Es ist alles herausgekommen. Diese vier Worte schrieben ein paar Lausbuben an einem schönen Sommertag auf drei Briefbögen und verschickten sie anonym an drei berühmte Bürger ihrer Stadt. Diese Lausbuben wussten wohl nicht, was sie damit anrichten würden. Sonst hätten sie es vielleicht nicht getan.
Den ersten Mann fand man kurz darauf. Er hing in seiner Wohnung. Der zweite Mann setzte sich ins Ausland ab, und der dritte stellte sich der Polizei. Was mögen diese Worte „Es ist alles herausgekommen“ im Leben dieser Männer ausgelöst haben? Welche finsteren Geheimnisse verbargen sie, dass sie nun Angst hatten, ans Licht zu kommen, und so reagierten?
Es ist nur eine Anekdote, eine Geschichte. Aber ich glaube, wir können uns vorstellen, dass so etwas wirklich passiert, denn finstere Geheimnisse haben eine enorme Macht über uns. Und zwar nicht nur über berühmte Personen oder die High Society, sondern auch über ganz gewöhnliche Menschen – ja, sogar über Christen, die irgendwo tief im Verborgenen Geheimnisse haben und darunter leiden.
Während viele Menschen über verborgene Schuld unglücklich sind und sogar daran leiden, gibt es auch das andere Extrem: Da liegt Sünde ganz offen auf dem Tisch, und alle sehen sie – nur die Person, die die Sünde begangen hat, sieht sie nicht.
Ein ganz prominentes Beispiel ist eine Person, die wahrscheinlich keine Christin war: Margot Honecker, die SED-Funktionärin und Frau von Erich Honecker, dem Staatschef der DDR. Sie war in hoher Funktion an diesem Unrechtssystem der DDR beteiligt. Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer wurde sie in einem TV-Interview gefragt, wie sie zurückblicke und was sie heute von der DDR halte.
Sie antwortete: „Es ist eine Tragik, dass es dieses Land nicht mehr gibt.“ Als man noch einmal nachfragte, was sie über die Menschen denke, die dort gelitten hatten und an der Mauer erschossen wurden, sagte sie: „Die brauchten ja nicht über die Mauer zu klettern, um diese Dummheit mit ihrem Leben zu bezahlen.“
Eine Frau, die ihre Schuld nicht gesehen hat. Aber vielleicht kann es uns auch so gehen, dass wir unsere eigene Schuld nicht sehen, während alle anderen sie sehen.
Zu welchem Extrem neigst du? Zu dem, an der eigenen Schuld so sehr zu leiden, dass sie dir die Lebensfreude nimmt? Oder zu dem anderen Extrem, deine Schuld schon lange überhaupt nicht mehr zu sehen und nicht zu erkennen, wo du dich an anderen versündigst? Vielleicht war das Thema der eigenen Schuld in deinem Leben sogar noch nie präsent.
Die Konfrontation mit der eigenen Schuld im Licht Gottes
Wo du auch gerade stehst: Unser heutiger Predigtabschnitt, der zweite Teil dieser Reihe durch den Johannesbrief, konfrontiert uns mit unserer Schuld. Aber er bleibt nicht dabei stehen. Er zeigt uns auch, wer Gott ist und wie Gott mit dieser Schuld umgeht. Zudem ruft er uns dazu auf, nicht in der Finsternis zu leben, sondern im Licht.
Es ist ein ganz starker Text. Ich möchte uns diesen zuerst einmal lesen. Ihr findet ihn in den ausliegenden Bibeln auf Seite 257 im hinteren Teil: Erster Johannes Kapitel 1, Vers 5. Dort schreibt Johannes:
„Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander. Und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.
Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater: Jesus Christus, der gerecht ist. Und er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.
Und daran merken wir, dass wir ihn kennen: Wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt, ich kenne ihn und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.
Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.“
Vater im Himmel, wir danken dir für dein Wort. Wir wollen dich bitten, dass wir dich durch diese Verse besser kennenlernen. Dass es uns tief trifft, uns bewegt und dass du uns in der Beziehung zu dir tiefer führst. Herr, bitte verändere du uns. Amen.
Wir wollen diesen Text in drei Schritten durchgehen:
- Erkenne dich in Gottes Licht.
- Werde heil in Gottes Licht.
- Lebe in Gottes Licht.
Der erste Schritt ist ein bisschen länger. Hinten raus wird es nur kürzer, wir nehmen ein wenig an Beschleunigung zu. Ich hoffe, ihr habt die Energie und seid dabei.
Die Lügen der Finsternis entlarven
Johannes richtet hier erstmals sehr ernste Worte an Menschen, die sich ihrer eigenen Sünde nicht bewusst sind, die Sünde verharmlosen oder nicht ernst nehmen. Bereits in der Woche zuvor hat Alex Heistermann davon berichtet, wie in der Gemeinde oder in den Gemeinden, an die dieser Brief gerichtet war, Irrlehrer unterwegs waren. Diese behaupteten unter anderem, dass Jesus gar nicht der menschgewordene Sohn Gottes sei.
Heute sehen wir, dass diese Irrlehrer auch die Sünde nicht ernst genommen haben. Sie verbreiteten Lügen über die Sünde. Im Bild von Johannes gesprochen, sagten sie, man könne gleichzeitig im Licht und in der Finsternis sein – das passe zusammen. Ich glaube, es fällt uns allen leicht zu erkennen, dass das eine große Lüge ist.
Jeder von uns ist schon einmal in einen dunklen Raum gegangen, hat den Lichtschalter angemacht, und es wurde hell. Da war keine Finsternis mehr. Licht und Finsternis schließen sich aus. Sie sind ein krasser Gegensatz. Johannes entlarvt diesen Gegensatz, indem er die verschiedenen Lügen der Finsternis aufzeigt, die damals verbreitet wurden.
Johannes „stellt das Licht an“, indem er den Menschen sagt: Gott ist Licht (1. Johannes 1,5), und in ihm ist keine Finsternis. Wenn dieses Licht Gottes auf die Lügen scheint, werden sie erkennbar. Ich glaube, diese Lügen, die damals verbreitet und geglaubt wurden, sind nicht nur Lügen der damaligen Irrlehrer. Wir können auch heute, zweitausend Jahre später, leicht auf diese Lügen hereinfallen. Sie haben viel mit uns zu tun.
Die erste Lüge: Schein statt Sein
Die erste Lüge: Es kommt darauf an, was du nach außen darstellst. Solange die anderen dich für einen guten Christen halten, ist alles in Ordnung.
Johannes sagt dazu in Vers 6: Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben und doch in der Finsternis wandeln, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit. In einem Satz entlarvt er die ganze Heuchelei, die dahintersteckt, wenn jemand zwar so tut, als hätte er Gemeinschaft mit Gott, aber in seinem Herzen überhaupt keine Gemeinschaft mit Gott hat.
Ich glaube, wir alle stehen in der Gefahr, sehr schnell zu Heuchlern zu werden. Kennst du die Versuchung, vorzugeben, jemand zu sein, der du überhaupt nicht bist? Kennst du die Versuchung, in der Gemeinde für Dinge zu beten, für geistliches Wachstum und Erweckung? Aber wenn du zu Hause bist, sind das Themen, die dir überhaupt nicht wichtig sind. Bekennst du Sünden, von denen du gar nicht wirklich loskommen willst? All das ist Heuchelei, und es gäbe noch viele weitere Beispiele.
Ich finde diese Fragen sehr unbequem, weil ich merke, wie schnell man zum Heuchler wird. Es kann sehr schnell passieren, dass ich eine fromme Maske trage und Menschen etwas vorspiele – eine Person vorgebe zu sein, die ich eigentlich nicht bin.
Das Problem, das Johannes hier deutlich machen möchte, ist folgendes: Die frommen Masken können wir tragen. Wir können uns selbst etwas vormachen und glauben, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben und im Licht wandeln. Manche Menschen werden uns das auch abnehmen und glauben, dass wir im Licht sind. Aber Gott können wir nicht täuschen. Er sieht uns genau an.
Das heißt im Alten Testament: „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“ Unsere Herzen sind vor Gott offen und offenbar. Er weiß ganz genau, was in uns vorgeht.
Es fasziniert mich, dass Jesus keine Menschengruppe so sehr kritisiert hat wie die Pharisäer. Sie standen überall und sagten: „Oh, ich liebe Gott so sehr, schau mal, was ich alles für Gott tue!“ Gleichzeitig gingen sie aber so lieblos mit ihren Mitmenschen um – erbarmungslos und gnadenlos. Das ist Heuchelei.
Dieser Lüge dürfen wir nicht erliegen. Wir dürfen nicht sagen, wir hätten Gemeinschaft mit Gott, wenn es in unserem Herzen ganz anders aussieht.
Die zweite Lüge: Die Verkennung der eigenen Natur
Die zweite Lüge geht noch ein bisschen tiefer, sie betrifft unseren Kern. Sie lautet: „Ich bin eigentlich ein guter Mensch. Ich mache vielleicht ab und zu mal den einen oder anderen Fehler, aber in meinem Kern steckt doch ein feiner Kerl.“
Der O-Ton von Johannes lautet in Vers 8: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ Mit anderen Worten: Du täuschst dich, wenn du glaubst, keine sündige Natur zu haben.
Heute ist es sehr modern, an jeder Ecke wird behauptet, der Mensch sei von Natur aus gut. Die Umstände, die Gesellschaft machen die Menschen schlecht, aber im Kern steckt immer noch ein gutes Wesen. Wenn wir das nur richtig fördern, dann kommt das gute Wesen schon wieder zum Vorschein.
Auch wir Christen können dieser Versuchung erliegen, der Lüge zu glauben, dass wir im Kern eigentlich ganz fein sind. Das passiert, wenn wir denken, dass wir schon fertig sind, wenn wir an Jesus Christus glauben. Wenn wir glauben, dass da keine sündige Natur in uns gegen Jesus und seinen Geist streitet, dann kann schnell die Annahme entstehen, wir seien jetzt eigentlich schon perfekt.
Es gibt die Geschichte von Spurgeon, dem berühmten Prediger. Einmal kam ein Mann zu ihm, wahrscheinlich nach dem Gottesdienst, und sagte: „Hör mal zu, ich habe keine Sünde.“ Das wollte Spurgeon genauer wissen. Er lud den Mann zu sich nach Hause ein. Sie aßen gut miteinander und kamen ins Gespräch.
Spurgeon fragte: „Wie kommst du darauf, dass du keine Sünde hast?“ Sie diskutierten ein wenig darüber. Am Ende des Gesprächs stand Spurgeon auf, nahm sein volles Glas Wasser und schüttete es seinem Gegenüber ins Gesicht. Der Mann reagierte ziemlich ungehalten und beschimpfte Spurgeon: „Was fällt Ihnen eigentlich ein?“
Spurgeon reagierte ganz ruhig und sagte: „Sehen Sie, Ihr alter sündiger Mensch ist gar nicht tot. Er war nur ein bisschen matt und müde, ich habe ihn wieder neu belebt.“
Manchmal braucht es so eine kalte Dusche, um neu die Erkenntnis zu gewinnen, dass wir noch nicht fertig sind. Wir haben noch Sünde, und Gott arbeitet an uns.
Die dritte Lüge: Die Verharmlosung der Sünde im Alltag
Die dritte Lüge hängt eng mit der zweiten Lüge zusammen und betrifft unser Handeln. Wir sagen: „Ich habe nicht gesündigt.“ Diese Aussage kommt aus der zweiten Lüge: „Ich habe nicht gesündigt.“ Wir nennen Sünde nicht länger Sünde.
Das passiert schneller, als uns vielleicht bewusst ist. Ich rede schlecht über einen anderen Menschen, vielleicht sogar über ein anderes Gemeindemitglied, und dann sage ich: „Naja, ich kann ja nicht jeden mögen.“ Aber eigentlich ist es Sünde, wenn wir daran denken, was Jesus über das Töten mit Worten sagt.
Oder ich verhalte mich in einer Beziehung selbstsüchtig und sage: „Ich muss ja auch einmal an mich denken und für meine Rechte einstehen.“ Aber eigentlich ist auch das Sünde.
Oder ich schaue mir im Internet irgendwelche zweifelhaften Videos an und sage: „Ich tue ja damit niemandem weh. Bleibe ja meiner Frau wenigstens treu!“ In Gedanken füge ich hinzu: „Ich habe nicht gesündigt.“ Vielleicht ist es nur ein kleines Fehlerchen, aber ich habe nicht gesündigt.
Wenn wir unsere Sünde mit unseren Umständen entschuldigen oder sagen: „Ja, ich muss auch mal an mich selbst denken,“ dann leugnen wir eigentlich, dass wir sündigen. Wir streiten es ab.
Ich glaube, die meisten von uns – mich auf jeden Fall eingeschlossen – sind Meister darin, uns herauszureden, uns selbst zu rechtfertigen und nicht anzuerkennen, dass wir sündigen.
Die Botschaft von Johannes sollte uns deshalb treffen. Er sagt in 1. Johannes 1,10: „Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir Gott zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.“
Das ist sicher die krasseste Auswirkung der Lügen und der Irrlehren: Gott selbst wird zum Lügner. Warum? Weil Gott uns in seinem Wort ganz klar sagt, dass wir sündigen.
Wir sind durch die Genesis gegangen und haben zum Beispiel gehört, wie Gott nach der Sintflut, nachdem er die Sünde gerade bestraft hat, sagt: „All das Trachten und Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf, sie sündigen.“
Zum anderen machen wir Gott damit zum Lügner, weil wir sagen, wir brauchen das Opfer, das er auf Golgatha am Kreuz gebracht hat – das Opfer, das Jesus für die Schuld der Menschen gebracht hat, die an ihn glauben – nicht.
Wir sind ja eigentlich fein, wir sündigen nicht. Es ist, als würden wir weitere Nägel in das Kreuz schlagen, in das Fleisch von Jesus, indem wir sagen: „Wir brauchen das nicht.“
Ich glaube, es ist sehr menschlich, Sicherheit genau in diesen Lügen zu suchen, die damals behauptet wurden und die auch wir gerne glauben. Wir verstecken uns, lassen niemanden zu nah an uns heran und spielen Gott und den Menschen etwas vor, das nicht der Realität entspricht.
Aber die Botschaft von Johannes lautet: Wieg dich nicht in dieser falschen Sicherheit. So lebst du eine Lüge, so lebst du in der Finsternis.
Echte Sicherheit bekommst du erst im Licht, wenn du erkennst, wer du bist – aber auch, wer Gott ist.
Heilung und Reinigung im Licht Christi
Es geht Johannes nicht darum, uns kaputtzumachen, indem er uns hier unsere ganze Sündhaftigkeit vorhält. Vielmehr möchte er uns bewusst machen, wie heuchlerisch und selbstsüchtig wir leben und wie wir uns selbst täuschen. Dann führt er uns weiter und sagt: „Da musst du nicht stehenbleiben. Es gibt den Weg ins Licht Gottes, und in Gottes Licht wirst du heil.“ Das ist der zweite Punkt.
Depressionen und andere Krankheiten werden manchmal mit Licht therapiert. Ich bin kein Experte, wie das genau funktioniert, aber offensichtlich wirkt es ziemlich gut. Was wir brauchen, ist so eine Lichttherapie im Licht Christi. Jesus selbst hat von sich gesagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Dieses Licht brauchen wir.
Dieses Licht konfrontiert uns noch einmal mit unserer Sünde, vielleicht deutlicher als jedes andere Licht und alles, was wir sonst hören oder miteinander austauschen. Wenn wir aufs Kreuz schauen, wird uns unsere Sünde ganz deutlich. Dieses Licht der Welt, Jesus Christus, kam in diese Welt und lebte ein Leben im Licht. Er tat alles genau so, wie Gott es wollte, nach dem Willen Gottes.
Gott hätte zu ihm sagen können: „Gut gemacht, mein Junge, komm wieder heim. Jetzt haben wir es den Menschen aber mal gezeigt, man kann sich ja doch nach dem Gebot Gottes richten.“ Aber das tut Gott nicht. Im Gegenteil: Er bestraft seinen eigenen Sohn. Er lässt zu, dass Menschen ihn töten und ans Kreuz schlagen, damit wir ins Licht kommen können und unsere ganze Finsternis vergeht.
Jesus erlebte stattdessen die ganze Finsternis am Kreuz, eine Finsternis, die wir uns kaum vorstellen können – die völlige Trennung von Gott. Er hing dort am Kreuz und schrie aus vollem Schmerz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Er trug die Folge der Sünde ans Kreuz, damit wir heil werden können in Gottes Licht.
Johannes macht uns immer wieder darauf aufmerksam, indem er uns an das Blut Christi erinnert und zeigt, was Jesus getan hat. Dann sagt er: „Jetzt wird heil in diesem Licht Christi.“ Dabei setzt er den Lügen drei Wahrheiten entgegen, wie dieses Licht uns verändert.
Ganz stark macht er in Vers 7 zuerst auf die Gemeinschaft in diesem Licht aufmerksam. Es ist erstaunlich, dass er sagt: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander.“ Er sagt nicht, wir haben Gemeinschaft mit Gott, sondern Gemeinschaft untereinander.
Wir wissen das vom Alex, der letzte Woche schon über diese Gemeinschaft gepredigt hat. Dort haben wir uns auch die Verse 3 und 4 angeschaut. Diese Gemeinschaft untereinander hat viel mit der Gemeinschaft mit Gott zu tun. Sie ist gar nicht voneinander zu trennen. In der Gemeinschaft untereinander wird auch unsere Gemeinschaft zu Gott sichtbar.
Kennst du diese tiefe Sehnsucht, keine Show mehr abziehen zu müssen, wirklich ehrlich sein zu können und echte Gemeinschaft in der Gemeinde zu haben? Was käme da ans Licht, wenn wir wirklich ehrlich voreinander wären?
Vielleicht käme ans Licht, dass jemand seit Jahren nicht mehr betet. Vielleicht sind die Gebete immer weniger und schwächer geworden, bis sie ganz aufgehört haben. Vielleicht käme ans Licht, dass eine in ihrer Jugend nie gelernt hat, mit Alkohol richtig umzugehen, und sich jetzt heimlich betrinkt, weil sie Angst hat, von ihren Geschwistern verurteilt zu werden.
Vielleicht käme ans Licht, dass jemand in der Gemeinde ein total netter, freundlicher Kerl ist, man würde es nicht ahnen, aber zuhause völlig cholerisch ist, seine Frau und Kinder anschreit und nicht im Licht lebt, sondern in der Sünde.
Dort, wo wir echte Gemeinschaft in Christus haben, dürfen und sollen wir Dinge ans Licht bringen. Wir können so eine Gemeinschaft leben – in unseren Hauskreisen, in der Gemeinde, in Freundschaften und in unseren Ehen. Wenn wir ehrlich voreinander werden und beide an Jesus glauben, ist es gut, wenn die Dinge ans Licht kommen.
Aber diese ehrliche Gemeinschaft ist kein Selbstzweck. Ich glaube, wir bleiben manchmal stehen, erzählen uns unsere Sünden und wo wir versagen, und sagen dann: „Du bist nicht okay, ich bin nicht okay, die Gnade ist groß.“ Aber wir bleiben stehen. Wir gehen nicht weiter und verpassen die Wahrheiten, die Johannes uns noch weitergibt.
Das zeigt er uns vor allem in Vers 9: Jesu Blut macht uns rein von aller Ungerechtigkeit. Die zweite Wahrheit ist, dass Gottes Licht uns echte Reinigung bringt. Er will uns von den Dingen befreien, die uns von ihm wegziehen.
Ist es nicht wunderbar, dass Gott selbst uns reinigen möchte und uns die Sünde wegnehmen will, damit wir engere Gemeinschaft mit ihm haben können? Ich befürchte, wir können dem nicht immer zustimmen. Manchmal finden wir es nicht so toll, dass Gott an uns arbeiten möchte.
Manchmal würden wir es uns anders wünschen: dass Gott uns die Sünde einfach wegschnipst, dass es keine Arbeit ist, sondern einfach weg. Aber die Art, wie Gott uns reinigt, ist oft wie eine Therapie einer schweren Krankheit – eine Therapie, die richtig wehtut.
Er arbeitet an uns und rottet die Sünde Stück für Stück aus. Oft dauert es lange, bis der Heilige Geist an uns arbeitet. Wir verpassen etwas, wenn wir sagen: „Es ist schon okay, ich bin so, ich kann es nicht ändern.“ Wir verpassen etwas, wenn wir ihn nicht arbeiten lassen.
Ich glaube, es hilft, wenn wir die Sünde wie ein tödliches Krebsgeschwür sehen. Ich sehe das gerade bei einem Freund, der eine Therapie gegen Krebs macht. Wie schmerzhaft so eine Therapie ist! Aber er würde niemals auf die Idee kommen zu sagen: „Lass es bleiben.“
Er nimmt jeden Schmerz in Kauf, um wieder gesund zu werden. Wir sollten Gott dankbar sein, dass er an uns arbeitet.
Ich möchte das noch in ein paar Punkten konkret machen, was das für uns bedeutet. Wenn ich eine Sünde in meinem Leben erkenne, sollte ich nicht sagen: „Es ist schon okay, da ist halt diese Sünde.“ Ich sollte auch nicht den Teufel tadeln, weil ich diese Sünde tue.
Der Teufel mag mich in Versuchung führen, aber ich bin selbst verantwortlich. Wenn ich eine Sünde erkenne, sollte ich Gott danken: „Danke, dass du mir diese Sünde zeigst, Vater!“ Dann bitte ich um Vergebung und sage: „Herr, es tut mir leid, ich möchte diesen Weg nicht gehen.“
Dann kann ich mit Dankbarkeit in Anspruch nehmen, was sein Sohn am Kreuz für alle getan hat, die ihre Sünde zum Kreuz und zu Gott bringen. Ich kann sagen: „Danke, dass bei dir Vergebung ist. Jetzt gib mir bitte die Kraft, diese Sünde loszulassen. Ich will sie gar nicht behalten.“
Wir erleben alle immer wieder, dass wir in unsere Lieblingssünden zurückfallen. Was machen wir dann? Wir sagen: „Danke, Gott, dass du es mir zeigst. Ich bitte dich um Vergebung.“ Es geht wieder von vorne los.
Du würdest nicht auf die Idee kommen, wenn du eine Krankheit hast, die du schon einmal hattest, beim zweiten Mal nicht mehr zum Arzt zu gehen. Selbst bei einer leichten Krankheit gehst du wieder hin. Bei einer schweren Krankheit gehst du vielleicht jede Woche oder jedes Jahr zum Arzt, um dir helfen zu lassen.
Nur Gott kann uns helfen – unser Arzt. Und genauso sollen wir auch miteinander umgehen. Wenn jemand zu dir kommt und sagt: „Ich habe gesündigt, da ist Sünde in meinem Leben,“ wie schnell sagen wir dann: „Es ist doch nicht so schlimm, wir sind alle Sünder.“
Lasst uns die Sünde ernst nehmen und sagen: „Ja, da ist Sünde. Danke, dass du so offen bist und mit mir darüber redest.“ Dann bringen wir es zusammen vor das Kreuz und legen es gemeinsam vor Gott hin. Reden wir die Sünde nicht klein!
Lasst uns Sünde wieder Sünde nennen – etwas Böses, das uns vom Licht wegzieht, uns in die Finsternis führt und von Gott entfernt. Es ist wichtig, dass wir so zusammen unterwegs sind und erkennen, dass wir alle Vergebung brauchen.
Wenn wir das nicht erkennen, werden wir gegenseitig zu Anklägern und sagen: „Der hat gesündigt, der, der.“ Aber wenn wir alle erkennen, wie es hier heißt: „Im Blut Christi werden wir rein,“ dann können wir gemeinsam diesen Weg gehen und Gott darum bitten, dass er uns reinigt.
Die dritte Wahrheit: Die Vergebung Gottes
Und dann die dritte Wahrheit, die wunderbar ist: Bei Gott gibt es echte Vergebung. Das ist der Vers 9, den wir vorher schon gehört haben: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“
Gott vergibt nicht nur ein bisschen, sondern vollkommen. Er vergibt uns unsere Schuld, wenn wir sie in sein Licht bringen. Es heißt, dass Gott treu und gerecht ist, wenn er das tut.
Es ist nicht treu und gerecht, weil wir unsere Schuld zu ihm bringen und offen und ehrlich damit umgehen. Es ist gerecht, weil jemand anders dafür bezahlt hat – weil Jesus am Kreuz für diese Schuld bezahlt hat und sie beglichen ist. Außerdem steht Jesus als unser Anwalt vor Gott und sagt: „Ich habe dafür gezahlt.“ Das wird in den Versen 1 und 2 des zweiten Kapitels noch einmal deutlich. Jesus ist unser Anwalt, unser Fürsprecher vor Gott. Er sagt, dass diese Schuld keine Macht mehr hat.
Das ist die wirklich gute, frohmachende Botschaft aus diesen Versen: Deine Sündenlast muss dich nicht zerbrechen. Es muss dir nicht so gehen wie den Männern am Anfang, die diesen Brief bekommen haben – bei ihnen ist alles herausgekommen. Vor Gott liegt alles offen da. Vor Gott können wir unsere Schuld ins Licht bringen, und dann vergibt er uns komplett.
Manchmal kann man das gar nicht glauben oder fassen. Da brauchen wir jemanden, mit dem wir es zusammen vor Gott bringen können. Ihr habt das in meinem Leben mehrfach erlebt, als ich mit einem Bruder zusammen war und ihm gebeichtet habe – nicht als Ritual wie in der katholischen Kirche, sondern wirklich ehrlich gesagt habe: „Diese Sünde macht mir Kummer, ich will sie vor Gott bringen.“ Und dieser Bruder hat mir Vergebung zugesprochen. Dann ist es wirklich ins Licht gekommen, und ich bin frei geworden.
Das ist das Licht Gottes: Da, wo die Sünde ans Licht kommt, wirst du frei. Sünde kann dich nicht mehr länger anklagen – sie ist weg.
Das Leben im Licht als Ziel und Herausforderung
Und dann der dritte Punkt: Wenn du diese Vergebung in Anspruch nimmst, wenn du wirklich so schlecht von der Sünde denkst, wie du denken solltest, dann lebe im Licht! Such nicht länger die Sünde, sondern versuche wirklich, nach Gottes Wort zu leben. Strebe danach, nicht deine Selbstsucht zu fördern, sondern Gottes Willen in deinem Leben zu tun.
Johannes macht ganz klar, dass es wichtig ist, im Licht zu leben und nicht einfach so weiterzumachen. Es gibt da den Witz von einem kleinen Jungen, der im Kindergottesdienst vom Pastor gefragt wird: „Was müssen wir denn tun, um Gottes Vergebung zu bekommen?“ Der kleine Junge antwortete: „Na, wir müssen sündigen.“ So nicht! Johannes sagt das hier ganz klar: „Dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt“ (1. Johannes 2,1). Er will uns wirklich dazu anregen, im Licht zu leben und Gottes Willen zu lieben.
Er weiß doch, dass wir nicht damit fertig sind. Es ist nicht so, dass man zuerst erkennt, dass man im Licht leben soll, dann heil wird im Licht und schließlich im Licht lebt. Vielmehr ist es ein ständiges Hin und Her zwischen Heilwerden und im Licht leben. Wir müssen immer wieder heil werden und immer weiter heil werden. Aber das soll unser Ziel sein: wirklich in Gottes Licht zu leben.
Und ist es nicht eigentlich auch völlig logisch? Wenn wir Gott kennenlernen, wenn wir erkennen, wie er uns sieht und wie er uns heil machen kann, dann haben wir doch keine Lust mehr, in unserer Sünde zu leben, sondern wollen nach seinem Willen leben. Ich kann doch nicht aufs Kreuz schauen und sagen: „Danke, was du da für mich getan hast“, aber alles andere ist mir eigentlich egal.
Johannes gibt uns diesen herausfordernden Test, ob wir Gott wirklich kennen. Er sagt in Vers 3: „Daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten.“ Und noch einmal in Vers 6, sehr herausfordernd: „Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.“ Er meint, wir sollen uns ein Beispiel daran nehmen, wie Jesus Christus gelebt hat. Da sehen wir, wie man im Licht lebt, und können uns viel davon abschauen. Das ist wichtig und gehört dazu.
Glaubst du, Gottes Wille für dein Leben ist besser als dein eigener? Lässt du dich von seinem Wort immer wieder korrigieren? Willst du dem Beispiel Jesu nachfolgen und so leben, wie er gelebt hat? Wenn wir darauf nicht mit einem aufrichtigen Ja antworten können – und das ist oft so –, dann wird es Zeit, dass wir wieder zu Gott kommen und sagen: „Herr, mach mein Herz weich für deinen Willen. Schenk mir neu das Feuer für das, was du willst. Ich bitte dich um Vergebung für meine Selbstsucht und meinen Eigenwillen, dass ich wieder meinen eigenen Weg gehen wollte.“
Und das ist das Schöne: Wenn wir das machen, wenn wir das vor Gott bringen, können wir ihm mit unserem ganzen Versagen nachfolgen. Das geht. Aber wir müssen uns ehrlich im Licht reflektieren, sehen, wo wir schieflaufen und nicht in Gottes Willen sind, und dann zu Gott kommen und wieder um Vergebung bitten.
Die Herausforderung der Veränderung und das Ziel der vollkommenen Liebe
Was Johannes uns hier schreibt, ist, glaube ich, ziemlich herausfordernd. Vielleicht geht es dir ja so wie mir: Allzu oft will ich mich nicht ändern.
Ich habe manchmal das Gefühl, Gott will mir etwas wegnehmen, das ich eigentlich gern behalten möchte. Manchmal erkenne ich auch, dass es, wenn ich Gott um Vergebung bitte, noch ein bisschen mehr damit verbunden ist. Es reicht manchmal nämlich nicht aus, einfach zu sagen: „Gott, ich bitte dich um Vergebung.“
Oft bedeutet es auch, dass ich Dinge wieder in Ordnung bringen muss. Dass ich zu einem anderen Menschen gehen muss und zum Beispiel sagen muss: „Es tut mir leid, ich bitte dich um Vergebung.“
Das kann einen manchmal ganz schön beschämen, und man denkt sich: Will ich das wirklich? Aber es ist es wert.
Es hilft mir immer wieder, auf das zu schauen, was ich gewinne, nicht auf das, was ich verliere. Ein Schatz im Himmel, nah bei Gott zu sein.
Johannes sagt das im fünften Vers von Kapitel zwei: „Da, wo wir in seinem Willen laufen, da ist seine Liebe vollkommen in uns.“ Vollkommene Liebe Gottes in uns.
Was gibt es Besseres? Glauben wir nicht der Lüge, sondern dieser Wahrheit: Gottes Liebe soll vollkommen werden in uns, in unserer Gemeinschaft.
Glauben wir, dass es besser ist, ein Leben im Licht zu führen – auch mit manchem Verlust und mit manchen Dingen, die wir in dieser Welt nicht bekommen können –, wenn wir in diesem Licht leben, als all die Dinge dieser Welt zu haben, aber keinen Schatz bei Gott.
Dafür möchte ich noch beten:
Vater im Himmel, wir danken dir für deine große Liebe, die sich nirgendwo eindrücklicher zeigt als am Kreuz. Dort hat dein Sohn das getragen, was wir verdient hätten. Er hat alle Schuld mit ans Kreuz und ins Grab genommen, die uns von dir trennt.
Vater, wir danken dir für dein Licht, das du auf unser Leben wirfst. Dafür, dass du uns zeigst, wer wir sind, aber auch dafür, dass du uns zeigst, wer du bist. Und dass du mit unserer Schuld umgehen kannst – ja, gerade durch das, was am Kreuz geschehen ist.
Unsere Schuld ist für dich kein untrennbares Hindernis, sondern wir können in die Beziehung zu dir kommen.
Herr, wir bekennen dir, dass wir so oft nicht nach deinem Willen leben. Wir bitten dich: Entfache neu das Feuer in unseren Herzen für dich, und dass wir deinen Willen mehr suchen als alles andere.
Danke für deine Liebe und dass du diese Gemeinde baust. Amen.
Jetzt singen wir ein Lied, das diese drei Schritte eigentlich sehr schön zum Ausdruck bringt.