Einführung ins Gebet und seine Bedeutung
Betest du? Und wenn ja, wie sehen deine Gebete aus? Ich denke, die allermeisten von uns nehmen sich jeden Tag irgendwie Zeit zum Gebet. Typischerweise beten wir für die Dinge, die anstehen. Vielleicht beten wir für Familienmitglieder oder Freunde, vielleicht für Geschwister in besonderen Notsituationen. Vielleicht beten wir für die Kranken, für unsere Missionare oder für die Gemeinde, die Ältesten, die Prediger und die Predigt.
Ich höre immer wieder von Geschwistern, dass sie für mich oder für euch als Älteste beten, für die Predigt. Dafür möchte ich herzlich danken. Danke, dass ihr für uns betet und vor allem, dass ihr auch für die Verkündigung in der Gemeinde betet. Das ist so wichtig und wertvoll.
Aber welchen Raum haben in deinen Gebeten wirkliche Anbetung Gottes und das Bekennen von Sünde? Betest du auch für die Dinge, die Jesus uns zu Beginn des sogenannten Vaterunsers gelehrt hat: „Dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf der Erde“?
In unserer aktuellen Predigtreihe durch das Buch Daniel kommen wir heute zu Kapitel neun. Wir haben gerade schon einen Abschnitt daraus gehört. Der Großteil dieses Kapitels ist ein Gebet – ein Gebet, das Daniel gebetet hat, sehr vorbildlich. Schon allein deshalb lohnt es sich, diesen Predigttext genauer anzuschauen.
Meine Hoffnung ist, dass dieses Gebet unser Beten neu inspiriert. Doch wir werden nicht nur das Gebet in diesem Kapitel sehen, sondern auch, wie Gott auf dieses Gebet reagiert. Wir werden sehen, dass Gott zusagt, über Bitten und Verstehen hinaus zu geben. Gott gibt mehr, als Daniel erbittet. Das wiederum, hoffe ich, wird uns stärken in unserer Zuversicht, zu beten und auf Gott zu vertrauen.
Gott wird uns alles geben, was wir brauchen – und sogar noch mehr, weit über Bitten und Verstehen hinaus. So möchte ich beten, dass er uns dabei hilft.
Himmlischer Vater, das ist unser Gebet an diesem Morgen: Dass du uns durch das Gebet Daniels und das, was wir als Antwort darauf in deinem Wort sehen, neu motivierst zu beten. Dass wir voll Vertrauen zu dir beten – einem Gott, der barmherzig ist, der Sünden vergibt und seinen Kindern weit mehr gibt, als sie bitten und verstehen können.
Lenke unseren Blick auf deine Verheißung, damit wir im Glauben gestärkt werden. Ich möchte auch für die unter uns beten, die dich noch nicht kennen. Ich bete, dass sie erkennen, auch im Gebet Daniels, dass es wirklich einen gibt, der Gebete hört und erhört und der Dinge tun wird nach seiner großen Verheißung. Amen!
Aufbau des Predigttextes und Einstieg in Daniels Gebet
Wir haben das Gottesdienstblatt vor uns und erkennen darin, dass sich der Predigttext in zwei große Teile gliedert. Das haben wir bereits bedacht. Die Verse 1 bis 19 zeigen Daniels vorbildliches Gebet, während die Verse 20 bis 27 uns darstellen, wie Gott auf dieses Gebet antwortet. Um das Zuhören zu erleichtern, habe ich die einzelnen Punkte noch etwas weiter untergliedert. Das bedeutet, wir werden den Text nicht in einem Durchgang lesen, sondern abschnittsweise betrachten und darüber nachdenken.
Schauen wir uns zunächst Daniels vorbildliches Gebet an. In den ersten drei Versen finden wir die Einleitung des Gebets. Ich möchte diese Verse vorlesen:
„Im ersten Jahr des Darius, des Sohnes des Ahasveros, aus dem Stamm der Meder, der über das Reich der Chaldäer König wurde. In diesem ersten Jahr seiner Herrschaft achtete ich, Daniel, in den Büchern auf die Zahl der Jahre, von denen der Herr zum Propheten Jeremia gesprochen hatte, nämlich dass Jerusalem siebzig Jahre wüst liegen sollte. Und ich wandte mich zu Gott, dem Herrn, um zu beten und zu flehen, unter Fasten und in Sack und Asche.“
Hier erhalten wir eine kurze Einordnung. Letzte Woche haben wir gesehen, dass Daniel im dritten Jahr der Herrschaft des babylonischen Königs Belsassar eine Vision hatte. Wir hatten darüber nachgedacht, dass zu diesem Zeitpunkt noch über zehn Jahre vergehen würden, bis die Babylonier besiegt werden und ein neues Regime an deren Stelle treten würde.
Jetzt ist es so weit, es ist geschehen: Das erste Jahr der Herrschaft des Königs Darius ist angebrochen. Er stammt nicht mehr aus dem Volk der Babylonier – die manchmal auch Chaldäer genannt werden –, sondern er ist nun, wenn man so will, der Bezwinger des Volkes Gottes. Er besiegt das Volk, das Israel einst besiegt hatte. Die Babylonier hatten Israel verschleppt, auch Daniel und seine Freunde. Nun kommt ein anderer König und besiegt die Feinde Israels.
Daniel merkt, dass die Zeit, auf die sie so lange gewartet haben, langsam beginnt. Nun tut er das, was wir alle tun sollten, wenn wir mehr von Gott erfahren wollen. Daniel geht nicht einfach in sein Zimmer und sagt: „Gott, gib mir eine neue Vision.“ Die Visionen kamen zu sehr unterschiedlichen Zeiten, und es war Jahre her, dass er eine hatte. Er weiß, dass das normale Reden Gottes nicht in Visionen geschieht, sondern im Wort Gottes.
So liest er Gottes Wort, er studiert die Schrift. Er achtet genau darauf – das heißt, er macht nicht nur schnell eine stille Zeit, sondern er beschäftigt sich intensiv mit Gottes Wort. Dabei richtet er sein Augenmerk auf etwas, das er sicherlich schon öfter gelesen hatte: Wie lange es dauern wird, bis das Volk Gottes aus dem Exil zurückkehren wird. Das sind siebzig Jahre.
Diese Erkenntnis führt ihn zum Gebet. Sein Gebet wird durch die Schrift informiert. Das darf uns eine Hilfe sein: Wenn wir unsere Bibel lesen, sollten wir sie so lesen, dass sie unser Gebet informiert und inspiriert. Wenn wir in Gottes Wort Verheißungen entdecken, setzen wir uns nicht einfach in den Schaukelstuhl und warten ab, wie Gott das erfüllen wird. Stattdessen beten wir diese Verheißungen und sehnen ihre Erfüllung herbei.
Das zeigt uns Daniel hier. So können wir beten. Und tatsächlich liest er nicht nur von Gottes Verheißungen, sondern auch von Gottes Größe und der Schuld der Menschen. Auch das bringt er in sein Gebet ein. Dies sehen wir im ersten Teil des Gebets, in den Versen 4 bis 14, die wir gerade in der Textlesung gehört haben.
Das Bekenntnisgebet Daniels: Gottes Größe und menschliche Schuld
In diesen Versen, im ersten langen Teil des Gebets, lesen wir ein wunderbares Bekenntnis. In diesem Bekenntnis steht vor allem das Bußgebet im Vordergrund. Deshalb tauchen verschiedene Verse aus dem Gebet, das wir gerade gehört haben, in vielen Kirchen und Gemeinden immer wieder in deren Liturgie auf. Je nachdem, welchen kirchlichen Hintergrund ihr habt, kennt ihr vielleicht einige Abschnitte aus Daniel 9 als festen Bestandteil des Gottesdienstes.
Dieses Gebet ist ein liturgisches Sündenbekenntnisgebet, das in manchen Gemeinden und Kirchen verwendet wird. Doch es ist mehr als nur ein Bußgebet. Es ist auch eine Form der Anbetung. Tatsächlich sehen wir, dass Daniel zunächst auf Gott schaut und dessen Größe anerkennt, bevor er auf sich selbst blickt.
Ich möchte ermutigen, diese Haltung auch in unserem Beten zu einer festen Übung zu machen. Oft sind wir schnell dabei – zumindest wenn ich von mir auf andere schließen darf – in der Fürbitte für dieses oder jenes zu beten. Doch vielleicht ist es gut, manchmal innezuhalten. Bevor wir mit unserer Wunschliste zu Gott kommen, sollten wir erst einmal auf ihn schauen: Wer ist der, mit dem wir reden? Ihn anzubeten, ihn zu loben und zu preisen für das, was er ist.
Wenn wir auf Gott schauen, lohnt es sich, auch einen Moment auf uns selbst zu blicken und zu fragen: Wer bin ich eigentlich? Dann zeigt uns Gottes Wort vielleicht, dass wir erst einmal Schuld vor ihm bekennen sollten, bevor wir um Dinge bitten. Genau das tut Daniel hier.
Er beginnt das Gebet mit den Worten: „Ach Herr, du großer und heiliger Gott, der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten.“ Auf gut Deutsch betet Daniel: Gott, du bist so treu, du bist groß und heilig, und du hältst, was du versprichst. So kommt er vor Gott.
Daniel erkennt, dass Gott zwar treu ist, das Volk aber nicht. Tatsächlich betont er Gottes Treue und Gerechtigkeit immer wieder. Zum Beispiel in Vers 7: „Herr, du bist gerecht.“ Und in Vers 12 bringt er es noch einmal vor: „Gott hat seine Worte gehalten, die er geredet hat gegen uns und unsere Richter, die uns richten sollten, dass er so großes Unglück über uns hat kommen lassen.“
Gottes Gericht ist Ausdruck seiner Treue und Gerechtigkeit. In Vers 14 heißt es: „Darum ist der Herr auch bedacht gewesen auf dieses Unglück und hat es über uns kommen lassen; denn der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die er tut.“
Hier sehen wir, dass Daniel, bevor er über seine Umstände klagt – etwa mit einem Gebet, das ich von Christen immer wieder höre: „Warum ich? Das ist nicht gerecht“ – erst einmal anerkennt: Egal, was mir widerfährt, mir geht es sicherlich nicht schlechter, als ich es verdient habe.
Ich weiß nicht, ob du schon einmal so über dein Leid gedacht hast. Mich hat das einmal sehr herausgefordert, als ein Pastor zu Besuch in einer Gemeinde war, in der ich auch zu Besuch war. Ich fragte ihn: „Hey, wie geht’s dir?“ Und er antwortete: „Viel besser, als ich es verdient habe.“ Ich wusste, dass er schwere Zeiten durchmacht. Doch er sagte: „Mir geht es besser, als ich es verdient habe.“ Das brachte mich zum Innehalten.
Wenn ich ehrlich auf mich schaue, egal wie es mir gerade geht, geht es mir immer besser, als ich es verdient habe. Denn als Sünder hätte ich eigentlich Gottes Gericht verdient. Ich hätte nicht einmal verdient, noch zu leben.
Daniel erkennt: Gott ist gerecht, Gott ist treu. So betet er Gott an. Er klagt also nicht nur über das Schlimme, was er erlebt hat. Ich möchte damit sagen: Nicht alles Schlimme, was wir erleben, ist die unmittelbare Konsequenz unserer Sünde. Wir leben in einer gefallenen Welt. Das heißt, vieles Schlimme erleben wir einfach, weil wir in einer gefallenen Welt leben.
Aber egal, was wir erleben, uns geht es immer besser, als wir es verdient haben.
Mitten in diesem Gebet bekennt Daniel noch etwas über Gott, das ihm große Zuversicht gibt. Das sehen wir in Vers 9. Ich glaube, das ist das Zentrum des Gebets. Marvin hat diesen Vers wunderbar gelesen und besonders betont: „Bei dir aber, Herr, unser Gott, ist Barmherzigkeit und Vergebung.“
Das verändert alles. Gott ist nicht nur gerecht, wenn er uns richtet. Gott ist nicht nur gerecht und treu, er ist auch ein Gott der Barmherzigkeit. Er erbarmt sich über uns, und bei Gott ist Vergebung.
Wenn wir keine Hoffnung auf Barmherzigkeit und Vergebung hätten, wenn wir nicht damit rechnen könnten, was bliebe uns dann anderes, als unsere Sünden so gut wie möglich zu verstecken und wegzudiskutieren? Aber wenn wir wissen, dass es einen gibt, bei dem Barmherzigkeit und Vergebung zu finden sind, ist das großartig.
Dann haben wir das wunderbare Privileg, unsere Sünden vor ihm zu bringen und uns darauf zu verlassen, dass er ein Gott ist, der uns gerne vergibt, der uns barmherzig, voller Liebe und Gnade anzieht.
Ich weiß nicht, ob du schon einmal über ein Sündenbekenntnisgebet nachgedacht hast. Es ist ein wunderbarer Weg, ein schlechtes Gewissen loszuwerden, weil wir Gott unsere Schuld bringen können und uns dann daran erinnern dürfen, dass er ein Gott ist, der Sünden vergibt.
Als Marvin vorhin mit uns Sünden bekannt hat, hast du vielleicht gedacht: „Bei mir trifft das nicht zu“ oder „Das war mir jetzt zu viel.“ Die bessere Haltung wäre jedoch: Egal, wie viel bei mir zutrifft, im Großen und Ganzen trifft es auch auf mich zu. Jetzt bringen wir es Gott und geben es ab. Mein ganzes schlechtes Gewissen, diesen ganzen Rucksack, lege ich ab und bekomme zugesprochen: Bei dir ist noch mehr Gnade, und ich bin frei von meiner Schuld.
Daniel erkennt das und bringt seine Sünden vor Gott. Doch er bringt nicht nur seine eigenen Sünden vor Gott, sondern auch die seines Volkes. Das ist sehr interessant. Er sieht sich als Teil einer Gemeinschaft und versucht nicht, sich zu separieren.
Man könnte sagen: „In der FG München-Mitte gibt es viele, die sollten diese Sünden bekennen, aber ich bin besser.“ Das könnte man tun, vielleicht sogar zu Recht. Daniel war sicherlich ein ausgezeichneter Israelit, ein feiner Kerl, nicht so wie manche andere.
Doch er bekennt nicht nur die Schuld an Stelle des Volkes – so als könnten wir das tun. „Ja, ich habe gesündigt, und Marvin sagt, ich bekenne die Schuld für dich.“ Nein, ich muss meine Schuld bekennen. Es gibt keine Vergebung für die, die einfach auf irgendeinen Stellvertreter hoffen – außer auf Jesus, der unser Stellvertreter ist und uns vor dem Thron Gottes vertritt. Zu ihm müssen wir kommen, durch ihn können wir zum Vater kommen.
Daniel erkennt, dass es eine Form von gemeinschaftlicher Sünde gibt. Deshalb ist es gut und richtig, nicht nur individuelle Schuld zu bekennen, sondern auch als Gemeinschaft zu sagen: Wir machen nicht alles gemeinsam so, wie wir es tun sollten.
Deshalb ist es gut und richtig, auch gemeinsam Sünde zu bekennen.
Ein konkretes Beispiel für uns könnte sein, dass wir anerkennen, dass unsere gemeinsame Anbetung vielleicht noch nicht dem entspricht, was Gott wirklich verdient. Dass wir bei unserer gemeinsamen Anbetung oft vielleicht gar nicht wirklich so gemeinsam anbeten, sondern sagen: „Das ist das Lied, das die mögen, das sollen die mal singen“ oder „Das ist das Lied, das die mögen, das singen die“ oder „Bei dem Lied singe ich nicht mit“ oder „Ich singe jetzt einfach mit, aber ich bin gar nicht wirklich dabei.“
Sehen wir, dass wir zu Zeiten, in denen wir Gott anbeten, in Liedern sagen, wir wollen gemeinsam Gott anbeten. Gott verdient es, egal ob ich die Melodie mag oder mir die Gitarre zu laut ist oder was auch immer.
Vielleicht ist das etwas, was wir gemeinschaftlich vor Gott bekennen sollten: „Herr, vergib uns, dass unsere Anbetung sich oft an so vielen Dingen orientiert, aber nicht daran, wer du bist und was dir gebührt.“
Vielleicht ist auch unser Sündenbekenntnis etwas, das wir vor Gott als Sünde bekennen sollten. Denn unser Sündenbekenntnis ist vielleicht oft sehr vorsichtig. Wir bekennen die Dinge, die sowieso jeder weiß, damit wir nicht die Dinge bekennen müssen, die keiner weiß, weil das ja peinlich wäre.
Oder erkennen wir, dass bei Gott Vergebung ist.
Wir können das vielleicht jeder noch einmal beim Mittagessen darüber nachdenken, wo uns das herausfordert.
Daniel bekennt für das Volk Israel auf jeden Fall ganz allgemein, dass sie die göttlichen Gebote missachtet haben, dass sie dem Wort Gottes gegenüber ungehorsam sind. Dann wird er etwas konkreter und sagt: „Wir haben Gott weder so angebetet, wie es angemessen gewesen wäre, noch haben wir unsere Sünden bekannt und uns dann auch wirklich davon abgekehrt.“ Das bringt er hier vor Gott.
Ich möchte nicht weiter auf das Bußgebet eingehen, weil es noch viel anderes zu bedenken gibt. Ich möchte euch einfach ermutigen, dieses Gebet – die Verse 4 bis 14, die wir vorhin gehört haben – noch einmal das eine oder andere Mal in der nächsten Woche zu lesen und dieses Wort auf euch wirken zu lassen. Schaut, wie es eure Gebete vielleicht ganz neu inspirieren kann.
Vielleicht darf ich euch ermutigen, die Verse 4 bis 14 aus Daniel 9 nächste Woche, vielleicht jeden Morgen, einfach mal zu lesen und zu schauen, was das mit eurem Beten macht und wo Daniel uns ein Vorbild sein kann.
Fürbitte im Gebet Daniels
Lasst uns nun auf die Verse 15 bis 19 schauen. Es handelt sich dabei um ein etwas kürzeres Fürbittegebet, das einem langen Bekenntnisgebet folgt. Nach dem Bekenntnis von Gottes Größe und dem Sündenbekenntnis kommt nun die Fürbitte.
Ich lese uns die Verse 15 bis 19 vor:
„Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus Ägyptenland geführt hast mit starker Hand und hast dir einen Namen gemacht, so wie es heute ist: Wir haben gesündigt, wir sind gottlos gewesen. Ach Herr, um aller deiner Gerechtigkeit willen, wende ab deinen Zorn und Grimm von deiner Stadt Jerusalem und deinem heiligen Berg! Denn wegen unserer Sünden und wegen der Missetaten unserer Väter trägt Jerusalem und dein Volk Schmach bei allen, die um uns her wohnen. Und nun, unser Gott, höre das Gebet deines Knechtes und sein Flehen, lass leuchten dein Antlitz über dein zerstörtes Heiligtum um deinetwillen! Herr, neige dein Ohr, mein Gott, und höre, tu deine Augen auf und sieh an unsere Trümmer und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist, denn wir liegen vor dir mit unserem Gebet. Und vertraue nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit! Ach Herr, höre! Ach Herr, sei gnädig! Ach Herr, merke auf! Tu es und säume nicht um deinetwillen, mein Gott, denn deine Stadt und dein Volk ist nach deinem Namen genannt.“
Eine starke Fürbitte, oder? Wieder sehen wir, dass sie durchdrungen ist von einem Bekenntnis. Es ist klar, dass wir von Gott nichts fordern können, sondern dass wir darauf vertrauen, dass Gott einfach barmherzig ist – ein Gott, der Gebete erhört.
Er beginnt seine Fürbitte damit, dass er Gott quasi daran erinnert – vielleicht auch sich selbst und sein Volk –, wie Gott das Volk in der Vergangenheit aus großer Not befreit hat. Nämlich als er Israel aus der Sklaverei in Ägypten geführt hat.
Dann erklärt er nochmals, dass letztlich alles, was sie brauchen, ein Gott ist, der barmherzig ist, der Gnade zeigt, der vergibt und darauf bedacht ist, sich selbst groß zu machen.
Das ist ein Gebet, nicht wahr? Vielleicht haben wir es gerade am Ende gesehen: Es wirkt fast ein bisschen wie ein Trick im Gebet. „Gott, mach das nicht für uns, mach das einfach für dich, damit du groß herauskommst.“ Aber genau das betet er.
Weil er im Endeffekt anerkennt, dass Gott aller Anbetung und aller Ehre gebührt. Er versteht, dass die Untreue von Gottes Volk letztlich auch schlecht auf Gott zurückfällt. Und er sagt: „Das will ich nicht. Vergib uns, dass wir deinem Namen nicht alle Ehre gemacht haben. Stell uns wieder her, damit dein Name groß herauskommen kann.“
Ein wunderbares Gebet – ein Gebet aus einem demütigen Herzen. Ein Gebet, das ganz auf Gott vertraut und ein sehr gottzentriertes Gebet ist.
Charakteristika von Daniels Gebet und Ermutigung zum Gebet
Ich liebe das Gebet Daniels sehr, dieses vorbildliche Gebet, das uns sicher eine Hilfe sein kann, damit auch unsere Gebete immer biblischer werden. Sein Gebet ist angeregt durch sein Bibellesen. Er betet entsprechend dessen, was er im Wort Gottes liest. Er betet entsprechend der Verheißungen, die er liest.
Deswegen betet er vor allem um die Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Dabei bekennt er, wie groß Gott ist, er lobt Gott und seine Eigenschaften. Er bekennt seine Sünden und die Sünde seines Volkes. Außerdem bittet er Gott um Dinge, die letztendlich dazu führen, dass Gott verherrlicht wird.
Wollen wir so beten? Wenn du noch überlegst und deswegen gerade noch nicht Ja oder Amen gesagt hast, vielleicht hast du es dir auch gedacht: Ab Vers 20 kommt das, was uns nun wirklich helfen wird, zu erkennen, dass es gut ist, so zu beten. Denn ab Vers 20 lesen wir im zweiten Teil unseres Kapitels, wie Gott nun auf Daniels Gebet antwortet.
Er tut das wiederum, indem er den Engel Gabriel sendet. Daniel erhält durch Gabriel einen tiefen Einblick in Gottes Pläne. Damit wird verdeutlicht, dass Gott weit über das Bitten und Verstehen von Daniel hinausgeben und Segen schenken wird.
Ich lese uns zuerst die Einleitung hier der Antwort auf das Gebet in den Versen 20 bis 21:
„Als ich noch so redete und betete und meine und meines Volkes Israels Sünde bekannte und in meinem Gebet für den heiligen Berg meines Gottes vor dem Herrn, meinem Gott, lag, eben als ich noch so redete in meinem Gebet, da flog der Mann Gabriel, den ich zuvor im Gesicht gesehen hatte, um die Zeit des Abendopfers dicht an mich heran.“
Daniel sagt hier zwei Dinge. Er sagt, Gabriel kommt, und er kommt, während er betet. Dieser gleiche Gabriel, der jetzt hierher gesandt wird, war in Kapitel 8 im Gesicht und in der Vision erschienen. Wir erinnern uns, wenn wir letzte Woche bei der Predigt zugehört haben, wie Gabriel kam.
Daniel hatte eine Vision, die er überhaupt nicht verstehen konnte. Gabriel erklärte ihm wesentliche Dinge so, dass Daniel zwar nachher immer noch vieles nicht verstehen konnte, aber doch eine gewisse Klarheit darüber hatte, was Gott tun würde. Er war ermutigt und gestärkt. Auch wenn er wusste, dass noch viel Leid geschehen wird, konnte er weitermachen, weil er wusste, Gott wird alles zu einem guten Ende bringen, auch wenn noch viel Leid bevorsteht.
Gabriel hatte ihm also schon mal einen Einblick in die Zukunft gegeben. Und genau das Gleiche tut Gabriel hier nun wieder, in Vers 22 und 23:
„Und er, Gabriel, unterwies mich, Daniel, und redete mit mir und sprach: Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, um dir zum rechten Verständnis zu verhelfen. Denn als du anfingst zu beten, erging ein Wort. Und ich komme, um dir das Kunst zu tun, denn du bist von Gott geliebt. So merke nun auf das Wort, damit du das Gesicht verstehst.“
Merkt ihr, was das bedeutet? Wie lange hat es gedauert, bis Gott Gabriel sendet, um Daniel eine Antwort zu geben? Ab wann merkt Gott, dass wir beten? Muss ich die richtigen Formulierungen haben? Brauche ich erst mal so ein gewisses Insgebet-Hineinkommen, bevor Gott dann „anschaltet“?
In manchen Gebeten könnte man den Eindruck haben, oder? „Lauf uns erst mal ein bisschen warm und dann irgendwann hört er hoffentlich.“ Nein, das ist bei mir manchmal so, wenn meine Frau mit mir reden will: „Hörst du mir eigentlich zu?“ – „Ah ja, ja.“ Bei Gott ist das anders.
Das sollte uns nicht überraschen, dass Gott anders ist als ich. Aber bei Gott ist das anders. Das heißt hier: „Als du anfingst zu beten, erging ein Wort.“ In dem Moment, wo Daniel seine Hände faltet und sagt: „Lieber Gott“, da ist Gott auf Zuhören geschaltet.
Gott merkt, hier kommt ein Gebet, und Gott fängt sofort an zu sagen: „Gabriel, der Mann braucht Hilfe, ich will ihm helfen.“ Warum? Weil Gott ihn liebt.
Okay, gut für Daniel. Was hat das mit dir zu tun? Wenn du ein Kind Gottes bist, wenn Jesus Christus dein Retter und Herr ist, hoffe ich, dann ist dir klar: Das, was Gabriel Daniel sagt, darüber wie Gott zu ihm steht, trifft auch auf dich zu. Du bist von Gott geliebt.
Lieber Christ, ist dir das klar? Du bist von Gott geliebt. Und zwar nicht, weil du perfekt bist oder nicht sündigst. Daniel bekennt in seinem Gebet Sünde. Aber Gott sagt: „Du bist geliebt.“
Lieber Christ, das darf dir Hoffnung geben, das darf dir Zuversicht geben. Das, was Gott für dich hat als Kind Gottes, ist immer das, was ein liebender Vater für seine Kinder hat: Dinge, die aus einem Herzen der Liebe kommen. Das ist nicht immer genau das, was wir wollen, aber es ist immer gut.
Von daher lasst uns ermutigt sein: Wir können zu Gott beten. Wir können wissen, Gott hört unser Gebet – und zwar vom ersten Wort an. Nun wird er nicht immer so antworten und nicht immer so schnell antworten wie hier, weil ein liebender Vater weiß, dass es nicht immer gut und richtig ist, sofort zu geben, was er gebeten wird.
Aber Gott hört unser Gebet, und Gott wird uns geben, was wir brauchen. Er gibt uns auch das Verständnis, das wir brauchen, in der Regel durch sein Wort, so wie Daniel es selbst erlebt hat. Manchmal schenkt er uns tieferes Verständnis durch seinen Geist.
Ich würde behaupten, dass der Heilige Geist in unserem Leben die Rolle eingenommen hat, die der Engel Gabriel im Leben von Daniel hatte. Der Geist Gottes ist der Weg, wie Gott uns Dinge offenbart, die tiefer in die Erkenntnis führen.
Gottes Antwort und die Verheißung über das Gebet hinaus
Wir sehen also, dass Gott Daniel jetzt eine Antwort darauf schenkt, was er tun wird. Daniel hat gebeten: Stell doch dein Volk wieder her! Und Gott sagt: Ich werde viel mehr für dich tun, als euch einfach nur aus dem babylonischen Exil zurückzuschicken.
Das sehen wir zuerst im Vers 24. Es ist wirklich eine Zusammenfassung der Dinge, die später noch einmal weiter erklärt werden. Das ist ein bisschen kompliziert, aber lassen wir uns das genau betrachten.
Gabriel erklärt Daniel, was Gott für sein Volk tun wird – weit über die Rückkehr aus dem Exil hinaus. Siebzig Wochen sind verhängt über dein Volk und über deine heilige Stadt. Dann wird dem Frevel ein Ende gemacht, die Sünde abgetan, die Schuld gesühnt, ewige Gerechtigkeit gebracht, Gesicht und Weissagung erfüllt und der Allerheiligste gesalbt werden.
Hier ist ein kurzer Kommentar angebracht: Die Luther-Übersetzung und einige andere Übersetzungen sind an dieser Stelle leider etwas irreführend. Wenn hier von siebzig Wochen die Rede ist, steht tatsächlich nicht das Wort „Woche“, sondern „siebzig mal sieben“. Die sieben sind Zeiteinheiten.
Diese Zeiteinheit kann eine Woche sein. Tatsächlich wird das gleiche hebräische Wort gelegentlich als Woche übersetzt. An anderen Stellen wird es auch als Tage übersetzt – sieben Tage –, dort wird das Sieben noch ergänzt durch das Wort für Tag. Es kann aber auch einfach eine Zeiteinheit sein.
Manche sagen „siebzig Jahr-Wochen“, man könnte auch einfach „siebzig Jahre“ sagen. Letztendlich traut sich das nur keiner, weil wir nicht genau wissen, was diese Zeiteinheiten eigentlich sind. Es sind einfach 70 mal sieben Zeiteinheiten, das ist das, was hier wirklich steht.
Im Endeffekt muss uns klar sein, dass in apokalyptischer Literatur – also Literatur, die auf das Ende schaut, und das ist hier eindeutig die Textgattung, in der wir uns befinden – Zahlen immer eine symbolische Bedeutung haben.
Das sehen wir zum Beispiel auch in der Offenbarung bei der Zahl von den 144.000, die letztendlich im Himmel sein werden. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass der Himmel vielleicht schon voll ist und dass alle schon da sind. Wir dürfen wissen: Diese Zahl steht symbolisch für die Vollzahl zwölf mal die Vollzahl zwölf mal die große Menge tausend.
144 bedeutet einfach, dass alle im Himmel sein werden – ganz viele, und zwar jeder, wirklich jeder, der dort sein soll. Die Vollzahl wird ankommen.
Ähnlich ist das mit den siebzig mal sieben. Das ist eine Formulierung, die wir in der Bibel übrigens auch an einer anderen Stelle finden. Vielleicht ist das dem einen oder anderen gerade durch den Kopf gegangen: Siebzig mal sieben habe ich schon mal gehört.
Ja, genau! Jesus hat das mal gebraucht, als Petrus gefragt hat: Wie oft sollen wir eigentlich vergeben? Siebenmal? Nein, siebenmal hat er gefragt. Und Jesus sagt: Nein, nicht siebenmal, sondern siebzig mal siebenmal.
Was meint das? Petrus hat sein Notizbuch rausgeholt und angefangen, eine Strichliste zu führen. Bei 490 hat er gesagt: Endlich kann ich aufhören. Nein! Jesus sagt eine bestimmte Zahl, aber viel, viel mehr.
Die Zahl steht einfach dafür, dass du nicht aufhören sollst. Es geht nicht darum, dass wir etwas berechnen sollen. Er sagt einfach: Hör nicht auf, ein Herz zu haben, das vergeben will, wenn jemand um Vergebung bittet.
Und das ist letztendlich auch das, was wir hier sehen. Uns muss klar sein, auch wenn ich jetzt vielleicht dem einen oder anderen auf den Fuß trete, der schon seine großen Charts rausgeholt hat, um genau zu markieren, wo wir gerade sind:
Nein, Daniel bekommt hier keinen Tipp, dass er mal ausrechnen kann, wo genau wir sind. Es geht nicht darum.
Es geht darum, dass Daniel fragt: Sind wir jetzt bald angekommen bei 70 Jahren? Können wir zurückgehen nach Babylon, so wie Jeremia es vorhergesagt hat?
Und Gott sagt: Ich will dir etwas zeigen, das weit darüber hinausgeht, weit darüber hinaus. Einen Einblick in Dinge, an die du gar nicht denkst.
Dann erklärt er, worum es dabei geht, und erwähnt hier ganz konkret sechs Dinge, die am Ende dieser Zeit geschehen sollen: Dann wird dem Frevel ein Ende gemacht, Sünde wird abgetan, Schuld wird gesühnt, ewige Gerechtigkeit gebracht, Gesicht und Weissagung – also Visionen und Prophetie – wird erfüllt sein. Und der Allerheiligste wird gesalbt werden.
In der Lutherübersetzung steht tatsächlich kein Artikel; wahrscheinlich ist es besser zu sagen: Der Allerheiligste wird gesalbt werden.
Vielleicht denkst du: Super, jetzt bin ich mal gespannt, was genau diese 70 mal 7 bedeuten, wie man sie auslegen muss. Ob Matthias auch das denkt, was ich immer schon gedacht habe. Vielleicht prüfst du, ob ich wirklich bibeltreu bin, weil ich sage: Wovon du überzeugt bist, hast du keine Chance.
Ich habe gewisse Vorstellungen, worum es hier gehen könnte und wie wir das einteilen können. Aber ich halte das in einer ganz offenen Hand, weil mir im Endeffekt klar ist, was die Funktion dieses Textes für Daniel war.
Daniel, ich habe viel mehr für dich, als du dir überhaupt vorstellst. Du denkst, was ihr braucht, ist einfach eine Rückkehr aus dem babylonischen Exil.
Ich sage dir: Ihr braucht so viel mehr.
Was würde euch das letztendlich Gutes tun? Klar, dann hat das Exil erst einmal ein Ende, dann seid ihr zurück im gelobten Land.
Und was wird passieren? Ihr wart ja auch schon mal in Ägypten, und dann wart ihr zurück im gelobten Land. Was ist passiert? Was wird immer passieren, wenn Menschen einfach nur eine nächste Chance bekommen? Sie verbocken es wieder.
Dann kommt vielleicht das babylonische Exil, aber dann kommt wieder irgendetwas anderes.
Gott sagt: Schau, ich habe etwas viel Besseres für dich als einfach nur eine neue Chance, einen Neuanfang.
Ich habe etwas, was du wirklich brauchst.
Ich werde einen Weg bereiten, dass am Ende die Sünde abgetan wird. Du wirst nicht sagen müssen: Ich brauche wieder ein Bußgebet und vielleicht auch wieder alttestamentliche Opfer, um irgendwie mit Gott in Verbindung zu kommen.
Ich werde das Problem letztendlich lösen.
Ich werde ewige Gerechtigkeit bringen – nicht eine, die nur für die nächsten fünf Minuten funktioniert, bis du wieder sündigst.
Ich werde so wunderbar wirken, dass eines Tages aller Frevel, alles Böse, alles Leid ein Ende findet.
Das ist das, was hier verheißt wird.
Die Zeitabschnitte der 70 mal 7 und ihre Bedeutung
Wir lesen schließlich in den Versen 25 bis 27 von drei Zeitabschnitten, in denen sich die 70 mal sieben aufteilen. Wir können diese Abschnitte miteinander betrachten, und ich kann euch sagen, wie man sie eventuell verstehen könnte. Doch eines ist mir wichtig: Das, was ich jetzt sage, ist eher spekulativ. Meine Erkenntnis ist Stückwerk. Ich weiß auch nicht, ob wir es letztendlich genau wissen müssen.
Was wir aber haben dürfen, ist die feste Zuversicht, dass das, was Gott Daniel durch den Engel Gabriel zeigt, wirklich wahr ist und geschehen wird. Das verändert alles.
Ich lese uns nun den Abschnitt 25 bis 27 vor:
"So wisse nun und gib acht: Von der Zeit an, als das Wort erging, Jerusalem werde wieder aufgebaut, bis ein Gesalbter, ein Fürst, kommt, sind es sieben Wochen. Und 62 Wochen lang wird es wieder aufgebaut sein mit Plätzen und Gräben, wiewohl in kummervoller Zeit. Nach 62 Wochen wird ein Gesalbter ausgerottet werden und nicht mehr sein. Das Volk eines Fürsten wird kommen und die Stadt und das Heiligtum zerstören. Aber dann kommt das Ende durch eine Flut. Bis zum Ende – hier geht er nochmal zurück auf diese 62 Wochen – wird es Krieg geben und Verwüstung, die längst beschlossen ist. Es wird, Entschuldigung, nicht 62 Wochen, sondern die letzte Woche sein. Also nochmal: Er geht nochmal zurück in die letzte Woche, weil er vorher sagt: 'Aber dann kommt das Ende durch eine Flut.' Und dann sagt er: 'Und bis zum Ende, nochmal zurück, die letzte Woche wird es Krieg geben und Verwüstung, die längst beschlossen ist. Es wird aber vielen den Bund schwer machen, eine Woche lang. Und in der Mitte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer abschaffen. Im Heiligtum wird stehen ein Gräuelbild, das Verwüstung anrichtet, bis das Verderben, das beschlossen ist, sich über die Verwüstung ergießen wird.'"
Wir sehen drei Teile: sieben mal sieben Zeiteinheiten, 62 Zeiteinheiten und sieben Zeiteinheiten. Oder anders gesagt: sieben mal sieben, 62 mal sieben, ein mal sieben. Hier wird gesagt, dass in dieser Zeit verschiedene Dinge geschehen werden.
Der Anfang ist relativ klar: Die Rückkehr nach Jerusalem und der Wiederaufbau von Jerusalem. Da sind wir uns einig, das steht ganz am Anfang: "Jerusalem werde wieder aufgebaut." Das Ende ist ebenfalls relativ klar: Dann kommt das Ende, das endgültige Ende.
Dieses Ende wird zuerst durch eine Flut beschrieben. Wir wissen, dass dies symbolisch ist, denn Gott hat nur verheißen, dass das Endgericht nicht noch einmal durch eine Flut kommen wird. An die Stelle der Flut, die sinnbildlich für das Gericht Gottes steht, tritt ein Gericht durch Feuer. Am Ende kommt also ein großes Gericht.
Das sehen wir noch einmal, als er im zweiten Durchlauf auf die letzte Woche – die letzte Zeiteinheit – zu sprechen kommt. Dort spricht er vom ganz am Ende beschlossenen Verderben, das über die Feinde Gottes kommen wird, über das Gräuelbild der Verwüstung, die Verwüstung selbst. Darauf wird ein Gericht folgen.
Das heißt: Anfang und Ende sind klar. Was dazwischen liegt, können wir spekulieren, wie genau und wann es geschieht. Eines ist klar: Alle Gottesverheißungen finden ihr Ja und Amen in wem? In Christus Jesus, so lehrt uns die Schrift. Das heißt, ganz sicher findet auch dieser Text seine Erfüllung in Christus Jesus.
Es gibt verschiedene Auslegermeinungen. Manche sagen, dass wahrscheinlich in dieser letzten Sieben das alles enthalten ist, dass dort der Sieg von Jesus steht und damit alles gemeint ist – vom ersten Kommen bis zum zweiten Kommen. Andere Ausleger sagen, dass der Christus der ist, der am Ende der ersten sieben Zeiteinheiten kommt, nämlich in Vers 25: "Ein Gesalbter, ein Fürst kommt, sind es sieben Wochen." Ich tendiere dazu, Jesus hier zu sehen.
Dann sagen sie, die 62 Zeiteinheiten seien eine Zeiteinheit, wiederum sehr symbolische Sprache. Wir erleben viel Widerstand, aber gleichzeitig existiert das Reich Gottes weiter. Und ganz am Ende kulminiert alles in einem großen letzten Konflikt, der mit dem Endgericht endet.
Das verstehen unterschiedliche Ausleger unterschiedlich. Was mir wichtig ist, dass wir Folgendes mitnehmen: Daniel betet: "Herr, sieh meine Lebensumstände an. Wir sind im Exil, uns geht es schlecht, und ja, wir haben es nicht besser verdient." Im Endeffekt geht es uns immer besser, als wir es verdient haben. Aber Daniel sagt: "Herr, trotzdem, weil wir wissen, dass du ein barmherziger und gnädiger Gott bist, bitten wir dich, verbessere und verändere unsere Lebensumstände. Tu das so, dass du darin geehrt wirst als Zeugnis für die Welt."
So ein Gebet beten wir auch oft: "Herr, sieh meine Lebensumstände an, bitte greif ein, bitte schenk Veränderung!" Und Gott sagt zu Daniel: "Ich habe dein Gebet gehört, und ich werde es beantworten. Ich hatte es ja auch schon verheissen, dass ich es beantworten werde. Aber verliere nicht aus dem Blick, dass ich etwas viel, viel Größeres und Besseres für dich habe."
Lieber Bruder, liebe Schwester in Christus, ich hoffe, du hörst das jetzt auch. Egal wie deine Lebensumstände sind, egal was Gott in deinen Lebensumständen tut: Durch sein Wort, durch diese Worte, die Gabriel Daniel und damit auch uns sagt, sagt Gott uns: "Schaut, ich werde mehr tun als nur deine Lebensumstände verändern. Ich sende einen, der wird alle deine grundsätzlichsten Probleme lösen."
Bei ihm findest du die Vergebung deiner Schuld. Sie wird gesühnt. Bei ihm wirst du deine Sünde los, sie wird abgetan. Bei ihm findest du eine ewige Gerechtigkeit, die du nicht in dir trägst. Das ist das Erste, was wir verstehen müssen: das ist die große Verheißung.
Ich hoffe, du hast das erkannt. Ich hoffe, du weißt, wie sich das erfüllt hat: Dazu ist Gott in Jesus Christus zu uns Menschen gekommen, entsprechend der großartigen Verheißung Gottes.
Jesus Christus hat nicht nur so gelebt, wie wir hätten leben sollen. Er hat immer dem Wort Gottes gehorcht, er hat keines der Gebote gebrochen. Er hat das gerechte Gericht für unsere Sünden, für unsere Schuld, auf sich genommen am Kreuz von Golgatha. Er gab sein Leben, um dort den vollkommenen Preis zu zahlen, sodass jeder, der ihm seine Sünde bekennt, der ihm seine Schuld bringt, wissen kann: Bei ihm ist Vergebung.
Er nimmt uns unsere Schuld, und er hat den Preis dafür bezahlt. Dieser Preis ist ultimativ und ausreichend für jeden und für alle Zeit. Deswegen können wir mutig vor seinen Thron der Gnade kommen und ihm unsere Schuld bringen, weil wir wissen: Er hat sie längst gesühnt – wenn wir sie ihm nur bringen.
Das hat Jesus für dich getan.
Siehst du, das ist viel mehr als nur die Veränderung deiner Lebensumstände. Wenn du heute hier bist und noch kein Christ bist und hoffst, dass Gott dir irgendwie in deinen Lebensumständen helfen kann, dann lass mich dir Folgendes sagen: Gott kann helfen, Gott kann helfen, Gott sei mächtig!
Es ist gut und richtig, wenn du im Gebet zu ihm kommst. Aber ich hoffe, du erkennst: Gott ist nicht einfach der Weihnachtsmann, der deine Wunschliste vorlegt und etwas für dich tut. Gott ist der Gott, dem alle Anbetung gebührt.
Deswegen sagt er: "Ich werde jedem viel größere Probleme lösen, nämlich sein ultimatives Problem, der wirklich zu mir kommt. Komm zu mir, lerne mich kennen, bete mich an, damit mein Name großgemacht wird, auch durch dein Leben."
Dann wisse: Er wird nicht nur deine Lebensumstände hier auf Erden verändern und verbessern. Das kann er tun, das wird er vielleicht tun. Aber letztendlich wird er vor allem dich befreien von aller Not und dich hinbringen in seine Herrlichkeit.
Dort werden wir ihn für alle Ewigkeit anbeten und darin unser größtes Glück finden.
Das wird hier verheissen. Es wird verheissen, dass das Ende kommen wird, das Gericht wird kommen.
Deshalb zögere nicht: Komm zu Jesus! Du brauchst ihn. Nur so kannst du bestehen in der Zeit der Flut, wenn das Verderben, das beschlossen ist, über alles Unrecht ausgegossen wird.
Ich möchte nicht weiter spekulieren über die 70 mal sieben. Ich möchte uns einfach ermutigen, dies zu erkennen: Unser Herr möchte unseren Horizont weiten. Er möchte uns sagen: Bring mir deine Nöte, bring mir deine Sünden. Dann erkenne: Ich nehme sie dir, ich höre dich, ich liebe dich und ich sorge für dich.
Und ich habe etwas noch viel Größeres und Besseres für dich. Der Blick darauf wird dir helfen, weiter voranzugehen.
Abschluss und Gebetsvorlage
Wie können wir jetzt beten? Unser Herr Jesus zeigt es uns. Er hat uns ein Gebet gegeben, in dem wir genau das tun können. Dabei geht es nicht darum, die Worte wortwörtlich herunterzurasseln, sondern darum, eine Vorlage zu haben, die uns hilft zu verstehen, wie wir beten sollen.
Das war die Frage der Jünger: Warum sollen wir beten? Und was hat Jesus darauf geantwortet? Betet! Betet ein großes Gebet, ein Gebet, in dem ihr Gott in den Blick nehmt. Ein Gebet, in dem ihr nicht nur die kleinen Dinge des Lebens erbittet. Das könnt ihr natürlich tun: Unser tägliches Brot bitten und um Freude – das ist ein gutes Gebet. Und ja, „Vergib uns unsere Schuld“ ist ein wichtiges Gebet. Aber wir können noch viel größer beten.
So möchte ich diese Predigt beenden, indem ich euch bitte, aufzustehen und mit mir zu beten. Wenn du das Gebet nicht auswendig kannst, ist das kein Problem. Es steht hier zu meiner Rechten, aus deiner Sicht.
Lasst uns zu unserem himmlischen Vater gehen:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen,
denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.