
Versuch der Pharisäer, Jesus in eine Falle zu locken
Einführung in den Kontext der Passionswoche und des Dienstes Jesu am Dienstag
Wir stehen in Matthäus 22 und lesen heute ab Vers 15. Es wird gebeten, dass jemand den Abschnitt von Vers 15 bis 22 vorliest. Danach gehen wir Abschnitt für Abschnitt weiter.
Gleich als Vorausbemerkung: Wir befinden uns immer noch am Dienstag, dem Vorkauf-Freitag. In Kapitel 21, ab Vers 1 bis 11, lesen wir von Palmsonntag. Ab Vers 12 bis 19 geht es um den Montag. In den weiteren Versen folgt der Dienstag, der Vorkauf-Freitag. Dieser Abschnitt wird uns noch einige Zeit beschäftigen.
Denn das betrifft nicht nur die Kapitel 21 und 22, sondern auch Kapitel 23, 24 und 25, die alle am Dienstag spielen. Wenn man sich überlegt, dass die Evangelien Lebensberichte des Herrn Jesus sind, der 33 Jahre auf Erden lebte, fällt auf, wie viele Kapitel vom Dienstag handeln.
Ebenso ist bemerkenswert, wie viele Kapitel von der letzten Woche sprechen, der Passionswoche, nämlich von Palmsonntag bis Karfreitag und dann der Auferstehung am ersten Tag der Woche. Diese Passionswoche macht etwa dreißig Prozent der Evangelientexte aus. Das zeigt, wie stark der Heilige Geist den Fokus auf diese Tage legt.
Der Dienstag spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Der Herr Jesus wird an diesem Tag von verschiedenen Gruppen des Judentums angegangen. In harten Diskussionen wird er verwickelt. Es wird an diesem Tag völlig klar, dass die Führerschaft Israels den Messias ablehnt.
Das war ein furchtbarer Tag für den Herrn Jesus. Aber es war auch ein Tag, an dem er all diese Angriffe und Widersprüche der Sünder erduldete. Wie es im Hebräerbrief 12 heißt, hat er den Widerspruch der Sünder gegen sich ertragen. Das dient als Vorbild für uns, damit wir in unseren Seelen nicht ermatten.
Er hat all das erduldet, und wie er darauf reagiert hat – mit seinen Antworten – ist wunderbar. Daraus lernen wir enorm viel, besonders im Umgang mit Menschen, die uns nicht freundlich gesinnt sind.
Die Konfrontationen Jesu mit den jüdischen Führern am Tempel
Wir haben gesehen, dass in Kapitel 21, Vers 23, die führenden Priester und die Ältesten des Volkes auftreten. Diese Personen gehörten zum obersten Gerichtshof des Sanhedrins. Sie griffen den Herrn an, der sich im Tempel befand. Der Hauptsitz des Sanhedrins war in der Südostecke, in der sogenannten Königsäulenhalle.
Ab diesem Punkt kommen sie auf ihn zu und stellen ihm herausfordernde Fragen. Der Herr reagiert darauf, und wir haben in den folgenden Versen gesehen, wie er antwortet. Er benutzt auch Gleichnisse, um die Wahrheit nicht direkt auszusprechen. Seine Feinde können das kaum ertragen, doch er wählt einen feinen, indirekten Weg. So sollen sie zum Nachdenken angeregt werden, bis sie plötzlich erkennen, dass er sie meint.
Diese indirekte Art ist oft ein Weg, um Herzen zu erreichen. Das zeigt, dass der Herr die Herzen der Menschen erreichen will.
In Kapitel 22 haben wir das letzte Mal das Gleichnis vom König betrachtet, der für seinen Sohn eine Hochzeit vorbereitet. In Vers 12 sehen wir, wie der König sich mit einer Person auseinandersetzen muss, die sich unberechtigt eingeschlichen hat. Er spricht zu ihm: „Freund, wie bist du hier hereingekommen, da du kein Hochzeitskleid an hast?“ Es geht auch hier um einen Feind, der durch diese Person symbolisiert wird. Doch wie wird er angesprochen? Mit „Freund“.
Das war die Haltung des Herrn Jesus gegenüber seinen Feinden. Er nennt sie „Freund“. Einige Kapitel später, als Judas mit einer Schar von Soldaten, Tempelpolizisten, Mitgliedern des Sanhedrins und weiteren Leuten kommt, um ihn zu verraten, empfängt der Herr ihn ebenfalls mit den Worten: „Freund, wozu bist du gekommen?“ Das ist beeindruckend!
Diese Haltung entspricht dem, was wir in Lukas 7 lesen. Dort wird berichtet, dass der Herr verschmäht wurde, weil man sagte, er sei ein Freund der Zöllner und Sünder. Ja, genau das ist der Herr.
Darum hat er in seinen Antworten stets die Wahrheit gesagt, aber so formuliert, dass er als Freund der Sünder ihre Herzen erreichen konnte. Nun wollen wir sehen, wie es weitergeht.
Die Falle der Pharisäer und Herodianer: Eine strategische Herausforderung für Jesus
Ab Vers 15 kommt wieder eine Gruppe, in Vers 16 verbunden mit einer weiteren Gruppe, die sich gegen den Herrn richtet.
Darf ich bitten, vorzulesen:
Dann gingen die Pharisäer hin und hielten Rat, wie sie ihn in seiner Rede in eine Falle locken könnten. Sie sandten ihre Jünger zusammen mit den Herodianern zu ihm und sagten: „Lehrer, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst. Du kümmerst dich um niemanden, denn du siehst nicht auf die Person der Menschen. Sage uns nun, was meinst du: Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht?“
Da aber Jesus ihre Bosheit erkannte, sprach er: „Was versucht ihr mich, ihr Heuchler? Zeigt mir die Steuermünze!“ Sie reichten ihm einen Denar, und er fragte sie: „Wessen Bild und Aufschrift ist auf dieser Münze?“ Sie antworteten: „Des Kaisers.“
Da sprach er zu ihnen: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Als sie das hörten, verwunderten sie sich, ließen ihn stehen und gingen weg.
Die Pharisäer: Von einer Erweckungsbewegung zur verkommenen Gesetzesauslegung
Welche Gruppen treten gegen ihn auf? Die Pharisäer sind eine religiöse Gruppierung in Israel mit etwa sechstausend Mitgliedern, darunter auch Sympathisanten. Sie vertreten die Ansicht, dass man das Gesetz ganz genau einhalten muss. Ursprünglich waren sie eine Erweckungsbewegung im zweiten Jahrhundert vor Christus. Damals erkannte man, dass es eine Katastrophe bringt, wenn man sich vom Wort Gottes entfernt – so wie es bei der babylonischen Gefangenschaft der Fall war.
Die Juden wurden damals weggeführt, weil sie das Wort Gottes verworfen und sich dem Götzendienst hingegeben hatten. Die Pharisäer sagten daraufhin: Wir müssen ganz treu beim Wort Gottes bleiben. Sie gingen sogar so weit, dass sie um die Gebote herum einen „Zaun“ errichteten – einen Schutzzaun. Das bedeutet, sie legten die Gebote strenger aus, als sie ursprünglich dastehen.
Dieses Überziehen der Gebote sollte als Schutz dienen. Wenn man schon die Schutzzone nicht übertritt, dann erst recht nicht das eigentliche Gebot. Die Pharisäer trieben das bis zur Spitze und wurden damit aus einer ursprünglichen Erweckungsbewegung eine Bewegung, die zur Zeit des Herrn äußerlich die Gebote befolgte. Dabei handelte es sich nicht nur um biblische Gebote, sondern auch um Menschengebote, die das Wort Gottes überwucherten.
Man kann sagen, dass diese Bewegung aus „Bibel plus“ bestand – also der Bibel plus zusätzlichen menschlichen Geboten.
Die Herodianer: Politische Verbündete der römischen Besatzungsmacht
Aber jetzt sind sie verbunden mit einer anderen Partei, nämlich den Herodianern. Das war eine jüdische Partei, die politisch ausgerichtet war und die hinter der Herodes-Dynastie stand.
Zur Zeit der Geburt Jesu war Herodes der Große Herrscher über Judäa, also über das Land Israel. Er hatte seinen Palast in Jerusalem, genau dort, wo heute das Jaffa-Tor ist. Der Hippikus-Turm ist zum großen Teil noch erhalten und war das Wahrzeichen dieses Palastes. Dort lebte Herodes.
Von seiner Abstammung her war er ein Edomiter, also ein Nachkomme von Esau. Gott hatte in Bezug auf Jakob und Esau gesagt: Der Ältere soll dem Jüngeren dienen. Doch die Verhältnisse wurden auf den Kopf gestellt: Jakob musste Esau dienen. Gott ließ sein Volk damals fallen, weil es sich in einem so tiefen, schrecklichen geistlichen Zustand befand.
Dafür waren die Pharisäer ein Ausdruck, und wir werden gleich noch die Sadduzäer und andere Gruppen sehen. So wurde alles umgedreht: Ein Edomiter herrschte über das Volk Israel.
Als Herodes der Große starb, wurde einer seiner Söhne Nachfolger, wie es in Matthäus 2 beschrieben wird. Doch die Römer sagten schließlich im Jahr 6 nach Christus: Jetzt ist Schluss. Sie schickten die Leute aus der Familie Herodes aus dem Palast. Diese zogen dann in den Palast, der ursprünglich der Makkabäer-Palast war. Dieser befindet sich heute im jüdischen Viertel, dort, wo die Churva-Synagoge steht. Dort sind noch wenige Überreste zu finden.
In diesem Palast konnten sie ihre königliche Abkunft feiern. Der eigentliche Palast wurde jedoch umfunktioniert und diente fortan als Praetorium. Das bedeutet, dass die Römer ab dem Jahr 6 nach Christus Landpfleger einsetzten. Jahre später war Pontius Pilatus einer dieser Landpfleger.
Die Nachkommen von Herodes, von denen es sehr viele gab, mussten das Gebiet ihres Vaters, das ihnen noch verblieb, unter sich aufteilen. Judäa wurde ihnen weggenommen. Dennoch hatte diese Familie weiterhin große Macht und Bedeutung.
Es gab Juden, die hinter dieser Herodes-Familie standen, weil es dort Vermischungen gab. Zum Beispiel hatte Herodes der Große, der Kindermörder von Bethlehem, zehn Frauen. Unter ihnen war Mariamne, das ist das Gleiche wie Miriam, so heißt meine Frau. Sie stammte aus makkabäischem Geschlecht, also aus einer sehr vornehmen und bedeutungsvollen jüdischen Familie.
Die Nachkommen aus dieser Ehe wurden als Juden gerechnet. Damit war das Problem, dass Esau über Jakob herrschte, nicht mehr so eindeutig. Nun war die Herrschaft auch noch jüdisch untermauert.
Deshalb hatten die Herodianer Argumente, um zu sagen: Wir stehen zu dieser Familie. Das ist nicht einfach irgendeine Familie, sondern hier sind ganz bedeutende Leute aus der jüdischen Oberschicht vermischt. Und diese standen hinter der Dynastie.
Man muss sich im Klaren sein: Die Herodianer waren eng mit der Besatzungsmacht Rom verbunden. Sie kamen nur durch deren Macht an die Herrschaft.
Im Jahr 37 v. Chr. ernannte der römische Senat Herodes zum König der Juden. So wurde er König, ernannt vom römischen Senat.
Das stand natürlich im starken Gegensatz zu den Weisen aus dem Morgenland, die aus Persien kamen. In Matthäus 2 wird beschrieben, wie sie im Palast von Herodes zu Besuch waren und fragten: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?
Herodes konnte nur ungläubig antworten: Einer ist als König der Juden geboren? Ich wurde vom römischen Senat zum König der Juden ernannt. Ein Titel, der im Alten Testament sonst nicht vorkommt.
Das war eine große Herausforderung für ihn. Deshalb reagierte Herodes mit dem Kindermord in Bethlehem so massiv.
Diese Familie war also sehr speziell. Als es zu dieser Vermischung kam, tötete Herodes die Mariamne, weil er fürchtete, sie könnte seine Macht gefährden.
Er scheute auch nicht davor zurück, seine eigenen Söhne zu töten, wenn einer ihm gefährlich erschien.
So sehen wir, dass die Herodes-Familie eng mit Rom verbunden war, mit der Besatzungsmacht.
Die Allianz der Feinde Jesu und ihre Hintergedanken
Die Pharisäer waren völlig dagegen. Sie sagten, wir müssen uns strikt an die Bibel halten und sie strenger auslegen, als sie gemeint ist. Natürlich konnten sie nicht akzeptieren, dass ein fremdes Volk über das auserwählte Volk herrschte. Sie waren also ganz und gar gegen die Fremdherrschaft der Römer.
Umso erstaunlicher ist es, dass sie sich nun zusammenschlossen. Ganz nach dem Sprichwort: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. So haben sie sich verbündet.
Matthäus erklärt, dass ihre Frage nicht ehrlich gemeint war. Sie hatten sich vorher beraten und strategisch überlegt, wie sie vorgehen sollten. Ihr Ziel war es, diesen Mann aus Nazaret, den viele für den Messias hielten, zu töten. Sie wollten nicht akzeptieren, dass er der Messias ist. Deshalb hielten sie Rat, wie sie ihn mit seinen eigenen Worten in eine Falle locken könnten.
Doch damit erfüllten sie das Alte Testament. Gerade in den Psalmen gibt es viele Abschnitte, die messianische Prophezeiungen enthalten. Schlagen wir zum Beispiel Psalm 31 auf.
Dieser Psalm weist prophetisch auf den Messias, Jesus, hin. Das sieht man besonders schön in Vers 6. Liest bitte jemand vor.
Messianische Prophezeiungen im Psalm 31 und ihre Erfüllung in Jesus
In deine Hand befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, Herr, du Gott der Wahrheit. In deine Hand befehle ich meinen Geist. Dies ist eines der sieben Worte des Erlösers am Kreuz.
Nun wird in diesem Psalm weiter darauf hingewiesen, und zwar im Vers davor. Dort hören wir den Herrn Jesus beten. Sieh bitte Vers fünf dazu: „Zieh mich aus dem Netz, das sie mir heimlich gelegt haben, denn du bist meine Stärke.“
Man hat ihm heimlich ein Netz gelegt. Sie hielten Rat, wie sie ihn in der Rede fangen könnten.
Ein weiterer messianischer Psalm ist Psalm 35. Dort wird unter anderem der Prozess vom Freitag vorausgesagt. Lies bitte den Vers elf: „Ungerechte Zeugen treten auf, was ich nicht weiß, fragen sie mich. Sie vergelten mir Böses für Gutes, verwaist ist meine Seele.“
Wir wissen aus Matthäus 27 zum Beispiel, dass man extra falsche Zeugen bei dem Prozess am Karfreitag einsetzte. Der Herr sagt: „Was ich nicht weiß, fragen sie mich.“
In den Evangelien lesen wir, wie man dem Herrn das Gesicht verhüllte und ihm ins Gesicht schlug. Dabei sagten sie: „Weissage, wer war es, der dich schlug?“
Der Herr Jesus wurde ein wirklicher Mensch. Er, der Allwissende, Gott, wurde ein wirklicher Mensch, der sich bewusst in die Beschränkung gab, sodass er als Mensch Dinge nicht wusste, die er als Gott wusste.
Darum sagt zum Beispiel Markus 13: „Am Tag, an dem der Sohn des Menschen kommen wird, weiß nur der Vater, auch nicht der Sohn, der Sohn des Menschen.“ Als Mensch hat er sich bewusst in diese Beschränkung begeben. Wenn es nötig war, ist er aus dieser Beschränkung herausgekommen und wusste ganz genau, was die Leute über ihn denken.
Das ist das Wunder seiner Gottheit und Menschheit in einem. Dennoch wurde sein Gesicht verhüllt. Dann sagt der Herr: „Was ich nicht weiß, fragen sie mich.“ Sie wollten ihn quasi testen. Wenn er der Messias ist, müsste er ja alles wissen.
Und dann: „Sie vergelten mir Böses für Gutes“ – all das, was der Herr an Gutem in seinem wunderbaren Leben erwiesen hat.
Weitere messianische Psalmen und die Leiden Jesu
Und nun geht es nicht um diesen Vers, sondern um Vers sieben: „Denn ohne Ursache haben sie mir ihr Netz heimlich gelegt und der Ursache meiner Seele eine Grube gegraben.“
Ja, es gab keinen Grund, aber sie haben ihm ein Netz gelegt. Es gab keinen Grund, sie haben seiner Seele eine Grube gegraben, in der Hoffnung, er würde hineinfallen.
Dann finden wir in Psalm 38 wieder einen messianischen Psalm, in dem der Herr Jesus als Sündenträger beschrieben wird. Er trägt die fremde Schuld am Kreuz und wird von Gott geschlagen. Dort wird beschrieben, dass er die Krankheit unserer Sünde, die Sündenkrankheit, auf sich genommen hat. Unsere Schuld, mit der er sich eins macht, macht er zu seiner eigenen Schuld.
In diesem Psalm kannst du lesen, in Vers 11 und den folgenden: „Mein Herz bricht, verlassen hat mich meine Kraft, und das Licht meiner Augen ist auch nicht bei mir. Meine Lieben und meine Genossen stehen fernab von meiner Plage, und meine Verwandten stehen von fern.“
Das hat sich ja am Kreuz erfüllt, als seine Verwandten und Freunde so weit abseits standen.
Doch dann sagt der Herr im nächsten Vers noch etwas über seine Feinde: „Und die, die nach meinem Leben trachten, legen mir Schlingen, und die, die mein Unglück suchen, reden von Schadentun und sinnen auf Trug den ganzen Tag.“
Das ist genau das, was wir jetzt in Matthäus 22 sehen, was hier beschrieben ist: Diese Schlingen, sein Unglück suchen und sie reden darüber, wie sie ihm schaden können. Sie sinnen darüber nach.
Im nächsten Vers heißt es: „Ich aber, wie ein Tauber, höre nicht, und bin wie ein Stummer, der seinen Mund nicht öffnet.“ Und in Vers 15: „Und ich bin wie ein Mann, der nicht hört, in dessen Mund keine Gegenrede ist.“
Das war auch so in diesem nächtlichen Prozess vom Donnerstag auf Freitag, in unserer Zeitrechnung. Er war in den Privathäusern des Hohenpriesters Annas und bei Kajafas, und erst am Morgen, als die Sonne aufging, vor dem Sanhedrin im Tempel, reagierte der Herr nicht mehr auf die Argumente. Er war wie ein Tauber und wie ein Stummer, der seinen Mund nicht öffnet. Er war wie ein Mann, in dessen Mund keine Gegenrede ist.
Aber an diesem Dienstag ist das noch ganz anders. Auf alle Argumente geht er ein, sogar wenn sie hinterhältig sind. Das ist für mich auch etwas Wichtiges. Manchmal bekommt man den Rat, wenn man merkt, jemand fragt hinterhältig, müsse man gar nicht antworten. Aber das kann man nicht grundsätzlich sagen. Wir sehen, dass der Herr sogar auf hinterhältige Argumente eingegangen ist – am Dienstag, aber nicht mehr am Freitag. Dort war es vorbei.
Also war das noch wirklich Gnadenzeit, in der der Herr diesen Feinden gegenübertritt und sie als Leute betrachtet, die er ansprechen möchte wie Freunde. Darum spricht er noch, aber am Freitag spricht er nicht mehr.
Das ist auch wichtig für uns. Es gibt manchmal Leute, die sagen, wenn man öffentlich und ganz massiv verleumderisch angegriffen wird, solle man einfach nicht reagieren und nichts sagen. Das kann man nicht grundsätzlich so sagen. Es kommt darauf an. Es gibt wirklich Situationen, in denen man nichts sagen muss, und Situationen, in denen man etwas sagen muss – sogar solche, in denen man mehr Schaden anrichten würde, wenn man schweigt.
Man muss also wissen, wann man reagieren muss und wann nicht. Aber das ist ja immer so im Leben.
Praktische Lebensweisheit: Wann reden, wann schweigen?
Einmal hat Abraham auf seine Frau Sarah gehört, und das war falsch – in 1. Mose 16 wird davon berichtet. Er nahm sich Hagar als Zweitfrau, und das war vollkommen falsch. Später jedoch sagt Gott zu Abraham: „Höre auf die Stimme deiner Frau Sarah.“ Da musste er hören.
Als Ehemann muss man wissen, wann man auf die Ehefrau hören soll und wann nicht. Das ist sehr schwierig. Auch in solchen Situationen ist es oft unklar, wann man etwas sagen und wann man schweigen soll. Doch all das lernen wir vom Herrn. Wir werden noch weitere Gründe sehen, warum er an manchen Stellen sprach und an anderen nicht. Wir lernen von ihm. In diesem Sinne wollen wir das auch gemeinsam studieren – nicht nur deshalb, sondern auch wegen vieler weiterer Gründe, die wir noch sehen werden. Das hilft uns ganz konkret.
Nun sehen wir also, wie sich diese Feinde hinterhältig zusammentun. Wie sprechen sie den Herrn an? In meiner Bibel steht „Lehrer“, aber das hebräische Wort „Rabbi“ wurde verwendet, um „Lehrer“ zu sagen. Es ist möglich, dass sie „Rabbi“ sagten, denn es bedeutet einen rabbinischen Lehrer, also jemanden, der die Bibel kompetent auslegen kann. So sprechen sie ihn an – mit einem Würdetitel. Doch in Wirklichkeit wollen sie ihn in die Falle locken.
Dann tragen wir vier weitere Lobreden zusammen:
Erstens: „Den Weg der Wahrheit Gottes.“ Oder: den Weg Gottes in Wahrheit. Das ist, würde ich sagen, schon Punkt zwei. Ja, du bist wahrhaftig. Was heißt das? Ehrlich? Gerecht? Er sagt genau das, was richtig ist, und legt die Bibel richtig aus. Das ist das erste Lob: wahrhaftig.
Zweitens: Er selber ist wahrhaftig, also in seinem Wesen.
Drittens: „Und du lehrst den Weg Gottes in Wahrheit.“ Er lehrt also die Zusammenhänge der Bibel, das Handeln Gottes in der Heilsgeschichte, und das auf richtige Art und Weise.
Viertens: „Nimmst du keine Rücksicht?“ Das würde heißen „rücksichtslos“. Hat jemand noch eine andere Übersetzung? Ja, „keine Ansehe der Person“. Das ist aber schon das vierte Lob. Die alte Elberfelder übersetzt: „Und dich um niemanden kümmerst.“ Die CSV erklärt das sehr gut in der Fußnote: „Dich nicht um die Meinung der Leute kümmerst.“ Das ist etwas ganz Entscheidendes.
Es gibt so viele Verkündiger des Wortes Gottes, die sich fragen, was die Leute hören wollen und was nicht. Das beeinflusst, dass sie über gewisse Themen nicht sprechen oder Dinge so weitergeben, dass es den Leuten passt. In 2. Timotheus 4 wird gesagt, dass das in der Endzeit ein besonderes Problem sein wird – also in unserer Zeit. Die Endzeit ist die Zeit, wenn das Volk Israel aus aller Welt heimkehrt, ins Land der Väter, und den Staat wieder gründet. Wir sind in der Endzeit.
Wie lehren dann viele? Wie? Sie finden den Zuhörern in den Ohren. 2. Timotheus 4, Vers 3 sagt: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehre aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt, und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und sich zu den Fabeln hinwenden.“
„Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst.“ Also Fabeln – das bedeutet „Mythen“, religiöse Phantastereien, ganz im Stil zum Beispiel von Narnia oder Herr der Ringe. Hier sagt der Apostel, dass sie sich leer aufhäufen, indem es ihnen in den Ohren kitzelt.
Der Herr Jesus hat sich nicht um die Meinung der Leute gekümmert. Wenn man Kinder aufzieht, erlebt man, dass Kinder von gläubigen Eltern manchmal sehr in Bedrängnis kommen, gerade in der Schule. Sie stehen in einem Spannungsfeld zwischen Elternhaus, Schule und Umfeld. Dann kann es sein, dass sie sich fragen: Soll ich mich nach dem Lebensstil meiner Eltern richten oder nach dem meiner Kollegen? Sie sind dann sehr befangen.
Wir hatten besonders eine Tochter, der war das so etwas von egal, was die anderen dachten. Wirklich ein Geschenk. In der gleichen Familie war eine andere sehr befangen, die sich sehr um die Meinung anderer sorgte. Die eine war völlig egal, hat das vertreten, was sie überzeugt hat, und ist dafür eingestanden. Und es ging gut. Bei ihr haben wir nicht gesehen, dass sie sehr gelitten hat. Andere, die Mühe hatten in diesem Spannungsfeld, haben gelitten. Aber dieses Kind hatte einfach keine Mühe, es war ihr egal.
Das ist genau das, was der Herr gemacht hat. Er hat nicht darauf Rücksicht genommen, was andere denken. Er hat einfach die Wahrheit verkündet.
Das hängt zusammen mit dem vierten Lob, das auch schon genannt wurde: Er sieht die Person des Menschen nicht an. Das ist das Problem für uns Menschen. Man läuft stark in die Gefahr, bei jemandem mit sozial hoher Stellung milder zu sein, und bei jemandem, der sich als „Nobody“ fühlt, anders zu handeln.
Das Gesetz Mose warnt in 5. Mose 1 und vielen anderen Stellen davor, die Person nicht anzusehen. Das heißt, man darf die Gerechtigkeit nicht beugen. Wenn jemand angesehen ist, gelten plötzlich andere Maßstäbe als bei jemandem ohne besondere Stellung. Davor wird gewarnt.
Beim Herrn Jesus war das perfekt. Er hat nicht darauf geschaut. Ich erinnere mich an ein praktisches Beispiel: Am Sonntagmorgen kam jemand ganz neu in die Gemeinde und wollte gleich am Abendmahl teilnehmen. Als Gemeinde haben wir den Auftrag zu prüfen. Wenn jemand unbekannt ist, möchten wir zuerst ein Gespräch führen, um zu wissen, wie die Bekehrung ausgesehen hat und wie der Glaube dieser Person im Alltag steht – nicht nur am Sonntag, sondern auch am Montag oder Samstag. Welche Lehrerüberzeugungen sind da?
Nun, dieser Mann war jemand, dessen Verwandtschaft ich kannte. Er war wirklich ganz oben in der Schweizer Armee. Er kam und wollte gerne am Abendmahl teilnehmen. Was tun? Man darf nicht einfach sagen: „Nein, wir möchten zuerst ein Gespräch führen.“ Wenn jemand kommt, den niemand kennt, gilt das als Grundsatz. Ich musste ihm sagen, dass er nicht einfach so teilnehmen kann. Das hat er nicht gut aufgenommen. Schließlich war er eine Toppersönlichkeit in der Schweiz. Aber das ist ein wichtiger Grundsatz.
Vielleicht dazu noch eine neutestamentliche Stelle, die das unterstreicht: 1. Timotheus 5. Dort geht es im Zusammenhang um Älteste, aber der Grundsatz gilt allgemein. 1. Timotheus 5,19 sagt: „Gegen einen Ältesten nimm keine Klage an, außer bei zwei oder drei Zeugen. Die Sündigen überführe vor allen, damit auch die übrigen Furcht haben.“
Weiter heißt es: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln, dass du diese Dinge ohne Vorurteil beachtest, indem du nichts nach Gunst tust.“ Erstens werden Älteste geschützt. Es geht nicht, dass jemand einfach so Behauptungen aufstellt. Wenn etwas da ist, muss es mit Zeugen belegt werden. Das ist ein Schutz.
Aber dann gilt das Prinzip für alle Gläubigen: Die Sündigen sollen öffentlich überführt werden – so, wie Paulus Petrus im Galaterbrief öffentlich überführt hat (Galater 2). Dann sagt der Apostel: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln.“ Merkt man das? Timotheus wird in die Gegenwart Gottes gestellt – des Vaters, des Messias Jesus und der auserwählten Engel.
Diese Engel beobachten die Gemeinde und haben Interesse daran, wie es bei den Erlösten aussieht. Wir hatten ein Problem mit Autorität, das zum Sündenfall in der Engelwelt führte. Wie sieht es bei den Erlösten der Gemeinde aus? Vor Gott und den auserwählten Engeln soll Timotheus „diese Dinge ohne Vorurteil“ beobachten und „nichts nach Gunst“ tun.
Das heißt: Nicht bei Verwandten milder sein und bei anderen strenger, oder umgekehrt. Es gibt beides, aber hier wird ernstlich gesagt, dass man ohne Vorurteil handeln soll.
Hiobs jüngster Freund Elihu war sich sehr bewusst, wie wichtig diese absolute Gerechtigkeit ist, die sich nicht bestechen lässt – weder durch Freundschaft, Beziehung, Verwandtschaft noch durch eine versteckte Feindschaft im Herzen. Letztere bewirkt oft, dass man plötzlich ganz andere Maßstäbe anlegt, oft viel strengere, um „endlich eins auszuwischen“.
Schauen wir in Hiob 32, Vers 21-22. Elihu stand zwischen den drei Freunden Hiobs und Hiob selbst. Die drei Freunde waren zu Feinden Hiobs geworden, und Hiob hatte sich gewehrt. Elihu sagt: „Dass ich nur ja für niemand Partei nehme, und keinen Menschen werde ich schmeicheln; denn ich weiß nicht zu schmeicheln. Sehr bald würde mein Schöpfer mich wegnehmen.“
Er sagt ganz klar, dass er sich bewusst ist, dass Gott das Recht hat einzugreifen, wenn er parteiisch wird. Gott könnte sein Leben verkürzen. Das geschieht aus Gottesfurcht. Elihu hat seinen Schöpfer und dessen Heiligkeit vor Augen.
Der Herr Jesus wird also gelobt, aber es ist alles verlogen. Trotzdem ist jede Aussage hundertprozentig richtig. So war er wahrhaftig, lehrte den Weg Gottes in Wahrheit, kümmerte sich nicht um gegnerische Meinungen – das beeinflusste nicht, was er sagte oder nicht sagte – und war absolut gerecht, ohne parteiisch zu sein.
Übrigens, ein praktischer Tipp beim Bibellesen: Ich arbeite sehr stark mit Stiften, Kugelschreibern und Farbstiften und versuche, das Textbild der Bibel plastisch zu machen. Ich habe eine Art fotografisches Gedächtnis, und so trägt sich mir die ganze Seite der Bibel als Bild ein. Darum hasse ich meine Handybibel, die ich nur im Notfall benutze. Die Handybibel zeigt nur einen kleinen Ausschnitt. Ich möchte den Zusammenhang sehen.
Es gibt nichts Besseres als eine gedruckte Bibel, die man berühren und blättern kann und in der man markieren kann. Auf dem Computer geht das auch, aber es ist nicht dasselbe.
Der lange Rede kurzer Sinn: Ich strukturiere den Text. Ich markiere nicht zu viel, sondern konzentriere mich auf die vier Punkte. Ich markiere den Namen Gottes, wie alle Namen Gottes, in meinem Fall orange. So sieht man ihn sofort. Zum Beispiel Vers 24a: „Eine andere Gruppe kam und sprach: ‚Lehrer, Mose hat gesagt...‘“ – das markiere ich.
Wir wissen, dass du wahrhaftig bist, das „W“ streiche ich rot an. Dann „und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst“ – nur das „W“ markiere ich. Und „dich um niemand kümmerst“ – nur das „N“. Denn „du siehst nicht auf die Person“ – nur das „P“. So sehe ich sofort vier Punkte. Wenn ich dann frage: „Was sind die vier Punkte?“ kann jemand sagen: „Punkt zwei?“ Nein, das ist nicht Punkt eins. So hilft das wirklich. Auch im Gehirn wird der Text strukturiert, und man prägt sich das besser ein.
Das sind praktische Tipps und Hinweise.
Jetzt kommt die Frage aus Vers 17: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu geben oder nicht?“ Das war so ausgeklügelt, dass die Herodianer der Meinung waren: Natürlich müssen alle Juden dem Kaiser Steuern bezahlen, denn schließlich hat die Besatzungsmacht der Herodesfamilie die Macht gegeben.
Die Pharisäer sagten: Das geht gar nicht, dass eine fremde Macht über das Volk Gottes regiert. Damit lagen sie falsch. Ab der babylonischen Gefangenschaft erklärt Daniel in Daniel 2, dass der Gott des Himmels die Macht, die Weltherrschaft vom Haus Davids weggenommen und den Heidenvölkern gegeben hat – zuerst Babylon, dann Medo-Persien, dann Griechenland, dann Rom, wie die Offenbarung zeigt, in drei Phasen bis in die Endzeit.
Das heißt: Gott hat den Heidenmächten die Autorität gegeben, auch über Israel zu verfügen. Das war ein Gericht Gottes. Die Pharisäer haben das nicht angenommen. Sie haben den Weg Gottes nicht klar erkannt. Sie lehnten ab, dass wir unter Fremdherrschaft kamen. Sie sagten: „Nein, die haben kein Recht über uns zu regieren. Es wird sich alles ändern, wenn der Messias kommt.“
Die beiden Gruppen tun sich zusammen, und das auf dem Tempelplatz. Wir müssen den Tempelplatz von oben betrachten: In der Südostecke war der Sitz des Sanhedrins, des obersten Gerichtshofs von Israel, stark von den Pharisäern beherrscht. Es gab auch Sadduzäer, aber die Mehrheit waren Pharisäer.
In der Nordwestecke war die römische Burg Antonia, wo die Besatzungsmacht in Jerusalem untergebracht war – 600 römische Legionäre unter der Leitung des Chiliachen, des Oberbefehlshabers, eines Offiziers mit Autorität über mehr als tausend Mann.
Wenn man die Diagonale über den Tempelplatz zieht, sieht man dieses Spannungsfeld zwischen jüdischer und römischer Herrschaft. Nun kommen die Herodianer und die Pharisäer und fragen: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu geben?“
Der Herr schweigt nicht, wie er es am Freitag tun wird, sondern antwortet. Er erkennt ihre Bosheit. Er weiß genau, was die Motivation ist, und trotzdem antwortet er.
Vers 18: „Da aber Jesus ihre Bosheit erkannte, sprach er: ‚Was versucht ihr mich, ihr Heuchler?‘“ Das ist eine Gegenfrage. Ich habe in einer hebräischen Grammatik gelernt, dass Gegenfragen unanständig sind, weil sie eine jüdische Untugend sind – sie gelten als unhöflich. Einmal wurde ein Jude gefragt: „Warum stellst du immer Gegenfragen?“ Er antwortete: „Warum nicht?“
Aber hier, im Matthäusevangelium, sehen wir oft, dass der Herr Gegenfragen stellt. Das ist nötig, um das Gewissen zu treffen. Sie wissen genau, dass alles verlogen ist, und er bringt es ans Licht. Er durchschaut es.
Er sagt: „Was versucht ihr mich, ihr Heuchler?“ Dann fordert er sie auf: „Zeigt mir die Steuermünze.“ Der Denarwerker zeigt die Münze. Jesus stellt ihnen nochmals eine Frage, fragt nicht einfach: „Seht ihr da den Kaiser?“, sondern fordert sie auf, selbst zu denken. Das ist wichtig, um die Leute zum eigenen Nachdenken zu bringen. Es braucht mehr Zeit, aber so geht es tiefer.
Sie antworten: „Der Kaiser.“ Dann sagt Jesus: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Das zerschlägt ihre Falle. Sie hätten nie damit gerechnet. Sie dachten, das sei der Hammer. Hätte er gesagt: „Nein, keine Steuern geben“, wäre er als Gesetzesübertreter erwischt worden, hätte man ihn als Aufrührer gegen die römische Staatsmacht gebrandmarkt. Für die Pharisäer wäre das grundsätzlich falsch gewesen, denn die Römer haben nichts zu sagen. Das Volk Gottes ist das Volk Gottes.
Die Herodianer hätten das genutzt und gesagt: „Das müssen wir Rom melden, das ist ein Aufrührer, der Widerstand gegen die Regierung lehrt.“ Hätte er gesagt: „Ja, gebt dem Kaiser die Steuer“, wären die Pharisäer aufgestanden und hätten gesagt: „Seht ihr, das ist ein Verräter des Volkes Gottes.“
Sie waren sich so sicher, mit dieser Fangfrage hätten sie ihn. Das Ziel schien erreicht. Er kann so oder so antworten, und wenn er schweigt, hätte er sich auch verraten. Doch der Herr antwortet: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Das ist der Grundsatz, der für 2000 Jahre Kirchengeschichte wichtig sein sollte: Die Gemeinde als Volk, das sein Bürgertum im Himmel hat (Philipper 3,20), das einen Auftrag in dieser Welt hat, sich als Fremdling und Beisasse sieht (1. Petrus 2), und den Auftrag hat, der Obrigkeit Gehorsam zu leisten (Römer 13, 1. Petrus 2,11).
Wie kommt man damit zurecht? Indem man sieht, was dem Kaiser, dem Staat, und was Gott gehört. Das ist die Lösung in all diesen Fragen.
Wir waren in den letzten zwei Jahren stark konfrontiert damit, dass Christen plötzlich Römer 13 anders ausgelegt haben. Unglaublich! Früher war es klar, was es bedeutet, und plötzlich sagt einer, es bedeutet etwas ganz anderes. Aber der Grundsatz bleibt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Sie wundern sich über die Weisheit des Herrn, doch dann lassen sie ihn gehen.
Aber es ist nicht fertig an diesem Dienstag. Es gibt eine Parallele in Johannes 8, wo Jesus von den Pharisäern versucht wurde, indem sie ihm eine Ehebrecherin brachten und ihn bei einer Fehlbeurteilung erwischen wollten. Johannes 8 ist auch ganz auf der Linie der Angriffsstrategie wie hier mit der Frage nach der Steuer.
Jesus schreibt in den Sand, und das ist eine Parallele. Genau, das war im Zusammenhang mit Jeremia 17. Aber auch dort hat der Herr eine wunderbare Antwort gegeben, etwas anders als hier. Daraus lernen wir von der Weisheit des Herrn Jesus, wie er mit solchen Situationen umgeht.
Er hatte kein festes Schema, wie man immer antwortet. In jedem Fall, wenn jemand so fragt, muss man angemessen antworten. Das zeigt uns, wie wir wissen, wann wir so und wann wir anders reagieren sollen.
Das zeigt uns, dass wir eine persönliche, tägliche Verbindung mit dem Herrn brauchen und das Wort regelmäßig lesen müssen. Dann formt uns der Herr und führt uns durch seinen Geist, wie es Römer 8 sagt: „Die durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes.“ Gewohnheitsmäßig geleitet zu werden – so möchte der Herr uns führen und uns Weisheit im Moment geben.
Es ist jetzt vier Uhr. Wir machen 20 Minuten Pause und fahren dann weiter.
Praktische Tipps zum Bibelstudium und Textstrukturierung
Übrigens, ich habe einen praktischen Tipp zum Bibellesen: Ich arbeite sehr stark mit Stiften, verschiedenen Kugelschreibern und Farbstiften. Dabei versuche ich, das Textbild der Bibel so plastisch wie möglich zu gestalten.
Ich habe eine Art fotografisches Gedächtnis, und so prägt sich mir die ganze Seite der Bibel wie ein Bild ein. Deshalb mag ich meine Handybibel nicht besonders. Sie ist nur für den Notfall gedacht. Bei der Handybibel sieht man nur einen kleinen Ausschnitt des Textes. Nein, ich möchte den Zusammenhang sehen. Es gibt nichts Besseres als eine gedruckte Bibel, die man berühren und durchblättern kann. Dort kann man auch schön markieren. Das kann man zwar auch am Computer, aber es ist nicht dasselbe.
Der langen Rede kurzer Sinn: Ich strukturiere den Text beim Lesen. Dabei markiere ich nicht zu viel. Zum Beispiel streiche ich alle Namen Gottes an, wie alle Namen Gottes, in meinem Fall orange. Ich übermale sie, so sind sie sofort sichtbar. Die Namen Gottes sind zum Beispiel in Vers 24a.
Dann gibt es eine andere Gruppe von Worten, wie „sie sprach“, „sie sprachen“, „Lehrer“, „Mose hat gesagt“. Diese markiere ich ebenfalls.
Ein Beispiel: „Wir wissen, dass du wahrhaftig bist.“ Nur das „w“ streiche ich rot an. Ebenso bei „und den Weg Gottes in Wahrheit lehrst“ – nur das „W“ markiere ich. Bei „und dich um niemand kümmerst“ markiere ich nur das „N“, und bei „den Menschen“ nur das „P“, weil du nicht auf die Person siehst.
So sehe ich sofort vier Punkte im Text. Wenn ich dann frage: „Was sind die vier Punkte?“, sagt jemand vielleicht „Punkt zwei“, aber das ist nicht Punkt eins. So funktioniert das. Das hilft wirklich, denn auch im Gehirn wird der Text dadurch strukturiert, und man prägt sich den Inhalt besser ein.
Das sind einfach praktische Tipps und Hinweise zum besseren Bibellesen.
Die Fangfrage nach der Steuerzahlung und die politische Situation
Und jetzt kommt die Frage: Sag uns nun, Vers 17, was meinst du, ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu geben oder nicht?
Das war so ausgeklügelt, dass… Nicht wahr, die Herodianer waren der Meinung, natürlich müssen alle Juden dem Kaiser Steuern bezahlen, denn schließlich ist die Besatzungsmacht diejenige, die auch der Herodesfamilie die Macht gegeben hat. Die Pharisäer hingegen sagten, das gehe gar nicht, dass eine fremde Macht über das Volk Gottes regiert.
Damit lagen sie allerdings falsch. Denn ab der babylonischen Gefangenschaft erklärt Daniel in Kapitel 2, dass der Gott des Himmels die Macht, die Weltherrschaft vom Haus Davids weggenommen und den Heidenvölkern gegeben hat. Zuerst Babylon, dann Medo-Persien, dann Griechenland, dann Rom – wie die Offenbarung in drei Phasen bis in die Endzeit beschreibt.
Das heißt also, Gott hat den Heidenmächten die Autorität gegeben, auch über Israel zu verfügen. Das war ein Gericht Gottes. Die Pharisäer haben das aber nicht angenommen. Sie haben den Weg Gottes nicht klar erkannt und gelesen. Jawohl, das war ein Gericht Gottes ab der babylonischen Gefangenschaft, dass wir unter Fremdherrschaft kamen. Es wird sich alles ändern, wenn dann der Messias kommt. Nein, die fremde Macht habe kein Recht, über uns zu herrschen.
So tun sich die beiden Gruppen zusammen, und das auf dem Tempelplatz. Jetzt müssen wir den Tempelplatz von oben herab anschauen. In der Südostecke war der Sitz des Sanhedrins, des obersten Gerichtshofs von Israel, stark von den Pharisäern beherrscht. Es gab auch Sadduzäer, aber die Mehrzahl waren Pharisäer.
Und dann, in der Nordwestecke – was war dort? Ja, ich habe es gerade gehört: die römische Burg Antonia, wo die Besatzungsmacht für Jerusalem untergebracht war. Dort waren 600 römische Legionäre unter der Leitung des Chiliachen, also des Oberbefehlshabers, einem Offizier, der eigentlich Autorität über tausend Soldaten hat.
Wenn wir die Diagonale über den Tempelplatz ziehen, haben wir dieses Spannungsfeld: jüdische Herrschaft, römische Herrschaft. Und jetzt kommen die Herodianer und die Pharisäer zum Tempelplatz und fragen: Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu geben?
Der Herr schweigt nicht, wie er es am Karfreitag tun wird, sondern er antwortet. Dabei erkennt er ihre Bosheit. Er weiß also genau, was ihre Motivation ist, und trotzdem antwortet er.
Vers 18 sagt: „Da aber Jesus ihre Bosheit erkannte, sprach er: Was versucht ihr mich, ihr Heuchler?“ Das ist eine Gegenfrage.
Ich habe mal in einer hebräischen Grammatik gelernt, dass es unanständig sei, Gegenfragen zu stellen, weil das eine jüdische Untugend ist – immer Gegenfragen zu stellen, gilt oft als unhöflich. Man hat einmal einen Juden gefragt: „Warum stellt ihr immer Gegenfragen?“ Er antwortete: „Warum nicht?“
Aber eben, manchmal – und das haben wir schon mehrfach im Matthäusevangelium gesehen – stellt der Herr eine Gegenfrage. Das ist hier nötig, nämlich um ihr Gewissen zu treffen. Sie wissen genau, dass alles verlogen war, und er bringt es ans Licht. Er weiß es, er durchschaut es.
„Was versucht ihr mich, ihr Heuchler?“ Und dann kommt der Befehl: „Zeigt mir die Steuermünze!“ Der Denar zeigt, er stellt ihnen nochmals eine Frage. Er sagt nicht einfach: „Seht ihr da den Kaiser?“ Sie geben eine Antwort: „Der Kaiser.“ Warum stellt er die Frage? Weil sie selbst denken müssen. Es ist ganz wichtig, dass man die Leute immer wieder zum Selberdenken in der Diskussion hinführt. Es braucht zwar etwas mehr Zeit, aber dann geht es noch tiefer.
Der Kaiser. Und dann kommt dieser Satz: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Die Weisheit Jesu und die Bedeutung für die Kirchengeschichte
Die haben nie damit gerechnet. Sie dachten, das ist wirklich der Hammer, wenn er nämlich sagt: „Nein, keine Steuern geben.“ Was wäre passiert? Man hätte ihn zu Recht als Gesetzesübertreter erwischt, ihn flagranti. Dann hätte man ihn als Aufrührer gegen die Staatsmacht Rom verschreien können.
Für die Pharisäer wäre das im Grundsatz nicht recht gewesen, denn sie meinten, die Römer haben gar nichts zu sagen. Diese Regierung hat uns nichts zu sagen, das Volk Gottes ist das Volk Gottes. Aber die Herodianer sagten: „Ja, da haben wir es! Das müssen wir Rom melden, das ist ein Aufrührer, einer, der Widerstand gegen die Regierung lehrt.“
Hätte er gesagt: „Ja, gebt dem Kaiser die Steuer“, dann wären die Pharisäer aufgestanden und hätten gesagt: „Seht ihr, das ist ein Verräter des Volkes Gottes.“ Sie waren sich so sicher, dass sie ihn mit dieser Fangfrage erwischt hätten. Das Ziel schien erreicht. Er konnte so oder so antworten. Und wenn er geschwiegen hätte, dann hätte er sich auch verraten, hätten sie gedacht.
Doch der Herr sagt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Das ist der Grundsatz, der dann auch für 2000 Jahre Kirchengeschichte so wichtig werden sollte. Die Gemeinde ist ein Volk, das sein Bürgertum im Himmel hat (Philipper 3,20). Sie hat den Auftrag, sich in dieser Welt als Fremdling zu sehen – Fremdling und Beisasse, wie es der erste Petrusbrief sehr schön ausführt (1. Petrus 2).
Gleichzeitig hat sie den Auftrag, der Obrigkeit, unter der sie steht, Gehorsam zu leisten (Römer 13; 1. Petrus 2,11). Wie kommt man da zurecht? Indem man erkennt, was dem Kaiser, dem Staat gehört, und was Gott gehört. Das ist die Lösung in all diesen Fragen.
In den letzten zwei Jahren waren wir stark konfrontiert damit, dass Christen plötzlich Römer 13 anders ausgelegt haben. Unglaublich! Vorher war klar, was es bedeutet, und plötzlich sagt einer: „Das bedeutet gar nicht das.“ Aber der Grundsatz bleibt bestehen: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
Sie wunderten sich über seine Weisheit, doch dann ließen sie ihn gehen.
Parallelen und Schlussgedanken zur Weisheit Jesu
Aber es ist an diesem Dienstag noch nicht fertig.
Übrigens gibt es eine Parallele in der Geschichte aus Johannes 8. Dort wurde Jesus von den Pharisäern versucht, indem sie ihm eine Ehebrecherin brachten. Sie wollten ihn bei einer Fehlbeurteilung erwischen. Johannes 8 folgt also einer ähnlichen Angriffsstrategie wie hier mit der Ehebrecherin. Jesus schreibt im Sand, was eine kleine, aber bedeutende Parallele ist.
Das Ganze steht auch im Zusammenhang mit Jeremia 17. Auch dort gibt der Herr eine wunderbare Antwort, die etwas anders ist als hier. Daraus lernen wir von der Weisheit Jesu, wie er mit solchen Situationen umgeht. Er hatte kein festes Schema, nach dem er immer gleich antwortete.
In jedem Fall, wenn jemand so fragt, muss man nicht immer gleich antworten, sondern immer angemessen reagieren. Das zeigt uns, wie wir wissen sollen, wann wir auf welche Weise antworten müssen. Wir brauchen eine persönliche, tägliche Verbindung mit dem Herrn und regelmäßiges Lesen seines Wortes.
Dann formt uns der Herr und führt uns durch seinen Geist, wie es in Römer 8 heißt: Die durch den Geist Gottes geleitet werden, sind Söhne Gottes. Diese werden naturgemäß und gewohnheitsmäßig geleitet. So möchte der Herr auch uns leiten und uns im Moment Weisheit geben.
Es ist jetzt vier Uhr. Wir machen 20 Minuten Pause und fahren dann weiter.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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