Mene, mene, tekel, upachsin – das waren Worte, die der König von Babylon an der Wand geschrieben sah. Er geriet daraufhin in Angst und Schrecken.
Darüber haben wir letzte Woche im Rahmen unserer Predigtreihe aus Daniel 5 gehört. Niemand konnte erklären, was diese Worte bedeuteten, bis Daniel gerufen wurde. Durch den Geist Gottes konnte Daniel erkennen, was es mit den Worten auf sich hatte.
Daniel verkündete den Menschen und vor allem dem König, dass diese Worte bedeuten, dass die Zeit seiner Herrschaft und die Zeit des babylonischen Reiches zu Ende gekommen ist. Das Reich würde an die Meder und Perser fallen.
Daniel verkündete diese Botschaft, und der König tat etwas ganz Erstaunliches.
Vom Ende eines Reiches und dem Beginn einer neuen Zeit
Anstatt jetzt noch mehr Angst und Schrecken zu verbreiten, weil seine Herrschaft bald enden soll, scheint er das gar nicht richtig zu verstehen. Er denkt: „Hey, cool, dass der das weiß“, befördert ihn und beschenkt ihn reich. In der Nacht stirbt er. Damit endet das Babylonische Reich.
Fünfundsechzig Jahre, nachdem die Babylonier Jerusalem zum ersten Mal belagert und besiegt hatten und viele junge Menschen ins Exil geführt wurden – unter ihnen auch Daniel und seine drei Freunde –, kommt diese Fremdherrschaft nun zu einem Ende. Fünfundsechzig Jahre haben Daniel und seine Freunde unter der Herrschaft der Babylonier gelebt, und jetzt ist diese Zeit vorbei.
Heute kommen wir zu Kapitel sechs. In diesem Kapitel sind die Babylonier nicht mehr an der Macht, sondern die Meder und Perser haben übernommen. Aus dem kleinen Teenager Daniel, um den es am Anfang des Buchs Daniel ging, ist nun ein älterer Herr geworden, etwa achtzig Jahre alt.
Es ist mir wichtig, dass wir uns das klar vor Augen führen. Wenn man Kinderbibeln aufschlägt, sieht man oft einen ganz jungen Kerl in der Löwengrube. Uns sollte aber klar sein: Hier handelt es sich eher um den Seniorenkreis.
Unser heutiger Predigttext berichtet über den Abschluss der Zeit, die Daniel und seine Freunde in Babylon verbracht haben – nun unter Fremdherrschaft. Die ersten fünf Kapitel haben uns den Lebensweg von Daniel im babylonischen Exil gezeigt.
Wenn ihr euch ein bisschen auskennt, wisst ihr, dass das Buch Daniel noch sechs weitere Kapitel enthält. Diese sechs Kapitel sind jedoch Visionen, die Daniel hatte und die zeitlich irgendwo zwischen Kapitel eins und Kapitel sechs angesiedelt sind. In gewisser Weise kommen wir hier nun ans Ende der Zeit Daniels.
Wir sehen dabei, dass Daniel bis ins hohe Alter Gott treu geblieben ist. Er hat an ihm festgehalten und auf Gottes Hilfe vertraut, so wie er das schon als Teenager zu Beginn des Exils getan hatte.
Von daher hoffe ich, dass wir über Daniel staunen. Er ist wirklich ein Vorbild für Jung und Alt – und noch viel, viel mehr. Dazu kommen wir noch.
Die Kernbotschaft von Daniel 6 in fünf Episoden
Ich möchte mit euch den Bericht aus Daniel 6 in fünf Episoden betrachten. Ihr habt die Überschriften dieser fünf Episoden im Gottesdienstblatt. Wenn ihr diese hintereinander lest, dann erfahrt ihr die Kernbotschaft von Kapitel 6 – das ist der Sinn dieser Struktur.
Die Kernbotschaft lautet schlicht und ergreifend: Der geisterfüllte Knecht wird von bösen Intriganten angeklagt und wegen seiner Treue zu Gott zum Tode verurteilt. Doch Gott rettet den Unschuldigen oder den Gerechten und soll deshalb von allen Menschen angebetet werden.
Das ist die zentrale Aussage von Daniel 6, die wir in unserem Text finden. Der geisterfüllte Knecht wird von bösen Intriganten angeklagt und wegen seiner Treue zu Gott zum Tode verurteilt. Doch Gott rettet den Unschuldigen und soll deshalb von allen Menschen angebetet werden.
Bevor wir das näher entfalten und dann noch mehr darüber nachdenken, was das eigentlich genau mit uns zu tun hat, möchte ich mit euch beten, dass der Herr uns hilft, dieses Kapitel zu verstehen.
Himmlischer Vater, so kommen wir im Gebet zu dir. Wir beten zu dir, dem heiligen Gott, dass du zu uns redest durch dein heiliges Wort. Wir wollen dich bitten, dass du durch deinen Geist an uns wirkst, dass du unsere Herzen öffnest, sodass wir achtgeben auf das, was du uns zu sagen hast.
Öffne du uns dein Wort, damit wir darin dich erkennen. Herr, sprich du und hilf mir, ein treuer Botschafter dessen zu sein, was du uns zu sagen hast. Das erbitten wir in Jesu Namen. Amen.
Daniel unter neuer Herrschaft: Ein Leben in Treue und Verantwortung
In den ersten vier Versen sehen wir, dass der Herrschaftswechsel Daniel nicht wirklich viel anhaben konnte. Er brachte keine wirklichen Nachteile mit sich.
Ich lese uns die ersten vier Verse aus Daniel 6,1-4:
„Und Darius aus Medien übernahm das Reich, als er zweiundsechzig Jahre alt war. Es gefiel Darius, über das ganze Königreich hundertzwanzig Statthalter zu setzen. Über sie setzte er drei Fürsten, von denen einer Daniel war. Ihnen sollten die Statthalter Rechenschaft ablegen, damit der König der Mühe enthoben wäre. Daniel aber übertraf alle Fürsten und Statthalter, denn es war ein überragender Geist in ihm. Darum dachte der König daran, ihn über das ganze Königreich zu setzen.“
Wie schon zuvor unter der Herrschaft der Babylonier wird nun auch Daniel hier wieder in eine Stellung von großer Macht befördert. Das ist bemerkenswert. Denn Daniel ist kein Einheimischer. Er ist weder einer der Meder und Perser noch einer der Babylonier. Er ist eigentlich ein Sklavenjunge, der mitgebracht wurde, nachdem Jerusalem besiegt worden war. Und dieser Fremde, dieser Sklavenjunge, dieser Knecht wird hier befördert zu einem der drei höchsten Fürsten im Land.
Tatsächlich war er offensichtlich so überragend in seinem Dienst, dass König Darius daran dachte, ihn über das ganze Königreich zu setzen. Der Grund, warum Daniel so wertgeschätzt wurde – sowohl von den Babyloniern als auch jetzt von den Medern und Persern – steht zu Beginn von Vers 4: Dort heißt es, dass er von einem überragenden Geist erfüllt war. Der Geist Gottes lebte in ihm und befähigte ihn, große Dinge zu tun. Er setzte sich damit auch ein und übertraf alle anderen.
Wir sind noch ganz am Anfang der Predigt, aber das darf uns schon mal herausfordern. Denn wenn wir zu Jesus Christus gehören, wenn wir Christen sind, hat Gott uns seinen Geist gegeben – diesen gleichen überragenden Geist. Auch wir sind dazu berufen, uns mit den Gaben, die Gott uns gegeben hat, einzusetzen.
Wir leben als Fremdlinge in einer Welt, zu der wir nicht mehr wirklich gehören, wenn wir zu Christus gehören. So beschreibt uns der erste Petrusbrief als auserwählte Fremdlinge in dieser Welt. Aber auch wir sollten in dieser Welt mit dem, was Gott uns gegeben hat, so leben und uns so einsetzen, dass die Menschen um uns herum sehen: Diese Menschen haben einen überragenden Geist und eine Bereitschaft, sich zu engagieren mit dem, was Gott ihnen gegeben hat. Das sehen wir hier am Beispiel Daniel.
Die Intrige gegen Daniel: Neid und falsche Anklagen
Aber Daniel machte sich damit nicht nur Freunde. Er hatte ganz offensichtlich auch viele Neider, die ihn loswerden wollten. Davon lesen wir ab Vers 5. Hier treten böse Intriganten in den Vordergrund, die den geisterfüllten Mann Gottes anklagten.
Ich lese uns Vers 5 vor: „Da trachteten die Fürsten und Statthalter danach, an Daniel etwas zu finden, das gegen das Königreich gerichtet wäre. Aber sie konnten keinen Grund zur Anklage und kein Vergehen finden, denn er war treu, so dass man keine Schuld und kein Vergehen bei ihm finden konnte. Da sprachen die Männer: Wir werden keinen Grund zur Anklage gegen Daniel finden, es sei denn wegen seiner Gottesverehrung.“
Daraufhin kamen die Fürsten und Statthalter vor den König gelaufen und sprachen zu ihm: „Der König Darius lebe ewig! Die Fürsten des Königreichs, die Würdenträger, die Statthalter, die Räte und Befehlshaber haben alle beschlossen, dass ein königlicher Befehl erlassen werden soll. Ein strenges Gebot, dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten wird von irgendeinem Gott oder Menschen – außer von dir, dem König allein – in die Löwengrube geworfen werden soll. Darum, o König, wollest du ein solches Gebot ausgeben und ein Schreiben aufsetzen, das nicht wieder geändert werden darf, nach dem Gesetz der Meder und Perser, das unaufhebbar ist?“
So ließ König Darius das Schreiben und das Gebot aufsetzen.
Wir sehen hier also: Die Fürsten und Statthalter schmieden eine Intrige gegen Daniel. Er ist ihnen ein Dorn im Auge, so sehr, dass sie ihn loswerden wollen. Denn er gefährdet ihre Machtposition. Das Problem war nur, dass sie keinen Grund zur Anklage gegen Daniel finden konnten. Nichts, kein Vergehen, kein Grund zur Klage. In allem war er treu.
Nur eines konnten sie finden: Ihnen war klar, dass Daniel seine Treue zu Gott noch wichtiger ist als seinen treuen Dienst im Königreich. Genau da setzen sie an.
Bevor wir über die Intrige nachdenken, ist es gut, noch einmal auf Daniel zu schauen. Könnte man das auch von dir sagen? Gibt es nichts, was Menschen gegen dich vorbringen könnten? Kein Vergehen, keinen Grund zur Klage? Könnten Menschen überlegen, was sie gegen dich tun könnten, und sie würden nichts finden – außer dass du Gott in allem treu bist?
Mich fordert das sehr heraus und überfordert mich ein wenig. Wenn Menschen gegen mich eine Klage vorbringen wollten, gäbe es vieles, was sie zu Recht vorbringen könnten. Mein Glaube ist sicherlich nicht immer so konsequent, dass man sagen könnte, ich sei dem Herrn immer vollkommen treu. Aber bei Daniel war das so.
Was für ein vortrefflicher Glaube! Und noch dazu so bekannt, dass seine Ankläger das wissen. Nur an diesem Punkt können sie ansetzen.
Um ihn dann wirklich loszuwerden, müssen sie auch noch lügen. Denn obwohl sie Daniel natürlich nicht konsultiert haben, behaupten sie, dass alle Würdenträger, Fürsten, Statthalter, Räte und Befehlshaber gemeinsam diesen Plan gemacht hätten. Das stimmt natürlich nicht. Daniel war ganz sicher nicht gefragt worden.
Interessant ist, dass Darius dem zustimmt. Wir werden später sehen, dass Darius eine besondere Wertschätzung für Daniel hat und offensichtlich bereits gewisse Erkenntnisse gewonnen hat. Aber auch das können wir wahrscheinlich nachvollziehen.
Wenn man so sehr den Bauch gepinselt bekommt, wenn alle sagen: „Du bist so toll! Da sollte wirklich niemand anders noch angebetet werden. Du allein verdienst Anbetung und Ehre“, dann lässt man sich vielleicht überzeugen. Darius denkt sich wohl: „Ja, dann bin ich vielleicht wirklich so toll. Dann habe ich es wohl verdient.“
So ließ König Darius das Schreiben und das Gebot aufsetzen, wie es hier beschrieben wird.
Daniels mutige Treue trotz Todesgefahr
Wir sehen, was dann geschieht, ab Vers elf. Daniel hört von diesem Gebot, und wir beobachten, wie er darauf reagiert.
Als Daniel erfuhr, dass ein solches Gebot ergangen war, ging er in sein Haus. Er hatte in seinem Obergemach offene Fenster nach Jerusalem. Dreimal am Tag fiel er auf seine Knie, betete, lobte und dankte seinem Gott, so wie er es auch vorher gewohnt war.
Da kamen jene Männer eilends gelaufen und fanden Daniel, wie er betete und flehte vor seinem Gott. Sie traten vor den König und berichteten ihm von dem königlichen Gebot: „O König, hast du nicht ein Gebot erlassen, dass jeder, der in dreißig Tagen etwas bitten würde von irgendeinem Gott oder Menschen außer von dir, dem König, allein zu den Löwen in die Grube geworfen werden soll?“
Der König antwortete: „Das ist wahr, und das Gesetz der Meder und Perser kann niemand aufheben.“
Die Männer sagten weiter: „Daniel, einer der Gefangenen aus Juda, achtet weder dich noch dein Gebot, das du erlassen hast. Er betet dreimal am Tag.“
Als der König das hörte, wurde er sehr betrübt. Er war darauf bedacht, Daniel die Freiheit zu erhalten, und bemühte sich bis zum Sonnenuntergang, ihn zu retten.
Doch die Männer kamen wieder zum König gelaufen und sagten zu ihm: „Du weißt doch, König, es ist das Gesetz der Meder und Perser, dass alle Gebote und Befehle, die der König beschlossen hat, unverändert bleiben sollen.“
Daraufhin befahl der König, Daniel herbeizubringen, und sie warfen ihn zu den Löwen in die Grube.
Daniel hatte sich in Babylon vieles gefallen lassen. Wir haben gesehen, dass er viel ertragen hat. Man hatte ihm seinen Namen genommen und ihm einen neuen gegeben. Er wurde in das Bildungssystem der Babyloner eingeführt, das von Gottlosigkeit geprägt war. Trotzdem engagierte er sich stets zum Wohle des Volkes, das ihn aus seiner Heimat verschleppt hatte.
Doch eines kam für Daniel nicht in Frage: Seine innige Beziehung zu Gott ließ er sich nicht verbieten. Deshalb machte er einfach weiter wie zuvor, als gäbe es dieses neue Gebot nicht.
Ich weiß nicht, wie es dir hier geht, aber langsam kommen wir aus dem Staunen über Daniel heraus, oder? Stell dir vor, jemand würde dir sagen, 30 Tage lang darf niemand angebetet werden. Was würdest du tun? Du gehst nach Hause, machst die Tür und Fenster zu, setzt dich ganz normal auf deinen Stuhl und denkst: Der Herr hört ja auch mein Gebet, wenn ich die Lippen nicht öffne.
Du würdest einen Weg finden, irgendwie drumherum zu arbeiten, oder? Wer ist so unvernünftig, einfach so weiterzumachen wie zuvor, wenn das so gefährlich ist?
Aber Daniel versteht: Wenn ich jetzt aus Angst anfange, Dinge anders zu machen, werde ich letztendlich untreu gegenüber dem, dem ich immer gedient habe. Deshalb betet er mutig und für alle sichtbar weiter zu Gott, so wie er es schon immer getan hat, im Vertrauen darauf, dass Gott der Allmächtige ist.
Er verdient seine Anbetung – keinen Kompromiss, nicht ein kleines bisschen.
Interessanterweise ist Daniel so bekannt für seine Treue zu Gott, dass die Intriganten genau darauf gewettet haben. Sie waren sich sicher, dass er so handeln würde.
Dann bringen sie ihre Anklage so vor den König, als wäre das für sie selbst eine große Überraschung: „War da nicht noch mal was mit einem Gesetz? Haben wir jetzt ausgerechnet Daniel getroffen? Wie konnte das nur passieren?“
Man merkt, wie verlogen sie unterwegs sind. Es ist ja nicht so, dass sie sagen: „Jetzt haben wir Darius, und wir haben das Gesetz extra gemacht, um ihn zu kriegen.“ Nein, sie tun so, als wäre alles nur ein Versehen: „Ach, hups, jetzt ist er halt tot.“
Der König ringt um Daniels Leben – und Gottes Rettung
Womit Sie wohl nicht gerechnet haben, ist, dass Darius eine so hohe Wertschätzung für Daniel hatte. Ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist. Darius, der sich eben noch den Bauch pinseln ließ, stört sich jetzt überhaupt nicht daran, dass Daniel das Gebot bricht. Er stört sich nicht daran, dass Daniel nicht den König anbetet, sondern weiterhin Gott anbetet.
Tatsächlich ist seine einzige Sorge, wie er Daniel helfen kann. Wir wissen nicht genau, was er versuchte, aber es ist interessant, was wir hier lesen. Er war darauf bedacht, Daniel die Freiheit zu erhalten und mühte sich, bis die Sonne unterging, ihn zu erretten. Doch all sein Mühen ist vergebens. Die Intriganten lassen nicht locker, sie sind da und fordern den Tod Daniels.
Der König gibt letztendlich nach, und so wird Daniel den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Seht ihr, an dieser Stelle scheint alles vorbei zu sein. Daniel hat ein so vorbildliches Leben geführt – gut achtzig Jahre, gut fünfundsechzig Jahre im Exil, so wunderbar, so treu. Und nun nimmt sein wunderbares Leben ein so tragisches Ende. Er wird zum Opfer von Intriganten und zum Opfer eines Königs, der zu schwach ist, sich durchzusetzen.
Doch dann sehen wir, dass es irgendwie Hoffnung gibt. In der zweiten Hälfte von Vers 17 heißt es: „Der König aber sprach zu Daniel: Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, der helfe dir.“ Das Zeugnis von Daniel muss beeindruckend gewesen sein, dass der König das sagt, oder? Ich meine, wen würdest du an die Wand stellen mit dem Erschießungsgewand davor und sagen: „Aber vielleicht hilft dir ja dein Gott“?
Genau das passiert hier. Er wirft ihn jetzt in die Löwengrube. Sie brachten einen Stein, legten ihn vor die Öffnung der Grube und versiegelten ihn mit dem Ring des Königs, mit dem Ring seiner Mächtigen, damit nichts anderes mit Daniel geschehe.
Doch dann sehen wir, was geschieht. Der König ging weg in seinen Palast, fastete die Nacht über, ließ sich kein Essen bringen und konnte auch nicht schlafen. Früh am Morgen, als der Tag anbrach, stand der König auf und eilte zur Grube, wo die Löwen waren. Als er zur Grube kam, rief er Daniel mit angstvoller Stimme.
Der König sprach zu Daniel: „Daniel, du Knecht des lebendigen Gottes, hat dich dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, auch retten können von den Löwen?“ Daniel antwortete dem König: „Der König lebe ewig! Mein Gott hat seinen Engeln gesandt, die den Löwen den Rachen zugehalten haben, sodass sie mir kein Leid antun konnten. Denn vor ihm bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein König, habe ich nichts Böses getan.“
Da wurde der König sehr froh und ließ Daniel aus der Grube herausziehen. Man fand keine Verletzung an ihm, denn er hatte seinem Gott vertraut. Danach ließ der König die Männer, die Daniel verklagt hatten, holen und zu den Löwen in die Grube werfen – samt ihren Kindern und Frauen. Ehe sie den Boden erreichten, ergriffen die Löwen sie und zermalmten alle ihre Knochen.
Was für ein Bericht! Wir sehen hier deutlich, dass das keine possierlichen, gezähmten Löwen waren, mit denen man einfach ein bisschen Streichelzoo spielen konnte. Diese Löwen waren echt gefährlich.
Aber Darius hat irgendwie diese Hoffnung. Früh am Morgen, als der Tag anbrach, eilt er zum vermeintlichen Grab Daniels, zur Löwengrube – und tatsächlich, Daniel lebt. Er verkündet, wer ihn gerettet hat: Sein Gott hat ihn gerettet, der Gott, vor dem er unschuldig ist, genauso wie vor dem König.
Der Erzähler greift das dann direkt im Anschluss noch einmal auf, als er erklärt, dass Daniel seinem Gott vertraute mitten in der Löwengrube. Wer auf Gott vertraut, lebt. Gott hat ihn gerettet. Im Gegensatz zu König Darius, dem mächtigen König Darius, der letztendlich zu feige war, sich gegen die Oberen im Volk durchzusetzen, lässt sich Gott vor nichts und niemandem aufhalten. Gott ist ein mächtiger Retter.
Natürlich erwartet man in der Gemeinde am Sonntag nichts anderes, als dass gesagt wird: „Natürlich ist Gott mächtiger als ein paar hungrige Löwen.“ Aber ich frage mich, ob das in deinem Leben wirklich schon angekommen ist. Ist dir das klar? Es gibt nichts und niemanden, der es mit Gott aufnehmen kann. Keine Leute, die dich nachstellen, kein Mobbing bei der Arbeit, keine Krebserkrankung, nicht das hohe Alter, keine finanziellen Notlagen – Gott ist stärker, Gott ist mächtig, Gott kann retten.
Darius erlebt das hier. König Darius erlebt das, und das ist voller Freude und voller Staunen. Ich hoffe, dass ihr es schafft, mal einen Moment die Mundwinkel hochzuziehen und zu sagen: Halleluja, Amen! Ich weiß, es ist heiß und gestern Abend ging das Spiel spät zu Ende, aber ich hoffe, wir können hier ein bisschen mitmachen, voller Staunen und voller Freude.
Darius konnte nicht retten, Gott kann retten. Und jetzt sieht Darius, wer alleinmächtig ist. Er erkennt die Intriganten als das, was sie wirklich sind. Ihm wird sofort klar: Sie haben gelogen, und deswegen werden sie jetzt gestraft. Die Bösen werden gerichtet, und der Gute siegt.
Der königliche Aufruf zur Anbetung des lebendigen Gottes
Das ist auch der Grund, warum Darius am Ende unseres Kapitels alle Menschen dazu aufruft, den lebendigen, ewigen und mächtigen Rettergott anzubeten. Das sehen wir ab Vers 26. Dort liest König Darius allen Völkern und Menschen, in vielen verschiedenen Sprachen auf der ganzen Erde, seinen Friedensgruß vor.
Da wir zu den Menschen auf der Erde gehören, verstehen wir diese Worte als direkte Ansprache an uns. Darius hat uns etwas mitzuteilen: „Viel Friede zuvor! Das ist mein Befehl, dass man im ganzen Königreich den Gott Daniels fürchten und sich vor ihm scheuen soll. Denn er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Retter und Nothelfer und tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf Erden. Er hat Daniel vor den Löwen gerettet.“
Daniel hatte große Macht im Königreich des Darius und auch im Reich des Kyros von Persien. Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute. Ein perfektes Happy End, oder? Ein perfektes Happy End!
Natürlich ist Daniel irgendwann gestorben – damit keine falschen Vorstellungen entstehen.
Die Bedeutung der Geschichte für unser Leben heute
Nun, die alles entscheidende Frage lautet: Was hat das alles mit uns zu tun? Was hat diese Geschichte, dieser Bericht, mit dir zu tun?
Wir haben ja schon darüber nachgedacht, dass der Aufruf sei, wie Daniel zu sein – und das klingt ziemlich überfordernd, oder? Der Text will uns Daniel als jemanden zeigen, über den wir staunen sollten. Wer engagiert sich in der Fremde so sehr zum Wohl der Menschen, dass er alle anderen überragt? Wer tut das? Über wen kann man wirklich überhaupt nichts Schlechtes sagen? Wer ist Gott so treu, dass er bereit ist, dafür zu sterben? Und über wen kann man zu Recht sagen, dass er vollkommen unschuldig ist, nichts Böses getan hat und Gott in allem vertraut hat? Über Daniel.
Aber doch nicht über dich und mich, oder? Nein, Daniel ist nicht da, damit wir sagen: Ja, wir sollten jetzt sein wie Daniel. Daniel ist hier, damit wir erkennen, dass es einen gibt, der ist wie Daniel – den wir brauchen. Daniel soll uns auf Jesus Christus hinweisen.
Genau das lehrte Jesus Christus später immer wieder. Er erklärte, dass die ganze Schrift, auch die Propheten, von ihm zeugen. Wir haben das gerade in der Apostelgeschichte gehört, wo berichtet wird, wie Christus hingegeben wurde, vom Volk böse angeklagt und vom schwachen Pilatus nicht verteidigt wurde – so dass er für uns sterben konnte und auferstehen, damit jeder, der auf ihn vertraut, Leben in ihm findet, wie es die Propheten angekündigt haben.
Wir schauen immer in die Propheten und fragen: Wo genau steht das? Die Propheten und die ganze Schrift, das ganze Alte Testament, verkünden uns Christus auf vielerlei Weise. Manchmal direkt durch prophetische Vorhersagen, manchmal durch Abbilder und Schatten, die auf etwas Größeres hinweisen.
Jesus ist in gewisser Weise der größere und bessere Daniel. So wie Daniel verließ auch Jesus seine Heimat und kam in die Fremde. Nur dass er nicht aus seinem Land verschleppt wurde, weil dieses Land Böses getan hatte und gerichtet wurde. Nein, er verließ die Herrlichkeit bei seinem Vater völlig freiwillig, um zu uns zu kommen.
So wie Daniel hatte auch Jesus einen überragenden Geist. Dabei diente er durch den Geist in ihm nicht als Sklave, sondern als der ewige Gott und König, der um unseres Willens Knechtsgestalt annahm.
So wie bei Daniel konnten auch Jesu Widersacher nichts Schlechtes an ihm finden. Doch Jesus betete nicht nur gottgetreu an – er war selbst Gott. Er ist Gott und wurde genau deshalb von Intriganten verklagt und verurteilt.
So wie Daniel letztendlich dem Tod überantwortet wurde, weil Darius mit seinen Versuchen scheiterte, Daniel zu retten, wurde Jesus gekreuzigt, weil Pilatus mit seinen Versuchen scheiterte, Jesus zu retten.
Doch während Daniel letztendlich von Gott vor dem Tod bewahrt wurde, musste Jesus wirklich sterben. Aber so wie am frühen Morgen dann Darius zum Grab kommt, um zu sehen, was geschehen ist, kommen am frühen Morgen einige hundert Jahre später einige Frauen zum Grab, um zu sehen, was dort geschehen ist.
Und so wie Darius erfährt, dass Daniel lebt, dürfen auch diese Frauen erfahren: Jesus lebt. Der eine wurde bewahrt, der andere ist wahrhaftig auferstanden.
Da, wo das Happy End bei Daniel nicht ganz passt, denn er ist letztendlich gestorben, können wir sagen: Bei Jesus Christus – und obwohl er gestorben ist – lebt er noch immer.
Ihr Lieben, dieser Text will uns auf Jesus hinweisen. Vor allem möchte ich uns einladen...
Staunen über Daniel und darüber hinaus auf Jesus blicken
Lasst uns über Daniel staunen. Lasst uns bewundern, wie groß, treu und gut er ist. Und dann lasst uns über ihn hinausblicken – auf den, dessen Abbild und Schatten er ist: auf Jesus Christus.
Lasst uns staunen darüber, wie groß, gut und mächtig Jesus ist. Er ist der Einzige, der ein vollkommen fehlerfreies, sündloses und gutes Leben geführt hat. Dennoch wurde er verraten, verurteilt und brutal gekreuzigt. Warum? Damit Menschen, die nicht wie Daniel sind, sondern wie du und ich – Menschen, an denen durchaus Fehler zu finden sind, Menschen, die vor Gott und den Menschen nicht vollkommen unschuldig sind – gerettet werden können. Damit solche Menschen nicht den Löwen zum Fraß vorgeworfen werden müssen.
Seht ihr das Gericht, das wir alle verdient hätten? Wir alle tragen in uns das, was wir in den Intriganten sehen. Wir alle haben das falsche Verlangen, selbst wichtig zu sein. Wir alle tragen diese Untreue und Rebellion in uns. Und Gott sendet einen, der größer ist als Daniel, um die gerechte Strafe für unsere Schuld auf sich zu nehmen. Er stirbt stellvertretend für unsere Schuld und überwindet den Tod.
Wenn du heute hier bist und diesen Retter und Nothelfer, wie er hier genannt wird, noch nicht wirklich kennst, dann lade ich dich ein: Lerne ihn kennen! Nimm ihn in den Fokus deines Lebens. Schau auf Daniel und schau über Daniel hinaus.
Staune über Daniel und erkenne den, der noch größer und besser ist. Dann tue das, wozu Darius alle Menschen aus so vielen verschiedenen Sprachen auf der ganzen Erde aufruft: Lasst uns den Herrn anbeten, denn er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt. Sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende. Er ist ein Retter und Nothelfer und tut Zeichen und Wunder im Himmel und auf Erden.
Ich hoffe, du erkennst, dass du diesen Retter und Nothelfer brauchst. Ich hoffe, du verstehst, dass du aus eigener Kraft vor Gott nicht bestehen kannst. Ich hoffe, du gehst nicht einfach aus dieser Predigtserie nach Hause und denkst: „Ja, ich will auch sein wie Daniel, dann passt alles.“ Sei wie Daniel, so gut du kannst – dazu möchte ich dich herzlich einladen und ermutigen.
Aber wenn du dann erlebst, was du sicher erleben wirst, nämlich dass du daran scheiterst, dann sei gewiss: Es gibt einen Retter und Nothelfer, der dir gerade aus dieser Not hilft. Einen, dem der Tod nichts anhaben kann.
Seht ihr, bei Daniel haben wir eine wichtige Botschaft gelernt: Daniel überwindet den Tod, weil er Gott vertraut – so heißt es hier. Wir werden den Tod überwinden, selbst wenn wir sterben, wenn wir auf Gott vertrauen.
Setze dein ganzes Vertrauen auf den Gott, der allein retten kann. Der in Jesus Christus gekommen ist, um zu suchen und zu finden, was verloren war. Um Verlorene zu retten, damit wir in aller Ewigkeit mit ihm leben können.
Ermutigung für das Volk Gottes gestern und heute
Die Botschaft von Daniel, insbesondere die aus Daniel 6, war eine große Ermutigung für das Volk Gottes zur Zeit Daniels. Dieser Text lehrte damals dem Volk Israel, dass die Intriganten und Feinde, die ihr Unwesen treiben, nicht für alle Zeit siegen werden. Er zeigte, dass die Machthaber, die das Volk Gottes unterdrücken, nicht ewig bleiben werden.
Oft mag es so aussehen, als ob das Böse siegt, doch letztendlich ist das nicht der Fall. Der Text gibt uns immer eine Perspektive, die über die gegenwärtige Not hinausgeht. Als das Buch Daniel geschrieben wurde, erlebte das Volk Israel noch immer Fremdherrschaft und Unterdrückung. Durch das Buch Daniel wurde ihnen zugesagt: Die Intriganten werden nicht siegen, die Machthaber dieser Welt kommen und gehen. Aber Gott bleibt ewig.
Darius betont dies dreimal: Der lebendige Gott, der ewig bleibt, dessen Reich unvergänglich ist und dessen Herrschaft kein Ende hat. Er wird alles Böse richten, so wie Darius letztendlich die Intriganten richtete. Bei ihm wird jeder Rettung finden, der ihm vertraut. So war das Buch Daniel damals schon eine Ermutigung, und es ist es heute noch, denn Gott hat sich nicht geändert.
Tatsächlich dürfen wir heute noch mehr wissen. Ich glaube, das Buch Daniel spricht besonders zu Christen, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden. Es hat eine ganz besondere Wirkung inmitten von Kirchen, die Verfolgung erleben. Für Menschen, die erfahren, dass eine Geschichte wie die vom Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden, keine ferne Erzählung ist, sondern eine sehr reale Gefahr. Und dann zu sehen: Gott ist mächtiger.
Ich hoffe, dass dieses Buch auch für uns eine Ermutigung ist. Ich gehe davon aus, dass auch unter uns Geschwister sind, die um ihres Glaubens willen Dinge erleben, die nicht leicht sind. Die verspottet werden, ausgegrenzt oder vielleicht bei der Arbeit Probleme bekommen, weil sie nicht bei allem mitmachen wollen, was die Welt uns heutzutage vorschreibt.
Ich hoffe, dich ermutigt dieses Buch. Ich hoffe, dich ermutigt dieses Kapitel. Am Ende sehen wir in Vers 24: Sie zogen Daniel aus der Grube heraus. Man fand keine Verletzung an ihm, denn er hatte seinem Gott vertraut. Was auch immer in deinem Leben noch geschehen wird: Wenn du Gott vertraust, wenn du im Glauben zu dem kommst, den Gott gesandt hat als den besseren Daniel, als den Retter und Nothelfer, wenn du zu Jesus Christus kommst und zu ihm gehörst, dann wirst auch du eines Tages unversehrt, ohne jede Verletzung, ohne jedes Leiden und ohne jede Not vor Gott stehen.
Das ist die große Zusage. An diesem Punkt werden wir alle sein wie Daniel. Dann werden alle, die jemals auf Jesus Christus vertraut haben – sowohl vor seiner Zeit, wie Daniel, als auch heute, wenn wir zurückblicken auf Jesus Christus – gemeinsam vor dem Thron Gottes stehen. Wir werden den lebendigen Gott anbeten, der ewig bleibt, dessen Reich unvergänglich ist und dessen Herrschaft kein Ende hat.
Wir werden ihn feiern und loben als den Retter und Nothelfer, der Zeichen und Wunder getan hat im Himmel und auf Erden. Ihr Lieben, bis dahin darf Daniel uns eine Inspiration sein. Bis dahin lasst uns ihm nachstreben in seinem vortrefflichen, geisterfüllten Gottesdienst.
Lasst uns danach streben, den Menschen, unter denen wir leben, zu dienen, so dass sie nichts Schlechtes über uns sagen können – außer dass wir treue Gottesdiener sind. Und lasst uns auf Gott vertrauen, in jeder Lage. Aber vor allem lasst uns auf den vertrauen, der größer und besser ist als Daniel, der für uns da ist, gerade dort, wo wir scheitern.
Gebet zum Abschluss
Ich bete mit uns. Himmlischer Vater, wir wollen dir danken, dass du uns in deinem Wort Jesus Christus vor Augen malst.
Manchmal überrascht er uns, wenn wir das Alte Testament lesen und dann im Neuen Testament sehen, dass du uns sagst, die ganze Schrift zeuge von Christus. Von seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferstehung. Dann fragen wir uns, wie das sein kann.
Herr, danke, dass du uns das zeigst und dass wir es heute sehen durften. Dass Daniel tatsächlich ein solcher Schatten, ein Hinweis auf Christus ist. Dass wir in Daniel schon etwas erkennen können, wie einen Schatten, der von dem zurückgeworfen wird, der allein der wahre Retter und Nothelfer ist: Jesus Christus.
Herr, ich bete, dass du die Augen unserer Herzen auftust. Ich bete, dass du unsere Herzen erfüllst mit Freude, Dankbarkeit und Gottes Lob, sodass wir dich anbeten. Denn dir allein gebührt alle Ehre und Anbetung. Amen.