Ich möchte alle ganz herzlich zu diesem Bibelstudientag begrüßen, an dem wir ein ganz besonderes Thema behandeln.
Normalerweise haben wir ja morgen und am Nachmittag zwei ganz unterschiedliche Themen. Doch heute widmen wir uns den ganzen Tag einem Thema: Musik.
Am Morgen beschäftigen wir uns mit Musik in der Bibel, und am Nachmittag geht es um zweitausend Jahre Musik im christlichen Abendland.
Ursprung und Bedeutung der Musik in der Bibel
Musik vor der Schöpfung und der Fall Luzifers
Wir beschäftigen uns zunächst mit dem Ursprung der Musik. Was sagt die Bibel dazu? Der Prophet Hesekiel blickt zurück in die Vergangenheit, in die Zeit vor der Erschaffung des Weltalls, als Gott die Engel geschaffen hatte.
Die Engel sind älter als das Universum, denn sie haben gejubelt, als Gott die Erde erschuf, wie es in 1. Mose 1,1 heißt. So steht es auch in Hiob 38,7. Hesekiel sieht also die Zeit, als die Engelwelt bereits existierte, die Welt, das Universum und die Erde aber noch nicht. Er schreibt auch über den Fall Luzifers, dieses führenden Engels, der zum Satan geworden ist.
Wir lesen aus Hesekiel 28,12: „Menschensohn, erhebe ein Klagelied über den König von Tyrus und sprich zu ihm.“ Es geht hier um den König von Tyrus, doch beim Lesen merkt man, dass der Prophet über den König von Tyrus hinausgeht. Er beschreibt den bösen Geist, der diesen König beseelte. Der König von Tyrus war besessen von Satan, und darum wird er hier identifiziert.
So lese ich weiter: „So spricht der Herr, der Ewige: ‚Du, der du das Bild der Vollendung warst, voll von Weisheit und vollkommener Schönheit, du warst in Eden, dem Garten Gottes, das ist das himmlische Eden. Allerlei edle Steine waren deine Decke: Sardis, Topas und Diamant, Chrysolith, Onyx und Jaspis, Saphir, Karfunkel und Smaragd und Gold. Das Kunstwerk deiner Tamburine, hebräisch Tof, und deiner Pfeifen oder Flöten, hebräisch Nekef, war bei dir. An dem Tage, da du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein schirmender, gesalbter Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht. Du warst auf Gottes heiligem Berge, du wandeltest inmitten feuriger Steine. Vollkommen warst du in deinen Wegen von dem Tage an, da du geschaffen wurdest, bis Unrecht an dir gefunden wurde.‘“
Wir sehen hier diesen Engel, diesen Cherub. Das sind übrigens Engel, die ganz besonders Gottes Thron und Gottes Gerechtigkeit bewachen. Wir sehen diesen Cherub im Himmel auf dem himmlischen Tempelberg. Nach Offenbarung 11,19 gibt es einen Tempel Gottes im Himmel, und der steht auf dem himmlischen Berg Zion, von dem auch in Hebräer 12 die Rede ist.
Bevor dieser Engel zum Satan wurde, war er als Musikerengel im himmlischen Heiligtum eingesetzt. Er war ausgestattet mit Schlaginstrumenten, Rhythmusinstrumenten – deinen Tamburinen – und mit Blasinstrumenten, Melodieinstrumenten, Pfeifen oder Flöten.
Hier gibt es allerdings ein Problem: Manche moderne Übersetzungen übersetzen hier überhaupt nichts von Musikinstrumenten, sondern von Ohrringen und ähnlichem Schmuck. Ohrringe passen zwar an ihren Platz, aber hier eben nicht. Das Wort Nekef ist ein schwieriges Wort im Hebräischen, da es zu den sehr seltenen Wörtern der Bibel gehört. Das Wort Tof ist jedoch ein einfaches Wort und bedeutet in der Bibel immer Tamburin (Plural: Tamburine).
Man kann also nicht plötzlich die Bedeutung dieses Wortes ändern, wie viele Übersetzer es getan haben. Es geht hier eindeutig um Tamburine. Dann muss man sich überlegen, was das Wort Nekef bedeutet. Es kommt von der Wurzel Nakaf, die „durchbohren“ bedeutet, und bezeichnet darum ein Instrument, das bei der Herstellung durchbohrt werden muss – wie Flöten und Pfeifen. Das gebräuchlichere Wort im Alten Testament für Flöten ist Chalil, das ebenfalls von der Wurzel Chalal stammt, die „durchbohren“ bedeutet.
Es geht hier also ganz eindeutig um Musikinstrumente. Darum ist diese Stelle so interessant, denn sie zeigt, dass es Musik gab, bevor die Sünde überhaupt existierte. Der Fall Satans fand am Anfang des Schöpfungsberichts statt, der mit „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ beginnt. Die Engel, die Söhne Gottes, jubelten, wie wir in Hiob 38,7 lesen.
Dann wollte Satan sein wie Gott, wollte sich die Ehre des Schöpfergottes anmaßen. Deshalb heißt es in 1. Johannes 3, dass der Teufel von Anfang an sündigt. Die Bibel beginnt mit „Im Anfang schuf Gott“, und 1. Johannes 3 bestätigt, dass der Teufel von Anfang an sündigt.
Aus Hesekiel 28 sehen wir: Musik ist eine Erfindung Gottes, ebenso die Musikinstrumente, denn Gott hat sie erschaffen. Zu der Zeit, als er diesen Engel erschuf, wurden die Instrumente an dem Tag, an dem er geschaffen wurde, bereitet.
Daraus können wir schließen: Musik kommt grundsätzlich von Gott. Sie ist sogar ein Zeugnis für die Schönheit und Vollkommenheit der Zeit, als es noch keine Sünde gab, als das Böse noch nicht existierte. Das können wir aus dieser Stelle ableiten.
Musik kommt also aus dem himmlischen Heiligtum. Ihre Grundbestimmung war von Anfang an die Ehre und die Herrlichkeit Gottes. Doch wir haben hier bereits die Andeutung, dass dieser Engel schließlich gefallen ist. Und was ist mit der Musik passiert? Die Musik wurde von diesem gefallenen Engel auch in die Sünde hineingezogen.
Musik unter dem Einfluss des Bösen
Frühe biblische Beispiele von Musikmissbrauch
Das führt uns nun zu Punkt zwei: Nachdem wir den Ursprung der Musik betrachtet haben, wenden wir uns zweitens der Musik unter dem Einfluss des Bösen zu.
Die erste Stelle der Bibel, in der über Musik gesprochen wird, finden wir in 1. Mose 4,21. Es geht um die Zeit nach dem Sündenfall. In diesem Abschnitt geht es um Kain, der sich ganz bewusst von Gott abgewandt hatte und vom Angesicht des Herrn wegging. Er wurde ein Städtebauer, und seine Nachkommenschaft baute eine gewaltige vorsintflutliche Zivilisation auf.
Wir sehen hier viele Dinge, die erfunden und praktiziert wurden, um die Lehre ohne Gott auszufüllen. In 1. Mose 4,19 heißt es: „Und Lamech, das ist der siebte in der Abstammungslinie von Kain, nahm sich zwei Frauen.“ Hier haben wir die erste Stelle über Polygamie, über Vielweiberei. Gott hat in der Schöpfung einen Mann und eine Frau erschaffen, denn sein Plan war die eine Ehe.
Hier finden wir zum ersten Mal in der abgefallenen Nachkommenschaft von Kain jemanden, der diese Schöpfungsordnung durchbricht. Lamech nahm sich zwei Frauen. Der Name der einen war Ada, der Name der anderen Zilla. Ada gebar Jabal, dieser war der Vater der Zeltbewohner und Herdenbesitzer. Der Name seines Bruders war Jubal, dieser war der Vater aller, die mit der Laute (hebräisch Kinnor) und der Rohrblattflöte (Ugaw) umgehen.
Zilla gebar Tubal-Kain, einen Hämmerer von allerlei Schneidewerkzeugen aus Erz und Eisen. Die Schwester Tubal-Kains war Na'ama. Hier finden wir viele Dinge, die an sich nicht böse sind, aber wenn man sie benutzt, um die Lehre ohne Gott auszufüllen, werden sie durch ihren Missbrauch zu bösen Dingen.
Polygamie ist an sich nicht gut. Diesem Mann gefiel das Leben mit einer Frau nicht; das war für ihn zu wenig. Darum nahm er zwei. Vers 20 nennt Jabal, den Vater der Herdenbesitzer, also der Leute, die in großem Stil Wirtschaft betreiben. Das ist an sich nicht böse, aber wenn es darum geht, viel Besitz und Reichtum zu haben, um die Lehre ohne Gott zu füllen, wird es böse.
In Vers 22 wird Tubal-Kain erwähnt, ein Hämmerer von allerlei Schneidewerkzeugen aus Erz – gemeint ist Kupfer, Erz und Eisen. Hier haben wir die Entwicklung der vorsintflutlichen Technologie, aber auch wieder mit der Absicht, das Leben ohne Gott angenehmer zu gestalten. Übrigens hat Tubal-Kain nicht gewartet, bis die Bronzezeit nach der Sintflut kam, und schon gar nicht bis zur Eisenzeit. Das sei als Nebenbemerkung erwähnt.
Zwischendrin finden wir in Vers 21 Jubal, den Vater aller, die mit der Laute und der Flöte umgehen. Musik wurde also geschaffen, um einen Ersatz für das Leben ohne Gott zu schaffen, um sich Freude zu bereiten, auch ohne die Beziehung zu Gott.
Wenn wir Hesekiel 28 nicht hätten, könnte man auf die Idee kommen, Musik sei etwas Schlechtes, denn die erste Stelle der Bibel spricht negativ über Musik. Aber in der Reihenfolge der Bibelbücher ist es zwar die erste Stelle, zeitlich jedoch nicht.
Hesekiel 28 zeigt, dass die Musik von Gott vor dem Sündenfall des Satans und des Menschen kommt. Die Musik hier wurde nach dem Sündenfall missbraucht.
Warum kann Musik so ideal wirken als Ersatz für die Fülle, die Gott ins Herz gibt?
Wirkung der Musik auf den Menschen
Der Mensch besteht aus einer Einheit von Geist, Seele und Leib. In 1. Thessalonicher 5,23 heißt es: „Ihr selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig, und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.“
Die Musik hat eine Wirkung auf diese dreifache Einheit des Menschen. Die Form und der Text der Musik, sofern vorhanden, sprechen besonders den Geist an. Die gesamte Struktur der Musik, ihr Aufbau und ihre Konzeption richten sich an den Geist.
Die Melodie und die Harmonik, also das Zusammenklingen der Töne, sprechen vor allem die Seele und die Empfindungen des Menschen an. Der Rhythmus, der ein untrennbarer Teil der Musik ist, spricht besonders den Körper an und kann ihn sogar in Bewegung bringen.
Es gibt nur wenige Dinge im Leben, die den Menschen in seiner Gesamtheit so ansprechen. Man kann sich überlegen, was sonst noch Geist, Seele und Leib gleichzeitig berührt. Mathematik zum Beispiel spricht den Geist an und bei manchen Menschen sogar die Seele, aber ganz sicher nicht den Körper.
So ließe sich diese Überlegung auf andere Bereiche ausweiten. Doch nirgends findet man etwas, das den Menschen so umfassend in Anspruch nimmt wie die Musik.
Übrigens ist der Geist in der Bibel der Aspekt des Menschen, der denken und forschen kann. Dies zeigt sich beispielsweise in Psalm 77,6. Die Seele ist der Bereich der Empfindungen, wie in 2. Könige 4,27 beschrieben.
Musik im Alten Ägypten und Israel
Wir setzen die biblische Geschichte fort und betrachten die Musik unter dem Einfluss des Bösen, insbesondere im zweiten Buch Mose. Dort erleben wir die Zeit Israels in Ägypten. Durch die zehn Plagen konnte Israel aus der Sklaverei in die Freiheit ziehen.
Auf der Karte sehen Sie, wie sie aus dem Nildelta auszogen, durchs Rote Meer gingen und zum Horeb in der Sinaiwüste gelangten. Dort erhielten sie das Gesetz. Noch bevor Mose die Zehn Gebote schriftlich auf zwei Tafeln festhielt, hatte das ganze Volk die Gebote im Grundsatz bereits gebrochen.
Sie brachen die ersten drei Gebote: keine anderen Götter, kein Bildnis anbeten und den Namen Gottes nicht missbrauchen. Sie taten all das, indem sie ein goldenes Kalb anfertigten und eine richtige Feier veranstalteten. Diese Party verbanden sie jedoch mit dem Glauben an den wahren Gott. Sie behaupteten, es sei ein Fest für den Herrn, für Jachwe. Gleichzeitig verbanden sie es mit dem Apis-Stierkult, den sie aus Ägypten kannten.
Ich lese nun aus 2. Mose 32,5-6: „Und als Aaron es sah, baute er einen Altar vor ihm, und Aaron rief aus und sprach: Ein Fest dem Herrn ist morgen. Und sie standen des folgenden Tages früh auf, opferten Brandopfer und brachten Friedensopfer. Und das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um sich in Ausgelassenheit gehen zu lassen.“
Das hebräische Wort „Le Zacheq“ bedeutet ausgelassen sein, spielen. Es handelt sich also um ein Fest, bei dem Musik gemacht wurde – Musik im Dienst des Götzendienstes und leidenschaftlicher Belustigung.
In 2. Mose 32,17 lesen wir von Josua und Mose, die oben auf dem Berg waren. Josua hörte die Stimme des Volkes, das jauchzte, und sagte zu Mose: „Kriegsgeschrei ist im Lager.“ Mose antwortete: „Es ist nicht der Schall von Siegesgeschrei und nicht der Schall von Geschrei der Niederlage. Den Schall von Wechselgesang höre ich.“
Für Josua war diese Musik Kriegsmusik. Was ist typisch für Kriegsmusik? Sie hat einen motorischen Rhythmus, das heißt, jeder Grundschlag ist exakt gleich wie der andere. Das versetzt die Menschen in Ekstase.
In ausgeglichener Musik muss der Schlag sich ständig ändern, abhängig davon, wie die Phrase der Melodie verläuft. Dieser ständige Rhythmus entspricht dem Atemrhythmus, auch dem Herzrhythmus und übrigens dem Rhythmus der Gehirnströme.
Doch hier hörte Josua dieses dumpfe Kriegsstampfen des Rhythmus. Mose erkannte: Nein, nein, nein, das ist keine Kriegsmusik. Dennoch wurde deutlich, dass sich die Musik in Israel verändert hatte.
Direkt nach dem Auszug aus Ägypten hatte das Volk schon einmal gesungen – nach dem Durchzug durchs Rote Meer, wie auf der Karte zu sehen ist. Dort sangen sie in 2. Mose 15 das Lied der Erlösung. Diese Musik war ganz anders, kein Kriegsgeschrei. Der Rhythmus war atemrhythmisch, nicht motorisch.
Mit dem Wechsel der Religion oder der religiösen Orientierung änderte sich auch die Musik. Das ist ein wichtiges Merkmal: Musik ändert sich dort, wo sich Grundsätzliches im Glaubensleben und in der Glaubensauffassung ändert. Beides ist miteinander verbunden.
Musik als Unterhaltungslärm und Luxus
Wir fahren fort mit Beispielen aus der Bibel, die Musik unter dem Einfluss des Bösen thematisieren. Der Titel lautet: Musik als Unterhaltungslärm.
In Amos 6,1.4-6 lesen wir: „Wehe den Sorglosen in Zion und den Sicheren auf dem Berge von Samaria, die auf Polstern von Elfenbein liegen und sich auf ihren Ruhebetten ausstrecken. Sie essen Fettschafe von der Herde und Kälber aus dem Maststall. Sie faseln zum Klang der Harfe, trinken Wein aus Schalen und salben sich mit den besten Ölen. Und sie sorgen sich nicht um die Wunde Josefs.“
Hier geht es um die Israeliten der zehn Stämme im Norden, mit der Hauptstadt Samaria, sowie um die Israeliten im Südreich mit der Hauptstadt Zion, Jerusalem. Die Propheten machen den Vorwurf: „Wehe, ihr seid sorglos!“ Sie mästen sich und leben im Überfluss. Sie schwelgen im Luxus, und dazu gehört auch das Faseln zum Klang der Harfe. Dies geschieht nicht zur Ehre Gottes.
Übrigens sieht man hier eine Rekonstruktion einer alttestamentlichen Harfe, die auf Hebräisch „Nevel“ heißt. In Psalm 33,2 und 144,9 wird ausdrücklich von einem Nevel mit zehn Saiten gesprochen. Deshalb habe ich in der Rekonstruktion ebenfalls zehn Saiten angebracht.
Die Harfe ähnelt stark der Kinnor, wie ich gleich zeigen werde. Oft wird die Kinnor mit einer Laute übersetzt. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch darin, dass der Nevel zwei Resonanzkörper besitzt. Man sieht hier den ersten aus Holz und darauf einen zweiten Resonanzkörper, an dem die Saiten befestigt sind.
Dieser Nevel wurde aufgrund einer Bar-Kochba-Münze aus Israel aus der Zeit um 132 nach Christus rekonstruiert. So können wir uns anhand dieser antiken Abbildungen eine klare Vorstellung von den Instrumenten machen, die aus Holz gefertigt waren und deshalb nicht erhalten geblieben sind.
Musik und Gericht über Babylon
Wir ziehen die Linie des Missbrauchs der Musik bis zum Schluss der Bibel nach. Ganz am Ende finden wir die falsche Kirche Babylon in Offenbarung 18. Dort wird das Gericht über diese abgefallene Kirche beschrieben, ab Vers 21 (Offenbarung 18,21).
Ein starker Engel hob einen Stein auf, der wie ein großer Mühlstein war, warf ihn ins Meer und sprach: „So wird Babylon, die große Stadt, mit Gewalt niedergeworfen und nie mehr gefunden werden. Die Stimme der Harfensänger, Musiker, Flötenspieler und Trompeter wird nie mehr in dir gehört werden. Nie mehr wird ein Künstler irgendwelcher Kunst in dir gefunden werden, und das Geräusch des Mühlsteins wird nie mehr in dir gehört werden.“
In Vers 23 heißt es am Schluss: „Denn durch deine Zauberei sind alle Nationen verführt worden.“ Das griechische Wort für Zauberei ist pharmakaia. Es bedeutet Okkultismus, Esoterik und Drogenmissbrauch.
Hier finden wir also das Gericht über die Musik einer abgefallenen Kirche, in der die Musik nur scheinbar zur Ehre Gottes diente. In Wirklichkeit diente sie jedoch sich selbst oder dunklen Mächten.
Musik als Allgemeingut in der Bibel
Wir kommen nun zu drittens: Musik als Allgemeingut.
Wir sehen an verschiedenen Stellen im Alten und auch im Neuen Testament, dass Musik nicht nur das Privileg einer gebildeten oder speziell ausgebildeten Schicht war. Musik war vielmehr etwas, das allgemein zum Alltagsleben gehörte und gepflegt wurde.
Übrigens haben wir hier die Darstellung einer Kinnor. Dieses Instrument wird in der alten Elberfelder Übersetzung jeweils mit Laute übersetzt, im Gegensatz zum Nevel, der als Harfe bezeichnet wird. Je nach Übersetzung kann dies allerdings etwas variieren. Das ist nicht weiter schlimm, man muss nur wissen, welches Instrument gemeint ist.
Der Name Kinnor stammt übrigens von der Wortwurzel „kannar“. Diese imitiert lautmalerisch das Knarren beim Zupfen der Saiten.
Übrigens heißt der See von Nazareth auf Hebräisch „Yam Kinneret“, also Kinnorsee. Dies liegt daran, dass er die Form einer alttestamentlichen Laute, der Kinnor, hat.
Musik bei Jakob und David
Nun, Musik als Allgemeingut. Wir denken an die Geschichte von Jakob, der bei seinem Onkel Laban jahrelang gearbeitet hatte und dann plötzlich fluchtartig davongegangen ist, Hals über Kopf. Laban aber ging ihm nach. Er erwischte ihn auf der Flucht und beklagte sich bei ihm, warum er heimlich gegangen sei und warum er nicht zuerst ein Abschiedsfest gefeiert habe.
1. Mose 31,27: "Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen und hast es mir nicht kundgetan? Ich hätte dich ja begleitet mit Freude und mit Gesängen, mit Tamburin und mit Laute."
Das wäre ganz normal gewesen. Laban machte ein Abschiedsfest, und dabei wird Musik gemacht: mit Gesang, mit dem Schlaginstrument Tamburin und mit dem Saiteninstrument Laute, dem Kinor. Ja, das Ganze wäre Ausdruck der Freude gewesen. Man war damals fähig, schnell solche Musik auf die Beine zu stellen.
In 1. Samuel 18 geht es um die Zeit von David. David besiegte Goliath. Das war eine gewaltige Wende in Israel nach dem ständigen Druck durch die feindlichen Philister. Wie sieht da die Reaktion des Volkes aus?
1. Samuel 18,6: "Und es geschah, als sie einzogen, als David vom Erschlagen des Philisters zurückkehrte, da zogen die Frauen aus allen Städten Israels zu Gesang und Reigen dem König Saul entgegen, mit Tamburinen, mit Jubel und mit Triangeln."
Und die Frauen, die da spielten, sangen und sprachen: "Saul hat seine Tausende erschlagen und David seine Zehntausende." Ganz spontan kommen die Frauen aus allen Städten, und sie sind fähig, spontan Musik zu machen: Gesang, Reigen, mit Tambourin und Triangel.
Hier haben wir eine Nachzeichnung eines Reliefs aus dem assyrischen Palast von Assurbanipal aus dem siebten Jahrhundert vor Christus, gefunden in Ninive. Man sieht also aus altestmännlicher Zeit assyrische Musiker. Einer spielt Kinnor. Wir sehen dort auch Tambourine, genau so wie diese hier, und die Doppelzimbel, von der wir später noch sprechen werden.
Dieses Bild aus einem nahe bei Israel gelegenen Land, dem heutigen Nordirak, zeigt uns, wie es ganz normal auch in Israel war, dass man mit solchen Instrumenten ganz spontan umgehen konnte.
Als David die Bundeslade nach Jerusalem bringen wollte, gab es auch ganz spontan — das war gar nicht geplant — freudige Musik auf dem Weg.
1. Chronik 13,7: "Und sie fuhren die Lade Gottes auf einem neuen Wagen aus dem Hause Abinadabs weg, und Ussa und Achjo führten den Wagen, und David und ganz Israel spielten vor Gott mit aller Kraft, mit Gesängen und mit Lauten, Kinor und mit Harfen, Nevel und mit Tambourinen, Toff und mit Zimbeln und mit Trompeten."
Ganz Israel war fähig, mit solchen Instrumenten und auch mit Gesang dabei zu sein und Gott auf diesem außergewöhnlichen Weg nach Jerusalem so Musik zu machen.
Hier sieht man eine Rekonstruktion der Bundeslade. Das war also, könnte man sagen, wirklich ein absoluter Höhepunkt im Leben von David.
Es ist vielleicht auch noch wichtig zu bedenken, dass diese Freude spontan so groß war, sie war nicht geplant, nicht jedes Wochenende, sie war nicht gemacht. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied: spontane Freude und gemachte, organisierte Freude sind grundsätzlich verschiedene Dinge.
Musik im Neuen Testament
Nun wenden wir uns dem Neuen Testament zu. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn lesen wir von dem Fest, das der Vater für den zurückgekehrten Sohn bereitet. In Lukas 15,23 heißt es: „Und bringt das gemästete Kalb her und schlachtet es, und lasst uns essen und fröhlich sein, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden.“ Sie begannen, fröhlich zu sein.
Es war jedoch sein älterer Sohn auf dem Feld. Als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Tanz. Ganz selbstverständlich wird bei diesem Freudenfest über die Umkehr des verlorenen Sohnes Musik gemacht und Tanz aufgeführt.
Wir haben also gesehen, dass Musik im Alten und Neuen Testament ein Allgemeingut war, das offensichtlich in den Familien gepflegt wurde.
Nun kommen wir zu Punkt vier: Musik in der Zeit der Stiftshütte.
Musik in der Periode der Stiftshütte (ca. 1606–973 v. Chr.)
Musik als Gotteslob und Erlösungslied
Das ist also die Zeit 1606, der Auszug aus Ägypten, bis 973, dem Bau des ersten Tempels aus Stein, dem Salomonstempel in Jerusalem, im Jahr 973 vor Christus.
In dieser Zeit finden wir Musik als Gotteslob. Es ist die erste Erwähnung überhaupt in der Bibel von Musik als Gotteslob. In 2. Mose 15 wird berichtet, wie Israel, erlöst aus der Knechtschaft Ägyptens, das Lied der Erlösung singt.
2. Mose 15,1: Damals sangen Mose und die Kinder Israel dieses Lied dem Herrn und sprachen also: „Singen will ich dem Herrn, der hoch erhaben ist. Er hat das Ross und seinen Reiter ins Meer gestürzt. Meine Stärke und mein Gesang ist der Herr, denn er ist mir zur Rettung geworden. Dieser ist mein Gott, und ich will ihn verherrlichen, meines Vaters Gott, und ich will ihn erheben.“
Fast das ganze Kapitel besteht aus diesem Lied, von dem wir gerade zwei Verse gelesen haben.
Im zweiten Buch Mose haben wir also das Thema der Erlösung vor uns. Das erste Buch Mose zeigt eigentlich, wie der Mensch in die Sünde gefallen ist und sich verderbt hat. Nun zeigt das zweite Buch Mose exemplarisch, was Erlösung bedeutet: die Befreiung durch das Blut des Passalam in Ägypten (2. Mose 12). Daraus folgt wahre Musik zur Ehre Gottes – Musik als Ausdruck der Erlösung.
Silberne Posaunen und Obertonreihen
Nun haben wir an einer weiteren Stelle gelesen, dass in 4. Mose 10 die silbernen Posaunen erwähnt werden. Mose erhält von Gott den Auftrag, diese Signalhörner aus getriebener Silberarbeit herzustellen.
Hier sehen wir die Rekonstruktion einer solchen Chazotzerah, wie diese Posaune auf Hebräisch heißt. Wir konnten sie anhand der Abbildungen von Tempelgeräten am Titusbogen in Rom rekonstruieren. Die Römer zerstörten im Jahr 70 den Tempel in Jerusalem und brachten viele Schätze nach Rom. Auf dem Titusbogen, der zu Ehren des Feldherrn Titus errichtet wurde, der Jerusalem zerstört und den Tempel vernichtet hatte, sind verschiedene Tempelgeräte und auch Tempelposaunen abgebildet.
So können wir von den Größenverhältnissen herleiten, dass diese Chazotzerot, also diese silbernen Posaunen, bis zu 1,80 Meter lang sein konnten. Das entspricht eher einem Alphorn. Die Töne wurden nur durch Überblasen erzeugt, also durch die Erzeugung der Obertöne. Wenn man ganz sachte bläst, erreicht man den tiefsten Ton. Bläst man etwas stärker, kommt der erste Oberton hinzu, bei noch stärkerem Blasen der zweite Oberton.
Darum möchte ich in diesem Zusammenhang etwas über Obertonreihen erklären. Das wird uns auch bei dem, was nachher folgt, hilfreich sein. Wenn ich einen Ton auf dem Klavier spiele, meinen die meisten Leute, es sei einfach nur dieser eine Ton, zum Beispiel das C. Das stimmt nicht! Jeder Ton ist eine ganze Reihe von Tönen.
Wenn ich dieses C anschlage, höre ich den untersten Ton, der auch am lautesten klingt. In diesem Ton ist aber auch der nächste Oberton enthalten, der eine Oktave höher liegt. Genau dasselbe passiert bei der Posaune: Wenn man sie überbläst, erklingt zuerst der Grundton, dann eine Oktave höher. Wenn man nochmals überbläst, kommt die Quinte fünf Töne höher, dann die Quarte vier Töne höher, danach die große Terz drei Töne höher, dann die kleine Terz und so weiter.
Diese Reihe, die sich beim Überblasen ergibt, ist in jedem einzelnen Ton enthalten. Wenn ich diesen einen Ton spiele, hört man darin die Oktave, die Quinte, die Quarte, die große Terz, die kleine Terz und weitere Obertöne.
Ich möchte das versuchen zu beweisen: Ich drücke jetzt diese Taste herunter, ohne dass man etwas hört. Dann schlage ich eine Oktave tiefer einen Ton ganz kurz an. Nun sollte man diesen Ton hören. Ich höre hier, ganz hinten im Saal kann man das natürlich nicht gut hören, aber ein bisschen hört man es. Das heißt, der untere Ton hat dadurch, dass bei ihm sowieso eine Oktave höher klingt, diese freigelegte Seite hier in Schwingung versetzt.
Ich könnte natürlich weiterfahren und all die weiteren Töne auch so stumm niederdrücken. Wenn ich dann unten anschlage, hört man sogar den Dreiklang oder sogar den Vierklang, denn der ist da enthalten. Man sieht hier C, E, G, B, das ist der Dominantseptakkord, der darin enthalten ist.
Hört man etwas? Das kann man zu Hause am Klavier ausprobieren, dann hat man die Demonstration eindeutig. Zusammenfassend: Jeder Ton aller Melodieinstrumente hat eine solche Obertonreihe. Übrigens auch beim Singen. Wenn ich singe, ist in diesem einen Ton die ganze Reihe enthalten. Auch der Dur-Dreiklang und der Dominantseptakkord sind darin enthalten.
Man kann auch erklären, warum der Ton auf einer Oboe anders klingt als auf einer Geige, obwohl sie den gleichen Ton spielen. Der Grund ist, dass beide Instrumente die gleiche Obertonreihe haben, aber die Stärke der einzelnen Obertöne ganz unterschiedlich ist. Bei einem Instrument können zum Beispiel der dritte und der fünfte Oberton besonders hervortreten, beim anderen Instrument in einer anderen Reihenfolge. Das ergibt eine ganze Reihe von Sinusschwingungen.
Jeder Ton ist in der Natur eine reine Sinusschwingung, aber bei den lauteren Obertönen ist die Sinuskurve deutlich höher und tiefer, also der Bauch viel größer, bei den leiseren viel kleiner. Man kann mathematisch alle diese Schwingungen zusammenzählen, und das Ergebnis ist eine sehr komplexe Kurve, die bei jedem Instrument anders aussieht. Zum Beispiel gibt es bei der Geige ein Bild von Sägezähnen. Das heißt nicht, dass man auf der Geige sägt, sondern das ist einfach die Charakteristik des Tons.
Deshalb haben wir auch verschiedene Stimmen. Wenn man das Telefon abnimmt, erkennt man sofort, ohne dass der Anrufer seinen Namen nennt, wer da spricht, an der Stimmcharakteristik. Diese wird durch die unterschiedlichen Stärken in der Obertonreihe bestimmt.
Der lange Rede kurzer Sinn: An der Posaune und ihren Obertönen kann man zeigen, dass die ganze Mehrstimmigkeit der Musik mit Akkorden, Dreiklängen und Vierklängen keine menschliche Erfindung ist, sondern bereits physikalisch in der Natur von Gott, dem Schöpfer, angelegt ist. Das musste man nur entdecken, und dann konnte man später die ganze vierstimmige Musik entwickeln.
Hier sehen Sie die Anfangstakte aus dem dritten Beethoven-Klavierkonzert in c-Moll. Woher kommt diese ganze Technik, die Töne so zusammenzufügen? Das ist nicht einfach eine rein menschliche Erfindung, sondern war vorgegeben in der Schöpfung. Wir mussten sie nur entdecken.
Nun gehen wir zu fünftens: Musik in der Periode des ersten Tempels von 973 bis 586 v. Chr. Das Jahr 586 ist das Jahr der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Babylonier unter Nebukadnezar. In diesem Zusammenhang muss uns das musikalische Phänomen David ganz speziell beschäftigen.
David hat Jerusalem erobert, wie man auf dem Bild hier sieht: Jerusalem zur Zeit Davids am Südabhang des Tempelberges, des Berges Zion. Salomo, sein Sohn, hat die Stadt nach Norden ausgebaut und auf der Bergspitze den ersten Tempel, den salomonischen Tempel, errichtet, in dem die Musik zu einer ganz besonderen Entfaltung kommen sollte. Aber alles dank David.
Wir lesen über die Jugendzeit Davids in 1. Samuel 16, Vers 17:
Und Saul sprach zu seinen Knechten: "Seht mir doch einen Mann, der gut spielen kann, und bringt ihn zu mir." Einer der Diener antwortete und sprach: "Siehe, ich habe einen Sohn Isaiahs des Bettlers gesehen, der des Spielens kundig ist, und er ist ein tapferer Held und ein Kriegsmann, und der Rede verständig und ein schöner Mann, und der Ewige ist mit ihm."
Und es geschah, wenn der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Laute, hebräisch Kinnor, und spielte mit seiner Hand. Saul fand Erleichterung, und es wurde ihm wohl, und der böse Geist wich von ihm.
David war also ein außergewöhnlicher Musiker, und das fiel bereits in seiner Jugendzeit auf. Darum wurde er als Hofmusiker bei König Saul eingesetzt, als dieser in tiefe Depressionen verfiel. Allerdings handelte es sich hier nicht um medizinisch erklärbare Depressionen, sondern es heißt, dass Gott einen bösen Geist über Saul kommen ließ, wegen seiner Treulosigkeit Gott gegenüber. Immer wenn dieser Geist besonders in die Depression führte, musste David Kinnor spielen, was zur Erleichterung für Saul führte.
Man kann sich da einige Fragen stellen: Können Kinnorseiten Dämonen vertreiben? Das wäre abergläubisches Denken. Aber wir sehen zum Beispiel hier die Rekonstruktion einer Kinnor mit drei Saiten. Ich habe auch eine Rekonstruktion mit zehn Saiten gezeigt. In diesem Bereich hatten diese Instrumente Saiten von drei bis zehn.
Es wird deutlich, dass das nicht Instrumente waren, um rein instrumentale Musik zu machen, sondern Begleitinstrumente für den Gesang. David hat Psalmen gesungen und sie mit der Kinnor begleitet.
Da bewahrheitet sich der Spruch: Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach oben. Es ist tatsächlich so, dass die Welt der Dämonen echtes, glaubenserfülltes Danken und Loben nicht erträgt. Das hat die Erleichterung bei Saul bewirkt, aber nicht eine abergläubische Vorstellung davon, was Töne an sich bewirken könnten.
In den vergangenen Jahren hat man die alttestamentliche Musik rekonstruieren können. Ich werde später noch mehr darüber sagen, aber ich möchte an dieser Stelle zeigen, wie es etwa geklungen hat, als David mit der Kinnor spielte. Übrigens heißt Kinnor im modernen Hebräisch Violine. Man muss ja ein neues Wort haben, und oft wurden alte Wörter mit neuer Bedeutung benutzt. Die Violine geht in der Instrumentengeschichte letztlich auf Kinnor und Nevel zurück.
Ich versuche, mal mit Seitenspiel Psalm 133 vorzutragen:
"Schir hamalot le David." Das ist das Stufenlied, eines der fünfzehn Stufenlieder, die man sang, wenn man zum Tempel hinaufging. Der Titel wird mitgesungen: Ein Lied der Hinaufzüge, ein Stufenlied von David.
Dann der Text:
"Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen, wie das Öl, das gute Öl, das auf den Kopf herniederfließt, auf den Bart, auf den Bart Aarons und bis auf den Saum seiner Kleider, wie der Tau des Hermon, der herabsteigt auf die Berge Zions. Denn dort hat der Herr den Segen befohlen, ewiges Leben."
Im Hebräischen:
"Siehr Hamalot, le David, heneim atof um aneim, schewet Achim, gam jachat, kaschemen atof, ala ros, jured, ala zaken, zaken, aharon. al Pi mit Dodav, Ket al Hermon, sejored al Pi mit Dodav, Ket al Hermon, sejored al Herr Zion, Im Adhaulam."
So etwa klang das. Ganz eindrücklich ist die Expressivität, die zum Teil durch ganz besondere Tonleitern erreicht wird. Diese Stellen kommen genau da vor, wo der Text selbst so dramatisch wird. Es ist beeindruckend, wie diese rekonstruierte Musik genau dem Text entspricht und die Worte durch die jeweiligen Tonsprünge unterstreicht, so dass sie lautmalerisch und musikmalerisch zum Ausdruck kommen.
Das ist natürlich orientalische Musik, und darum singt man sie auch etwas anders als europäische Musik.
Hier der Text von Psalm 133, so wie er in der hebräischen Bibel steht. Es sind ja alles Konsonanten. Der Text besteht nur aus Konsonanten im Hebräischen. Im Mittelalter haben die Rabbiner, die Masoreten, durch Punkte und Striche die Vokale hinzugefügt.
Nicht nur das, sie haben auch Kandillationszeichen hinzugefügt. Das sind Zeichen, die eigentlich auf Handzeichen zurückgehen, die man im Tempel für die Musiker gemacht hat, damit sie wussten, welche Töne sie spielen oder singen mussten.
Zum Beispiel bei "schir hama'alot le david", bei "schir" (Lied), hat man dieses Schrägstrichlein, das ist der zweite Ton in der Tonleiter. Und bei "chama'alot" ist ein gerader Strich, das ist der erste Ton.
Gerader Strich bedeutet erster Ton, Schrägstrich nach rechts der zweite Ton. Unter den Wörtern gibt es immer Zeichen, die bestimmte Töne in der Tonleiter bedeuten.
Es gibt auch zusätzliche Zeichen über den Wörtern, die Verzierungen ausdrücken, also wie man die Töne ausziert.
Durch die Entdeckungen von Suzanne Haik-Ventura, einer französischen Komponistin und Jüdin, konnte diese Musik wieder rekonstruiert werden, wie sie einmal geklungen hat.
Wir sind nun am Ende der Zeit für den ersten Teil und machen jetzt eine Viertelstunde Pause. Wir fahren weiter dort, wo wir stehen geblieben sind.
Übrigens zur Rekonstruktion der alttestamentlichen Musik verweise ich auf die Homepage www.rakav.com. Dort findet man Hinweise auf die Literatur von Haik-Ventura und anderen. Sehr interessantes Material ist dort zu finden.
Nun geht es immer noch um David, das musikalische Phänomen David.
2. Samuel 23,1 berichtet vom Ende seines Lebens:
Dies sind die letzten Worte Davids. Es spricht David, der Sohn Isais, und es spricht der hochgestellte Mann, der Gesalbte des Gottes Jakobs und der Liebliche in Gesängen Israels. Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort war auf meiner Zunge.
Hier finden wir die biblische Bezeichnung Davids als "der Liebliche in Gesängen Israels". Aus der Bibel geht hervor, dass mindestens 75 der 150 Psalmen von König David stammen. Er hat der Musik in Israel eine ganz neue Dimension vermittelt, wie wir gleich sehen werden.
Übrigens spreche ich immer wieder über die Rekonstruktion biblischer Instrumente oder die genaue Deutung der Musikinstrumente, die in der Bibel erwähnt werden.
Hier haben wir zwei Schofarhörner. In deutschen Bibeln werden sie unterschiedlich übersetzt, manchmal Posaune oder Horn. Im Hebräischen steht Schofar und meint immer ein Tierhorn. Das könnte ein Widderhorn sein, wie hier, oder ein Steinbockhorn, oder auch eine Antilope. Es musste ein reines Tier nach 3. Mose 11 sein.
Auch dieses Instrument wird nur durch Überblasen verwendet, ohne Zwischentöne herzustellen, einfach die Naturtöne wie bei der silbernen Posaune, der Chazotzerah.
David hat die Tempelmusik ganz neu organisiert im Hinblick auf den künftigen ersten Tempel, den sein Sohn Salomo ab 973 v. Chr. errichten sollte. Er legte fest, dass es drei Musikdirektoren geben sollte: Asaf, Jedutun und Hemann.
So lesen wir in 1. Chroniker 25,6:
Alle diese waren unter der Leitung ihrer Väter Asaf, Jedutun und Hemann beim Gesang im Haus des Herrn mit Zimbeln, Harfen und Lauten zum Dienst des Hauses Gottes, nach der Anweisung des Königs.
Es gab insgesamt vier Tempelmusiker zur Zeit von David und Salomo (1. Chroniker 23,5).
Man brachte also schon ein gutes Orchester zusammen. Sie spielten natürlich nicht alle gleichzeitig, sondern es ging darum, dass in Abteilungen ständig jeden Tag Musik im salomonischen Tempel gemacht werden konnte.
Man merkt, wie von den bescheidenen Anfängen in der Zeit der Stiftshütte die Musik ab dem ersten Tempel eine ganz große Rolle bekam.
David hat sogar Musikinstrumente erfunden. In Amos 6, Vers 5 heißt es: "Die sich wie David Musikinstrumente ersinnen."
David war also auch kreativ in der Entwicklung von Musikinstrumenten. Das zeigt, dass es absolut im Willen Gottes steht, dass Musik nicht statisch ist und sich weiterentwickeln darf, auch die Instrumente.
Interessant ist, dass Amos 6, Vers 5 in einem negativen Zusammenhang steht, nämlich Musik zur reinen Berieselung im Luxus. Dort wird von Leuten gesagt, die sich wie David Musikinstrumente ersinnen. Es gibt also eine Entwicklung der Musik sowohl im Bereich, wo sie nicht zur Ehre Gottes dient, als auch dort, wo sie zur Ehre Gottes dient.
Hier wieder Beispiele alttestamentlicher Instrumente:
Diese zwei Instrumente werden beide mit Zimbeln übersetzt, aber es sind zwei verschiedene hebräische Wörter. Mezaltajim meint eigentlich ein Doppelzimbel, das kommt zum Beispiel in 1. Chroniker 13,8 vor. Das sind zwei Bleche, die man gegeneinander schlägt.
Das andere Instrument, Zelazal, bedeutet Rassel oder Tönen des Erz. Dieses Instrument wird in Psalm 150, Vers 5 erwähnt und ist das gleiche, das in 1. Korinther 13,1 genannt wird: "Wenn ich keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden."
Das Instrument Zelazal ist ein Griff, daran ein gebogener Metallreifen, an dem frei bewegliche Metallstücke montiert sind. Durch Schütteln erzeugt man Rhythmus.
Nachdem wir nun die große Errungenschaft der Musik in der Zeit des salomonischen Tempels gesehen haben, kommen wir zu sechstens: Musik in der babylonischen Gefangenschaft von 606 bis 538 v. Chr.
Ab 606 begannen die Deportationen der Juden nach Babylon. Im Jahr 586 wurde der Tempel zerstört, und damit auch die Tempelmusik beerdigt.
Psalm 137 wurde in dieser schlimmen Zeit der babylonischen Gefangenschaft geschrieben, als im Land Israel alles am Boden war, in Staub und Asche, und die Juden zwischen Euphrat und Tigris sich nach dem Tempelberg Zion sehnten, eines Tages wieder zurückzukehren.
Psalm 137,1:
"An den Flüssen Babylons saßen wir und weinten, indem wir Zions gedachten. An die Weiden hängten wir unsere Lauten, Kenor. Denn die, die uns gefangen weggeführt hatten, forderten von uns die Worte eines Liedes, und die uns Wehklagen machten, Freude, singet uns eines von Zions Liedern! Wie sollten wir ein Lied des Herrn singen auf fremder Erde?"
Hier finden wir die Verweigerung der Juden, Zions Lieder als exotisches Entertainment in Babylon aufzuführen. Die babylonische Aufforderung, Zions Lieder zu singen, zeigt, dass die jüdische Tempelmusik etwas ganz Besonderes, Fremdartiges war. Die Juden selbst nennen diese Lieder "Lieder des Herrn".
Wie sollten wir ein Lied des Herrn auf fremder Erde singen? Die Juden wurden aus dem Land Israel wegen ihres Götzendienstes herausgerissen, und darum musste auch die Tempelmusik zugrunde gehen. Wenn man nicht dem alleinwahren Gott von Herzen dient, bringt die Musik zu seiner Ehre nichts, und so musste sie verstummen für eine Zeit.
Viele Juden fanden in dieser Zeit in Babylon eine innere Umkehr und Reue. Es kam zur großen Wende im Jahr 538 v. Chr., als die Perser und Meder Babylon eroberten und den Juden die Erlaubnis gaben, wieder ins Land der Väter zurückzukehren.
Das bringt uns zu siebtens: Musik in der Periode des Zweiten Tempels von 538 v. Chr. bis 70 n. Chr.
Etwa zweihunderttausend Juden, wenn man Frauen und Kinder mitzählt, kehrten nach Ezra II aus Babylon zurück ins Land Israel. Das erste, was sie taten, war, den zweiten Tempel in Jerusalem wieder aufzurichten. Damit wurde auch die alte davidische Tempelmusik wieder neu eingerichtet.
Ich lese aus Ezra 3, Vers 10:
"Und als die Bauleute den Grund zum Tempel des Herrn legten, ließen die Priester in ihrer Kleidung hintreten mit Trompeten und die Leviten, die Söhne Asafs, mit Zimbeln, um den Herrn zu loben nach der Anweisung Davids, des Königs von Israel, und sie hoben einen Wechselgesang an mit Lob und Dank dem Herrn."
Wechselgesang bedeutet, dass zwei Chöre sich gegenseitig antworten. Das hatten wir übrigens schon beim goldenen Kalb gefunden: "Denn er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich über Israel."
Das ganze Volk erhob ein großes Jubelgeschrei beim Lob des Herrn, weil der Grund zum Haus des Herrn gelegt wurde.
Das war ein absoluter Höhepunkt. Nach Jahrzehnten, in denen der Tempel in Schutt und Asche lag, Deportation und Leben in einem fremden Land, ersteht der zweite Tempel, und die Freude ist groß.
Hier sieht man den Tempelberg in einem Luftbild. Jerusalem zur Zeit Davids war am Südabhang des Berges. Das Kidron-Tal ist hier. Salomo hatte die Stadt nach Norden ausgebaut bis auf die Bergspitze, dort, wo heute der Felsendom steht, und dort hat er den Tempel errichtet.
Als die Juden aus Babylon zurückkamen, bauten sie auf den Ruinen des ersten Tempels den zweiten Tempel auf und richteten die Musik wieder neu ein, nach dem Vorbild Davids.
Das Alte Testament verlangt von allen Juden – für die Männer ist es obligatorisch, für die Frauen freiwillig wegen der Kinder – dreimal im Jahr nach Jerusalem zum Tempel zu kommen (2. Mose).
Es hat sich eingebürgert, dass man bei diesen Reisen zum Passafest im Frühjahr, zum Pfingstfest im Juni und zum Laubhüttenfest im Herbst Lieder sang.
Ganz speziell dafür vorgesehen waren die Psalmen 120 bis 136, die sogenannten Stufenlieder. Das Wort Ma'alot hat einen Doppelsinn: Es bedeutet eine Treppe oder einen Hinaufzug, also die Reise hinauf zum Berg Zion.
Diese Stufenlieder sang man in der Periode des ersten, aber auch des zweiten Tempels, wenn man zu den großen Festen nach Jerusalem ging, immer mit Begleitung von Flöten.
Ich habe im ersten Teil gezeigt, wie Psalm 133, der auch zu diesen Stufenliedern gehört, geklungen hat.
Was auffällt an dieser Musik: Der Rhythmus orientiert sich völlig am Sprachrhythmus. Der Sprachrhythmus ergibt den Rhythmus des Liedes. Die Worte werden also nicht nach dem Rhythmus verdreht, sondern der Rhythmus dient dem Text.
Darauf muss man achten bei Liedern, die gerade heute komponiert werden. Oft ist die Betonung falsch, also die Wörter werden nicht so betont, wie sie in der normalen Sprache, Artikulation und Prosodie betont werden.
Die betonten Silben müssen betont sein, die unbetonten unbetont. Ein Lutherlied wie "Ein feste Burg ist unser Gott" hat die richtige Betonung.
Oft werden Lieder heute so komponiert, dass die Betonung gegenüber der Prosodie des Textes verschoben ist, was falsch und widersinnig ist, denn es widerspricht der Sprachnatur.
In der biblischen Musik wird genau beachtet, dass der Rhythmus der richtigen Betonung der Wörter entspricht.
Psalm 122, Vers 1, ein Stufenlied von David:
"Ich freute mich, als sie zu mir sagten: Lasset uns zum Hause des Herrn gehen! Unsere Füße werden in deinen Toren stehen, Jerusalem."
In Lukas 2 lesen wir, wie der Herr Jesus Christus als Zwölfjähriger mit seinen Eltern Maria und Joseph nach Jerusalem zum Passafest ging.
Ab dreizehn wurde man im Judentum zur Zeit Jesu als erwachsen angesehen, das ist auch heute noch so, wenn man Bar Mizwa feiert. Das ist das Alter, in dem man erwachsen wird.
Jesus ging also ab zwölf regelmäßig mit seinen Eltern zu den obligatorischen Festen. Für Kinder war es nicht obligatorisch, aber für Erwachsene ab dreizehn. Man hatte ein "Eingewöhnungsjahr" im Judentum, um die Zwölfjährigen auf die Pflichten des Erwachsenen einzustimmen.
Das erklärt, warum wir die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus in Lukas 2 haben, der zum Tempel geht.
Wir lesen dort auch von der Reisegesellschaft. Die Leute gingen miteinander, zum Beispiel von Nazaret nach Jerusalem und zurück. Unterwegs auf der langen Reise sang man die Stufenlieder.
So kann man sich vorstellen, wie der Herr Jesus als Kind diese Psalmen gesungen hat, so wie ich das vorhin präsentiert habe. Das war immer sehr freudig.
Jesaja 30, Vers 29 spricht im Zusammenhang mit dem freudigsten Fest, dem Laubhüttenfest:
"Gesang werdet ihr haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird, und Freude des Herzens gleich denen, die unter Flötenspiel hinziehen, um zu kommen auf den Berg des Herrn zum Felsen Israels."
Das Laubhüttenfest war das einzige der sieben Feste des Herrn aus 3. Mose 23, das auch nachts gefeiert wurde. Darum ist hier das Laubhüttenfest gemeint: Gesang werdet ihr haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird.
Man war freudig, auch schon beim Hinaufgehen, und unter Flötenspiel sang man die Stufenlieder.
Übrigens: Durch das Erwachsensein mit dreizehn Jahren und die Eingewöhnung mit zwölf gab es kein Teenageralter.
Was ist ein Teenager? Das ist kein Kind und kein Erwachsener.
Man kann darüber lachen, aber das Teenageralter wurde erst vor einigen Jahrzehnten in der Psychologie definiert. Früher sprach man nicht von Teenies, die quasi ausbrechen konnten, weil sie keine Kinder mehr sind, aber auch noch keine Erwachsenen.
Im Judentum war man mit dreizehn erwachsen und sollte sich an die Gebote der Tora aus eigener Überzeugung und innerer Festigkeit halten.
Hier ein Blick in den zweiten Vorhof des Tempels zur Zeit Jesu.
Dieser große Hof war der sogenannte Frauenvorhof. Am Eingang zum innersten Vorhof sieht man den Altar. Dahinter ist das Tempelhaus.
Beim prächtigen Nicanortor gab es fünfzehn halbkreisförmige Stufen, Treppen. Darauf stand der Priesterchor und das levitische Orchester und führte während der großen Feste die Psalmen auf.
Die Architekten errichteten diese Treppen als Anspielung auf die fünfzehn Stufenlieder. Man merkt die Doppelbedeutung von Ma'alot: Stufe oder Hinaufzug.
Bei den Festen, zu denen man hinaufziehen musste, hatte man hier das Orchester und den Chor.
Das war für alle Juden ein besonderes Erlebnis und ein Höhepunkt, wenn man hier den professionellen Chor und das Orchester erlebte, was man zu Hause nicht hatte.
Blattspielgeräte, Kassetten und CDs gab es nicht, darum war das Erlebnis viel größer.
In der Bibel werden etwa 15 verschiedene Tempelinstrumente erwähnt. Im Talmud findet man insgesamt 36 verschiedene Instrumente. Das zeigt, wie im Judentum das Erfinden neuer Instrumente immer weiterging.
Das entspricht dem Prinzip, das wir bei David lernen konnten, vom Orchesterpodium im Zweiten Tempel.
Eindrücklich sind die Ausmessungen auf dem Tempelberg. Sie haben ergeben, dass die Osttreppe auf dem heutigen Tempelplatz, die zur Plattform hinaufführt, auf der der Felsendom steht, exakt an der Stelle ist, wo die fünfzehn halbkreisförmigen Stufen waren.
Diese Treppe passt genau mit den Eckpunkten zusammen. Die Muslime, die im 7. Jahrhundert nach Christus nach Jerusalem kamen, bauten auf bestehenden Strukturen diese Treppe auf.
Wenn man das weiß, ist es eindrücklich, dass hier der exakte Platz für das Orchester und den Chor im Tempel war.
Beim Laubhüttenfest wurde nachts gefeiert, und deshalb wurden dort 25 Meter hohe Leuchter entzündet. Jede Lampe hatte mehr als neun Liter Olivenöl.
Als Docht verwendete man abgetragene Priestergewänder. So hat dieses Licht vom Tempel Jerusalem in den Nächten überstrahlt. Recycling ist also nichts Neues.
Das war das freudigste Fest, und der Chor und das Orchester führten nachts Psalmen auf.
In Johannes 8, Vers 12 sagte Jesus: "Ich bin das Licht der Welt." Das war eine Anspielung auf diese Leuchter am Laubhüttenfest, denn in Johannes 7,8 geht es um das Laubhüttenfest: "Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben."
Das war das Podium an den großen Festen hier im Frauenvorhof.
An normalen Tagen führten Priester und Leviten Musik im inneren Vorhof beim Altar auf. Östlich vom Altar war ein spezielles Podium für den Chor. Dort befand sich auch das Waschbecken.
An dieser Stelle wurden die Opfertiere angebunden, und dort standen die Schlachtbänke. So kann man sich das konkret vorstellen.
Im Jahr 70 n. Chr. zerstörten die Römer Jerusalem und den Tempel vollständig. Das war das Ende der levitischen Musik im Judentum.
So wie am Ende der ersten Tempelperiode geschah es wieder: Die Juden wurden nach Babylon verschleppt, kehrten zurück, aber anschließend wurden sie über alle fünf Kontinente zerstreut, nicht nur für ein paar Jahrzehnte, sondern für fast zweitausend Jahre.
In der heutigen Zeit findet die Rückkehr ins Land wieder statt, wie die Bibel vorausgesagt hat.
Noch etwas Besonderes: Der Tempelberg war nie mehr in jüdischer Hand. Ab dem Jahr 70 gab es eine kleine Episode, die im 4. Jahrhundert wieder zusammenbrach.
Ansonsten war der Tempelberg nie mehr in jüdischer Hand.
Ab dem Sechstagekrieg 1967 kam eine Wende. Die israelische Armee eroberte den Tempelberg, weil die islamischen Armeen rund um Israel den Judenstaat zum zweiten Mal vernichten wollten.
Das war die Antwort.
Wir haben heute eine ganz besondere Zeit.
Hier ist Israel Ariel, einer der Soldaten, die den Tempelberg 1967 erobert haben. Er ist Rabbiner und hat das Tempelinstitut in Jerusalem gegründet, das Mechon Hamikdash. Dort werden Tempelgeräte für den künftigen dritten Tempel hergestellt, der auf den Spuren des Alten errichtet werden soll.
Hier sehen Sie den ersten goldenen Leuchter Israels seit dem Jahr 70, bereit für den Dienst.
Nun sollte auch die Musik wiederhergestellt werden.
Das Problem ist: Man hat zwar die Handzeichen aus der Tempelzeit für die Tonhöhen. Diese wurden offensichtlich nach der Zerstörung des Tempels von Generation zu Generation weitergegeben.
Die Masoreten, also Rabbiner im Mittelalter, die den Bibeltext genau kopierten, führten diese Kandillationszeichen in den hebräischen Text ein.
Bei jedem Wort oder jeder Wortverbindung gibt es genaue Angaben über den Ton oder die Tonverbindung, die gesungen werden müssen.
Zum Beispiel: Das hier ist der dritte Ton in der Tonleiter bei diesem Wort. Das hier ist die Subdominante, der vierte Ton. Und hier die gerade Strichlinie, der Grundton am Schluss des Verses.
Bereits im Mittelalter war man sich nicht mehr sicher, wie man diese Zeichen genau umsetzen und singen musste. Aber die Zeichen wurden streng überliefert.
Die Juden in der Zerstreuung, zum Beispiel in Jemen, begannen, mit diesen Zeichen zu singen. Die persischen Juden sangen mit den gleichen Zeichen etwas anders, die marokkanischen Juden wieder anders, ebenso die Juden in Polen und Russland.
So hat sich eingebürgert, dass man im Judentum je nach Wohnort in der Synagoge unterschiedlich singt.
Niemand wusste mehr genau, wie man die Zeichen interpretieren musste, bis im 20. Jahrhundert die französisch-jüdische Komponistin Suzanne Haik-Ventura sich damit beschäftigte.
Bereits während des Zweiten Weltkriegs probierte sie, das System zu entschlüsseln, und in den folgenden Jahren gelang es ihr, die Kandillationszeichen im hebräischen Bibeltext zu entziffern.
Daraus entstanden wunderbare Melodien.
Nun kann man das ganze Alte Testament nach diesen alten Vorgaben beim Lesen durchsingen.
Das ist eine wichtige Voraussetzung für den dritten Tempel, der gebaut werden soll, wenn man die levitische Musik wieder authentisch einführen möchte.
Die Wiederentdeckung der Kantillationszeichen kommt genau im richtigen Moment, im 20. Jahrhundert, in der Zeit, in der nach biblischer Prophetie die Juden wieder ins Land der Vorväter zurückkehren müssen (vgl. 36, Vers 24 und viele andere Stellen).
Ich habe gezeigt, wie man die Psalmen mit Harfen- und Kinnor-Begleitung sang.
Wenn man den Bibeltext in der Synagoge vorlas, geschah das schon zu Tempelzeiten ohne Instrumente, aber entsprechend nach den Kandillationszeichen.
Hier der erste Vers der Bibel:
"Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde."
Man sieht hier dieses Zeichen, einen Schrägstrich, der in unserem Fall das Gis bedeuten würde. Dieses Eckzeichen ist der fünfte Ton der Tonleiter, in unserem Fall das H. Hier ist die Subdominante, der vierte Ton der Tonleiter.
Das Prinzip ist: Man beginnt auf dem Grundton. "Bereshit bara Elohim et ha-Shamayim ve-et ha-Aretz."
Beim Lesen bleibt man auf dem gleichen Ton, wenn kein neues Zeichen kommt.
So liest man die ganze Bibel vor, natürlich im normalen Tempo, nicht so, wie ich es jetzt demonstriert habe.
Für Anfänger ist das schwierig, wenn sie Hebräisch lernen. Sie lernen zunächst nur die Vokalzeichen, zum Beispiel dieser Punkt hier ist ein "i", diese zwei Punkte ein ganz kurzes "e".
Dann kommen die Kantillationszeichen dazu, die Gesangszeichen.
Das führt uns zu Punkt acht von zehn: Musik in der Synagoge.
Die Synagogen sind eine Neuerung im Judentum nach der Rückkehr aus Babylon.
Man musste überlegen, warum es zu der Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft und der Zerstörung des ersten Tempels gekommen war.
Man wurde sich klar, dass es wegen des Abfalls von Gott und seinem Wort geschah. So etwas durfte nie wieder passieren.
Wie kann man das verhindern? Indem man die Leute regelmäßiger im Wort Gottes unterweist.
Darum sollte man an vielen Orten im Land Israel Orte haben, an denen man regelmäßig an jedem Schabbat zusammenkommt, um Gottesdienst zu halten, mit Bibellesen, Bibelauslegung und Gebet.
Natürlich soll man auch singen.
So entwickelte sich der Synagogengottesdienst in der Zeit nach der Rückkehr aus Babylon.
Es war aber klar: Die Synagogen sind kein Ersatz für den Tempel.
Denn die Tora (5. Mose 12, Vers 13) sagt ausdrücklich: Nur an diesem auserwählten Ort darf man Gott Opfer bringen, nämlich in Jerusalem.
Dazu gibt es keine Alternative.
Die Synagogen an allen Orten im Land sollen keine Kopie oder Ersatz des Tempels sein, sondern nur Mittel zum Zweck.
Darum achtete man darauf, in der Synagoge immer ohne Instrumente zu singen.
Das sollte nicht die Pracht des Tempels in Jerusalem haben.
So war es ganz normal, dass man Gesang ohne instrumentale Begleitung hatte.
Es gab verschiedene Arten des Singens. Lateinisch heißt das "lectio", das rezitative Bibellesen, also Lectio.
Das Wort steht im Zentrum. Diese Melodien helfen nur, das Wort noch zu unterstreichen.
Man merkt zum Beispiel den Unterschied zwischen Himmel und Erde, der auch melodisch ausgedrückt wird.
Der Himmel steht über der Erde: Himmel heißt Schamayim, Erde heißt Aretz.
So soll der Gesang das Wort in den Mittelpunkt stellen. Alles war bewusst schlicht gehalten.
In Lukas 4, Vers 14 lesen wir, wie der Herr Jesus auch regelmäßig am Schabbat in die Synagoge ging.
Dort lesen wir, wie Jesus als Dreißigjähriger in der Synagoge aufstand, man ihm die Buchrolle des Jesaja gab, und er die Prophetenstelle aus Jesaja 61 las.
Er las nicht einfach so, sondern kantillierte, denn das war normal.
Man kannte in der Synagoge schon im Altertum die Psalmodie, den Psalmengesang, und die Hymnodie, den Liedergesang zum Lob Gottes.
Hier einige Beispiele antiker Synagogen:
Die Synagoge von Gamla aus dem 1. Jahrhundert n. Chr.,
die Synagoge von Kapernaum mit Basaltfundamenten aus dem 1. Jahrhundert,
die authentische Synagoge, in der Jesus gepredigt hat,
und darüber eine spätere Synagoge aus Kalkstein aus dem 4. Jahrhundert.
Basaltfundamente, denn das ist die Synagoge von Kapernaum, die im Neuen Testament mehrfach erwähnt wird.
Nun zeige ich Beispiele, wie man den Bibeltext in der Synagoge kantilliert, zum Beispiel in Jemen.
Dort hat man das ursprüngliche Singen am meisten bewahrt.
So bekommt man eine schöne Vorstellung, wie es geklungen hat.
Zum Beispiel Psalm 81, Vers 2:
"Jubelt dem Gott unserer Stärke, jauchzet dem Gott Jakobs."
Im Jemenitischen:
"Haninu l'Elohimus senu Ariu l'Elohe Jakov."
Ein weiteres Beispiel: Der jemenitische Chasan (Vorsänger) kannte das Lied Joshua 1, Vers 2:
"Moses, mein Knecht, ist gestorben, und nun stehe auf, gehe über diesen Jordan hinüber, du und das ganze Volk, in das Land, das ich euch gebe, euch, den Kindern Israel!"
Im Jemenitischen:
"Hascher Anochi noten lachem levne Yisrael."
So klang es bei den Jemeniten.
Man sieht, die ganze Musik ist atemrhythmisch und auf das Wort zentriert, nicht wie ein Kriegsgesang beim goldenen Kalb.
Nicht so: "Haninu l'Elohim Husseinu", sondern "Haninul Elohimus senu."
Das untere Beispiel auch nicht, sondern atemrhythmisch entsprechend der Prosodie: "Moscheh Avdimet, Ve'atah Kumawo" und so weiter.
Nun hat man eine interessante Entdeckung gemacht:
In neuer Zeit, als man diese Gesänge aus Jemen studierte, stellte man in der Musikwissenschaft fest, dass es Parallelen zur frühchristlichen Musik, zum gregorianischen Choral, gibt.
Zum Beispiel ein gregorianischer Gesang: Psalm 45:
"Es wallt mein Herz von gutem Wort, ich sage, meine Zunge sei der Griffel eines Schreibers."
Lateinisch:
"Eroch David, cor meum verbum bonum, dico ego lingua mea calamus scribe."
Das hat man bei den frühen Christen so gesungen:
"Eruk David, cor meum verbum bonum, dico ego lingua mea calamus scribe."
Es klingt ähnlich wie der jemenitische Gesang bei Psalm 8 am Anfang:
"Dem Dirigenten auf Gittit, ein Psalm von David."
"Al-Hägidid, mizemole David, eruk David, cor meum verbum bonum, lamenat seach, al-Hägidid, mizemole David."
Man merkt diese auffälligen Parallelen.
So ist man zum Schluss gekommen, dass die frühchristliche Musik in Europa nicht hier auf dem Kontinent erfunden wurde, sondern dass Missionare aus Israel diese Gesänge der Synagoge und des Tempels nach Europa brachten.
Die christliche Musik auf unserem Kontinent ist also eine direkte Weiterführung der alttestamentlichen Musik.
Das wird heute Nachmittag sehr wichtig sein bei unserem Thema.
Nun kommen wir zu neuntens: Musik in der christlichen Gemeinde ab Pfingsten 32 n. Chr.
Das Pfingstereignis fiel mit dem jüdischen Pfingstfest zusammen, bei dem alle Juden nach Jerusalem pilgerten.
Der Heilige Geist wurde ausgegossen über die Jünger, und sie begannen, in verschiedenen Sprachen zu sprechen, nicht zu lallen, sondern echte Fremdsprachen.
Viele Juden aus dem Ausland kamen, aus Rom, der heutigen Türkei, Nordafrika, dem Irak. Sie wurden in ihren Sprachen und Dialekten angesprochen.
Übrigens ist gerade Anfang dieses Monats mein neues Büchlein "Sprachenreden oder Zungenreden" erschienen, passend zu diesem Thema. Es ist auf dem Büchertisch erhältlich.
Das Pfingstereignis markiert den Beginn der christlichen Gemeinde in Jerusalem.
Der Synagogengesang, der Tempelgesang wurde zum christlichen Gesang.
Die frühen Christen sangen nur einstimmig, wie im Tempel.
Mehrstimmige Musik gab es noch nicht, aber davon mehr heute Nachmittag.
Nur einstimmige Gesänge wurden bis ins Mittelalter weitergeführt. Erst dann entwickelte sich die Mehrstimmigkeit bis hin zum vierstimmigen Choral, der die Grundlage für die abendländische Kunstmusik wurde.
Diese Entwicklung aus der jüdischen Musik zur frühchristlichen führte zum mehrstimmigen Gesang.
Wie ich heute Nachmittag ausführlich zeigen werde, war diese Entwicklung klar aus dem Glauben motiviert, um das Lob Gottes zu erhöhen.
Diese Entwicklung ist einzigartig in der Musikgeschichte.
In keiner anderen Kultur hat sich der vierstimmige Gesang so entwickelt.
Man findet das nicht im Hinduismus, Buddhismus, Islam oder bei den Indianern.
Nur hier auf dem Kontinent im Rahmen des Christentums und aus dem Judentum heraus.
Das Neue Testament spricht an verschiedenen Stellen über die Musik der ersten Christen.
Epheser 5, Vers 18:
"Und berauscht euch nicht mit Wein, in welchem Ausschweifung ist, sondern werdet voll Geistes, redet zueinander in Psalmen (griechisch Psalmos), Lobliedern (griechisch Hymnos) und geistlichen Liedern (griechisch Odei Pneumatike), singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen, sagt allezeit Dank für alles Gott, dem Vater, im Namen unseres Herrn Jesus Christus."
Hier finden wir genau wie im Judentum den Psalmengesang, den Hymnengesang (Lieder, die nicht unbedingt Bibeltexte sind, aber zum Lob Gottes dienen), und geistliche Lieder mit einer geistlichen Botschaft.
Diese müssen nicht unbedingt Gebete an Gott sein, sondern können auch Ermutigungen für den Glaubensbruder oder die Glaubensschwester sein.
Es gibt zwei Tätigkeiten: Singen (Ado) und Spielen (Psallo).
Das wird heute Nachmittag noch weiter behandelt.
Das Wort Psallo bedeutet ursprünglich "Seiten zupfen", dann "singen mit Seitenspielbegleitung" und später auch einfach "singen".
Hier haben wir beides: singend und spielend. Darum kann Psallo hier nicht nur "singen" bedeuten, sondern "singen mit Seitenspielbegleitung".
Nun kommen wir zum letzten Punkt zehn: Musik im Himmel.
Der Apostel Johannes wird in Offenbarung 4, Vers 1 vom Podmos aus in den Himmel entrückt.
Er sieht dort in Offenbarung 4 und 5 die Erlösten, dargestellt als vierundzwanzig Älteste mit Priesterkleidern und goldenen Kronen.
Er wusste genau, was das war: Die 24 Ältesten mit Priesterkleidern waren die 24 Häupter der 24 Priesterklassen in Jerusalem.
Die Priesterschaft im Zweiten Tempel war bis zum Jahr 70 in 24 Klassen eingeteilt, die jeweils eine Woche Dienst im Tempel hatten, dann kam die nächste Klasse.
An der Spitze jeder Klasse stand ein Ältester.
Nur bei den großen Festen – Passa, Pfingsten und Laubhütten – waren alle 24 Priesterklassen anwesend, weil es so viel Arbeit gab mit den Juden aus dem ganzen Land und dem Ausland.
Das war alles bis zum Jahr 70.
Im Jahr 95 sieht Johannes 24 Älteste im Himmel.
Er weiß sofort, was das sind: Die erlösten Menschen, die nach Offenbarung 1, Vers 5 ein Priestertum sind.
Sie werden als Priester und Könige bezeichnet, so nennt er die Gemeinde.
Er sieht 24 Älteste. Ihm ist klar, dass das ganze Volk Gottes im Himmel versammelt ist.
Er sieht die Zukunft ab der Entrückung. In Offenbarung 4, Vers 1 wird er entrückt, und sieht die Gemeinde aller Erlösten von Pfingsten bis zur Entrückung im Himmel beieinander, wie sie Gott loben.
Ich lese Offenbarung 5, Vers 8:
"Und als das Lamm Gottes, Jesus Christus, das Buch der Gerichte nahm, fielen die vier lebendigen Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Rauchwerk, welches die Gebete der Heiligen sind. Sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen, denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm, Sprache, Volk und Nation und hast uns unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und wir werden über die Erde herrschen."
Im Mehrheitstext heißt es: "hast uns unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht."
Die 24 Ältesten sind also die Erlösten.
Musik im Himmel spricht von der Erlösung durch das Blut von Jesus Christus am Kreuz.
Damit rücken sie aus, dass das Lamm Gottes unsere ganze Schuld gesühnt und vergeben hat.
Nun sind wir in einem Zustand vor Gott, wie es war, als es noch keine Sünde gab.
Wir haben mit Musik im Himmel begonnen, vor 1. Mose 1, Vers 1, und enden wieder mit Musik im Himmel.
Dazwischen ist viel auf der Erde geschehen.
Die Wende kam durch das Blut des Lammes, genau wie bei den Israeliten die Wende aus Ägypten durch das Blut des Passalamers (2. Mose 12).
Dann kam das neue Lied nach dem Durchzug durchs Rote Meer.
Hier singen die Erlösten im Himmel mit Instrumentenbegleitung, natürlich im himmlischen Tempel, denn Offenbarung 4 und 5 spielen sich beim Thron Gottes im Allerheiligsten ab.
Damit sind wir am Ende des ersten Teils angekommen.
Wir werden von hier aus mit etwas Wiederholung für die, die heute Nachmittag neu dazustoßen, weiterfahren und im Schnellgang durch zweitausend Jahre Musikgeschichte bis heute gehen.
Bitte.
Die besondere Entwicklung neben der Gemeinde – das ist das Problem.
Ich habe das Thema Rockmusik behandelt, werde es heute aber nicht weiter vertiefen.
Es war mir wichtig, von der Bibel aus zu zeigen, was die Bibel zu diesem Thema sagt, ohne viel Zeit für aktuelle Entwicklungen zu verwenden.
Heute Nachmittag werde ich die Entwicklung in Europa durch das Christentum und die Entchristianisierung zeigen. Das hilft uns, das, was wir heute Morgen erarbeitet haben, auf das Konkrete zu übertragen und einige Dinge besser einordnen zu können.
Heute ist das Thema Musik in vielen Gemeinden Thema Nummer eins oder zwei.
Wir stellen fest, dass sich in vielen Gemeinden der Glaube und die Glaubensauffassungen grundsätzlich ändern und damit auch die Musik.
Die Musik ändert sich von atemrhythmischer zu motorischer Musik.
Das Thema ist sehr wichtig, denn viele Gemeindespaltungen fanden in den letzten Jahren wegen dieses Themas statt.
Es ist wichtig, sich zu fragen, was die Bibel zu diesem Thema sagt.
Gibt es noch Fragen?
Nach dem Jahr 70 wurde in Synagogen nicht mehr mit begleitenden Instrumenten gesungen.
Der Tempel wurde zerstört, und die levitische instrumentale Musik war nur für den Tempel bestimmt.
Man gab diese Musik auf, so wie nach Babylon.
Die Synagogenmusik war davon unabhängig und wurde in der Zerstreuung auf allen fünf Kontinenten weitergepflegt, aber nicht die Tempelmusik.
Diese Tradition ging dann unter, bis sie heute wieder neu entdeckt wurde.
Noch eine Frage: Wurde in den Synagogen nie mit Instrumenten begleitet?
In der Synagoge wurde nie mit Instrumenten begleitet, aber viel gesungen.
Sogar mehr als bei uns, denn wenn wir in Gemeinden die Bibel vorlesen, lesen wir sie einfach vor.
"Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde."
Dort wird der vorgelesene Bibeltext immer kantilliert.
Ja, bitte?
Wie ist zu verstehen, dass Musik in 1. Mose 4 bei den Kainiten missbraucht wurde, und wie ist das in unserer heutigen Situation?
Wenn Musik dazu dient, unsere innere Leere ohne Gemeinschaft mit Gott auszufüllen, dann erfüllt sie dieselbe Funktion wie bei den Kainiten – negativ.
Das ist heute besonders aktuell.
Früher, als es noch keine Schallplatten gab, war Musikhören ein besonderes Ereignis, das die Menschen bewegte.
Heute gibt es gewaltigen Musikkonsum, sogar beim Schlafen. Es gibt Leute, die nachts oder beim Einschlafen mehrere Stunden Musik hören, mit Walkman oder moderneren Geräten.
Für Millionen Menschen dient Musik so zur Ausfüllung der Leere, die sie ohne Gemeinschaft mit Gott haben – hochaktuell.
Dadurch entstand auch eine große Abstumpfung gegenüber Musik.
Man muss sich vorstellen: Zur Zeit Beethovens gab es einen Skandal bei einem Konzert, weil er ein Stück mit einem Quartsextakkord begann.
Was ist daran skandalös? Das hört heute niemand mehr.
Der Akkord braucht eine Auflösung, obwohl er keine Dissonanz hat.
Wie kann man ein Musikstück mit einem Akkord beginnen, der aufgelöst werden muss?
Die Leute rebellierten damals, heute hört das keiner mehr.
Das zeigt, wie die Sensibilität verloren gegangen ist.
Gut, jetzt ist Zeit fürs Mittagessen.
Rekonstruktion der alttestamentlichen Musik
In den vergangenen Jahren ist es gelungen, die alttestamentliche Musik zu rekonstruieren. Später werde ich noch mehr darüber berichten. An dieser Stelle möchte ich das nutzen, um zu veranschaulichen, wie es etwa geklungen hat, als David mit der Kinnor gespielt hat.
Übrigens heißt Kinnor im modernen Hebräisch Violine. Man braucht ja oft neue Wörter, und dabei werden häufig alte Wörter mit einer neuen Bedeutung verwendet. Es ist natürlich auch so, dass die Violine in der Instrumentengeschichte letztlich auf Kinnor und Nevel zurückgeht.
Ich versuche nun, Psalm 133 mit Seitenspiel vorzutragen. „Schir hamalot le David“ – es ist das Stufenlied, eines der fünfzehn Stufenlieder, die man sang, wenn man zum Tempel hinaufging. Der Titel wird also auch mitgesungen: ein Lied der Hinaufzüge, ein Stufenlied von David.
Dann folgt der Text: „Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen, wie das Öl, das gute Öl, das auf den Kopf herniederfließt, auf den Bart, auf den Bart Aarons und bis auf den Saum seiner Kleider, wie der Tau des Hermon, der herabsteigt auf die Berge Zions; denn dort hat der Herr den Segen befohlen, ewiges Leben.“
Im Hebräischen lautet der Text: „Schir hamalot le David, heneim atof um aneim, schewet Achim, gam jachat, kaschemen atof, ala ros, jured, ala zaken, zaken, aharon. Al Pi mit Dodav, Ket al Hermon, sejored al Pi mit Dodav, Ket al Hermon, sejored al Herr Zion, Im Adhaulam.“
So etwas war das geklungen. Ganz eindrücklich ist die Expressivität, die zum Teil durch ganz besondere Tonleitern erreicht wird. Diese Stellen kommen genau dort vor, wo der Text selbst so dramatisch wird.
Es ist beeindruckend, wie diese rekonstruierte Musik genau dem Text entspricht und die Worte durch die jeweiligen Tonsprünge unterstreicht. So wird der Inhalt lautmalerisch und musikalisch zum Ausdruck gebracht.
Natürlich handelt es sich um orientalische Musik, und deshalb singt man sie auch etwas anders als europäische Musik.
Hier der Text von Psalm 133, so wie er in der hebräischen Bibel steht: Es sind ja alles Konsonanten, der Text besteht nur aus Konsonanten. Im Hebräischen haben die Rabbiner im Mittelalter, die Masoreten, durch Punkte und Striche die Vokale hinzugefügt.
Aber nicht nur das: Sie haben auch Kantillationszeichen hinzugefügt. Das sind Zeichen, die eigentlich auf Handzeichen zurückgehen, die man im Tempel für die Musiker machte, damit sie wussten, welche Töne sie spielen oder singen mussten.
Zum Beispiel bei „schir hama'alot le david“ – bei „schir“, also „Lied“, sieht man ein Schrägstrichlein. Das ist der zweite Ton in der Tonleiter. Bei „chama'alot“ ist ein gerader Strich, das ist der erste Ton.
Gerader Strich bedeutet erster Ton, Schrägstrich nach rechts der zweite Ton. Unter den Wörtern stehen immer Zeichen, die ganz bestimmte Töne in der Tonleiter bedeuten.
Es gibt auch zusätzliche Zeichen über den Wörtern, die Verzierungen ausdrücken, also wie man die Töne ausziert.
Dank der Entdeckungen von Suzanne Haik-Ventura, einer französischen Komponistin und Jüdin, konnte man diese Musik wieder rekonstruieren und erfahren, wie sie einst im Tempo geklungen hat.
Wir sind jetzt am Ende der Zeit für den ersten Teil. Wir machen eine Viertelstunde Pause und setzen dann dort fort, wo wir aufgehört haben.
Übrigens zum Thema der Rekonstruktion der alttestamentlichen Musik verweise ich auf die Homepage www.rakav.com. Dort findet man auch Hinweise auf die Literatur von Haik-Ventura und anderen. Sehr interessantes Material ist dort zu entdecken.
David als „der Liebliche in Gesängen Israels“
Nun geht es weiterhin um David – das musikalische Phänomen David, wie es in 2. Samuel 23,1 beschrieben wird. Es handelt sich um die letzten Worte Davids, ganz am Ende seines Lebens.
David, der Sohn Isais, spricht hier als hochgestellter Mann, als Gesalbter des Gottes Jakobs und als der Liebliche in den Gesängen Israels. Der Geist des Herrn hat durch ihn geredet, und sein Wort war auf seiner Zunge. Hier finden wir die biblische Bezeichnung Davids als „der Liebliche in Gesängen Israels“.
Aus der Bibel selbst geht hervor, dass mindestens 75 der 150 Psalmen von König David stammen. Er hat der Musik in Israel eine völlig neue Dimension gegeben, wie wir gleich sehen werden. Übrigens spreche ich immer wieder über die Rekonstruktion biblischer Instrumente oder die genaue Deutung der Musikinstrumente, die in der Bibel erwähnt werden.
Hier sehen wir zwei Schofar-Hörner. Diese werden in deutschen Bibeln unterschiedlich übersetzt, manchmal als Posaune oder Horn, was auch immer. Aber wenn im Hebräischen „Schofar“ steht, ist immer ein Tierhorn gemeint. Das kann ein Witterhorn sein, wie hier, oder ein Steinbockhorn, es könnte auch von einer Antilope stammen. Wichtig ist, dass es sich um ein reines Tier handelt, nach 3. Mose 11.
Auch dieses Instrument wird nur durch Überblasen gespielt, ohne Zwischentöne zu erzeugen, also nur die Naturtöne, ähnlich wie bei der silbernen Posaune, der Hazozerra.
David hat die Tempelmusik ganz neu organisiert mit Blick auf den künftigen ersten Tempel, den sein Sohn Salomo errichten sollte, ab dem Jahr 973 vor Christus. Er legte fest, dass es drei Musikdirektoren geben sollte: Asaf, Jedutun und Hemann.
So lesen wir in 1. Chroniker 25,6: „Alle diese waren unter der Leitung ihrer Väter Asaf, Jedutun und Hemann beim Gesang im Haus des Herrn mit Zimbeln, Harfen und Lauten zum Dienst des Hauses Gottes, nach der Anweisung des Königs.“
Zur Zeit Davids und Salomos gab es insgesamt vier Tempelmusiker (1. Chroniker 23,5). Man brachte also schon ein gutes Orchester zusammen. Natürlich spielten sie nicht alle gleichzeitig, sondern es ging darum, dass in Abteilungen ständig jeden Tag Musik im salomonischen Tempel gemacht werden konnte.
Man merkt, wie die Musik von den bescheidenen Anfängen in der Zeit der Stiftshütte ab dem ersten Tempel eine ganz bedeutende Rolle bekam. David hat sogar Musikinstrumente erfunden.
In Amos 6,5 heißt es: „Die sich wie David Musikinstrumente ersinnen.“ Das zeigt, dass David auch in der Entwicklung von Musikinstrumenten kreativ war. Das ist sehr wichtig, denn es beweist, dass es absolut im Willen Gottes liegt, dass Musik nicht statisch ist und sich nicht immer gleich bleibt – auch die Instrumente nicht. Es darf und soll eine Entwicklung geben.
Interessant ist, dass Amos 6,5 diese Stelle in einem negativen Zusammenhang nennt – Musik als reine Berieselung im Luxus. Dort wird von Menschen gesprochen, die sich wie David Musikinstrumente ersinnen. Es gibt also eine Entwicklung der Musik sowohl im Bereich, wo sie nicht zur Ehre Gottes dient, als auch dort, wo sie zur Ehre Gottes dient.
Hier einige Beispiele alttestamentlicher Instrumente: Zwei Instrumente werden beide mit „Zimbeln“ übersetzt, doch es handelt sich um zwei verschiedene hebräische Wörter. „Mezaltajim“ meint eigentlich ein Doppelzimbel, wie es zum Beispiel in 1. Chroniker 13,8 vorkommt. Das sind zwei Bleche, die man gegeneinander schlägt.
Das andere Instrument „Zelazal“ bedeutet Rassel oder Tönen des Erz. Es wird im Psalm 150,5 erwähnt und ist das gleiche, was in 1. Korinther 13,1 gemeint ist: „Wenn ich keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden.“
Das Instrument „Zelazal“ besteht aus einem Griff, daran ein gebogener Metallreifen, an dem frei bewegliche Metallstücke montiert sind. Durch Schütteln kann man so Rhythmus erzeugen.
Nachdem wir diese bedeutende Errungenschaft der Musik in der Zeit des salomonischen Tempels gesehen haben, kommen wir nun zu sechstens: Musik in der babylonischen Gefangenschaft von 606 bis 538 vor Christus.
Musik in der babylonischen Gefangenschaft (606–538 v. Chr.)
Ab 606 v. Chr. begannen die Deportationen der Juden nach Babylon. Im Jahr 586 v. Chr. wurde der Tempel zerstört, und damit endete auch die Tempelmusik.
So lesen wir im Psalm 137, der in dieser schweren Zeit der babylonischen Gefangenschaft verfasst wurde. Damals lag das Land Israel am Boden, in Staub und Asche. Die Juden, die zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris lebten, sehnten sich danach, eines Tages zum Tempelberg Zion zurückzukehren.
Psalm 137,1 lautet: „An den Flüssen Babels saßen wir und weinten, indem wir Zions gedachten. An die Weiden hängten wir unsere Lauten.“ Die Gefangenen wurden von ihren Peinigern aufgefordert, Lieder zu singen. Diese sagten: „Singet uns eines von Zions Liedern!“ Doch die Juden erwiderten: „Wie sollten wir ein Lied des Herrn singen auf fremder Erde?“
Hier zeigt sich die Verweigerung der Juden, Zions Lieder als bloßes exotisches Entertainment in Babylon, dem heutigen Irak, aufzuführen. Interessant sind die Ausdrücke, die verwendet werden: Die Babylonier fordern die Juden auf, eines der Zionslieder zu singen. Die jüdische Tempelmusik war für sie etwas ganz Besonderes, etwas Fremdartiges.
Diese Lieder wurden von den Juden selbst als „Lieder des Herrn“ bezeichnet. Die Frage „Wie sollten wir ein Lied des Herrn singen auf fremder Erde?“ bringt zum Ausdruck, dass die Juden aus dem Land Israel herausgerissen wurden, weil sie Götzendienst betrieben hatten. Deshalb musste auch die Tempelmusik zugrunde gehen.
Denn wenn man nicht dem alleinwahren Gott von Herzen dient, bringt auch die Musik zu seiner Ehre nichts. Deshalb musste sie für eine Zeit verstummen.
Doch viele Juden erfuhren in dieser Zeit in Babylon eine innere Umkehr und Reue. So kam es zur großen Wende im Jahr 538 v. Chr., als die Perser und Meder Babylon eroberten und den Juden erlaubten, in das Land ihrer Väter zurückzukehren.
Das führt uns zum siebten Punkt: der Musik in der Periode des Zweiten Tempels, von 538 v. Chr. bis 70 n. Chr.
Musik in der Periode des Zweiten Tempels (538 v. Chr. – 70 n. Chr.)
Etwa zweihunderttausend Juden, wenn man Frauen und Kinder mitzählt, kehrten nach der Angabe in Esra 2 aus Babylon zurück ins Land Israel. Das erste, was sie taten, war, in Jerusalem den zweiten Tempel wieder aufzurichten. Damit wurde auch die alte davidische Tempelmusik neu eingeführt.
Ich lese aus Esra 3, Vers 10: „Und als die Bauleute den Grund zum Tempel des Herrn legten, ließen die Priester in ihrer Kleidung hintreten mit Trompeten und die Leviten, die Söhne Asafs, mit Zimbeln, um den Herrn zu loben nach der Anweisung Davids, des Königs von Israel. Sie hoben einen Wechselgesang an mit Lob und Dank dem Herrn.“
Wechselgesang bedeutet, dass zwei Chöre sich gegenseitig antworten. Das kennen wir übrigens schon vom goldenen Kalb. Denn: „Er ist gütig, denn seine Güte währt ewiglich über Israel.“
Das ganze Volk erhob ein großes Jubelgeschrei beim Lobe des Herrn, weil der Grund zum Haus des Herrn gelegt wurde. Auch das war ein absoluter Höhepunkt. Nach Jahrzehnten, in denen der Tempel in Schutt und Asche lag, nach Deportation und Aufenthalt in einem fremden Land, dann der Rückkehr und nun der Wiederaufbau des zweiten Tempels, versteht man, warum eine solche Freude aufkam – ein großes Jubelgeschrei beim Lobe des Herrn.
Aber das war nicht inszeniert, sondern ein Moment von heilsgeschichtlicher Bedeutung, der die Menschen zutiefst bewegte.
Hier sieht man den Tempelberg in einem Luftbild. Jerusalem zur Zeit Davids lag am Südabhang des Berges. Das hier ist das Kidron-Tal. Salomo hatte die Stadt bis nach Norden ausgebaut, bis zur Bergspitze, wo heute der Felsendom steht, und dort setzte er den Tempel.
Als man aus Babylon zurückkehrte, baute man auf den Ruinen des ersten Tempels den zweiten Tempel auf. Die Musik wurde nach dem Vorbild Davids wieder neu eingerichtet.
Das Alte Testament verlangt von allen Juden – für Männer ist es obligatorisch, für Frauen freiwillig wegen der Kinder – dreimal im Jahr zum Tempel nach Jerusalem zu kommen. So steht es in 2. Mose.
Es hat sich eingebürgert, dass man auf diesen Reisen nach Jerusalem für das Passafest im Frühjahr, das Pfingstfest im Juni und das Laubhüttenfest im Herbst Lieder sang. Speziell dafür vorgesehen waren biblisch die Psalmen 120 bis 136. Diese nennt man die sogenannten Stufenlieder. Das Wort „Ma'alot“ hat einen Doppelsinn: Es bedeutet sowohl „eine Treppe“ als auch „einen Hinaufzug“, also eine Reise hinauf zum Berg Zion.
Diese Stufenlieder sang man sowohl in der Zeit des ersten als auch des zweiten Tempels, wenn man zu den großen Festen nach Jerusalem ging – immer mit Begleitung von Flöten.
Ich habe bereits im ersten Teil gezeigt, wie etwa Psalm 133, der auch zu diesen Stufenliedern gehört, geklungen hat.
Was vielleicht auch auffällt an dieser Musik: Der Rhythmus orientiert sich völlig am Sprachrhythmus. Der Sprachrhythmus ergibt den Rhythmus des Liedes. Es ist also nicht so, dass die Worte dem Rhythmus angepasst werden, sondern umgekehrt dient der Rhythmus dem Text.
Darauf sollte man achten bei Liedern, die gerade in unserer Zeit komponiert wurden. Wie oft ist die Betonung falsch! Dort, wo die Wörter in der normalen Sprache, Artikulation und Prosodie betont werden, geschieht das nicht richtig. Die betonten Silben müssen betont sein, die unbetonten unbetont.
Ein Beispiel ist das Lutherlied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Die richtige Betonung lautet so, nicht wahr? „Ein feste Burg ist unser Gott.“ Oft werden Lieder heute so komponiert, dass die Betonung gegenüber der normalen Prosodie verschoben ist. Das ist falsch und widersinnig, denn es widerspricht der Natur der Sprache.
In der biblischen Musik wurde genau darauf geachtet, dass der Rhythmus der richtigen Betonung der Wörter entspricht.
Psalm 122, Vers 1, ein Stufenlied von David: „Ich freute mich, als sie zu mir sagten: Lasset uns zum Hause des Herrn gehen! Unsere Füße werden in deinen Toren stehen, Jerusalem.“
In Lukas 2 liest man davon, wie der Herr Jesus Christus als Zwölfjähriger mit seinen Eltern Maria und Joseph zum Passafest nach Jerusalem ging.
Ab dreizehn wurde man im Judentum zur Zeit Jesu als erwachsen angesehen. Das ist auch die Zeit, in der man heute im Judentum Bar Mitzvah feiert – das Erwachsenwerden. Jesus begann also ab zwölf, regelmäßig mit seinen Eltern zu den obligatorischen Festen zu gehen. Für Kinder war es nicht obligatorisch, für Erwachsene schon, und das war ab dreizehn.
Man pflegte im Judentum ein Eingewöhnungsjahr. Darum begann man, die Zwölfjährigen schon auf die Pflichten des Erwachsenen einzustimmen. Das ist der Hintergrund der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel in Lukas 2.
Wir lesen dort auch von der Reisegesellschaft. Die Leute gingen miteinander, zum Beispiel von Nazaret nach Jerusalem und dann wieder zurück. Unterwegs auf dieser langen Reise sang man die Stufenlieder.
So kann man sich konkret vorstellen, wie der Herr Jesus Christus als Kind diese Psalmen gesungen hat, in der Art, wie ich das vorhin präsentiert habe. Das war immer sehr freudig.
Davon spricht Jesaja 30, Vers 29 im Zusammenhang mit dem freudigsten Fest, dem Laubhüttenfest: „Gesang werdet ihr haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird, und Freude des Herzens gleich denen, die unter Flötenspiel hinziehen, um zu kommen auf den Berg des Herrn, zum Felsen Israels.“
Das Laubhüttenfest war das einzige der sieben Feste des Herrn aus 3. Mose 23, das auch nachts gefeiert wurde. Darum ist hier das Laubhüttenfest gemeint: „Gesang werdet ihr haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird.“
Man war freudig, bereits beim Hinaufgehen und unter Flötenspiel, wenn man diese Stufenlieder sang.
Übrigens: Durch die Regelung mit dem Erwachsenwerden mit dreizehn Jahren und der Eingewöhnung mit zwölf Jahren gab es kein Teenageralter.
Was ist ein Teenager? Das ist kein Kind und kein Erwachsener. Man kann sich unvernünftig verhalten. Das mag man belächeln, aber die Definition des Teenageralters ist erst einige Jahrzehnte alt, entstanden in der Psychologie.
Früher sprach man nicht von Teenies, die quasi ausbrechen konnten, weil sie keine Kinder mehr waren, aber auch keine Erwachsenen.
Im Judentum war man mit dreizehn erwachsen und erwartete, dass man sich aus eigener Überzeugung und innerer Festigkeit an die Gebote der Tora hielt. Darüber kann man nachdenken.
Hier haben wir einen Blick in den zweiten Vorhof des Tempels zur Zeit Jesu. Dieser große Hof war der sogenannte Frauenvorhof.
Beim Eingang in den innersten Vorhof sieht man den Altar. Dahinter ist das Tempelhaus. Bei diesem Eingang, dem prächtigen Nicanortor, gab es fünfzehn halbkreisförmige Stufen oder Treppen.
Darauf stand der Priesterchor und das levitische Orchester. Sie führten während der großen Feste die Psalmen auf.
Die Architekten errichteten diese Treppen als Anspielung auf die fünfzehn Stufenlieder. Hier erkennt man die Doppelbedeutung von „Ma'alot“: Stufe oder Hinaufzug.
Bei den Festen, zu denen man hinaufziehen musste, befanden sich hier das Orchester und der Chor.
Das war für alle Juden ein besonderes Erlebnis, ein Höhepunkt, wenn sie diesen professionellen Chor und das professionelle Orchester erlebten, was man zu Hause nicht hatte.
Blattspielgeräte, Kassetten oder CDs gab es nicht. Darum war das Erlebnis viel intensiver.
In der Bibel werden etwa 15 verschiedene Tempelinstrumente erwähnt. Im Talmud findet man insgesamt die Erwähnung von 36 verschiedenen Instrumenten.
Das zeigt, wie im Judentum das Erfinden neuer Instrumente immer weiterging.
Das entspricht dem Prinzip, das wir bei David lernen konnten, vom Orchesterpodium im zweiten Tempel.
Eindrücklich sind die Ausmessungen auf dem Tempelberg in den vergangenen Jahren. Sie haben eindeutig ergeben, dass die Osttreppe auf dem heutigen Tempelplatz, die zur Plattform hinaufführt, auf der der Felsendom steht, exakt an der Stelle steht, wo die fünfzehn halbkreisförmigen Stufen waren.
Das passt ganz genau mit den Eckpunkten zusammen.
Das heißt, die Muslime bauten im siebten Jahrhundert nach Christus auf bestehenden Strukturen diese Treppe auf.
Wenn man das weiß, ist es eindrücklich, wenn man daran denkt, dass hier der exakte Platz für das Orchester und den Chor im Tempel war.
Beim Laubhüttenfest wurde nachts gefeiert. Deshalb wurden dort diese 25 Meter hohen Leuchter entzündet. Jede Lampe hatte mehr als neun Liter Olivenöl.
Als Docht verwendete man abgetragene Priestergewänder. So sieht man, dass Recycling keine neue Erfindung ist.
Dieses Licht vom Tempel in Jerusalem überstrahlte die Nächte.
Das war das freudigste Fest, und der Chor sowie das Orchester führten nachts Psalmen auf.
In diesem Zusammenhang sagte Jesus Christus in Johannes 8, Vers 12: „Ich bin das Licht der Welt.“
Das war eine Anspielung auf diese Leuchter am Laubhüttenfest.
Denn in Johannes 7, Vers 8 geht es um das Laubhüttenfest: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Das war das Podium an den großen Festen hier im Frauenvorhof.
An normalen Tagen führten Priester und Leviten Musik im inneren Vorhof beim Altar auf.
Siehe hier den Altar. Östlich vom Altar war ein spezielles Podium für den Chor vorgesehen. Hier sieht man auch das Waschbecken.
An dieser Stelle wurden die Opfertiere angebunden, und hier waren die Schlachtbänke.
So kann man sich das etwas konkreter vorstellen.
Im Jahr 70 nach Christus zerstörten die Römer Jerusalem und vernichteten den Tempel vollständig durch Verbrennung.
Das war das Ende der levitischen Musik im Judentum.
So wie es am Ende der ersten Tempelperiode geschah – die Juden kamen nach Babylon und kehrten nach einigen Jahrzehnten zurück –, so geschah es hier.
Aber die Juden wurden von da an über alle fünf Kontinente zerstreut, und zwar nicht nur für einige Jahrzehnte, sondern für fast zweitausend Jahre.
In der heutigen Zeit findet die Rückkehr ins Land wieder statt, wie es die Bibel vorausgesagt hat.
Noch etwas Besonderes: Der Tempelberg war nie mehr in jüdischer Hand.
Ab dem Jahr 70 gab es eine kurze Episode, die im vierten Jahrhundert wieder zusammenbrach.
Ansonsten war der Tempelberg nie mehr in jüdischer Hand.
Ab dem Sechstagekrieg 1967 kam eine Wende.
Die israelische Armee eroberte den Tempelberg, weil die islamischen Armeen rund um Israel den Judenstaat zum zweiten Mal vollkommen auslöschen wollten.
Das war die Antwort darauf.
Heute leben wir in einer besonderen Zeit.
Hier ist Israel Ariel, einer der Soldaten, die den Tempelberg 1967 eroberten.
Er ist Rabbiner und hat das Tempelinstitut in Jerusalem gegründet, das Mechon Hamikdash.
Dort werden Tempelgeräte hergestellt für den künftigen dritten Tempel, der wieder auf den Spuren des Alten errichtet werden soll.
Hier sieht man den ersten goldenen Leuchter Israels seit dem Jahr 70, bereit für den Dienst.
Nun sollte auch die Musik wiederhergestellt werden.
Das Problem ist folgendes: Man hat zwar die Handzeichen aus der Tempelzeit für die Tonhöhen. Diese wurden offensichtlich nach der Zerstörung des Tempels von Generation zu Generation weitergegeben.
Die Masoreten, also Rabbiner im Mittelalter, die den Bibeltext genau kopierten, führten die Kantillationszeichen in den hebräischen Text ein.
Bei jedem Wort oder jeder Wortverbindung gibt es genaue Angaben über den Ton oder die Tonverbindung, die gesungen werden muss.
Zum Beispiel: Das hier ist der dritte Ton in der Tonleiter bei diesem Wort. Das hier ist die Subdominante, der vierte Ton in der Tonleiter. Diese gerade Strichlinie kann man ebenfalls in der Handschrift erkennen; sie ist der Grundton am Schluss des Verses.
Bereits im Mittelalter war man sich nicht mehr sicher, wie man diese Zeichen genau umsetzen muss, wie man sie singen soll.
Die Zeichen wurden trotzdem streng überliefert.
Die Juden in der Zerstreuung, zum Beispiel in Jemen, begannen, mit diesen Zeichen zu singen. Die persischen Juden sangen mit den gleichen Zeichen etwas anders, die marokkanischen Juden wiederum anders, und die Juden in Polen und Russland anders.
So hat sich eingebürgert, dass man im Judentum je nach Wohnort nach lokalen Auffassungen singt.
Doch niemand wusste mehr genau, wie man diese Zeichen interpretieren soll.
Im 20. Jahrhundert machte sich die französisch-jüdische Komponistin Susanne Haïk-Ventura während des Zweiten Weltkriegs Gedanken darüber.
Sie probierte und experimentierte viele Jahre, bis sie schließlich das ganze System entschlüsselt hatte.
So ähnlich wie Champollion die Hieroglyphen entzifferte, gelang es ihr, die Kantillationszeichen im hebräischen Bibeltext zu entziffern.
Daraus entstanden wunderbare Melodien.
Jetzt kann man das ganze Alte Testament nach diesen alten Vorgaben beim Lesen durchsingen.
Das ist eine wichtige Voraussetzung für den dritten Tempel, der gebaut werden soll, wenn man die levitische Musik wieder authentisch einführen möchte.
Die Wiederentdeckung der Kantillationszeichen kommt genau im richtigen Moment, nämlich im 20. Jahrhundert, in der Zeit, in der nach biblischer Prophetie die Juden wieder ins Land der Vorväter zurückkehren müssen (siehe 3. Mose 36, Vers 24 und viele andere Stellen).
Ich habe zuvor gezeigt, wie man die Psalmen mit Harfen- und Kinobegleitung sang.
Doch wenn man den Bibeltext in der Synagoge vorlas, geschah das bereits zu Tempelzeiten ohne Instrumente, aber entsprechend nach den Kantillationszeichen.
Hier ist der erste Vers der Bibel: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“
Man sieht hier dieses Zeichen, diesen Schrägstrich. In unserem Fall würde das das Gis bedeuten.
Dieses Zeichen hier ist der fünfte Ton der Tonleiter, in unserem Fall das H.
Und hier ist die Subdominante, der vierte Ton, zum Beispiel das A.
Man beginnt auf dem Grundton: „Bereshit bara Elohim et ha-Shamayim ve-et ha-Aretz.“
Das Prinzip ist: Ich beginne auf dem Grundton, und jede Silbe bleibt auf dem gleichen Ton, solange kein neues Zeichen kommt.
Kommt ein neues Zeichen, wird die Tonhöhe verändert.
So liest man die ganze Bibel vor, natürlich im normalen Tempo, nicht so, wie ich es hier demonstriert habe: „Bereshit bara Elohim et ha-Shamayim ve-et ha-Aretz.“
Für Anfänger sind diese Zeichen zunächst unverständlich, wenn sie Hebräisch lernen.
Sie lernen zuerst die Vokalzeichen, zum Beispiel dieser Punkt hier ist ein I, diese zwei Punkte sind ein kurzes E, dann B, ein langes E, B, Re, Schid, das sind lange A, zwei lange A, Ba, Ra usw.
Dann kommen die Kantillationszeichen hinzu – die Gesangszeichen.
Das führt uns bereits zu Punkt acht von insgesamt zehn Punkten. Wir kommen also mit Punkt acht zur Musik in der Synagoge.
Musik in der Synagoge
Die Synagogen sind eine Neuerung im Judentum, die nach der Rückkehr aus Babylon entstanden sind. Man musste sich im Judentum überlegen, warum es zu der Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft und der Zerstörung des ersten Tempels gekommen war. Man wurde sich darüber im Klaren, dass dies wegen des Abfalls von Gott und von seinem Wort geschah. So etwas durfte nie wieder geschehen.
Wie konnte man das verhindern? Man konnte es verhindern, indem man die Menschen regelmäßiger im Wort Gottes unterwies. Deshalb sollten an allen möglichen Orten im Land Israel Orte eingerichtet werden, an denen man regelmäßig an jedem Schabbat zusammenkommt. Nicht nur dreimal im Jahr, wenn man nach Jerusalem pilgerte, sondern an jedem Schabbat, um einen Gottesdienst zu halten. Dieser Gottesdienst war schlicht und bestand aus Bibellesen, Bibelauslegung und Gebet. Natürlich sollte auch gesungen werden.
So entwickelte sich der Synagogengottesdienst in der Zeit, als man aus Babylon zurückkehrte. Es war jedoch ganz klar: Die Synagogen sind kein Ersatz für den Tempel. Denn die Tora, 5. Mose 12,13, sagt ganz ausdrücklich, dass nur an diesem auserwählten Ort Gott Opfer gebracht werden dürfen – das war Jerusalem. Dazu gab es keine Alternative.
Die Synagogen an allen Orten im Land sollten keine Kopie des Tempels sein und keinen Ersatz darstellen, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Deshalb achtete man darauf, dass in der Synagoge immer ohne Instrumente gesungen wurde. Der Gottesdienst sollte nicht die Pracht des Tempels in Jerusalem nachahmen. So war es ganz normal, dass der Gesang ohne instrumentale Begleitung stattfand.
Es gab verschiedene Arten des Singens. Das lateinische Wort „lectio“ bezeichnet das rezitative Bibellesen, also das Vorlesen der Schrift in einem bestimmten Tonfall. Das Wort stand im Zentrum, und die Melodien dienten nur dazu, das Wort zu unterstreichen. Zum Beispiel wurde der Unterschied zwischen Himmel und Erde melodisch ausgedrückt: Der Himmel (Schamayim) steht über der Erde (Aretz). So sollte der Gesang das Wort in den Mittelpunkt stellen. Alles war sehr bewusst schlicht gehalten.
In Lukas 4,14 lesen wir, dass auch der Herr Jesus regelmäßig nach seiner Gewohnheit am Schabbat in die Synagoge ging. Dort erfahren wir sogar, wie der Herr als Dreißigjähriger in der Synagoge aufstand, um die Buchrolle von Jesaja entgegenzunehmen. Er las die Prophetenstelle aus Jesaja 61 vor. Dabei las er nicht einfach nur, sondern kantillierte den Text, denn das war üblich.
Man kannte in der Synagoge bereits im Altertum die Psalmodie, also den Psalmengesang, und die Hymnodie, den Liedergesang zur Ehre und zum Lob Gottes.
Hier einige Beispiele von antiken Synagogen: Die Synagoge von Gamla stammt aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Die Synagoge von Kapernaum, deren Fundamente aus schwarzem Basalt ebenfalls aus dem 1. Jahrhundert nach Christus stammen, ist die authentische Synagoge, in der Jesus Christus gepredigt hat. Darüber befindet sich eine spätere Synagoge aus Kalkstein aus dem 4. Jahrhundert. Die Basaltfundamente gehören zur Synagoge von Kapernaum, die im Neuen Testament mehrfach erwähnt wird.
Nun zeige ich noch weitere Beispiele, wie man den Bibeltext in der Synagoge kantillierte. Zum Beispiel in Jemen hat man das ursprüngliche Singen am besten bewahrt. So erhalten wir eine sehr schöne Vorstellung davon, wie es etwa geklungen haben könnte.
Hier zum Beispiel Psalm 81, Vers 2: „Jubelt dem Gott unserer Stärke, jauchzt dem Gott Jakobs!“ Auf Jüdisch lautet das: „Haninu l'Elohimus senu, Ariu l'Elohe Jakov.“
Ein weiteres Beispiel ist der jemenitische Chasan, der das Lied aus Josua 1,2 kannte. Der Text lautet: „Moses, mein Knecht, ist gestorben, und nun stehe auf, gehe über diesen Jordan hinüber, du und das ganze Volk, in das Land, das ich euch gebe, euch, den Kindern Israel!“ Auf Jüdisch: „Hascher Anochi noten lachem levne Yisrael.“
So klang das bei den Jemeniten. Die Musik ist atemrhythmisch und auf das Wort zentriert – nicht wie ein Kriegsgesang beim goldenen Kalb, der zum Beispiel so klingen würde: „Haninu l'Elohim, Husseinu!“ Nein, es ist „Haninul Elohimus senu.“ Auch das untere Beispiel ist atemrhythmisch und entspricht der Prosodie: „Moscheh Avdimet, Ve'atah Kumawo“ und so weiter.
In neuerer Zeit hat man diese Gesänge aus Jemen studiert und in der Musikwissenschaft festgestellt, dass es interessante Parallelen zur frühchristlichen Musik gibt, insbesondere zum gregorianischen Choral. Dazu werde ich heute Nachmittag noch mehr erklären.
Hier ein Beispiel eines gregorianischen Gesangs: Psalm 45 – „Es wallt mein Herz von gutem Wort, ich sage, meine Zunge sei der Griffel eines Schreibers.“ Auf Latein: „Eroch David, cor meum verbum bonum, dico ego lingua mea calamus scribe.“
Die frühen Christen sangen das so: „Eruk David, cor meum verbum bonum, dico ego lingua mea calamus scribe.“ Das klingt ähnlich wie der jemenitische Gesang bei Psalm 8 am Anfang: „Dem Dirigenten auf Gittit, ein Psalm von David. La mena zeach. Al-Hägidid, mizemole David, eruk David, komi um verbum bonum, lamenat seach, al-Hägidid, mizemole David.“
Man erkennt diese auffälligen Parallelen. Deshalb ist man zu dem Schluss gekommen, dass die frühe christliche Musik in Europa nicht auf dem Kontinent selbst erfunden wurde. Vielmehr brachten Missionare aus Israel diese Gesänge der Synagoge und des Tempels nach Europa. So entstand die christliche Musik auf unserem alten Kontinent als direkte Weiterführung der alttestamentlichen Musik.
Das wird heute Nachmittag bei unserem Thema sehr wichtig sein.
Nun kommen wir zu einem weiteren Punkt: der Musik in der christlichen Gemeinde ab Pfingsten, 32 nach Christus.
Musik in der christlichen Gemeinde ab Pfingsten (32 n. Chr.)
Das Pfingstereignis fiel zusammen mit dem jüdischen Pfingstfest, bei dem alle Juden nach Jerusalem pilgern mussten.
An diesem Tag wurde der Heilige Geist über die Jünger ausgegossen, und sie begannen, in Fremdsprachen zu sprechen. Dabei handelte es sich nicht um unverständliches Lallen, sondern um echte Fremdsprachen. So konnten die vielen Juden aus dem Ausland – aus Rom, der heutigen Türkei, Nordafrika und dem Irak – in ihren jeweiligen Sprachen und Dialekten angesprochen werden.
Übrigens ist Anfang dieses Monats mein neues Büchlein mit dem Titel „Sprachenreden oder Zungenreden“ erschienen. Es passt genau zu diesem Thema und ist auf dem Büchertisch erhältlich.
Dieses Ereignis, das Pfingstereignis, markiert den Beginn der christlichen Gemeinde in Jerusalem. Der Synagogengesang und der Tempelgesang wandelten sich zum christlichen Gesang. Die frühen Christen sangen einstimmig, so wie es im Tempel üblich war. Übrigens gab es unter allen anderen Völkern damals noch keine mehrstimmige Musik.
Darüber werde ich heute Nachmittag noch mehr berichten. Bis ins Mittelalter wurden nur einstimmige Gesänge weitergeführt. Erst dann begann die Entwicklung zur Mehrstimmigkeit, die schließlich im vierstimmigen Choral mündete. Dieser wurde zur Grundlage der gesamten abendländischen Kunstmusik.
Diese Entwicklung vom jüdischen Gesang zur frühchristlichen Musik führte zum mehrstimmigen Gesang. Wie ich heute Nachmittag ausführlicher zeigen werde, war diese Entwicklung klar aus dem Glauben heraus motiviert, um das Lob Gottes zu erhöhen.
Diese Entwicklung ist einzigartig in der gesamten Musikgeschichte. In keiner anderen Kultur hat sich der vierstimmige Gesang so entwickelt. Man findet ihn weder im Hinduismus, noch im Buddhismus, im Islam oder bei den Indianern. Nur hier auf dem Kontinent, im Rahmen des Christentums und aus dem Judentum heraus.
Das Neue Testament spricht an verschiedenen Stellen über die Musik der ersten Christen. Zum Beispiel in Epheser 5,18-20: „Und berauscht euch nicht mit Wein, in welchem Ausschweifung ist, sondern werdet mit dem Geist erfüllt, redet miteinander in Psalmen (griechisch: Psalmos), Lobliedern (griechisch: Hymnos) und geistlichen Liedern (griechisch: Odei Pneumatike), singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen, dankt allezeit für alles Gott, dem Vater, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“
Hier finden wir also, genau wie im Judentum in den antiken Synagogen, den Psalmengesang. Der Hymnengesang umfasst Lieder, die nicht unbedingt Bibeltexte sein müssen, aber zum Lob Gottes gesungen werden können. Drittens gibt es geistliche Lieder, also Lieder mit einer geistlichen Botschaft. Diese müssen nicht unbedingt als Gebet an Gott gerichtet sein, sondern können auch der Ermutigung für den Bruder oder die Schwester im Glauben dienen.
Im Text werden zwei Tätigkeiten genannt: singen (Ado) und spielen (psallo). Dieses „psallo“ wird uns heute Nachmittag noch weiter beschäftigen. Das Wort bedeutet ursprünglich „Seiten zupfen“ und später „singen mit Seitenspielbegleitung“. Später konnte es auch einfach „singen“ bedeuten. Hier aber sind sowohl „singend“ als auch „spielend“ gemeint, weshalb „psallo“ hier nicht nur „singen“, sondern „singen mit Seitenspielbegleitung“ bedeutet.
Kommen wir zum letzten Punkt: Musik im Himmel.
Musik im Himmel
Der Apostel Johannes wird in Offenbarung 4,1 von Podmos aus in den Himmel entrückt. Dort sieht er im Himmel in den Kapiteln 4 und 5 die Erlösten, dargestellt als vierundzwanzig Älteste mit Priesterkleidern und goldenen Kronen. Johannes wusste genau, was das bedeutete: Die 24 Ältesten mit Priesterkleidern waren die 24 Häupter der 24 Priesterklassen in Jerusalem.
Die gesamte Priesterschaft im Zweiten Tempel war bis zum Jahr 70 in 24 Klassen eingeteilt. Jede Klasse hatte eine Woche Dienst im Tempel, danach folgte die nächste Klasse. An der Spitze jeder Klasse stand ein Ältester. Nur an den großen Festen – Passa, Pfingsten und Laubhütten – waren alle 24 Priesterklassen anwesend, weil es dann viel Arbeit gab mit den Juden aus dem ganzen Land und sogar aus dem Ausland.
Das galt alles bis zum Jahr 70. Im Jahr 95 sieht Johannes nun im Himmel 24 Älteste. Er weiß sofort, was das bedeutet: Das sind die erlösten Menschen, die nach Offenbarung 1,5 ein Priestertum sind. Die Gemeinde nennt er Könige und Priester. Somit sieht Johannes die 24 Ältesten und erkennt, dass das ganze Volk Gottes im Himmel versammelt ist.
Er sieht also die Zukunft ab der Entrückung. In Offenbarung 4,1 wird er „entrückt“ und sieht dann die gesamte Gemeinde, alle Erlösten seit Pfingsten bis zur Entrückung, im Himmel beieinander. Sie loben Gott. In Offenbarung 5,8 heißt es: „Und als es das Lamm Gottes, Jesus Christus, das Buch der Gerichte nahm, fielen die vier lebendigen Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und sie hatten ein jeder eine Harfe und goldene Schalen voll Rauchwerk, welches die Gebete der Heiligen sind. Sie singen ein neues Lied: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen, denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation und hast uns, unserem Gott, zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen.“
Im Mehrheitstext heißt es nämlich so: „hast uns, unserem Gott, zu Königen und Priestern gemacht.“ Das bedeutet, die 24 Ältesten sind diese Erlösten. Im Himmel erklingt Musik, sie sprechen von der Erlösung durch das Blut von Jesus Christus am Kreuz. Damit wird deutlich, dass das Lamm Gottes unsere ganze Schuld, die wir in unserem Leben angesammelt haben, gesühnt und vergeben hat. Nun sind wir vor Gott in einem Zustand, wie es war, als es noch keine Sünde gab.
Wir beginnen mit Musik im Himmel, wie es bereits in 1. Mose 1,1 angedeutet ist, und enden wieder mit Musik im Himmel. Dazwischen hat sich auf der Erde viel ereignet. Doch die Wende kam durch das Blut des Lammes – genau wie bei den Israeliten die Wende aus Ägypten durch das Blut des Passalamers in 2. Mose 12 kam. Danach entstand das neue Lied nach dem Durchzug durchs Rote Meer.
So singen die Erlösten im Himmel mit Instrumentenbegleitung, natürlich im himmlischen Tempel. Offenbarung 4 und 5 spielen sich alle beim Thron Gottes im Allerheiligsten ab. Damit sind wir am Ende des ersten Teils angekommen. Von hier aus werden wir mit einer kleinen Wiederholung für diejenigen, die heute Nachmittag neu dazustoßen, weitermachen. Wir gehen dann im Schnellgang durch zweitausend Jahre Musikgeschichte bis heute.
Die Musik hat in der besonderen Entwicklung neben der Gemeinde eine wichtige Rolle. Hier entsteht das Problem: Ich habe das Thema Rockmusik behandelt, werde es heute aber nicht weiter vertiefen. Mir war es wichtig, rein biblisch zu zeigen, was die Bibel zu diesem Thema sagt, ohne viel Zeit für aktuelle Entwicklungen aufzuwenden.
Heute Nachmittag werde ich die gesamte Entwicklung in Europa durch das Christentum und die Entchristianisierung Europas darstellen. Das hilft uns, das, was wir heute Morgen erarbeitet haben, auf das Konkrete zu übertragen. Es wird uns helfen, einige Dinge besser einordnen zu können.
Heute ist das Thema Musik in vielen Gemeinden das wichtigste oder zweitwichtigste Thema. Wir stellen fest, dass sich in vielen Gemeinden der Glaube und die Glaubensauffassungen grundsätzlich ändern. Damit ändert sich auch die Musik grundlegend – von einer Musik, die atemrhythmisch war, zu einer motorischen Musik.
In diesem Sinne ist das Thema sehr wichtig, denn viele Gemeindespaltungen der letzten Jahre sind wegen dieses Themas entstanden. Deshalb ist es wichtig, sich zu fragen, was die Bibel überhaupt zu diesem Thema sagt.
Eine weitere Frage: Nach dem Jahr 70 wurde in Synagogen keine Musik mit Instrumenten mehr gespielt. Der Tempel wurde zerstört, und da die levitische instrumentale Musik nur für den Tempel bestimmt war, wurde sie aufgegeben – ähnlich wie nach der babylonischen Gefangenschaft. Die Synagogenmusik war davon unabhängig, und so wurde die Synagogentradition in der Zerstreuung auf allen fünf Kontinenten weitergepflegt, allerdings ohne die Tempelmusik. Diese Tradition ging dann allmählich verloren, bis sie heute wieder neu entdeckt wurde.
Noch eine Frage: Wurde in den Synagogen nie Musik mit Begleitung gespielt? In der Synagoge wurde nie mit Instrumenten begleitet, aber viel gesungen – sogar mehr als bei uns. Wenn wir heute in Gemeinden die Bibel vorlesen, lesen wir den Text einfach vor: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Dort wird der vorgelesene Bibeltext jedoch immer kantilliert.
Eine weitere Frage betrifft den Missbrauch von Musik bei den Kainiten in 1. Mose 4 und wie das in unserer heutigen Situation zu verstehen ist. Wenn Musik dazu dient, unsere innere Leere ohne Gemeinschaft mit Gott auszufüllen, erfüllt sie die gleiche negative Funktion wie bei den Kainiten. Das ist heute besonders aktuell.
Früher, als es noch keine Schallplatten gab, war Musikhören immer ein besonderes Ereignis, das die Menschen viel mehr bewegte als heute. Der heutige gewaltige Musikkonsum, selbst beim Schlafen oder Einschlafen, mit Walkman oder moderneren Geräten, dient bei Millionen Menschen oft dazu, eine innere Leere auszufüllen, ohne Gemeinschaft mit Gott. Das führt zu einer großen Abstumpfung gegenüber Musik.
Man muss sich vorstellen, dass zu Beethovens Zeiten ein Skandal bei einem Konzert entstand, weil er ein Orchesterstück mit einem Quartsextakkord begann. Warum war das skandalös? Dieser Akkord verlangt eine Auflösung, obwohl er keine Dissonanz enthält. Wie kann man ein Musikstück mit einem Akkord beginnen, der aufgelöst werden muss? Die Leute rebellierten, das sei nicht akzeptabel. Heute hört das kaum noch jemand. Das zeigt, wie die Sensibilität verloren gegangen ist.
Jetzt ist es Zeit für das Mittagessen.