Eröffnung und Einführung in die Evangelien
Wir wollen zu Beginn gemeinsam beten. Herr Jesus Christus, wir danken dir für diesen Nachmittag, den du uns schenkst, an dem wir uns mit den Evangelien beschäftigen dürfen. Dabei denken wir an den Wunsch der Griechen, die damals nach Jerusalem kamen und sagten: Herr, wir möchten Jesus sehen.
Herr Jesus, wir bitten dich, dass du uns durch dein Wort begegnest. Lass uns deine Herrlichkeit und deine Größe erkennen – sowohl in deiner tiefen Erniedrigung als auch in deiner wunderbaren Erhöhung. Segne diesen Nachmittag, öffne unsere Herzen und ergreife sie durch dein Wort. Amen.
Heute Nachmittag wollen wir uns im Sinne einer Einführung mit den vier Evangelien beschäftigen. Zunächst fragen wir uns: Warum heißen die Evangelien Evangelien?
Das Wort selbst kommt im ersten Vers des Markus-Evangeliums vor, wo es heißt: „Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes.“ Hier sehen wir, dass dieses Buch von Markus als Evangelium bezeichnet wird. Evangelium ist einfach die lateinische Aussprache des griechischen Wortes, das im Grundtext steht: Euangelion.
Euangelion bedeutet „gute Botschaft“ oder „frohe Botschaft“. Die vier Evangelien am Anfang des Neuen Testaments sind also vier gute Botschaften über das Kommen des Herrn Jesus Christus.
Die Inspiration und Bedeutung der Evangelien im Neuen Testament
Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes.
Der Herr Jesus hatte seine Inspiration im Voraus angekündigt. In Johannes 14,26 sagte er seinen Jüngern am Vorabend vor der Kreuzigung als Verheißung: „Der Sachwalter aber, der Heilige Geist, welchen der Vater senden wird in meinem Namen, jener wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“
Der Heilige Geist, der an Pfingsten kommen sollte, würde also die Jünger an das erinnern, was der Herr Jesus gesagt hatte. Diese Erinnerung an die Worte des Sohnes Gottes hat sich besonders in der Abfassung der vier Evangelien niedergeschlagen.
Der Vollständigkeit halber sei auch Johannes 15,26 erwähnt, wo der Herr Jesus sagt: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch von dem Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der von dem Vater ausgeht, so wird er von mir zeugen. Aber auch ihr zeugt, weil ihr von Anfang an bei mir seid.“
Das nächste Buch im Neuen Testament, die Apostelgeschichte, ist die einzige inspirierte Kirchengeschichte, die es gibt. Sie beschreibt die Jahre 32 bis 62 nach Christus, also die ersten drei Jahrzehnte des Zeugnisses des Heiligen Geistes. Auch in der Inspiration der Apostelgeschichte hat sich diese Ankündigung ganz besonders niedergeschlagen.
In Johannes 16,12 sagt Jesus: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten.“
Die ganze Wahrheit, die nach dem Kommen des Herrn noch offenbart werden sollte, hat sich besonders in der Abfassung der neutestamentlichen Briefe niedergeschlagen. Dort finden wir zum Beispiel all die Geheimnisse, die Paulus offenbaren musste. Diese Wahrheiten, die vorher verborgen waren, werden insbesondere in den Briefen enthüllt, in denen wir die Lehre der Apostel und Propheten finden.
Schließlich sagt der Herr noch in Johannes 16,14: „Ihr werdet mich verherrlichen.“ Und in Vers 13 heißt es: „Sondern was irgend er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen.“
Das Kommende wird er euch verkündigen. Diese Aussage des Herrn beschränkt sich nicht nur darauf, aber die Erfüllung in der Abfassung all dieser neutestamentlichen Schriften ist ein wesentlicher Bestandteil dessen, was der Herr hier ankündigt.
Das Kommende, wie wir darauf verkündigen, hat sich besonders in dem einzigen durchweg prophetischen Buch des Neuen Testaments niedergeschlagen: der Offenbarung.
Prophetie finden wir auch an anderen Stellen, auch in den Briefen, aber die Offenbarung ist ganz speziell das Buch, das das Kommende beschreibt.
Die vierteilige Gliederung des Neuen Testaments und ihre Bedeutung
So sehen wir, dass das Neue Testament eine Vierteilung aufweist: die Erinnerung, die vier Evangelien; das Zeugnis, die Apostelgeschichte; die Wahrheit, die Briefe; und das Kommende, die Offenbarung.
Dabei ist interessant, dass das Alte Testament im Judentum ebenfalls als dreigliedrig betrachtet wird: das Gesetz, die Propheten und die Schriften. Der Herr Jesus erwähnt genau diese Dreiteiligkeit in Lukas 24, als er alles erklärt, was im Alten Testament auf ihn hinweist – im Gesetz Mose, in den Propheten und in den übrigen Schriften, also in den Psalmen. Die Psalmen bilden das erste Buch im dritten Teil.
Das macht deutlich: Das Alte Testament ist dreiteilig – Gesetz, Propheten und Schriften, oder Tora, Nevi'im und Uchtuvim. Das Neue Testament hingegen ist vierteilig, wie bereits erwähnt.
Dies ergibt für die gesamte abgeschlossene Offenbarung eine Siebenteiligkeit. Dabei fällt uns auf, dass die Evangelien genau im Zentrum stehen.
Die Evangelien als Biografien und ihre zentrale Botschaft
Was beschreiben sie? Es handelt sich um vier geschichtliche Biografien.
Punkt zwei auf unserem Skript beschreibt den Menschen Jesus Christus auf Erden, den Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, um schließlich das Werk der Erlösung am Kreuz zu vollenden. Man kann sagen, dies ist der absolute Höhepunkt der Heilsgeschichte.
Das führt uns nun zur Beantwortung der Frage: Warum haben wir eigentlich vier Evangelien und nicht nur eines? Manche wünschen sich eine Synopsis, die alle vier Evangelien in einem Buch zusammenfasst.
Aber Gott hat uns vier Evangelien gegeben. Das muss einen Grund haben. Und warum genau vier? Warum nicht fünf? Auch das hat einen Grund.
Die Bedeutung der vier Zeugen und ihre Glaubwürdigkeit
Wir haben gesehen, wie zentral die Botschaft der Evangelien ist: Der Sohn Gottes, der ewige Gott, wird Mensch, um das Werk der Erlösung am Kreuz zu vollbringen.
Nun finden wir den Grundsatz in 5. Mose 19,15, dass eine Aussage vor dem Gericht des auserwählten Volkes durch mindestens zwei Zeugen belegt werden musste, um glaubwürdig zu sein. Wenn ein einzelner Zeuge aussagte, war das zu wenig. Es mussten zwei Zeugen vorhanden sein.
Ein einzelner Zeuge soll nicht wieder jemanden anklagen wegen irgendeiner Ungerechtigkeit oder irgendeiner Sünde. Bei irgendeiner Sünde, die jemand begeht, soll die Sache auf zweier oder dreier Zeugenaussage bestätigt werden. Das Mindestzeugnis, um vor dem Gericht des Volkes Gottes glaubwürdig zu sein, sind also zwei Zeugen oder besser drei – zwei oder drei Zeugen.
Dieses Prinzip finden wir übrigens auch im Neuen Testament wieder, und zwar in Verbindung mit der Gemeinde an mehreren Stellen. Beispiele dafür sind Matthäus 18 und 2. Korinther 13.
In den Evangelien haben wir nun nicht nur ein besonders glaubwürdiges Zeugnis von zwei Zeugen, sondern gleich zweimal zwei Zeugen. Dadurch wird der Höhepunkt der Heilsgeschichte von verschiedenen Seiten beleuchtet.
Die Autoren der Evangelien: Apostel und Propheten
Wenn wir darüber nachdenken, wie die Evangelien beschaffen sind, fällt uns auf, dass man sie nach verschiedenen Gesichtspunkten immer in zweier Gruppen einteilen kann.
Zwei der Autoren, nämlich Matthäus und Johannes, waren Apostel Jesu Christi. Das heißt, es handelt sich um Männer, die eine ganz besondere Autorität vom Herrn Jesus erhalten hatten. Jesus sagt in Matthäus 10 von den zwölf Aposteln: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf; wer euch verwirft, verwirft mich.“
Nur noch der Apostel Paulus hatte ebenfalls diese Autorität erhalten, und zwar im Blick auf die nichtjüdischen, nichtisraelitischen Völker. Die zwölf Apostel waren hingegen für die zwölf Stämme Israels bestimmt.
Die anderen zwei Schreiber, Markus und Lukas, waren keine Apostel, aber sie waren inspirierte Bibelschreiber mit prophetischer Autorität im neutestamentlichen Sinn. Diese Autorität ermöglichte es ihnen, der Bibel, dem Alten Testament, ein weiteres Buch hinzuzufügen.
In Epheser 2,20 wird gesagt, dass die Gemeinde, die Kirche, auf der Grundlage der Apostel und Propheten aufgebaut ist. Diese Männer mussten quasi das Fundament der Kirche, der Gemeinde Gottes, bestehend aus allen wahren Erlösten, legen.
Übrigens ist es ganz wichtig, dass wir das gut verstehen. Heute gibt es Leute, die sagen, dass Gott in der Endzeit das apostolische und das prophetische Amt wiederherstellen möchte. Das ist architektonisch völliger Unsinn. Ein Fundament legt man einmal, und zwar ganz unten beim Haus. Niemand beginnt mit dem Fundament oben beim Dach und baut dann nach unten. Das funktioniert einfach nicht.
Oder wenn das Fundament gelegt ist, baut man oben nicht noch einmal ein Fundament. Nein, wir sind auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut, und dieses Fundament wurde uns in den Schriften des Neuen Testaments als verbindliche Schriften für alle Zeiten gegeben. Diese Schriften sind von Gott inspiriert bis in den letzten Buchstaben.
Darum sagt Judas in seinem Brief ganz am Anfang, dass er gedrängt war, zu ermahnen, für den ein für allemal den heiligen, überlieferten Glauben zu kämpfen. Das bedeutet: Das, was Gott uns an Offenbarung gegeben hat, hat er uns in der Bibel, im Alten und dann im Neuen Testament, ein für allemal gegeben. Es sollte nicht noch ein zweites Mal gegeben werden.
Wenn wir untreu sind und das Wort Gottes nicht gut verwalten, ändert das nichts daran. Es gilt einmal ein für allemal den heiligen, überlieferten Glauben zu bewahren.
Die Kriterien für die Kanonizität der Evangelien
Nun, so haben wir also zwei Apostel und zwei Propheten. Übrigens war das ein ganz wichtiges Kriterium, um zu erkennen, welche Bücher zur Bibel gehören und welche nicht. Es gab ja viele Fälschungen.
Schon Paulusbriefe wurden gefälscht, wie ich heute Morgen erklärt habe. Zum Beispiel hatten die Thessalonicher einen gefälschten Paulusbrief erhalten. Auch im zweiten und dritten Jahrhundert wurden Schriften gefälscht, etwa das Thomas-Evangelium von Gnostikern, das um 140 nach Christus wohlgeschrieben wurde, sowie das Petrus-Evangelium, eine Petrus-Apokalypse und so weiter.
Die frühen Christen mussten also untersuchen, ob ein Buch wirklich von einem der zwölf Apostel Jesu Christi oder von Paulus, dem Apostel Jesu Christi für die Heiden, geschrieben wurde. Oder ob es von einem Propheten stammte, der durch diese Apostel Jesu Christi anerkannt war. Nur dann konnte ein Buch als inspiriert aufgenommen werden.
Es ist beeindruckend, dass die frühe Kirche alle Fälschungen aussortieren und ablehnen konnte.
Heute gibt es plötzlich Menschen, die sich ganz besonders erleuchtet fühlen und behaupten, man habe eine Handschrift mit dem Judas-Evangelium gefunden. Dabei wird der Verräter Judas wieder ganz positiv dargestellt. Was soll das? Das hat die alte Kirche schon längst erkannt.
Das waren alles Fälschungen, die alle verworfen wurden. Wir haben jedoch vier Evangelien aus dem ersten Jahrhundert, die von zwei Aposteln Jesu Christi und von zwei Propheten stammen, die durch diese Apostel anerkannt waren, denn...
Die Herkunft und Zuverlässigkeit der Evangelien
Markus wird von Petrus in 1. Petrus 5 als „mein Sohn“ bezeichnet. Damit ist sein geistlicher Sohn gemeint. Wir haben eine sehr frühe christliche Überlieferung, die besagt, dass Petrus in Rom zu Besuch war. Markus habe dort sein Evangelium geschrieben, und Petrus habe dies bestätigt und gutgeheißen.
Lukas wird von Paulus im 1. Timotheusbrief zitiert. Paulus bezieht sich dabei auf das Lukasevangelium. Er sagt: „Wie die Heilige Schrift sagt“ und zitiert zwei Verse:
„Denn die Schrift sagt: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden“ (5. Mose 25,4)
und „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“ (Lukas 10,7).
Der Apostel Paulus stellt das Lukasevangelium damit auf dieselbe Stufe wie die Tora, also das fünfte Buch Mose, die Schrift. Es ist also ganz klar, dass Lukas durch den Apostel Johannes als Prophet und Bibelschreiber anerkannt wurde.
Von den vier Evangelisten waren zwei Augenzeugen: Matthäus und Johannes. Sie verbrachten die gesamte Zeit des öffentlichen Wirkens Jesu, etwa drei Jahre, mit ihm zusammen. Die anderen beiden Zeugen, Markus und Lukas, waren nicht während der ganzen drei Jahre mit Jesus. Woher hatten sie also ihr Wissen?
Lukas gibt gleich am Anfang seines Evangeliums an, dass er den Augenzeugen nachgegangen sei. Er hat die Dinge genau nachgeforscht und deshalb sein Evangelium historisch zuverlässig verfasst.
Von Markus wissen wir, dass er der Sohn von Maria war, in deren Haus in Jerusalem eine Gemeindeversammlung stattfand (Apostelgeschichte 12). In diesem Haus gingen Apostel und Propheten ein und aus. Markus hatte, wie erwähnt, eine enge Verbindung zu Petrus. So konnte er von den frühen Zeugen das historische Material sammeln.
Wir können also sagen: Zwei Evangelien wurden von Augenzeugen geschrieben, und zwei Evangelien von Zeugen, die als Historiker bei den Augenzeugen nachgeforscht haben. Dabei ist wichtig zu beachten, dass Markus nicht nur für einen Augenzeugen steht, sondern für mehrere. Dasselbe gilt für Lukas. Dadurch haben wir eine Vervielfältigung der Zeugnisse.
Die Struktur und Charakteristika der Evangelien
Zwei Evangelisten haben streng chronologisch geschrieben, das heißt, sie haben die Ereignisse in der zeitlichen Abfolge dargestellt: Markus und Johannes. Zwei andere, Matthäus und Lukas, haben ihre Berichte zwar überwiegend chronologisch verfasst, aber nicht immer strikt in dieser Reihenfolge. Sie ordnen den Erzählstoff zum Teil auch nach inhaltlichen Kriterien. Grob gesehen ist es also Chronologie, aber teilweise auch eine inhaltliche Gliederung. Die Chronologie steht nicht immer an erster Stelle.
Zwei Evangelisten zeigen eine amtliche Herrlichkeit des Herrn Jesus, nämlich Matthäus und Markus, während zwei andere eine persönliche Herrlichkeit darstellen, nämlich Lukas und Johannes. Matthäus beschreibt den Herrn Jesus besonders als König, Markus und Lukas hingegen als Knecht. Das ist ein deutlicher Kontrast. Lukas legt den Akzent darauf, dass der Herr Jesus ein wirklicher Mensch war. Deshalb berichtet er auch am ausführlichsten über die Geburt Jesu. In Markus wird die Geburt gar nicht erwähnt, in Lukas aber sehr ausführlich.
Johannes betont von Anfang an, dass der Herr Jesus von Ewigkeit her Gott ist: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott." Ein König ist man nicht vom Wesen her, sondern es ist ein Amt, eine hohe Berufung und Aufgabe. Ebenso ist es mit dem Knechtsein: Auch das ist kein Wesen, sondern ein Amt und eine Berufung. Mensch zu sein hingegen ist kein Amt, sondern eine Wesenseigenschaft. Entweder ist man Mensch oder nicht – man kann Menschsein nicht durch Berufung erlangen. Johannes beschreibt, dass der Herr Jesus Gott ist. Gott kann man nicht werden. Das ist die alte Lüge der Schlange: "Ich werde sein wie Gott." Das ist völliger Unsinn. Man kann nicht Gott werden, wenn man es nicht schon von Ewigkeit her ist. Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit.
So unterscheiden wir zwei amtliche Herrlichkeiten und zwei persönliche, wesensmäßige Herrlichkeiten, also das, was jemand in sich ist. Zwei Evangelisten beschreiben Christi Erhabenheit, zwei seine Erniedrigung. Matthäus beschreibt den Herrn Jesus als König – das ist eigentlich das Höchste, was man erreichen kann, eine Art Karrierehöhepunkt. Man könnte sagen: Dann ist man fertig. Der Kaiser war der Oberkönig von Rom und somit das Höchste, was es gab.
Matthäus beschreibt den Herrn Jesus in seiner Erhabenheit als König, als höchsten König. Johannes beschreibt ihn als Gott, was das Höchste überhaupt ist. Höher als Gott kann man nicht sein. Der Satan, ein geschaffener Engel, wollte sein wie Gott, sich gleichmachen dem Höchsten, wie es in Jesaja 14,12 heißt. Aber er konnte nicht sagen, er wolle höher sein als Gott – das geht nicht, denn höher geht nicht. So beschreiben Matthäus und Johannes die Erhabenheit Christi.
Die anderen beiden Evangelisten hingegen beschreiben die Erniedrigung des Herrn Jesus. Er wurde Mensch, indem er sich, wie es in Philipper 2,5ff. wunderbar dargestellt wird, selbst erniedrigte. Er nahm Knechtsgestalt an und wurde in seiner äußeren Erscheinung wie ein Mensch. Er war treu bis zum Tod, sogar bis zum Tod am Kreuz. Dort finden wir eine siebenfache Erniedrigung.
Markus beschreibt den Herrn Jesus als Knecht. Das ist für ihn der unterste Platz. Das steht im deutlichen Gegensatz zu Matthäus. Der König ist das erste Evangelium, der Knecht das zweite, der Mensch das dritte, und Johannes beschreibt den Herrn Jesus als Gott für das Evangelium.
Zwei Evangelisten beschreiben eine Herrlichkeit, die schon vor der Menschwerdung Realität war: Matthäus und Johannes. Zwei andere beschreiben eine Herrlichkeit, die Christus durch seine Menschwerdung erhielt: Markus und Lukas. In Jeremia 10 lesen wir, dass der Herr ein ewiger König ist. Das bedeutet, der Herr Jesus war König von Ewigkeit her. Er ist nicht erst durch seine Geburt in Bethlehem König geworden. Nein, er kam als König in diese Welt.
Der Herr Jesus war von Ewigkeit her Gott. Aber dadurch, dass er in diese Welt kam und Mensch wurde, wurde er ein Knecht, wie Markus betont. Er wurde Mensch, war aber nicht von Ewigkeit her Mensch, sondern wurde es vor etwas mehr als zweitausend Jahren. Er blieb Mensch für alle Ewigkeit. Ein Mensch hat einen Anfang, aber kein Ende. Wenn ein Mensch aufhören würde, Mensch zu sein, dann wäre er kein Mensch mehr. Ein Mensch hat immer einen Anfang, aber nie ein Ende – egal, ob er verloren geht oder nicht.
Der Mensch besteht aus Leib, Seele und Geist. Deshalb gibt es eine Auferstehung zum Gericht, zum ewigen Gericht, und eine Auferstehung zum ewigen Leben.
Vielleicht ist aufgefallen, dass alle möglichen Kombinationen vorkommen. Mal wird Matthäus mit Johannes kombiniert, mal mit Lukas, und so weiter. Diese vier Evangelisten in der Einteilung „zweimal zwei“ sind so ineinander verknüpft, dass sie eine vollkommene Einheit in der Struktur darstellen.
Die prophetischen Parallelen der Evangelien im Alten Testament
Nun wollen wir die Bedeutung der Unterschiede in den Zeugnissen etwas genauer betrachten.
Im Matthäusevangelium finden wir den König, im Markus-Evangelium den Diener, den Knecht, im Lukas-Evangelium den Menschen und im Johannesevangelium Gott, den Sohn Gottes. Das ist sehr interessant, wenn man dies mit den messianischen Prophezeiungen im Alten Testament vergleicht.
In Sacharja 9,9 haben wir eine Prophetie, die auch die alten Rabbiner in ihren Schriften als messianisch erkannt haben. Dort heißt es: „Freue dich, Jerusalem! Erfreue dich, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir.“ Das ist genau der Titel zum Matthäusevangelium: „Siehe, dein König kommt.“
Im Markus-Evangelium finden wir den Knecht, den Diener. Auch in Sacharja 3,8 gibt es eine messianische Prophetie, die von den alten Rabbinern als solche erkannt wurde. Dort steht am Schluss: „Denn siehe, spricht Gott, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen. Siehe, mein Knecht, er wird kommen.“ Das ist der Titel des Markus-Evangeliums: „Siehe, mein Knecht.“
Übrigens ist hier die Bezeichnung „Spross“ sehr geheimnisvoll. Wenn wir bedenken, wie Jesus bekannt war, als er in Galiläa und Judäa in den Synagogen predigte, sprach man überall von Jesus, dem Nazaräer, Jesus von Nazareth. Der Name Nazareth kommt von der Wurzel „Näzer“, was „Spross“ bedeutet. Nazareth heißt also im Grunde „Sprosslingen“. „Siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen“ ist somit ein versteckter Hinweis auf den Nazaräer.
Lukas beschreibt Jesus als Menschen. In Sacharja 6,12 findet sich eine weitere messianische Prophetie, die ebenfalls von den alten Rabbinern auf den Messias gedeutet wurde. Dort spricht der Herr der Heerscharen und sagt: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross, und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel des Herrn bauen, der Messias, siehe, ein Mann.“ Das ist genau der Titel zum Lukasevangelium.
Jesaja 35,4 ist ebenfalls eine messianische Prophetie. Dort wird ermutigend gesagt: „Sagt zu denen, die zaghaften Herzens sind: Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, euer Gott kommt, die Rache, die Vergeltung Gottes, er selbst kommt und wird euch retten. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird jauchzen. Euer Gott kommt.“ Das ist der Titel für das Johannesevangelium.
Die vier Gesichter der Cherubim und ihre Verbindung zu den Evangelien
Nun ist es so, dass wir in Hesekiel 1 eine ganz erstaunliche Vision von Gottes Thron haben. In dieser schweren Gerichtszeit, als die Juden im sechsten Jahrhundert vor Christus nach Babylon kamen, hätte man meinen können, jetzt geht alles schief. Es herrschte nur noch Chaos, die Babylonier zerstörten alles, und das Königtum in Juda war zu Ende gegangen.
Doch dann sieht der Prophet Hesekiel in Babylon Gottes Thron. Er durfte erkennen, dass Gott in dieser chaotischen Zeit nicht das Steuer aus der Hand entglitten ist. Dass er den Thron Gottes sieht und Gott, der auf dem Thron sitzt, bedeutet: Gott ist noch auf dem Plan, und alles ist ihm untertan – wie es in einem alten Lied heißt.
Der Prophet Hesekiel sieht, wie der Thron Gottes von vier Engeln getragen wird, den Cherubim. Diese Thronengel kennt man auch aus der Stiftshütte, aus dem Allerheiligsten, wo zwei Cherubim über der Bundeslade stehen. Salomo fügte, wie im Chronikbuch 28 beschrieben, noch zwei weitere Cherubim aus Ölbaumholz hinzu, die mit Gold überzogen waren. So waren es schließlich vier lebendige Wesen, Cherubim, im Allerheiligsten des Salomonischen Tempels.
Hesekiel sieht diese Engel und erkennt, dass sie vier verschiedene Gesichter haben: das Gesicht eines Löwen, das eines Ochsen, das eines Menschen und das eines Adlers. Diese Gesichter sollen beschreiben, wie Gott handelt.
Gott handelt mächtig, erhaben und königlich wie ein Löwe. Das Gesicht des Ochsen, hebräisch „Shor“ in Hesekiel 1, kann Stier oder auch Ochse bedeuten, also den für die Arbeit entmannten Stier. Der Ochse steht für Energie und Ausdauer. Gott handelt also nicht nur erhaben und königlich, sondern auch ausdauernd und erfüllt alle seine Gedanken bis zum Ziel.
Das Menschengesicht drückt Weisheit aus. Der Mensch wurde ursprünglich im Bild Gottes geschaffen, um Gottes Weisheit und Einsicht auf Erden widerzuspiegeln. So bedeutet das Gesicht des Menschen, dass Gott weise und einsichtig nach bestimmten, logisch aufgebauten Plänen handelt.
Das vierte Gesicht ist das eines Adlers. Es zeigt, dass Gott schnell handelt, besonders im Gericht, wie ein Adler. Gleichzeitig symbolisiert der Adler auch das Himmlische, wenn er aus seinen höchsten Höhen herabkommt oder wieder zurückkehrt.
Diese vier Attribute oder Beschreibungen des Handelns Gottes erhalten eine besondere Bedeutung in den Evangelien. Matthäus beschreibt den König – das passt genau zum Gesicht des Löwen. Markus beschreibt den Diener, den Knecht – das passt zum Ochsen. Nach 5. Mose 24 soll man dem Ochsen, der drischt, das Maul nicht verbinden; dieser dienende Ochse soll auch einen Lohn erhalten und zwischendurch etwas fressen dürfen.
Das Gesicht des Menschen entspricht genau dem Thema des Lukasevangeliums. Und das Gesicht des Adlers steht für das Johannesevangelium, den Sohn Gottes, der vom Himmel gekommen ist. Im Johannesevangelium sagt Herr Jesus oft, dass der Vater ihn in diese Welt gesandt hat – mehr als vierzig Mal.
Er sagt in Johannes 16, Vers 27: „Ich bin von dem Vater ausgegangen“ und „in die Welt gekommen“. Und wiederum geht er „aus der Welt zu meinem Vater“. Der Adler kommt auf die Erde und steigt dann wieder in die Lüfte empor.
Die vier Opferarten im Alten Testament und ihre Verbindung zu den Evangelien
Im Opferdienst des Alten Testaments gab es vier grundsätzlich verschiedene blutige Opfer: das Brandopfer, das Friedensopfer, das Sündopfer und das Schuldopfer. Nun stellt sich die Frage, ob es vielleicht einen Zusammenhang mit den vier Evangelien gibt. Warum gab es eigentlich vier verschiedene Opfer? Alle Opfer im Alten Testament wiesen mit ausgestrecktem, flammendem Finger auf das eine Opfer hin, das einmal auf Golgatha dargebracht werden sollte.
Warum vier Opfer? Diese vier Opfer zeigen vier verschiedene Seiten des Erlösungswerkes des Herrn Jesus.
Das Brandopfer war ein Opfer, das im 3. Mose 1 beschrieben wird. Es war ein Opfer zur Ehre Gottes, zum lieblichen Geruch für den Herrn. Wenn man das Brandopfer brachte, ging es nicht darum, Sünden zu bekennen. Es war ein Opfer, das man ganz freiwillig darbringen konnte – einfach zur Ehre Gottes. Das Opfer wurde vollständig als Ganzopfer, als Holocaust, dargebracht. Auf Griechisch nennt man das Brandopfer „Holocaust“ – ganz verbrannt für den Herrn zu einem lieblichen Geruch.
Genau dieses Thema behandelt das Johannesevangelium. Der Herr Jesus sagt, dass er in diese Welt gekommen ist, um Gott zu verherrlichen. In Johannes 17, am Vorabend der Kreuzigung, stellt er sich schon hinter das Kreuz und sagt im Gebet zum Vater (Vers 4): „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde, das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte. Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“
Dieses Thema zieht sich durch das gesamte Johannesevangelium: Der Herr Jesus ist gekommen, um Gott zu verherrlichen. Sein Opfer war ein Opfer zur Ehre Gottes, um zu zeigen, wer Gott ist – ein Gott, der bereit ist, das Höchste zu geben, seinen eingeborenen Sohn. Es erstaunt daher nicht, dass im Johannesevangelium kein Wort von der Finsternis am Kreuz steht, denn das Brandopfer war das Opfer zur Herrlichkeit Gottes.
Das zweite blutige Opfer ist das Friedensopfer, beschrieben in 3. Mose 3, Kapitel 2. Es war ein Opfer, das eigentlich immer von einem blutigen Opfer begleitet wurde. Die vier blutigen Opfer sind: das Brandopfer (3. Mose 1), das Friedensopfer (3. Mose 3) und noch weitere.
Das Friedensopfer war das Opfer, durch das der Opfernde Gemeinschaft mit Gott ausdrücken konnte. Im Gegensatz zum Brandopfer, bei dem man nichts essen durfte, durfte der Opfernde einen Teil des Opfers essen. Ein anderer Teil wurde für Gott verbrannt, und der Priester durfte ebenfalls davon essen. Der Opfernde konnte auch andere zum Essen einladen.
Wir kennen die Geschichte von Elkana, Hanna und Penina in 1. Samuel 1. Sie gingen jedes Jahr nach Silo und brachten dort ein Friedensopfer dar. Alle durften etwas essen, aber Hanna bekam das doppelte Stück. Dieses Opfer war das Opfer der Gemeinschaft, bei dem Menschen untereinander Gemeinschaft hatten und auch Gemeinschaft mit Gott, weil sie das Gleiche teilten.
Genau dieses Thema behandelt das Lukasevangelium. Dort finden wir, wie der Herr Jesus immer wieder Menschen besucht. Man muss das Evangelium einmal darauf hinlesen, auf all diese Besuchsgeschichten. Zum Beispiel die Geschichte von Zachäus, der auf einem Baum sitzt, als Jesus durch Jericho geht. Jesus sagt: „Heute muss ich in deinem Haus einkehren.“ Er besucht ihn, das findet man nur im Lukasevangelium.
Es gibt weitere solche Besuchsgeschichten, die typisch für das Lukasevangelium sind. Auch nur dort finden wir den Herrn Jesus am Kreuz, der zu einem Mitgekreuzigten sagt: „Gedenke meiner, Herr, wenn du in dein Reich kommst.“ Der Mitgekreuzigte war zuerst ein Lästerer, wie es im Matthäusevangelium steht. Doch dann kehrte er um und erkannte: Dieser Gekreuzigte ist der König Israels, und er wird einmal in seinem Reich kommen. Das glaubte er.
Er bittet: „Herr, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Jesus antwortet: „Nein, nicht erst, wenn ich in meinem Reich komme, sondern heute! Ich werde nicht nur an dich denken, sondern du wirst mit mir im Paradies sein.“ Nicht in meinem Reich, sondern schon jetzt im Paradies.
So wird dieser Mann gerettet und bekommt Frieden mit Gott. Das finden wir nur im Lukasevangelium. Das ist genau das Thema des Friedensopfers. In der Geschichte von Zachäus kehrt dieser Mann um, und Jesus sagt in Lukas 19,9: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“ So hat Jesus Gemeinschaft mit Zachäus bekommen, und Zachäus wurde mit Gott versöhnt.
Im Lukasevangelium finden wir auch die Geschichte von dem Zöllner, der im Tempel weit abseits steht und betet: „Herr, sei mir Sünder gnädig.“ Jesus sagt, dieser Mensch ging gerechtfertigt in sein Haus. Das ist das Friedensopfer, durch das Menschen Frieden mit Gott bekommen und Gemeinschaft mit ihm finden.
Daher erstaunt es nicht, dass in Lukas 1 im Gebet von Johannes dem Täufer steht, dass uns die herzliche Barmherzigkeit Gottes aus der Höhe besucht hat. Später im Lukasevangelium sagen die Menschen, dass Gott sie besucht hat.
Im 3. Mose 4 finden wir das Sündopfer. Wenn ein Mensch gesündigt hatte, gab es die Möglichkeit der Vergebung. Er musste ein reines Opfer bringen, seine Hand auf den Kopf des Opfers legen, um sich mit ihm eins zu machen und seine Schuld konkret mit Namen bekennen. Dann wurde nicht der Sünder, sondern das schuldlose Opfer geschlachtet. Immer wieder heißt es: „Es wird ihm vergeben werden.“ So haben wir das Sündopfer.
Nun zum Schuldopfer: Was ist der Unterschied zum Sündopfer? Beim Schuldopfer geht es ebenfalls um Sünde, aber speziell um Sünde, die einen Schaden angerichtet hat. Wenn ich zum Beispiel damals jemandem hundert Schekel Silber gestohlen hätte, hätte ich kein Sündopfer bringen dürfen, sondern ein Schuldopfer. Dabei hätte ich dem Geschädigten hundert Schekel zurückgeben müssen, plus 20 Schekel als ein Fünftel dazu, um den Schaden wieder gutzumachen. Ich musste die Sünde bekennen und das Opfer bringen.
Beim Sündopfer geht es mehr um das Böse der Tat an sich. Es kann auch eine Sünde sein, die nur gegen Gott gerichtet ist, ohne dass andere Menschen dadurch geschädigt werden. Das Sündopfer zeigt, dass der Herr Jesus gekommen ist, um für den Menschen zu sterben, der in sich böse ist und dessen Taten böse sind, um alles gutzumachen.
Das Schuldopfer zeigt, dass der Herr Jesus nicht nur für unsere Sünden gestorben ist, sondern auch im Blick auf den Schaden, den wir angerichtet haben. In Psalm 69, einem messianischen Kreuzpsalm, sagt der Herr Jesus am Kreuz betend: „Was ich nicht geraubt habe, muss sich alsdann erstatten.“
Der Herr Jesus ist also nicht nur für unsere Sünden gestorben, sondern auch im Blick auf die Konsequenzen. Aufgrund seines Opfers wird einmal ein neuer Himmel und eine neue Erde entstehen, wo keine Spuren mehr von dem zu sehen sein werden, was wir kaputt gemacht haben.
Ich erzähle manchmal die Geschichte von einem Vater, der einen schwierigen Sohn hatte. Dieser Sohn hat ihm oft sehr schlimme Dinge angetan. Jedes Mal, wenn es besonders schlimm war, nahm der Vater einen Nagel und schlug ihn in einen Balken. So entstanden immer mehr Nägel.
Der Sohn bekehrte sich später und bekannte seine Schuld. Der Vater begann, einen Nagel nach dem anderen aus dem Balken zu ziehen, bis alle weg waren. Doch die Löcher blieben. So ist es auch mit unseren Taten: Sie haben Folgen. In diesem Leben bleiben manchmal Spuren und Wunden zurück.
Der Herr Jesus ist gestorben, um diese Wunden zu heilen und alles wieder gutzumachen. Doch in diesem Leben werden nicht alle Löcher und Folgen vollständig verschwinden. Aber eines Tages wird die Zeit kommen, die Herrlichkeit, von der in Offenbarung 21 gesprochen wird: „Siehe, ich mache alles neu.“
Dann wird es keine Spuren mehr geben, und alles wird gutgemacht sein – auch für die Folgen ist der Herr Jesus gestorben.
Die Evangelien im Licht der Opferarten
Im Markus-Evangelium wird der Herr Jesus als der Knecht beschrieben, der in diese Welt gekommen ist, um den Menschen Gutes zu tun und ihnen zu dienen. Doch schließlich nehmen sie ihn gefangen und schreien vor Pilatus, er solle gekreuzigt werden. Sie ermorden ihn. Dies offenbart die Bosheit des Menschen, wie der Herr Jesus im prophetischen Psalm 109 sagt: „Für meine Liebe feindeten sie mich an.“
Dann wird beschrieben, wie der Herr Jesus am Kreuz gestorben ist. Er ist für die Bosheit der Menschen gestorben und hat diese genau dadurch gutgemacht. Jeder, der daran mitgemacht hatte und später zur Buße kam, durfte völlige Reinigung und Vergebung erfahren.
Im Matthäusevangelium ist das jedoch etwas anders dargestellt. Markus beschreibt klar das Sündopfer. Im Matthäusevangelium ruft die Menge vor Pilatus: „Wir übernehmen die Verantwortung!“ und schreit: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Sie sind bereit, die Konsequenzen ihrer Tat zu tragen. Das ist ein schrecklicher Ruf, der über Generationen hinweg Folgen hatte. Das jüdische Volk wurde unter alle Völker zerstreut, wie es in 5. Mose 28,64 und den folgenden Versen beschrieben ist, und ständig verfolgt.
„Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ – doch der Herr Jesus ist am Kreuz gestorben, auch um diese Schuld und diese Konsequenzen gutzumachen. Im Propheten Joel wird es sehr schön beschrieben, wie Gott schließlich das Schicksal Israels wenden und dieses Volk wiederherstellen wird. Der letzte Vers heißt: „Und ich werde sie von ihrem Blute reinigen, von dem ich sie nicht gereinigt hatte.“
Das ist unglaublich und wunderbar. Im Vergleich zu „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ gibt es auch dafür Vergebung. Jeder Jude in jeder Generation, der das Opfer des Messias in Anspruch genommen hatte, erlebte dies persönlich. Aber es wird auch national einmal so kommen.
So ist Matthäus das Schuldopfer, Markus das Sündopfer, Lukas das Friedensopfer und Johannes das Brandopfer.
Die synoptischen Evangelien und das Johannesevangelium
Ja, es gibt noch mehr solcher Parallelen mit dem Alten Testament, zum Beispiel die Bezeichnung der Bundeslade in Joshua 3 und 4. Aber ich gehe jetzt mal weiter.
Wir haben ja gesehen: Die Evangelien sind zwei plus zwei. Aber wir könnten diese vier auch anders einteilen. Eigentlich haben wir zunächst einmal drei Zeugen – das ist ja das, was überhaupt zu wünschen ist, mindestens zwei oder drei Zeugen. Nun, die vier Evangelien sind eben nicht einfach drei Zeugen, sondern drei plus eins. Gott gibt also nicht nur das wünschenswerte Zeugnis von drei, sondern es gibt noch eins darauf.
Wenn wir darüber nachdenken, wird uns klar: Drei Evangelien gehören ganz eng zusammen. Das sind die sogenannten synoptischen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas. Synoptisch heißt „aus dem gleichen Gesichtswinkel gesehen“. Das bedeutet, diese drei Evangelien beschreiben sehr viele Ereignisse und Geschichten, die man in allen drei findet. Und das ist erstaunlich. Wenn man diese drei durchhat, dann kommt man zu Johannes – und wir sind ein bisschen verwundert, denn es klingt alles ganz anders.
Ja, das ist so. Das ist alles einfach noch zusätzlich. So vieles, was man in den drei nicht findet. Es ist wirklich drei plus eins.
Die drei synoptischen Evangelien haben auch einen Schwerpunkt: Sie beschreiben besonders den Dienst Jesu in Galiläa. Johannes legt dagegen den Akzent auf seinen Dienst in Judäa. Dort finden wir auch die vielen Tempelreden des Herrn Jesus in Jerusalem.
Übrigens gibt es auch sprachliche Unterschiede. In Galiläa sprach man eher Aramäisch. Jetzt verstehen wir, warum der Herr Jesus das Mädchen auferweckt und sagt „Talitha Kumi“ – das ist Aramäisch. Oder wenn er einen Gehörlosen heilt, spricht er davor „Ephphatha, werde geöffnet“ – ebenfalls Aramäisch.
In Jerusalem hingegen kam man zur Zeit Jesu mit Aramäisch nicht durch. Im Talmud gibt es eine lustige Geschichte, eine Sammlung von allerlei Dingen, auch unterhaltsamen Geschichten. Dort wird von einer Frau berichtet, die aus Babylon eingewandert war und Aramäisch sprach. Sie trat mehrmals ins Fettnäpfchen, weil sie in Jerusalem mit dem Hebräischen nicht zurechtkam.
In Jerusalem sprach man also Hebräisch. Darum müssen wir uns auch klar vorstellen, dass all diese langen Reden, die der Herr Jesus im Tempel gehalten hat – zum Beispiel in Johannes 5, Johannes 8 und Johannes 10 – auf Hebräisch waren.
Es war üblich, dass es damals in Israel Zweisprachigkeit gab, eigentlich sogar Dreisprachigkeit. Denn die meisten Juden konnten sich auch auf Griechisch verständigen, als Verkehrssprache – so wie heute viele ein bisschen Englisch können.
Wenn der Herr Jesus zum Beispiel mit Pilatus gesprochen hat, in Johannes 18, dann muss man davon ausgehen, dass er mit ihm Griechisch gesprochen hat.
Also, nur so zur Übersicht: Die drei Synoptiker konzentrieren sich besonders auf Galiläa, Johannes dagegen auf die hebräischen Dienste in Judäa und Jerusalem.
Die drei Evangelien wurden klar vor dem Wendepunkt, dem Jahr 70, geschrieben – der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Das sind Matthäus, Markus und Lukas.
Das Johannesevangelium wurde ganz am Schluss geschrieben, vielleicht um 98 nach Christus, kurz bevor der greise letzte Apostel etwa um die Wende zum zweiten Jahrhundert starb. Damit war die apostolisch-prophetische Zeit vorbei.
Noch ein Unterschied: In den synoptischen Evangelien wird das Kommen Jesu beschrieben, und es wird allmählich gezeigt, wie das Volk auf das Kommen des Messias reagiert. Er kommt und kündigt das Reich an: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel, das Reich Gottes, ist nahegekommen.“
Im Verlauf der Kapitel wird immer mehr klar, wie die Masse ihn ablehnt – die Führer, aber auch viele im Volk.
Im Johannesevangelium dagegen wird von Anfang an davon ausgegangen, dass der Herr Jesus verworfen ist. Darum steht in Johannes 1,10: „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu heißen, denen, die an seinen Namen glauben“ – und so weiter.
Das synoptische Problem und die Verseinteilung der Evangelien
Es ist eine sehr interessante Angelegenheit, die drei synoptischen Evangelien miteinander zu vergleichen. Schon früh haben Wissenschaftler versucht herauszufinden, wie diese Evangelien zusammenhängen, welches zuerst geschrieben wurde und ob es einen Austausch zwischen ihnen gab. Über etwa 200 Jahre hinweg wurde dazu geforscht, doch eine endgültige Lösung für das sogenannte synoptische Problem wurde nicht gefunden.
Es gibt übrigens kein vergleichbares Phänomen in der gesamten Literaturgeschichte wie die vier Evangelien. Das ist ein besonderes Merkmal in der Geschichte der Literatur.
Man kann das Ganze ein wenig mathematisch betrachten: Im Matthäusevangelium finden sich 1068 Verse, im Markus evangelium, dem kürzesten, 666 Verse – was allerdings nichts mit dem Antichristen oder Ähnlichem zu tun hat, denn die Verseinteilung stammt aus einer späteren Zeit und hätte auch anders vorgenommen werden können. Das Lukasevangelium umfasst 1149 Verse und ist somit das längste, während das Johannesevangelium 879 Verse enthält.
Von den 666 Versen im Markus evangelium finden sich etwa 600 Verse auch bei Matthäus und etwa 350 bei Lukas in ähnlicher Form. Das bedeutet, dass im Markus evangelium nur 31 Verse ohne Parallele sind. Diese Verse nennt man das Sondergut des Markus evangeliums, also jene Stellen, die nur dort vorkommen. Auf dieses Sondergut muss man besonders achten, denn es ist wichtig für die Botschaft des Evangeliums.
Man sollte keinesfalls annehmen, dass man Markus nicht mehr lesen muss, wenn man Matthäus und Lukas bereits gelesen hat. Diese falsche Annahme haben viele getroffen. Deshalb ist das Markus evangelium das am wenigsten gelesene der vier Evangelien. Das ist bedauerlich, denn Markus enthält viele Besonderheiten, die weder bei Matthäus noch bei Lukas zu finden sind, und diese sind sehr wichtig.
Wie Markus die Ereignisse beschreibt und was er weglässt, dient alles dazu, eine spezielle Botschaft zu vermitteln – die frohe Botschaft vom Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes. Diese Botschaft kommt durch seine Darstellung besonders gut zum Ausdruck.
Wir müssen uns nicht darauf beschränken, nur eine Evangelien-Synopse zu lesen, sondern sollten jedes Evangelium einzeln betrachten, um die Besonderheiten jedes einzelnen zu entdecken. Dabei sollten wir uns bei jedem Abschnitt fragen: Warum steht dieser Abschnitt genau hier? Was will die Anordnung der Texte aussagen?
Das gilt für alle Evangelien: Schon allein durch die Anordnung der Texte – ganz ohne zusätzlichen Kommentar – wird ein Kommentar gegeben.
Die Verseinteilung und Sondergut der Evangelien
Eine weitere Beobachtung ist, dass Matthäus und Lukas 250 Verse gemeinsam haben. Das bedeutet, dass Matthäus etwa 300 Verse Sondergut enthält, während Lukas rund 550 Verse Sondergut besitzt.
Beim Johannesevangelium finden wir hingegen 719 Verse, die als Sondergut gelten. Das heißt, etwa 82 Prozent des Johannesevangeliums sind exklusiv im Johannes-Evangelium zu finden.
Das Matthäusevangelium: Autor, Thema und Aufbau
Nun gehen wir Evangelium für Evangelium durch. Zuerst das Evangelium nach Matthäus. Ich habe schon früher einmal einen bildschirmfüllenden Tag nur über Matthäus gemacht. Dabei bin ich viel mehr auf die Details und auch auf die Struktur eingegangen. Jetzt mache ich das ziemlich grob, denn es geht ja um eine Einführung in die vier Evangelien.
Wer hat das Matthäusevangelium geschrieben? Die früheste kirchliche Bezeugung nennt klar Matthäus, den Zöllner. Dieses Evangelium konnte deshalb als Wort Gottes aufgenommen werden, weil Matthäus einer der zwölf Apostel Jesu Christi war (Matthäus 10,3).
Matthäus war ein Zöllner. Der Herr Jesus begegnete ihm in Kapernaum am Zollhaus. Dort bekehrte er sich und entschied sich für die Nachfolge Jesu. Das ist schön beschrieben in Matthäus 9,9-13.
Zöllner galten eigentlich als Volksverräter, weil sie mit der Besatzungsmacht, den Römern, zusammenarbeiteten und sich dadurch finanzielle Vorteile verschafften. Das war ein Schmerz für die anderen Juden. Wie konnte jemand so mit der Obrigkeit zusammenarbeiten? Natürlich musste man die Obrigkeit anerkennen – Jesus sagt ja: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ Aber mit der Besatzungsmacht zusammenzuarbeiten und daraus noch Vorteile zu ziehen, war nicht akzeptabel.
Es war bekannt, dass Zöllner das schamlos ausnutzten. Sie verlangten von ihren eigenen Volksgenossen überhöhte Preise und bereicherten sich. Das sieht man auch in der Geschichte von Zachäus in Lukas 19, wie dieser Mann sich schrecklich bereichert hatte.
Matthäus war ursprünglich Diener des höchsten Königs im Römischen Reich, ein Diener des Kaisers. Plötzlich ruft ihn jemand am Zollhaus: Folge mir nach! Matthäus steht auf und erkennt: Das ist der König der Könige, der Messias Israels. Warum sollte er weiter dem Kaiser, dem Oberkönig des Römischen Reiches, dienen? Er will dem von Gott erwählten König über alles folgen.
So bekehrt er sich und folgt dem Herrn Jesus nach. Es war ihm ein Anliegen, dass auch andere Zöllner ihn kennenlernen. Deshalb lud er ein, und Zöllner und Sünder konnten zusammen mit Jesus essen. Interessant ist, dass Matthäus das nicht direkt schreibt, aber sein Freund Lukas in der Parallelstelle erwähnt, dass Matthäus ein großes Mahl veranstaltete. Matthäus selbst schreibt nur von einem Mahl – bescheiden – doch sein Wunsch war, dass auch andere, die dem falschen König dienten, den wahren König erkennen und ihm nachfolgen.
So schrieb er das Matthäusevangelium, dessen Botschaft lautet: „Jesus ist der König.“ Woran können wir das erkennen? Im Matthäusevangelium kommen die Ausdrücke „König“, „Basileus“ oder „Herrschen als König“ (Basileio) am häufigsten vor – mehr als in allen anderen Evangelien.
Ich habe das ausgezählt: Wenn in Klammern steht 78, 32, 61, 21, bedeutet das, dass im Matthäusevangelium diese Begriffe 78-mal vorkommen, im Markus-Evangelium 32-mal, im Lukas-Evangelium 61-mal und im Johannesevangelium 21-mal. Diese kleine Statistik zeigt klar: Im Matthäusevangelium ist das Thema König, Königreich deutlich dominierend im Vergleich zu den anderen.
Natürlich könnte jemand sagen: „Markus ist ja das kürzeste Evangelium, da sind nicht alle gleich lang.“ Keine Sorge, ich habe das auch umgerechnet. Wenn man die Zahlen auf die gleiche Länge anpasst, bleibt Matthäus an der Spitze. Es ist einfach das Evangelium des Königs, keine bloße Behauptung.
Wie beginnt das Matthäusevangelium? „Das Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Abrahams, des Sohnes Davids.“ Dann folgt das königliche Geschlechtsregister von Abraham über König David, über die Linie von König Salomo, über die judäischen Könige bis Jechonja und dann weiter bis zu Joseph, dem Mann Marias. Das ist das königliche Geschlechtsregister.
Warum bringt Matthäus das? Er will zeigen, dass Jesus ein Anrecht auf den Thron unseres Vaters König David hat. Dabei gibt es ein großes Problem: Der letzte König auf dem Thron Davids aus dieser Linie war Jechonja, ein gottloser Mann. Gott ließ ihn durch den Propheten Jeremia verfluchen wegen seiner Übeltaten (Jeremia 22). Gott sagt zu Jechonja: „Schreibet diesen Mann als kinderlos auf, denn keiner seiner Nachkommen wird auf dem Thron sitzen.“ Damit war die königliche Linie blockiert.
Joseph hätte nie König werden dürfen, obwohl er von David, Salomo, Rehabeam und den Königen Judas abstammte. Er war ein Nachkomme Jechonjas. Jesus stammte als Mensch von der Jungfrau Maria ab. In Lukas 3 wird diese Linie beschrieben. Dort wird deutlich, dass Jesus auch von König David abstammt, aber nicht über Salomo, sondern über dessen Bruder Nathan. So geht die Linie weiter bis zu Jesus.
Jesus ist ein Sohn Davids – das muss er sein, denn in Psalm 132, Jeremia 23,5 und anderen Stellen wurde vorausgesagt, dass der Messias ein Nachkomme, ein Same, ein biologischer Nachkomme König Davids sein wird.
Aber wie kann das sein, wenn der Messias ein Sohn Davids ist, aber nicht aus der königlichen Linie kommt? Und wie kann er König sein, wenn die königliche Linie blockiert ist?
Gott hat das so gelöst: Joseph liebte Maria, und sie kamen zur Überzeugung, dass Gott sie zusammengeführt hatte. Sie verlobten sich. Dann kam die Botschaft des Engels an Maria. Schließlich heiratete Joseph Maria. So bekam Jesus als Adoptivsohn von Joseph das Recht auf die Königslinie. Er war jedoch kein Same Jechonjas, denn das war nur eine legale Sache mit Joseph.
Durch die Heirat von Joseph und Maria, die über viele Generationen verwandt waren, wurde Jesus ein Same Davids. Das ist vergleichbar mit heutigen Fällen, in denen Menschen über viele Generationen entfernt verwandt sind. Es gibt sogar Institute, die durch DNA-Analyse Abstammungen nachweisen können. So war es auch bei Maria und Joseph.
Da Maria von König David abstammte, war Jesus ein Same Davids. Über Joseph, der die richtige Frau zum richtigen Zeitpunkt heiratete, hatte Jesus als Mensch ein legales Anrecht auf den Thron seines Vaters David.
Das wird im Matthäusevangelium am Anfang dargestellt, um zu zeigen: Er ist der König und hat ein Recht auf den Königsthron.
Dann wird die Jungfrauengeburt beschrieben, und das Problem mit Jechonja wird gelöst. Danach kommen die Weisen aus dem Morgenland mit der Frage: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?“ Genau die richtige Frage, die perfekt ins Matthäusevangelium passt.
Dieses königliche Geschlechtsregister findet sich nur im Matthäusevangelium, sonst nirgendwo.
Schon bald beginnt Jesus zu predigen, in Kapitel 4, und sagt: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahegekommen.“ Dann beschreibt er in der Bergpredigt (Kapitel 5 bis 7) die moralischen Grundsätze, die alle aufweisen sollen, die einmal Untertanen seines Königreichs sein werden.
So geht es weiter durch das ganze Evangelium.
Übrigens finden wir im Matthäusevangelium die meisten Zitate aus dem Alten Testament, weil es besonders darum geht, den Juden zu zeigen: Jesus ist der versprochene König, der Messias.
Jesus wird in diesem Evangelium achtmal „Sohn Davids“ genannt (Ben David). Das war der bekannte Titel für den Messias. Jeder wusste: Wenn der Maschiach kommt, wird er ein Sohn Davids sein.
So beginnt das Evangelium: „Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Abrahams, des Sohnes Davids.“ Das ist der König, der von König David abstammen musste.
Übrigens findet sich nur im Matthäusevangelium der Ausdruck „das Reich der Himmel“ 32-mal. Es kommt auch „das Reich Gottes“ vor, aber speziell „das Reich der Himmel“. Warum?
Ganz einfach: Im Judentum sprach man schon in alttestamentlicher Zeit im Alltag den Eigennamen Gottes, Yahweh, nicht mehr aus – aus Ehrfurcht und wegen des dritten Gebots: „Du sollst den Namen Yahweh nicht zum Eiteln aussprechen.“
Man benutzte Ersatznamen. In der Synagogenvorlesung, wenn die Buchstaben JHWH (Jod, He, Waw, He) kamen, las man „Adonai“ (Herr) als Ersatzwort.
Die Rabbiner wählten auch als Ersatzwort „Schamayim“ (Himmel).
So verstehen wir, warum im Gleichnis vom verlorenen Sohn der Sohn sagt: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ Das heißt: „Ich habe gegen Yahweh gesündigt.“
Wenn Jesus also sagt: „Das Reich der Himmel ist nahegekommen“, ist das der typische jüdische Ausdruck für das Reich des Messias, Malkuth Schamayim, das Reich Jahwes.
Wann hat Matthäus sein Buch geschrieben? Er muss es zwischen Pfingsten 32 n. Chr. und 62 n. Chr. geschrieben haben. Wir können das genaue Jahr nicht sagen.
Es ist aber sicher vor dem Jahr 66, denn Cousin Peter Thiede konnte eine kleine Matthäus-Handschrift, ein Papyrus, auf 66 oder früher datieren. Das bedeutet, das Original des Matthäusevangeliums muss noch früher geschrieben worden sein.
Warum nahm man das Buch als Wort Gottes an? Ganz klar: Matthäus war einer der zwölf Apostel (Matthäus 10,2), und die Gemeinde ist nach Epheser 2,20 auf den Grund der Apostel und Propheten aufgebaut.
Grober Aufbau des Matthäusevangeliums
Nun zum groben Aufbau des Buches: Es besteht aus zwei Teilen.
Der erste Teil umfasst Kapitel 1 bis 12. Der König kommt aus dem Haus Davids, geboren von einer Jungfrau. Die Weisen aus dem Morgenland sehen seinen Stern und fragen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Der König kommt für Israel.
Dann bietet der Herr Jesus dieses Königreich seinem Volk an (Kapitel 4) und fordert zur Buße auf, denn das Reich der Himmel ist nahegekommen. Er zeigt die Grundsätze seines Reiches in der Bergpredigt (Kapitel 5 bis 7). Doch es wird deutlich, dass die Masse und die Führer ihn ablehnen. Diese Verwerfung wird immer offensichtlicher, je weiter man liest, bis Kapitel 12. Dort erreicht es seinen Höhepunkt: Jesus heilt einen stummen Besessenen, und das Volk reagiert mit dem Ausruf: „Dieser ist doch nicht der Sohn Davids!“ Die Pharisäer, die dort waren, sagten, er tue das durch Beelzebub, den Obersten der Dämonen.
Was war geschehen? Die Pharisäer damals versuchten, Exorzismus zu praktizieren. Ich sage nicht, dass sie es beherrschten. Es gibt auch heute noch Leute, die das versuchen. Man kann dabei viel Theater machen, mit Lärm und so. Aber Lärm allein ist kein Beweis. Die Pharisäer erklärten, wie man Exorzismus betreiben muss – das kann man im Talmud nachlesen. Man muss den Dämon fragen: „Was ist dein Name?“ Und wenn er den Namen nennt, muss man ihn beim Namen ansprechen und gebieten, auszufahren.
Wenn der Besessene jedoch stumm war, gab es ein Problem, oder? Das galt als unheilbar. Wenn etwas nicht mehr geht, was geht dann noch? Es ist klar: Das kann nur der Messias. In Matthäus 12 finden wir genau diese Situation: ein stummer Besessener, aus dem Jesus den Dämon austreibt, ohne den Namen zu fragen. Einmal, beim besessenen Gadarener, fragt Jesus: „Was ist dein Name?“ und der Dämon antwortet: „Legion“, denn es waren viele Dämonen, ungefähr sechstausend. Aber sonst nicht. Daraus kann man nicht ableiten, dass die Pharisäer recht hatten.
Das Volk reagiert genau richtig: „Das ist doch nicht der Sohn Davids.“ Es kann nicht sein, dass der Messias da ist. Natürlich kann es sein, denn genau das ist er. Doch die Pharisäer behaupten wider besseres Wissen: „Das ist vom Teufel.“ Daraufhin sagt der Herr Jesus: „Jede Sünde wird vergeben, aber die Lästerung des Geistes, die bewusste Verwerfung, ist definitiv unverzeihlich.“
Dann kommt die Wende: Im nächsten Kapitel, Kapitel 13, geht der Herr Jesus aus dem Haus hinaus, setzt sich an den See und beginnt, Gleichnisse zu sprechen. Er sagt den Jüngern: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches der Himmel zu verstehen, aber die anderen sollen erfahren, was in Psalm 78 vorausgesagt ist: ‚Ich werde meinen Mund auftun in Rätseln.‘“ Sie sollen auch erfahren, was in Jesaja 6 steht: „Dieses Volk mit sehenden Augen kann nicht sehen und mit hörenden Ohren kann es nicht hören.“ Es kommt eine Verstockung über das Volk.
Diejenigen, die den Herrn nicht wollen, verstehen nichts mehr und hören nur noch Gleichnisse. Doch diejenigen, die den Herrn wollen, erklärt er im kleineren Kreis die Bedeutung dieser Gleichnisse (Matthäus 13). Das heißt, der Herr Jesus wendet sich jetzt von seinem Volk ab.
Noch in Kapitel 10 hat er gesagt: „Ich bin nur gesandt als zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Eine Libanesin bat ihn: „Erbarme dich, Sohn Davids, über meine Tochter.“ Nun aber kommt die Wende.
Jesus beschreibt zuerst das Gleichnis vom Ackerfeld: Der Sämann geht aus, um zu säen. Später erklärt er, dass der Same das Wort Gottes bedeutet. Das Wort Gottes wird verkündigt. In Matthäus 13 erklärt er auch, dass der Acker die Welt ist. Das heißt, das Wort Gottes geht in die Welt hinaus, nicht nur nach Israel, sondern alle Völker sollen hören.
So geht es weiter. Ganz am Schluss des Evangeliums, nachdem Jesus sein Erlösungswerk vollbracht hat, kommt er als Auferstandener zu seinen Jüngern und sagt: „Geht hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“ Der Auferstandene gibt den Missionsbefehl für alle Völker.
Daraus sehen wir: Kapitel 1 bis 12 zeigt den König für Israel. Er bietet sein Königreich Israel an, aber Israel verwirft ihn, die Führer verwerfen ihn und auch viele aus dem Volk.
Der zweite Teil, Kapitel 13 bis 28, zeigt den verworfenen König und sein Königreich in geheimnisvoller Form – das Wort für die Nationen. In Kapitel 16 spricht Jesus zum ersten Mal über die Gemeinde: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“ Das ist das erste Mal im Evangelium.
In Matthäus 16 spricht er über die weltweite Gemeinde, in Matthäus 18 über die Ortsgemeinde, die auch binden und lösen muss, also ausschließen und wieder aufnehmen. Die Gemeinde wird eingeführt. Der Herr Jesus spricht über die Zukunft des Königs, sein vollendetes Werk am Kreuz, und all das ist die Grundlage für das zukünftige Königreich in Herrlichkeit.
In Matthäus 24 beschreibt Jesus, wie er einmal kommen wird, dass der Menschensohn auf den Wolken des Himmels erscheint, um dann sein Reich aufzurichten. Doch jetzt ist eine Zwischenzeit. Diese Zwischenzeit bedeutet, dass das Königreich eine verborgene Form annimmt, wie es im Alten Testament nicht vorausgesagt war.
Dann erklärt der Herr Jesus: „Das Reich der Himmel ist wie ein Acker, auf dem jemand Weizen sät, und sein Feind kommt und sät Unkraut, Lolch, dazwischen.“ Lolch sieht beim Aufwachsen dem Weizen ähnlich. Erst am Schluss, in der Vollendung, wenn die Ernte da ist, kann man Lolch von Weizen unterscheiden.
Es kann sehr gefährlich sein, wenn man aus Lolch Brot macht. Dann kann man Aphasie bekommen, man kann nicht mehr richtig sprechen, man kann bewusstlos werden bis hin zum Tod. Der Herr Jesus sagt also, dass das Reich Gottes hier auf Erden jetzt so sein wird: Es gibt eine Vermischung von wahren und falschen Gläubigen. Und das bleibt so, bis er wiederkommt.
Er sagt von diesen Gleichnissen: „Das sind die Geheimnisse des Reiches der Himmel.“ Im Alten Testament war vorausgesagt, dass der Messias sein Königreich aufrichten wird. Aber es war nicht vorausgesagt, dass eine Zwischenzeit kommt, in der der König weggeht.
Im Gleichnis von den Talenten in Matthäus 25 sagt Jesus, ein hochgeborener Mann versammelt seine Knechte, gibt ihnen Geldwerte und sagt: „Handelt, bis ich komme.“ Er geht in ein anderes Land – das ist der Herr Jesus, der seinen Nachfolgern einen Auftrag gibt: Sie sollen handeln, bis er wiederkommt. Nach langer Zeit kommt der Herr zurück und rechnet ab. Das ist das zukünftige Wiederkommen.
So beschreibt Matthäus im Kapitel 13 diese Zwischenzeit: Das Reich Gottes nimmt eine neue Form an, die nicht vorausgesagt war. Das Reich in der Form, wie es im Alten Testament beschrieben ist, kommt noch. Es ist nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben.
Das beschreibt also der zweite Teil.
So haben wir hier eine wunderbare Kreisstruktur: In Matthäus 1,1 beginnt das Geschlecht Jesu Christi, des Sohnes Abrahams, des Sohnes Davids.
Sohn Abrahams? Wer war zunächst einmal der Sohn Abrahams? Man lese Vers 2: Abraham zeugte Isaak. Der Herr Jesus ist der große Isaak. Als Isaak als Opfer dargebracht wurde (1. Mose 22), hat Gott zu Abraham gesagt: „In deinem Nachkommen werden gesegnet werden alle Nationen der Welt.“ Das ist der Sohn Abrahams – ein Segen für alle Völker der Welt.
Und dann Sohn Davids: Wer war zunächst mal der große Sohn Davids? Das Geschlechtsregister sagt: David zeugte Salomo. Der Herr Jesus ist der wahre, große Salomo, der Friedensfürst, der nicht nur ein Großreich haben soll, sondern ein Weltreich.
So finden wir in Kapitel 1 bis 12 ganz speziell: Der Herr Jesus kommt für Israel als der große Sohn Davids, der wahre Salomo, der König.
In Kapitel 13 bis 28 ist der Herr Jesus der große Sohn Abrahams, der wahre Isaak, der durch sein Opfer Segen bringt für alle Völker. Er sagt: „Geht hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen…“ So ergibt sich eine wunderbare, in sich geschlossene Kreisstruktur.
Pause und Übergang zum Markus Evangelium
Wir machen eine halbe Stunde Pause, und danach geht es weiter mit Markus.
Wir sind bis zum Ende des Matthäusevangeliums gekommen. Ich habe noch etwas zur Kreisstruktur des Matthäusevangeliums gesagt.
Im ersten Vers finden wir den Herrn Jesus als den Sohn Abrahams und den Sohn Davids. Das bedeutet, er ist der wahre Isaak, ein Segen für alle Völker, und der wahre Salomo, der König des Friedens für Israel.
Am Schluss des Matthäusevangeliums sagt der Herr Jesus zunächst: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ Das spricht der große Salomo.
Weiter sagt er: „Geht hin und macht alle Nationen zu Jüngern.“ Das ist der große Isaak, ein Segen für alle Nationen.
Der erste Teil, Kapitel 1 bis 12, zeigt uns besonders den Sohn Davids, den König. Kapitel 13 bis 28 zeigt den Sohn Abrahams, den Segen für alle Völker.
Das Markus Evangelium: Autor und Lebensgeschichte
Jetzt kommen wir zum Markus-Evangelium. Der Autor heißt eigentlich Johannes Markus. Johannes, hebräisch Jochanan, war sein jüdischer Name. Es war sehr verbreitet, dass man zwei Namen hatte: einen Namen innerhalb des Judentums und einen Namen im Zusammenhang mit den Heiden.
Wir kennen die Geschichte von Esther. Sie hatte den persischen Namen Ester, der eigentlich ein Deckname für ihren hebräischen Namen Hadassah (Myrte) war. So finden wir sehr oft diese zwei Namen, also Johannes Markus.
In Apostelgeschichte 12,12 wird er erwähnt. Petrus nennt ihn in 1. Petrus 5,13 seinen Sohn. Ähnlich wie Paulus in 1. Timotheus 1,2 Timotheus, der durch ihn zum Glauben kam und durch ihn eine besondere Weiterführung erlebte. Paulus nennt Timotheus sein echtes Kind im Glauben.
So bestand eine besondere Beziehung zwischen Markus und dem Apostel Petrus.
Markus ging mit auf der ersten Missionsreise des Apostels Paulus. Barnabas und Paulus bekamen vom Heiligen Geist den Auftrag, in die Mission zu gehen (Apostelgeschichte 13,1 und folgende). In Vers 5 heißt es, dass sie Markus als Diener mitnahmen. Er hatte aber keine Berufung, sie nahmen ihn nur als Diener mit.
Es erstaunt daher nicht, dass es unterwegs nicht gut lief. Als sie in das Gebiet von Antiochien in Pisidien kamen – ein sehr gebirgiges und schwer zu erreichendes Gebiet – heißt es in Apostelgeschichte 13,13, dass Johannes Markus umkehrte und wieder heimging. Ein Diener, der im Dienst versagt hatte.
In Apostelgeschichte 15,37-38 sehen wir, wie Paulus zur zweiten Missionsreise aufbrechen wollte. Barnabas wollte Markus wieder mitnehmen, Paulus war dagegen. Er wollte nicht, dass jemand, der im Dienst versagt hatte, erneut mitkam. Barnabas setzte sich jedoch für Markus ein, und es kam sogar zu einer Trennung zwischen Paulus und Barnabas.
Das Ganze hatte einen Haken: Barnabas war ein Verwandter von Markus. Familienbande können manchmal problematisch sein, wenn es darum geht, objektiv zu bleiben. In Kolosser 4,10-11 wird bestätigt, dass Barnabas mit Markus verwandt war.
So ging Markus mit Barnabas auf die Missionsreise, während Paulus sich Silas erwählte. In der weiteren Apostelgeschichte wird jedoch nicht mehr von Barnabas und Markus gesprochen, sondern von Paulus und Silas. Es heißt dort, dass die Gemeinde Paulus und Silas der Gnade Gottes anbefahl, aber bei Barnabas lesen wir das nicht.
Dieses Schweigen deutet darauf hin, dass die Gemeinde offensichtlich ein Problem mit der Entscheidung von Barnabas hatte. Dennoch war es ihre persönliche Verantwortung als Missionare, und die Gemeinde mischte sich nicht ein. Das war gut so.
Später sehen wir, wie Markus wiederhergestellt wird. In 2. Timotheus 4,11 sagt Paulus aus der Todeszelle in Rom zu Timotheus: „Nimm Markus mit, denn er ist mir nützlich zum Dienst.“
Wunderbar – ein Mann, der einmal im Dienst versagt hatte, erlebt eine Wende. Schließlich kann sogar der Apostel Paulus sagen, dass Markus ein nützlicher Diener für den Herrn ist.
Die Verwandtschaft mit Barnabas macht noch etwas klar: Barnabas war ein Levite aus dem Stamm Levi. Das heißt, er gehörte zum Dienerstamm in Israel. Wenn man in 4. Mose 3,5-8 und Apostelgeschichte 5,36-37 nachliest, sieht man, dass Barnabas ein Sohn Levis und damit ein Tempeldiener war.
Wenn Markus mit ihm verwandt war, war er ebenfalls aus levitischer Abstammung.
Nun erstaunt es uns, was das Thema des Markus-Evangeliums ist: Markus beschreibt den vollkommenen Diener. Er hatte im Dienst versagt, wurde aber später wiederhergestellt. Warum? Weil er das Vorbild des Herrn Jesus für den Dienst vor sich sah.
Das Thema des Markus Evangeliums: Der Diener
Nun, wie kann man erkennen, dass das Markus-Evangelium den Diener beschreibt? Hier ist es besonders wichtig, nicht nur zu sehen, was da steht, sondern auch, was nicht da steht. Ich will erklären, warum.
Das Markus-Evangelium beginnt nach einer kurzen Einleitung, und schon nach wenigen Versen kommt es gleich zum öffentlichen Dienst des Herrn Jesus. Er predigt und ruft zur Buße auf, denn das Reich Gottes ist nahegekommen. Es gibt also kein königliches Geschlechtsregister, was für einen Diener auch nicht wichtig ist.
Wenn jemand sich eine Firma als Arbeiter vorstellt, fragt man ja auch nicht: „Haben Sie eventuell etwas mit den Ottonen im Stammbaum zu tun?“ Das ist nicht entscheidend. Es kommt darauf an, ob jemand arbeiten kann. Deshalb gibt es kein königliches Geschlechtsregister und auch keinen Nachweis zurück auf König David, wie es im Lukasevangelium der Fall ist. Das Markus-Evangelium beginnt einfach sofort mit dem Dienst.
Außerdem ist es so, dass das Wort „kai“ auf Griechisch nirgends im Neuen Testament so dicht vorkommt wie im Markus-Evangelium. Das kann man natürlich mit dem Computer überprüfen. Man gibt eine Statistik für alle Bibelbücher ein, erhält eine Grafik und sieht, dass die Dichte des Wortes „kai“ in diesem Buch besonders hoch ist.
Es ist also einer der dichtesten Texte. In dem kurzen Evangelium kommt das Wort tausendneunzigmal vor. So liest man das Evangelium: „und und und...“ Natürlich soll man keinen deutschen Aufsatz so schreiben – das bestätige ich gerne meinen Kindern. Aber Markus schrieb kein deutsches Evangelium, sondern er schrieb griechisch.
Dort ist es auch nicht typisch, immer „kai, kai, kai“ zu sagen, aber es ist eben so, dass das Neue Testament im Allgemeinen griechisch geschrieben ist, das stark vom Hebräischen gefärbt ist. Diese Ausdrucksweise empfand man als würdiger. Zum Beispiel schreibt Paulus in Kolosser 1 über „den Sohn seiner Liebe“. Das heißt nichts anderes als „der geliebte Sohn“, aber es ist ganz typisch hebräisch ausgesprochen. Im Hebräischen gibt es sehr wenige Adjektive, deshalb hängt man im Genitiv ein Hauptwort an. „Der Sohn seiner Liebe“ heißt also „der geliebte Sohn“, klingt aber würdiger.
Auch im Hebräerbrief, Kapitel 1, beginnt der Text so: Nachdem Gott ehemals zu den Vätern vielerlei Weise gesprochen hatte, heißt es über den Sohn Gottes, der alle Dinge trägt durch das Wort seiner Macht. Nicht ganz einfach wäre „durch sein mächtiges Wort“, aber „durch das Wort seiner Macht“ klingt noch feierlicher.
So ist auch das Markus-Evangelium sehr stark hebräisch geprägt. Im Hebräischen ist die Erzählform, die sogenannte Vayikdol-Form, die immer mit einem „Und“ beginnt. Wenn man eine Erzählung macht, ist es immer „Vay, Vay, Vay“. Schon im Schöpfungsbericht heißt es: „Vayomer Elohim“ – und Gott sprach, „Vayawdel“ – und Gott schied usw.
Darum finden wir in Markus viele „und und und“, aber ganz besonders dicht. Das ist der sprachliche Ausdruck für den unermüdlichen Diener, der dient und dient. Typischerweise kommt auch das Wort „othos“ oder „othys“ vor, was „alsbald“ bedeutet. Dieses Wort kommt circa vierzigmal vor und zeigt den unermüdlichen Diener, der sofort wieder für den nächsten Dienst bereit ist. Es zeigt den Eifer Christi im Dienst.
So schön – und das finden wir nur im Markus-Evangelium: Das erste Kapitel zeigt einen ganzen Tagesablauf des Herrn Jesus. Ich zeige das ganz kurz an Markus 1.
Der Herr Jesus beginnt seinen Dienst schon in Vers 15: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahegekommen; tut Buße und glaubt dem Evangelium.“ Nun wird erzählt: „Als er aber am See von Galiläa wandelte, sah er Simon und Andreas.“ Er beruft sie.
Dann Vers 19: „Und von dannen, ein wenig weitergehend, sah er Jakobus, den Sohn des Sebedeus, und Johannes, seinen Bruder.“ Er beruft sie auch.
Dann Vers 21: „Und sie gehen hinein nach Kapernaum.“ Und alsbald, an dem Sabbat, ging er in die Synagoge und lehrte.
Da haben wir also wieder einen Tagesablauf, jetzt am Sabbat.
Dann Vers 29: „Und alsbald gingen sie aus der Synagoge.“ Da wird klar, das ist immer noch am gleichen Tag. Zuerst haben wir einen Tagesablauf mit der Berufung der Jünger, dann wieder einen Tagesablauf mit diesen Jüngern: zuerst in die Synagoge, dann gehen sie hinaus und kamen in das Haus Simons und Andreas.
Die Schwiegermutter hatte Fieber, und der Herr heilt sie. Aber das war noch nicht fertig.
Vers 32: „Als es aber Abend geworden war, als die Sonne unterging, brachten sie alle Leidenden und Besessenen zu ihm, und er heilte sie.“ Abends spät noch, das ist alles am gleichen Tag, ab Vers 21 an diesem Sabbat.
Und dann, wie geht es weiter? Vers 35: „Und frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging hinaus an einen wüsten Ort und betete da selbst.“ Also der nächste Tag, aber nicht ausschlafen – ich sage nichts gegen Ausschlafen –, aber der Herr Jesus hat bis spät abends gedient und steht früh morgens auf, um den neuen Tag vorzubereiten.
Dann wird gezeigt, wie er wieder gedient hat.
So wird in Kapitel 1 dieser unermüdliche Diener uns vorgestellt in diesem Tagesablauf.
Worte Jesu im Markus Evangelium und seine Botschaft
In diesem Evangelium finden wir die wenigsten Worte Jesu. Ich habe alle Verse gezählt, in denen Jesus spricht, und komme zu folgenden Zahlen: Im Matthäusevangelium sind es sechzig Prozent der Verse, die Worte Jesu enthalten. Im Markus-Evangelium sind es 42 Prozent. Dort gibt es zwar einen Fehler in der Reihenfolge, der aber korrigiert werden kann. Somit sind es 60 Prozent im Matthäus, 42 Prozent im Markus, 50 Prozent im Lukas und ebenfalls 50 Prozent im Johannes-Evangelium. Im Markus-Evangelium spricht Jesus also am wenigsten.
Wenn jemand eine Firma hat und ein Bewerber sich vorstellt, ist es für den Chef wichtig zu wissen, ob dieser Mann viel spricht. Bei einem Diener ist es jedoch wichtiger, dass er gut arbeitet. Es ist nicht so entscheidend, dass er während der Arbeit viel redet.
Im Markus-Evangelium liegt der Akzent eindeutig mehr auf den Taten Jesu als auf seinen Worten. Der Herr Jesus hat natürlich gesprochen, und zwar zur rechten Zeit, doch Markus fokussiert stärker auf seine Taten.
Nun zu einem besonderen Abschnitt. Wir haben gesehen, dass es sieben exklusive Erzählungen nur bei Markus gibt, während 93 auch in den anderen Evangelien vorkommen. Zu diesen sieben gehört zum Beispiel Markus 7,31-37. Dort werden Menschen zu Jesus gebracht. Er heilt einen Tauben und sagt auf Aramäisch „Effata“ (Vers 34). Dabei blickt er zum Himmel, seufzt, weil er das Leiden der Menschen mitfühlt, und spricht zu dem Mann „Effata“, was „Werde aufgetan“ bedeutet. Sofort öffnen sich seine Ohren, und das Band seiner Zunge wird gelöst, sodass er richtig sprechen kann.
Jesus gebot ihnen, niemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Die Menschen waren erstaunt und sagten: „Er hat alles wohlgemacht. Er macht sowohl die Tauben hören als auch die Stummen reden.“
Dieses Schlüsselwort „Er hat alles wohlgemacht“ kommt nur hier im Markus-Evangelium vor. Es beschreibt den vollkommenen Diener, der gekommen ist, um uns zu dienen und sein Leben als Lösegeld zu geben, um alles wohlzutun.
Jeder, der Jesus als diesen vollkommenen Diener kennengelernt hat, kann mit Markus sagen: Ja, der Herr Jesus hat auch in meinem Leben alles wohlgemacht. Genauso kann man mit Matthäus bezeugen: Ja, der Herr Jesus ist der wahre König, und er hat die Herrschaft in meinem Leben übernommen. Er verfolgt keine anderen Ziele, sondern regiert als König. Nach Markus können wir sagen: Er hat in meinem Leben alles wohlgemacht.
Exklusiv im Markus-Evangelium finden wir auch den Schluss, der zunächst den auferstandenen Herrn Jesus zeigt und dann seine Himmelfahrt beschreibt. Er geht zurück und setzt sich zur Rechten Gottes.
Schauen wir, wie das dort beschrieben wird: Das findet man nur im Markus-Evangelium. Am Ende des Evangeliums wird berichtet, dass der Herr nicht nur in den Himmel geht, sondern sich zur Rechten Gottes setzt. Ich lese die letzten zwei Verse von Markus 16, die der Mehrheitstext klar bezeugt; nur wenige abweichende Handschriften erwähnen das nicht:
„Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber gingen aus und predigten allen Völkern, wobei der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauf folgenden Zeichen bestätigte.“
Hier sehen wir den Diener, der zur Rechten Gottes verherrlicht ist. Jesus hat ja schon in Matthäus 23,12 erklärt: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“
Das Markus-Evangelium legt den Akzent auf den Herrn Jesus, der sich so tief erniedrigt hat, um uns und Gott zu dienen. Am Schluss zeigt es, wie Gott ihn erhöht zur Rechten der Majestät auf dem Thron.
Genau so wie in Philipper 2,5-11: Der Herr Jesus, der es nicht für einen Raub hielt, gottgleich zu sein – er war es ja – hat sich erniedrigt in sieben Stufen, bis zum Tod, und zwar bis zum Tod am Kreuz, dem schändlichsten Tod. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen ist.
Damit sich in dem Namen Jesu jedes Knie beugt – das irdische, das himmlische und das unterirdische – und jede Zunge bekennt, dass Jesus Kyrios, Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.
Er hat als Mensch den Namen Adonai, Herr, erhalten. Wenn man die Evangelien liest, fällt auf, dass dort meistens nur „Jesus“ steht, nicht „Herr Jesus“. Doch in der Apostelgeschichte und den Briefen wird die Redeweise „Herr Jesus“ oder „Kyrios Jesus“ üblich.
Das hängt damit zusammen, dass Jesus sich erniedrigt hat und als Mensch zum höchsten Platz erhöht wurde. Als Mensch trägt er den Namen Adonai, den er als Gott schon immer hatte. Aber als Mensch ist er Herr, und alle müssen sich ihm unterstellen.
Deshalb finden wir hier als interne Bestätigung, dass der Schluss des Markus-Evangeliums tatsächlich zum Evangelium gehört. Die Pointe ist besonders schön: Wie wird Jesus in Vers 19 genannt? „Der Herr nun wurde…“ Er wird Herr genannt, im Evangelium des Dieners. Nun ist er Herr, sein Werk am Kreuz ist vollendet.
Und auch in Vers 20 heißt es: „Jene aber gingen aus und predigten allen Völkern, indem der Herr mitwirkte.“ Zweimal wird Jesus als Herr bezeichnet. Das ist der Diener, der nun erhöht ist.
Aber es ist nicht so, dass der Herr Jesus jetzt aufhört zu dienen. Seine Nachfolger haben von ihm gelernt. Sie gehen hinaus und predigen überall, allen Völkern (Vers 20). Dabei heißt es, dass der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauffolgenden Zeichen bestätigte.
Der Herr wirkt also mit, bestätigt und dient sogar vom Thron aus weiter. Das ist wunderbar zu sehen, wie das Evangelium so seinen Abschluss findet und abgerundet wird.
Die Frage nach fehlenden Versen im Markus Evangelium und die Zeichen der Apostelzeit
Nun kann man sich fragen, warum es eigentlich Handschriften gibt, in denen diese Verse fehlen oder nur sehr wenige vorhanden sind. Der Nestle-Aland-Text macht daraus eine solche Sache, dass er in Doppelklammern anmerkt, ab Vers 8 sei der Text nicht authentisch. Natürlich ist er authentisch, das ist so klar und eindeutig bezeugt.
Der Punkt ist jedoch folgender: Im ersten Jahrhundert gab es all diese Zeichen und Wunder, die nicht nur durch den Herrn selbst geschahen, sondern auch durch die Apostel und durch jene, die durch die Apostel zum Glauben gekommen waren. Um das Jahr 100 starb der letzte Apostel, Johannes, und alles wurde irgendwie anders.
Einige Zitate aus der Kirchengeschichte: Augustinus, dieser bekannte Kirchenlehrer, schrieb um 392 n. Chr. die Frage auf, warum solche Dinge heute nicht mehr geschehen. Er spricht von den Zeichen und Wundern der Apostel. Sie würden niemanden bewegen, wenn sie nicht wunderbar wären. Gott sei darum in Weisheit mit uns umgegangen, indem er sie ein für alle Mal gab, um die Welt zu überzeugen. So sollte die Welt sich in der Folge auf die Menge verlassen, die auf diese Weise überführt wurde.
Augustinus sagt also, dass dies eigentlich nicht mehr das ist, was wir heute so erleben. Ein anderes Zeugnis über das Sprachenreden findet sich ebenfalls bei Augustinus in einem Kommentar. Er schreibt, dass es nötig war, dass der Heilige Geist so mit allen Sprachen zeichenhaft bezeugt würde, weil Gottes Evangelium mit allen Sprachen dem ganzen Erdkreis zugänglich gemacht werden sollte. Dieses Zeichen wurde zeichenhaft bezeugt und danach verging es.
Er sagt, das Sprachenreden war ein Zeichen dafür, dass Gott jetzt alle Völker in allen Sprachen erreichen würde. Dieses Zeichen verschwand, und heute müssen wir alle Völker durch mühsame Übersetzungsarbeit erreichen. Wie viele Wycliffe-Übersetzer wären froh, sie könnten Sprachen sprechen und einfach so in einer Bantu-Sprache das Neue Testament aufschreiben. Gott könnte das, kein Problem, aber er tut es nicht. Warum? Weil er es so wollte.
Es wäre ja angenehm, wenn man denkt, da geht ein Mann mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern nach Kamerun. Die Frau bekommt Malaria, und man weiß nicht, welchen Risiken sie sich aussetzen. Es wäre doch wunderbar, wenn man irgendwo in einem Frauenfeld zuhause mit Sprachenreden das Neue Testament auf Kaka schreiben und es den Leuten schicken könnte, die dort Malaria haben. Gott könnte das, aber er tut es nicht.
Im vierten Jahrhundert sagte ein ganz bekannter Prediger, Chrysostomos, er behaupte nicht, dass Wunder damals geschahen, weil sie heute nicht mehr geschehen. In jenen Tagen waren sie nützlich, heute aber nicht mehr. Von Wunderkräften sei nicht die geringste Spur geblieben.
Isidor von Sevilla schrieb noch im siebten Jahrhundert, als bereits Aberglaube und die Jagd nach Übernatürlichem in die römische Kirche eingezogen waren: Der Grund, warum die Kirche heute nicht die Wunder wirkt wie zur Zeit der Apostel, sei, dass die Wunder damals notwendig waren, um die Welt von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen. Jetzt stehe es ihr zu, nachdem sie überzeugt ist, durch gute Werke zu leuchten. Wer heute als Gläubiger nach Wunderkräften strebe, trachte nach eitler Ehre und menschlichem Beifall.
Das ist einfach sein Zeugnis. Ich will damit sagen, man kann auch spekulieren, aber begründet spekulieren, warum es Handschriften gibt, in denen diese Verse fehlen.
Dann kann auch Wille kommen. Der Herr sagt in Markus 16, Vers 15: "Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung! Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Diese Zeichen aber werden denen folgen, welche glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden, Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden. Schwachen werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden."
Dann kam diese Zeit, in der man sagte: Warum haben wir heute keine solchen Zeichen mehr? Was ist eigentlich mit uns los? Wir haben Lehrer, Bibellehrer, Evangelisten, Hirten, aber keine Apostel, keine Propheten und keine Zeichen und Wunder. Was ist los?
Und da steht doch: Diese Zeichen werden denen folgen, die glauben. Und schon ist es draußen. Und da hört das Evangelium auf, in Vers 7 mit den Jüngern, die zittern vor Furcht. Die gute Botschaft, von der in Markus 1 die Rede war, endet mit Furcht und Zittern.
Nein, so kann es ja nicht sein. Also Nestle-Aland, das ist ja unmöglich, das Evangelium dort enden zu lassen. Nein, das gehört hundert Prozent dazu, das ist Gottes Wort.
Aber wenn der Herr Jesus seinen Aposteln sagt: Diese Zeichen werden denen folgen, welche glauben, kann das bedeuten, diese Zeichen werden in allen Generationen folgen, bis er wiederkommt? Oder kann es bedeuten, diese Zeichen werden nur der Generation folgen, die durch die Apostel zum Glauben gekommen sind? Beides ist theoretisch möglich.
Das kann man aus dem Text hier nicht belegen oder beweisen. Nun ist es aber so gekommen, dass es aufgehört hat, und da haben einige Probleme bekommen. Aber diese Probleme brauchen wir nicht zu bekommen. Das gehört hundert Prozent dazu.
Und es endet eben mit dem Herrn Jesus als dem Diener auf dem Thron Gottes, der weiter dient durch uns, indem er mitwirkt. Das ist so schön.
Markus hat gewissermaßen erlebt, wie er im Dienst versagt hat. Er war wie ein Handschuh, und wir alle sind so. Ein Handschuh kann fünf Finger haben, aber er kann nichts von sich aus. Erst wenn die Hand hineingeht, kann der Handschuh etwas wirken.
So hat Markus erlebt: Wenn ich aus meiner eigenen Kraft ohne eine wirkliche Berufung in die Mission gehe, dann geht es schief. Und wenn es dann bergauf zu steil wird, gehe ich wieder heim. Aber ich muss lernen, das Geheimnis "Christus in euch", das Geheimnis der Kraft.
Das bedeutet, dass ich den Herrn Jesus als den vollkommenen Diener anschaue und von ihm lerne. Dann erfahre ich: Nicht aus eigener Kraft dienen, sonst werden wir ausbrennen.
Ja, das ist ein Thema, gerade für Missionare: ausbrennen. Nein, Herr Jesus will durch uns wirken. Und er will so durch uns wirken, dass wir nicht ausbrennen müssen, sondern die Werke tun, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir in ihnen wandeln sollen, nach Epheser 2, Vers 10.
Kanonizität und Aufbau des Markus Evangeliums
Nun also, warum ist das Markus-Evangelium kanonisch? Das habe ich hier nochmals zusammengefasst. Der Apostel Petrus hatte es bestätigt, und das schreibt der frühe Kirchenschreiber Papias. Dieses Evangelium wird auch durch Irenäus, einen Christen aus dem zweiten Jahrhundert, bezeugt.
Aus den Angaben der frühen Kirche entnehmen wir, dass Markus sein Evangelium um 64 bis 67 nach Christus schrieb.
Der grobe Aufbau ist ganz einfach in drei Teile gegliedert:
Kapitel 1,1 bis 3,6: Der Diener Gottes handelt in Güte gegenüber Israel. Dennoch beschließt die Führerschaft, ihn zu töten. In Kapitel 3,6 sehen wir, wie der Herr Jesus jemanden am Sabbat heilt. Daraufhin werden die Herzen seiner Feinde mit Torheit erfüllt, und sie beschließen, sich zu beratschlagen, wie sie ihn töten könnten.
Der zweite Teil umfasst Kapitel 3,7 bis 15,47: Der verworfene Diener weist andere Diener im Dienst an. Seine Nachfolger werden angewiesen, wie sie dem Herrn Jesus in seinen Fußstapfen folgen können. Er selbst ist als Diener treu bis in den Tod am Kreuz.
Der dritte Teil ist Markus 16,1-20: Die Erhöhung und Verherrlichung des Dieners.
Das Lukasevangelium: Autor, Thema und Besonderheiten
Und so kommen wir bereits zum Lukas-Evangelium. Der Autor Lukas war von Beruf Arzt (Kolosser 4,14). Ärzte sind nun einmal so, wenn sie zu ihrer Aufgabe berufen sind: Sie haben zum Beispiel Menschenkenntnis, Mitgefühl für Kranke und auch generell für arme Menschen.
Jetzt wird uns natürlich klar, warum Gott Lukas gewählt hat, um den Menschen Jesus zu beschreiben. Warum sollte ein Arzt am ausführlichsten über die Jungfrauengeburt schreiben? Es war kein Phantast, der das geschrieben hat, sondern ein Mann vom Fach. Deshalb verstehen wir auch, warum Lukas so oft beschreibt, wie der Herr Jesus einzelne Menschen besucht und sich um einzelne Menschenschicksale kümmert. Es gibt viele Geschichten, die man nur im Lukas-Evangelium findet.
Der Arzt beschreibt diesen Menschen Jesus, der eben mit Menschen mitfühlt und auf sie eingeht. Lukas ist der einzige Bibelschreiber, von dem wir wissen, dass er kein Jude war. Wir wissen das durch eine frühchristliche Überlieferung außerhalb der Bibel. Man kann es aber auch aus Kolosser 4,10-14 entnehmen. Paulus richtet dort Grüße aus von drei Leuten und sagt, sie seien alle aus der Beschneidung, das heißt, sie sind Juden. Dann folgen nochmals drei Grüße, und dabei ist auch Lukas genannt. Daraus schließen wir, dass er kein Jude war.
Im Lukas-Evangelium sehen wir, wie die Gnade Gottes die Grenzen Israels sprengt. Denken wir zum Beispiel an die Geburtsgeschichte: Die Engel verkünden Frieden auf Erden – nicht Frieden in Israel, sondern Frieden auf Erden. In Kapitel 3 beschreibt Lukas das Geschlechtsregister, das eigentlich das von Maria ist. Dabei geht er im Geschlechtsregister zurück bis auf Adam, nicht bis auf Abraham. Warum? Um zu zeigen, dass der Mensch Jesus mit der ganzen Menschheit verwandt ist. Dieser vollkommene Mensch kam, um alle Menschen, die wollen, mit Gott zu versöhnen.
Der Herr Jesus wird nur im Lukas-Evangelium in Kapitel 4 beschrieben, wie er in der Synagoge von Nazaret ist. Die Toralesung war vorbei, dann kam die Prophetenlesung. Dem Herrn Jesus wird die Jesajarolle gereicht, und er eröffnet sie mit Jesaja 61: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesandt hat, gute Botschaft zu verkündigen usw.“ Dann sagt er: „Diese Worte sind heute vor euren Ohren erfüllt.“ Alle staunen über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund kamen.
Dann erzählt Jesus: Es gab viele Witwen in den Tagen Elias, aber Elija wurde nur zu einer libanesischen Witwe in Sidon gesandt. In den Tagen von Elisa gab es viele Aussätzige in Israel, aber Elisa wurde nur geschickt, um den Syrer Naaman zu heilen. Die ganze Synagoge wird wütend. Warum? Jesus zeigt, dass die Gnade auch zu den Heidenvölkern geht – nicht nur für uns. Die Gnade sprengt die Grenzen Israels. Lukas, ein Nichtjude, ist so glücklich, dass die Gnade auch zu den Nichtjuden gekommen ist. Darum musste er das Lukas-Evangelium schreiben.
Ganz am Anfang des Evangeliums zeigt Lukas, dass er nicht nur Arzt, sondern auch Historiker war. In Lukas 1 schreibt er, wie er den einzelnen Zeugen nachgegangen ist und alles genau erforscht hat, damit man einen zuverlässigen, historisch fundierten Bericht erhält. Hier wird auch deutlich, wie unsinnig die liberale Theologie ist, die behauptet, die Menschen damals hätten mythologische Geschichten geglaubt, die der moderne wissenschaftliche Mensch heute nicht mehr akzeptieren würde. Lukas aber ging es um historische Tatsachen, die wirklich geschehen sind und durch Augenzeugen belegt werden.
So hat Gott diesen Mann für das Lukas-Evangelium gewählt. Dort finden wir, wie gesagt, das Evangelium, das das Friedensopfer beschreibt. Vom Friedensopfer heißt es im Alten Testament ausdrücklich in 5. Mose 27: Ein Friedensopfer ist „Du sollst dich freuen.“ Es war ein Opfer, bei dem man sich freuen sollte.
Die Begriffe Freude und sich freuen sind ganz typisch für das Lukas-Evangelium. Ich habe hier die Werte aufgeführt: Im Matthäusevangelium 13 verwandte Wörter, Markus 3, Lukas 34 und Johannes 20. Dieses Evangelium wird von Freude förmlich gekennzeichnet. Am Anfang sagt der Engel in Lukas 2, Vers 10: „Siehe, ich verkündige euch große Freude.“ Und am Ende des Evangeliums segnet der Herr Jesus auf dem Ölberg bei Betanien die Jünger, fährt auf in den Himmel, und die Jünger gehen mit großer Freude zurück in den Tempel.
Das Evangelium beginnt mit großer Freude und endet mit großer Freude. Es ist eben das Friedensopfer, das hier beschrieben wird. Die Ausdrücke wie Friede und so weiter finden sich in Matthäus 3, Markus 2, Lukas 14 und Johannes 6. Das Kennzeichen des Lukas-Evangeliums ist das Friedensopfer, Sevach Shelamim auf Hebräisch, wie in 3. Mose 3 beschrieben.
Shelamim kann man mit Friedensopfer übersetzen, aber eine zweite Bedeutung liegt auch darin: Rettungs- oder Heilsopfer. Wörter wie Rettung, Heil, Retten usw. finden sich in Matthäus 17, Markus 16, Lukas 26 und Johannes 8. Sie sind typisch für das Lukas-Evangelium.
Das Friedensopfer wurde auch speziell als Lobopfer dargebracht. Schauen wir in 3. Mose 1-7, wo das Friedensopfer als Opfer zum Loben beschrieben wird. Wörter wie Lob und Loben finden sich in Matthäus zehnmal, Markus sechs, Lukas sechsundzwanzig und Johannes dreimal. Das ist ganz typisch, es ist das Lobopfer, das hier gezeigt wird.
Ich habe schon gesagt, dass Lukas als Arzt viel Mitgefühl für Kranke, Arme und auch für die Nichtjuden hatte. Darum sind die Wörter Gnade, Barmherzigkeit usw. ganz charakteristisch. Sie finden sich in Matthäus 21, Markus 7, Lukas 27 und Johannes 4.
In Kolosser 4 wird Lukas als „der geliebte Arzt“ bezeichnet. Das ist schön, denn es heißt nicht „der hochberühmte Arzt“, sondern „der geliebte Arzt“. Das bedeutet, er war treu in seinem Beruf. Es geht nicht darum, Karriere zu machen oder Ehre von Menschen zu erhalten, sondern darum, dass wir in der Berufung, in die Gott uns gestellt hat, geliebte und treue Diener sind.
Wann wurde das Lukas-Evangelium geschrieben? Vor dem Jahr 62 nach Christus. Warum? Weil es der erste Teil ist, und die Apostelgeschichte 1,1 als zweiter Teil des Lukas-Evangeliums fortfährt. Die Apostelgeschichte beschreibt Ereignisse bis zu Paulus’ Aufenthalt in Rom, wo er zwei Jahre auf die Gerichtsverhandlung wartet. Das ist im Jahr 62. Paulus’ Prozess vor Kaiser Nero wird nicht beschrieben.
Wenn die Apostelgeschichte um 62 geschrieben wurde, offensichtlich vor dem Prozess und noch vor Nero, dann wurde das Lukas-Evangelium davor verfasst. So einfach ist das.
Grober Aufbau des Lukasevangeliums
Der grobe Aufbau
Wir haben die Einführung, Kapitel 1, Verse 1 bis 5, und dann sehen wir das Kommen Jesu, Kapitel 1, Verse 6 bis 9, Vers 50.
Zweitens folgt das Weggehen Jesu Christi, von Kapitel 9, Vers 51 bis Kapitel 24, Vers 53. Es ist ganz interessant: In Kapitel 1 wird beschrieben, wie Gott uns auf Erden besucht hat. Dort wird das Leben des Herrn Jesus bis Kapitel 9, Vers 50 dargestellt.
Dann heißt es, dass der Herr Jesus sein Angesicht fest auf Jerusalem richtete, um dorthin zu gehen. Alles Weitere wird nun so beschrieben: Der Herr Jesus ist auf einer Reise und zieht durchs Land. Doch sein ganzes weiteres Leben und Dienen hatte ein Ziel – nach Jerusalem hinaufzugehen, um zu leiden, zu sterben, aufzuerstehen und schließlich in den Himmel zurückzukehren.
Dieser zweite Teil zeigt also das Weggehen Jesu durch Leiden hin zur Herrlichkeit. Ganz am Schluss sehen wir, dass der Herr Jesus nicht einfach nur als Auferstandener mit den Jüngern spricht, sondern dass auch die Himmelfahrt erwähnt wird. Er geht zurück in den Himmel.
Es ist sehr eindrücklich, dass der zweite Teil die ganze Reise beschreibt. Überall, wo der Herr Jesus hindurchgeht, hat die Reise ein Ziel: zu leiden und dann in die Herrlichkeit zu gelangen.
In der Apostelgeschichte 13, als Paulus auf der ersten Missionsreise die entstandenen Gemeinden nochmals besucht, heißt es, dass er zu ihnen ging und die Jünger ermahnte, durch viele Trübsale hindurch ins Reich Gottes einzugehen.
Das ist genau das, was der Herr Jesus uns vorgezeigt hat. Sein ganzer Weg führte durch Leiden in Jerusalem, aber schließlich in die Herrlichkeit.
Es ist auch wunderbar, wie Lukas am Schluss beschreibt, dass der Herr Jesus auf dieser langen Reise schließlich nach Jericho kommt (Lukas 19). Jericho ist der tiefste bewohnte Ort der Welt, weit unter dem Meeresspiegel der Ozeane. Dort geht er noch in das Haus von Zachäus.
Dann zieht der Herr Jesus weiter nach Jerusalem hinauf, im vollen Wissen, dass er dort sterben wird. Übrigens wurde die Römerstraße ausgegraben, die von Jericho nach Jerusalem hinaufführte.
Man kann also wirklich sehen, welchen Weg der Herr Jesus nach der Heilung des Blinden bei Jericho nahm: hinauf durch die Wüste nach Jerusalem.
Dabei kommt mir das Lied von Margrit Birkenfeld in den Sinn: „Für mich gingst du nach Golgatha.“ Das war dieser Weg nach Golgatha – durch Leiden und dann in die Herrlichkeit.
Das Johannesevangelium: Autor, Thema und Besonderheiten
Nun kommen wir zum Johannesevangelium. Der Autor ist in der frühesten Kirchengeschichte eindeutig als der Apostel Johannes bezeugt. Er war früher Fischer, als der Herr Jesus ihn berief (Matthäus 4,21). Zu dieser Zeit war er gerade nicht beim Fischen, sondern beim Netzflicken.
Petrus war beim Fischen und wurde dann berufen, Menschenfischer zu werden. An Pfingsten brachte er die große Ernte ein. Johannes hingegen war beim Netzflicken, und das sollte für seinen Dienst von Bedeutung sein. Johannes schrieb seine Schriften – das Johannesevangelium, seine drei Briefe und auch die Offenbarung – ganz am Ende seines Lebens.
Damals breiteten sich die Irrlehren der Gnostiker immer mehr aus. Sie leugneten die Gottheit und Gottessohnschaft Jesu sowie seine wahre Menschwerdung. Diese Lehren drangen in die Gemeinden ein und richteten Schaden an. Deshalb schrieb Johannes das Johannesevangelium, um mit apostolischer Autorität zu belegen, dass Jesus Gott ist, der ewige Sohn Gottes, und dass er wirklich Mensch geworden ist. Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.
Auch in seinen ersten beiden Johannesbriefen warnte er vor diesen Irrlehren. Er zeigte auf, wie man die Irrlehren erkennen kann und wie man die Geister anhand des Wortes Gottes prüfen muss. So pflegte Johannes gewissermaßen Netze, die am Ende des ersten Jahrhunderts zu zerreißen begannen.
Johannes hatte einen Bruder namens Jakobus, und beide waren sehr temperamentvoll. Deshalb gab Jesus ihnen den Namen Boanerges (Markus 3,17) – Donnersöhne. Man stellt sich vor, dass Johannes, der Apostel der Liebe und ein abgeklärter, ruhiger Mann, einst ein junger Mann war, der nicht immer so gelassen war. Es gibt auch heute abgeklärte junge Leute, aber damals war Johannes sehr explosiv.
Zum Beispiel lesen wir in Lukas 9,54, dass Jesus mit seinen Jüngern durch samaritisches Gebiet ging. Die Samariter wollten Jesus nicht aufnehmen, und Johannes fragte: „Sollen wir Feuer vom Himmel auf sie herab regnen lassen?“ Jesus antwortete: „Ihr wisst nicht, welchen Geist ihr habt, ihr Söhne.“ Johannes hätte also gerne kurzen Prozess gemacht – mit Feuer!
In Matthäus 20,20 gab es ein weiteres Problem: Johannes und Jakobus wollten die besten Plätze im Reich Gottes, direkt neben dem Herrn. Das war nicht gerade sehr demütig.
Doch dieser Johannes schrieb das Johannesevangelium, in dem er besonders viel über die Wiedergeburt schreibt. So heißt es: „So vielen aber, die ihn aufnahmen, gab er das Recht, Gottes Kinder zu sein.“ Es wird erklärt, dass diese nicht aus dem Willen des Mannes, aus dem Fleisch geboren sind, sondern aus Gott geboren wurden.
Nur Johannes beschreibt, wie nachts einmal ein großer Bibellehrer Israels, Nikodemus, zu Jesus kam, weil er nicht gesehen werden wollte (Johannes 3,1). Er beginnt mit einer Lobrede: „Niemand vollbringt diese Wunder, die du tust, wenn Gott nicht mit ihm wäre. Du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist.“ Doch Jesus geht überhaupt nicht darauf ein. Er sagt: „Wenn ihr nicht von neuem geboren werdet, werdet ihr das Reich Gottes nicht sehen.“
Wie kann man von neuem geboren werden? Kann man etwa wieder in den Mutterleib? Jesus erklärt, dass Wiedergeburt bedeutet, dass Gott das Leben, das der Sohn Gottes ist, Menschen gibt, die sich bekehren. So hat jeder, der an den Sohn Gottes glaubt, ewiges Leben und geht nicht verloren.
Jesus selbst ist dieses Leben (Johannes 14,6): „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Die Wiedergeburt bedeutet, dass Menschen Leben aus Gott erhalten; der Sohn Gottes wird ihr Leben. Das gibt ihnen die Kraft, gottgemäß zu leben.
Das hat Johannes erlebt. Er wird „der Apostel der Liebe“ genannt, weil er in seinen Briefen und im Johannesevangelium so viel über die Liebe schreibt – über die Liebe Gottes. Er wurde ein ganz anderer Mann, nicht mehr der, der so schnell Feuer vom Himmel wollte. Das ist Wiedergeburt.
In seinem Evangelium nennt er sich immer wieder „der Jünger, den Jesus liebte“, „der Jünger, der im Schoss Jesu war“ (Johannes 13,23.25). Wie geht das mit dem Jünger im Schoss Jesu? Ganz einfach: Beim Passah saß man nicht am Tisch, sondern lag zu Tische, auf Polstern, an einem Triklinum. Das war ein Tisch mit drei Seiten im 90-Grad-Winkel, an denen die Polster lagen.
Der erste lag mit dem Kopf zum Tisch hin abgestützt, dann kam der nächste, und so weiter. Johannes lag beim letzten Passah so, dass er gerade vor Jesus auf dem Polster lag. Wenn er den Kopf ein wenig drehte, kam sein Kopf direkt an die Brust Jesu – also im Schoss Jesu. Das heißt nicht, wie ein kleines Kind auf dem Arm, sondern mit dem Kopf an das Herz Jesu.
Johannes hatte als Jünger die tiefste Beziehung zu Jesus. Deshalb nennt er sich „der Jünger, den Jesus liebte“. Der Herr liebte auch die anderen, aber Johannes hatte das tiefste Bewusstsein dieser Liebe Jesu. Darum durfte er das Johannesevangelium schreiben – das Evangelium, das besonders zeigt, dass Jesus der ewige Sohn ist, der im Schoss des Vaters ist.
Jetzt verstehen wir besser Johannes 1,18: „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist, der hat uns kundgetan.“ Das bedeutet, Jesus ist von Ewigkeit her der ewige Sohn in Tischgemeinschaft mit dem ewigen Vater. Er freute sich in der Liebe des Vaters von Ewigkeit her, und der Vater freute sich vollkommen in seinem Sohn.
Deshalb ist das Johannesevangelium so geprägt von Worten wie Liebe, lieben, geliebt usw. (Matthäus 19, Markus 9, Lukas 36, Johannes 63). Johannes beschreibt Jesus als den ewigen Sohn, der das Leben selbst ist. Deshalb sind Worte wie Leben oder das Verb leben so vordergründig (Matthäus 13, Markus 7, Lukas 14, Johannes 57).
Jesus wird auch als der ewige Sohn beschrieben, der das Licht ist, das göttliche Licht bringen sollte. Deshalb finden sich viele Bezüge zu Licht und Erleuchtung (Matthäus 7, Markus 1, Lukas 8, Johannes 24). Jesus ist das Licht der Welt.
Er sollte offenbaren, wer der Vater ist. Deshalb werden Worte wie Wahrheit und wahrhaftig so oft verwendet (Matthäus sechsmal, Markus sechsmal, Lukas achtmal, Johannes 56-mal). Aletheia, das griechische Wort für Wahrheit, bedeutet „unverborgen“. Wahrheit ist die Darstellung der Dinge so, wie sie sind, im Licht Gottes.
Das Evangelium spricht deshalb so viel von Wahrheit, weil Jesus gekommen ist, um zu zeigen, wer Gott ist, wer der Vater ist, wer der Sohn Gottes ist, wer der verdorbene Mensch ist, der erneuert werden muss.
Im Johannesevangelium wird Jesus auch als das Brandopfer zur Herrlichkeit Gottes dargestellt. Herrlichkeit und Verherrlichung dominieren (Matthäus 12, Markus 4, Lukas 22, Johannes 42). Jesus kam, um den Vater, den ewigen Vater, zu offenbaren.
Im Johannesevangelium spricht Jesus mehr als hundertzwanzigmal vom Vater. Das erklärt auch, warum jemand am letzten Abend vor der Kreuzigung sagt: „Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns.“ Jesus antwortet: „Solange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“
So zeigt das Johannesevangelium den eingeborenen Sohn, den Gott für eine verlorene Welt gegeben hat, die er liebt. Es stellt Jesus als das Wort, den Logos, dar, der alles erschaffen hat, der aber selbst in diese Welt kam, um Gott zu offenbaren.
Dieses Evangelium konnte man als Gottes Wort erkennen, denn es wurde durch den letzten noch lebenden Apostel Jesu Christi, Johannes, geschrieben. Wie gesagt, schrieb Johannes dieses Evangelium ganz am Schluss seines Lebens, um das Jahr 98.
Schlussgebet
Ja, dann kommen wir hier zum Schluss und wollen noch zusammen beten.
Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass wir diesen Schatz der vier Evangelien haben. In ihnen finden wir dich – in deiner Erhabenheit und in deiner Erniedrigung. Wenn wir dich anschauen, können wir von uns selbst wegschauen. Wenn wir ständig nur auf uns schauen, werden wir enttäuscht. Doch wenn wir auf dich schauen, werden wir ermutigt, erquickt und gestärkt.
Dein Wort sagt, dass wir, wenn wir dich in deiner Herrlichkeit anschauen, verwandelt werden in dein Bild. Ohne dass wir es bewusst realisieren, werden wir dir immer ähnlicher – ganz ohne Krampf.
So danken wir dir, dass wir diese Evangelien haben, das ganze Wort Gottes, und besonders diese Evangelien, in denen wir dich in so wunderbarer Weise als unseren Herrn und Erlöser beschrieben finden.
Danke für diesen Tag, Herr Jesus. Wir möchten uns dir anvertrauen, auch für den Nachhauseweg. Segne uns und hilf uns, den Weg entschieden mit dir zu gehen, im Bewusstsein, dass du der König bist, der in allen Bereichen unseres Lebens regieren will.
Du bist der Knecht, der uns zeigt, wie wir dienen können, und du bist der vollkommene Mensch, der wahre Gott. Wir können dich nur bewundern, Herr Jesus. Amen.
