Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir befinden uns weiterhin in Lukas 22. Obwohl wir beim letzten Mal eigentlich bis zum Schluss des Kapitels gekommen sind, haben wir die Verleugnung des Petrus weitgehend ausgelassen.
Deshalb schlage ich vor, dass wir noch einmal von Vers 54 bis zum Ende des Kapitels lesen. Anschließend steigen wir in Kapitel 23 ein. Darf ich bitten?
Die Verleugnung des Petrus und der nächtliche Prozess gegen Jesus
Nachdem sie Jesus festgenommen hatten, führten sie ihn fort und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von ferne.
Inmitten des Hofes hatten sie ein Feuer angezündet und saßen beieinander. Petrus setzte sich mitten unter sie. Ein Diener des Hohenpriesters sah ihn beim Feuersitzen, schaute ihn an und sagte: „Du warst auch mit Jesus.“ Doch Petrus verleugnete ihn und antwortete: „Frau, ich kenne ihn nicht.“
Kurz darauf sah ihn ein anderer und sagte: „Du bist auch einer von ihnen.“ Petrus erwiderte: „Mensch, ich bin es nicht.“ Nach etwa einer Stunde behauptete ein weiterer: „Wahrhaftig, auch dieser war mit ihm, denn er ist ein Galiläer.“ Doch Petrus sagte: „Mensch, ich weiß nicht, wovon du sprichst.“
Sogleich, während er noch redete, krähte der Hahn. Der Herr wandte sich um und sah Petrus an. Da erinnerte sich Petrus an das Wort des Herrn, das er zu ihm gesagt hatte: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Daraufhin ging Petrus hinaus und weinte bitterlich.
Die Männer, die Jesus festhielten, verspotteten und misshandelten ihn. Nachdem sie ihn verhüllt hatten, schlugen sie ihn ins Gesicht und fragten ihn: „Weissage uns! Wer ist es, der dich geschlagen hat?“ Viele weitere Lästerungen sprachen sie gegen ihn aus.
Als es Tag geworden war, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die obersten Priester und Schriftgelehrten. Sie führten Jesus vor ihren Hohen Rat und fragten ihn: „Bist du der Christus? Sage es uns!“
Er antwortete ihnen: „Wenn ich es euch sagen würde, würdet ihr es nicht glauben. Und wenn ich euch Fragen würde, würdet ihr nicht antworten oder mich loslassen. Von nun an wird der Sohn des Menschen sitzen zur Rechten der Macht Gottes.“
Da sprachen sie alle: „Bist du also der Sohn Gottes?“ Er antwortete: „Ihr sagt es, denn ich bin es.“ Sie sagten daraufhin: „Was brauchen wir noch ein weiteres Zeugnis? Wir haben es selbst aus seinem Mund gehört.“
Gesetzesverstöße im jüdischen Prozess und die Bedeutung der Mischna
Eben in der Übersicht haben wir alles schon gesehen und uns damit beschäftigt, dass viele Gesetzesbrüche stattgefunden haben. Mindestens zwanzig Gesetze wurden in diesem jüdischen Prozess verletzt.
Woher weiß man das? Das basiert auf einem Band aus dem Talmud, dem Talmud Bavli, also dem babylonischen Talmud. Dieser Talmud ist im Judentum nach der Bibel das wichtigste rabbinische Werk. Es gibt auch den Talmud Jerusalem, den Jerusalemer Talmud, der aber weniger autoritativ ist. Die Grundlage beider Talmude ist dieselbe, nämlich die Mischna.
Die Mischna wurde im zweiten Jahrhundert nach Christus verfasst. Nun könnte jemand sagen: „Das ist ja eher späteres Judentum. Wie kann man sich auf die Mischna berufen, um zu sagen, welche Gesetze damals übertreten wurden?“ Aber man muss Folgendes wissen: Der Herr Jesus hat immer wieder die Überlieferungen der Ältesten angegriffen.
Gerade in Markus 7 findet sich dazu ein längerer Abschnitt. Dort sagt Jesus, dass diese Überlieferungen dem Wort Gottes widersprechen, und er gibt ein Beispiel, das tatsächlich auch im Talmud zu finden ist. Diese Überlieferung nennt er die Überlieferung der Ältesten.
Man kann dazu kurz Markus 7, Verse 1-3 lesen:
„Es versammelten sich bei ihm die Pharisäer und etliche Schriftgelehrte, die von Jerusalem gekommen waren. Als sie einige seiner Jünger mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen Brot essen sahen, tadelten sie es. Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie sich nicht zuvor gründlich die Hände gewaschen haben, weil sie die Überlieferung der Alten halten. Und wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich gewaschen zu haben. Noch vieles andere haben sie zu halten angenommen, nämlich Waschungen von Bechern und Krügen und Ehrengeschirr und Polstern.“
Daraufhin fragten ihn die Pharisäer und Schriftgelehrten: „Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Alten, sondern essen das Brot mit ungewaschenen Händen?“
Er aber antwortete und sprach zu ihnen:
„Trefflich hat Jesaja von euch Heuchlern geweissagt, wie geschrieben steht: ‚Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, doch ihr Herz ist fern von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, weil sie Lehren vortragen, die Menschengebote sind. Denn ihr verlasst das Gebot Gottes und haltet die Überlieferung der Menschen ein. Waschungen von Krügen und Bechern und viele andere ähnliche Dinge tut ihr.’“
Der Herr spricht hier also über die Überlieferung der Ältesten und greift sie an. Er sagt, dass dies sogar die Erfüllung dessen ist, was Jesaja vorausgesagt hat: Sie verehren Gott mit Menschengeboten.
Das war der große Konflikt zwischen dem Herrn Jesus und der jüdischen Führerschaft damals. Er hat in verschiedenen Punkten diese Überlieferung angegriffen. Das konnten sie nicht akzeptieren, weil sie diese Überlieferung als inspiriert ansahen. Der Herr hat sie so abgelehnt, und...
Die mündliche Überlieferung und die Entstehung des Talmuds
Die Überlieferung der Ältesten wurde von den Rabbinern damals mündlich an ihre Schüler und Studenten weitergegeben. Man legte großen Wert darauf, diese Tradition nicht schriftlich festzuhalten, sondern ausschließlich mündlich zu überliefern. Deshalb war es sehr wichtig, die Inhalte genau auswendig zu lernen. Das Niveau des Auswendiglernens war damals viel höher als heute.
Heutzutage können die meisten Menschen kaum noch etwas auswendig lernen. Oft wird das Auswendiglernen sogar als etwas „dümmlich“ angesehen. Dabei glauben viele, wer auswendig lernt, sei weniger intelligent. Tatsächlich behalten wir so nur die wichtigsten Dinge und versuchen dann, alles selbst herzuleiten. Wenn man jedoch sowohl auswendig lernt als auch herleitet, hat man mehr Wissen und Verständnis.
Ich habe das selbst damals im Gymnasium im Fach Geschichte erlebt. Die Schüler, die die Jahreszahlen auswendig konnten, galten als die „Dummen“. Sie wurden als Stars angesehen, weil sie einfach stur auswendig gelernt hatten. Die Klügeren hingegen waren diejenigen, die die großen Linien und Zusammenhänge der Geschichte wiedergeben konnten.
Doch wenn es um konkrete Details ging und man nicht mehr wusste, ob ein Ereignis vorher oder nachher stattfand, hatten die Schüler mit den auswendig gelernten Zahlen den Vorteil. Sie hatten das Gerüst im Kopf und konnten daraus ableiten. Das widerspricht sich also nicht.
So wurde damals vorgegangen: auswendig lernen und zugleich selbst denken, herleiten und argumentieren können.
Im zweiten Jahrhundert begann man dann doch, Teile dieser Überlieferung aufzuschreiben. Warum? Obwohl ein Bestandteil der Überlieferung war, nichts aufzuschreiben, erkannte man eine Notwendigkeit dazu. Im Jahr 70 nach Christus wurde der Tempel in Jerusalem zerstört. Danach begann das jüdische Volk, sich weltweit zu zerstreuen.
Im Jahr 70 und auch im Jahr 135 flohen über eine Million Juden beispielsweise nach Babylonien. Sie waren nicht mehr im Land, sondern in Babylonien. Deshalb waren die besten Rabbiner damals in Babylon und nicht mehr in Jerusalem. Aus diesem Grund heißt der Talmud auch „Babylonischer Talmud“.
Diese Rabbiner waren im Ausland und hatten Angst, dass durch die Zerstreuung des jüdischen Volkes die Überlieferung verloren gehen könnte. Deshalb setzten sie die Vorgabe, nichts aufzuschreiben, außer Kraft und begannen, die Überlieferung schriftlich festzuhalten.
Das Erste, was im zweiten Jahrhundert aufgeschrieben wurde, war die Mischna. Sie bildet die Grundlage des Talmuds. Danach wird die Mischna kommentiert. Diese Kommentare nennt man Gemara. Die Gemara ist im Jerusalemer Talmud und im Babylonischen Talmud unterschiedlich, da verschiedene Rabbiner sie verfassten.
Diejenigen, die hier kommentieren, sind die wichtigen Rabbiner. Doch das Wichtigste bleibt die Mischna. Sie ist die Basis und gibt wieder, was im ersten Jahrhundert und davor gelehrt wurde.
Dank der Mischna können wir heute sehr konkrete Rückschlüsse ziehen. Die Kenntnis der Mischna hilft zu verstehen, was damals geschah.
Die Führer des Volkes brachten den Herrn Jesus vor Gericht, um ihn zu Tode zu verurteilen, weil er gegen ihre Überlieferung gesprochen hatte. In diesem Prozess brachen sie ein Gebot nach dem anderen aus ihrer eigenen Überlieferung. Zusätzlich hielten sie sich auch nicht an Gebote, die tatsächlich in der Bibel standen.
Ich habe ein kurzes Skript mit zwanzig Beispielen verfasst. Das werde ich beim nächsten Mal austeilen. Dann gehen wir diese zwanzig Punkte in der Übersicht durch, jeweils mit genauen Quellenangaben. Alles ist also sorgfältig belegt.
Die drei Phasen des jüdischen Prozesses und Petrus’ Rolle im Vorhof
Aber das dient einfach dazu zu zeigen, weshalb wir so genau wissen, was damals erlaubt war und was nicht. Es ist überwältigend zu sehen, dass an diesem Abend eigentlich alles schiefging.
Wir haben gesehen, in Vers 54: Sie nahmen ihn fest, führten ihn hin und brachten ihn in das Haus des Hohen Priesters. Ein Prozess durfte jedoch nur im Tempel durchgeführt werden. Aber sie gingen in ein Privathaus – das war völlig unzulässig und ein großer Schock.
Petrus folgte ihnen und ging in den Hof. Was hatte er sich dabei überlegt? Warum war er überhaupt mitgegangen? Im Johannes-Evangelium erfahren wir, dass sie zuerst in das Haus des Hohen Priesters Hannas gingen. Hannas war der Schwiegervater von Kajaphas. Kajaphas war Jahre zuvor Hoher Priester gewesen, wurde aber von den Römern abgesetzt. Jahre später hatten die Römer Kajaphas eingesetzt.
In Johannes 18,12 heißt es: Die Truppe nun und ihr Befehlshaber und die Diener der Juden ergriffen Jesus, banden ihn und führten ihn zuerst zu Hannas. Denn er war der Schwiegervater des Kajaphas, der in jenem Jahr Hoher Priester war. Das ist eine kurze Notiz, dass es eine erste Prozessphase im Haus von Hannas gab. Diese wird aber nicht weiter beschrieben.
Was danach folgt, ist die zweite Prozessphase im Haus von Kajaphas. Das wird in Vers 23 deutlich: Johannes 18,23 Jesus erwiderte ihm: „Habe ich Unrecht geredet, so beweise, was daran Unrecht war. Habe ich aber Recht geredet, warum schlägst du mich?“ Hannas hatte Jesus nämlich gebunden und zum Hohen Priester Kajaphas gesandt.
Hier wird bereits angedeutet, dass das vorher Erzählte bei Kajaphas stattfand. Nach dem Besuch bei Hannas ging man also zu Kajaphas. Diese Prozessphase unter dem damals amtierenden Hohen Priester wird ausführlich in allen vier Evangelien berichtet.
Anschließend gingen sie zum Sanhedrin. In Lukas 22,66 heißt es: „Als es Tag geworden war, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die obersten Priester und Schriftgelehrten, und führten ihn vor ihren Hohen Rat.“ Als es Tag wurde, gingen sie also in das offizielle Gerichtshaus. Das war damals die Königin-Säulenhalle, die prächtigste Säulenhalle des Tempels im Süden des Tempelplatzes. Dort, in der Südostecke, war ab dem Jahr 30 der Sitz des Sanhedrins.
Es gab also insgesamt drei jüdische Prozessphasen. Die dritte begann mit dem Tagesanbruch. Sie wussten genau, dass ein Prozess nachts nicht erlaubt war. Deshalb gingen sie nachts nicht zum Sanhedrin, sondern in Privathäuser. Dort bereiteten sie alles vor, bis hin zur Urteilsverkündung. Das war nur noch eine Farce.
Offiziell, sobald die Sonne über dem Ölberg aufgegangen war, gingen sie zum offiziellen Prozess, um diesen schnell durchzuziehen und zu formalisieren. Aber ihnen war klar, dass ein nächtlicher Prozess nicht zulässig war.
Petrus kam in diesen Vorhof hinein. Dabei erfahren wir etwas sehr Interessantes. Johannes 18,15 berichtet: „Simon Petrus aber folgte Jesus nach und der andere Jünger. Dieser Jünger war mit dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus hinein in den Hof des Hohen Priesters. Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da ging der andere Jünger hinaus, der mit dem Hohen Priester bekannt war, redete mit der Türhüterin und führte Petrus hinein.“
Die Magd, die die Tür hütete, fragte Petrus: „Bist du nicht auch einer von den Jüngern dieser Menschen?“ Petrus antwortete: „Ich bin’s nicht.“
Dieser andere Jünger hatte eine ganz spezielle Beziehung zur hohepriesterlichen Familie und war dem Hohen Priester bekannt. Durch diese Bekanntheit konnte er in den Vorhof dieses Privathauses, dieses Privatpalastes, gelangen. Petrus musste jedoch draußen stehen. Johannes gab ihm quasi den Zugang.
Ein weiteres Detail: Letztes Mal haben wir gesehen, dass Petrus im Zusammenhang mit der Verhaftung bei Gethsemane sein Schwert gezogen hatte und einem Sklaven des Hohen Priesters das Ohr abgeschnitten hatte. Im Johannesevangelium wird in 18,10 am Schluss sogar der Name dieses Knechtes genannt: Malchus. Kein anderer Evangelist berichtet das, nur Johannes wusste den Namen. Das ist etwas Besonderes.
Der andere Jünger, der mit dem Hohen Priester bekannt war, wird im Evangelium auch als der „Jünger, den Jesus liebte“ bezeichnet – das ist Johannes. Diese beiden gingen hinein.
Die Frage stellt sich: Warum hatten sie so ein Interesse, dabei zu sein?
Eine weitere Frage ist, ob Johannes ein Priester oder Levit war. In der Schrift wird das nicht gesagt. Vielleicht entstand diese Behauptung aus der Tatsache, dass er einen besonderen Bezug zur hohepriesterlichen Familie hatte. Damit war er der Türöffner für Petrus.
Was war ihr Interesse, bei der Verhandlung unbedingt dabei zu sein? Sie wollten die Verhandlung miterleben.
Die Mischna sagt ganz klar: Ein Prozess muss mit der Anhörung von Entlastungszeugen beginnen. Ein Prozess darf nicht mit einer Verurteilung starten, sondern zuerst müssen alle Zeugenaussagen gehört werden, die zugunsten des Angeklagten sprechen könnten.
In allen vier Evangelien sehen wir, dass so etwas nicht stattfand. Und wenn jemand denkt, es gab halt keine Zeugen, die etwas Gutes sagen konnten, dann ist das falsch. Johannes war im Vorhof, und er war nicht irgendeiner, sondern dem Hohen Priester bekannt. Petrus wollte auch hinein, bekam aber kalte Füße, als er im Vorhof angesprochen wurde. Plötzlich war der Mut, als Zeuge auszusagen, weg.
Johannes war dort, wurde aber nicht aufgerufen.
Wir haben letztes Mal schon gesehen, dass das Ganze eine chaotische Angelegenheit war. Judas ging zu den führenden Priestern und machte mit ihnen ab, dass er, wenn sie ihm Geld geben, eine Gelegenheit suchen würde, um Jesus zu überliefern. Wann genau, war nicht abgemacht.
Früher in der Evangeliengeschichte sagen die führenden Priester, nicht am Fest, damit kein Aufruhr entsteht. Aber genau am Fest geschah es, sogar am eigentlichen Festtag.
Man muss wissen: Die Mischna sagt, ein Prozess darf nicht an einem Festtag geführt werden. Doch es fand am 15. Nissan statt, dem eigentlichen Passahfest. Dieses begann am Vorabend, an dem Jesus mit den Jüngern das Passahmahl aß. Der Tag ging weiter. Am nächsten Morgen war immer noch nach jüdischer Rechnung der 15. Nissan, der eigentliche Passah-Tag.
Das war also gar nicht erlaubt, und trotzdem haben sie es durchgeführt.
Die Bedeutung des Passahmahls und die Eile des Verrats
Ja, der Herr hat das, wie wir am Passa gesehen haben, mit zwei Handlungen aufgedeckt, wer eigentlich das Problem ist.
Einmal hat er gesagt: „Der, mit dem ich eintauche, das ist er.“ Das war ganz am Anfang der Feier, in der Phase, in der jeder ein Erdfrucht nimmt – das kann zum Beispiel ein Radieschen sein – und es in Salzwasser oder Essig, wie Weinessig, eintaucht. „Das ist er“, sagte der Herr.
Ein zweites Mal sagt der Herr zu dem, dem er den Bissen mit Brot gibt (Johannes 13). Das ist der Moment, gerade vor dem Hauptmahl, wenn jeder Matze nehmen muss, mit Bitterkraut und eintauchen in Fruchtmus. Der Herr gibt Judas diesen ersten Bissen als VIP. Dann sagt der Herr: „Was du tust, tue schnell.“
Ihm war klar: Dreißig Silberlinge, das war ein Vermögen. Wenn er diese Chance jetzt verpasst oder weiter hinauszögert, wird alles klar und offenbar: Ich bin es. Und dann geht alles schief. Also sah er sich gezwungen, sofort zu den Hohenpriestern zu gehen, und da kam einiges in Bewegung.
Jetzt musste ein Prozess geführt werden. Es war Nacht, aber das war die Gelegenheit. Sie mussten auch noch zu Pilatus gehen. Denn wir haben ja letztes Mal gesehen: Eine Schar kam, das ist eine Kohorte, das können vier bis sechshundert Soldaten sein, aus der Burg Antonia. Nach Johannes 18 waren die auch mit dabei. Eine Kohorte wurde angeführt von Judas, wie die Bibel sagt. Das kann nur sein, wenn zuerst eine Anklage beim Landpfleger Pilatus eingereicht wurde.
In der Zwischenzeit hat der Herr das Passa fertig gefeiert mit den Jüngern, mit den Elfen, er hat das Abendmahl eingesetzt, und dann ist er mit ihnen hinübergegangen zum Garten Gethsemane, wo er gebetet hat. In der Zwischenzeit wurde alles organisiert, aber eben chaotisch. Sie wussten selbst, dass es eigentlich völlig ungesetzlich war.
Sie sorgten natürlich auch dafür, dass Nikodemus nicht dabei war, denn der hätte Zeugenaussagen machen können, die dagegen sprechen. Aber wir sehen, niemand hat positive Zeugenaussagen gemacht. Nikodemus war nicht dabei. Aus der Mischna wissen wir, dass nicht alle 71 Richter des Sanhedrins dabei sein mussten. Das Minimum waren 23.
Also mussten sie mindestens 23 zusammenbringen, aber sicher nicht Nikodemus. Dann konnte man loslegen. Und das haben sie so gemacht, aber alles war chaotisch, weil der Herr den Zeitpunkt provoziert hat.
Aber wir sehen, alles passt ganz genau nach Gottes Plan zusammen. Nun sehen wir, dass Petrus hier zufällig kommt. Was muss das für Johannes gewesen sein? Im Nachhinein hätte er ihm wohl nur die Tür nicht öffnen sollen, dann wäre das alles nicht geschehen. Aber er, der die Beziehung hatte, dachte: Ja, es war wichtig. Wenn Johannes als einziger Zeuge aufgetreten wäre, wäre sein Zeugnis nicht glaubwürdig gewesen.
Denn 5. Mose 19, Vers 15 sagt, und das ist auch die Aussage der Mischna: Es müssen mindestens zwei Zeugen da sein, und ihre Aussagen müssen in allen Details übereinstimmen. Darum war es wichtig, dass Petrus auch in den Vorhof kam. Aber das hat ihn zu Fall gebracht, genauso wie der Herr es ihm angekündigt hat.
Obwohl er ja sagte – in Kapitel 22, Verse 30b bis 34 lesen wir das nochmals:
„Es sprach aber der Herr: Simon, Simon, siehe, der Satan hat euch begehrt, um euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du einst umgekehrt bist, so stärke deine Brüder.“
Er aber sprach zu ihm: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“
Er aber sprach: „Ich sage dir, Petrus, der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.“
Ein unglaublicher Mut, aber diesen Mut hat er auch an diesem Abend gezeigt. Das hatten wir letztes Mal gesehen, als diese Volksmenge kam, all diese Soldaten – in Vers 47. Judas begrüßt den Herrn mit einem Kuss, und Petrus fragt: „Soll ich mit dem Schwert zuschlagen?“ Und er schlägt dann auch zu.
Man muss sich mal vorstellen: Jetzt kommen da vier bis sechshundert Soldaten, führende Priester, Älteste vom Sanhedrin, und auch eine Volksmenge war mit dabei. Tempel-Levitische Tempelwächter mit ihren Kommandanten. Und jetzt schlägt Petrus dem Hohenpriester und dem Knecht des Hohenpriesters das Ohr ab.
Der war des Todes. Wir haben gesehen, der Herr hat ihn geheilt (Vers 51), und damit hat der Herr ihm das Leben gerettet. Also das wäre ein Todeskandidat gewesen. Es ist das einzige Beispiel, wo der Herr einen Feind heilt. Das habe ich letztes Mal schon gesagt: Keiner der Evangelisten berichtet die Heilung, nur Lukas, der Arzt.
So hat Petrus also seinen Mut gezeigt – aber plötzlich verließ ihn der Mut. Kapitel 22, Vers 32: „Wenn du einst umgekehrt bist.“ Ist das die Bekehrung von Petrus?
Dieser Satz, Vers 32: „Und bist du einst umgekehrt, so stärke deine Brüder.“ Das haben wir letztes Mal ausführlicher angeschaut. Übersetzt heißt es bei Luther: „Bist du einst bekehrt, so stärke deine Brüder.“
Der Ausdruck im Griechischen ist breiter als „bekehrt“. Er heißt „umkehren“ und wird benutzt, wenn jemand zum Glauben kommt und sich bekehrt, aber auch jedes Mal, wenn ein Mensch umkehrt. Petrus war ganz klar bekehrt. Das sehen wir nicht nur in seinem Bekenntnis: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, und der Herr sagt: „Das hat dir mein Vater im Himmel offenbart.“
Sondern auch in seinen Taten und Handlungen. Hier geht es aber darum, dass der Herr ihm vorausgesagt hat, dass er zu Fall kommen wird. Aber wenn er dann eine Wiederherstellung erlebt hat, dann hat er einen Hirtenauftrag. Dann muss er sich um andere kümmern, die Mühe haben.
Das war verbunden mit dem Auftrag, den wir letztes Mal genauer angeschaut haben, im Zusammenhang mit Johannes 21, wie der Herr ihn vor allen Jüngern wiederherstellt und ihm den Auftrag gibt, als Hirte zu dienen.
Ja, der Herr hat ihm das schon angekündigt, aber auch angekündigt, dass er für ihn betet, damit durch dieses Erlebnis sein Glaube nicht zugrunde geht.
Das sind erschütternde Erlebnisse im Leben, die unseren Glauben gefährden können. Es kann sein, dass man plötzlich an einen Punkt kommt, an dem man gar nicht mehr weiß, ob man überhaupt gläubig ist. Solche Momente kann es geben.
Aber als Erlöste wissen wir: Wir haben den Herrn Jesus als hohen Priester, und er sagt: „Ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre.“ Der Glaube der Wiedergeborenen wird durch Gottes Macht so gestärkt, dass er bis ans Ende geht.
Das können wir sehen in 1. Petrus 1, Vers 5. Dort wird ausdrücklich über Wiedergeborene gesprochen – nicht einfach über solche, die erleuchtet sind oder die das gute Wort Gottes geschmeckt haben, sondern ausdrücklich über die Wiedergeborenen.
Dort lesen wir in 1. Petrus 1, Vers 3:
„Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns aufgrund seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwässerlichen Erbe, das im Himmel aufbewahrt wird für uns, die wir in der Kraft Gottes bewahrt werden durch den Glauben zu dem Heil, das bereit ist, geoffenbart zu werden in der letzten Zeit.“
Hier wird von denen gesprochen, die ausdrücklich wiedergeboren sind. In 1. Petrus 1, Vers 5 steht es sogar noch stärker: Sie werden durch Gottes Macht, durch den Glauben bewahrt zur Errettung, die bereit ist, in der letzten Zeit geoffenbart zu werden.
Diese Rettung in der Endzeit ist die Rettung, wenn der Herr Jesus kommt und alle wahren Gläubigen entrückt. Aber hier haben wir die Zusage, dass durch Gottes Macht – und das geschieht durch den Glauben – der Glaube erhalten bleibt, so dass er nicht zugrunde geht.
Er kann an einen Punkt kommen, an dem er völlig erschüttert wird, aber dann wird er weitergeführt bis ans Ziel. Das ist eine so grandiose Verheißung für Erlöste, gerade dann, wenn einmal eine ganz schlimme Krise kommt.
Die Erschütterung des Glaubens und die Bedeutung des Augenkontakts
Vers 30 in der Mitte: Der Herr sprach zu Simon, Simon – ihn spricht er ganz speziell an. Er sagt weiter: „Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten.“ Alle Jünger kamen dran, und wir wissen, wie die anderen sind – alle sind geflohen. Sie konnten sich dann auch fragen: „Und was ist mit uns?“ Wir hätten als Zeugen auftreten können, und doch sind wir alle davongegangen.
Petrus ist wenigstens noch bis in den Vorhof gegangen, doch dann wurde es plötzlich schwierig für ihn. Das war eine Erschütterung für alle.
Eine weitere Erschütterung war die Tatsache, dass einer aus diesem Kreis der Zwölfe auf diese hinterhältige und gemeine Art zum Verräter wurde. Wie ist das möglich? Darum kündigt der Herr Jesus in Johannes 13, Vers 21 bis 30, diesen Verrat von Judas an. Es geht um diesen Bissen, und der Herr sagt ihm: „Was du tust, tue schnell!“ – eine provozierte Handlung. Das Ganze musste überstürzt geschehen. Judas geht hinaus, es war Nacht (Vers 30).
Dann spricht der Herr zu den Elf weiter und kündigt an, dass Petrus ihn verleugnen würde (Verse 36 bis 38). Danach lesen wir in Kapitel 14, Vers 1: „Euer Herz erschrecke nicht, glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn das nicht so wäre, hätte ich euch gesagt: Ich gehe hin, um euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin.“
Zuerst macht der Herr klar, einer geht zum Bericht, und dann fällt der führende Apostel. Der Herr sagt: „Euer Herz werde nicht bestürzt oder erschüttert.“ Beides waren totale Erschütterungen, die da geschehen sind.
Das ist so, wenn unter den Gläubigen einer, von dem man dachte, er sei ein Führer, auf den man sich verlassen kann, zum Feind wird. Solche Dinge sind geschehen. Da wird der Glaube der Gläubigen erschüttert, und es kann sein, dass manche plötzlich sagen: „Damit will ich gar nichts mehr zu tun haben.“ Das zeigt dann, dass der Glaube dieser Leute nicht wirklich auf dem Herrn gegründet war, sondern auf Menschen. Da wird deutlich, ob man Menschen helfen soll – aber so, dass sie zum Herrn hinführen. Wenn der Glaube auf Menschen beruht, ist das kein Fundament.
Es wurde aber klar bei den Elf, dass ihr Fundament wirklich auf dem Herrn beruhte. Der Herr war es, der gebetet hat und sagt: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ Es war eine furchtbare Erschütterung. Zuerst leugnete Petrus, und es verging eine Stunde. Was ist in ihm innerlich in dieser Stunde vorgegangen?
Dann plötzlich noch jemand anders. In Vers 59 heißt es: „In Wahrheit, auch dieser war mit ihm, denn er ist auch ein Galiläer.“ Man hat das am Akzent gemerkt, wie die Hebräisch sprechenden Leute das erkannten. Er sagt: „Ich weiß nicht, was du sagst.“ Dann kommt das Krähen des Hahnes.
Das Eindrücklichste ist Vers 61: „Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an.“ Er ist im Vorhof, der Herr ist drinnen in diesem gesetzlosen nächtlichen Prozess und nimmt sich noch die Zeit, umzukehren. Die Tür war offensichtlich offen, und es gibt einen Augenkontakt.
Das ist ein Thema, das man für sich studieren kann in den Evangelien. Überall, wo es heißt, der Herr Jesus blickte, sieht man, wie verschiedene Augenkontakte entstehen. Das ist ein ganz wertvolles Thema.
Man kann zum Beispiel die Evangelien nur anhand der Augen des Herrn Jesus studieren. Man könnte auch die Hände des Herrn Jesus studieren und alle Stellen nachschlagen, wo er etwas mit den Händen tut. Zum Beispiel nimmt er die Hand eines toten zwölfjährigen Mädchens, und dann steht sie auf. Es gibt viele weitere Stellen. Man könnte eine ganze Bibelstudie über die Schultern des Herrn Jesus machen, wie der gute Hirte in Lukas 15 das verlorene Schaf auf seine Schultern nimmt. So kann man alle möglichen Körperteile studieren.
Hier sind wir beim Thema Augen und Augenkontakt. Dazu ein Vers aus Psalm 32. Es geht dort gerade darum, dass König David gesündigt hatte und beschreibt, wie ihn das kaputtgemacht hat. Das ist ein wichtiges Kennzeichen von wahren Gläubigen: Wenn sie gesündigt haben, werden sie nicht mehr glücklich. Solche, die nur Namenschristen sind oder einen oberflächlichen Glauben haben, können weiterhin glücklich sein, auch wenn Dinge nicht in Ordnung sind.
Schauen wir in Psalm 32, Vers 1: „Wohl dem, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist.“ David schrieb diesen Psalm der Wiederherstellung. Das hat schließlich auch Petrus erfahren dürfen – dass alles gut gekommen ist.
Wir haben ja auch schon darüber gesprochen, dass der Herr nach der Auferstehung Petrus persönlich erschienen ist. Ein Ereignis, das nicht im Detail beschrieben wird, nur in Lukas 24 erwähnt und auch in 1. Korinther 15. Dort hat der Herr mit ihm persönlich die Sache besprochen. Darum konnte es auch zu einer öffentlichen Wiederherstellung kommen, in Johannes 21 im Kreis der Jünger.
Im übernächsten Vers beschreibt David seine schwierige Zeit: „Als ich es verschwieg, da verfielen meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag, denn deine Hand lag schwer auf mir Tag und Nacht, so dass mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürr wird.“ Er beschreibt seinen Wohlstandsverlust.
Gott legt seine Hand darauf, sodass dieser Zustand des Austrocknens geschieht. Das war schon in der Stunde zwischen der ersten und der zweiten Verleugnung. Was hat Petrus noch empfunden? Es war furchtbar.
Dann steht hier „Sela“, was ein musikalisches Zwischenspiel bedeutet. Im Tempel, wenn man das gesungen hat, spielten die Musiker, und man konnte über das nachdenken: „Wie ist das bei mir? Wann habe ich das so erlebt? Wie war das?“ Dann geht es weiter:
„Da bekannte ich dir meine Sünde und vergab meine Schuld nicht. Ich sprach: Ich will dem Herrn meine Übertretungen bekennen.“ Da vergabst du mir meine Sündenschuld.
Dann kommt wieder „Sela“, ein Zwischenspiel. Wie war das bei mir? Und dann folgt ein weiterer Schritt, der mir speziell wichtig ist: Vers 8:
„Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, auf dem du wandeln sollst. Ich will dir raten, mein Auge auf dich richten. Seid nicht wie das Ross und das Maultier, die keinen Verstand haben. Mit Zaum und Gebiss muss man sie bändigen, weil sie sonst nicht zu dir nahen.“
Bis hierhin wird gezeigt, dass es Wiederherstellung gibt, eine völlige Wiederherstellung (Vers 5), aber auch eine Weiterführung. Das hat Petrus ebenfalls erleben dürfen, als der Herr ihm den Auftrag gab, die Lämmlein zu weiden und die Schafe zu hüten (Johannes 21). Dort sagt Gott: „Ich will dich unterweisen und lehren den Weg, den du wandeln sollst. Mein Auge auf dich richtend will ich dir raten.“ Also Führung durch Augenkontakt.
Ausgehend von Lukas 22: Dieser Augenkontakt hat Petrus zum Zusammenbruch geführt. Doch dieser Augenkontakt war nur möglich, weil Petrus diesen Kontakt auch suchte, obwohl er am Boden war. Er hätte ja in diesem Moment allen Grund gehabt, nicht mehr dorthin zu schauen. Doch der Herr wandte sich um, um diesen Augenkontakt aufzunehmen, und das führte Petrus zum Zusammenbruch.
Diesen Augenkontakt müssen wir stets pflegen, dann bekommen wir klare Führung im Leben. Das braucht Vertrautheit mit dem Herrn, und dann gibt es Klarheit in der Führung. Das ist das Geheimnis.
Das wird so schön bei Petrus gezeigt, jetzt in einem traurigen Zusammenhang, aber es gilt ebenso in einem glücklichen Zusammenhang.
Persönliche Namensgebung und Lebensmotto: Die Augen auf den Herrn richten
Im Alten Testament gibt es einen Vornamen, Elioenai. Der Name klingt etwas fremd, aber wir haben einen Grund, warum wir unserem ältesten Sohn diesen als zweiten Namen gegeben haben.
Als ersten Namen wählen wir immer kurze Namen, die nicht allzu gewöhnlich sind, aber so, dass alle Leute sie aussprechen können. Beim letzten Namen gab es eine Ausnahme: Da sagen manche Daniel, andere Haniel – man könnte sagen, Daniel mit H. Bei den ersten Namen halten wir uns also an einfache Regeln. Bei den zweiten Namen hingegen haben wir uns schon über diese Linie hinausgewagt, und so heißt der zweite Name Elioenai.
Natürlich wollten wir jedem Kind mit dem Namen auch etwas weitergeben. El bedeutet „Gott“, Jo ist die Kurzform von Yahweh, dem Ewigen, und Enai bedeutet „meine beiden Augen“. Zusammen heißt der Name also: „Meine beiden Augen auf den Herrn“. Dabei muss man ergänzen: „sind gerichtet“. Das ist als Lebensmotto zu verstehen – die Augen auf den Herrn zu richten.
Durch diesen „Augenkontakt“ kommt man zur Buße. Und durch diesen Augenkontakt wird man im Leben weitergeführt. So wunderbar heißt es in Vers 62: „Er weinte bitterlich.“ Wenn wir das mit Judas vergleichen, der schließlich erkannte, was aus all diesen Prozessen entstanden war, brach auch er innerlich zusammen.
Wir können das in Matthäus als Kontrast sehen. Wie verhält es sich bei jemandem, der nur ein Bekenner war und nie eine echte Bekehrung erlebt hat, wie Petrus?
Matthäus 27,3: „Als nun Judas, der ihn verraten hatte, sah, dass er verurteilt war, reute es ihn. Er brachte die dreißig Silberlinge den obersten Priestern und Ältesten zurück und sprach: ‚Ich habe gesündigt, dass ich unschuldiges Blut verraten habe.‘ Sie aber sprachen: ‚Was geht das uns an? Da sieh du zu.‘ Da warf er die Silberlinge im Tempel hin, machte sich davon und erhängte sich.“
Die obersten Priester übernahmen die Silberlinge und sagten, sie dürften das Geld nicht in den Opferkasten legen, weil es Blutgeld sei. Nachdem sie beraten hatten, kauften sie dafür den Acker des Täufers als Begräbnisstätte für Fremdlinge. Daher wird dieser Acker bis zum heutigen Tag „Blutacker“ genannt.
Judas reut es also, und er will das Geld nicht mehr behalten. Das Geld war für ihn so wichtig, dass er alles damit angezettelt hatte. Doch jetzt will er es nicht mehr. Er merkt, dass er dadurch nicht glücklich wird. Man könnte denken, es sei fast wie bei Petrus, der auch nicht mehr glücklich wird.
Doch Judas bringt das Geld zurück – man könnte sagen, zu den Seelsorgern. Das ist unglaublich, denn damals hätten sie sich freuen müssen, als er kam und diese Abmachung mit ihnen machte. Übrigens sagt die Mischna: Wenn es bei einem Prozess um Leben und Tod geht, müssen die Richter traurig sein. Sie sollen während des Prozesses wenig essen und keinen Wein trinken. Alle müssen richtig traurig sein.
Wir sehen aber in Markus 14, dass als Judas zu ihnen kam und sagte: „Ich überliefere ihn euch“, sie sich freuten. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Mischna fordert. Aber jetzt, wo sie sehen, dass Judas in großer Not ist, ist ihnen das egal. „Sieh du zu“, sagen sie. Er schleudert das Geld in den Tempel, doch sie sagen nach der Mischna, dass es nicht erlaubt ist, Blutgeld in den Tempel zu legen.
Also müssen sie das Geld anders einsetzen – für Arme. Sie kaufen einen Acker im Tal Hinnom, auf dem die Armen bestattet werden. Mit dem Tempel darf das Geld nichts zu tun haben. Dann sehen wir, dass Judas sich erhängt und Selbstmord begeht.
Im Alten Testament gibt es auch einen Selbstmord aus dem Kreis von König David, der als Hinweis auf den Herrn Jesus, den König, den Sohn Davids, gilt. Das war Ahitophel, ein Freund Davids. Er beging Selbstmord, als er sah, dass sein Rat nicht angenommen wurde; auch er erhängte sich.
Das sind zwei biblische Beispiele für Selbstmord durch Erhängen: Ahitophel, Freund von David, und Judas, Freund des Herrn Jesus. Jesus sagte, als er in Gethsemane war: „Freund, wozu bist du gekommen?“ Das wäre nochmals eine Gelegenheit gewesen, zusammenzubrechen, doch es half nichts.
Judas hat es besonders gemein gemacht. Er hat den Herrn nicht nur durch einen Kuss verraten. Der griechische Ausdruck bedeutet einen starken oder mehrere Küsse – etwas Widerliches. Aber Judas hat den Herrn auch gegrüßt. Wie hat er ihn gegrüßt?
Matthäus 26,49-50: „Und sogleich trat er zu Jesus und sprach: ‚Sei gegrüßt, Rabbi!‘ und küsste ihn. Jesus aber sprach zu ihm: ‚Freund, wozu bist du hier?‘ Da traten sie hinzu, legten Hand an Jesus und nahmen ihn fest.“
Der Judasgruß „Sei gegrüßt“ heißt auf Griechisch „Cheire“ und bedeutet „Freue dich“. Das ist ein normaler griechischer Gruß. Natürlich können wir nicht davon ausgehen, dass Judas zum Herrn in Griechisch gesprochen hat. Wenn Jesus zum Beispiel mit Pilatus sprach, dann zweifellos auf Griechisch, der Sprache der römischen Besatzungsmacht. Untereinander sprachen sie jedoch Aramäisch und Hebräisch.
Der hebräische Gruß wäre demnach „Shalom“ und bedeutet „Friede“. Noch mehr: Shalom heißt nicht nur Friede, sondern hat viele Bedeutungen. Es steht auch für Wohlergehen und vieles mehr. Es beschreibt einen Zustand, in dem alles harmonisch ist und man sich wohlfühlt.
Judas grüßte den Herrn also mit dem griechischen Gruß „Cheire“ – „Freue dich“ – und dazu kam der Judas-Kuss. Beide zusammen. Doch jetzt reut es ihn.
Die Korruption der hohepriesterlichen Familie und die Bedeutung des Blutgeldes
Zwischendurch eine Frage: Tempelkassen – wo waren die, die das Geld für den Kauf hatten? Das wird nicht ausdrücklich gesagt, und darum können wir es nicht mit Sicherheit behaupten. Aber es war eine Riesensumme, und die Beteiligten waren ja auch steinreich.
Gerade die hohepriesterliche Familie, das habe ich auch beim letzten Mal erklärt, stand in enger Verbindung mit Hannas. Hannas, der Hohepriester, war der Leiter des Opferverkaufs im Tempel. Auch im Talmud wird darüber gesprochen und erklärt, dass es eine sehr üble Sache war. Diese hohepriesterliche Familie war so korrupt, dass sie unglaubliches Geld damit machte und im Reichtum schwelgte. Für sie war das kein Problem. Ihnen war vor allem wichtig, dass dieser Mann aus Nazaret wegkommt.
Warum gehört das Thema nicht in die Tempelkasse? Das Thema ist deshalb relevant, weil Jesus das Geld quasi in den Tempelkasten bringen wollte. Er hat es in den Tempel hineingeworfen. Doch die Verantwortlichen sagten: „Nein, das kann man nicht als Tempelgeld benutzen, weil es unreines Geld ist.“ Darum wollten sie es auch selbst nicht mehr annehmen. Hier sieht man, wie verlogen und korrupt das Ganze war. Sie betrachteten das Geld als unreines Geld und lehnten es ab. Es wurde dann für einen guten Zweck verwendet.
Nun zur Frage Judas: Er ist traurig, das sieht nach Buße aus, und dann erhängt er sich. Aber die Lösung gibt uns 2. Korinther 7,10. Dort wird deutlich gemacht, dass es zwei verschiedene Arten von Buße und Betrübnis gibt. Paulus sagt zuerst in Vers 9, dass die Gemeinde von Korinth, in der vieles im Argen war, in manchen Punkten eine Wiederherstellung erlebt hatte. Er sagt: Ihr seid gottgemäß betrübt worden.
Dann heißt es in Vers 10: „Denn die gottgewollte Betrübnis bewirkt eine Buße zum Heil, die man nicht bereuen muss; die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod.“ Das ist die Erklärung. Bei Judas war es zwar Betrübnis, aber keine Buße, die zum Heil führt und nicht bereut werden muss. Das hat gefehlt.
Er hat bereut, aber es gibt Menschen, die zwar bereuen, aber keine echte Buße tun. Sie gehen zu den falschen Leuten und sagen: „Ich habe gesündigt.“ Das muss man nicht Priestern bekennen, sondern Gott. 1. Johannes 1,9 sagt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“
Judas hatte gestohlen und war darüber betrübt. Aber nicht jede Betrübnis ist echte Buße. Es geht nicht darum, dass man wegen eines Stellenverlusts oder ähnlichem betrübt ist. Ich kenne einen Fall, von dem ich nur gehört habe: Eine ältere Dame, die sich sehr gut auskannte, erzählte, dass ein junger Mann, dessen Name mir bekannt ist, sehr betrübt war, als er seine Arbeit verlor.
Diese Betrübnis ist natürlich eine Betrübnis, aber es geht nicht nur um die Frage: „Ich habe die Stelle verloren und sehe nur noch schwarz.“ Hier ging es wirklich darum, dass er die schlimme Tat, die er begangen hatte, zwar als schlimm empfand und traurig darüber war, aber keine echte Umkehr vollzog.
Wäre es eine echte Umkehr gewesen, dann hätte er auch bewahrt werden können vor diesem schlimmen Ende.
Die wahre Busse und die Bedeutung der Sünde gegen Gott
Aber als Kontrast sehen wir, wie das bei Petrus war. Ja, Carmine? Könnte man das nicht auch so sagen: Judas hat den Schaden bereut, aber er war nicht traurig über sein böses Herz, das ihn zu dieser Tat brachte? Sehr gut, das ist genau der Punkt.
Man kann also traurig sein über den Schaden, aber nicht traurig über das Böse an sich. Das ist keine gottgemäße Buße, wenn man nur sieht: Was hat das kaputtgemacht? Was habe ich angerichtet? Aber nicht erkennt, wie schlimm und böse das ist, was ich getan habe – und das auch Gott gegenüber.
Darum ist es so wichtig, wie Psalm 51 zeigt, wo David betet: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt.“ Da merkt er, obwohl es eine Sünde gegen einen Ehemann war, gegen Uriah, und eine Sünde gegen eine Frau, deren Ehe er zerstört hat, und auch eine Sünde gegen sich selbst – denn 1. Korinther 6 sagt: Wer Hurerei begeht, sündigt gegen seinen eigenen Leib –, sagt er doch: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt.“
Warum sagt er das so? Nicht um den Schaden, den er Menschen angetan hat, abzuschwächen, sondern um zu zeigen, dass letztlich jede Sünde sich gegen Gott richtet.
Übrigens, in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger Hinweis: Im Koran wird ständig betont, man sündige gegen sich selbst. Es wird aber nie gesagt, dass man gegen Allah sündigt. Und es wird auch nicht so gelehrt, dass man gegen Allah sündigen könne, denn Allah ist nach islamischer Auffassung so weit vom Menschen entfernt, dass das, was der Mensch tut, ihn quasi gar nicht berührt.
Die Bibel sagt hingegen: Nein, Sünde ist Sünde gegen Gott. Der Mensch ist im Bild Gottes erschaffen worden und sollte etwas von Gott widerspiegeln. Wenn wir richtig handeln, kann man durch uns erkennen, wie Gott ist. Wenn wir sündigen, beleidigen wir Gott, weil wir damit sagen, Gott sei so.
Wenn zum Beispiel ein Vater ein Tyrann ist, ist das wie eine Lästerung: „Gott ist ein Tyrann.“ Darum sieht man, wie eigentlich jede Sünde, auch wenn sie gegen Menschen gerichtet ist, letztlich eine Sünde gegen Gott ist.
Das ist ein ganz wichtiger Unterschied, den Muslime nicht kennen. Wenn man über Sünde spricht, muss man das erklären, denn sie verstehen unter Sünde etwas ganz anderes. Für sie ist es nie so tragisch.
Durch das Bibellesen wird einem bewusst, was Sünde wirklich ist – und auch, was Vergebung bedeutet und warum es ein Opfer braucht. Der Islam betont, es brauche kein Opfer für Vergebung. Die Bibel zeigt jedoch genau das. Darum ging der Herr diesen Weg.
Der illegale Prozess und die Verurteilung Jesu
Wie gesagt, es waren zwei nächtliche Prozesse. Dabei wurde alles quasi ausgehandelt. Bis hin zur Urteilsverkündigung haben wir gesehen, dass der Hohepriester sagt: „Was brauchen wir noch ein Zeugnis?“ Er hat den Herrn Jesus herausgefordert. Jesus musste sagen, ob er der Messias ist, und wurde unter Eid gestellt. Dann musste er sprechen, gemäß 3. Mose 5, sonst wäre er schuldig.
Der Herr antwortete jedoch, dass die Mischna besagt, man darf niemanden aufgrund seiner eigenen Aussage verurteilen. Das gilt aus drei Gründen: Erstens könnte jemand das Zeugnis ablegen, weil er gefoltert wurde. Dadurch wollte man Folterungen verhindern, um kein erzwungenes Geständnis zu erhalten.
Zweitens könnte ein Angeklagter lebensmüde sein und deshalb etwas Falsches sagen, um sterben zu können. Drittens könnte ein Angeklagter unschuldig sein, aber für einen anderen sterben wollen. Auch das darf nicht geschehen.
Darum wurde festgelegt, dass nur Zeugenaussagen von mindestens zwei Zeugen gelten, und diese müssen völlig übereinstimmen. Doch der Herr wurde aufgrund seiner eigenen Aussage zum Tod verurteilt.
Um den Prozess formell abzuschließen, wurde die Urteilsverkündung erst nach Sonnenaufgang vollzogen. Es war immer noch ein Festtag, der 15. Nisan, und an Festtagen darf eigentlich kein Prozess stattfinden. Wenigstens fand er nicht mehr nachts statt. Dann wurde das Urteil schnell offiziell durchgezogen und der Herr zu Pilatus gebracht.
Das betrachten wir beim nächsten Mal. Denn zu dieser Zeit, wie auch der Talmud sagt, hatte das jüdische Gericht das Recht auf die Todesstrafe nicht mehr. Sie konnten die Todesstrafe zwar formell verkünden, aber nicht vollstrecken. Deshalb mussten sie Jesus zu Pilatus bringen.
Wir sehen dann, und das nur im Lukas-Evangelium, dass es drei Phasen gab. Zuerst wurde der Herr bei Pilatus angeklagt. Dann erkannte Pilatus, dass Herodes Antipas, der zum Passafest in Jerusalem war, eigentlich zuständig sei, weil Jesus aus Galiläa stammte. Pilatus war nicht zuständig für diesen Prozess.
Herodes Antipas, der Vierfürst von Galiläa, müsste das Verfahren führen. Deshalb lässt Pilatus Jesus zu Herodes Antipas gehen. Diese Prozessphase bringt jedoch nichts, denn der Herr spricht nicht. Danach wird Jesus wieder zu Pilatus zurückgebracht.
Pilatus führt dann den Prozess zum Schluss und verkündet die Kreuzigung, obwohl er überzeugt ist, dass Jesus unschuldig ist. Er verletzt das römische Recht, nur um sich politisch diesen Leuten anzupassen.
Nicht nur hier sehen wir Verstöße gegen das jüdische und biblische Recht, sondern auch gegen das römische Recht. In den Evangelien von Matthäus, Markus und Johannes entsteht der Eindruck, es gebe nur eine Pilatusphase. Dort wird alles zusammenfassend beschrieben.
Im Lukas-Evangelium sehen wir diese Zwischenphase, die eine ganz besondere Bedeutung hat. Diese wollen wir beim nächsten Mal im Detail anschauen.
Gut, hier wollen wir schließen.