die Wolkensäule, noch des Nachts die Feuersäule vor dem Volk.
Die Rabbiner haben diese eigentümliche Wolkensäule oder Feuersäule die Schechina genannt. Das ist ein Ausdruck, der nie im Alten Testament vorkommt. Sie ist aber hebräisch und kommt von einem Verb, das oft im Alten Testament vorkommt. „Schachan“ bedeutet „wohnen“.
Ganz besonders, wenn es darum geht, dass Gott in der Mitte seines Volkes wohnt, benutzt Gott dieses Wort „schachan“. Auch die Stiftshütte wird oft „Mischkan“ genannt. Man merkt die gleichen Konsonanten „sch“, „ch“ und „n“. Mischkan ist der Ort, wo Gott wohnt.
Die Rabbiner haben sie so genannt, weil sie gewissermaßen das Wohnen Gottes unter den Menschen sichtbar darstellte. Diese Wolkensäule erscheint plötzlich hier nach dem Auszug aus Ägypten, geht voran und zeigt den Weg durch die Wüste.
Der Sinai ist eine ganz gefährliche Wüste. Wer nicht herauskommt, dessen Leben ist in Gefahr. Es ist eine wunderbare Wüste, beeindruckend, man sieht die Größe Gottes in dieser Wüste, aber sie ist gefährlich.
Ich habe einen Bekannten, einen Palästinenser, der etwa 80 Jahre alt ist. Er heißt Nofel und ist ein Gläubiger. Früher lebte er in einer drusischen Familie in Syrien. Er wollte Geld machen, sein Glück im Leben finden, und dachte, er gehe nach Europa.
Aber als er nach Europa kam, dachte er, ja, ich gehe nach Ägypten, dann den langen Weg über Nordafrika und dort, wo es ganz eng ist, gehe ich dann nach Europa. Damals war Palästina noch nicht Israel. Er ging zu Fuß runter und lernte andere kennen, die mit ihm durch den Sinai nach Ägypten wollten.
Er ging mit ihnen auf die Reise, aber alle sind im Sinai gestorben. Das zeigt, wie gefährlich es dort ist. Nofel kam dann in Ägypten an. Allerdings sagten die Alliierten: Das geht nicht, du kannst nicht weitergehen, es ist Weltkrieg – der Zweite Weltkrieg.
Er sagte sich: Gut, dann mache ich einen Umweg. Er stach dann nach Schwarzafrika hinunter. Niemand weiß, wie weit er gekommen ist. Dort hat er gearbeitet. In der Regenzeit konnte er nicht arbeiten, also ging er auf den Markt und kaufte sich ein Buch.
Er kaufte das größte Buch, das er finden konnte – eine Bibel. So ist er zum Glauben gekommen. Er ist nie nach Europa gegangen, aber er wurde ein großartiger Missionar unter Palästinensern.
Während des Golfkriegs war er im besetzten Westjordanland und predigte. Er fuhr mit dem Taxi immer wieder in den Gazastreifen und verkündete das Evangelium.
Das nur als kleine Anekdote, um zu zeigen, wie gefährlich der Sinai ist und wie wichtig die Führung Gottes für Israel war.
Nun, genau das will Gott auch im Neuen Testament. Römer 8,14 sagt:
Denn so viele durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes.
Führung durch den Heiligen Geist ist schlicht das Normale für einen erlösten Menschen. Das ist eine Folge der Erlösung.
Die Bedrängnis am Schilfmeer und die Bedeutung der Taufe
Nun kommen wir zu 2. Mose 14. Plötzlich überlegt sich der Pharao, dass es eine Dummheit war, dieses Volk einfach so ziehen zu lassen. Wer soll jetzt die Gratisarbeit machen? Deshalb mobilisiert er erneut die Armee, um Israel zurückzuholen.
Das Volk ist mit Mose zum Schilfmeer geführt worden, das im Neuen Testament auch als Rotes Meer bezeichnet wird. Beide Begriffe sind korrekt. Plötzlich sehen sie vor sich das Schilfmeer, hinter sich die ägyptische Armee. Das ganze Volk gerät in größte Not und innere Bedrängnis.
Was lernen wir daraus? Mit der Bekehrung sind die Schwierigkeiten des Lebens nicht vorbei. Das ist ganz wichtig für die Evangeliumsverkündigung. Oft wird den Menschen suggeriert, dass man nach der Bekehrung ein Leben auf einer ganz anderen Ebene führt, praktisch ohne Probleme. Das ist kein biblisches Evangelium. Schon im Heilsplan in 2. Mose sehen wir: Ein Volk, das erlöst wird, hat danach Probleme. Sogar ganz neue Probleme, die es früher gar nicht kannte. Dieses Problem war neu; in Ägypten hatten sie es nicht.
Hier sehen wir, dass Satan, dargestellt durch den Pharao, die Erlösten wieder unter seine Herrschaft bringen möchte. Beim letzten Mal haben wir gesehen, dass der Pharao als Gott verehrt wurde, nämlich als Sohn des Sonnengottes. Außerdem haben wir gesehen, dass hinter den Göttern Ägyptens reale, finstere Mächte standen. Der Bezug Pharao zu Satan ist also nicht willkürlich, sondern sehr direkt. Der Pharao ließ sich gewissermaßen von diesem Engelfürsten führen, der hinter ihm stand.
Das Volk soll zurück. Doch dann kommt der Durchzug durchs Rote Meer. Israel sieht keinen Ausweg, aber Gott gibt einen Ausweg. Das können wir in der Evangeliumsverkündigung sagen: Es gibt zwar weitere Probleme im Leben, sogar ganz neue Arten von Problemen. Aber wir dürfen in der Not zu Gott rufen und seine Hilfe erfahren, genauso wie Israel. Sie gingen trockenen Fußes durchs Rote Meer, durchs Schilfmeer hindurch.
Als die Ägypter ebenfalls hindurch wollten, kam die Flut des Roten Meeres zurück, und sie ertranken. In 1. Korinther 10 bezeichnet Paulus den Durchzug durchs Rote Meer als Taufe auf Moses. „Taufe auf jemanden“ bedeutet, dass man sich auf die Seite von jemandem stellt und dadurch die Verbindung zum früheren Leben abbricht.
Neutestamentlich haben wir zum Beispiel in Römer 6 die Taufe auf Christus. Die Taufe ist ein Bekenntnis: Ich gehöre jetzt zu Christus, und das Alte ist abgeschnitten. Es heißt nicht „Taufe in“, sondern „eis“, also „in Richtung auf“ oder „zu jemandem hin“. Das ist der Sinn.
Welche Stelle meinst du mit „in“? Ich kenne keine bestimmte Stelle, in der das so gemeint ist. Es gibt natürlich 1. Korinther 12,13, wo von der Taufe in den Leib gesprochen wird. Aber das normale Wort ist „eis“, also hin, auf eine Person zu.
Nun zu 1. Korinther 10, Vers 2 (ich beginne mit Vers 1): „Denn ich will nicht, dass ihr unkundig seid, Brüder, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgegangen sind und alle auf Moses getauft wurden.“ In der Wolke und im Meer wurden sie auf Moses getauft. Das heißt, sie wurden unter die Führung von Moses gestellt. Durch das Rote Meer wurde gewissermaßen der Weg zurück in die Sklaverei Satans, des Pharaos, abgeschnitten.
Die Taufe drückt genau das aus: Das Untertauchen ist gewissermaßen ein Begrabenwerden. Wenn man auf hoher See war und jemand starb – heute gibt es andere Möglichkeiten –, musste man früher den Verstorbenen über Bord werfen. Das Meer wurde zum Grab. So ist es auch bei der Taufe: Das Untertauchen bedeutet begraben werden. Es symbolisiert den Tod Jesu Christi, den Tod, der mir zustand. Mit dem Tod Christi ist mein altes Leben begraben und vorbei. Ich will nichts mehr mit dem alten Leben zu tun haben.
Das Auftauchen stellt das Auferstehen dar. Ich bin mit Christus auferweckt und will ein ganz neues Leben in Gemeinschaft mit meinem Erlöser führen. Man kann Römer 6, Vers 1 lesen – eben dieses Begrabenwerden, das Getauftwerden auf den Tod Christi.
Übrigens muss man beim Taufen immer die Leute untertauchen, aber nicht zu lange. Wenn man sie zu lange untertauchen würde, merkt man, dass das Bild vom Grab sehr deutlich wird. Es ist nur ein Bild: Hinunter, das alte Leben abgeschnitten, fertig; dann hinauf, das neue Leben mit Christus.
In 1. Petrus 3, Vers 21 finden wir einen ganz interessanten Ausdruck. Es geht mir jetzt nicht um den Zusammenhang mit Noah und der Arche, sondern um die Aussage über die Taufe. Dort heißt es, die Taufe sei „ein Gegenbild, das euch jetzt errettet“. Nicht ein Ablegen der Unreinigkeit des Fleisches, sondern das Begehren eines guten Gewissens vor Gott.
Hier wird die Taufe als Gegenbild (Antitypos) bezeichnet – ein anderes Bild für dasselbe. Vorher geht es im Kontext um die Arche, die durch die Fluten der Sintflut ging. Petrus sagt nun, es gibt ein anderes Bild mit gleicher Bedeutung: die Taufe.
Und er erklärt, dass die Taufe nicht ein Ablegen der Unreinigkeit des Fleisches ist. Wenn man jemanden tauft, geschieht nicht magisch etwas. Unter animistischen Völkern besteht die Gefahr, dass man die Taufe falsch versteht. In Afrika lassen sich viele gerne taufen, weil sie glauben, dass eine solche rituelle Handlung eine positive, geheimnisvolle, magische Veränderung bringt.
Darum muss man dort sehr vorsichtig sein, dass die Leute das auch gut verstanden haben, bevor man sie tauft. Hier wird erklärt: Es ist nicht das Ablegen der Unreinigkeit des Fleisches, sondern das Begehren, ein gutes Gewissen vor Gott zu haben. Das griechische Wort bedeutet auch die Verpflichtung zu einem guten Gewissen vor Gott.
In der Taufe drücke ich aus: Jetzt will ich Christ sein und ein neues Leben mit Jesus Christus führen – so, dass ich ein gutes Gewissen vor Gott habe. Das ist die Verpflichtung eines guten Gewissens. Wenn man die Taufe wirklich so versteht, hilft sie einem in schwierigen Situationen.
Man überlegt sich: Muss ich so oder so entscheiden? Und dann sieht man, dass eine bestimmte Entscheidung einen ins alte Leben zurückführt. Was habe ich in der Taufe ausgedrückt? Ich habe mich verpflichtet, Gott gegenüber ein Leben mit dem Auferstandenen zu führen, sodass ich ein gutes Gewissen vor Gott habe.
So kann die Taufe effektiv vor manchen Versuchungen retten. Darum heißt es hier: „Welches Gegenbild auch euch jetzt errettet.“ Errettend heißt in der Bibel nicht immer „erretten vor der Verdammnis“. Das Wort wird auch gebraucht, wenn jemand geheilt wird oder in einer schwierigen Situation gerettet wird.
Zum Beispiel sagt man auch auf Deutsch: „Jemand konnte in den Bergen gerettet werden.“ Das bedeutet nicht, dass er in den Himmel kommt. Retten kann also auch bedeuten, aus Not, Schwierigkeit oder Versuchung herausgeholt zu werden.
So ist die Taufe ein Rettungsmittel, und zwar in der Zeitform im Griechischen so, dass sie euch immer wieder errettet – in jeder neuen Situation, in der man sich bewusst wird, was das bedeutet.
Damit man das nicht falsch versteht, sagt Petrus: Es ist nicht ein Ablegen der Unreinigkeit des Fleisches. Das Böse in uns wird durch die Taufe nicht eliminiert. Die Erbsünde ist nicht weg; sie ist noch da, genau wie vorher. Aber es ist eine Verpflichtung Gott gegenüber, ein neues Leben mit Christus zu führen.
So war es auch für Israel: Der Durchzug war eine Hilfe, um die Brücken zu Ägypten abzubrechen. Der Pharao und sein Heer kommen in 2. Mose 14 im Roten Meer um.
Was bedeutet das? Christus hat Satan und sein Heer am Kreuz besiegt. Ich lese Kolosser 2, Verse 14-15, die den prinzipiellen Sieg über die Mächte der Finsternis beschreiben:
„Indem er uns alle Vergehungen vergeben hat. Er hat die uns entgegenstehende Handschrift mit Satzungen, die gegen uns war, aus der Mitte weggenommen und an das Kreuz genagelt. Als er die Fürstentümer und Gewalten, das sind Ausdrücke für Engelfürsten, völlig entwaffnet hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau, indem er durch dasselbe über sie einen Triumph hielt.“
Die Macht der Finsternis wurde durch den Triumph am Kreuz völlig entwaffnet. Darum schreibt Paulus in Kolosser 1, Vers 13, dass Gott uns „aus der Gewalt der Finsternis errettet hat“. Die Zeitform im Griechischen ist der Aorist, der eine einmalige Handlung in der Vergangenheit ausdrückt: „Errettet hat“ – abgeschlossen in der Vergangenheit.
Das ist ganz wichtig, damit bekehrte Menschen das deutlich sehen: Ich bin errettet aus der Gewalt der Finsternis. Satan hat kein Anrecht auf mich, aber er möchte es gern wiederhaben. Deshalb verfolgt die Armee des Pharao das Volk, um es zurückzuholen.
Das erste Anbetungslied und die Freude des Heils
Nun kommen wir zu 2. Mose 15,1-21. Dort finden wir das erste Anbetungslied in der Bibel. Interessant ist, dass bereits Jahrtausende seit 1. Mose 1 vergangen sind, aber kein einziges Anbetungslied in der Bibel zu finden ist. Erst hier, wo wir zum ersten Mal Erlösung durch das Blut des Lammes entdecken, heißt es in 2. Mose 15,1:
„Damals sangen Mose und die Kinder Israel dieses Lied dem Herrn und sprachen:
Singen will ich dem Herrn, denn hoch erhaben ist er,
das Ross und seinen Reiter hat er ins Meer gestürzt.
Meine Stärke und mein Gesang ist ja, denn er ist mir zur Rettung geworden.
Dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen,
meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben“ – und so weiter.
Dann kam Miriam im Vers 20 mit dem Tambourin und den Frauen, und sie sangen im Wechselgesang. Die Männer sangen, und die Frauen antworteten im Chor. Alles ganz spontan. Das war kein Gottesdienst, sondern eine spontane Reaktion nach der Errettung aus Ägypten – dieses Lied der Erlösung.
Was will uns das lehren? Gott schenkt seinen Erlösten die Freude des Heils im Singen. Das ist ganz wichtig. Man kann zum Teil Menschen daran erkennen, ob sie errettet sind oder nicht, ob sie Freude haben, das Heil in Christus durch Lieder auszudrücken oder nicht. Natürlich gibt es Menschen, denen das Singen schwerfällt und die es als Qual empfinden. Das will ich nicht kritisieren. Aber allgemein ist es so, dass man Freude am Heil bekommt und dann die Möglichkeit hat, das durch Singen auszudrücken.
Übrigens wird dieses Kapitel, 2. Mose 15, im Neuen Testament in Offenbarung 15,3 genannt „das Lied des Lammes“. Johannes sieht in Offenbarung 15 den Himmel, den himmlischen Tempel, und davor beim Waschbecken die Überwinder. Diese Überwinder haben den kommenden Diktator von Europa und seinen Götzendienst überwunden. Dort sieht Johannes sie im Himmel mit Harfen. Es heißt, sie singen das Lied Moses und das Lied des Lammes.
Das ist vergleichbar mit dem Zweiten Tempel zur Zeit der Evangelien. Damals waren die Leviten vor dem Waschbecken, vor dem Tempel, beim Altar versammelt und sangen mit Tempelharfen Lieder. Diese Praxis entwickelte sich erst später, denn im Alten Testament findet man das nicht. Genau am Sabbat sangen sie morgens das Lied von Mose, 5. Mose 32, wo es heißt:
„Der Fels, vollkommen ist sein Tun,
denn alle seine Wege sind recht,
ein Gott der Treue und ohne Trug,
gerecht und gerade ist er.“
Dieses Lied sangen sie beim Morgenbrandopfer um neun Uhr. Beim Abendbrandopfer um drei Uhr sangen sie dann aus 2. Mose 15 das Lied des Lammes.
Johannes kannte natürlich all diese Riten aus dem Zweiten Tempel und erkannte sofort, dass hier eine Sabbat-Situation im Himmel dargestellt wird. Diese Menschen, die durch den größten Druck, die größte Not und Versuchung hindurchgehen werden, sind im Himmel entlastet. Dort gibt es keine Versuchung mehr, keinen Druck mehr – eben die Sabbattruhe, die noch auf das Volk Gottes wartet.
Darum ist dieser Hinweis wichtig: Dieses Kapitel wird ausdrücklich im Neuen Testament als „das Lied des Lammes“ genannt.
Die Reise durch die Wüste: Bitterkeit, Erfrischung und Gottes Fürsorge
Ja, wir sind gut im Rennen. 2. Mose 15,22-26: Jetzt haben sie so gesungen, und die Reise geht weiter. Mose ließ Israel vom Schilfmeer aufbrechen. Sie zogen aus in die Wüste Sur und gingen drei Tage in der Wüste, ohne Wasser zu finden.
Sie kamen nach Mara, aber sie konnten das Wasser dort nicht trinken, denn es war bitter. Deshalb gab man dem Ort den Namen Mara. Mara heißt auf Hebräisch „Bitterkeit“. Das Volk murrte gegen Mose und fragte: „Was sollen wir trinken?“ Mose schrie zu dem Herrn, und der Herr wies ihm ein Holz. Mose warf das Holz ins Wasser, und das Wasser wurde süß.
So gehen sie weiter. Sie hatten große Freude, doch schon treten wieder Probleme auf. Das ist ganz normal im Christenleben. Es gibt Schwierigkeiten, aber auch viele schöne Gelegenheiten, in denen wir unsere Freude über das Heil ausdrücken können.
Drei Tage ohne Wasser sind schon gefährlich. Im Prinzip kann man drei Tage ohne Wasser leben. Wir haben gelernt: Dreißig Tage ohne Essen, drei Tage ohne Wasser und drei Minuten ohne Luft – so kann man sich das merken. Nach drei Tagen ohne Wasser kommen sie an eine Wasserquelle, doch das Wasser ist brackig, bitter und untrinkbar. Das Volk rebelliert. Mose schreit in seiner Not zu Gott. Gott sagt: „Nimm ein Holz, wirf es ins Wasser!“ Dann wird das Wasser trinkbar.
Wenn wir das neutestamentlich deuten, lesen wir in Galater 3,13: Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns wurde. Denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt“, damit der Segen Abrahams in Christus Jesus zu den Nationen käme. Wie hat Gott Fluch zum Segen werden lassen? Durch das Holz – das Kreuz Christi wird ausdrücklich als Holz bezeichnet.
So sehen wir hier, wie Gott durch das Kreuz Christi Fluch in Segen umwandeln kann. Das ist eine wunderbare Erfahrung: Wenn wir in die Schwierigkeiten des Lebens das Kreuz Christi hineinnehmen und Gottes Liebe dort sehen, dann können auch bittere Situationen, betrachtet im Licht des Kreuzes, ganz anders wahrgenommen werden. Sie können sogar als etwas gesehen werden, das Gott zum Segen gebraucht – ganz im Sinn von Römer 8,28, dass alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die Gott lieben.
Und dann noch der letzte Vers vom gleichen Kapitel, 2. Mose 15,27: Da kamen sie nach Elim, wo sie siebzig Palmenbäume fanden. Dort waren zwölf Wasserquellen, und sie lagerten sich an den Wassern. Zwölf Quellen und siebzig Palmen – das ist fast wie ein Ferienort, oder?
Hier sehen wir ein Prinzip: Gott überrascht seine Erlösten immer wieder mit ganz unerwarteten und unverhofften Freundlichkeiten. 1. Petrus 2,3 sagt: „Wenn ihr den Herrn anders geschmeckt habt, dass er gütig ist.“ Dafür sollten wir immer offene Augen haben, um zu erkennen, wie viele Dinge es im Leben gibt – neben den Bitterkeiten. Es gibt so viele Dinge, die wir nie erwartet hätten, und plötzlich schenkt uns Gott sie.
Man kann es auf Französisch so schön sagen: „Les caresses de Dieu“ – die Liebkosungen Gottes. Das ist wirklich eine Realität im Christenleben. Das ist Evangelium, kein Wohlstandsevangelium. Gott führt uns durch schwierige Zeiten, doch immer wieder gibt es diese unverhofften Geschenke. Für den einen ist es das, für den anderen etwas anderes. Aber Gott zeigt uns immer wieder, dass er freundlich ist.
Ja, damit können wir doch in die Pause gehen.
Murren in der Wüste Sin und das tägliche Manna als Bild für das geistliche Leben
2. Mose 16,1: Und sie brachen auf von Elim, und die ganze Gemeinde der Kinder Israel kam in die Wüste Sin, die zwischen Elim und Sinai liegt, am fünfzehnten Tag des zweiten Monats nach ihrem Auszug aus dem Land Ägypten. Die ganze Gemeinde der Kinder Israel murrte gegen Mose und Aaron in der Wüste.
Die Kinder Israels sagten zu ihnen: „Wären wir doch im Land Ägypten durch die Hand des Herrn gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und Brot aßen bis zur Sättigung! Denn ihr habt uns in dieser Wüste herausgeführt, um diese ganze Versammlung Hungers sterben zu lassen.“ Zuvor hatten sie das Wasserproblem in Mara, dann die Ermutigung von Elim, und jetzt kam das Hungerproblem. Wieder wurde rebelliert.
Doch wir lesen weiter, Vers 4: Da sprach der Herr zu Mose: „Siehe, ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen, und das Volk soll hinausgehen und den täglichen Bedarf an seinem Tag sammeln, damit ich es versuche, ob es wandeln wird in meinem Gesetz oder nicht.“
Was folgt, ist das Manna vom Himmel, das zum ersten Mal erscheint und die ganze Wüstenreise von vierzig Jahren begleitet.
Was bedeutet das im Licht des Neuen Testaments? Das ist ganz einfach, denn in Johannes Kapitel 6, in einer Predigt in Kapernaum in der Synagoge, legt Jesus, der Messias, diese Ereignisse aus. Er deutet das Brot aus dem Himmel auf sich selbst.
Ich lese Johannes 6, Vers 32: Da sprach Jesus zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, nicht Moses hat euch das Brot aus dem Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahrhaftige Brot aus dem Himmel. Denn das Brot Gottes ist der, welcher aus dem Himmel herniederkommt und der Welt das Leben gibt.“
Wir sehen also, das Manna wird auf Christus bezogen, der gewissermaßen als Nahrung Gottes auf die Erde gekommen ist vom Himmel. Interessant ist nebenbei, dass Bethlehem, der Geburtsort des Erlösers, auch zuvor schon durch den Propheten Micha 5,2 bestimmt wurde. Bethlehem, Beit Lechem, heißt auf Hebräisch „Haus des Brotes“, gut deutsch „Brothausen“. Das Brot aus dem Himmel wurde in Brothausen geboren.
Das Ganze ist eigentlich noch ein bisschen drastischer: Bethlehem liegt sehr nahe an der Wüste Judäa. Das Umfeld von Bethlehem ist fruchtbar für Landwirtschaft. Denken wir an das Buch Ruth, dort geht es um die Landwirtschaft, wie die Gerstenernte nach der Hungersnot wieder kam. Dort haben wir also wirklich den Gegensatz zwischen Fruchtbarkeit und der Unfruchtbarkeit der Wüste. Genau dort wurde der Erlöser geboren – das Brot aus dem Himmel.
Nun ist Folgendes noch bemerkenswert: In Johannes 6, wo der Herr Jesus das so auslegt, sind zwei Aussagen besonders zu unterscheiden. In Vers 51 sagt er: „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, so wird er Leben in Ewigkeit haben.“ Johannes verwendet im Grundtext für „essen“ die Zeitform des Aorist. Der Aorist drückt eine punktuelle Handlung aus, eine einmalige Handlung. Der Vers bedeutet: Wenn jemand den Akt des Essens dieses Brotes einmal vollzieht, wird er Leben in Ewigkeit haben.
Vergleichen wir das mit Vers 54: Dort verwendet Johannes bei den Verben nicht mehr den Aorist, sondern das Präsens – eigentlich besser als Durativ bezeichnet, denn das Präsens drückt wiederholte Handlungen aus. Dort heißt es: „Wer mein Fleisch immer wieder isst und mein Blut immer wieder trinkt, hat zwar fortdauernd ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag.“
Es heißt hier nicht: Wer davon ist, der bekommt ewiges Leben. Er sagt vielmehr: „Der hat fortdauernd ewiges Leben.“ Hier geht es nicht um die Bekehrung, die haben wir in Vers 51. Jemand, der diesen Akt des Essens, Jesus Christus wirklich ganz bewusst in sich aufnimmt als Erlöser – nicht nur kosten, essen, sondern dann wird es Teil von einem selbst, wirklich aufnehmen –, wird leben in Ewigkeit.
Hier geht es um einen Erlösten, dessen tägliche Nahrung Jesus Christus ist. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, das heißt, sich immer wieder von Christus geistlich ernährt, hat ewiges Leben. Das ist einer, der ewiges Leben hat.
Also sind diese beiden Punkte sehr wichtig: das erstmalige Essen, das Leben in Ewigkeit schenkt, und dann das ständige Sichnähern an Christus.
Das steht nun hier beides in 2. Mose 16. Hier haben wir nämlich das erste Mal Essen, und jetzt wird das zur täglichen Nahrung.
Als die Israeliten diese eigenartige Speise aus dem Himmel zum ersten Mal sahen – eigenartig war sie, denn sie konnten 40 Jahre damit leben –, waren alle Vitamine, alle Aufbaustoffe usw. enthalten. Alles, was eine Vollwertnahrung enthält, war drin. Also das Märchen mit einem Busch im Sinai, der Ausflüsse bekommt, kann man vergessen. Das war eine übernatürliche Nahrung aus dem Himmel von Gott, und sie enthielt effektiv alles, was der menschliche Körper braucht.
Nun, als sie diese eigenartige Nahrung zum ersten Mal sahen, riefen sie alle: „Man Hu“ (Vers 15, 2. Mose 16). Die Kinder Israel sahen es und sprachen einer zum andern: „Was ist das?“ Hebräisch „Man Hu“ – was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war.
Mose sprach zu ihnen: „Dies ist das Brot, das der Herr euch zur Nahrung gegeben hat. Dies ist das Wort, das der Herr geboten hat: Sammelt davon ein jeder nach dem Maß seines Essens, einen Gomer für den Kopf. Nach der Zahl eurer Seelen sollt ihr nehmen, ein jeder für die, welche in seinem Zelt sind.“
Die Kinder Israel taten also und sammelten, der viel und der wenig. Sie maßen mit dem Gomer; wer viel gesammelt hatte, hatte nicht übrig, und wer wenig gesammelt hatte, dem mangelte nichts. Sie hatten gesammelt, ein jeder nach dem Maß seines Essens.
Diese Speise wurde von da an „Man“ auf Hebräisch genannt. In der griechischen Aussprache später wurde dieses Wort ausgesprochen als „Manna“. Darum ist die neutestamentliche Form „Manna“ eigentlich die griechische Aussprache des hebräischen Wortes „Man“. Die Griechen haben hebräische Wörter in ihrer Sprache oft etwas verändert. Aus „Jeschua“ machten sie „Jesus“ und so weiter – so wie die Franzosen Namen verändern. Aus „Maschiach“ wurde „Messias“. Das ist kein Problem, man muss nur wissen, worum es sich handelt.
Also ist das Manna eigentlich eine Frage: Was ist das? Und bezogen auf Christus finden wir das Zeugnis über Jesus Christus in der Bibel. Im Licht des Neuen Testaments finden wir Christus auf jeder Seite im Alten Testament – oft verborgen, manchmal ganz direkt in wunderbaren Bildern.
Beim Lesen müssen wir immer fragen: „Manhu, Manhu – was hat das zu bedeuten? Was sagt mir das über Jesus Christus? Was lerne ich hier über Gott, den Vater? Was lerne ich über den Heiligen Geist? Was lerne ich daraus für mein praktisches Leben?“ Wer fragend die Bibel liest, hat wirklich Gewinn.
Das können wir lernen: Wir sollten immer fragend sein. Die Leute, die am meisten Fragen haben, sind auch die, die am meisten vorankommen. Vorausgesetzt, sie sind bereit, die Fragen des Wortes Gottes anzunehmen.
Das lehrt uns einiges auch über das tägliche Bibellesen, denn das Manna musste jeden Tag geholt werden. Der eine hat mehr Kapazität, der andere weniger, aber jeder soll sammeln nach seiner Kapazität. Es wird hier so wunderbar gesagt: Jeder hatte genug. Wer viel sammelte, hatte genug, wer wenig sammelte, hatte genug, weil jeder nach seiner Kapazität gesammelt hat. Und diese ist verschieden von einem Gläubigen zum anderen. Das ist kein Problem, das ist einfach so. Das ist normal.
Aber jeder soll für seine Kapazität sammeln, und es ist wichtig, das täglich zu tun.
So haben wir also in 2. Mose 16 eine sehr grundsätzliche Belehrung für das Christenleben: die tägliche Ernährung von Jesus Christus durch das Lesen des Wortes, indem wir ständig Fragen stellen.
Es gibt ja Bibellesehilfen schon für Kinder. Wir haben zum Beispiel so ein Lesezeichen, auf dem Fragen stehen. Man muss sich fragen: Was sagt dieser Text heute über Gott, über Jesus, über den Heiligen Geist? Was sagt dieser Text für mich? Oder: Welcher Vers ist in diesem Abschnitt der goldene Vers für den heutigen Tag, der mir ganz besonders etwas gibt? Man muss Fragen an den Text stellen, so kommt man weiter.
Was ist das Hauptthema in diesem Kapitel? Wie ist das Kapitel eingeteilt? Wir können viele andere Fragen stellen, und dann wird der Text zum lebendigen Wort Gottes für uns.
Dann gehen wir weiter. Wir kommen zu Kapitel 17. Dort gibt es wieder Probleme. Also, wie gesagt, Problem über Problem und dann immer wieder das Eingreifen Gottes. Gott wird real erlebt, und dann auch die Gütigkeiten und Freundlichkeiten Gottes.
Durst in der Wüste Rephidim und Gottes Versorgung aus dem Felsen
17,1 Und die ganze Gemeinde der Kinder Israel brach auf aus der Wüste Sien, nach ihren Zügen, nach dem Befehl des Herrn, und sie lagerten sich zu Rephidim. Dort war kein Wasser zum Trinken für das Volk.
Jetzt hätten sie natürlich sagen können: Herr, das ist ein Déjà-vu, oder? Das gibt es ab und zu mal. Aber jetzt sind wir gespannt, was kommt, oder?
Mose schreibt: Und das Volk haderte mit Mose und sprach: Gebt uns Wasser, dass wir trinken. Ich sage „Mose schreibt“, weil er über sich immer in der dritten Person schreibt. Das ist wie Julius Caesar, der im Gallischen Krieg auch so schrieb. Er spricht immer eher über Julius Caesar. Das ist ein Stilmittel im Altertum, das schon Mose angewandt hat.
Das Volk haderte mit Mose und sprach: Gebt uns Wasser, dass wir trinken. Mose antwortete ihnen: Was hadert ihr mit mir? Was versucht ihr den Herrn?
Das Volk dürstete nach Wasser und murrte gegen Mose. Sie sprachen: Warum hast du uns aus Ägypten heraufgeführt, um mich und meine Kinder und mein Vieh vor Durst sterben zu lassen?
Wir sehen, immer wieder kommt der Gedanke auf, wie toll es in Ägypten war, obwohl sie dort gelitten hatten. Das kann man auch als Gläubiger erleben: diese Kurzsichtigkeit, plötzlich diese Sehnsucht nach dem früheren Leben, obwohl es wirklich schlecht war. Und im Rückblick sieht man es dann wieder ganz eigenartig. Aber sie haben es so gemacht. Glücklicherweise gab es die große, mühsame Barriere des Roten Meeres, die sie vor manchem falschen Schritt rückwärts zurückgehalten hat.
Ich lese Vers 4: Da schrie Mose zu dem Herrn und sprach: Was soll ich mit diesem Volk tun? Noch ein wenig, und sie steinigen mich!
Der Herr sprach zu Mose: Gehe hin vor dem Volk und nimm dir von den Ältesten Israels und deinen Stab, womit du den Strom geschlagen hast. Nimm ihn in deine Hand und geh hin!
Siehe, ich will daselbst vor dir stehen auf dem Felsen am Horeb, und du sollst auf den Felsen schlagen, und es wird Wasser aus demselben herauskommen, damit das Volk trinke.
Mose tat also vor den Augen der Ältesten Israels, und er gab dem Ort den Namen Massa, das heißt auf Hebräisch „Versuchung“, und Meribah, das heißt auf Hebräisch „Hader“.
Wegen des Haderns der Kinder Israel und weil sie den Herrn versucht hatten, indem sie sagten: Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?
Eigenartig ist, wie Gott bei gleichen Problemen immer wieder anders handelt. Jetzt nichts mit dem Holz, jetzt kommt das mit dem Felsen. Es ist ganz wichtig zu sehen, dass Gott der Unwandelbare ist – das heißt ja auch schon sein Name, Yahweh, der gegen siebentausend Mal im Alten Testament vorkommt. Er bedeutet der Ewigseiende, der Unwandelbare.
Diese Grundtatsache bedeutet aber nicht, dass Gott immer gleich handelt. Es ist wichtig für diejenigen, die sich fragen, warum Gott heute mit Christen nicht genau so handelt wie in der Apostelgeschichte oder warum wir nicht mehr das erleben, was die Apostel erlebt haben.
Gott ist doch derselbe Gott. Ja, das ist er, aber er handelt nicht immer gleich. So handelt er auch hier ganz unterschiedlich.
Jetzt wollen wir das im Neuen Testament, im Licht des Neuen Testaments, betrachten.
1. Korinther 10 gibt uns den Schlüssel. Paulus erklärt dort in Vers 3: „Und alle haben dieselbe geistliche Speise gegessen“, das ist Manna.
Aber es war ja wirkliche Speise. Warum heißt es geistlich? Weil diese Speise eine geistliche Bedeutung hatte, wie wir schon im Licht von Johannes 6 gesehen haben.
Nun heißt es weiter: „Und alle denselben geistlichen Trank tranken.“ Das war aber normales Wasser, Sinaiwasser. Aber es war geistlich, weil es eine geistliche Bedeutung hatte, wie wir noch sehen werden.
Denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, das war aber ein ganz normaler Felsen im Sinai. Er war geistlich, weil er eine geistliche Bedeutung hatte.
Jetzt wird es aber schwierig: Sie tranken aus einem geistlichen Felsen, welcher nachfolgte. Ein Fels mit Beinen? Dann erklärt Paulus: Der Fels aber war Christus.
Christus ist griechisch für Messias. War das kein normaler Fels? War das Christus dort? Es heißt ja schließlich nicht, der Fels bedeutet Christus, es heißt: Der Fels war Christus.
Nun, wir müssen nicht wieder den Zwingli-Luther-Streit beginnen. Zwingli sagt, das bedeutet den Leib Christi, das Brot im Abendmahl, und der Wein bedeutet das Blut Christi. Luther sagt: Nein, es heißt hier: „Dies ist mein Leib! Und dies ist mein Blut!“
Luther war damals noch viel zu katholisch. Deshalb waren viele Reformierte, und dann erst recht Calvin, anderer Meinung. Aber auch Calvin war noch zu wenig reformiert in manchen Dingen, besonders wenn es um Prophetie und Israel ging. Trotzdem war er einer der reformiertesten Reformatoren.
Sie haben das verstanden: Das hat Sinn. Das bedeutet es. Und das machen wir doch auch, wenn wir ein Foto zeigen und sagen: Das ist meine Familie. Jeder weiß, dass das nicht die Familie selbst ist, sondern sie darstellt.
Der Fels aber bedeutet Christus. So haben wir den Auslegungsschlüssel.
Jetzt muss ich natürlich noch aus der Verlegenheit herauskommen, was es bedeutet, dass dieser Fels „nachfolgte“. Wie ist das zu deuten?
Psalm 105, Vers 41 erzählt poetisch die Wüstenwanderung nach dem Himmelsbrot (Vers 40) und den Wachteln. Dort heißt es in Vers 41: „Er öffnete den Felsen, und es flossen Wasser heraus, sie liefen in den dürren Örtern wie ein Strom.“
Das war kein Rinnsal, das geht auch nicht für ein Viermillionenvolk, wenn man sich das so überlegt. Diese Quelle wurde zu einem Strom im Sinai, und dieser Strom hat Israel auch weiterhin begleitet, so dass sie immer wieder neu hier Wasser holen konnten.
Insofern folgte ihnen der Fels nach, indem das Wasser aus dem Felsen, dieser Strom, Israel in der Wüste begleitet hatte. Also so folgte der Fels nach.
Jetzt haben wir aber gelesen: 1. Korinther 10, der Fels bedeutet Christus. Was bedeutet das Wasser?
Die Auslegung finden wir in Johannes 7. Das bedeutet der Heilige Geist.
Johannes 7,37: An dem letzten, dem großen Tag des Festes, stand Jesus auf und rief: „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“
Johannes legt das aus und erklärt: „Dies aber sagte er von dem Geist, welchen die an ihn Glaubenden empfangen sollten. Denn der Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.“
Das lebendige Wasser, Ströme lebendigen Wassers, wird hier als Bild vom Geist Gottes erklärt, den die Gläubigen empfangen sollten.
Aber der Geist konnte damals noch nicht ausgegossen werden, weil Christus noch nicht verherrlicht war. Verherrlicht heißt: Er ist auferstanden, zum Himmel gefahren und sitzt zur Rechten Gottes.
Das ist die Verherrlichung Christi.
Johannes erklärt also, was es bedeutet.
Ich muss aber noch erklären, was dieser eigenartige Ausdruck „lebendiges Wasser“ bedeutet.
Für uns ist das auf Deutsch etwas mysteriös. Für einen Juden ist das ganz normal: „mayim chayim“ – lebendiges Wasser.
Lebendiges Wasser ist auch heute auf Modernhebräisch der normale Ausdruck für frisches Quellwasser. Eben weil es sich bewegt und fließt, nennt man es lebendiges Wasser, im Gegensatz zu brackigem, stehenden, abgestandenen Wasser.
Das frische, erfrischende Wasser weist auf den Heiligen Geist hin, der nach Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Christi ausgegossen werden sollte.
Die nötigen Schlüssel: Mose musste den Felsen schlagen, und dann kam Wasser heraus.
In Jesaja 53,10, wo prophetisch über den leidenden Messias gesprochen wird – die alten Rabbiner haben dieses Kapitel ganz klar auf den Messias bezogen, das muss man betonen – heißt es:
„Es gefiel dem Herrn, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen.“
Am Kreuz haben die Menschen Christus angetan, was sie konnten. Aber dann, in den drei Stunden der Finsternis, als er der Sündenträger war, wurde er von Gott geschlagen.
Da kam das Gericht Gottes über unsere Sünde.
Was die Menschen getan hatten, brachte keine einzige Sünde weg von uns.
Das war ein Leiden vonseiten der Menschen.
Auch die Leiden Christi während seines Lebens, die Verfolgungen, der Spott, Hohn und die Drohungen, haben keine Sünde weggetan.
Christus wurde erst am Kreuz der Sündenträger, und Gott hat ihn in den drei Stunden der Finsternis geschlagen.
„Es gefiel dem Herrn, ihn zu zerschlagen.“
Das haben wir hier vorgebildet, indem Mose mit dem Stab den Felsen schlagen musste.
Dann kam das Wasser heraus.
Das heißt: Christus musste sterben. Nur so war eine Geistesausgießung möglich.
Und sie ist am Pfingsten gekommen. Wir müssen nicht mehr darauf warten, sie ist schon längst da.
Ich sage das, weil viele Christen auf eine neue Geistesausgießung warten. Das müssen wir nicht. Die Geistesausgießung haben wir schon längst, und der Heilige Geist ist seitdem nie weggegangen.
Er wird erst bei der Entrückung der Gemeinde weggehen, und dann gibt es eine neue Geistesausgießung über Israel, am Anfang des Tausendjährigen Reiches.
Joel 3 spricht davon: Nach diesen Dingen, nach der großen Drangsal von Joel 2, kommt eine neue Ausgießung. Aber das ist noch zukünftig.
Wir dürfen den Fahrplan nicht durcheinanderbringen.
Der Heilige Geist ist da, er ist ausgegossen worden, weil Gott Christus geschlagen hat.
So können wir sagen: Aufgrund des Todes des Herrn Jesus Christus konnte uns der Heilige Geist als Erfrischung gegeben werden.
Er malt uns in Momenten des Durstes im Leben immer wieder neu Christus vor Augen und erfrischt unser Inneres.
Nun kennen wir doch eine andere Geschichte gegen ganz am Ende der Wüstenwanderung von vierzig Jahren.
Hier sind wir am Anfang von 4. Mose 20, und dort gab es wieder ein Problem: Dort war wieder kein Wasser.
Das mit dem Strom war offensichtlich vorbei, am Ende der Wüstenwanderung.
Dann sagte Gott: Sprich mit dem Felsen dort, und ich werde ihm Wasser geben.
Mose aber, in seiner Ungeduld, nahm den Stab und schlug den Felsen.
Deswegen durfte er nicht ins verheißene Land.
Man ist irgendwie überrascht und fragt sich, warum es einmal so war und dann beim anderen Mal ein so schweres Vergehen.
Die Lösung liegt darin, dass Mose im Grundtext ein anderes Wort für Fels benutzt als in 2. Mose 17.
Ich habe das hier auf dem Blatt aufgeführt.
In 2. Mose 17 steht das Wort „sur“. Das bedeutet ein Fels im Sinn von Felsblock.
In 4. Mose 20,8 steht für Fels „Sela“. Das ist Fels im Sinn von Felsmassiv.
Also war das geografisch ein ganz anderer Ort. Dort ging es um ein Felsmassiv, und Mose sollte vor dem Volk mit dem Felsen sprechen, aber er schlug ihn.
Der Felsblock in 2. Mose 17 spricht von Christus, der sich nach Philipper 2 erniedrigt hat bis zum Tod am Kreuz. Dort wurde er von Gott geschlagen.
Das Felsmassiv spricht von Christus, der nach Philipper 2, Vers 10, nach seinem Kreuzestod von Gott hoch erhoben worden war zum Herrn über alle und über alles.
Mit dem erhöhten Christus müssen wir im Gebet sprechen.
Christus ist ein für allemal von Gott geschlagen worden.
Jetzt ist er der Erhöhte, und darum war es von der Symbolik her gesehen ganz wichtig, dass der Fels nicht geschlagen wurde.
Mose hat es trotzdem getan, und damit war ihm der Weg ins Land versperrt.
Aber wir sehen etwas von dieser lebendigen Symbolik des Alten Testaments.
Der Kampf mit Amalek als Bild des geistlichen Kampfes
Wir kommen nun zum Kampf gegen Amalek. Nach der Erfrischung in Massa und Meriba taucht ein neues Problem auf: Amalek erscheint und kämpft gegen Israel in Refidim. Plötzlich werden die Israeliten von einer feindlichen Armee im Sinai überfallen, und es entsteht ein heftiger Kampf.
Josua führt den Kampf am Boden, während Mose als Volksführer auf den Berg steigt und zu Gott betet. Seine Arme müssen von Aaron und Hur gestützt werden, denn jedes Mal, wenn seine Arme im Gebet sinken, gewinnt Amalek die Oberhand. Sobald Mose die Arme wieder hebt, überwiegt Israel. So lange, bis Amalek letztlich besiegt wird.
Was bedeutet dieser Kampf? Wir wissen, dass Christus, wie in Kolosser 2 beschrieben, Satan und seine Heerscharen durch sein Kreuz besiegt hat – der Triumph des Gekreuzigten. Dennoch heißt es in Epheser 6, Vers 10, dass unser Kampf als Gläubige nicht gegen Fleisch und Blut, also nicht gegen Menschen, sondern gegen geistliche Mächte der Bosheit gerichtet ist. Das heißt, auch heute noch besteht für Christen die Möglichkeit, angegriffen zu werden.
In Epheser 6,10 und den folgenden Versen wird die Waffenrüstung der Christen beschrieben. Dabei ist die Offensivwaffe das Schwert des Geistes, welches Gottes Wort ist. Wir führen also einen geistlichen Kampf und müssen mit der Bibel kämpfen, Satan widerlegen und überwinden – so, wie Christus es in der Wüste tat. Auf jede Versuchung antwortete er mit einem Bibelwort und siegte.
Als Gläubige werden wir weiterhin angegriffen, doch wir besitzen alle nötigen geistlichen Waffen. Ebenso wie Mose auf dem Berg betete, betet Jesus Christus im Himmel für sein Volk. In Hebräer 7 wird das ausdrücklich erwähnt. Hebräer 7, Vers 25 (auf dem Blatt steht versehentlich 7,25) beschreibt Jesus Christus als den Hohenpriester. Er vermag völlig zu retten, die durch ihn zu Gott kommen, weil er immer lebt, um für sie einzutreten und für sie zu bitten.
Jesus Christus betet im Himmel für uns, um uns zu retten – vor den Gefahren des Lebens, in denen Satan die Gläubigen angreift. Im Alten Testament sehen wir diese Bilder und oft auch Gegensätze: Mose’ Arme wurden müde, sein Gebet war gewissermaßen Stückwerk. Das Gebet von Jesus Christus hingegen ist vollkommen.
Ebenso gibt es im Alten Testament einen Hohenpriester, der selbst schwach war und durch den Tod gehindert wurde. Im Neuen Testament wird betont, dass Christus der Hohepriester auf ewig ist und niemals für eigene Sünden ein Opfer bringen musste. Das sind sowohl Übereinstimmungen als auch wunderbare Gegensätze.
Doch das war nicht der letzte Kampf gegen Amalek. Diese Kämpfe wiederholen sich immer wieder – so ist es auch im Leben eines Gläubigen. Man darf nicht denken, dass nach einem Kampf Ruhe einkehrt. Amalek kommt immer wieder.
Begegnung mit Jethro und die Einführung einer gerechten Führerschaft
Nun kommen wir zu Kapitel 18. Eine wunderbare Schlussszene, bevor die Gesetzgebung am Sinai einen ganz neuen Abschnitt einleitet, in Kapitel 19. Mose hat Israel aus Ägypten geführt, und jetzt gibt es ein Wiedersehen mit seinem Schwiegervater Jethro.
Jethro ist der Mann, den Mose in der Wüste Midian kennengelernt hatte, als er geflüchtet war. Dort wurde Mose Hirte, verliebte sich in Zipporah, heiratete sie, und aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor. Nun begegnet Jethro ihm wieder am Sinai. Natürlich ist nicht nur der Schwiegervater da – das wäre ja traurig –, sondern auch Zipporah. Es ist ein ganz romantischer Moment: Zipporah kommt Mose in der Wüste entgegen, nachdem Israel frei ist. Dann wird ein Fest gefeiert.
Ich lese ab Vers 9: Mose erzählt alles, was in Ägypten geschehen ist. In Vers 9 heißt es: Jethro freute sich über all das Gute, das der Herr an Israel getan hatte, dass er es errettet hatte aus der Hand der Ägypter. Jethro muss beachtet werden – er ist ein Heide, also kein Israelit. Er sprach: „Gepriesen sei der Herr, der euch errettet hat aus der Hand der Ägypter und aus der Hand des Pharao, der das Volk errettet hat unter der Hand der Ägypter hinweg. Nun weiß ich, dass der Herr größer ist als alle Götter, denn in der Sache, worin sie in Übermut handelten, war er über ihnen.“
Jethro, der Schwiegervater Moses, nahm ein Brandopfer und Schlachtopfer für Gott dar, und Aaron sowie alle Ältesten Israels kamen, um mit Jethro zu essen, vor dem Angesicht Gottes. Eine ganz ergreifende Szene: Israel und die Heiden in Opfergemeinschaft.
Was haben wir hier? Eigentlich einen Ausblick, einen prophetischen Ausblick auf die Vollendung der Erlösung auf Erden. So wird es einmal kommen, nach der Wiederkunft Christi im Tausendjährigen Reich. Christus regiert, Mose ist als Volksführer an der Macht. Sacharja 14, Vers 9 sagt: Der Herr wird dann König sein. Israel ist erlöst von seinen Feinden, so wie Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer, es in seinem Gebet ausdrückt (Lukas 1,74): „Um uns zu geben, dass wir, gerettet aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen sollen, in Frömmigkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage.“ Das ist der Ausdruck für Israel: dieser Moment, Gott zu dienen, aber eben errettet aus der Hand aller Feinde.
Heute ist Israel nicht errettet aus der Hand aller seiner Feinde, sondern im Zentrum des Konflikts. Das wird aber noch kommen. Dann lesen wir hier von den Heidenvölkern (Sacharja 14,16): „Da werden sie aus allen Völkern der Erde nach Jerusalem kommen, zum dritten Tempel, und werden dort Opfergemeinschaft haben mit Israel.“ Die Heidenvölker beten den wahren Gott an.
Heute Morgen habe ich auch die Stellen von Ägypten und Assyrien gezeigt (Jesaja 19), wo gesagt wird, dass sie den Herrn erkennen werden. Ich habe auch gezeigt, wie in Kapitel 45 die Sudanesen und Jemeniten den Gott Israels anerkennen und sagen, dass er der einzig wahre Gott ist.
Aber jetzt haben wir noch Zipporah. Zipporah ist eigentlich ein Hinweis auf die Gemeinde, die nach Epheser 5 die Frau von Christus ist. Die Gemeinde wird nach Epheser 1,10-11 im Tausendjährigen Reich in der Fülle der Zeit mit Christus zusammen regieren. Also ist Zipporah hier auch wieder auf dem Plan, und alles weist hin auf diese Opfergemeinschaft im Tausendjährigen Reich in Jerusalem, wie sie in Hesekiel 40 und 48 so breit ausgeführt und plastisch dargestellt wird.
Es ist genau 15 nach. Zeit für eine Pause. Ich hoffe, wir sind alle erfrischt nach diesem Ausblick, den uns Mose, Israel, Jethro und Zipporah gegeben haben.
Nun beobachtete Jethro, wie Mose das Volk führte, und er kam zur Überzeugung, dass das eine Überforderung auf lange Sicht sei. „Mose, du arbeitest zu viel.“ Mose musste nämlich alle Rechtsfragen lösen. Jethro machte ihm den Vorschlag, Leute als Richter einzusetzen – über Tausend, über Hundert, über Zehn. Diese sollten Mose die Hauptlast abnehmen, sodass nur die ganz schwierigen Rechtsentscheidungen vor Mose gebracht würden. Das hat Mose dann auch tatsächlich so geregelt.
Ich lese 2. Mose 18,21, wo es heißt in diesem Vorschlag: „Du aber sieh dir aus dem ganzen Volk tüchtige, gottesfürchtige Männer, Männer der Wahrheit, die den ungerechten Gewinn hassen, und setze sie über sie, oberste über Tausend, oberste über Hundert, oberste über Fünfzig und oberste über Zehn, dass sie das Volk richten zu aller Zeit. Und es geschehe, dass sie jede große Sache vor dich bringen und jede kleine Sache selbst richten, so erleichtere es dir, und sie mögen mit dir tragen.“
Das ist eine ganz entscheidende Situation. Israel wusste, was es heißt, eine brutale Führerschaft über sich zu haben. Das haben sie mit dem Pharao und seinen treuen Völkern brutal erlebt. Nun wurden sie befreit aus dieser Unterdrückung, aus dieser Sklaverei. Aber hier lernen wir: Die Befreiung aus brutaler Herrschaft ist nicht eine Hinführung in Orientierungslosigkeit. Sie sollten auch weiterhin Führerschaft haben – aber eine ganz andere Führerschaft.
Es müssen gottesfürchtige Leute sein, die die Wahrheit lieben, Männer der Wahrheit. Und es sind Leute, die ungerechten Gewinn hassen sollen, also nichts mit Geldliebe zu tun haben wollen.
So ist es auch im Neuen Testament. Die Gemeinde ist nicht einfach führungslos. Natürlich ist das Haupt der Gemeinde Christus und nicht der Papst – das ist klar. Die katholische Lehre sagt, der Papst sei das Haupt der Kirche, aber Kolosser 1 sagt, dass Christus das Haupt der Kirche ist, der Gemeinde.
Dennoch braucht es Führerschaft in einer örtlichen Gemeinde. Das wird zum Beispiel in 1. Timotheus 3 beschrieben. Dort wird erklärt, wie ein Führer in einer örtlichen Gemeinde sein soll. Ein Aufseher wird er dort genannt.
Übrigens: Das Wort für Aufseher in 1. Timotheus 3,1-2 ist Episkopos. Was nützt das, wenn wir das Wort so kennen? Es nützt schon etwas. Davon leitet sich unser Wort „Bischof“ her. Oder das Episkopos – wenn man das „os“ weglässt und das „E“ auch, was oft in Sprachgeschichte passiert, bleibt „Biskop“ übrig. Das „k“ ist dann aufgeweicht worden und daraus entstand schließlich „Bischof“ – das „p“ ist weich geworden, es ist ein Lippenlaut. So ist „Bischof“ entstanden.
Dort wird der Bischof beschrieben. Nebenbei: Es ist noch interessant, dass das Wort Bischof, Aufseher, in Apostelgeschichte 20 für die Ältesten der Gemeinde verwendet wird. In Apostelgeschichte 20 hat Paulus die Ältesten der Gemeinde von Milet zu sich berufen und ihnen eine Abschiedsrede gehalten. Er sagt dann in Vers 28, dass der Heilige Geist sie als Aufseher gesetzt hat, die Herde Gottes zu hüten.
Daraus entnehmen wir, dass ein Ältester das Gleiche ist wie ein Bischof. Bischof heißt Aufseher, Episkopos kennen wir ja. Das bedeutet, jemand, der den Überblick hat, sieht, wo es Probleme gibt, wo man helfen und unterstützen muss. Älteste und Bischöfe sind im Neuen Testament ein und dieselbe Personengruppe – ganz wichtig.
Jetzt wird der Bischof in 1. Timotheus 3 beschrieben, wie Führerschaft aussehen soll. In 1. Timotheus 3,1 heißt es: „Das Wort ist gewiss: Wenn jemand nach einem Aufseherdienst, sprich nach dem Bischofsamt, trachtet, so begehrt er ein schönes Werk.“ Der Bischof muss untadelig sein, ein Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, sittsam, gastfrei, lehrfähig, nicht dem Wein ergeben, kein Schläger, sondern gelinde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend, der dem eigenen Haus wohl vorsteht und seine Kinder in Unterwürfigkeit hält, mit allem würdigen Ernst.
„Wenn aber jemand dem eigenen Haus oder der eigenen Familie nicht vorzustehen weiß, wie wird er die Kirche Gottes besorgen?“ Nicht ein Neuling usw. Das ist das Bischofsamt nach dem Neuen Testament.
Wer kann das werden? Paulus sagt in Apostelgeschichte 20, dass der Heilige Geist sie einsetzt. Er selbst als Apostel hat auch Älteste eingesetzt (Apostelgeschichte 14). In einer Gemeinde nach der anderen hat er zusammen mit Barnabas Älteste gewählt. Interessant: Nicht die Gemeinde hat die Ältesten gewählt, sondern ein Apostel.
In Titus 1 haben wir eine Parallelstelle. Dort wird auch beschrieben, wie die Ältesten sein sollen, und Paulus gibt Titus den Auftrag, in jeder Gemeinde auf Kreta Älteste anzustellen. Wieder mit apostolischer Autorität kommt Titus und setzt ein.
Wir haben heute natürlich keine Apostel mehr und auch keine Abgesandten der Apostel, aber der Heilige Geist ist immer noch da und beruft Menschen zu diesem Dienst. Es kann natürlich jemand kommen und sagen: „Schaut mal, ich habe einen Ruf vom Heiligen Geist, und jetzt soll ich …“ Dann kann man sagen: „Ja, bitte, und erfüllst du die Punkte von 1. Timotheus 3 und die von Titus 1?“ Erst dann können wir jemanden als Ältesten anerkennen, wenn er wesentlich durch diese Dinge geprägt ist.
Das heißt natürlich nicht, dass das unfähbare Leute sind, die nicht versagen können. Natürlich können sie versagen. Aber es geht darum, dass diese Punkte wesentlich prägend sind. Es ist eigentlich gut, wenn sie nicht von der Gemeinde gewählt werden. Wenn sie sich so entwickeln, dass sie diese Punkte nicht mehr erfüllen, muss man sie im Prinzip auch nicht abwählen. Sie verlieren automatisch ihre moralische Autorität.
Wir lesen in 1. Thessalonicher 5,12: „Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die anerkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen, und dass ihr sie über die Maßen in Liebe achtet um ihres Werkes willen.“ Anerkennen heißt, das muss automatisch geschehen, wenn diese Leute moralische Autorität haben.
Gott will keine Führerschaft, die von Härte gekennzeichnet ist oder die Probleme mit Geld hat. Gott will eine Führerschaft, die dem Volk Gottes Mut macht, die motiviert und nicht unterdrückt oder eigene Ziele verfolgt. Das hat Israel erlebt – anstatt brutaler Führerschaft eine gottgemäße Führerschaft. Das ist ein Segen für das Volk.
Einige ergänzen noch aus Hebräer 13. Dort geht es nicht nur um Älteste am Ort, sondern auch um solche, die eine führende Rolle überörtlich hatten, einfach durch ihre moralische Autorität.
Hebräer 13,7: „Gedenkt eurer Führer, die euch das Wort Gottes verkündigt haben, und den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach.“
Weiter in Vers 17: „Gehorcht euren Führern und seid unterwürfig, denn sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft geben sollen, auf dass sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies wäre euch nicht nützlich.“
Übrigens ist interessant, dass der Ausdruck „sie wachen“ im Griechischen eigentlich „schlaflos sein“ bedeutet. Das sind Leute, die sich hingeben und bereit sind, schlaflose Nächte zu haben.
Vers 24: „Grüßt alle eure Führer und alle Heiligen.“
Was aus dem Neuen Testament klar hervorgeht: Gott will geistliche Führerschaft.
Kirchengeschichtlich ist es interessant: Im zweiten Jahrhundert wurden plötzlich Bischof und Ältester unterschieden. In Ortsgemeinden gab es eine Ältestenschaft und darüber einen Bischof. Dann entwickelte sich das weiter. Plötzlich wurde ein Bischof mit Autorität über mehrere Gemeinden versehen.
Die Entwicklung ging weiter: Bischöfe von besonderen Städten wie Alexandria, Jerusalem, Byzanz und Rom erhielten eine Vormachtstellung über die überörtlichen Bischöfe. Im Jahr 440 beanspruchte Leo I., Bischof von Rom, das Primat über alle Bischöfe, und damit war das Papsttum geboren.
So geschah es: Ein schrittweises Abweichen von der neutestamentlichen Vorgabe, dass Älteste und Bischöfe ein und dieselben Personen sind und auf die Ortsgemeinde beschränkt bleiben. Das wurde aufgegeben.
Das zur Führerschaft und ihrer Bedeutung.
Petrus sagt zur Führerschaft in 1. Petrus 5: „Indem ihr Vorbilder der Herde seid.“
Wenn wir den Unterschied der israelischen Armee zu anderen Armeen betrachten, fällt auf, dass Offiziere in der Schweiz und anderen Ländern im Kriegsfall zu den Soldaten sagen: „Geht!“ Doch die israelischen Offiziere sagen: „Acherei, mir nach!“ Deshalb fallen prozentual bedeutend mehr Offiziere im Krieg als in anderen Armeen. Sie sind so motivierend, gehen voran und reißen die ganze Truppe mit sich. Jeder schämt sich, nicht mitzugehen.
Wenn man den Sechstagekrieg militärgeschichtlich analysiert, sieht man dieses Prinzip: Der einzelne Führer, Gruppenführer, geht voran und hat viel Autonomie. Sie können selbständig in einem großen Umfeld entscheiden. Das war bei den Ägyptern nicht so. Als sie am Sinai plötzlich eingekesselt und abgeschnitten waren, wussten sie nicht, was sie tun sollten, denn sie hatten keine Zentrale mehr, die ihnen sagte, was sie tun sollten. Ganze Divisionen haben kapituliert.
Wenn eine kleine Gruppe israelischer Soldaten abgeschnitten war, sagte der Offizier „Acherei“ – und entschied und handelte immer noch. Diese örtliche Flexibilität ist ganz entscheidend.
Wir sollten also keine Zentrale haben, die alles überörtlich kontrolliert, sondern örtliche Flexibilität, verbunden mit dem Vorbild „Mir nach!“
Wenn ein Ältester mit Evangelisation vorangeht, wenn er Dinge anreißt, motiviert das die anderen. Nicht einfach: „Geht, macht!“ Das ist ein kleines Plädoyer für biblische Führerschaft.
Das Gesetz am Sinai: Freiheit mit Grenzen
Jetzt kommen wir zu 2. Mose 19. Ein ganz neuer Einschnitt. Im dritten Monat nach dem Auszug der Kinder Israel aus dem Land Ägypten kamen sie an diesem Tag in die Wüste Sinai. Sie brachen auf von Rephidim, erreichten die Wüste Sinai und lagerten sich dort. Israel lagerte sich dem Berg gegenüber.
Mose stieg hinauf zu Gott, und der Herr rief ihm vom Berg zu und sprach: So sollst du zum Haus Jakob sprechen und den Kindern Israel kundtun: Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch auf Adlersflügeln getragen und zu mir gebracht habe. Nun aber, wenn ihr fleißig auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, so sollt ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern, denn die ganze Erde gehört mir. Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein. Das sind die Worte, die du zu den Kindern Israel sagen sollst.
Mose verkündigte das, und das ganze Volk antwortete voller Enthusiasmus in Vers 8: "Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun." Dann geschah es, dass der Berg Sinai zu rauchen begann. Eine schwere Wolke lag über dem Berg, es gab ein Erdbeben, und das ganze Volk hörte ein Schofahorn, das immer lauter wurde, eine Posaune. Mose sagte, wie uns unter anderem in Hebräer 12 berichtet wird: "Ich bin voll Furcht und Zittern." Dann hörten sie Gottes Stimme.
Die Verkündigung der Zehn Gebote in Kapitel 20 markiert die Einführung des Gesetzes. Nun müssen wir dieses Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Erstens: Erlösung führt nicht zu schrankenloser Freiheit. Gott wollte diesem erlösten Volk Richtlinien geben. Als Gorbatschow nach seinen Erfahrungen mit Perestroika und Glasnost nach Israel kam, wurde ihm gesagt: Du hast etwas Ähnliches getan wie Mose. Du hast den Völkern Freiheit gegeben, aber versäumt, das zu tun, was Mose getan hat – er hat ihnen Gottes Gebote gegeben. Wenn Völker Freiheit erhalten, werden sie zügellos, korrupt und skrupellos, das kennen wir. Wer eine Reise durch die ehemalige Sowjetunion macht, erlebt das hautnah.
Gott will keine schrankenlose Freiheit, sondern Richtlinien. Das gilt auch für die Erlösten heute. Galater 5,13 ist ein Brief, der gegen Gesetzlichkeit donnert. Dort wird erklärt: "Denn ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder, allein gebraucht nicht die Freiheit als Anlass für das Fleisch." Fleisch meint hier im Galaterbrief die bösartige, sündige Natur, die zum Bösen drängt. Stattdessen heißt es: "Durch die Liebe dient einander." Freiheit bedeutet also keine Zügellosigkeit, sondern sich führen zu lassen durch Gottes moralische Richtlinien.
Darum gibt Gott seinem Volk Richtlinien. Für Israel ist das das Gesetz vom Sinai, und das ist wichtig. Aber dieses Gesetz hat er nicht der Gemeinde gegeben. Die Gemeinde steht nicht unter dem Gesetz vom Sinai. Stattdessen haben wir ein anderes Gesetz, das ausgerechnet im Galaterbrief erwähnt wird.
Die Galater wollten plötzlich als Christen beginnen, das Gesetz Mose einzuhalten – und zwar konsequent, nicht nur die neun Gebote, wie viele Christen es tun. Das Sabbatgebot wurde ein wenig uminterpretiert. Schließlich spricht das Neue Testament nicht vom Sabbat, sondern vom ersten Tag der Woche, der einfach zum Sonntag umfunktioniert wurde. Von Beschneidung und ähnlichem wollte man nichts wissen.
Die Galater hatten sich sehr konsequent unter das Gesetz gestellt und begannen auch mit der Beschneidung. Paulus reagierte massiv. Das ist einer der schärfsten Briefe im Neuen Testament. Er sagt, das sei ein anderes Evangelium. Christen dürfen nicht unter das Gesetz von Sinai gestellt werden. Sie fingen an, jüdische Feste zu feiern, und Paulus fragt: "Ich frage mich, ob meine Arbeit umsonst war."
Ausgerechnet in diesem Brief heißt es dann in Galater 6,2: "Einer trage des anderen Lasten, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." Was ist das Gesetz Christi? Das ist nicht das Gesetz vom Sinai.
Dieser Ausdruck ist auch aus der rabbinischen Literatur bekannt. Wer es genau wissen will, kann im Midrasch Kohelet, einer Auslegung zum Prediger 10,8, nachlesen. Dort wird erklärt: Die Tora, das Gesetz, das wir in diesem Zeitalter lernen, kann nicht verglichen werden mit der Tora, die der Messias bringen wird. Dort taucht der Ausdruck "Torato" auf, das heißt das Gesetz des Messias, des Christus. Das kennt man also im Judentum. Man wusste, dass die Tora, wie wir sie jetzt lernen, einmal durch eine andere Tora abgelöst wird, wenn der Messias kommt – eine Tora auf einer viel höheren Ebene.
Wo finden wir die Tora des Christus? Im Neuen Testament, besonders in den Briefen der Apostel und Propheten. Ist sie höher? Ja, natürlich. Das Gesetz vom Sinai sagt: Du sollst nicht ehebrechen. Das kann jemand tun und trotzdem eine katastrophale Ehe führen. Das Neue Testament sagt hingegen, dass ein Mann bereit sein soll, für seine Frau zu sterben – genauso wie Christus für die Gemeinde gestorben ist (Epheser 5, letzter Abschnitt). Das ist eine ganz andere Ebene.
Ich persönlich möchte nicht unbedingt für meine Frau sterben, sondern lieber mit ihr zusammenleben. Aber das ist ein ganz anderer Maßstab als einfach "Du sollst nicht ehebrechen." Ebenso heißt es im Gesetz: Du sollst nicht stehlen. Im Epheserbrief wird gesagt: Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr mit seinen Händen, damit er dem Dürftigen etwas zu geben hat. Du sollst also nicht nur nicht stehlen, sondern sogar arbeiten, um anderen etwas schenken zu können. Das ist eine ganz andere Ebene.
So könnte man Punkt für Punkt durchgehen und findet im Neuen Testament keine Gesetzlosigkeit oder Schrankenlosigkeit, sondern einen Anspruch, der von einem ganz anderen Standpunkt ausgeht.
Gott ging davon aus, dass die meisten in Israel gar nicht bekehrt waren. Es heißt ausdrücklich in 1. Korinther 10, dass alle mit Mose ausgezogen sind, durchs Rote Meer gingen, Wasser aus dem Felsen tranken, Manna aßen usw. Doch an den meisten hatte Gott kein Wohlgefallen. Die meisten waren gar nicht bekehrt.
Israel war gewissermaßen ein Projekt, das einem Staatskirchen-Projekt entspricht. Israelit wurde man durch Geburt, da war keine Wiedergeburt nötig. Das Gesetz sagt "Du sollst nicht, du sollst nicht" und weist schon darauf hin, dass die Leute gerade darin ein Problem hatten.
So war das Gesetz eigentlich an nicht erneuerte Menschen gerichtet, damit sie sehen sollten, wie sie wirklich sind: Ehebrecher, Diebe. Man kann heute sehr elegant stehlen, indem man etwa das Urheberrecht für Software missachtet. In der Kürze kann man Tausende von Franken stehlen, und das geht ganz elegant nur durch Kopieren.
Leider sind die Softwaregesetze viel strenger als die für Bücher. Bücher darf man zum eigenen Gebrauch kopieren, nicht aber verbreiten. Bei Software ist das nicht erlaubt. So kann man heute sehr elegant zum Dieb werden. Das Gesetz sagt: Du sollst nicht stehlen, um zu zeigen, wo das Problem liegt – im Herzen.
Das Gesetz vom Sinai sollte dem Menschen einen Spiegel vorhalten. Ich habe hier drei Punkte aufgeführt:
Erstens: Das Gesetz sagt, du bist sündig (Römer 3,20). Durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.
Zweitens: Das Gesetz sagt, du bist unfähig, aus eigener Kraft Gottes Anforderungen zu erfüllen. Römer 8,3 erklärt, dass das Gesetz durch das Fleisch, also die sündige Natur des Menschen, geschwächt ist. Das Gesetz war gut, aber die Menschen waren nicht zu gebrauchen.
Das ist wie wenn man Michelangelo gesagt hätte: Ich möchte eine großartige Statue. Was soll es sein? Ein David, bekleidet mit Harfe. Material? Ein Sandhaufen. Nein, das geht nicht. Ich brauche Stein, Granit. Dann tue ich alles weg, was nicht zu David gehört, und was übrig bleibt, ist David. Ein Künstler kann nichts anfangen, wenn das Material nichts taugt.
So ist es auch mit dem Gesetz. Das Gesetz konnte mit dem Menschen nichts anfangen, weil das Material nicht taugte. Das war das Problem.
Drittens: Das Gesetz erklärt dem Menschen, dass er einen Erlöser braucht. Galater 3,24 sagt: "Das Gesetz war unser Pädagoge auf Christus hin." Im Grundtext steht das Wort "paedagogos", nicht "Zuchtmeister", wie alte Übersetzungen es brutal übersetzt haben. Ein Pädagoge war im Altertum oft ein Sklave, der die Kinder zur Schule brachte, sie erziehen und ihnen interessante Dinge erklären musste – also eine positive Erziehung in der Freizeit.
So war das Gesetz gewissermaßen die Erziehung hin auf Christus, um dem Menschen zu zeigen, dass er einen Erlöser braucht. Gerade in all diesen Punkten hat der Mensch ein Problem und braucht Vergebung. Das ist die Funktion des Spiegels.
Israel sollte 1500 Jahre getestet werden, um dann zu erkennen: Wir brauchen Christus, einen Gekreuzigten, der durch sein Opfer unsere Schuld wegnimmt.
Im Neuen Testament kommt Jesus, und die, die an ihn glaubten, konnten von neuem geboren werden, Leben aus Gott empfangen. So vielen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden. Es wird erklärt, dass sie nicht aus dem Willen des Mannes geboren sind, sondern aus Gott.
Dieses neue Leben, Christus in uns, ist die Kraft, das zu tun, was Gott will. Unser Material taugt nicht, aber Christus in uns taugt. Paulus sagt in Galater 2,20: "Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir."
Das kann man gut mit einem Handschuh vergleichen. Ein Handschuh kann nichts, er kann nicht Klavier spielen. Aber wenn man in einen Zehnfinger-Handschuh hineingeht, kann man Klavier spielen – vielleicht etwas unbequem, aber es geht. So sind wir: Wir taugen nichts wie ein Handschuh, aber Christus in uns gibt uns die Kraft.
Darum sagt das Neue Testament nicht mehr in der Sprache "Du sollst nicht, du sollst nicht", sondern: "Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr." Dann wird gesagt: "Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie Christus die Gemeinde geliebt hat und sich für sie hingegeben hat." Es heißt nicht mehr "Du sollst nicht", sondern "Ihr Männer, liebt eure Frauen." Das ist eine ganz neue Voraussetzung, das ist das Gesetz des Christus. Es geht von Menschen aus, die ein neues Leben bekommen haben.
Nun gehen wir einen Punkt weiter: Die Zehn Gebote sind eigentlich das Grundgesetz. Alle weiteren hunderten von Geboten in 2. Mose, 3. Mose, 4. Mose und 5. Mose sind nur eine detaillierte Auslegung davon.
Die Gebote eins bis vier sind vertikal und betreffen das Verhältnis des Menschen zu Gott. Sie werden zusammengefasst im Gebot: "Du sollst den Herrn lieben mit deiner ganzen Kraft, deiner ganzen Seele und deinem ganzen Verstand."
Die Gebote fünf bis zehn betonen den horizontalen Aspekt – das Verhältnis Mensch zu Mensch: Kinder zu Eltern, Mann zu Frau, das Verhältnis zum Nachbarn usw., zusammengefasst im Gebot aus 3. Mose 19,18: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Warum diese schreckliche Erscheinung auf dem Sinai? Hebräer 12,18-21 fasst das schön zusammen, und Mose sagt: "Ich bin voll Furcht und Zittern." Gott will dem Menschen zeigen: Wenn wir uns unter das Gesetz von Sinai stellen, dann bringt das den Menschen unter das schonungslose Gericht. Wir haben keine Chance.
Nach der Gesetzgebung in 2. Mose 19-24 folgt die Beschreibung der Stiftshütte. Das ist interessant, denn dort spielte ein Opferdienst eine zentrale Rolle. Israel konnte von da an lernen, was das mit dem Gesetz anbetrifft: Wir haben keine Chance, aber wir brauchen Vergebung.
Es gab ein Vergebungssystem. Der schuldige Mensch musste ein unschuldiges Opfer bringen, das an seiner Stelle starb. Er musste reuig seine Schuld bekennen. Mit dem Gesetz wurde also auch gleich die Lösung mitgeliefert – eben als Pädagoge auf Christus hin.
Die Stiftshütte als Abbild des himmlischen Heiligtums und Sinnbild für Christus und die Gemeinde
Nun kommen wir zur Beschreibung der Stiftshütte in den Kapiteln 25 bis 31. Schon an einem viel früheren Bibelschulentag habe ich mit Dias die Stiftshütte und ihre Symbolik ziemlich detailliert erklärt. Deshalb wiederholen wir das heute nicht, zumal es zeitlich auch nicht möglich wäre. Wir wollen ja einen Überblick bis Kapitel 40 machen.
Ich lese nun im Zusammenhang mit den Anweisungen zur Stiftshütte:
25,8: „Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich in ihrer Mitte wohne.“
„Nach allem, was ich dir zeige – das Urbild der Wohnung und das Urbild aller ihrer Geräte – also sollt ihr es machen.“ Mose war ja vierzig Tage auf dem Berg. Dort bekam er das Gesetz, und gleichzeitig durfte er in den Himmel schauen und sah den originalen Tempel. Davon musste er eine Kopie anfertigen.
In Hebräer 8 wird ausdrücklich gesagt, dass es Abbilder der Dinge im Himmel waren. Ich lese Hebräer 8, Vers 5: „Da wird von den Priestern in der Stiftshütte gesagt, welche dem Abbild und Schatten der himmlischen Dinge dienen, gleichwie Mose eine göttliche Weisung empfing, als er im Begriff war, die Hütte aufzurichten, und denn siehe, spricht er, dass du alles nach dem Muster machst, das dir auf dem Berg gezeigt worden ist.“
Das Urbild im Himmel sollte also kopiert werden, und Gott wollte gewissermaßen unter den Menschen wohnen. Man fragt sich hier: Wie soll das möglich sein? Ein heiliger Gott inmitten eines Volkes, von dem die meisten sogar nicht bekehrt sind?
Dieses ungewöhnliche Geheimnis hat Mose schon bei seiner Berufung erlebt. Gott begegnete ihm im brennenden Dornbusch, und der Dornbusch verbrannte nicht. Gott ist ein verzehrendes Feuer, und der Mensch von Natur ist ein Dornbusch, der nur stechen kann und keine Frucht liefert. Dennoch verbrannte der Dornbusch nicht.
Das ist ein Geheimnis: Gott konnte 1500 Jahre in der Mitte Israels wohnen, ohne dass der Dornbusch zu Asche verbrannte. Also wollte Gott in der Mitte seines Volkes wohnen.
Neutestamentlich finden wir genau dasselbe. In Matthäus 18,20 sagte Jesus im Blick auf die neutestamentliche Gemeinde: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind zu meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ So einfach ist die neutestamentliche Gemeinde: Es braucht nur zwei Leute, es können auch drei sein. Es ist auch nicht schlimm, wenn es ein bisschen mehr oder viel mehr sind, aber zwei reichen.
Der Mittelpunkt muss Christus sein, der zu seinem Namen versammelt ist. Das ist ganz wörtlich: „Da bin ich in ihrer Mitte.“ Das Prinzip lautet also: Gott will unter den Menschen wohnen. Das ist auch heute möglich.
Die Jünger waren sicher erstaunt, denn die Rabbis erklärten immer, dass für eine Synagoge in einer Stadt mindestens zehn Männer nötig sind. Das haben sie unter anderem aus der Geschichte von Sodom und Gomorra abgeleitet. Abraham ging doch runter bis auf zehn Leute. Wenn es zehn Gerechte in der Stadt gibt, wird Gott die Stadt verschonen. Die Rabbis leiteten daraus ab, dass ein glaubwürdiges Zeugnis, das Gott anerkennt, in einer Stadt zehn Gerechte sind.
Darum gibt es auch heute noch den Minjan, die Mindestzahl von zehn Männern, damit man eine Synagoge bilden kann. Zum Beispiel in Philippi, da war Paulus auf der zweiten Missionsreise. Dort kam er in einen Frauengebetskreis am Fluss. Sie hatten keine Synagoge, weil es keine zehn Männer gab, aber es gab eine ganze Reihe gottesfürchtiger Frauen. Sie bildeten keine Synagoge, weil der jüdische Minjan nicht erfüllt war.
Jesus Christus sagt jedoch, es ist viel einfacher für die Gemeinde: zwei oder drei reichen. Das zur Parallelität.
Ich habe erklärt: Die Stiftshütte ist ein detailliertes Abbild des himmlischen Urbildes oder Originals. Natürlich ist sie ein Schattenbild. Ein Schatten ist zum Beispiel zweidimensional im Gegensatz zum Körper, der den Schatten wirft. Aber es ist gewissermaßen eine Reproduktion.
Die Stiftshütte als transportabler Tempel war aber auch ein detailliertes Sinnbild auf Christus hin. Denn der Messias wird in Jesaja 8, Vers 14 genannt, und es heißt, er wird zum Heiligtum sein. Darum hat der Herr Jesus im Tempel gesagt: „Brecht diesen Tempel ab, und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufrichten.“ Christus ist in ihm der dreieinige Gott, der hier auf Erden gegenwärtig war.
Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (Johannes 1, Vers 14). Ganz wörtlich steht im Griechischen das Verb „zelten“ für „wohnen“. Johannes 1, Vers 14: „Das Wort wurde Fleisch und zeltete unter uns.“ Das ist die wahre Stiftshütte, die Stiftshütte als Sinnbild auf Christus hin.
Dann ist die Stiftshütte auch ein detailliertes Sinnbild im Blick auf die Gemeinde, auf die Kirche. 1. Korinther 3,16: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“
Aber die Stiftshütte ist auch ein detailliertes Sinnbild auf den einzelnen Erlösten hin. 1. Korinther 6,19 sagt: „Wisst ihr nicht, dass euer Körper der Tempel des Heiligen Geistes ist?“
Die Stiftshütte ist zudem ein detailliertes Vorbild auf die späteren Tempel: den ersten Tempel, den salomonischen, dann den zweiten Tempel, in dem auch der Herr Jesus gewesen ist, der im Jahr 70 zerstört wurde. In der Zukunft wird es noch einen dritten Tempel geben.
Das alles wird in der Stiftshütte vorgebildet. So haben wir also die Stiftshütte als Abbild eines Urbildes. Das Sinnbild davon ist Christus, die Gemeinde und der einzelne Erlöste. Gleichzeitig ist sie ein Vorbild auf die späteren Tempel.
Mit diesen Begriffen kann man sich das am besten aneignen: Abbild, Urbild, Sinnbild, Vorbild. Man muss nur erklären, was man mit den Wörtern meint.
Die Stiftshütte umfasst eine sehr detaillierte Symbolik, und ich möchte das jetzt nur an einem Beispiel illustrieren.
Paulus war vor König Agrippa und musste in einem Konsultativverfahren Stellung beziehen. Dann erklärt der König Agrippa in diesem Gerichtssaal: „Ich erzähle nichts anderes, als was auch Mose und die Propheten gesagt haben, dass der Christus leiden sollte und dass er als erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen.“ Ich gebe an, wo das steht: Apostelgeschichte 26,22-23.
Nun hätte jemand, ein Rabbi, da sitzen können und denken: Was erzählst du? Wo steht in den fünf Büchern Mose, dass der Christus leiden sollte und als erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen sollte? Man kann hier die fünf Bücher Mose durchlesen, von vorne bis hinten und dann auf Hebräisch wieder rückwärts, und man findet nichts – außer man bleibt stehen bei der Beschreibung der Stiftshütte, bei der Menorah, dem goldenen Leuchter, Kapitel 25, Vers 31 und folgende.
Ich will erklären, warum.
Die Menorah kennen wir alle. Sie besteht aus sieben Lampen, und darin war Olivenöl. Mit Olivenöl wurden Könige und Priester gesalbt. Es konnte auch sein, dass ein Prophet gesalbt und in den Dienst eingesetzt wurde.
Der Messias sollte einmal kommen, um all diese Ämter – König, Priester und Prophet – in sich zu vereinigen. Das ist griechisch Christus, das heißt Messias oder Christus, der Gesalbte.
Also hat Mose gesagt, dass der Christus hier, wir haben siebenfache Öllampen, leiden sollte.
Gott sagte zu Mose: Aus einem Talent, also fast 40 Kilo reinem Gold, soll der Leuchter gehämmert werden, in Schmiedearbeit, nicht gegossen. Kein Handwerker kann das heute. Niemand weiß, wie das geht. Es muss nämlich hohle Rohre geben, die sieben Arme. Kein Handwerker kann das heute, aber der Künstler damals konnte das. Und zwar durch den Heiligen Geist, wird ausdrücklich gesagt.
Also musste der Leuchter geschlagen, geschlagen, geschlagen werden, und diese Hammerschläge sollten erklären, dass der Christus leiden sollte.
Dann gab es darauf einundzwanzig Mandelblüten, Knauf und Blume. Der Mandelbaum ist der erste Baum in Israel, der Ende Januar, Anfang Februar mit seinen weißen Blüten das neue Leben des Frühlings ankündigt.
Als erster durch Totenauferstehung sollte Christus Licht verkündigen – das siebenfache Licht.
Aber Paulus sagt nicht, wenn man ein bisschen Fantasie hat und eine Vorliebe für Typologie, dann könnte man das und das sehen. Ich sage nichts anderes, als was Mose und die Propheten gesagt haben, dass der Christus leiden sollte und als erster durch Totenauferstehung dem Volk und den Nationen Licht verkündigen sollte.
Wir sehen, wie selbstverständlich es war, diese Symbolik in der Stiftshütte hin auf Christus zu erkennen.
Das goldene Kalb: Religionsvermischung und Gottes Gnade
Jetzt kommen wir zum nächsten Abschnitt. Wir kommen schon gut voran: Das goldene Kalb.
Gott hatte gerade die Tafeln mit den zehn Geboten beschrieben (2. Mose 31,18). Das Volk dachte, es würde noch lange dauern, bis Mose vom Berg zurückkommt. Wahrscheinlich war ihnen etwas zugestoßen, denn es war gefährlich auf dem Sinai. Sie waren nachts hinaufgestiegen, und da konnte man sich leicht verletzen oder sich verlaufen. Heute gibt es von Mönchen gebaute Treppen hinauf, damals nicht. Es handelt sich um ein etwa 2500 Meter hohes, felsiges Gebirge – also wirklich gefährlich.
Am Ende kamen sie zu dem Schluss: Jetzt machen wir ein Fest und stellen ein goldenes Kalb her. Damit brachen sie bereits die ersten zwei Gebote: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben und du sollst dir kein Götzenbild machen. Bevor sie das Gesetz überhaupt in den Händen hatten, hatten sie diese Gebote schon gebrochen.
Außerdem handelte es sich um totale Religionsvermischung. Das Kalb hatten sie nicht selbst erfunden. Falsche Religion ist meist nicht originell, sondern eine Kopie. Sie hatten es vom ägyptischen Apiskult übernommen, in dem der Apisstier als Form des Sonnengottes verehrt wurde. Dieser trug eine Sonnenscheibe zwischen den Hörnern. So wurde der Apiskult wieder aufgegriffen.
In 2. Mose 32,5 heißt es: „Als Aaron es sah, baute er einen Altar vor ihm und rief aus: Ein Fest dem Jahwe ist morgen!“ Und in Vers 4 sagen sie vom gegossenen Kalb: „Das ist ein Gott.“ Dabei nennen sie den Namen Jahwe, der sonst im Heidentum nicht bekannt war.
Das ist ein Beispiel für Religionsvermischung, auch Synkretismus genannt. Man kann alles zusammenmischen, und das ist heute ein großes Kennzeichen. Viele behaupten, letztlich führten alle Religionen zum gleichen Gott und Ziel. Das strebt auch die UNO an – ein moderner Synkretismus.
Genau so dachten auch die Römer. In der Schule lernten wir, dass bei den Griechen Zeus der höchste Gott war, bei den Römern Jupiter. Artemis bei den Griechen entspricht Minerva bei den Römern. Diese Gleichsetzungen wurden als selbstverständlich dargestellt, doch das ist Synkretismus – das Gleichsetzen und Vermischen von Religionen.
Das Gleiche sehen wir heute beim Islam, wo ein heidnischer Gott so umgestaltet wurde, dass viele meinen, er sei derselbe Gott wie der der Bibel. Doch das ist nicht der Fall, denn dieser Gott hat keinen Sohn.
Neben der Religionsvermischung kam noch eine ekstatische Religiosität hinzu. Es wurde ein ausgelassenes Fest gefeiert. Mose hatte gedacht, es sei Krieg unten, doch es war ein religiöses Fest. Die lauten Geräusche klangen von weitem wie Krieg.
Sie hatten keine Bässe mit Verstärkern, aber sie brachten die Stimmung so, dass die Leute völlig ausflippen konnten. Ekstatische Religiosität ist immer von unten kommend. Gott wollte ein Fest, wie Mose schon zum Pharao sagte: „Wir wollen hinaus in die Wüste und Gott ein Fest feiern.“
Doch hier wurde ein ekstatisches Fest gefeiert. Und Ekstase ist immer von unten. Gott verbietet Ekstase im Neuen Testament. In 2. Timotheus 4,5 heißt es: „Du aber sei nüchtern in allem.“ Das griechische Wort „nepho“ bedeutet Abwesenheit von jeglicher seelischer und geistiger Trunkenheit, von Überstürzung und Verwirrung.
Mose kam dann herab und zerschlug die Tafeln. Warum? Er hätte sagen können, jetzt muss das Gericht über das Volk kommen. Doch er zerschlug die Tafeln. Natürlich gab es dann ein Gericht, aber das Volk überlebte. Mose bat Gott um Verschonung des Volkes, und Gott verschonte es. Er sagte: „Ja, ich will Güte erweisen Israel.“
Das ist eigenartig: Nach der Gesetzgebung kommt die Gnade Gottes hinein. Zählen Sie selbst in 2. Mose 33 nach, wie oft das Wort Güte oder Gnade vorkommt – man ist überrascht.
Die Tafeln sind eigentlich ein Hinweis auf Jesus Christus. In Matthäus 5,17 sagte Jesus in der Bergpredigt: „Meint nicht, ich sei gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzulösen. Ich bin gekommen, sie zu erfüllen.“ Er meinte, das Gesetz in seiner ganzen Fülle darzustellen.
Jesus hat das Gesetz als Einziger hundertprozentig eingehalten. Er entspricht gewissermaßen diesen Tafeln. Ausgerechnet er wurde von Gott zerschlagen – wie es in Jesaja 53 heißt: „Es gefiel dem Ewigen, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen.“
Dann machte Mose neue Tafeln, und Gott beschrieb diese Tafeln in Kapitel 34 nochmals neu. Als Mose vom Berg herunterkam, strahlte sein Gesicht, und die Israeliten konnten das nicht ertragen. Sie legten ihm eine Decke über das Gesicht.
Warum strahlte er nicht beim ersten Mal, sondern erst beim zweiten Mal? Ganz einfach: Beim ersten Mal war es hundert Prozent Gesetz, beim zweiten Mal war es Gesetz vermischt mit Gnade.
Das ist sehr wichtig, denn sonst hätte es nie ein Zeitalter des Gesetzes von Mose bis Christus geben können. Gott hätte das Volk unmittelbar vernichten müssen – hundert Prozent Gesetz.
Das erklärt auch, warum es im ganzen Zeitalter des Gesetzes viele Israeliten gab, die gläubig waren und durch den Glauben erneuert wurden. David und andere Psalmisten konnten in den Psalmen darüber singen, wie sie Freude an dem Gesetz von Sinai hatten.
Das ist eigenartig: Wie können sie Freude an etwas haben, das eigentlich Fluch bringt? Weil sie erneuert waren und Freude an Gottes Maßstäben hatten. Es war Gesetz vermischt mit Gnade. Deshalb preisen sie auch in den Psalmen so oft die Güte und Gnade Gottes, obwohl sie unter dem Gesetz stehen.
Darum strahlte Mose.
Nach 2. Mose 35 bis 40 folgt die Ausführung der Stiftshütte.