Einführung in die messianische Prophetie in Jesaja
Wir befinden uns in unserer Reihe über die messianische Prophetie zum ersten Kommen des Herrn Jesus weiterhin im Buch Jesaja. Ab dem dritten großen Abschnitt in Jesaja, ab Kapitel 40, haben wir bereits die verschiedenen Gottesknechtgedichte betrachtet.
Diese finden sich zuerst in Kapitel 42, Verse 1 und folgende, dann in Kapitel 49, Kapitel 50 und schließlich in Jesaja 53, einschließlich der Schlussverse von Kapitel 52. In der theologischen Literatur sind dort vier Gottesknechtgedichte identifiziert worden.
Gerade in der liberaltheologischen Literatur wird häufig von den Gottesknechtliedern gesprochen. Das ist jedoch völlig unberechtigt, denn es handelt sich nicht um Lieder.
Man könnte einwenden, dass die Texte in der Synagoge gesungen werden. Doch wenn das ein Kriterium wäre, müsste man die gesamte Bibel als ein Lied bezeichnen. Es handelt sich vielmehr um Gedichte, denn der größte Teil des Buches Jesaja ist in Gedichtform verfasst.
Da die Texte im Hebräischen geschrieben sind, sprechen wir von Gottesknechtgedichten.
Jesaja 61 als fünfte Gottesknechtstelle
Und nun kommen wir zur fünften Stelle. Zwar kommt hier der Ausdruck „Knecht des Herrn“ nicht ausdrücklich vor wie in den übrigen Texten, doch beschreibt sie gerade noch einmal den verheißenden Messias als Knecht Gottes.
In Jesaja 61 lesen wir die Verse 1 bis 4:
„Der Geist des Herrn ist auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden frohe Botschaft zu bringen, zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind, Freilassung auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen, auszurufen das Gnadenjahr des Herrn und den Tag der Rache für unseren Gott, zu trösten alle Trauernden, den Trauernden Zions, ihnen Kopfschmuck statt Asche zu geben, Freudenöl statt Trauer, ein Ruhmesgewand statt eines verzagten Geistes, damit sie Terebinten der Gerechtigkeit genannt werden, eine Pflanzung des Herrn, dass er sich durch sie verherrlicht. Sie werden die uralten Trümmerstätten aufbauen, das früher Verödete wieder aufrichten und sie werden die verwüsteten Städte erneuern, was verödet lag von Generation zu Generation.“
Vielleicht noch die Verse 10 und 11 dazu:
„Freuen, ja, freuen will ich mich in dem Herrn, jubeln soll meine Seele in meinem Gott, denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils, den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan, wie der Bräutigam sich nach Priesterart mit dem Kopfschmuck schmückt und wie die Braut sich mit ihrem Geschmeide schmückt. Denn wie die Erde ihr Gewächs hervorbringt und wie ein Garten seine Saat aufsprossen lässt, so wird der Herr Gerechtigkeit und Ruhm aufsprossen lassen vor allen Nationen.“
Und noch Vers 1:
„Um Zions Willen will ich nicht schweigen, und um Jerusalems Willen will ich nicht ruhen, bis seine Gerechtigkeit hervorbricht wie Lichtglanz und sein Heil wie eine Fackel brennt.“
Ja, also hier haben wir zwar, wie gesagt, den Begriff, den Ausdruck „Knecht des Herrn“ (Ewed Adonai) nicht gefunden, aber es stimmt genau überein mit der Beschreibung in den vier früheren Gottesknecht-Gedichten.
Der Geist Gottes und die Salbung des Messias
Was sagt der Messias in Vers 1 über sich? Dass der Geist Gottes auf ihm ruht. Jawohl, er ist also mit dem Heiligen Geist gesalbt.
Schauen wir nochmals in Kapitel 42, das erste Gedicht über den Knecht des Herrn, nach. Jesaja 42,1: "Siehe, das ist mein Knecht, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat." Ja, noch weiter, das ist Vers 1.
Weiter heißt es: "In meinem Geist gegeben, wird er das Recht unter die Heiden bringen." Hier haben wir die Aussage, dass Gott sagt: "Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt." Es beginnt mit: "Siehe, mein Knecht, das ist der Knecht des Herrn, und der Geist Gottes ist auf ihm", genauso wie in Jesaja 61,1.
In Jesaja 61,1 lesen wir ferner, dass dieser Gesalbte kommt, um Menschen, die gefangen sind, in die Freiheit zu bringen. Das finden wir auch in Jesaja 42, wenn wir die Verse 6 und 7 betrachten. Dort steht zum Beispiel, dass er "die linden Augen auftun" wird, um Gefangene aus dem Kerker herauszuführen und aus dem Gefängnis, in dem sie in der Finsternis sitzen.
Hier haben wir also eine sehr direkte Übereinstimmung mit Jesaja 61: Die gebrochenen Herzen werden verbunden, den Gefangenen wird Freiheit verkündet, und den Gebundenen wird der Kerker geöffnet.
Auch hier geht es also um den Knecht des Herrn, wie es mehrfach in Jesaja beschrieben wird.
Die Dreieinigkeit Gottes im Alten Testament
Übrigens haben wir hier die Dreieinheit Gottes in einem Vers: Der Geist des Herrn, der Heilige Geist, dann der Herr selbst, der gesalbt hat. Das entspricht Ja, nein, gut. Der Sohn ist auch Gott, der Heilige Geist ist auch Gott, aber es entspricht dem Vater. Und der Sprecher ist der Sohn. Ja, es ist die Dreieinheit Gottes.
Das hatten wir eben auch in Kapitel 42,1. Dort spricht der Vater: "Siehe, mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat." Dann heißt es weiter: "Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt." Das ist der Geist Gottes. Auch hier haben wir die drei Personen der Gottheit.
Das findet sich sehr oft an verschiedensten Stellen im Alten Testament. Die drei Personen oder an vielen Stellen auch die zwei Personen: Der Vater, der sendet, und der Messias, der Sohn. Das Wort Messias ist ja nicht ausdrücklich in all diesen Stellen über den Knecht Gottes vorgekommen. Doch wir betrachten ja messianische Prophezeiungen.
Wenn wir daran denken, was Messias bedeutet, nämlich "der Gesalbte", wird es wieder klar: In Kapitel 42 geht es um den Messias, nämlich den Knecht Gottes, auf den Gott seinen Geist gelegt hat. Hier wird ausdrücklich gesagt, dass der Herr gesalbt ist, eben als Messias.
Die drei Ämter des Messias und ihre Salbung
Wenn hier über die Salbung gesprochen wird, müssen wir immer an die drei Ämter denken, die durch Salbung im Alten Testament eingesetzt wurden oder eingesetzt werden konnten. Diese Ämter sind König, Priester und Prophet.
Zunächst wurden Könige gesalbt, das ist klar. Ein Beispiel dafür ist David, der in 1. Samuel 16 von Samuel zum König gesalbt wurde.
Zum zweiten Amt, dem Priesteramt, wurde nur der Hohepriester gesalbt. Die übrigen Priester waren nicht gesalbt. Wenn man zum Beispiel in 3. Mose 4 vom „gesalbten Priester“ liest, ist damit immer der Hohepriester gemeint, der durch Salbung eingesetzt wurde.
Drittens findet man im Alten Testament auch Beispiele für die Salbung von Propheten. Elia sollte Elisa zum Propheten salben. Die Stelle dazu ist in 1. Könige 19,16: „Elisa, den Sohn Safats von Abelmechola, sollst du zum Propheten salben an deiner Stadt.“
Der Messias soll alle drei Ämter in sich vereinen. Er sollte König über die ganze Welt sein, Priester und auch Prophet.
Als Prophet sollte er Licht in die Dunkelheit der Menschen bringen und unsere Schuldhaftigkeit vor Gott aufdecken. Als Hohepriester sollte er sich selbst als Opfer darbringen, um das Problem unserer Schuld zu lösen. Dies wird ganz ausdrücklich in Jesaja 53 beschrieben.
Als König sollte er die Erlösten auf den Wegen Gottes führen, auf den Wegen der Heiligen Schrift.
Der Auftrag des Messias in Jesaja 61 und seine Erfüllung im Neuen Testament
Ja, und jetzt finden wir diesen Auftrag im Buch Jesaja. Als Messias soll er Freiheit bringen und die frohe Botschaft verkündigen. Dieses Wort wird im Neuen Testament wieder zitiert.
Wo genau? Nicht in Kapernaum, aber schon in der Synagoge von Nazaret. Wir schlagen auf Lukas 4 nach. Diese Verbindung ist nun ganz wichtig.
Darum lesen wir einen längeren Abschnitt, Lukas 4,14-30:
Jesus kehrte in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück. Die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in ihren Synagogen und wurde von allen geehrt.
Er kam nach Nazareth, wo er erzogen worden war. Wie es seine Gewohnheit war, ging er am Sabbattag in die Synagoge und stand auf, um vorzulesen. Man reichte ihm das Buch des Propheten Jesaja. Als er das Buch aufrollte, fand er die Stelle, wo geschrieben steht:
„Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, den Armen die gute Botschaft zu verkündigen. Er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit auszurufen und Blinden, dass sie wieder sehen. Er hat mich gesandt, die Zerschlagenen zu befreien und ein angenehmes Ja des Herrn auszurufen.“
Nachdem er das Buch zugerollt hatte, gab er es dem Diener zurück und setzte sich. Alle Augen in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
Er begann zu ihnen zu sagen: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“
Alle gaben ihm Zeugnis und wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund kamen. Sie fragten: „Ist dieser nicht der Sohn Josephs?“
Er antwortete ihnen: „Ihr werdet mir sicherlich dieses Sprichwort sagen: ‚Arzt, heile dich selbst! Alles, was wir gehört haben, dass es in Kapernaum geschehen sei, tu auch hier in deiner Vaterstadt!‘“
Er sagte aber auch: „Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet ist in seiner Vaterstadt angenehm.“
Er fuhr fort: „Viele Witwen gab es in den Tagen Elias in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Doch zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, außer zu einer Frau, einer Witwe, in Sarepta in Sidon.
Viele Aussätzige gab es zur Zeit des Propheten Elisa in Israel, doch keiner von ihnen wurde gereinigt, außer Naaman, dem Syrer.“
Als die Menschen in der Synagoge das hörten, wurden sie von Wut erfüllt. Sie standen auf, stießen ihn aus der Stadt hinaus und führten ihn bis an den Rand des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war. Sie wollten ihn hinabstürzen.
Er aber schritt durch ihre Mitte hindurch und ging weg.
Wir stehen hier am Anfang des öffentlichen Dienstes des Herrn Jesus.
Die Salbung Jesu am Jordan und die Bestätigung durch Johannes den Täufer
Noch im Lukas-Evangelium, Kapitel 3, wird die Salbung am Jordan anlässlich der Taufe durch Johannes beschrieben. In Lukas 3,21-22 heißt es, dass der Himmel geöffnet wurde und der Heilige Geist in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf Jesus herabstieg. Gleichzeitig kam eine Stimme aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“
Das war die Salbung, von der Jesaja 61 spricht, und ein gewaltiges Zeichen. Johannes beschreibt in seinem Evangelium, Kapitel 1, dass das Herabkommen des Heiligen Geistes wie eine Taube auf Jesus sichtbar war. Danach kam die Stimme aus dem Himmel. Dieses Phänomen nennt man im Judentum Bat Kol, „Tochter der Stimme“. Es bezeichnet ein besonderes Ereignis, bei dem Gott sich durch eine akustisch hörbare Stimme vom Himmel offenbart.
Die Menschen nahmen diese Stimme akustisch wahr: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Dadurch konnten sie sofort an Jesaja 42,1 denken: „Siehe, mein Knecht, den ich stütze, ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, und er soll der Nation das Recht verkündigen.“ Die Stimme aus dem Himmel sagte: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Jesaja 42,1 spricht von dem, an dem Gottes Seele Wohlgefallen gefunden hat.
Johannes der Täufer, der damals auftrat, war eine Sensation. Er brachte ganz Israel in Bewegung. Matthäus 3 berichtet, dass die Leute aus ganz Judäa, aus Jerusalem und vielen anderen Gebieten, auch aus Galiläa, an den Jordan kamen. Johannes bewegte das ganze Volk. Sein Auftreten war so eindrücklich, dass auch der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius, der im ersten Jahrhundert lebte, das Auftreten von Johannes dem Täufer beschreibt. Er erwähnt außerbiblisch, dass dieser Mann durch sein gerechtes Leben einen unglaublichen Eindruck auf das ganze Volk gemacht hatte.
Johannes der Täufer sagte in Johannes 1, als Jesus von ihm getauft wurde und der Heilige Geist auf ihn kam: Am folgenden Tag sieht er Jesus zu sich kommen und spricht: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Johannes 1,29). Für die Menschen war der Bezug zu Jesaja 53 klar. Der Knecht Gottes, an dem Gott sein Wohlgefallen hat und auf den er seinen Geist legt, ist der Mann, der als Opfer sterben soll. In Jesaja 53 wird beschrieben, dass er wie ein Lamm zur Schlachtung geführt werden sollte.
Die Gewohnheit Jesu, am Sabbat in die Synagoge zu gehen
Gut, und jetzt haben wir in Lukas 4,14 gelesen: Jesus kehrte in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück. Der Gesalbte kommt also nach Galiläa, nach Nordisrael, und geht hin, um in allen Synagogen zu predigen.
Besonders auffällig ist Vers 16: Er kam nach Nazareth, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hatte – von der Kindheit bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr. Nazareth war der Ort, an dem er erzogen wurde. Dort ging er in die Synagoge.
Was fällt an seinem Synagogenbesuch auf? Es heißt, er tat es „nach seiner Gewohnheit“. Junge Menschen sind allgemein dazu geneigt, kritisch gegenüber Gewohnheiten und Traditionen zu sein. Das liegt in der Natur der Sache. Doch Gott hat dies auch in die Natur des Menschen hineingelegt. Ohne diese kritische Haltung gäbe es keine Fortschritte.
Junge Menschen bringen Aufbrüche mit sich, hinterfragen das Gewohnheitsmäßige und Traditionelle und fragen: Was ist der Nutzen davon? Oft geschieht dies jedoch aus einem Ungleichgewicht heraus, sodass alles einfach in Frage gestellt wird. Traditionen werden grundsätzlich als schlecht angesehen. Hier kann man helfen, das Gleichgewicht zu finden: So ist es nicht.
Es gibt schlechte Gewohnheiten und falsche Traditionen, die Menschen versklaven und knechten können. Aber es gibt auch gute Gewohnheiten. Der Herr Jesus selbst hatte Gewohnheiten.
Gerade im Lukas-Evangelium, wenn man das Thema genauer betrachtet, findet man wiederholt den Ausdruck „nach der Gewohnheit“. Das beginnt schon in Kapitel 1 und taucht auch in Kapitel 2 wieder auf. Der Herr Jesus hatte die Gewohnheit, am Sabbattag in die Synagoge zu gehen. Und das war eine gute Gewohnheit.
Die Entstehung der Synagoge nach der babylonischen Gefangenschaft
Wie steht das eigentlich? Wo gibt es das Sabbatgebot? Das war ganz klar verankert. Dann ist es doch selbstverständlich, dass man in die Synagoge geht.
Also, das Sabbatgebot hat Gott bereits in den Zehn Geboten nach dem Auszug aus Ägypten verankert. Aber gab es damals auch schon die Synagoge? Das ist der Punkt: Es sind schon zwei Dinge. Dass Jesus den Sabbat gehalten hat als Jude, zeigt, dass er sich selbst unter das Gesetz gestellt hat. So sagt unser Galater 4: "Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz." Der Herr wurde also unter Gesetz geboren und wurde auch beschnitten, wie Lukas 2 berichtet. So hat sich der Herr als Mensch unter das Gesetz vom Sinai gestellt.
Aber das erklärt noch nicht die Synagoge. Seit wann gibt es Synagogen? Die Antwort lautet: Babylonische Gefangenschaft. Das ergänzt sich gerade gut. Nach der babylonischen Gefangenschaft weiß niemand ganz genau, wann genau die Synagogen entstanden sind. Aber der Ansatz ist eigentlich schon gegeben in diesen Volkszusammenkünften unter Esra und Nehemia. Dort wurde das Gesetz geholt, und Esra hat das Gesetz dem Volk vorlesen lassen. Das kann man als die Wurzel ansehen, aus der dann die Tradition der Synagogen herausgekommen ist.
Das kann man nachlesen in Esra 7 und dann Nehemia 8 zum Beispiel, ganz eindrücklich. Dort wird ausdrücklich gesagt, dass alle gehört haben, auch die Kleinkinder waren mit dabei. Die Überlegung war: Warum hat es die Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft gegeben? Warum wurde alles von Babylon zerstört, Jerusalem verwüstet, der Tempel zerstört, und die Juden wurden nach Babylon weggeführt? Abertausende kamen im Krieg um. Das war alles, weil man sich von Gottes Wort abgewandt hatte. Man hatte die Götter der anderen Religionen rund um Israel übernommen.
So war klar: Als man zurückkam aus der Gefangenschaft, durfte so etwas nie mehr geschehen. Aber wie kann man das verhindern? Nun, Esra war ein guter Mann. Schauen wir kurz in Esra 7. Dort finden wir diesen Mann, der an der Wurzel steht dieser neuen Einrichtung der Synagoge. Esra 7, Vers 10 sagt: "Denn Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz des Herrn zu erforschen und zu tun und in Israel die Ordnung und das Recht des Herrn zu lehren."
Jawohl, es war ihm ein Herzensanliegen, dass nie mehr so etwas wie die babylonische Gefangenschaft geschehen würde. Interessant ist, was er zuerst im Herzen hatte. Wenn man auf die Verben achtet, sieht man: Zuerst hat er ein Bibelstudium betrieben, das war das Erste. Zweitens wollte er das Gesetz nicht nur lesen wie ein Gelehrter, sondern es auch tun, also praktisch anwenden. Drittens kam dann, Israel Satzung und Recht zu lehren. Also zuerst selber umsetzen, dann anderen weitergeben. Wenn die zweite Sache nicht erfüllt ist, ist die dritte gar nicht glaubwürdig. Wer das Wort Gottes nicht umsetzen will, hat keine Glaubwürdigkeit, wenn er es verkündet.
Schauen wir noch ein Beispiel in Nehemia 8. Dort sollte man das ganze Kapitel lesen, um zu sehen, wie Esra das Wort Gottes dem ganzen Volk beibringen wollte. Nehemia 8, Vers 1: "Und die Kinder Israels in ihren Städten versammelten sich das ganze Volk wie ein Mann auf die breite Gasse vor dem Wassertor und sprachen zu Esra, dem Schriftgelehrten, dass er das Buch des Gesetzes Mose holte, das der Herr Israel geboten hat."
In Vers 8 lesen wir von Leviten, die auch lesen mussten: "Sie lasen im Gesetzbuch Gottes klar und verständlich, damit man verstand, was gelesen war." Die Elberfelder Übersetzung bringt es noch wörtlicher: "Sie lasen in dem Buch, im Gesetz Gottes deutlich und gaben den Sinn an, so dass man das Gelesene verstand." Man muss das Wort Gottes also vorlesen, aber auch erklären, damit die Leute wirklich verstehen, was gemeint ist.
Aus diesen Anfängen entstand dann die Idee, an allen Orten im Land Israel Häuser zu bauen, wo man zusammenkommt, um regelmäßig die Bibel zu hören und zu beten. Die Synagogen waren also keine Einrichtung, die das Alte Testament ausdrücklich vorgeschrieben hätte. Es gibt allerdings in den Psalmen einen prophetischen Hinweis auf diese Gebetsstätten im Land. Das musste kommen und war schon im prophetischen Wort enthalten.
Psalm 74, Vers 7 und 8 sagt: "Sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt, zu Boden und weit die Wohnung deines Namens. Sie sprachen in ihrem Herzen: Lasst uns sie niederzwingen! Alles an, verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Lande."
"Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, welcher weiß, wie es war." Das ist eine Prophetie, die nicht auf die Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar bei der babylonischen Gefangenschaft passt, denn damals gab es Propheten. Jeremia war da und hatte sogar noch eine Funktion für die Juden, die nach Ägypten hinabgegangen waren.
Hier wird aber gesagt: "Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, welcher weiß, bis wann." Diese Prophetie passt genau auf die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70, als der zweite Tempel verwüstet wurde. Da waren keine Propheten mehr da, die wussten, wie es weitergehen würde.
Es wird also nicht nur gesagt: "Sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt", sondern auch: "Sie haben alle Versammlungsstätten Gottes im Lande verbrannt." Und wir können konkrete Synagogen nennen, die so niedergebrannt wurden. Zum Beispiel die Synagoge auf Masada. Das war eigentlich die letzte Synagoge, die gefallen ist. Alle waren schon verbrannt in Jerusalem, als im Jahr 70 Jerusalem verwüstet wurde. Die letzte Festung, die noch Bestand hatte, war Masada. Masada fiel im Jahr 73, und dann war der Widerstand gebrochen.
Die Synagoge dort kann man heute besuchen. Interessant ist, dass man unter dem Boden dieser zerstörten Synagoge ein Manuskript von Hesekiel gefunden hat. Was noch übrig war, war gerade Kapitel 37, diese Prophetie über die toten Gebeine, die so verdorrt sind. Dort wird erklärt, dass das das ganze Haus Israel bedeutet. Die Totengebeine sagen: "Unsere Hoffnung ist zunichte, tikatenu awad, unsere Hoffnung ist zunichte."
Dann muss der Prophet sagen, dass diese Gemeinde lebendig werden wird. Gott verkündet, dass Israel, zerstreut unter den Nationen, eine Wiederherstellung, Zusammenführung und Rückführung ins Land erleben würde. Im zwanzigsten Jahrhundert, als aus aller Welt nach Israel eingewandert wurde, begann man, Masada auszugraben und fand diese Dinge ganz eindrücklich.
Besonders verdienstvoll hat sich Yigael Yadin um die Ausgrabungen in Masada verdient gemacht. Yigael Yadin war der Oberbefehlshaber im Krieg 1948, als der Staat Israel gegründet wurde und etwa acht arabische Armeen Israel überrennen und vernichten wollten. In diesem Krieg hatte Yigael Yadin den Oberbefehl über die israelische Armee. Später arbeitete er viel archäologisch, auch in Hazor und eben auch in Masada.
Dort kam also ausgerechnet Hesekiel 37 ans Licht. Dieser Ausdruck aus Hesekiel 37 „Unsere Hoffnung ist zunichte, sagen die Totengebeine, aber dann wird ihnen gesagt: Nein, ihr werdet wieder zu Leben kommen und werdet aufstehen“ findet sich auch in der israelischen Landeshymne wieder.
Die Landeshymne heißt Hatikwa, "Die Hoffnung". Dort beginnt es mit den Worten: "Kol ot balevar penima, nefesh Yehudi homia" – "Solange noch da drinnen im Herzen eine jüdische Seele wohnt." Die Sehnsucht ist nach Zion, um wieder zurückzukehren. Der Text erreicht seinen Höhepunkt mit: "Solange ist unsere Hoffnung nicht zunichte, lo avdatika tenu." Das bedeutet: Unsere Hoffnung ist nicht zunichte.
Gerade in Anspielung auf Hesekiel 37 bedeutet das, dass wir nach zweitausend Jahren wieder ein freies Volk werden, Amchowschi, Beazenu, in unserem Land, in Jerusalem. Die Landeshymne spielt also direkt auf diese Stelle an: Die Hoffnung ist nicht zunichte, es gibt Hoffnung.
So hat man eine dieser verbrannten Synagogen entdeckt. Aber sie wurden im ganzen Land verwüstet. Psalm 74 hat sich damals ganz eindrücklich erfüllt.
Die Synagoge als Vorbereitung auf die Gemeinde
Ja, aber diese Versammlungsstätten – jetzt gehen wir zurück, um unseren Gedankengang weiterzuführen – hat man also begonnen einzurichten nach der babylonischen Gefangenschaft. Die Absicht war, das ganze Volk Israel in der Bibel zu unterweisen, damit es den Willen Gottes kennen und umsetzen kann. So sollte nie mehr eine solche Katastrophe geschehen. Und das war eine gute Sache.
Darum kam der Herr Jesus, als die Zeit erfüllt war, in diese Welt. Er ist als Jude aufgewachsen und ging nach seiner Gewohnheit an jedem Sabbat in die Zusammenkunft. Die Synagoge sollte kein Ersatz für den Tempel sein. Die Tora hat ja ganz klar vorgesehen, dass der Tempel an dem Ort gebaut werden muss, den der Herr aus der Welt bestimmt hat – an einem einzigen Ort. Dort müssen alle Männer dreimal im Jahr hingehen: zu Pessach, Pfingsten und Laubhütten. Die Frauen durften auch hingehen, aber der Befehl war für sie nicht so streng. Mit Rücksicht auf kleine Kinder und verschiedene Belastungen, die ein Kommen verhindern konnten, war die Teilnahme der Frauen nicht verpflichtend. Die Männer mussten jedoch unbedingt hingehen. Normalerweise ging man als Familie, das ist klar.
Im Tempel sang dann auch der professionelle Priesterchor, und das Orchester spielte. Das sollte in den Synagogen jedoch nicht so sein. Darum hat man Instrumente streng außen vor gehalten. In der Synagoge hat man nur a cappella gesungen, also ganz schlicht, ohne jegliche instrumentale Begleitung. So sollte niemand auf die Idee kommen, die Synagoge sei ein Ersatz für den Tempel.
Die Synagoge war also ein Ort, um zu beten, die Schrift zu verlesen und sie auszulegen. Und das war eine gute Sache. Der Herr Jesus ging nach seiner Gewohnheit regelmäßig in die Synagoge.
Wir sehen, dass in Gottes Vorsehung die Einrichtung der Synagoge schon eine Vorbereitung war, später im Blick auf die Gemeinde. Die Gemeinde gibt es ja im Alten Testament nicht. Sie war etwas völlig Neues, als sie an Pfingsten entstand, als der Heilige Geist ausgegossen wurde. Der Herr Jesus sagte in Matthäus 16: "Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen." Er sprach von der Zukunft, denn es gab noch keine Gemeinde. Diese wurde erst ab Pfingsten eingesetzt (Apostelgeschichte 2).
Auch die Gemeinde sollte dann nach Gottes Willen und Vorschrift ein Ort sein, an dem die Gläubigen zusammenkommen zum Gebet, zur Schriftlesung und zur Schriftauslegung. So war die Synagoge bereits eine Vorbereitung im Hinblick auf das Kommen der Gemeinde.
Die Bedeutung des Zusammenkommens der Gläubigen im Neuen Testament
Im Alten Testament gibt es keinen ausdrücklichen Befehl zum Besuch der Synagoge. Schauen wir jedoch, was im Hebräerbrief im Hinblick auf die Gemeinde und das Zusammenkommen der Gläubigen gesagt wird. Lesen wir Hebräer 10,23-25:
"Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten, denn treu ist der, der die Verheißung gegeben hat. Und lasst uns aufeinander Acht haben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzuregen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern. Und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahmen seht."
Es geht also darum, dass wir treu am Glauben festhalten. Wir sollen das Bekenntnis der Hoffnung unbeirrbar bewahren. Dabei sind uns die anderen Gläubigen eine große Hilfe. Wir sollen aufeinander Acht geben, um uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Werken anzuregen.
Das bedeutet, dass es gegenseitiger Ermutigung bedarf, um den Glauben auch praktisch umzusetzen. Es reicht nicht aus, nur ein Bekenntnis zu haben. Dieses Bekenntnis festzuhalten ist wichtig, aber ebenso bedeutend ist es, es in Liebe und guten Werken praktisch zu leben.
Dieses Zusammenkommen der Gläubigen ist daher sehr wichtig. Es hilft uns, das Bekenntnis festzuhalten und es auch praktisch umzusetzen. Dabei ist es entscheidend, regelmäßig die Zusammenkünfte der Erlösten zu besuchen und diese nicht zu versäumen.
Schon damals gab es die Unsitte, dass manche Gläubige das Zusammenkommen versäumten, wie es bei einigen üblich war. Die Übersetzung von Schlachter ist hier nicht ganz glücklich. Dort steht nicht, die Gemeinde oder die Zusammenkunft zu verlassen. Es geht nicht um ein einmaliges Verlassen, sondern um etwas Regelmäßiges.
In den Versen 24 und 25 heißt es: "Lasst uns aufeinander Acht geben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzuregen, und nicht unsere Zusammenkünfte versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahmen seht."
Es wäre also besser, von "nicht versäumen" zu sprechen, anstatt von "nicht verlassen". Verlassen klingt nach einem endgültigen Weggehen, hier geht es aber um eine regelmäßige Gewohnheit. Einige haben die Sitte, die Gemeinde zu versäumen, indem sie zum Beispiel lieber eine Wanderung planen, die auf den Gottesdiensttermin fällt.
Es stellt sich die Frage: Warum kann man nicht so planen, dass der Gottesdienst Priorität hat und die anderen Aktivitäten darum herum gelegt werden? Das funktioniert, wenn man eine Gewohnheit daraus macht. Wenn es keine Gewohnheit ist, wird es jedes Mal ein Kampf.
Wir lernen von Jesus, dass er am Sabbattag nach seiner Gewohnheit in die Synagoge ging. Das Neue Testament sagt nicht, dass es nur eine gute Gewohnheit ist, sondern fordert uns auf, einander zu ermutigen und das Zusammenkommen nicht zu versäumen.
Diese Wichtigkeit wächst sogar, je näher wir dem Tag der Wiederkunft Jesu kommen. Das Zusammenkommen war von Anfang an, seit Pfingsten, wichtig. Die ersten Gläubigen kamen täglich zusammen (Apostelgeschichte 2). Später, in Apostelgeschichte 20, versammelten sie sich offenbar regelmäßig am ersten Tag der Woche, um das Brot zu brechen.
Hier wird erklärt, dass diese Bedeutung umso größer wird, je mehr wir dem Ende der Endzeit und der Wiederkunft Jesu entgegengehen.
Das war ein kleiner Exkurs, den wir in der Bibelklasse immer wieder machen, indem wir einzelne Texte in einen größeren Zusammenhang stellen.
Die Lesung Jesu in der Synagoge von Nazareth
Jetzt gehen wir zurück zu Lukas 4. Der Herr steht in der Synagoge auf und liest aus dem Buch Jesaja.
Dazu etwas zum Hintergrund: In den Synagogen wurde jeden Sabbat das Gesetz Mose verlesen, und zwar damals in einem Drei-Jahres-Zyklus. In drei Jahren kam man durch die ganze Tora, also durch die fünf Bücher Mose hindurch. Heute ist das etwas anders. Weltweit wird die Tora einmal im Jahr verlesen. Dadurch sind die Vorleseabschnitte deutlich vergrößert worden.
In einem Jahr kommt man durch die Tora hindurch. Wann ist man dann fertig? Am Ende des Laubhüttenfestes im Herbst. Dieser bedeutende Tag wird schon im Gesetz genannt: der Tag nach dem achte Tag des Festes, das ist Simchat Torah, die Freude des Gesetzes. Dort beginnt man wieder mit Bereshit Bara Elohim, mit Hashemayim, also 1. Mose 1,1.
Damals war es also ein Drei-Jahres-Zyklus, und es war üblich, dass man zu diesem festgelegten Ablauf auch bestimmte Abschnitte aus den Propheten vorlas. Das ist auch heute noch so. Es gibt ein Haftarah-Verzeichnis, das weltweit in allen Synagogen auf allen fünf Kontinenten beachtet wird. Dort werden die genauen Prophetenabschnitte angegeben, an welchem Schabbat welcher Abschnitt gelesen wird.
Leider ist Jesaja 53 dort nicht enthalten. So kommt man im Judentum durch den Synagogenbesuch nie auf Jesaja 53, wenn man nicht zuhause selbst Bibelstudium macht und das ganze Alte Testament durchliest.
Nur um den Hintergrund zu geben, warum der Herr aus Jesaja las: Zu dieser Zusammenkunft war die Verlesung der Tora bereits durch den Chasan erfolgt, der das übrigens immer vorsingt. Dann liest der Herr aus Jesaja vor. Er rollt die Schriftrolle auf.
Man muss daran denken, dass es damals noch keine Kapiteleinteilung gab. Diese kam erst später. Es ist sehr praktisch, dass im Judentum und im Christentum heute dieselbe Kapiteleinteilung übernommen wurde, aber sie stammt aus späterer Zeit. Damals musste man sich einfach so zurechtfinden.
Das zeigt, dass der Herr die Bibel kannte. Aber das ist kein Geheimnis. Schon als Zwölfjähriger, wie wir in Lukas 2 lesen, kannte er die Bibel so gut, dass die Lehrer Israels ihn damals im Tempel befragten.
Es war üblich, an den Festtagen und an allen Sabbaten, auch an Pessach, Laubhüttenfest und anderen, dass die großen Lehrer des Sanhedrin auf der Terrasse, südlich vom inneren Vorhof, standen. Dort durften die Leute ihnen Fragen über die Bibel stellen.
In Lukas 2 lesen wir, dass der Zwölfjährige Jesus, als Maria und Joseph ihn im Tempel fanden, inmitten der Lehrer saß und ihnen zuhörte. Es wird auch gesagt, dass sie ihn befragten. Das war ungewöhnlich.
Die Lehrer merkten, dass dieser Zwölfjährige die Bibel so gut kannte, dass sie begannen, ihn zu befragen. Das könnte ein Ansporn für junge Leute sein, die Bibel zu studieren. Damals musste man nicht warten, bis man zwölf war – Jesus hatte das schon vorher getan.
Man könnte argumentieren, dass Jesus natürlich der Sohn Gottes war. Dem kann man entgegnen, dass diese Geschichte nur in Lukas erzählt wird. Lukas legt den Akzent besonders auf die Menschlichkeit Jesu. Jesus war ein wirklicher Mensch und musste als Kind die Dinge lernen.
Darum steht auch in Lukas 2,52: „Und Jesus nahm zu an Weisheit und an Größe und an Gunst bei Gott und Menschen.“ Er hat also studiert und sich Wissen angeeignet. Die Kindheit und das Teenageralter sind eine wichtige Zeit, in der man sehr gut lernen kann.
Wenn man das verpasst hat, kann man es später nachholen. Aber es ist ein Geschenk, wenn man es als Kind tun kann.
Das Problem ist, dass es schwierig ist zu sagen, welche Abschnitte damals genau gelesen wurden. Für heute ist das klar. Es musste immer eine Auswahl sein, und man kann nicht alle Prophetenabschnitte lesen.
Nun findet der Herr also diese Stelle. Wenn hier „Buch“ steht, müssen wir daran denken, dass es damals eine Rolle war. Bücher als gebundene Texte, wie wir sie kennen, gab es im Judentum damals noch nicht. Das kam erst kurz nach dieser Zeit auf.
Die ganze Rolle, wie wir sie aus Qumran kennen, war sieben Meter vierunddreißig lang. Wir sind also ziemlich am Schluss, bei Kapitel 61 von 66. Der Herr musste die ganze Rolle durchgehen bis Kapitel 61 und begann dann zu lesen.
Jetzt liest bitte jemand noch einmal die Verse 18 bis 19 vor. Habt ihr die Stelle gefunden?
Es ist schon besonders: In der Synagoge liest er diesen Text vor, der in der ersten Person verfasst ist. Der Prophet musste quasi die Stimme des Messias voraussagen. Und nun liest der Messias die Stimme des Messias, also Jesaja, und bezieht sich auf seine eigene Person.
Dann folgt die Erklärung in Vers 21: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“ Die Zuhörer waren überwältigt.
Kann bitte jemand noch Vers 22 lesen?
„Und alle gaben ihm Zeugnis und wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen.“
Das reicht jetzt.
Die Auslassung des Gerichtstages in der Lesung Jesu
Ist es aufgefallen, dass die Wiedergabe hier mitten im Satz endet? Wenn man Jesaja 61 vergleicht, fehlt etwas Wesentliches.
Der Messias soll zwei Dinge verkündigen: Erstens die Gnadenzeit, also das angenehme Ja des Herrn. Zweitens hat er etwas nicht genannt. Was wäre das aus Jesaja? Die Rache Gottes, genau.
In Jesaja 61 finden wir ein klassisches Beispiel dafür, wie oft die messianischen Prophezeiungen über das erste und das zweite Kommen gerade zusammengenommen sind. Das ist eigentlich klar, warum: Es ist derselbe Messias, der als der Leitende kommen sollte und als der König der Könige, als der Richter der Welt. Darum finden wir das in manchen Stellen eben zusammen – der leitende und der herrschende Messias.
Aber als der Herr Jesus diese Schrift in der Synagoge vorlas, um zu sagen: „Heute ist diese Schrift erfüllt“, wurde das Zitat bei „das angenehme Ja des Herrn“ gestoppt. Noch nicht das Gericht, das sollte erst bei seinem zweiten Kommen stattfinden.
Dann folgt die Auslegung dazu. Der Herr erklärt: Wie war das in der Zeit von Elija? Da gab es viele Witwen in Israel, aber Elija wurde nur zu einer Witwe gesandt – im Libanon, eine sidonische Witwe, also in der Stadt Sidon im Libanon am Mittelmeer, eine Hochburg der Hisbollah heute. Dort war diese Witwe, und Elija ging dorthin und half ihr.
Und dann sagt er weiter: Wie war das in der Zeit danach unter dem Propheten Elisa? Es gab viele Aussätzige in Israel, aber Elisa heilte nur einen Aussätzigen, und das war ein Syrer, ein Libanese.
Der Herr will damit zeigen: Wenn jetzt die Zeit der Gnade Gottes, das angenehme Jahr des Herrn, gekommen ist, dann dürft ihr nicht denken, dass sich das nur auf Israel bezieht. Die Gnade Gottes sprengt die Grenzen, sie geht aus zu allen Völkern. Das ist alttestamentlich verwurzelt, keine neue Idee. Das Alte Testament macht klar: Die Gnade Gottes geht zu allen Völkern.
Aber man war so auf sich selbst konzentriert und wollte die Gnade einfach für sich beanspruchen.
Wie war die Reaktion in der Synagoge? Wut – das wäre ja fast noch gegangen. Es kam zu einem Mordanschlag. Sie stießen ihn zur Stadt hinaus und wollten ihn vom Rand des Berges hinunterstürzen, ins Tal.
Welches Tal ist das dort unten? Nein, der Kidrontal ist in Jerusalem, zwischen Ölberg und Tempelberg. Wir sind aber in Nazareth. Wie heißt das Tal dort unten? Es ist die Kornkammer Israels: das Jezreel-Tal. Jezreel heißt ja „Gott sät“.
Das ist eine riesige Ebene, die in der Bibel auch besser bekannt ist als Harmagedon. Dort wird der Herr Jesus als der König der Könige kommen, um die Rache Gottes zu verkündigen.
Sehen wir: Nazareth und Harmagedon liegen geographisch nahe beieinander. Hier kommen das erste und das zweite Kommen des Herrn zusammen.
In Nazareth, dieser verachteten Stadt, sollte der leidende Messias aufwachsen, um das Jahr der Gnade Gottes zu verkündigen. Und dann, bei seinem zweiten Kommen in Harmagedon, wird er kommen, um die Rache Gottes zu verkünden.
Aber das war noch nicht der Zeitpunkt. Dennoch wollten sie ihn richten und vom Berg nach Harmagedon hinabstürzen und töten. Und das alles am Schabbat. Das ist bemerkenswert, was dann plötzlich möglich ist – auch heute ein Problem, was am Schabbat möglich wird, obwohl es klar verboten wäre.
Das ist schon erstaunlich, wenn man das liest und die Zusammenhänge bedenkt. Wo war das genau? Die Bibel erwähnt ja Nazareth und das Tal, das Harmagedon heißt.
Und genau das lässt der Herr weg! Jetzt ist er gekommen, um die Gnade Gottes zu verkündigen – und nicht nur für Israel, sondern für alle Völker.
Das hat nur Lukas überliefert. Lukas ist der einzige Bibelschreiber, von dem wir wissen, dass er kein Jude war. Für Lukas war diese Wahrheit besonders kostbar: Die Gnade Gottes geht über die Grenzen Israels hinaus, auch zu den anderen Völkern. Darum musste er diese Geschichte aufschreiben.
Wir fahren nach der Pause in zwanzig Minuten weiter. Wir sind stehen geblieben bei der Predigt des Herrn Jesus in Lukas 4 in der Synagoge von Nazareth und haben gesehen, wie er Jesaja 61 als erfüllt erklärt – aber eben nur das, was sich auf sein erstes Kommen bezieht. Den Tag der Rache hat der Herr dort ausgelassen.
Das angenehme Ja des Herrn und das Jubeljahr
Und jetzt müssen wir uns noch etwas genauer mit diesem Ausdruck auseinandersetzen: das angenehme Ja des Herrn, Freiheit auszurufen. Woher stammt dieser Ausdruck, dieses angenehme Ja des Herrn?
Ja, es ist das Jubeljahr! Schauen wir kurz in das dritte Buch Mose, das auch das Erlassjahr genannt wird. Genau, in 3. Mose 25 sehen wir in den ersten sieben Versen, wie Gott in der Tora die Landwirtschaft Israels in einen siebenjährigen Zyklus eingeteilt hat. Sechs Jahre lang sollte Landwirtschaft betrieben werden, aber das siebte Jahr war jeweils ein Sabbatjahr. In diesem Jahr sollte das Land ruhen, es durfte keine Landwirtschaft betrieben werden.
Das erforderte natürlich Vertrauen darauf, dass man in den sechs Jahren zuvor genügend Ernte eingefahren hatte, um Vorräte für das siebte Jahr anzulegen. Als Nebeneffekt war das natürlich auch ein Mittel gegen Herzinfarkt. Die Bauern hatten tatsächlich alle sieben Jahre ein Sabbatjahr. Den Begriff „Sabbatjahr“ hat man übrigens sogar in der Privatwirtschaft übernommen. Dort gibt es Zeiten, in denen jemand besonders lange frei bekommt – und das nennt man dann ein Sabbatjahr. Zwar nicht überall, aber es gibt das.
Nun, das war Gottes Einrichtung für Israel. In Vers 8 geht die Planung noch weiter. Wer liest die Verse 8 bis 10? 3. Mose 25,8-10. Die Verse 1 bis 7 sprechen vom Sabbatjahr: Nach sechs Jahren Landwirtschaft folgt ein Ruhejahr. Dadurch konnte sich der Boden erholen, was die Ernteerträge in den folgenden Jahren steigerte.
War es vorgeschrieben, im Sabbatjahr überhaupt keine Landwirtschaft zu betreiben, oder konnte man das auf ein anderes Feld verschieben? Nein, das Sabbatjahr war wirklich das Jahr, in dem der gesamte Erdboden ruhen sollte – überall. Damit wurde verhindert, dass man doch noch Landwirtschaft betreibt. Es gab zwar andere Tätigkeiten, die man ausführen konnte. Das ist ein weiterer Punkt. Was immer stehengeblieben war, konnte in diesem Jahr noch geerntet werden. Aber der Ackerbau selbst musste ruhen.
Für die ländliche Bevölkerung war das eine deutliche Entlastung, auch im Hinblick auf die Gesundheit. Nun zu den Versen 8 bis 10: "Du sollst zählen sieben Sabbatjahre, siebenmal sieben Jahre, sodass die Zeit von sieben Sabbatjahren neunundvierzig Jahre beträgt. Dann sollst du die Posaune erschallen lassen am zehnten Tag des siebten Monats, am Tag der Versöhnung. Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und ein Freijahr ausrufen im Land für alle, die darin wohnen. Denn es ist euer Jubeljahr, da soll jeder zu seiner Habe und zu seiner Familie zurückkehren."
Hier wird klargemacht: Nach sieben mal sieben Jahreszyklen, also im Jahr 49, folgt wieder ein Sabbatjahr, in dem alles brachliegt. Dann kommt das fünfzigste Jahr, das ebenfalls ein Ruhejahr sein musste. So konnte sich der Boden zwei Jahre lang erholen. Das erforderte noch mehr Glauben, dass man in den Jahren zuvor genügend Vorräte angelegt hatte, um zwei Jahre überbrücken zu können.
Doch dadurch wurde der Boden ökologisch regeneriert. Alles, was nicht geerntet wurde und von selbst wuchs, fiel auf den Boden zurück und füllte die Humusschicht wieder auf. Ökologisch ist das alles sehr einleuchtend.
Dann kam noch etwas dazu: Dieses fünfzigste Jahr war das Jahr, in dem Freiheit ausgerufen wurde. Es wurde mit dem Schofar-Horn verkündet. Im Hebräischen steht für Posaune „Schofar“, ein Tierhorn vom Widder oder auch von der Antilope – einfach ein koscheres Tier. Am Jom Kippur, dem zehnten Tag des siebten Monats, wurde das Horn geblasen. Jom Kippur war jeweils am zehnten Tag nach Jahresanfang im Herbst. Der erste Tischri war Rosh Hashanah, das Neujahrsfest, und am zehnten Tag folgte Jom Kippur, an dem das neue Jahr der Freiheit ausgerufen wurde.
Nun sehen wir, dass Jesaja in seiner Prophetie, in Jesaja 61, um 700 vor Christus, diese Einrichtung des Jubeljahres aufgreift. Er sagt, wenn der Messias kommt, wird er das Jahr der Freiheit verkünden. In Israel war also klar: Unsere Einrichtung mit dem Jubeljahr alle fünfzig Jahre hat eine prophetische Bedeutung. Sie weist auf die Zeit hin, wenn der Erlöser für Israel und die Völker kommen würde. Dann würde er die Zeit der Befreiung und Erlösung ausrufen.
Somit waren diese Schofar-Stöße ein Hinweis auf den Herrn Jesus selbst. Denn wer ruft in Jesaja 61 das Ja der Freiheit aus? Er selbst tut es. Was man mit dem Schofarhorn verkünden musste, erfüllt der Messias selbst.
Darum war diese Predigt in Nazareth etwas ganz Gewaltiges. Der Messias sprach in der ersten Person, las den Text vor und sagte: „Heute sind diese Worte erfüllt.“ Die Zeit der Gnade ist jetzt gekommen. Er verkündete selbst diese Erlösung.
Die ökonomische und soziale Bedeutung des Jubeljahres
Zum Jubeljahr: Es ist aus ökonomischer Sicht eine sehr interessante Einrichtung. Sie zeigt, dass Gottes Ordnung für Israel weit über das kommunistische und kapitalistische System hinausgeht.
Die Grundordnung Israels begann mit dem Auszug aus Ägypten. In der Wüste erhielt Israel die fünf Bücher Mose. Danach zogen sie unter Josua in das verheißene Land ein. Diese fünf Bücher Mose regelten im Zusammenhang mit dem Bund von Sinai, wie das Leben im Land gestaltet werden sollte.
Jede Familie sollte Grundbesitz im Land erhalten. Das gesamte Land wurde unter den zwölf Stämmen Israels verteilt, und jede Familie bekam ein bestimmtes Grundstück. Das zeigt, dass Gott Privateigentum will. Die Kommunisten haben mit dem Slogan „Eigentum ist Diebstahl“ getäuscht. Das ist eine schwerwiegende Verfälschung, denn sie widerspricht Gottes Wort. Gott will Privateigentum und schützt es sogar. In den Zehn Geboten heißt es: „Du sollst nicht stehlen“ und „Du sollst nicht begehren, was deines Nächsten ist.“ Damit schützt Gott das Privateigentum.
Man muss sich aber vorstellen: Eine Familie hatte zwar Grundbesitz und konnte Landwirtschaft betreiben, doch Krankheit oder andere schwere Schicksalsschläge konnten sie an den Rand des Ruins bringen. Dann blieb oft nur die Möglichkeit, ältere Söhne als Verdingsöhne in Knechtschaft zu geben oder das Grundstück zu verkaufen.
Es gab zu allen Zeiten Menschen, die solche Grundstücke aufkauften und zusammenlegten. So entstand Großgrundbesitz. Die Einrichtung des Jubeljahres setzte diesem Großgrundbesitz jedoch klare Grenzen. Nach 50 Jahren, im Jubeljahr, musste der Großgrundbesitzer die Territorien wieder an die ursprünglichen Familien zurückgeben.
Deshalb steht dieses System über Kommunismus und Kapitalismus. Es setzt einen Riegel gegen übermäßiges Anhäufen von Reichtum. Gleichzeitig verhindert es die Verarmung der Massen und die Bildung eines Proletariats. Das will Gott nicht.
So kamen die Familien im fünfzigsten Jahr wieder zurück zu ihrem Land und konnten von vorne beginnen. Das ist ein großes Problem in der Weltwirtschaft. Verarmte Menschen nehmen oft immer wieder Geld auf, geraten in eine Abwärtsspirale und kommen nicht heraus.
Mit diesem System ist eine Lösung möglich. Große Organisationen versuchen, diese Probleme zu verbessern, doch ihre Versuche kratzen meist nur an der Oberfläche. Das eigentliche Problem wird nicht wirklich gelöst. Das Jubeljahr aber ist eine wunderbare Einrichtung Gottes in der Tora.
Doch es ist nicht nur eine praktische Regelung, sondern hat auch eine tiefere Bedeutung. Wenn der Messias kommt, wird er Freiheit bringen. Nicht nur für diejenigen, die sich durch Arbeit verdient haben, sondern Freiheit von der Versklavung an die Sünde, an Satan und an den Zeitgeist dieser Welt.
Die Befreiung durch Jesus Christus
Lesen wir einmal in Apostelgeschichte 10, wie Petrus den Dienst des Herrn Jesus ganz knapp zusammenfasst.
Das Wort, das er den Söhnen Israels gesandt hat, indem er Frieden verkündigte durch Jesus Christus, dieser ist aller Herr. Kennt ihr die Sache, die angefangen von Galiläa durch ganz Judäa hin geschehen ist, nach der Taufe, die Johannes predigte? Jesus von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherging, Gutes tat und alle heilte, die von dem Teufel überwältigt waren, denn Gott war mit ihm.
Sehen wir dies auch in direktem Bezug zu Jesaja 61: Der Gesalbte, der Mann von Nazareth, der auch dort in Nazareth das Ja der Annehmung verkündigt hat, ging umher und heilte alle, die von dem Teufel überwältigt waren. Das bedeutet Befreiung von der Herrschaft Satans, Befreiung von der Macht der Sünde und Befreiung von der Macht dieser Welt.
Lesen wir dazu aus Kolosser 1, Verse 12-14:
"Danket dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zum Anteil am Erbe der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe. In ihm haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden."
Hier wird gesagt, dass er uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis. Paulus spricht über die, die an Jesus Christus glauben. Wichtig ist, dass das Verb "errettet hat" im Griechischen ein Aorist ist. Dieser bezeichnet eine Handlung in der Vergangenheit, die punktuell ist – also nicht als Prozess, sondern als abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit. Das heißt: wirklich errettet – und dann ist man auch errettet aus der Gewalt der Finsternis.
Satan hat keine Ansprüche mehr auf Freiheit. Auf der anderen Seite werden wir versetzt in das Reich – "Basileia" heißt eigentlich Königreich. Darin steckt das Wort "König". "Basileus" bedeutet auf Griechisch König, "Basileia" ist darum das Königreich, englisch "Kingdom". Dieses Königreich wird hier genannt: das Königreich des Sohnes seiner Liebe, also das Königreich des Messias.
Die, die erlöst und errettet sind aus der Gewalt der Finsternis und von Satans Macht befreit wurden, sind nun Menschen, die in dieses Königreich des geliebten Sohnes des Vaters versetzt sind. Auch "versetzt" ist hier ein Aorist, eine abgeschlossene, punktuelle Handlung in der Vergangenheit.
Das zeigt uns: Es gibt manchmal Gläubige, die das Gefühl haben, Satan hätte immer noch irgendwelche Ansprüche auf sie. Sie sind verunsichert und nehmen dadurch die völlige Gnade Gottes im Glauben nicht wirklich an. Sie haben kein festes Fundament und sind immer in Gefahr, auszurutschen. Dann müssen sie durch eine gesunde Verkündigung auf ein klares Fundament gesetzt werden: "Der uns errettet hat." Das ist etwas, das nicht in Frage gestellt werden kann.
Aber warum gibt es Christen, die dennoch Schwierigkeiten haben oder nicht frei werden, obwohl der Herr Jesus in Johannes 8 sagt – wir können das aufschlagen, Johannes 8, Verse 34 bis 36 – am besten lesen wir diese Verse:
Johannes 8 gibt eine ganz klare Absage an die Meinung, die Erlösung sei ein allmählicher Prozess. Wenn der Sohn frei macht, ist man wirklich frei.
Der Punkt ist aber: In der Praxis, wenn jemand sagt, er komme von einer Sache nicht los, dann liegt das Problem folgendermaßen: Gott hat zum Beispiel Israel auch, bevor sie von der Wüste ins verheißene Land hineingingen, gesagt, er habe ihnen das ganze Land gegeben. Es gehörte ihnen. Aber sie hatten es noch nicht in der Hand beziehungsweise noch nicht unter den Füßen.
In Josua 1 sagt Gott: "Jeden Ort, wo ihr eure Fußsohle darauf setzt, euch habe ich ihn gegeben." Es ging also darum, dieses Land auch praktisch in Besitz zu nehmen, das ihnen zustand.
So ist es auch für den Gläubigen wichtig, dass er dies wirklich praktisch im Glauben erfasst: die Erlösung. Man darf sich nicht verunsichern lassen, etwa durch Gedanken wie: "Vielleicht liegt da noch ein Fluch von Generationen vor, den müsste ich zuerst aufdecken, und erst dann werde ich frei." Nein, es ist so: Wenn der Sohn euch freimacht, werdet ihr wirklich frei sein.
Diese Befreiung muss man im Glauben wirklich erfassen. Dann kann man die Befreiung auch praktisch erfahren und von Gebundenheiten oder Süchten wirklich frei werden.
Darauf muss man beharren. Wenn diese Belehrung nicht gegeben wird und die Erlösung schon als Tatsache verkündet wird, führt die Verunsicherung dazu, dass man erst recht gehindert wird, diese Befreiung auch wirklich in Besitz zu nehmen.
Wir wissen, wie viele Fallen es heute gibt, in denen Menschen auch ganz versteckt im Verborgenen an Dinge gebunden sein können. Das darf nicht sein. Es ist eine Verunehrung Gottes, denn er hat uns die Freiheit gegeben.
Der Herr Jesus ist gekommen und hat dieses Jahr der Befreiung verkündigt. Darum ist es wichtig, dass man solche Stellen griffbereit hat, wie Kolosser 1, Verse 12-14: "Der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis, versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe."
Gibt es bis hierhin noch Fragen?
Das Fehlen von Jesaja 53 im Haftarah-Verzeichnis und seine Bedeutung
Ja, eine klare Begründung gibt es eigentlich nicht. Es ist einfach eine Tatsache, dass dieses Kapitel im Haftarahverzeichnis fehlt, so wie auch andere Kapitel nicht enthalten sind. Für uns ist das jedoch eine sehr schwerwiegende Angelegenheit, weil dieses Kapitel eine so starke Wirkung hat. Ich habe ja schon hier gesagt, dass es weltweit vielleicht 400 bis 500 bekehrte Juden gibt. Für die meisten spielte Jesaja 53 im Zusammenhang mit ihrer Bekehrung eine ganz entscheidende Rolle.
Darum muss man sagen, dass es nicht einfach zufällig ist, dass genau dieses Kapitel fehlt. Als wir Jesaja 53 durchgenommen haben, habe ich erklärt, dass gewisse Rabbiner im Mittelalter ihre Interpretation geändert haben. Früher hat man im Judentum klar gesagt, dass dieser Abschnitt vom Messias spricht. Das ist auch im Talmud ganz klar zu finden. Aber dann haben Rashi, Abrabanel und andere die Interpretation geändert. Sie haben das auch zugegeben und gesagt, dieser Knecht Gottes sei nicht der Messias, sondern das Volk Israel, das so viel leiden musste.
Allerdings muss man darauf hinweisen, dass es in Jesaja 53 heißt: "Wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen." Hier wird der Knecht ganz klar vom Volk unterschieden. Es wird gesagt, dass er stellvertretend für das Volk starb, also ist er nicht das Volk Israel.
Die Juden, die heute zum Beispiel auf Reisen sind, oft in großen Gruppen unterwegs, wie kommen sie zurecht, wenn dann das fünfte Jahr da ist? Sie meinen jetzt bezogen auf heute? Ja, von heute.
Israel betrachtet sich im Prinzip als säkularen Staat, und damit wird das Sabbatjahr heute in der Landwirtschaft eigentlich gar nicht mehr umgesetzt. Wir waren gerade vor kurzem in Israel, und es war kurz vor der Passahzeit. Da sah man schon die Gerste geerntet.
Wie geht das? Nach der Tora darf man die Gerste erst während der Passawoche ernten, am Tag nach dem Sabbat. Denn es musste ein bestimmtes abgestecktes Feld mit Gerste geerntet werden, daraus musste ein Speisopfer gemacht und dem Herrn dargebracht werden. Erst danach darf die Gerstenernte im Land losgehen. Aber daran halten sich die meisten heute nicht.
Man muss auch bedenken, dass die Kibbutz-Bewegung von Anfang an eine säkulare Bewegung war. Sie entstand besonders durch russische Juden, von denen viele Sozialisten waren. Darum haben sie die Kibbutzim als sozialistische Organisationen aufgebaut. Anfangs waren das überwiegend Leute, die Atheisten oder Agnostiker waren und links im Denken standen. Ihnen ging es nicht darum, die Tora umzusetzen.
Das entspricht genau dem, was in Hesekiel 36 steht: Gott sagt, er werde sein Volk in unreinem Zustand ins Land zurückführen, und dann im Land werde er sie reinigen. So hat sich das prophetische Wort erfüllt.
Es gibt natürlich auch solche, die die Landwirtschaft nach Tora-Regeln betreiben. Das gibt es, aber man darf nicht erwarten, dass die gesamte israelische Landwirtschaft grundsätzlich so geordnet ist.
Zum Beispiel sieht man, dass ein Zweig der Landwirtschaft die Weinproduktion ist. Israel ist weltweit sehr führend und hat goldmedaillengekrönte Weine. Auf diesen Weinen steht regelmäßig "Koscher le Pessach", also koscher für Pessach. Das bedeutet, diese Weine sind genau nach den Vorschriften der Tora hergestellt worden.
Das heißt zum Beispiel, die Weinstöcke wurden gepflanzt, drei Jahre lang nicht geerntet, wie es die Tora vorschreibt, und erst danach. All diese Bedingungen müssen erfüllt sein, erst dann darf man einen Wein als koscher bezeichnen. In gewissen Bereichen wird das sehr wohl umgesetzt, aber man kann das nicht für die Landwirtschaft im Allgemeinen sagen.
Noch etwas? Ja, weil Sie sagen, im Hebräischen steht das Wort "Jubel", das sich auf das Blasen des Schofar-Horns bezieht. Es ist also nicht das Wort "Jubel" im Sinne von Freude, sondern das Juweljahr, das Jahr, in dem mit dem Schofar-Horn Schallfreiheit verkündet wird.
Ja, noch etwas? Sonst schlagen wir noch eine Stelle zum Jahr der Freiheit auf: 2. Korinther 6,2, wo aus Jesaja 49,8 zitiert wird. Dort geht es auch um den Gottesknecht.
Wer liest Vers 2 vor? "Denn er spricht: Zur angenehmen Zeit habe ich dich erhört, und am Tag des Heils habe ich dir geholfen. Siehe, jetzt ist die wohl angenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils."
In dieser Stelle aus Jesaja 49 spricht Gott zum Messias: "Zur angenehmen Zeit habe ich dich erhört, am Tag des Heils habe ich dir geholfen." Paulus erklärt hier: "Siehe, jetzt ist die wohl angenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils." Das ist also die Auslegung dieser Stelle.
Der Ausdruck "wohl angenehme Zeit", "Tag des Heils" bedeutet hier die Zeit, die der Messias bringen sollte, die Zeit der Befreiung und Erlösung. Es ist ein anderer Ausdruck für das Jahr der Annehmung des Herrn, den Tag des Heils.
Jetzt wird erklärt, dass dies auf unsere Zeit, unsere Epoche bezogen ist. Diese nennen wir gemeinhin und korrekterweise die Zeit der Gnade, in der das Evangelium in der ganzen Welt allen Nationen verkündet wird. Das ist die Zeit der Gnade. Die Bibel nennt sie den Tag des Heils, die wohl angenehme Zeit, oder eben das Jahr der Annehmung des Herrn.
Im Kontrast zum Tag des Heils steht der Tag des Gerichts, der in der Bibel "der Tag des Herrn" genannt wird. Im Neuen Testament, zum Beispiel in 2. Petrus 3, können wir das kurz anschauen.
Könnte jemand lesen? "Dies eine aber sei euch nicht verborgen, Geliebte, dass ein Tag beim Herrn ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für Verzug halten, sondern er ist langmütig gegen euch, weil er nicht will, dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße kommen."
Hier sagt Petrus voraus, dass in der Endzeit Spötter kommen werden. Sie werden spotten und fragen, warum die Wiederkunft Jesu noch nicht stattgefunden hat. Petrus schrieb dies aus einer Todeszelle im Jahr 66 nach Christus.
Er sagt, diese Spötter werden kommen und sagen: "Wo ist jetzt diese Wiederkunft Christi? Es ist ja nichts geschehen." Petrus macht deutlich, dass wir uns bewusst sein müssen, dass Gott nicht an die Zeit gebunden ist. Für ihn ist tausend Jahre wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre.
Für uns ist das natürlich eine sehr lange Zeit, wenn es tausend oder zweitausend Jahre sind. Aber das ist das Problem der Spötter. Für uns sollte das kein Problem sein, wenn es um Jahrtausende geht.
Der Grund ist, dass der Herr die Verheißung nicht verzögert, wie manche sagen, es sei ein Verzug, weil er noch nie gekommen ist. Er ist langmütig gegen uns. Er will nicht, dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße kommen.
Das zeigt, was dieses Jahr der Annehmung, dieser Tag des Heils, bedeutet. Gott will der ganzen Welt das Heil anbieten. In Jesaja 49 haben wir gelesen, dass der Messias, der Knecht Gottes, Gottes Heil bis an die Enden der Erde bringen soll (Jesaja 49,6).
Wo sind die Enden der Erde? Wenn man eine Weltkarte nimmt und Israel, das verheißene Land, in der Mitte betrachtet, dann sind die Enden der Erde zum Beispiel Australien, Tasmanien, Nordamerika, Südamerika mit Feuerland im Süden Argentiniens, China, Russland, Japan und natürlich von Skandinavien bis nach Südafrika.
So soll das Evangelium des Messias bis an die Enden der Erde verbreitet werden. Das wurde erst im 20. Jahrhundert erreicht. Man kann sagen, jetzt haben wir alle Nationen der Welt mit dem Evangelium erreicht.
Nicht alle Stämme, nicht alle Sprachen und auch nicht alle Völker, denn es gibt etwa zehntausend Völker. Aber Nationen gibt es nur circa zweihundert, und diese sind alle erreicht worden. Das geschah erst nach zweitausend Jahren.
Petrus sagt: Der Herr ist langmütig gegen euch, er will nicht, dass jemand verloren geht. Gott will die Rettung des Menschen.
Jetzt lesen wir weiter Vers 10 bis 12: "Wenn dies alles aufgelöst wird, welche sollte dann sein im heiligen Wandel und Gottseligkeit, indem er erwartet und beschleunigt die Ankunft des Tages Gottes, weswegen die Himmel, die im Feuer geraten werden, aufgelöst und die Elemente im Brand zerschmelzen werden. Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in welcher Gerechtigkeit wohnt."
In Vers 10 finden wir den Ausdruck "Der Tag des Herrn", ein Ausdruck, der im Alten Testament häufig vorkommt. Er bezeichnet den Tag des Gerichts Gottes über diese Welt, wenn der Messias kommt, um die Rache Gottes zu verkünden.
Man lese zum Beispiel Zephanja 1, wo dieser Tag immer wieder erwähnt wird: der Tag des Dunkels, der Tag des Krieges, der Tag des Geschreis, der Tag des Zorns Gottes.
Viele andere Stellen sprechen ebenfalls über diesen Tag des Herrn. Er wird für diese Welt überraschend kommen, und zwar als böse Überraschung, wie ein Dieb in der Nacht.
Wüsste man, wann der Dieb kommt, könnte man an der Tür warten. Aber man weiß nicht, wann er kommt. Wenn er kommt, ist es eine Überraschung, aber eine sehr schlechte Überraschung.
So wird das Kommen des Herrn als Richter eine böse Überraschung für diese Welt sein, die ihn verworfen hat.
Man kann sagen, die große Drangsalzeit, diese dreieinhalb Jahre des letzten Weltkrieges vor der Wiederkunft Jesu, wird mit dazugerechnet. Wenn die Bibel den Tag des Herrn beschreibt, wird in Zephanja 1 diese Zeit ganz klar dazugerechnet.
Es ist gewissermaßen wie das Licht der Sonne, das schon über dem Horizont erscheint, aber die Sonne sieht man noch nicht.
Dann sagt Maleachi 4, Vers 2, dass der Messias kommen wird, eben wie die Sonne der Gerechtigkeit.
Das ganze tausendjährige Reich ist ebenfalls der Tag des Herrn, also auch wieder ein Tag, der eine Epoche von tausend Jahren ist.
Danach wird Gott dieses Weltall auflösen und einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.
Nun versteht man, warum in Vers 10 steht, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb. Das ist klar der Tag des Gerichts, an dem die Himmel vergehen werden.
Geht dann die Welt unter? Nein, erst tausend Jahre später, aber es ist immer noch der Tag des Herrn.
In Vers 12 wird gesagt, wir sollen erwarten und sorgfältig vorbereiten die Ankunft des Tages Gottes, weswegen die Himmel in Feuer geraten, aufgelöst und die Elemente im Brand zerschmolzen werden.
Der Tag Gottes löst also die Auflösung der Welt ein, und dann kommt ein neuer Himmel und eine neue Erde, wie Vers 13 sagt.
Wir verstehen also: Der Tag des Herrn dauert von der großen Drangsalzeit bis ans Ende des tausendjährigen Reiches.
Dann beginnt der Tag Gottes, und genau an der Schnittstelle zwischen Tag des Herrn und Tag Gottes wird das Universum aufgelöst.
Die Elemente, die Atome, werden aufgelöst, alles gerät in Brand, und Gott schafft einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Der Tag Gottes betrifft also die Auflösung und die Neuschaffung der Welt.
Wir können noch einen weiteren Tag unterscheiden, Vers 18 im gleichen Brief: Das ist das Testament im Testament des Petrus.
Der zweite Petrusbrief ist nämlich der letzte Brief des Apostels aus der Todeszelle in Rom.
Der letzte Satz lautet: "Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus, ihm sei Ehre sowohl jetzt als auch zum Tag der Ewigkeit! Amen."
Jawohl, das ist der Tag der Ewigkeit, die neue Welt, neuer Himmel und neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.
Wir können also unterscheiden: den Tag des Heils heute, diese vergangenen zweitausend Jahre, das angenehme Jahr des Herrn, in dem die Erlösung in der ganzen Welt verkündet wird.
Dann kommt der Tag des Herrn, der Tag des Gerichts, um die Rache Gottes zu verkünden.
Darauf folgt der Tag Gottes, die Auflösung des Kosmos und die Neuerschaffung der Welt.
Und schließlich der Tag der Ewigkeit.
So können wir diese Tage im Heilsplan Gottes sehr schön unterscheiden.
Schlussgebet
Ja, gut, dann sind wir für heute am Ende. Wir wollen noch gemeinsam beten. Anschließend wird Peter noch einige Erklärungen für das nächste Mal geben.
Herr Jesus, gepriesen seist du, dass du gekommen bist, um das Ja der Annahme und das Ja der Freiheit zu verkündigen. Wir dürfen zurückblicken auf 2000 Jahre, in denen unzählige Menschen frei geworden sind von Gebundenheiten, frei von der Macht der Finsternis und der Sünde.
Auch wir selbst können Zeugnis ablegen von dieser wunderbaren Befreiung und Erlösung, die du gebracht hast. Danke, Herr Jesus, dass diese Botschaft auf allen fünf Kontinenten verbreitet werden durfte. Du hast sie uns anvertraut, damit wir auch heute noch diese frohe Botschaft weitersagen dürfen.
So dürfen wir erleben, wie Menschen wirklich befreit werden, um dem lebendigen Gott zu dienen. Wir danken dir auch wieder für diese Zeit, die du uns im Bibelstudium zusammen geschenkt hast. Wir bitten dich, dass dieses Wort in uns wirkt und uns zu dir hin verändert.
Amen.