Guten Abend, heute kommen wir zu Titus Kapitel zwei. Wir lesen gleich zu Beginn die Verse eins bis zehn. Darf ich bitten, Sven?
Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt: dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe und im Ausharren.
Die alten Frauen sollen ebenso in ihrem Betragen sein, wie es dem heiligen Stand geziemt. Sie sollen nicht verleumderisch sein, keine Sklavinnen von vielem Wein, sondern Lehrerinnen des Guten. Damit sie die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen und keusch zu sein, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig und den eigenen Männern untergeordnet.
Dies geschieht, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.
Die jüngeren Männer ermahne ebenso, besonnen zu sein. Indem du dich in allem selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst – in der leeren Unverfälschtheit, würdigem Ernst, gesunder und nicht verurteilender Rede –, sollst du erreichen, dass der von der Gegenpartei beschämt wird, weil er nichts Schlechtes über uns zu sagen hat.
Die Knechte ermahne, sich ihren eigenen Herren unterzuordnen, in allem wohlgefällig zu sein, nicht widersprechend, nichts zu unterschlagen, sondern aller guter Treue zu erweisen. Damit sie die Lehre, die unseres Heilandgottes ist, in allem zieren.
Jetzt würde ich vorschlagen, den nächsten Abschnitt ebenfalls zu lesen, also einen bestimmten Grund, Verse elf bis fünfzehn.
Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen. Sie unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend besonnen, gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf.
Wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilands Jesus Christus. Er hat sich selbst für uns gegeben, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit loskaufte.
Er reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, das eifrig sei in guten Werken. Dies rede und ermahne und überführe mit allem Nachdruck. Lass niemand dich verdammen.
(Titus 2,11-15)Danke. Was ich normalerweise nicht sage, aber es ist einfach so: Ein Hintergedanke bei Bibelseminaren ist immer, dass es auch Anweisungen, Ideen und Hilfestellungen gibt, wie man selbst die Bibel studieren und einen Text erfassen kann. Man soll verstehen, was dort steht, und es dann auf das eigene Leben übertragen. Das ist eigentlich ein Grundanliegen, auch wenn es nicht ständig ausdrücklich gesagt wird.
Jetzt sage ich: Anhand dieses Kapitels können wir das sehr beispielhaft machen. Eine erste Frage hätte ich. Wir haben ja die Verse 1 bis 10 gelesen, weil das so ein Abschnitt ist, der in sich zusammengehört und abgeschlossen ist. Dann folgen die Verse 11 bis 15. Aber wie könnte man das beschreiben? Was ist der augenfällige Unterschied inhaltlich zwischen diesen beiden Abschnitten?
Der erste Abschnitt enthält vor allem Anweisungen und Ermahnungen, und der zweite Abschnitt ist eher lehrmäßig im Sinne von Wahrheit und Gewissheit gerichtet.
Ja, also sehr gut. Die ersten zehn Verse sind direkte, praktische Ermahnungen für das Leben als Erlöster. Die Verse 11 bis 15 hast du als eher lehrmäßig bezeichnet. Ich würde sagen, es ist eine Unterweisung über Heilsgeschichte. Wir werden noch sehen, dass es um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehr kompakt in den Versen 11 bis 15 geht.
Ich habe das ein bisschen abgeändert, Samuel, deine Antwort: Du hast gesagt, das erste sei eher praktisch, das andere eher lehrmäßig. Aber wenn man Vers 1 anschaut – lies noch einmal, Sven, nur Vers 1:
„Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt.“
Ja, hier wird Titus aufgefordert zu lehren, was in diesen Versen gesagt wird. Das heißt also, diese praktischen Anweisungen sind biblische Lehre. Der zweite Abschnitt ist es auch, aber dort geht es um die Heilsgeschichte. Es geht um das, was Gott in der Vergangenheit für uns getan hat, was jetzt unser Leben betrifft und Gottes Plan im Blick auf die Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit.
Aber alles ist Lehre, und das ist sehr wichtig. Denn sehr oft wird unter Christen der Unterschied gemacht: Diese Predigt war jetzt praktisch, und das war eben lehrmäßig und nicht so für den Alltag. Aber beides umfasst die Lehre der Bibel: ganz konkrete Anweisungen fürs Leben und Unterweisungen über Gottes Gedanken und Pläne, eben die Heilsgeschichte.
Gerade im Titusbrief haben wir ein wunderbares Beispiel, wie ausgeglichen das ist. Wenn man sich noch erinnert, als wir im Titusbrief angefangen haben, die Verse 1 bis 4 in Kapitel 1, wo es darum geht, dass Gott von Ewigkeit her seinem Sohn verheißt, dass er dem Erlösten einmal das ewige Leben schenken wird. Dort haben wir eine heilsgeschichtliche Belehrung. Wir haben gesehen, dass sie unglaublich dicht ist, darum war es schwierig. Aber wir haben uns durchgekämpft, um die einzelnen Aussagen herauszuarbeiten. Dort haben wir eine ganz dichte Belehrung über Gottes Pläne und sein Handeln von Ewigkeit her.
Dann ab Vers 5 kommen ganz praktische Anweisungen, wie Älteste nach Gottes Wort charakterisiert sein müssen und wie man mit Schwätzern und Irrlehren umgehen soll, bis Vers 16. Danach haben wir die praktischen Anweisungen für die Gemeinde weitergeführt, wie wir noch sehen werden – und zwar für Alt und Jung, für alle Generationen.
Ab Vers 11 folgt wieder eine solche heilsgeschichtliche Belehrung, und wir sehen auch hier sehr dicht. Danach, in Kapitel 3, gibt es wieder sehr praktische Ermahnungen. Es zeigt sich also ein Gleichgewicht zwischen heilsgeschichtlicher Unterweisung und praktischen Anweisungen.
Das macht klar: Lehre muss beides umfassen, wenn es gesunde Lehre sein soll. Wenn man nur über Praktisches spricht, ist das nicht gesunde Lehre. Und wenn man nur über Heilsgeschichte spricht, ohne Bezug zum praktischen Leben herzustellen – also was das jetzt für die nächste Woche und auch später bedeutet –, dann ist es auch nicht gesund.
Die erste Ermahnung, die wir hier in Kapitel 2 hatten, lautet: „Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt.“ Und nicht wahr, das „du“ ist im Griechischen betont. Im Deutschen muss man das dann irgendwie mit Kursivdruck oder Sperrdruck zeigen, wenn man das drucktechnisch klar machen will. Im Italienischen hat man es einfacher: Dort sagt man einfach „du“ und dann das Verb in der zweiten Person, und man weiß, es ist betont, weil man normalerweise beim Verb nicht noch „du“ sagt.
Im Griechischen ist es genauso. Dort kann man also das Pronomen sagen und dann das Verb in der zweiten Person Singular, und dann ist klar: „Du, du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt.“
Warum diese Betonung? Als Gegensatz zu diesen Schwätzern und Betrügern, von denen Paulus in Kapitel 1, Vers 10 und folgende spricht. Titus soll nicht so sein. Er steht im Kontrast zu diesen Leuten, die den Gläubigen schaden durch das, was sie weitergeben. In Kapitel 2 soll Titus das lehren, was im Gegensatz dazu steht.
Die gesunde Lehre ist immer die Lehre, die die Gläubigen im Glauben gesund erhält. Das Wort für gesund ist verwandt mit unserem deutschen Wort „hygienisch“. Es ist ein Fremdwort und bedeutet „keimfrei“. Falsche Lehrmeinungen wirken wie Viren und machen den Glauben krank.
Darum ist es so wichtig, dass man auf der gesunden Lehre besteht. Das haben wir ja schon in Kapitel 1, Vers 13 gesehen. Lies du, Sven?
„Indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilands Jesus Christus.“
Ich meinte Kapitel 1, Vers 13, Verzeihung, Vers 2.
„Dieses Zeugnis ist wahr. Aus diesem Grund weise sie streng zurecht, damit sie gesund seien im Glauben und nicht achten auf jüdische Fabeln und Gebote von Menschen.“
Und so weiter. Also dieses Anliegen, dass die Gläubigen gesund sein sollen im Glauben.
Wir hatten es auch schon in Kapitel 1, Vers 9, wo unter den achtzehn Kennzeichen für Älteste gesagt wird, Vers 9: Ein Ältester nach Gottes Gedanken soll anhänglich sein, also auch emotional verbunden mit dem zuverlässigen Wort nach der Lehre, damit er fähig sei, sowohl mit der gesunden Lehre zu ermahnen als auch die Widersprechenden zu überführen.
Wir sehen, wie wichtig das Wort ist. Besonders interessant ist, dass in den Briefen, die Paulus nach den vier Missionsreisen in der Apostelgeschichte geschrieben hat – also 1. Timotheus, 2. Timotheus und Titus – das Wort „gesund“ so oft vorkommt. Es ist ein Wort, das Paulus in seinem späteren Dienst sehr wichtig wurde, nachdem er so viele Erfahrungen gemacht hatte: Gläubige, die er gesund unterwiesen hatte, wurden später durch solche, die falsche Gedanken hineingebracht haben, krank.
Darum wurde dieses Wort für ihn ganz besonders wichtig: gesund, gesund, gesund.
Deshalb empfehle ich, dass man gerade auch in den ersten beiden Timotheusbriefen nochmals besonders darauf achtet.
Ja, jetzt gehen wir aber weiter. Es geht um die verschiedenen Generationen in der Gemeinde. Können wir kurz zusammenfassen, wer da angesprochen wird? Ab Vers 2, genau. Also in Vers 2 sind es die alten Männer, in Vers 3 die alten Frauen, in Vers 4 die jungen Frauen und in Vers 6 die jungen Männer.
Ich wiederhole das nicht, weil ich ein Papagei bin oder so, sondern für den Livestream.
Dann kommen die Knechte, genau. „Doulos“ kann man mit Knecht übersetzen. Es kann aber auch ein Angestellter sein, der anständig behandelt wird. Ein Sklave ist es nicht unbedingt, aber es gab beides im Altertum. Man kann also mit Knechten oder Sklaven übersetzen.
Es ist interessant zu sehen, dass der Pharao in Ägypten ganz Israel freigeben sollte. Man muss sich vorstellen, ganz Israel war gefangen in Ägypten, und alle sollten heimgebracht werden. Sie waren also alle Geiseln in Ägypten, kann man sagen. Dann kamen die zehn Plagen über Ägypten, und diese machten Druck – nicht der Hamas, sondern dem Pharao.
Immer wieder wurde der Pharao ein bisschen weicher und war dann bereit, unter bestimmten Umständen diese Geiseln loszulassen. Wenn man aber die vielen Ausreden des Pharao durchgeht, kann man sehr viel lernen, was Satan für Anliegen hat, um dem Volk Gottes zu schaden.
Da hatte er einmal die Idee, die Älteren dürften gehen, aber die Jungen sollten zurückbleiben. Mose sagte: Auf keinen Fall! Wir gehen mit unseren Jungen und mit unseren Alten. Er lehnte auch andere Vorschläge ab, die er nicht zulassen wollte, und erst dann konnten sie gehen.
Mose ging überhaupt nicht auf diese Kompromisse ein. Gerade auch dieser Punkt, eben mit unseren Jungen und mit den Alten wollen wir gehen – die Generationen werden nicht gespalten.
Wir sehen, dass das heute gerade ein Problem vielerorts in Gemeinden ist: Man trennt die Gemeinden nach Generationen. Es gibt einen Gottesdienst für die Jugend am Morgen und dann am Abend für die Alten – oder umgekehrt – aber nicht zusammen.
Gott möchte das Volk Gottes zusammenhaben, und die Generationen sollen gemeinsam sein. Das sehen wir auch hier in diesen Unterweisungen für die Alten, für die alten Männer, alten Frauen, jungen Männer und jungen Frauen. Sie gehören zusammen.
Wir werden auch sehen, dass der Zusammenhang zwischen Alt und Jung hier gerade aufgezeigt wird. In Vers 3 sieht man, dass die Generationen verbunden werden: Die älteren Frauen sollen Lehrerinnen des Guten sein, damit sie die jungen Frauen unterweisen. Die Generationen werden also zusammengeführt – das geht nicht getrennt.
Das war mir ein Anliegen, das herauszuarbeiten.
Wie viele Belehrungen gibt Paulus für die alten Männer? Es sind genau sechs, die wir gerade zusammengetragen haben.
Die alten Männer sollen nüchtern sein, das ist der erste Punkt. Zweitens sollen sie würdig sein, besonnen und gläubig. Dabei ist es wichtig, genauer zu sein: Der Elberfelder Übersetzung zufolge sollen sie „gesund im Glauben“ sein. Diese Aufforderung bedeutet nicht nur, einfach gläubig zu sein, sondern gesund im Glauben zu stehen. Das greift das Thema auf, das wir eben hatten: Gesund im Glauben.
Nummer fünf lautet, dass sie liebevoll sein sollen. Doch es reicht nicht, nur liebevoll zu sein. Es muss „gesund in der Liebe“ sein. Alles hängt davon ab, gesund im Glauben zu sein – und das gilt auch für die Liebe und das Ausharren. Gesund bezieht sich also auf den Glauben, die Liebe und das Ausharren.
So haben wir also sechs Punkte für die alten Männer.
Wie viele Punkte gibt es für die alten Frauen? Ich höre fünf, sind alle einverstanden? Du gehst aber schon weiter in der Zählung mit dem, was sie den jungen Frauen beibringen, oder? Jetzt mal nur in Bezug auf die alten Frauen.
Also zählen wir sie mal auf: Erstens sollen sie sich heilig und gezielt verhalten. Wir werden noch sehen, wie das der Heiligkeit des Tempels entspricht – das ist im Grundtext gemeint, also der Tempelheiligkeit entsprechend.
Zweitens sollen sie nicht verleumderisch sein, drittens keine Sklavinnen von viel Wein. Viertens sollen sie Lehrerinnen des Guten sein.
Dann haben wir weitere Unterweisungen, denn der nächste Punkt ist, dass sie Lehrerinnen des Guten sind, damit sie den jungen Frauen unterweisen können. In dieser Unterweisung gibt es acht Punkte.
Zählen wir sie auf: Erstens sollen sie den jungen Frauen beibringen, ihre Männer zu lieben. Zweitens, ihre Kinder zu lieben. Wieso eigentlich nicht zuerst die Kinder? Hat der Margot auch noch Glaubtuch? Ja, man könnte sagen, das ist ja eh klar. Aber das Problem ist, dass die Kinder die Mütter je nach Situation so beanspruchen können, dass der Ehemann vernachlässigt wird. Darum ist die Reihenfolge hier so gegeben. Es kann auch sein, dass die Kinder schon etwas älter sind, sodass die Mutter auf der Seite der Kinder steht und der Vater für sich. Deshalb sind diese Grundsätze so wichtig: zuerst die Männer zu lieben und dann die Kinder.
Das sind zwei Punkte. Dann folgen weitere: besonnen oder gesund im Sinn, keusch oder rein, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig und den eigenen Männern untergeordnet. Das sind insgesamt sieben Punkte. Der achte Punkt ist das Ziel: Damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.
So kann man die einzelnen Punkte für sich herausschreiben, zum Beispiel in einer Liste. Dadurch lässt sich der Text viel besser verstehen und man kann über die einzelnen Punkte nachdenken.
Es geht weiter mit den jungen Männern, dort sind es vier Punkte, und bei den Knechten fünf Punkte. So entsteht eine sehr umfangreiche Liste, die zeigt, wie konkret Gottes Wort ist.
Jesus sagt ja in Johannes 14: „Wer mich liebt, der hält meine Gebote.“ Liest du, Sven, Vers 21 in Johannes 14? „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt. Wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden.“
Das reicht schon. Und dann Vers 23: Jesus antwortet und spricht zu ihm: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten.“ Bis dahin.
Was ist der Unterschied zwischen „meine Gebote halten“ und „mein Wort halten“? Das Wort ist viel umfassender als nur die Gebote.
Bei den Geboten geht es um einzelne Punkte, also um das, was man hier auflisten kann: für die alten Männer nüchtern, würdig, besonnen, gesund im Glauben und so weiter. Wir haben gesehen, dass es eine ganze Liste mit fast dreißig Punkten nur in diesen wenigen Versen gibt.
Im Judentum ist man stolz darauf zu sagen, dass die Tora sechshundertdreizehn Gebote umfasst. Wer Gott liebt, möchte diese Gebote von Herzen und mit Freude umsetzen.
Es gibt aber Christen, die sagen: „Wir im Neuen Testament haben keine Gebote.“ Und wenn jemand von Geboten spricht, wird er als gesetzlich angesehen. Das stimmt aber nicht. Die Gemeinde steht nicht unter der Tora vom Sinai.
Die Gemeinde hat keinen Auftrag, Zizit zu tragen – das sind die Fäden an den Wänderkleidern –, um an die Gebote Gottes erinnert zu werden (4. Mose 15). Sie hat auch keinen Auftrag, Ritualbäder zu nehmen. Sie sollen sich zwar waschen, aber die Ritualbäder sind aus Glaubensgründen etwas anderes.
Die Gemeinde steht also nicht unter diesen Geboten. Aber der Herr Jesus hat im Neuen Testament, in den Evangelien, viele Gebote für die Gemeinde ausgesprochen. In Johannes 16, Vers 13 sagt er: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen sein wird, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten.“
Diese Gebote finden sich dann in den Briefen. Zusammengenommen sind das Hunderte, sogar Aberhunderte von Geboten – weit mehr als sechshundert. Es ist also nicht so, dass wir als Christen einfach nach unserer Fantasie leben. Wir haben ganz klare Unterweisungen, ohne zu sagen, dass die Gemeinde unter dem Gesetz vom Sinai steht.
Der Apostel Paulus nennt es in Galater 6 das „Gesetz des Christus“, das Gesetz, das der Messias gebracht hat. Im Judentum wusste man, dass der Messias eine ganz neue Tora bringen wird.
Ein Kommentar aus dem Mittelalter, der Midrasch Kohelet, also eine Auslegung zum Buch Prediger, sagt dazu: Die Tora, die wir heute lernen, sind die Gebote vom Sinai in den fünf Büchern Mose. Diese Tora kann man nicht vergleichen mit der Tora, die der Messias bringen wird.
Der Ausdruck „Gesetz des Messias“ im hebräischen Text entspricht genau dem, was Paulus in Galater 6 aufnimmt. In diesem Brief geht es gerade darum, dass die Gemeinde nicht unter dem Gesetz vom Sinai steht und auch nicht die jüdischen Feste feiert, die Gott Israel im Gesetz vom Sinai gegeben hat.
In Galater 6, Vers 2 heißt es: „Und so erfüllt das Gesetz des Christus.“ Wenn ich diesen Ausdruck zurück ins Hebräische übersetze, lautet er „Torato Shel Maschiach“. Das ist genau die höhere Tora, die der Messias gebracht hat, mit noch viel mehr Geboten.
Aber er hat uns ein neues Leben gegeben, das ewige Leben. Dieses neue Leben gibt uns die Kraft, danach zu leben. Von uns aus könnten wir das nicht schaffen. Deshalb ist es wichtig, dass die gesunde Lehre gelehrt wird. Die Kraft aber gibt Gott, damit die alten Männer das umsetzen können.
Jetzt gehen wir noch einmal zu Kapitel 2, Vers 2: nüchtern sein.
Aber zuerst, Christoph, du hast noch eine Frage: Was wäre eine biblische Definition für Gesetzlichkeit?
Sehr gut. Es gibt aber auch andere, die sagen, wenn man es zu genau nimmt oder zu penibel ist, dann ist das Gesetzlichkeit. Manche meinen, Gesetzlichkeit sei, wenn man etwas zur Bibel hinzufügt. Andere sagen, es sei, wenn man es zu genau, zu penibel nimmt, was dort steht.
Nun, das ist ein wichtiger Grundsatz: Wir haben kein Recht, irgendetwas dem Wort Gottes hinzuzufügen. Das war das Problem der Pharisäer. Sie lehrten, man müsse um die Gebote einen Zaun bauen. Das heißt, die Gebote wurden strenger ausgelegt und mit noch mehr Zusatzgeboten belastet, damit man das eigentliche Gebot ja einhält.
Doch der Herr Jesus hat sich in Matthäus 15 ganz entschieden gegen diese Art der Auslegung gestellt. Er verurteilte klar, dass man Menschengebote lehren darf. Das geht gar nicht.
Die Sadduzer, zu denen hauptsächlich die führenden Priester gehörten, machten am Wort Gottes Abstriche. Sie sagten, nur die fünf Bücher Moses seien inspiriert, der Rest des Alten Testaments sei nicht wirklich gültig. Das war also die Bibel minus. Die Pharisäer hingegen hatten eine Bibel plus.
Das, was der Herr Jesus in den Evangelien gelehrt hat, war allein das Wort Gottes. Ganz im Sinn dessen, was die Reformatoren erkannt haben. Luther hat es so schön ausgedrückt in seinem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. Dort sagt er in einer weiten Strophe: „Das Wort sollen wir lassen stehen und keinen Dank dafür haben.“
Das heißt, die Bibel soll einfach so stehen bleiben, wie sie ist. Wenn man das tut und nicht seine eigene Tradition hinzufügt, dann muss man dafür nicht noch extra Dank sagen. Das ist einfach selbstverständlich. Diese Aussage ist wirklich biblisch belegt.
Nun zur Frage: Was, wenn man es zu genau nimmt, zu penibel ist?
In 2. Timotheus 3 lobt Paulus Timotheus. Was sagt er in Kapitel 3, Vers 10? Sven, liest du bitte vor?
[Pause für Sven]
„Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben, meine Langmut, meine Liebe.“
Das reicht schon. Er sagt also, du hast genau erkannt, beziehungsweise du bist genau gefolgt meiner Lehre, nicht ungefähr, sondern genau gefolgt. Die Fußnote der Elberfelder Bibel hilft hier weiter.
Das macht klar: Es geht nicht darum, einfach nur ungefähr nach der Schrift zu leben, sondern dieses genaue Folgen wird hier lobend hervorgehoben.
Und dann, wie Philipp sagt, in 1. Timotheus 4, Vers 6 – liest du, Sven?
[Pause für Sven]
„Wenn du dies den Brüdern vorstellst, so wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, ausgerüstet durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre, der du genau gefolgt bist.“
Auch hier wird lobend erwähnt, dass er der guten Lehre genau gefolgt ist. Das ist der entsprechende Ausdruck, wie auch in 2. Timotheus 3.
Man muss also sagen: Diese Argumente, dass Gesetzlichkeit etwas Negatives sei, sind von der Schrift her unhaltbar.
Das wollte ich einfach noch gesagt haben. Unter diesem Hintergrund schauen wir uns jetzt diese einzelnen Punkte an.
Und jetzt der erste Punkt: dass die alten Männer nüchtern sein sollen. Warum sagt er das gerade für die alten Männer und nicht einfach allgemein? Ich meine, das ist auch ein Problem für junge Leute.
Wenn man die Augen und Ohren offen hält, stellt man fest: Statistisch trinken ab 75 Jahren 20 Prozent der Frauen jeden Tag Alkohol und 40 Prozent der Männer. Im Alter ist eine deutliche Zunahme in der Gesellschaft festzustellen.
Wenn das eine tägliche Gewohnheit ist, kann man nicht einfach sagen, dass man Alkoholiker ist. Die Entwicklung verläuft ohnehin sehr schrittweise. Man kann leicht in einen Zustand geraten, in dem man sagt: „Ich bin kein Alkoholiker, kein Problem, ich bin immer nüchtern.“ Aber wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass das unglaubliche Mengen sind – und das jeden Tag.
Alkohol hat sowieso eine schädigende Wirkung. Deshalb ist es so wichtig, klare Regeln zu haben. Doch man kann sich fragen: Warum nimmt das im Alter so zu, und gerade das tägliche Trinken?
Die Tagesstruktur verändert sich. Die Kinder ziehen aus, sind weg, und die Frau könnte sich wieder auf den Mann konzentrieren. Aber ich sage: Dann muss man sich ja wieder anders ausrichten. Die Zeit mit den Kindern war herausfordernd, aber sie gab auch eine Struktur. Wenn diese Tagesstruktur wegfällt, treten oft Schlafprobleme auf. Viele ältere Menschen haben Schwierigkeiten, die ganze Nacht durchzuschlafen. Da hilft natürlich das dritte Glas Wein.
Bei Schlafproblemen könnte man denken, man macht sich eine eigene Medikation. Dabei ist der Schlaf mit Alkohol aber ein schlechter Schlaf. Das ist also keine wirkliche Hilfe, auch wenn man müde wird.
Weitere Gründe sind Schmerzen, die im Alter zunehmen können. Alkohol wird dann vermeintlich als Schmerzmittel eingesetzt. Außerdem erlebt man im Alter mehr Verluste. Schon in jüngeren Jahren kann man schwere Verluste erleiden, aber im Alter stirbt ein früher Freund oder eine Freundin weg. Die Chance, verwitwet zu sein, ist ebenfalls viel größer. Dadurch entstehen auch seelisch schwierige Situationen, in denen Alkohol zur Gefahr werden kann.
Man könnte noch weitere Gründe aufzählen, aber es hat seinen Grund, warum Paulus sagt, die alten Männer sollen nüchtern sein. Probleme mit Alkohol gehen gar nicht. Dieses Thema muss für alle Gläubigen klar sein.
Unter den 18 Punkten für die Ältesten steht in Vers 7 auch: „Nicht dem Wein ergeben.“ Doch niemand sollte denken, das gilt nur für die Ältesten, während die anderen ruhig ein Problem haben können. Nein, es wird ganz generell gesagt: Die alten Männer sollen nüchtern sein.
Und dann würdig – das griechische Wort Semnos, das für Paulus in seinem fortgeschrittenen Dienstalter zu einem Lieblingswort geworden ist. Man kann dem gut nachgehen. Immer wieder taucht dieses Wort Semnos auf, das auch „würdig“ bedeutet, aber ebenso „ehrenhaft“, „ehrwürdig“ und sogar „edel“.
Weiterhin bedeutet es „besonnen“. Die Fußnote in der Elberfelder Bibel erklärt noch eine zweite Übersetzungsmöglichkeit: „gesunden Sinnes“. Jawohl, auch das ist ein Lieblingswort des Apostels in seinen späteren Briefen. Das kann man nachsehen. Wir hatten es nämlich schon in 1. Timotheus 3,8 bei den Ältesten: besonnen.
Dort sehen wir, dass dies auch von allen alten Männern verlangt wird. Hier geht es nicht um Älteste, sondern um alte Männer. Doch was für die Ältesten gilt, gilt auch für alle alten Männer: besonnen sein.
Dann finden wir es hier in 2. Timotheus 2,2 und auch in 2,5 in Bezug auf die jungen Frauen: besonnen. Auch in 1. Timotheus 3,2 verwendet Paulus dieses Wort. Es bedeutet ein Denken, bei dem man gerettet ist. Das Wort „Rettung“ steckt darin.
Wenn jemand auf eine komische Idee kommt, muss man sagen: Der ist irgendwie, ja, hilf mir, unvernünftig oder ungesund in seinem Denken. Wirklich von jeglicher Hilfe verlassen. Man meint also ein gesundes Denken, das vor abwegigen, queeren Ideen bewahrt und gerettet bleibt. Das steckt im Begriff „besonnen“.
Dann wird gesagt: gesund im Glauben. Das gibt uns den Hinweis, warum es so wichtig ist, nicht einfach nur Glauben zu haben, sondern gesunden Glauben. Es gibt nämlich auch kranken Glauben. Und es gibt kranke Lehren, die man richtig in sich aufgenommen hat, und dadurch wird man krank im Glauben.
Es ist wichtig, dass die alten Männer gesund im Glauben sind. Aber nicht nur dort, sondern auch in der Liebe. Denn auch in der Liebe gibt es krankes Verhalten. In Beziehungen oder Ehen gibt es kranke Liebe, wenn ein vereinnahmender Ausdruck von Liebe so weit geht, dass er jegliche Atemmöglichkeit des Ehepartners nimmt.
Das ist keine gesunde Liebe. Gesunde Liebe vergewaltigt nicht und macht nicht gefangen. Es gibt aber eben kranke Liebe, die so vereinnahmend ist, dass andere keinen Platz mehr haben dürfen. Das geht nicht. Ein totaler Besitzanspruch, bei dem andere keinen Profit mehr haben können, ist zu viel – das wäre kranke Liebe.
Natürlich gibt es noch mehr Abweichungen. Aber Liebe ist nicht einfach Liebe. Es gibt gesunde Liebe und kranke Liebe.
Dann auch gesund im Ausharren. Ausharren ist doch immer gut, es bedeutet geduldig sein. Wir müssen geduldig auf den Herrn warten. Aber es gibt auch krankes Ausharren.
Ich habe das sehr schlimm erlebt. Ein Freund von mir, das war vor Jahren, noch deutlich jünger als ich, bekam Krebs. Er hatte vier Kinder, die noch nicht erwachsen waren. Das war für die ganze Familie schrecklich.
In der Gemeinde wurde so gebetet, wirklich mit Ausharren. Man sagte: Das kann gar nicht sein, dass er gehen muss. In dieser Situation unmöglich. Das wird der Herr nie zulassen. Wir beten, und dann bekommen wir es auch. Wir sind überzeugt, Gott wird heilen.
Das war ein Ausharren, das aber nicht gesund war. Denn die Bibel gibt nirgends die Verheißung, dass Gott unsere Gebete in diesem Sinn erhören muss. Er kann gesund machen, aber wir haben keinen Anspruch darauf.
Das war gefährlich. Der Glaube der Frau brach zusammen. Er musste zum Herrn gehen. Ich war noch ganz am Schluss bei ihm, er war schon ganz entstellt – furchtbar.
Der Glaube der Frau brach zusammen, und sie kam wirklich auf Abwege. Warum? Weil man etwas aus der Bibel erwartete, was die Bibel gar nicht sagt. Dann fragt man: Wo ist der Herr? Warum hat er nicht geholfen? So, als hätte der Herr einen Fehler gemacht. Aber er hat es ja nicht so versprochen.
Darum kann das Ausharren eben auch ungesund sein. Das Ausharren war doch vorbildlich, wie sie geglaubt und ausgeharrt haben. Aber es war nicht vorbildlich, es war krank.
Gesund im Ausharren – merken wir, in so wenigen Worten steckt eine Fülle von Gedanken.
Und dann haben wir gesehen bei den Frauen in Vers 3: „Ebenso in ihrem Betragen, wie es dem heiligen Stand geziemt“, übersetzt die Elberfelder. In der Fußnote wird erklärt, dass es eigentlich heißt: „Wie es dem Heiligtum geziemt“. Mit Heiligtum ist hier der Tempel gemeint.
Wir sind der Tempel des Heiligen Geistes, und unser Leben soll der Heiligkeit entsprechen. Das ist für uns klar, wenn wir uns in unmittelbarer Gegenwart Gottes sehen. Der Tempel war ja der Wohnort Gottes, und so soll das Leben der Frauen – hier speziell der älteren Frauen – nach dieser Stelle gestaltet sein. Ihr Leben soll so sein, als wären sie jeden Tag in der Gegenwart Gottes im Tempel.
Da fällt uns vielleicht eine neutestamentliche Frau ein: Hanna. Schlagen wir Lukas 2 auf. Diese Frau ist so interessant! In Kapitel 2, Vers 36 lesen wir: „Und es war eine Prophetin Anna da, eine Tochter Phanuel aus dem Stamm Aser. Diese war in ihren Tagen weit vorgerückt und hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt von ihrer Jugend an. Und sie war eine Witwe von vierundachtzig Jahren, die nicht vom Tempel wich, in dem sie Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente. Und sie trat zu derselben Stunde herzu, lobte Gott und redete von ihm zu allen, die auf Erlösung warteten in Jerusalem.“
Diese Hanna war damals, als der Herr Jesus geboren wurde, 84 Jahre alt. Sie konnte noch von früher sprechen und hatte fast die ganze Geschichte des ersten Jahrhunderts vor Christus erlebt. Das war eine sehr unruhige, bewegte und schwierige Zeit für Israel. Das brachte die Treuen in Israel dazu, umso mehr auf das Kommen des Messias zu warten. Sie wussten aus Daniel, dass man mit den Jahrwochen rechnen kann und dass der Messias dann, so wie wir es heute sagen würden, im ersten Jahrhundert kommen sollte. Und sie hat das noch erlebt.
Man sieht das schwierige Leben: Sie war sieben Jahre verheiratet. Wenn man bedenkt, dass man damals im Judentum ziemlich früh heiratete – vielleicht mit sechzehn, siebzehn, achtzehn, neunzehn oder zwanzig Jahren – dann hat sie sieben Ehejahre erlebt, und dann ist ihr Mann gestorben. Danach erlebte sie eine lange Zeit der Ehelosigkeit. Andere erleben das vor der Ehe, sie erlebte es nach der Ehe. Sie hat sich völlig dem Herrn hingegeben und war Tag und Nacht im Tempel. Sie hat sich wirklich gesagt: „Das ist mein Ort, das ist der Ort, an dem ich mich bewege, und da warte ich auf den Messias.“
Diese Frau betete nicht nur, sie redete auch. Sie hatte Kontakt mit vielen, die auf Erlösung warteten – die Treuen in Israel, die auf den Messias warteten. Ganz aktiv damals. Zu ihnen ging sie sofort hin und erzählte: „Jetzt ist er gekommen!“ Wir haben gesehen, das Baby war da, genau so, wie es in Maleachi 3 heißt, dem letzten Propheten um 400 vor Christus, danach schwiegen die Schriftpropheten. Dort steht in Kapitel 3: „Und plötzlich wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den er sucht.“ So war es geschehen.
Das ist Anna, eine alte Frau, die der Heiligkeit des Tempels entsprechend lebte. Für sie war klar: Jeder Tag in meinem Leben ist ein Leben bewusst in der Nähe, in der Gegenwart Gottes. Das heißt: dem Heiligtum entsprechend.
Dann haben wir als zweiten Punkt aufgezählt: „Nichts klar für sie von vielem Wein.“ Nicht nur bei den alten Männern ist das Problem von falschem Gebrauch von Alkohol ein Thema. Auch alte Frauen werden hier gewarnt.
Sie sollen aber aktiv sein als Lehrerinnen des Guten. Darauf wird ein bisschen die Betonung gelegt. In einem anderen Zusammenhang würde ich die Betonung vielleicht anders setzen, aber hier ist es effektiv überall wichtig. Das sehen wir auch sehr schön bei Timotheus.
Timotheus hatte absolut kein Weinproblem. Paulus musste ihm nämlich sagen – wie ich schon erwähnt habe – dass damals in der römischen Welt das Trinkwasser schlecht war. Timotheus hatte einen anfälligen Magen und wurde schnell krank durch das Trinkwasser. In der alten Welt rund ums Mittelmeer nahm man daher ein wenig Wein und mischte ihn mit Wasser zur Desinfektion.
Paulus sagt: „Sei nicht länger nur ein Wassertrinker.“ So steht es wörtlich. Sondern nimm ein wenig Wein. Er sagt nicht viel Wein, sondern betont: ein wenig Wein, um deines Magens und deines häufigen Unwohlseins willen. Man sieht also, Paulus hat ihn nicht einfach gesund gemacht. Die Gabe der Heilung setzte er sowieso nur für Ungläubige ein, nicht für Gläubige.
Die Stelle ist 1. Timotheus 5,22. Diesem Timotheus sagt Paulus in 2. Timotheus 4,5: „Du aber sei nüchtern in allem.“ Das ist das verwandte Wort mit „nüchtern“ hier in Titus 2.
Das heißt also, in allen Beziehungen ein klares Denken bewahren. Das griechische Wort „nepho“ in 2. Timotheus 4,5 bedeutet laut dem Standardwörterbuch von Walter Bauer „frei sein von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit, Überstürzung, Exaltiertheit, Verwirrtheit“. Es gibt die Gefahr, dass man im Glauben unnüchtern wird. Diese Problematik ist weltweit riesengroß, gerade durch die charismatische Bewegung, wo viele das Rauschhafte suchen. Hier wird klargestellt: Das geht nicht. „Du aber sei nüchtern in allem.“
Das bezieht sich also auch auf nüchternes Denken ganz allgemein.
Weiterhin – welchen Punkt meinst du jetzt? Wir sind ja erst bei Vers 3. Ja, lies mal vor in deiner Bibel, ganz kurz: „Nicht verleumderisch, nicht sklaven und fidel bei.“
Das ist das Problem bei der Elberfelder, die einen Mischtext hat – mal Mehrheitstext, mal Minderheitstext – und das Wort wurde weggelassen. Es gehört aber dazu: „Nicht sklaven und fidel.“ Ja, das ist drin. Was sage ich? Ganz genau.
Der Punkt ist: Im heiligen Stand geziemt es, nicht verleumderisch zu sein. Das ist auch in der Elberfelder richtig.
Und was hast du zu diesem Wort gesagt? „Teuflisch.“ Das Wort hier ist „Diabolos“, das Wort für „teuflisch“. Aber der Teufel wird in der Bibel mehrere Dutzend Male als „Teufel“ genannt. „Diabolos“ wird korrekt mit „Verleumder“ übersetzt.
Ganz wörtlich bedeutet „Diabolos“ „Durcheinanderwerfer“. Wenn man verleumdet und erniedrigende Dinge über andere Personen verbreitet – auch Dinge, die nicht wirklich stimmen – dann kann man eine ganze Gemeinde völlig durcheinanderbringen.
Darum schwingt die ursprüngliche Bedeutung von „Durcheinanderbringen“ mit, aber speziell eben „Durcheinanderbringen durch Verleumden“, durch niederträchtiges und erniedrigendes Reden sowie falsche Informationen über Personen.
Das wurde ja auch schon gesagt: Die Gefahr bei Eltern ist, dass die Kinder ausgeflogen sind und man dadurch mehr Zeit hat. Diese Zeit kann dazu führen, dass man mehr über andere schwatzt. Darum wird das hier speziell erwähnt – eben die Gefahr, die Zeit, die plötzlich da ist und vorher vielleicht nicht in der gleichen Art vorhanden war, nicht mit bösem Schwatzen zu füllen.
Dann gehen wir weiter: Sie sollen Lehrerinnen des Guten sein. Sie sollen die jüngeren Frauen unterweisen. Dabei haben wir bereits aufgezählt: Die Männer zu lieben, erstens, und die Kinder zu lieben, zweitens.
Das ist natürlich auch heute hochaktuell. Da stellt sich die Frage: Wen liebt man mehr, die Karriere oder die Kinder? Wenn Gott Kinder schenkt – was nicht jedem gegeben ist – ist es wichtig, die Prioritäten klar zu setzen: zuerst der Mann, dann die Kinder.
Du sagst, Hermann, in deiner Ehe kommt zuerst immer der Ehepartner. Egal wo: In der Ehe hat der Mann nach dem Herrn die Frau zu lieben, und die Frau hat nach dem Herrn den Mann zu lieben. Die gegenseitige Liebe steht an zweiter Stelle, bewusst so, weil die erste Stelle immer der Herr gehört – ob in einer Ehe oder in einer Single-Beziehung. In der Ehe kommt dann der Ehepartner hinzu.
Genau. Darum ist es hier zuerst genannt.
Außer bei meiner Großtante, da sind alle Lieblinge – wir sind alle Lieblingsneffen und Lieblingskinder, jeder ist gleich viel wert. Sie schafft das.
Dann der dritte Punkt: besonnen sein – das heißt, gesunden Sinn zu haben. Man soll nicht auf verrückte Ideen kommen, die nicht gesund sind, sondern einen gesunden Verstand bewahren.
Dann „keusch“ – das meint moralische Reinheit. Gerade Titus 2 zeigt auch, wie wichtig die Kleidung ist. Man soll sich nicht preisgeben, sondern der Keuschheit entsprechen, die den Wert der Frau enorm erhöht.
Dann „mit häuslichen Arbeiten beschäftigt sein“. Diese Anweisung ist heute hochaktuell, da in unserer Gesellschaft die Arbeit zuhause oft verachtet wird.
Ich habe das, glaube ich, schon erzählt; für die, die es noch nicht gehört haben: Eine alte Schwester aus dem Elsass, hyperaktiv bis ins hohe Alter, hatte sich ganz den Kindern hingegeben. Das hat sie weitergegeben: Ihre Tochter studierte Medizin und konzentrierte sich, sobald die Kinder kamen, ganz auf sie. Die Priorität wurde klar weitergegeben.
Die alte Schwester musste einmal ein Formular ausfüllen: Beruf. Was gibt man an, wenn man nur Kinder erzogen und Hausarbeit gemacht hat? Sie schrieb „sans“ – ein Wortspiel, denn „sans“ heißt auf Französisch „ohne“. Also ohne Beruf. Obwohl sie eigentlich sechsfache Sozialpädagogin war und Köchin und vieles mehr.
Sie schrieb dann „cent“ mit C-E-N-T, das klingt wie „hundert“, um zu sagen: Ich habe hundert Berufe ausgeübt. Sozialpädagogen haben nicht diese Dichte im Kontakt mit Kindern, wie es eine Mutter hat – auch nachts, wenn Sozialpädagogen schlafen.
Dann der nächste Punkt: „gütig“ sein und sich den eigenen Männern unterordnen.
Die Punkte sprechen für sich selbst. Alles ist darauf ausgerichtet, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde. Damit auch Beobachter sehen, dass diesen Menschen wichtig ist, so zu leben, wie Gott es möchte, wie er es in seinem Wort zeigt.
Herr Präsident, können Sie zum Wort „keusch“ noch etwas sagen? Bezieht sich das nur auf Unmoral oder auch auf Moral im geschlechtlichen Bereich und im Äußeren? Oder geht es noch weiter?
Nein, es bezieht sich ganz speziell auf alles, was mit Reinheit in Bezug auf die Geschlechtlichkeit zu tun hat, aber eben im weitesten Sinn.
Ja, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.
Und dann fährt er fort mit vier Punkten, die sich auf die Männer beziehen. Erstens: besonnen sein, also einen gesunden Sinn besitzen und keine abwegigen Gedanken zulassen. Indem du dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst – er zeigt damit, wie wichtig Vorbilder sind. Titus sollte darauf achten, dass er als Ältester ein gutes Beispiel gibt.
Zweitens: in der Lehre Unverfälschtheit. Die Fußnote erklärt das als Unverdorbenheit, man kann es auch mit Reinheit übersetzen. Das gilt nicht nur für Älteste, dass sie der gesunden und reinen Lehre anhängen, sondern für alle. Es soll ihnen ein Anliegen sein, die gesunde biblische Lehre zu vertreten.
Drittens: das Wort „würdiger Ernst“. Dieses ist verwandt mit „würdig“ aus Vers 2, dort „semnos“, hier „semnotes“ – würdiger Ernst. Das bedeutet jedoch nicht ein düsteres, freudloses Wesen. Nein, wie gesagt, es bedeutet etwas Edles, etwas Würdiges, aber nicht etwas Freudloses. So darf es nicht verstanden werden.
Dann weiter, Vers 8: gesunde, nicht zu verurteilende Rede. Das heißt, auch die Art, wie wir sprechen, ist entscheidend, ebenso die Wortwahl. Das führt der Apostel im Epheserbrief aus. Wenn wir kurz nachschlagen: Epheser 5,3 sagt: „Hurerei“, griechisch „Porneia“, bezeichnet jeglichen Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe, ganz umfassend. „Hurerei aber und alle Unreinheit oder Habsucht werde nicht einmal unter euch genannt, wie es Heiligen geziemt, auch Schändlichkeit und albernes Geschwätz oder Witzelei, die sich nicht geziemen, sondern vielmehr Danksagung.“
Jetzt könnte jemand sagen: Paulus hat das Wort gerade genannt, aber er sagt, man soll es nicht einmal nennen. Der Punkt ist: Die Bibel spricht über diese Dinge, aber nur so viel wie nötig. Wenn diese Dinge jedoch zur Unterhaltung dienen oder einfach so in die Sprache eingeflochten sind, wie es im Deutschen oft üblich ist, wird dadurch ein übles Wort im Sinne von „gut eingebaut“ unterstrichen. Das geht überhaupt nicht. Das ist verdorbene Sprache und zeigt Verdorbenheit.
Viele Jugendpastoren meinen, wenn sie so sprechen, seien sie ganz toll. Aber das ist vollkommen gegen die Bibel. Und eben dieses alberne Geschwätz und die Witzelei, sagt die Bibel im Klartext, gehen gar nicht. Wir müssen über diese Dinge reden, wenn es nötig ist. Dabei kann man zwar im Dreck wühlen, aber man kann sich auch so ausdrücken, dass klar ist, was gesagt werden muss, ohne sich in üblen Details zu verlieren.
Darum habe ich gesagt: würdiger Ernst bedeutet nicht, vergrault zu sein, ganz und gar nicht. Humorvoll zu sein ist ganz wichtig – ein gesunder Humor. Aber eben nicht unmoralisch. Das einerseits, aber auch nicht blödsinnig. Zum Beispiel, wenn ich sage: „Was ist ein Brot im Wasser? Ein Umbrot!“ Da lacht man drüber. Das ist etwas Lustiges, eine Art Witz. Man kann darüber lachen, ohne dass damit irgendetwas in den Dreck gezogen wird.
Es geht also um einen gesunden Humor. Nicht um dummes Geschwätz oder unmoralisch anrüchiges Gerede.
Und dann noch Vers 8: Wir müssen nämlich noch kurz durchkommen, die Zeit ist schon abgelaufen, darum bin ich ein bisschen ungeduldig. Gesunde, nicht zu verurteilende Rede, damit der von der Gegenpartei beschämt wird, da er nichts Schlechtes über uns zu sagen hat. Das heißt, dass wir auch von der Art, wie wir reden, nicht angreifbar sind und uns nicht angreifbar machen.
Dann kommen noch die Knechte, und zwar in Vers 9. Hier haben wir bereits mehrere Punkte angesprochen, nämlich fünf.
Sie sollen sich ihren Herren unterordnen, also keine Rebellen sein. In allem sollen sie wohlgefällig sein. Man kann sich zwar unterordnen, aber nicht immer mit der Faust im Sack. Wohlgefällig bedeutet, nicht widerwillig oder widerstrebend zu arbeiten. Man kann am Arbeitsplatz sehr unangenehm sein, immer alles besser wissen und widersprechen. Das ist nicht gemeint.
Auch nichts unterschlagen – damit ist gemeint, dass man zuverlässig und ehrlich sein soll. Ein Beispiel dafür ist ein alter Bekannter von mir. Er kam aus Sizilien, heiratete eine Schweizerin und war selbst Analphabet. Seine Frau brachte ihm das Lesen bei. Er war in der Gemeinde, in der ich schon als Teenager war, und später in meinen Zwanzigern.
Er arbeitete bei Rieter in Winterthur, einem Maschinenbauunternehmen. Obwohl er ungebildet war, war er treu. Die Teile, die er bei Rieter herstellte, mussten nicht kontrolliert werden. Was Vito machte, wusste man, war in Ordnung und gut. Das geht über das bloße Nicht-Unterschlagen hinaus. Er zeigte gute Treue. Man wusste, auf ihn konnte man sich verlassen, denn Treue war da.
Warum? Nicht einfach, damit er selbst geehrt wird, sondern damit die Lehre unseres Heilandgottes in allem geziert wird. Hier sehen wir den Zusammenhang zwischen der Lehre über die Heilswege und Gottes Gedanken, verbunden mit der Praxis. Das Praktische verziert die Schönheit der biblischen Lehre, wenn es umgesetzt wird.
Das zeigt auch wieder, wie sich beides schön ergänzt. Es gehört zusammen.
Beim nächsten Mal schauen wir uns dann die Verse 11 bis 15 an – eben diese heilsgeschichtliche, kompakte Lehre des Paulus.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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