Wir beschäftigen uns mit den Prophezeiungen des Alten Testaments über das erste Kommen des Messias.
Heute wollen wir, nachdem wir uns beim letzten Mal die Prophetien im Buch Hosea angesehen haben, die Prophezeiungen im Buch Daniel betrachten, die das erste Kommen des Herrn Jesus betreffen.
Zuerst lesen wir das gesamte Kapitel 9 im Buch Daniel durch.
Einleitung und Gebet Daniels
Im ersten Jahr des Darius, des Sohnes des Ahasverus, vom Geschlecht der Meder, der über das Reich der Chaldäer König geworden war, achtete ich, Daniel, in den Bücherrollen auf die Zahl der Jahre, über die das Wort des Herrn zum Propheten Jeremia geschehen war. Es war die Zeit, dass nämlich siebzig Jahre über den Trümmern Jerusalems dahingehen sollten.
Ich richtete mein Gesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen zu suchen. Dabei fastete ich und legte Sack und Asche an. Ich betete zum Herrn, meinem Gott, bekannte meine Schuld und sprach: Ach Herr, du großer und furchtbarer Gott, der Bund und Güte denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten!
Wir haben gesündigt, uns vergangen und gottlos gehandelt. Wir haben uns aufgelehnt und sind von deinen Geboten und Rechtsbestimmungen abgewichen. Wir haben nicht auf deine Knechte, die Propheten, gehört, die in deinem Namen zu unseren Königen, unseren Obersten, unseren Vätern und zum ganzen Volk des Landes gesprochen haben.
Bei dir, o Herr, ist die Gerechtigkeit, bei uns aber die Beschämung des Angesichts, so wie es an diesem Tag ist. Dies gilt für die Männer von Juda, die Bewohner Jerusalems und das ganze Israel, sowohl die Nahen als auch die Fernen, in allen Ländern, wohin du sie vertrieben hast wegen ihrer Untreue, die sie gegen dich begangen haben.
Herr, bei uns ist die Beschämung des Angesichts und bei unseren Königen, unseren Obersten und unseren Vätern, weil wir gegen dich gesündigt haben. Beim Herrn, unserem Gott, ist das Erbarmen und die Vergebung, denn wir haben uns gegen ihn aufgelehnt und nicht auf die Stimme des Herrn, unseres Gottes, gehört. Er hat uns geboten, in seinen Gesetzen zu leben, die er uns durch seine Knechte, die Propheten, vorgelegt hat.
Ganz Israel hat dein Gesetz übertreten und ist abgewichen, sodass sie deiner Stimme nicht gehorcht haben. So hat sich der Fluch und der Schwur über uns ergossen, der im Gesetz des Mose, des Knechtes Gottes, geschrieben steht, weil wir gegen ihn gesündigt haben.
Er hat seine Worte erfüllt, die er über uns und unsere Richter geredet hat, die uns richteten. Er brachte ein großes Unglück über uns, so dass unter dem ganzen Himmel nichts Vergleichbares geschehen ist wie das, was an Jerusalem geschehen ist.
Wie es im Gesetz des Mose geschrieben steht, so ist all dieses Unglück über uns gekommen. Wir haben das Angesicht des Herrn, unseres Gottes, nicht besänftigt, indem wir von unserer Schuld umgekehrt wären und Acht gegeben hätten auf deine Wahrheit.
So war der Herr auf das Unglück bedacht und ließ es über uns kommen, denn der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Taten, die er tut. Doch wir haben nicht auf seine Stimme gehört.
Nun aber, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus dem Land Ägypten mit starker Hand herausgeführt hast und dir einen Namen gemacht hast, wie es an diesem Tag ist: Wir haben gesündigt und gottlos gehandelt.
Herr, nach all den Taten deiner Gerechtigkeit mögen doch dein Zorn und deine Erregung sich wenden von deiner Stadt Jerusalem, dem Berg deines Heiligtums. Denn wegen unserer Sünden und der Vergehen unserer Väter sind Jerusalem und dein Volk zum Hohn geworden für alle ringsum.
Nun, unser Gott, höre auf das Gebet deines Knechtes und auf sein Flehen. Lass dein Angesicht leuchten über dein verwüstetes Heiligtum um des Herrn willen. Neige, mein Gott, dein Ohr und höre. Öffne deine Augen und sieh unsere Verwüstungen und die Stadt, über der dein Name genannt ist.
Nicht aufgrund unserer Gerechtigkeit legen wir unser Flehen vor dich hin, sondern aufgrund deiner vielen Erbarmungen. Herr, höre, Herr, vergib, Herr, merke auf und handle. Zögere nicht um deiner selbst willen, mein Gott, denn dein Name ist über deiner Stadt und deinem Volk ausgerufen worden.
Die Offenbarung durch den Engel Gabriel
Während ich noch redete und betete, bekannte ich meine Sünde und die Sünde meines Volkes Israel. Mein Flehen legte ich vor den heiligen Berg meines Gottes, vor den Herrn, meinen Gott.
Während ich noch im Gebet redete, zur Zeit des Abendopfers, berührte mich der Mann Gabriel. Ihn hatte ich am Anfang im Gesicht gesehen, als ich ganz ermattet war. Er wusste Bescheid, redete mit mir und sagte: „Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, um dir Verständnis zu lehren. Am Anfang deines Flehens ist ein Wort ergangen, und ich bin gekommen, um es dir mitzuteilen, denn du bist ein Vielgeliebter. So achte nun auf das Wort und verstehe die Erscheinung.“
Siebzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt, um das Verbrechen zum Abschluss zu bringen, den Sünden ein Ende zu machen, die Schuld zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen. Außerdem sollen Gesicht und Propheten versiegelt und ein Allerheiligstes gesalbt werden.
So sollst du erkennen und verstehen: Von dem Zeitpunkt an, als das Wort erging, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis zu einem Gesalbten, einem Fürsten, sind es sieben Wochen. Danach werden 62 Wochen lang Platz und Stadtgraben wiederhergestellt und gebaut, und zwar in der Bedrängnis der Zeiten.
Nach den 62 Wochen wird ein Gesalbter ausgerottet werden und keine Hilfe finden. Das Volk eines kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören. Sein Ende ist in einer Überflutung, und bis zum Ende herrscht Krieg, fest beschlossene Verwüstungen.
Er wird einen Bund für die Vielen eine Woche lang festmachen. Zur Hälfte der Woche wird er Schlachtopfer und Speisopfer aufhören lassen. Auf dem Flügel von Gräueln kommt ein Verwüster, bis festbeschlossene Vernichtung über den Verwüster ausgegossen wird.
Historischer Kontext und Datierung
Es wird gesagt, dass es im ersten Jahr Darius, Sohn Ahasverus, aus dem Samen der Meder war. Um welchen Mann handelt es sich dabei? Ich habe etwas Leises gehört, aber nicht verständlich, ja? Nein?
Xerxes war ein Perserkönig. Ja, ich verstehe, warum man das meint, denn Xerxes I. war der Mann, der Esther im Buch Esther als Ahasveros genannt wird. Aber hier ist es eben Darius, der Sohn Ahasveros aus dem Samen der Meder. Das ist ein anderer. Es ist derselbe Darius, den wir schon in Daniel 6 finden, nicht wahr?
In Daniel 5 wird die letzte Party von Belsazar beschrieben. In derselben Nacht, als Daniel die Schrift an der Wand deutete, wurde Belsazar getötet – und zwar durch die Perser und Meder, die in dieser Nacht Babylon erobert hatten.
Dann kommt Daniel 6, Vers 1. Liest das jemand? „Und Darius der Meder empfing das Königreich, als er zweiundsechzig Jahre alt war.“ Jawohl, also dieser Darius der Meder wurde König.
Daniel 9, Vers 1 präzisiert, über welchen Bereich er herrschte. Jawohl, er hatte das Gebiet des babylonischen Weltreiches, das die Meder und Perser erobert und ihrem noch viel größeren Weltreich einverleibt hatten. Darius der Meder erhielt also Babylon und wirkte als Unterkönig von Kyrus, Kyrus oder Kores von Persien.
Damit beginnt die Zeit der Weltherrschaft des medo-persischen Reiches. Dort waren immer Perser die Oberkönige, aber eben dieser Darius war ein Unterkönig über den Bereich Chaldäa oder Babylonien.
Die Perser gibt es ja bis zum heutigen Tag, bekannt als der heutige Iran. Wie sieht es eigentlich aus, wer waren die Nachfolger der Meder? Das wäre noch interessant.
Ja, also die Kurden zum Beispiel sind stolz darauf, ursprünglich Nachkommen der alten Meder zu sein. Aber es beschränkt sich nicht nur auf die Kurden, sondern es gibt weitere Völker, die miteinander eng verwandt sind und auf die alten Meder zurückgehen. Man kann also sagen, dass das Gebiet von Kurdistan im Nordirak und auch im Iran das Kerngebiet der alten Meder war.
Das ist natürlich ein Anknüpfungspunkt, wenn man mit Kurden zu tun hat, um ihnen zu zeigen, wo die Bibel über ihre Wurzeln und Vorfahren spricht.
Damit können wir datieren: Das erste Jahr des Darius ist dasselbe wie das erste Jahr von Kores oder Kyrus. In Esra 1 finden wir dieses erste Jahr. Können wir das noch kurz aufschlagen? Weiß jemand Esra 1, Vers 1 und folgende?
„Im ersten Jahr des Kyrus, des Königs von Persien, erweckte der Herr, damit das Wort des Herrn aus dem Mund Jeremias erfüllt würde, den Geist des Kyrus, des Königs von Persien, dass er durch sein ganzes Reich einen Ruf ergehen ließ, und zwar auch schriftlich. So spricht Kyrus, der König von Persien: Ein Königreiche der Erde hat der Herr, der Gott des Himmels, mir gegeben. Nun hat er selbst mir den Auftrag gegeben, ihm in Jerusalem, das in Juda ist, ein Haus zu bauen. Wer immer unter euch aus seinem Volk ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem, das in Juda ist, und baue das Haus des Herrn, des Gottes Israels.“
Jawohl, also in diesem ersten Jahr Kores, das war 539 vor Christus im Herbst, wurde Babylon erobert und besiegt. In diesem selben ersten Jahr gab Kores den Erlass heraus, dass die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft wieder heimkehren dürfen in das Land ihrer Väter, das aber von da an eine persische Provinz war, unter der Oberherrschaft von Kores.
Da die Juden speziell in Chaldäa, Babylonien, waren, kehrten sie aus dem Herrschaftsgebiet des Unterkönigs Darius der Meder zurück.
Genau in diesem ersten Jahr studierte Daniel die Schriften des Alten Testaments. Wo hat er gelesen? Bei Jeremia. Wo steht das? Lies du gerade nochmals Vers 2:
„Im ersten Jahr seiner Regierung achtete ich, Daniel, in den Schriften auf die Zahl der Jahre, von der das Wort des Herrn an den Propheten Jeremia ergangen war, dass die Verwüstung Jerusalems in siebzig Jahren vollendet sein sollte.“
Jawohl, interessant. Hier haben wir ein alttestamentliches Buch vor uns, das Buch Daniel, und im Buch Daniel wird auf ein anderes alttestamentliches Buch verwiesen, auf das Buch Jeremia.
Welche Stelle hat er offensichtlich da gelesen? Schauen wir mal nach.
Wieso einundzwanzig? Ah, neunundzwanzig. Ja, wie das so oft ist, beide haben Recht. Wir müssen beide Kapitel anschauen.
Lesen wir zuerst Kapitel 25, Verse 11 und 12. Lest jemand vor, bitte!
„Das ganze Land wird zu einem Wüstentrümmer fallen, und all diese Völker werden siebzig Jahre lang dem König von Babylon unterworfen sein. Wenn dann diese siebzig Jahre um sind, werde ich den König von Babylon und sein Volk zur Rechenschaft ziehen und ebenso das Land der Chaldäer. Ich mache es für immer zur Wüste.“
Jawohl, hier wird über siebzig Jahre gesprochen, und darauf verweist ja Daniel, er achtete auf diese Zahl bei Jeremia. Hier werden sie erwähnt.
Was wird gesagt? Was soll während der siebzig Jahre geschehen? Jerusalem soll verwüstet liegen.
Nochmals? Jerusalem soll verwüstet sein. Da liegen wir. Es wird über Verwüstung gesprochen.
Aber worauf beziehen sich die siebzig Jahre ganz genau? Auf Babel. Die Dienerschaft dem König von Babel.
Wer wird dienen? Die Juden oder Israel.
Jawohl, es geht um die umliegenden Völker im Nahen Osten, die Babylon siebzig Jahre lang dienen sollen. In dem Zusammenhang wird gesagt, dass das Land Israel verwüstet wird (Vers 11) und dieses ganze Land zur Einöde, zur Wüste wird.
Diese Verwüstung Jerusalems fällt zusammen mit dieser Zeit von siebzig Jahren.
Ganz präzise sagt der Text: Siebzig Jahre lang werden all diese Nationen im Nahen Osten Babylon dienen.
Jetzt schauen wir uns die andere Stelle an, Kapitel 29, Verse 10 und 11.
Auch hier werden siebzig Jahre erwähnt. Worauf beziehen sich die siebzig Jahre? Steht da siebzig Jahre Verbannung? Siebzig Jahre für Babel?
Babel hat eine Frist von siebzig Jahren. Kapitel 25 sagt, die Nationen dienen Babel, oder man kann auch Babylon sagen – es ist dasselbe Wort auf Hebräisch.
Wie war das in der Geschichte? Wie hat sich das erfüllt?
Dann kommt die Königin Esther. Esther ist erst später, nicht wahr? Hier sind wir in der Zeit von Darius dem Meder beziehungsweise Kores dem Perser. Der Mann von Esther kommt erst einige Jahre später an die Herrschaft. Hier sind wir 539, und Ahasverus, Xerxes I., kommt 486 an die Macht.
Aber wie war das mit den siebzig Jahren Babel? Das war die Zeit, in der Babylon noch an der Herrschaft war, und danach wurde sie beendet, was du ja vorher angesprochen hast: König Belsazar mit der Schrift an der Wand, und er wurde von den Meder und Persern überrannt.
Wann hat die Herrschaft genau begonnen, die Weltherrschaft Babylons? 609? Wie kommen Sie auf diese Zahlen? Das habe ich mir aufgeschlagen.
Wir müssen das noch genau klären, denn allgemein hört man, wann die Juden nach Babylon gebracht wurden, in welchem Jahr. 586 – das ist bereits die Zerstörung Jerusalems und war bereits die dritte Wegführung.
Aber die erste Wegführung geschah in Daniel 1, Vers 1. Dort wird berichtet, dass Daniel nach Babylon gebracht wurde.
Liest jemand Daniel 1, Verse 1 und 2?
„Im dritten Jahr der Regierung Jojakims, des Königs von Juda, kam Nebukadnezar, der König von Babel, nach Jerusalem und belagerte es. Der Herr gab Jojakim, den König von Juda, in seine Hand und einen Teil der Geräte des Hauses Gottes. Er brachte sie ins Land Schinar, in das Haus seines Gottes. Die Geräte brachte er in das Schatzhaus seines Gottes.“
Jawohl, also hier das dritte Jahr Jojakims, das ist 606 v. Chr. Das war die erste Wegführung.
Dann kam 597 die zweite Wegführung. Dabei musste unter anderem der Prophet Hesekiel mitgehen in die Gefangenschaft.
Dann kam 586 die totale Katastrophe: Jerusalem und der salomonische Tempel wurden dem Erdboden gleichgemacht. Eine große Menge kam in diesem Krieg ums Leben, und die große Masse wurde deportiert nach Babylon.
Es gab schließlich noch eine vierte Wegführung 582. Diese wird nur in Jeremia 52 erwähnt.
Insgesamt gab es also vier Wegführungen, aber eben 606 beginnt diese Wegführung.
Darum haben manche Bibelleser ein Problem mit der Zeitspanne 606 bis 539. Es ist klar etabliert, dass im Herbst 539 Babylon erobert wurde. Das ergibt nicht ganz die siebzig Jahre.
Aber wir haben noch die Zahl 609 gehört. Was ist das?
Im Jahr 612 fiel Ninive, die Hauptstadt der Assyrer, unter dem Ansturm der Babylonier zusammen mit den Meder und Denskyten. Zwei Jahre lang hatten die Babylonier Ninive belagert, und es war unmöglich, die Stadt einzunehmen. Dann gab es eine Überschwemmung, die Stadtmauern wurden zerstört, und die Feinde konnten eindringen. So kam Ninive zu Fall.
Das wird alles im Buch Nahum vorausgesagt. Das Buch Nahum ist praktisch vollständig erfüllt.
Dann gab es weitere Kriege. Drei Jahre lang, und 609 war das assyrische Weltreich endgültig am Boden.
Damit war Babylon die unangefochtene Nummer eins.
So gilt die Zeitspanne 609 bis 539 als exakt siebzig Jahre. Das sind eben diese siebzig Jahre für Babel beziehungsweise die siebzig Jahre, in denen die unterworfenen Völker im Nahen Osten Babylon dienen mussten.
Es hat sich wirklich perfekt so erfüllt.
Übrigens, Kores war ja auch schon lange in der Bibel vorausgesagt worden. Wo? Wie bei?
Kores’ Mitname wurde durch Jesaja vorausgesagt. Genau. Wo sollen wir aufschlagen? Jesaja 44, Verse 26 und folgende.
Lesen wir dort, es geht um Gott, der das Wort seiner Knechte, der Propheten, bestätigt, und das, was sie vorausgesagt haben, führt er selbst aus.
Also beides wird vorausgesagt: Kores mit Namen, etwa hundert siebzig Jahre bevor er in der Geschichte auftritt und das Weltreich erobert, wird er in Jesaja namentlich genannt.
Josephus Flavius, der jüdische Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert, berichtet, dass man Kores diese Stelle aus Jesaja vorgelesen hat. So erfuhr er, dass er mit Namen in den Schriften des jüdischen Volkes prophezeit war. Das war natürlich ein eindrückliches Zeugnis für ihn.
Hier noch ein Detail: Wie hat Kores genau Babylon erobert?
Da gab es eine besondere Leistung seiner Genietruppen: Er leitete den Euphrat um.
Der Euphrat umspülte die Stadtmauern von Babylon, und so galt Babylon als uneinnehmbar.
Kores beauftragte seine Truppen, den Euphrat umzuleiten, trocknete das Flussbett aus, sodass seine Soldaten unterhalb der Stadtmauern im trockenen Flussbett zu den Stadttoren vordringen konnten.
Es gab auch geheimdienstliche Verbindungen und eine Abmachung mit babylonischen Priestern, die sogar die Tore öffneten.
Während Belsazar als letzter Herrscher in Babylon meinte, die Stadt sei uneinnehmbar, feierte er noch diese gotteslästerliche Party – und kam durch einen Schwertstreich ums Leben.
Babylon wurde fast kampflos eingenommen. Die persischen und medischen Truppen hatten vorher einige Kriege geführt, aber Babylon selbst wurde praktisch kampflos erobert. Das war nur noch ein Putsch.
In Jesaja 44, Vers 27 steht: „Der zur Flut spricht: Versiege, und ich will deine Ströme austrocknen.“ Das bezieht sich auf Kores.
Das spielte eine entscheidende Rolle bei der Eroberung Babylons.
Weiter in Jesaja 45, Vers 1: „So spricht der Herzog Kyrus, seinem Gesalbten, dessen rechte Hand ich ergriffen habe, um Völker vor ihm niederzuwerfen und die Lenden der Könige zu entgürten, um Türen vor ihm zu öffnen und Tore, damit sie nicht geschlossen bleiben.“
So ging es bei Babylon wirklich zu: Die Türen wurden für ihn geöffnet, ohne Kampf.
Weiter: „Ich selbst will vor dir herziehen und das Hügelgelege eben machen. Ich will eiserne Türen zerbrechen und eiserne Riegel zerschlagen, und ich will dir verborgene Schätze geben, unversteckte Reichtümer, damit du erkennst, dass ich der Herr bin, der dich bei deinem Namen gerufen hat, der Gott Israels.“
Die Bibel betont, dass es sehr speziell ist, dass Gott diesen Mann namentlich in der Prophetie erwähnt. Das sollte dazu führen, dass er den Gott der Bibel erkennt.
Darum ist es umso beachtlicher, dass wir vorhin in Esra 1 gelesen haben, wie Kores effektiv sagte: Der Herr, das heißt Jahwe, der Gott der Juden, der Gott Israels, hat mich beauftragt, ihm ein Haus in Jerusalem zu bauen. Jeder aus seinem Volk, den sein Herz bewegt, soll hingehen und den Tempel bauen.
Das hat ihn offensichtlich überzeugt von der Existenz des wahren Gottes, indem man ihm zeigen konnte: Schau mal, Jesaja hat von dir schon längst die Prophetie gegeben.
Weiter, Vers 4: „Um Jakobs, meines Knechtes, und Israels, meines Auserwählten, Willen habe ich dich bei deinem Namen gerufen und dir einen Ehrennamen gegeben, ohne dass du mich kanntest.“
Gott sagt: Ich habe dich, Kores, auf den Plan der Weltgeschichte gerufen, im Blick auf mein Volk.
Tatsächlich war Kores es, der dann die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft heimkehren ließ.
Er bekam einen Ehrennamen. Was ist dieser Ehrenname?
In Vers 28 von Kapitel 44 heißt es: Gott nennt ihn „Mein Hirte, der all mein Wohlgefallen vollbringt“, und weiter nennt Gott ihn sogar „Sein Gesalbter“ (Jesaja 45,1).
Weiter Vers 5: „Ich bin der Herr, und sonst ist keiner Gott, denn außer mir gibt es keinen Gott. Ich habe dich gebildet, ohne dass du mich kanntest, damit vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang erkannt werde, dass außer mir keiner ist. Ich bin der Herr, und sonst ist keiner, der ich das Licht mache und die Finsternis schaffe, der ich Frieden gebe und Unheil schaffe, ich, der Herr, vollbringe dies alles.“
Da sehen wir, Gott hat sich Kores gegenüber als der einzige Gott offenbart. Nicht als irgendein Lokalgott, wie es viele Götter bei den verschiedenen Völkern gab, sondern er sagt: Ich bin der Herr, hebräisch Jahwe, der Ewige, der Unwandelbare. Und sonst ist keiner. Außer mir ist kein Gott.
Gott hat das durch die erfüllte Prophetie gezeigt, und das hat offensichtlich Kores so beeindruckt, dass er auch sagte: Der Herr hat mich beauftragt, ihm einen Tempel in Jerusalem zu bauen.
Das sollte über ihn hinausgehen, damit man wisse (Vers 6): „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang, dass außer mir keiner ist. Ich bin der Herr, und sonst ist keiner.“
Das heißt, dass dieses Zeugnis nicht nur für den Herrscher des medo-persischen Weltreiches war, das schließlich eine Ausdehnung von Indien bis in die Westtürkei und bis nach Ägypten erreichte – ein unglaublich umfassender Bereich, viel größer als das babylonische Reich.
Das hat sich überall herumgesprochen, dass die Bibel Kores, diesen neuen Weltherrscher, vorausgesagt hatte.
Das zeigt uns, wie wichtig erfüllte Prophetie ist, um zu zeigen, wer der wahre Gott ist.
Im Buch Hesekiel findet man in Verbindung mit der Prophetie 77 Mal den Refrain in Variationen: „Ihr werdet erkennen, dass ich, Jahwe, der Herr bin.“
Jedes Mal sagt Gott, wenn diese Prophetie in Erfüllung geht, werden die Menschen erkennen, dass ich der Herr bin.
Das zeigt wieder, wie wichtig es ist, erfüllte Prophetie auch in der Evangeliumsverkündigung zu verwenden.
Das macht klar, was echte Prophetie ist, im Gegensatz zu all den Versagern in der Esoterik und Astrologie. Das funktioniert einfach nicht.
Jährlich gibt es Wissenschaftler, die systematisch astrologische Voraussagen sammeln und dann einen Gesamtbericht machen und sagen müssen, dass fast hundert Prozent falsch sind.
Das zu Kores und diesem ganzen Hintergrund.
Daniels Gebet und Schuldbekenntnis
Daniel verfolgt aufmerksam die Bibel und achtet besonders auf die siebzig Jahre. Er erkennt, dass genau diese Zeitspanne von 609 bis 539 v. Chr. erfüllt ist. Das zeigt, wie nahe die alttestamentlichen Gläubigen am Wort Gottes waren. Sie studierten sorgfältig, was sich bereits erfüllt hatte, was sich gerade erfüllte und welche Auswirkungen das hatte.
Für Daniel hatte das keine rein intellektuelle Bedeutung. Es war nicht einfach nur interessant zu sehen, wie sich die Bibel erfüllte, und dass die siebzig Jahre nun vollendet waren und die Perser Babylon tatsächlich erobert hatten. Nein, das hatte konkrete Auswirkungen. Er bekannte die Schuld seines Volkes und sagte: „Wir haben gesündigt.“
Wie ist das zu verstehen? In Vers 5 heißt es: „Wir haben gesündigt und verkehrt und gesetzlos gehandelt.“ In der Bibel wird keine einzige Sünde von Daniel beschrieben. Wir wissen nur aus seinen eigenen Worten, dass er gesündigt hat, aber es wird nie näher beschrieben. Wenn wir an Abraham denken, berichtet die Bibel, in welchen Angelegenheiten er gesündigt hat. Auch bei Mose, David und sogar Hiob wird von ihren Sünden berichtet. Selbst verborgener Hochmut wird aufgedeckt. Bei Daniel dagegen finden wir nur seine Treue beschrieben. Er war kein Sündloser, doch wo spricht er über seine eigene Sünde? Wir haben es gelesen.
In Vers 20 wird ganz klar gesagt, dass nicht nur die Sünde seines Volkes Israel gemeint ist, sondern auch seine eigene Sünde. Er hat seine persönliche Schuld erkannt. Diese prophetische Erkenntnis führt ihn dazu, sich zu überlegen, warum sie überhaupt nach Babylon gekommen sind. Das war Gottes Gericht, weil sie nicht dem Gesetz Gottes gehorcht hatten. Das hatte Mose schon vorausgesagt, und Daniel betont das im Gebet.
Wo sagt er das? Im Gebet heißt es: „Und ganz Israel hat ein Gesetz übertreten und ist davon abgewichen, so dass es deiner Stimme nicht gehorcht hat. Und so hat sich der Fluch und der Schwur über uns ergossen, welcher im Gesetz Moses, des Knechtes Gottes, geschrieben steht, weil wir gegen ihn gesündigt haben.“ Das ist die Erfüllung des Fluches aus dem Gesetz Mose, der Tora.
Auch in Vers 13 heißt es: „So wie es im Gesetz Mose geschrieben steht, ist all dieses Unglück über uns gekommen.“ Wo steht die babylonische Gefangenschaft in den fünf Büchern Mose vorausgesagt? Im fünften Buch Mose, Kapitel 28. Dort werden die Segnungen in den Versen 1 bis 14 beschrieben, der Fluch in den Versen 15 bis 68. Man beachte das Verhältnis.
Wo wird die babylonische Gefangenschaft vorausgesagt? In Vers 36 heißt es: „Der Herr wird dich und deinen König, den du über dich setzen wirst, zu einem Volk führen, das du nicht kennst, auch deine Väter; und du wirst dort anderen Göttern dienen, Holz und Steinen.“ Das bezieht sich klar auf das, was ab 606 v. Chr. geschah – die Deportation zu einer fremden Nation.
Das ist nicht dasselbe wie in Vers 64, wo es heißt: „Der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen, und du wirst dort anderen Göttern dienen.“ Hier wird von einer Zerstreuung unter alle Völker von einem Ende der Erde bis zum anderen gesprochen. Das erfüllte sich erst später, ab dem Jahr 70 nach Christus.
Nach der Verwerfung des Messias wurde das jüdische Volk über alle fünf Kontinente zerstreut. Vers 36 bezieht sich jedoch auf das Jahr 606 v. Chr. und die folgenden Jahre, als sie zu einer anderen Nation deportiert wurden. Es wird betont: „Dich und deinen König, den du über dich setzen wirst.“ Damals gab es noch die letzten Könige aus dem Haus Davids. Danach gab es keine mehr in der weiteren Geschichte.
Im Jahr 70 hatten die Juden keinen König, den sie selbst über sich gesetzt hatten. In Vers 64 wird nichts davon gesagt, dass „du und dein König“ zerstreut werden, sondern einfach: „Ihr werdet zerstreut unter alle Völker.“ Hier wird betont, dass dies noch in der Zeit des Königtums geschah, und dann ging man zu einer anderen Nation.
Daniel erkannte, dass sich das Wort Gottes erfüllt hatte. Diese Zucht Gottes hatten sie verdient, weil sie gesündigt hatten. So bekannte er seine persönliche Schuld. Er war damals noch jung, als er 606 nach Babylon kam, vielleicht etwa 14 Jahre alt. Trotzdem sah er seine persönliche Schuld und Betroffenheit, die zur babylonischen Gefangenschaft geführt hatte.
Er machte sich eins mit dem ganzen Volk und sagte: „Wir haben gesündigt.“ Das ist sehr interessant. Wie kann man sich mit dem Volk eins machen? Wie kann Daniel nicht nur seine persönliche Schuld bekennen? Er ist doch nur persönlich vor Gott verantwortlich, nicht für das, was andere tun.
Das ist ein wichtiger Punkt: Gott sieht sein auserwähltes Volk als eine Einheit. Das sehen wir zum Beispiel eindrücklich nach der Landnahme unter Josua. Zuerst wurde Jericho erobert, dann wollte man Ai erobern, doch es gab eine Niederlage. Als Josua diese Not vor Gott brachte, sagte Gott, Israel habe gesündigt. Schließlich stellte sich heraus, dass ein Mann namens Achan sich nicht an Gottes Gebote gehalten hatte und von der Kriegsbeute in Jericho geraubt hatte.
Aber Gott sagt: Israel hat gesündigt. So macht Gott das ganze Volk mitverantwortlich. Das ist auch heute wichtig. In der Gemeinde sollte man sich nicht nur für sich selbst verantwortlich sehen – das natürlich unbedingt, denn Paulus sagt in 1. Timotheus 4, man solle auf sich selbst achten. Wir sind verantwortlich für unser eigenes Tun, aber auch mitverantwortlich für das Ganze.
Deshalb sagt Paulus zum Beispiel in 1. Korinther 5, als jemand in der Gemeinde in Unzucht gefallen war, dass die ganze Gemeinde dafür verantwortlich ist. Die Gemeinde musste sich demütigen, weil sie sich nicht gedemütigt hatte. Warum sollte man sich demütigen, wenn ein anderer sündigt? Weil wir alle verantwortlich sind und Mitverantwortung tragen.
Wenn wir einander auf dem Weg ermutigen und unterstützen, geradlinig nach der Bibel zu leben, könnten viele solcher Fälle verhindert werden. So tragen wir alle eine Mitverantwortung. Das ist ein Prinzip, das wir im Alten Testament in Verbindung mit Israel und auch in der Gemeinde sehen.
Dieser Aspekt ist heute oft verloren gegangen. In der Reformation wurde stark betont, dass der Einzelne vor Gott steht. Das zeigte sich eindrücklich beim Reichstag von Worms, als Luther sagte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir.“ Er war bereit, seine Meinung zu revidieren, wenn man ihm anhand der Heiligen Schrift zeigte, dass er sich irrte.
Das war eine wichtige Entdeckung, denn in der Zeit, als die katholische Kirche alles beherrschte, zählte nur das Kollektiv. Das Individuum hatte keinen Wert, das einzelne Gewissen zählte nichts. Nur das Kollektiv entschied, nicht von oben herab mit höchster Autorität, aber persönliche Verantwortung gab es nicht.
Die Reformatoren entdeckten diese persönliche Verantwortung neu und stellten sie heraus. Doch dann wurde dieser Individualismus so stark betont, dass in der weiteren Kirchengeschichte die Sicht einer gemeinsamen Verantwortung wieder verloren ging.
Es ist immer eine Gefahr, auf die eine oder andere Seite zu kippen, anstatt ausgeglichen zu bleiben. Deshalb ist es wichtig, die persönliche Verantwortung deutlich zu betonen, wie Paulus es in 1. Korinther 11 in Verbindung mit dem Abendmahl tut: „Ein jeder prüfe sich selbst.“ Aber im gleichen Brief, 1. Korinther 5, zeigt er, dass wenn jemand in schwere Sünde wie Unzucht gefallen ist, die ganze Gemeinde durch Gemeindezucht handeln muss.
Es gibt also auch eine kollektive Verantwortung. Das sehen wir eindrücklich bei Daniel, der die Sünde seines Volkes bekennt und sich mit dem Volk eins macht. Wenn man das tut, wird man eher davor bewahrt, auf andere herabzusehen. Man fühlt sich mit dem untreuen Volk Gottes verbunden und mitbetroffen.
Paulus sagt in Verbindung mit dem Thema vom Leib: Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit. Von Daniel können wir lernen, diese Verbundenheit mit dem Volk und die Betroffenheit über die Schuld des ganzen Volkes Gottes.
Gibt es dazu noch eine Frage? Gut, dann gehen wir weiter.
Die Offenbarung zur Zeit des Abendopfers
Daniel bekennt also seine Schuld vor Gott, und plötzlich bekommt er Besuch. Von wem? Ja, in Vers 21 erscheint der Engel Gabriel. Wir wissen sogar, zu welcher Zeit das geschieht: zur Zeit des Abendopfers. Wann ist das? Um 15 Uhr.
Das Morgenopfer wurde im Tempel in Jerusalem immer um die dritte Stunde, also um 9 Uhr, dargebracht. Das letzte Opfer, das Abendopfer, fand um 15 Uhr statt, der neunten Stunde, gerechnet ab 6 Uhr morgens. Übrigens entsprechen diese Zeiten genau den Stunden der Kreuzigung. Die Evangelien berichten, dass Jesus um 9 Uhr gekreuzigt wurde und um 15 Uhr starb. Das sind genau die Zeiten der Opferung.
In diesem Rahmen wurden alle Opfer dargebracht, beginnend mit dem Morgenbrandopfer und endend mit dem Abendbrandopfer. Das hat eine besondere Bedeutung, denn die Botschaft, die Daniel zu dieser Zeit erhält, fällt genau in die Zeit des Abendbrandopfers.
Eine kurze Frage zum Abendopfer: Wurde damals von Daniel und seinen Freunden geopfert? Nein, es gab keine Opfer mehr, da kein Tempel mehr existierte. Dennoch wurde die Zeit des Abendopfers weiterhin beachtet, ähnlich wie im Judentum die Gebetszeiten. Es gab zwar keinen Tempel und keine Opfer, aber die Zeiten blieben wichtig.
Ist das bis heute bei den Juden noch so? Ja, diese Zeiten sind nach wie vor bedeutend.
Gabriel bringt Daniel also die Prophetie über die Siebzig Wochen. Lesen wir nochmals Vers 23, den letzten Satz: „So achte nun auf das Wort und verstehe die Erscheinung. Siebzig Wochen sind über dein Volk und über deine heilige Stadt bestimmt, um das Verbrechen zum Abschluss zu bringen, den Sünden ein Ende zu machen, die Schuld zu sühnen, ewige Gerechtigkeit einzuführen, Gesichte und Propheten zu versiegeln und ein Allerheiligstes zu salben.“
Gabriel gibt Daniel also eine Prophetie über siebzig Wochen. Eine Woche (hebräisch „Shavua“) ist eine Siebener-Einheit. Normalerweise bezeichnet „Shavua“ sieben Tage. Hier jedoch geht es um Jahrwochen, also Einheiten von sieben Jahren.
Der jüdische Kalender ist so aufgebaut, dass man in Monaten und Jahren rechnet. Eine weitere Einteilung ist der Siebenjahrzyklus. In welchem Zusammenhang steht dieser Siebenjahrzyklus? Bei den Sabbatjahren: Alle sieben Jahre sollte die Landwirtschaft ruhen, das siebte Jahr war ein Jahr, in dem nicht gesät oder geerntet wurde.
Man rechnet in Zyklen von sieben mal sieben Jahren, das sind 49 Jahre. Das 50. Jahr ist das Jubeljahr. So gibt es auch Zyklen von 50 Jahren. Man kann also einen komplexen Kalender aufbauen, der in Tagen, Monaten, Jahren, Siebenjahreszyklen und Fünfzigjahreszyklen rechnet.
Wenn man das weiß, wie es im Judentum gehandhabt wurde, kann man besser verstehen, wie der Maya-Kalender funktioniert, der angeblich am 21. Dezember 2012 enden sollte. Auch dieser ist ein komplizierter Langzeitkalender, der nicht nur in Tagen rechnet, sondern in längeren Perioden: Zwanzig Tage, siebentausend Tage, und die längste Periode umfasst 144.000 Tage.
Am 21. Dezember 2012 endete im Maya-Kalender genau die Periode von 13 Langperioden zu je 144.000 Tagen. Danach beginnt der Kalender wieder bei Null. Der Kalender hört also nicht auf, sondern läuft weiter.
Ähnlich werden in der Bibel diese Siebenjahreszyklen und Fünfzigjahreszyklen verwendet. Für Daniel war es also nicht schwierig, wenn von siebzig Wochen gesprochen wird, also von siebzig Siebenjahreszyklen. Das sind zusammen wie viele Jahre? Genau, 490 Jahre.
Man merkt, dass dies eine Steigerung ist. Daniel hatte sich zuvor mit den siebzig Jahren für Babel beschäftigt (Vers 2). Jetzt erhält er eine Prophetie über eine Periode von siebzig mal sieben Jahren.
Was soll nach diesem Zyklus von 490 Jahren geschehen? Die Prophetie bezieht sich auf „dein Volk“ – weil Daniel sich mit seinem Volk identifiziert und die Sünden seines Volkes bekennt – und auf „deine heilige Stadt“, also Jerusalem.
Was soll in Verbindung mit Israel und Jerusalem geschehen?
Erstens: Der Abfall wird zum Abschluss gebracht. Israel musste wegen seines Abfalls von Gott die babylonische Gefangenschaft erleben. Doch hier wird deutlich, dass der Abfall noch nicht endet, sondern weitergeht. Nach den siebzig Jahrwochen wird der Abfall der Israeliten ein Ende finden.
Zweitens: Den Sünden wird ein Ende gesetzt.
Drittens: Es gibt völlige Vergebung für Israel.
Viertens: Das Chaos voller Ungerechtigkeit in der Weltgeschichte wird ein Ende nehmen, und Gottes bleibende Gerechtigkeit wird auf Erden herrschen.
Fünftens: Wie kann Prophetie aufhören? Wenn alles erfüllt ist. Dann erweist sich die Bibel als echt, und die Visionen und prophetischen Schriften erhalten das Siegel der Echtheit.
Sechstens: Ein Allerheiligstes wird gesalbt. Das bedeutet, es muss ein Tempel gebaut werden, der gesalbt wird.
Ein interessantes Detail am Rande: Zur Zeit, als Daniel diese Prophetie erhielt, durften die Juden in ihr Land zurückkehren und bauten den zweiten Tempel. Dieser wurde jedoch nicht gesalbt, weil das Salböl, das Mose für die Salbung des Hohenpriesters Aaron und der Stiftshütte verwendet hatte, nicht mehr vorhanden war.
Das Salböl wurde über Jahrhunderte aufbewahrt. Als Salomo den ersten Tempel baute, wurde dieser gesalbt. Beim Bau des zweiten Tempels fehlte dieses Salböl, daher wurde er nicht gesalbt. Auch die Hohenpriester wurden nicht mehr gesalbt, sondern erhielten ihr Amt durch Investitur, das heißt, sie trugen die priesterlichen Gewänder.
Für uns ist das interessant: Diese Prophetie hat offensichtlich nichts mit dem zweiten Tempel zu tun, der gebaut wurde und im Jahr 70 nach Christus von den Römern zerstört wurde. Seitdem gibt es keinen Tempel mehr.
Nach dieser Prophetie bleibt noch ein Tempel ausstehend, der gesalbt wird. Hier haben wir also eine klare Prophetie über einen dritten Tempel.
Wir machen nach der Pause weiter.
Die Bedeutung der 70 Jahrwochen und das Kommen des Messias
Wir haben gesehen, dass Daniel angekündigt wird, dass nach 70 Jahrwochen der volle Segen für Israel und die Stadt Jerusalem kommen würde. Auf welche Zeit beziehen sich diese sechs Punkte, wenn sie sich erfüllen? Ja, ich höre es, aber nur halb. Auf das tausendjährige Reich, wenn der Messias kommen wird, um in Frieden und Gerechtigkeit über die Welt zu herrschen.
Das wird in Daniel 7 beschrieben. Können wir das kurz aufschlagen? Daniel 7, Vers 13. Es geht hier um die Prophetie der vier Weltreiche, dargestellt mit vier schrecklichen Tieren.
Das erste Tier ist in Kapitel 7, Vers 4, ein Löwe mit Adlersflügeln und stellt das babylonische Weltreich dar. Dann kommt ein gefräßiger Bär in Vers 5, und das bedeutet das medopersische Weltreich, das schließlich das babylonische erobert hatte. Da stehen wir jetzt mit Daniel gerade am Beginn der Periode des Bären.
Dann kommt in Vers 6 ein Leopard, aber ein sehr spezieller mit vier Köpfen und vier Flügeln. Das weist hin auf das griechische Weltreich unter Alexander dem Großen, das sich in der sagenhaft schnellen Zeit von 13 Jahren über die ganze damalige Welt ausgebreitet hat. Darum ist das hier das schnellste Tier.
In Vers 7 erscheint ein viertes, schreckliches, aber besonders starkes Tier. Das ist das römische Reich mit seinen starken Legionen. Schließlich sehen wir in Vers 13, wie der Messias kommt, um seine Weltherrschaft anzutreten und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen.
Liest jemand bitte die Verse 13 und 14 vor?
"Ich sah in den Nachtgesichten, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels, gleich einem Sohn des Menschen, und er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihm gebracht. Ihm wurde Herrschaft, Ehre und Königtum verliehen, und alle Völker, Stämme und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum wird nie zugrunde gehen."
Jawohl, also der Messias, der Sohn des Menschen – ein bekannter Titel für den Messias, bereits aus Psalm 8 bekannt, den wir schon früher im Detail studiert haben – kommt auf den Wolken des Himmels und übernimmt die Weltherrschaft.
Wie lange wird er regieren? Aber jetzt hat doch jemand vorhin gesagt: das tausendjährige Reich. Wie bringen wir das zusammen? Tausend Jahre sind ja nicht ewig.
Das Neue Testament spricht zwar über das tausendjährige Reich in Offenbarung 20, aber dann folgt der Weltuntergang und das Endgericht. Himmel und Erde entfliehen vor dem Richter auf dem großen weißen Thron. Dann kommt das Endgericht, und unmittelbar danach Offenbarung 21,1: "Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde." Offenbarung 22,5 spricht von einer ewigen Königsherrschaft.
Das ist kein Widerspruch, sondern ergänzt sich: tausend Jahre noch in dieser Schöpfung, aber dann geht die messianische Herrschaft ewig in der neuen Schöpfung weiter.
Diese siebzig Jahrwochen weisen also auf die Zeit hin, wenn der Abfall zum Abschluss kommt, den Sünden ein Ende gemacht wird, die ewige Gerechtigkeit kommt und der dritte Tempel gesalbt wird.
Jetzt lesen wir weiter in Vers 25. Es wird nicht gesagt, ob dieses Öl wiedergefunden wird, aber es wird auf jeden Fall gesagt, dass es gesalbt wird. Das ist ein ganz bemerkenswerter Gegensatz zum zweiten Tempel, der nicht gesalbt war.
Roger, da habe ich gleich noch einen Punkt. Es ist so, dass der Tempel gebaut wird, und in diesem Tempel setzt sich nach dreieinhalb Jahren der Antichrist. Dann ist er verunreinigt und muss wieder gereinigt werden.
Genauso wie der zweite Tempel wurde auch dieser verunreinigt durch Antiochus Epiphanes, der ein Schwein auf dem Brandopferaltar schlachten ließ und ein Götzenbild mit seinen Gesichtszügen aufstellte. Dadurch wurde der Opferdienst unterbrochen.
Dasselbe wird mit dem dritten Tempel geschehen, der vor der Wiederkunft Christi gebaut wird. Der dritte Tempel wird durch den Antichristen entweiht werden, und das Opfer wird unterbrochen, aber diese Unterbrechung ist beschränkt.
Daniel 12, Vers 11 sagt von diesem Ereignis: "Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, und zwar um den verwüstenden Gräuel aufzustellen, sind tausendzweihundertneunzig Tage."
Die große Drangsal wird gemäß der Offenbarung tausendzweihundertsechzig Tage dauern. Dann kommt der Herr Jesus als Richter der Welt zurück. Hier wird deutlich, dass es noch weitere dreißig Tage gibt, bis der dritte Tempel wieder geweiht ist und die Opfer wieder eingeführt werden.
Gehen wir jetzt zu Vers 25. Liest nochmals jemand Vers 25 vor?
"Vom Erlass des Befehls zur Wiederherstellung und zum Aufbau Jerusalems bis zu dem Gesalbten, dem Fürsten, vergehen sieben Wochen und zweiundsechzig Wochen. Straßen und Gräben werden wieder gebaut, und zwar in bedrängter Zeit."
Welche Übersetzung hast du benutzt? Flachter 2000. Gut, das ist einwandfrei. Ja, ich darf das sagen, ich habe Daniel nicht bearbeitet. Wie steht das in anderen Übersetzungen, zum Beispiel revidierte Elberfelder, Brockhaus? Wer hat die? Ich habe Elberfelder.
Vers 25: "So sollst du denn erkennen und verstehen, von dem Zeitpunkt an, als das Wort erging, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis zu einem Gesalbten, einem Fürsten, sind es sieben Wochen, und 62 Wochen werden Platz und Stadt wiederhergestellt und gebaut sein, und zwar in der Bedrängnis der Zeiten."
Falsch, das ist definitiv falsch. Das ist die revidierte Elberfelder von Brockhaus. Es gibt noch eine zweite Revision, die sanfte Revision von CSV Hückeswagen. Dort ist es korrekt, wie auch in den alten Elberfeldern.
Ich will zeigen, wo das Problem liegt. Ich zitiere die alte Elberfelder: "So wisse denn und verstehe." Übrigens, auch wir sollen das unbedingt wissen, das ist ein Befehl: Wissen und begreifen! "Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Jahrwochen und 62 Jahrwochen." Punkt!
Dann wird angefügt: "Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut werden, und zwar im Drangsal der Zeiten."
So werden wir gleich sehen, dass sich die Prophetie ganz eindrücklich erfüllt hat. Aber mit dieser Interpunktion, wie in der revidierten Elberfelder von Brockhaus, ist die ganze prophetische Aussage zerstört. So hat sie sich gar nie erfüllt, auch nicht in irgendeinem Gesalbten. Es ist einfach schlecht und falsch.
Aber wie kommt man überhaupt dazu, diese sieben und zweiundsechzig Jahrwochen auseinanderzureißen? So falsch ist es, wenn man sagt, vom Ausgehen des Wortes Jerusalem zu bauen bis der Messias kommt, sind sieben Jahrwochen. Das wären 49 Jahre. Das darf man nicht auseinanderreißen, sondern es sind sieben Jahrwochen und zweiundsechzig Jahrwochen, Punkt. Das heißt also zusammen neunundsechzig Jahrwochen.
Aber woher kommt die Idee, dort einen Punkt zu setzen? Das hängt mit dem hebräischen Text aus dem Mittelalter zusammen. Das ist der beste Text, den es überhaupt gibt.
Seit den Qumran-Funden hat man erst recht gemerkt – sogar die Liberalen haben erkannt –, dass es nichts Besseres gibt als das, was wir immer hatten, nämlich den hebräischen Text, überliefert in Tausenden von Handschriften aus dem Mittelalter, der sogenannte masoretische Text.
Es hat sich gezeigt, dass sogar die Orthographie, die Rechtschreibung dieses Mittelaltertextes oft viel altertümlicher ist als Handschriften aus Qumran, die tausend Jahre älter waren.
Das zeigt, dass der masoretische Text auf eine noch ältere Vorlage zurückgeht als viele Handschriften in Qumran. Zum Beispiel die berühmte Jesajarolle aus Qumran, Höhle I, wird auf 125 vor Christus datiert. Das ist ein fantastischer Fund, aber die Orthographie dort ist eindeutig moderner als die Orthographie im Text, den wir schon immer für alle Übersetzungen hatten.
Das ist fantastisch. Die Qumran-Funde haben gezeigt, dass der masoretische Text einfach das Beste ist, was es gibt. Im Judentum wurde dieser Text überliefert, indem man Buchstaben und Wörter ausgezählt hat, um Kontrollen für eine genaue Überlieferung zu haben.
Dieser Text geht zurück auf die Vorlagen, die man bis zum Jahr 70 im Tempel hatte. Das waren sogenannte proto-masoretische Handschriften, die im Tempel aufbewahrt wurden. Handschriften, die irgendwo im Land verteilt waren, mussten bei Verbesserungen an den Vorlagen im Tempel angepasst und korrigiert werden.
Im Mittelalter haben die Rabbiner, die den masoretischen Text abschrieben, um das Lesen zu erleichtern, auch Vokalzeichen eingesetzt. Im Hebräischen schreibt man eigentlich nur die Konsonanten, die Mitlaute, und das funktioniert gut, wenn man die Sprache gut kann.
Im Alten Testament kann ich lesen und brauche diese Vokalzeichen nicht unbedingt, wenn ich Daniel lesen würde. Aber jemand, der nicht gründlich Hebräisch kann, braucht sie.
Die Masoreten haben diese Vokalzeichen hinzugefügt und zusätzlich musikalische Zeichen. Jedes Wort oder jede Wortverbindung erhält ein musikalisches Zeichen, damit man weiß, wie man den Text in der Synagoge singend vortragen muss.
Diese musikalischen Zeichen haben auch eine einteilende Bedeutung. Zum Beispiel weiß man, wo die Mitte des Verses ist oder wo ein sinngemäßer Unterbruch ist.
Dieser Hauptunterteiler ist das musikalische Zeichen Adnach. Der Adnach wird als Unterbruch wahrgenommen, oftmals entspricht das einem Komma oder sogar einem Punkt, aber nicht immer.
Zum Beispiel im ersten Satz der Bibel: "Am Anfang schuf Gott." Der Text heißt: "Bereschit bara Elohim et haschamajim ve et haaretz." Der Adnach steht hier bei Elohim, Gott. Also: "Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde." Dort würde ich kein Komma setzen, schon gar keinen Punkt, aber beim Lesen würde ich eine kleine Pause machen.
Wenn jemand sagt, Adnach bedeutet immer einen Punkt, hat er die musikalischen Zeichen in der Bibel nicht verstanden.
Das ist der Fehler bei der Revision der Elberfelder von Brockhaus, dass man dachte, das sei ein Adnach, also setzt man einen Punkt. Falsch!
Auch die ältesten Übersetzer, die Septuaginta-Übersetzer, die die Bibel im dritten Jahrhundert vor Christus ins Griechische übersetzt haben, verstanden das korrekt: Es sind sieben und zweiundsechzig Jahrwochen.
Sie kannten natürlich besser Hebräisch in der Zeit des Alten Testaments. Wir müssen hier also überhaupt nicht beeindruckt sein von diesem Punkt.
Es ist so zu verstehen: Es sind sieben Jahrwochen und neunundsechzig Jahrwochen, Punkt.
Natürlich werden wir uns dann die Frage stellen, warum diese Epoche in zwei Unterepochen eingeteilt ist, aber das werden wir später sehen.
Ich kann also noch einmal ganz klar sagen: Alle, die es falsch haben, können sich das vielleicht in ihrer Bibel ein bisschen korrigieren – eine Revision der Revision.
"So wisse denn und verstehe: Vom Ausgehen des Wortes Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Jahrwochen und zweiundsechzig Jahrwochen." Punkt.
In der revidierten Elberfelder heißt es danach: "Zweiundsechzig Wochen lang werden Straßen und Gräben gebaut." Dieses "lang" kommt gar nicht im hebräischen Text vor.
Einfach: Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut, und zwar in drangsalvollen Zeiten.
Jetzt stellt sich die Frage: Hier können wir berechnen, wann der Messias kommt – in Jahren.
Von dem Moment an, wo ein Wort ausgeht, dass Jerusalem wieder gebaut und wiederhergestellt wird, muss man rechnen, bis der Messias kommt. Da vergehen insgesamt neunundsechzig Jahrwochen.
Aber jetzt ist die Frage: Von welchem Jahr sollen wir rechnen?
Das naheliegende wäre 539 vor Christus, denn da hat Kyros den Erlass gegeben, dass Jerusalem wieder gebaut wird. Das haben wir ja in Jesaja gefunden: "Der Tempel, er werde aufgebaut, und die Stadt, sie soll aufgebaut werden."
Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. Von welchem Zeitpunkt könnten wir auch noch rechnen? Nehemia 2, was steht dort?
So traurig, ja. Beziehungsweise nein, er hat nicht vom Tempel gesprochen, sondern von der Stadt. Die Stadt unserer Väter liegt in Ruinen. Die Stadt war nicht aufgebaut, sondern immer noch ein Ruinenfeld.
Der Tempel wurde in der Zwischenzeit aufgebaut, denn im Buch Esra lesen wir, dass die Juden ab 539 v. Chr. zurückkehrten und gleich begannen, den Tempel zu bauen. Zuerst den Altar, und sie begannen sofort mit den Opfern, bevor das Tempelhaus stand.
Das war eine kleine Sache, nur der Altar. Der Opferdienst begann wieder, und im nächsten Jahr wurde der Grund gelegt. Große Fundamentsteine wurden auf den Felsen gelegt, auf dem höchsten Punkt des Tempelbergs. Danach wurde erst das Tempelhaus gebaut.
Das Buch Esra zeigt, dass der Tempel im Jahr 516 v. Chr. nach einigen Schwierigkeiten vollendet wurde.
Aber die Stadt war in der Zeit von Nehemia 2 immer noch nicht aufgebaut.
Dort befinden wir uns im zwanzigsten Jahr von Artaxerxes, dem persischen König. Das zwanzigste Jahr ist 445 v. Chr.
Also sind wir bei Nehemia fast hundert Jahre später, und die Stadt war immer noch ein Trümmerhaufen, nur der Tempel stand.
Dann gab der persische König Artaxerxes die Erlaubnis: "Die Stadt eurer Väter darf wieder aufgebaut werden."
Nehemia baute in Rekordzeit von nicht einmal zwei Monaten die ganze Stadtmauer wieder auf.
Aber, sagt Nehemia 7, von den Häusern war praktisch nichts gebaut, nur die Stadtmauer.
Nachdem die Stadtmauer stand, konnte die Stadt wieder vollständig mit Straßen und Gräben aufgebaut werden.
Das Buch Nehemia zeigt, dass die Juden ständig von anderen Völkern militärisch bedroht waren. Es war eine Zeit der Drangsal.
Als alttestamentlicher Leser kann man entscheiden: Wir müssen nicht von Kyros anrechnen, obwohl es auch ein Wort gab, Jerusalem wiederherzustellen.
Aber 49 Jahre später war die Stadt nicht aufgebaut.
Wenn wir bei Nehemia rechnen, war die Stadt 49 Jahre später wieder vollkommen als Gottesstadt aufgebaut – innerhalb dieser sieben Jahrwochen.
Die Zahl sieben ist in der Bibel das Symbol für Vollkommenheit.
In dieser ersten Periode von sieben Jahrwochen muss die Stadt wieder vollkommen werden.
Das war bei Kyros nicht der Fall, bei Nehemia aber ganz eindeutig.
Hier sieht man, wie eine Zahl in der Bibel sowohl symbolisch als auch wörtlich sein kann.
Oft hat man das Gefühl, entweder ist eine Zahl symbolisch, dann nicht wörtlich, oder wörtlich, dann nicht symbolisch. Das schließt sich gar nicht aus.
Es ist symbolisch, denn es bedeutet, dass in dieser Periode Jerusalem wieder eine vollkommene Stadt wird. Gleichzeitig ist es wörtlich so gewesen: Innerhalb von 49 Jahren war die Stadt wieder eine vollkommene Stadt.
Dann setzen die 62 Jahrwochen an.
Jetzt wird uns klar, warum das ebenso aufgeteilt wird.
Man kann eine solche Prophetie mit einem Siegel versehen, wenn das Ende gekommen ist.
Man hätte warten können, bis Jesus Christus als Fürst kommt, und dann von dort zurückrechnen. Das war dann im Jahr 32 nach Christus.
Dann trifft es sich haargenau mit Nehemia 2 und passt nicht mit Kyros.
Gott wollte offensichtlich, dass man nicht erst warten musste, bis es so weit ist, sondern dass man alttestamentlich schon merken konnte: "Halt, bei 539 funktioniert es nicht, aber bei Nehemia funktioniert es."
Ab 445, 49 Jahre, war die Stadt vollendet.
Das war ungefähr die Zeit, in der der letzte Prophet Maleachi wirkte. Maleachi war um circa 400 vor Christus, und danach kamen keine Propheten mehr.
Dann begann das lange Warten auf den Messias.
Das Buch Daniel war eine große Hilfe. Kapitel 1 bis 35 enthält, ich habe es mal ausgezählt, über 150 erfüllte Prophezeiungen – von Kyros an und dann über alle Generationen bis in die Makkabäerzeit.
Sie konnten in der Zeit, als es keine Propheten mehr gab nach Maleachi, so vorgehen: "Oh, jetzt sind wir in Daniel 11, Vers 12, jetzt Vers 13," natürlich gab es die Verseinteilung noch nicht, aber sie konnten sagen: "Jetzt sind wir bei dem Satz, jetzt hat sich Vers 14 erfüllt, und jetzt sind wir tatsächlich schon in Vers 21."
Sie konnten der Reihe nach die Verse verfolgen und sehen, wie die Zeit fortschritt, immer näher zum Kommen des Messias.
Man kann wirklich zeigen, dass man diese Jahrwochen offensichtlich alttestamentlich berechnen konnte.
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus, ein Heide, schreibt in seinen Historien, dass im ersten Jahrhundert eine Spannung in Israel herrschte.
Man erwartete einen geweissagten Weltherrscher, der in ihren Schriften vorausgesagt war.
Ganz Israel war aufgeheizt und wartete darauf, dass der Messias genau in dieser Zeit käme.
Warum? Nicht, weil ein paar Hysteriker ein inneres Gefühl hatten, dass jetzt der Weltuntergang kommt, sondern weil sie es berechnet hatten.
Schon im zweiten Jahrhundert vor Christus lebten die Leute von Qumran, Juden, die sich vom offiziellen Judentum abgesondert hatten.
Sie sagten, es ist alles im Chaos. Die Hohenpriester waren illegal, denn in dieser Zeit kamen illegale Leute an die Hohenpriesterwürde.
Sie begannen, das Hohenpriestertum mit dem Königsamt zu verbinden, was gegen die biblische Lehre der Gewaltentrennung verstieß.
Sie sagten: "Es ist alles im Argen, wir können keine Gemeinschaft mehr haben, wir müssen uns absondern."
Unter der Leitung eines Priesters, eines Nachkommen von Hohenpriester Zadok, gingen sie in die Wüste nach Qumran ans Tote Meer.
Sie sagten: "Wir warten jetzt, bis der Messias kommt, dann wird er alles ordnen und in die richtigen Bahnen lenken."
Sie wussten, dass sie in der Epoche lebten, in der der Messias bald kommen würde.
Jetzt mussten sie sich vom Tempel trennen, aber wenn er kommt, wird alles in Ordnung gebracht.
Das zeigt, dass die Leute das wussten.
Das ist sehr wichtig, denn es gibt viele falsche Propheten, die immer wieder vorausgesagt haben, wann Christus kommt.
Wir denken an die Zeugen Jehovas, die das Friedensreich für 1914 vorausgesagt haben. Dann kam der Erste Weltkrieg, dann sagten sie 1925, und es wurden immer wieder Daten vorausgesagt: 1988, 1994, 2011 – zweimal im Frühjahr zuerst, dann auf den Herbst verschoben.
Alles Unsinn.
Wozu führt das? Dazu, dass Leute sagen, das ist sowieso alles Quatsch. Die Leute, die von Prophetie und Endzeit sprechen, sind immer hysterisch.
Aber man muss sagen, es ist nicht so, dass man sich immer geirrt hätte.
Damals vor zweitausend Jahren verstanden die Menschen sehr wohl, dass der Messias jetzt kommt – und er ist gekommen.
Jesus Christus hat über 300 Prophezeiungen erfüllt.
Das ist eine sehr wichtige Sache.
Daniel 9 wurde offensichtlich verstanden und führte dazu, dass man korrekt bis ins erste Jahrhundert rechnete.
Ich möchte noch etwas dazu sagen: Jetzt verstehe ich auch, warum Simeon und Hanna wussten, dass jetzt der Messias kommt.
Sie wussten es einfach, und der Heilige Geist zeigte ihnen, dass dies der Messias sei.
Sie wussten genau, dass sie das noch erleben könnten.
Das Buch Daniel war eine ganz spezielle Hilfe.
Gerade Anna ist sehr interessant, denn es wird gesagt, wie alt sie bei der Geburt Jesu war: 84 Jahre.
Die Frau hat fast das ganze erste Jahrhundert vor Christus miterlebt.
Das war eine dramatische Zeit in der Geschichte Israels.
Anhand des Buches Daniel konnte man sehen: "Ach so, jetzt, siebzig, dreiundsechzig vor Christus, die Römer kamen, eroberten Jerusalem, jetzt ist das vierte Weltreich da, von Daniel."
Diese Frau erlebte viele Ereignisse mit, auch wie Herodes als Edomiter mit Hilfe der Römer an die Macht kam.
Sie wusste, dass sie in der Epoche lebte, in der der Messias kommt.
Sie war bereit, eine von denen, von denen es in Lukas 2 heißt: "Sie warteten auf die Erlösung Jerusalems."
Man sieht es auch bei Herodes, der die Schriftgelehrten rief, um zu prüfen, ob jetzt die Zeit sei, dass der Messias kommt.
Dort ging es um die spezielle Frage, wo der Messias geboren würde.
Sie konnten ihm sofort biblisch antworten: Micha 5, Vers 1, Bethlehem.
Interessant ist, dass er nicht auf den Wolken des Himmels kommt.
In Daniel 7 haben wir gelesen, dass der Messias auf den Wolken des Himmels kommt.
Aber in Micha steht, dass er in Bethlehem geboren wird.
Das weist darauf hin, dass es zwei verschiedene Kommen des Messias gibt.
Einmal wird er als Kind in Bethlehem geboren, und einmal kommt er auf den Wolken des Himmels und bringt das Reich des Friedens.
Daniel 9 wird uns auch weiterhelfen, diese zwei Kommen des Messias unterscheiden zu können.
Die Kalender und Zeitrechnung in der Prophetie
Jetzt noch Folgendes: Die Jahre in der Prophetie sind keine Jahre mit 365 Tagen. Das jüdische Volk verwendet verschiedene Kalender nebeneinander. Genau wie die Maya-Indianer drei verschiedene Kalender hatten – einen religiösen, einen zivilen und einen Langzeitkalender – so hat auch das Volk Israel einen religiösen, einen zivilen und einen prophetischen Kalender.
Und das funktioniert folgendermaßen: Beim zivilen Kalender beginnt das Neujahr wann? Nein, im Herbst, mit Rosh Hashanah, dem bekanntesten Neujahrsfest im Herbst, etwa Anfang Oktober. Dann gibt es noch den religiösen Kalender, der mit dem Monat Nisan beginnt, dem Passammonat. Dort liegt das Neujahr im Frühling, also im März oder April. Das sind zwei verschiedene Kalender, die aber parallel nebeneinander geführt wurden.
Diese Kalender basieren eigentlich auf Mondjahren, das heißt, die Monate wurden nach den Mondphasen berechnet. Deshalb hieß das Fest am Anfang des Monats Neumondfest. Wie beginnt der Monat? Mit welchem Zeichen am Himmel? Das klingt vielleicht banal, ist aber nicht jedem klar. Welches Himmelszeichen markiert den Beginn des jüdischen Monats? Der Neumond. Ist das das gleiche wie der Leermond? Nein, das ist die erste schmale Sichel.
Genau: Wenn der Mond verschwindet und man nichts mehr sieht, ist Leermond. Dann erscheint plötzlich eine ganz feine, sichtbare Sichel. Wenn man diese am Abendhimmel zum ersten Mal sehen konnte, war das der Neumond. Das war jedes Mal ein Fest. Der Mondkalender ist allerdings etwas kurz, mit seinen etwa 28 Tagen, sodass sich ein Jahr von 354 Tagen ergibt.
Das biblische, jüdische Jahr ist aber gleichzeitig ein Jahr der Landwirtschaft. Die großen Feste wie das Passafest fallen mit Erntezeiten zusammen. So fällt das Passafest mit dem Erstlingsfest zusammen, das am Tag nach dem Sabbat in dieser Woche gefeiert wird. Dann wird die Gerstenernte eingeholt. Das Pfingstfest, das Fest der Wochen, findet 50 Tage nach dem Erstlingsfest in der Passawoche statt. Dieses Fest, Schawott genannt, ist Pfingsten, Anfang Juni, und markiert den Beginn der Weizenernte. In Israel beginnt die Weizenernte schon Anfang Juni.
Das Laubhüttenfest, das letzte der sieben Feste des Herrn gemäß 3. Mose 23, fällt auf den Herbst, und zwar ausdrücklich auf den fünfzehnten bis sechzehnten Tag, nachdem die Oliven- und Weinernte eingebracht wurde. Diese Feste sind also direkt mit wichtigen landwirtschaftlichen Ereignissen verbunden.
Würde man einen reinen Mondkalender haben, wie ihn die Muslime verwenden, dann würde dieser mit der Zeit durch das ganze Jahr wandern. So fällt der Ramadan einmal in den Winter, was das Fasten erträglicher macht, aber nach einigen Jahren kann er auch in die heißeste Zeit des Sommers fallen. Der Kalender wandert also durch die Jahre.
Im Judentum wurde der Mondkalender ständig an das Sonnenjahr mit 365 Tagen angepasst. So musste Pfingsten immer mit der Weizenernte zusammenfallen; es durfte nicht um zwei Wochen verschoben sein.
Die prophetischen Jahre der Bibel sind Jahre von 360 Tagen. Das ist genau der Mittelwert zwischen Mond- und Sonnenjahr. Wo sieht man das zum Beispiel? Zum Beispiel in Offenbarung 11. Dort heißt es in den Versen 2 und 3: „Und den Hof, der außerhalb des Tempels ist, lass aus und miss ihn nicht, denn er ist den Nationen gegeben worden, und sie werden die heilige Stadt zertreten zweiundvierzig Monate. Und ich werde meinen zwei Zeugen Vollmacht geben, und sie werden 1260 Tage weissagen, mit Sacktuch bekleidet.“
Hier werden zwei Zeitangaben parallel genannt: 42 Monate und 1260 Tage. Wie viele Tage gibt es pro Monat? Dreißig. Und das ergibt ein Jahr von 360 Tagen. Das ist wirklich das lunisolare prophetische Jahr, das genau die Mitte der beiden Kalender im Judentum bildet.
Damit ist klar, dass die sieben und zweiundsechzig Jahrwochen, umgerechnet in Tage, 69 mal 7 mal 360 Tage ergeben, insgesamt 173.880 Tage. Das entspricht genau dem Zeitraum vom 14. März 445 vor Christus bis zum 6. April 32 nach Christus, was nach den Evangelien Palmsonntag war. Das ist phänomenal. Diese Zeitspanne passt also mit solcher Präzision.
So kann man denen entgegentreten, die sagen, man solle mit prophetischen Berechnungen aufhören, da sie sowieso immer falsch waren. Man kann sagen: Nein, das war ein Volltreffer damals, als Jesus Christus kam.
Vielleicht fragt dann jemand: „Könnt ihr uns auch noch sagen, an welchem Tag Jesus Christus wiederkommt?“ Dann kann man antworten: Nein, im Neuen Testament wird ausdrücklich gesagt, dass niemand den Tag kennt. Das heißt, es gibt keine Berechnungsgrundlage.
Interessanterweise sagte Blaise Pascal, der berühmte Mathematiker der Aufklärungszeit und Erfinder einer Rechenmaschine, in seinen Pensées: Es ist bemerkenswert, dass Jesu erstes Kommen noch ein verborgenes Kommen war. Als man Jesus Christus sah, konnte man anhand seines Aussehens nicht sicher sein, dass er der Messias ist. Es war verborgen, und deshalb konnte man rechnen.
Wenn Jesus Christus aber wiederkommt, sagt Matthäus 24, wird er kommen wie der Blitz, der vom Osten ausgeht und bis zum Westen scheint. Dann wird kein Zweifel mehr bestehen, dass er es ist. Dann kann man es nicht berechnen.
Nichtsdestotrotz müssen wir die Zeichen der Zeit erkennen, um zu sehen, dass wir in der Endzeit leben. Gut, hier hören wir auf und setzen beim nächsten Mal an dieser Stelle fort.