Der heutige Predigttext stammt aus Philipper 2, Verse 19-30.
Ich hoffe aber im Herrn Jesus, bald Timotheus zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes bin, wenn ich von eurem Befinden erfahre. Denn ich habe keinen, der mir gleichgesinnt ist und aufrichtig für euer Wohl sorgt. Alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist.
Ihr kennt aber seine Bewährung: Er hat wie ein Vater, wie ein Kind dem Vater mit mir für das Evangelium gedient. Diesen hoffe ich nun sofort zu senden, sobald ich meine Lage überblicke.
Ich vertraue aber im Herrn darauf, dass auch ich selbst bald zu euch kommen werde.
Ich habe es jedoch für nötig gehalten, Epaphroditus, meinen Bruder, Mitarbeiter und Mitstreiter, euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden. Denn er sehnte sich sehr nach euch allen und war unruhig, weil ihr gehört hattet, dass er krank war.
Tatsächlich war er krank und dem Tod nahe. Doch Gott hat sich über ihn erbarmt – nicht nur über ihn, sondern auch über mich. So wurde mir Traurigkeit nach der Traurigkeit erspart.
Ich habe ihn deshalb umso eiliger zu euch geschickt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, euch freut und ich weniger betrübt bin.
Nehmt ihn nun im Herrn mit aller Freude auf und haltet solche Brüder in Ehren. Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tod nahe gekommen und hat sein Leben gewagt, um den Mangel in eurem Dienst für mich auszugleichen.
Cristiano Ronaldo hat in dieser Woche das siebenhundertste Tor seiner Profikarriere geschossen. Das ist kaum zu übertreffen. Neben seiner fußballerischen Leistung ist er vor allem dafür bekannt, sich selbst zu inszenieren.
Er hat auf Instagram 186 Millionen Abonnenten – so viele wie kein anderer Mensch auf dieser Welt. Zum Vergleich: Unsere Bundeskanzlerin kommt auf eine Million Abonnenten, ganz Bayern München auf 18 Millionen. Ronaldo hingegen hat 186 Millionen. Das heißt, immer wenn er ein Bild von sich selbst hochlädt, sehen es 186 Millionen Menschen auf der Welt auf ihrem Handy.
Der portugiesische Superstar ist einer der erfolgreichsten Selbstdarsteller. Garderobe, Frisur, Jubelposen – alles ist bei ihm bis ins kleinste Detail abgestimmt. Manchmal nutzt er die Halbzeitpause, um seine Frisur für die zweite Halbzeit aufwendig zu verändern. Da ist jemand mächtig von sich selbst eingenommen – und das kommt bei den Leuten an.
Ein anderes Beispiel ist Zlatan Ibrahimović. Er ist nicht ganz so beliebt und so erfolgreich wie Ronaldo, aber umso mehr von sich selbst eingenommen. Ibrahimović wurde vor einiger Zeit gefragt: Auf einer Skala von eins bis zehn, wie gut bist du? Seine Antwort: Zehn. Dann sollte er sein Traumteam zusammenstellen. Er stellt sich selbst in den Sturm neben Messi und sagt: „Ich bin ein Gott. Ibrahimović ist ein Gott.“
Warum ich diese beiden Männer erwähne, ist nicht, um jetzt weiter auf sie rumzuhacken – das ist nicht meine Absicht. Aber es sind zwei Männer, die sehr, sehr stark von sich selbst eingenommen sind. Zwei Männer, die für eine absolute Selbstdarstellung bekannt sind.
Dabei spiegeln sie eigentlich nur wider, was in unserer Gesellschaft heute gang und gäbe ist. Wir leben in einer Welt, in der man sich selbst vermarktet. Diese Tendenz hat der Mensch schon immer gehabt, ganz grundsätzlich. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Dennoch hat man heute viel mehr Möglichkeiten dazu.
Die sozialen Medien, die man ohne Frage auch gut nutzen kann, geben jedem Otto Normalverbraucher die Möglichkeit, sich selbst einer ganz großen Öffentlichkeit zu präsentieren. Und das macht etwas mit uns. Das macht etwas mit der jungen Generation.
Man will Aufmerksamkeit auf sich lenken, möglichst viele Abonnenten und Follower haben. Man will sich selbst darstellen. „Broadcast yourself“, sagt YouTube. Gehe mit dir selbst auf Sendung. So werden wir immer mehr eine Gesellschaft, in der man sich selbst präsentiert: Schau mal, wie ich aussehe, schau mal, was ich kann, schau mal, was ich habe. Das nennt man schlichtweg Selbstdarstellung.
In meiner heutigen Predigt möchte ich einen deutlichen Gegenentwurf zu dieser Selbstdarstellung vorstellen. Es geht heute Morgen um zwei Männer, die überhaupt nicht an sich selbst denken. Um zwei Männer, die keine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen. Es sind Männer, bei denen das Ich ganz klein geworden ist.
Mein Predigtthema heute Morgen lautet: Selbstlosigkeit hoch zwei. Hoch zwei, weil es zwei Beispiele sind, aber auch hoch zwei, weil die Intensität der Selbstlosigkeit dieser beiden Männer so enorm ist.
Ich mache weiter, wie Daniel schon gesagt hat, in meiner Predigtreihe zum Philippabrief. Der heutige Text stammt aus Kapitel 2, Verse 19 bis 30. Michael Richter hat ihn uns bereits vorgelesen.
In Kapitel 2, Verse 19 bis 30, finden wir zunächst Reise- beziehungsweise Sendungspläne des Apostels Paulus. Paulus informiert die Philipper darüber, dass er zuerst Epaphroditus und danach Timotheus zu ihnen schicken will. Dabei plant er auch selbst, irgendwann wiederkommen zu können.
Solche Reisepläne sind an sich nichts Besonderes. In den Paulusbriefen finden wir immer wieder solche Erklärungen, die ich mal als organisatorische Dinge bezeichnen möchte. Meistens finden wir diese Reisepläne am Ende der Briefe. So etwa in Römer 16, 1. Korinther 16, 2. Korinther 13, Epheser 6 und Kolosser 4. Dort klärt Paulus diese organisatorischen Aspekte. Er sagt zum Beispiel, dass er einen Mitarbeiter oder im Fall von Phoebe eine Mitarbeiterin zu den Gemeinden schickt. Er gibt an, wie lange er selbst an einem Ort bleibt und wohin er anschließend weiterreist.
Das ist das Schema, das wir meistens in diesen Sendungsplänen finden. Deshalb muss man sich jetzt die Frage stellen: Warum mitten im Philippabrief? Warum klärt Paulus diese organisatorischen Dinge genau in der Mitte des Briefes, wo er das sonst immer am Ende tut?
Wenn man genauer hinschaut, erkennt man einen Grund. In Kapitel 2 spricht Paulus zunächst über das Vorbild Christi, dem wir nacheifern sollen. So hat Christus gelebt: Er hat die Herrlichkeit bei seinem Vater verlassen, ist Mensch geworden, Knecht geworden und ward gehorsam bis zum Tod am Kreuz. Diesem Beispiel sollen wir nachfolgen.
Im nächsten Abschnitt fordert Paulus dazu auf, das jetzt im eigenen Leben zu verwirklichen. Seid gehorsam in eurem Leben. Das war die Predigt zum Thema „Christentum ohne Leidversion“. Seid gehorsam und macht keine Abstriche. Folgt dem Beispiel Christi.
Nun im dritten Abschnitt liefert Paulus zwei Veranschaulichungen, wie so etwas praktisch aussehen kann. Noch einmal ganz grob gesagt lässt sich Kapitel 2 in drei Teile gliedern: Teil eins beschreibt, wie Christus ist. Teil zwei fordert dazu auf, das in eurem Leben umzusetzen. Teil drei zeigt zwei Vorbilder, die das praktisch vorleben.
Das ist unser heutiger Text. Mit diesen beiden Vorbildern wollen wir uns beschäftigen.
Wir Menschen brauchen Vorbilder. Natürlich ist Jesus immer unser ultimatives Vorbild und der Maßstab. Aber manchmal brauchen wir Mitmenschen, mit denen wir uns noch stärker identifizieren können.
Paulus liefert uns heute zwei solche Vorbilder. Beide Männer haben mit Christus eines gemeinsam: ihre Selbstlosigkeit. Wenn man jedoch genau hinschaut, gibt es bei der Selbstlosigkeit dieser beiden Männer leichte Unterschiede, verschiedene Nuancen.
Bei Timotheus ist es die fürsorgliche Selbstlosigkeit, bei Epaphroditus ist es die risikobereite Selbstlosigkeit.
Wir kommen zum ersten Punkt. Meine Predigt hat zwei Punkte. Der erste Punkt lautet: die fürsorgliche Selbstlosigkeit. Ich lese die Verse 19 bis 24 noch einmal vor:
„Ich hoffe aber im Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes sei, wenn ich um eueretwillen weiß, denn ich habe keinen ihm Gleichgesinnten, der aufrichtig für das eure besorgt sein wird, denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist. Ihr kennt aber seine Bewährung, dass er wie ein Kind dem Vater mit mir für das Evangelium gedient hat. Diesen nun hoffe ich, sofort zu senden, wenn ich meine Lage übersehe. Ich vertraue aber im Herrn darauf, dass ich auch selbst bald kommen werde.“ (Philipper 2,19-24)
Es liest sich fast wie eine Empfehlung für Timotheus, und genau das möchte Paulus ausdrücken. Er ist sehr dankbar für Timotheus. Timotheus ist der Sohn eines griechischen Vaters und einer jüdischen Mutter. Paulus hat ihn als jungen Mann auf seiner zweiten Missionsreise kennengelernt. Er dachte sich, der Mann ist brauchbar, und hat ihn mitgenommen.
Während Paulus jetzt den Philipperbrief schreibt, ist Timotheus auch bei ihm im Gefängnis in Rom. Er beschäftigt sich im Gefängnis aber nicht mit sich selbst, sondern denkt an die Philipper und wie es ihnen geht. Deshalb plant Paulus, Timotheus früher oder später zu ihnen zu schicken. Aber er kann ihn noch nicht jetzt schicken, zuerst ist Epaphroditus dran. Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen, aus welchem Grund das so ist.
Sobald Paulus weiß, wie es mit ihm selbst weitergeht, möchte er Timotheus schicken. In Vers 24 sehen wir, dass er darauf hofft, auch selbst bald kommen zu können. Aber zuerst muss Timotheus gehen.
Timotheus hat häufig solche Aufträge für Paulus wahrgenommen. Paulus hat ihn nach Thessalonich geschickt, um nach der Gemeinde zu sehen. Er hat ihn nach Korinth geschickt, damit er die Korinther belehrt. Paulus hat Timotheus auch in Ephesus gelassen, um für gesunde Lehre zu sorgen. Timotheus hat all diese Aufgaben zuverlässig erfüllt. Er hat sich als sehr nützlicher Diener erwiesen.
Die Philipper kennen diesen Timotheus gut. In Vers 22 sagt Paulus: „Ihr aber kennt seine Bewährung, dass er wie ein Kind dem Vater mit mir für das Evangelium gedient hat.“ Timotheus war dabei auf der zweiten Missionsreise, als die Gemeinde Philippi entstanden ist. Die Philipper haben das Bild noch vor Augen: Timotheus, ein junger Mann, war immer an der Seite von Paulus und hat alles getan, was Paulus gesagt hat.
Wie ein Sohn, der nicht von der Seite des Vaters weicht, war er treu und hat sich bewährt. Das heißt, er ist durch schwierige Situationen gegangen und hat die Stellung gehalten. Er hat die Treue bewahrt. Kein Wunder, dass Paulus diesen jungen Mann so hervorhebt als Vorbild.
Besonders auffällig ist Vers 20: „Denn ich habe keinen ihm Gleichgesinnten, der aufrichtig für das eure besorgt sein wird.“ Das Herausragende an Timotheus ist nicht seine Begabung. Diese wird zwar im zweiten Timotheusbrief erwähnt, aber das Herausragende ist sein Charakter, seine Einstellung. Und das ist so viel wichtiger als Begabung.
Ich kenne Leute, die sind sehr begabt, aber ihr Charakter ist, um es deutlich zu sagen, mangelhaft. Solche Menschen sind nicht brauchbar für das Reich Gottes. Bei Timotheus steht vor allem sein feiner Charakter im Vordergrund – seine Selbstlosigkeit.
Paulus sagt: Davon gibt es wirklich nicht viele. Er sagt, Timotheus wird aufrichtig, also wirklich authentisch, für das Wohl der Gemeinde besorgt sein.
Vielleicht denkst du jetzt: Besorgt sein – ist das nicht im Widerspruch zu dem, was in Philipper 4,6 steht? Dort heißt es: „Seid um nichts besorgt, sondern in allem sollen durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden.“
Wenn wir diese beiden Verse vergleichen, stellen wir fest, dass es eine Sorge gibt, die nicht legitim ist, und eine Sorge, die legitim ist.
Wir sollen und dürfen uns keine Sorgen um unsere eigene Zukunft machen, um das, was wir morgen essen werden. Die Bibel sagt: Sorgt euch nicht darum, Gott versorgt euch.
Aber wenn es um die Sorgen der anderen geht, dürfen wir besorgt sein. Das nennt die Bibel Fürsorge. Und genau das zeichnet Timotheus aus.
Er ist ein Mann, der nicht an sich selbst denkt. Er achtet immer darauf, wie er anderen dienen kann, wie er den Philippern helfen und sich um sie sorgen kann. Er denkt an das Reich Gottes.
Timotheus lebt das, was Paulus in Philipper 2,3-4 sagt: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. Jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient.“
Leider, so sagt Paulus in Vers 21, gibt es davon sehr wenige Menschen. Paulus sagt: „Alle anderen suchen das Ihre.“ Das klingt ziemlich absolut.
Wen hat Paulus hier im Blick? Ich denke vor allem die Prediger, die er in Kapitel 1 nennt. Sie predigen Christus, aber aus falschen Motiven. Sie nutzen die große Bühne für sich selbst, während Paulus im Gefängnis sitzt. Sie wollen ihren Fanclub vergrößern und predigen aus falschen Motiven, auch wenn sie das Richtige sagen.
Vermutlich hat Paulus diese Leute im Hinterkopf. Er erlebt viel Selbstbezogenheit unter Christen. Vielleicht denkt er an eine Gruppe von Mitarbeitern, die theoretisch bereit wären, nach Philippi zu gehen, aber gesagt haben: „Wir wollen diese schwere Reise nicht auf uns nehmen. Wir sind uns zu schade dafür.“
Timotheus dagegen hat sich gemeldet und gesagt: „Ich bin bereit zu gehen.“ Insofern sticht er aus den anderen hervor. Die anderen waren nicht bereit, Opfer zu bringen. Sie waren nicht so fürsorglich. Aber Timotheus hat nicht an sich gedacht. Er hatte nur die Philipper vor Augen.
Wie Christusähnlich ist dieses Verhalten! Wenn wir uns Jesus anschauen, unser ultimatives Vorbild, dann sehen wir: Er hat nie für sich selbst gelebt. Hätte Jesus an sich gedacht, wäre er nicht ans Kreuz gegangen.
Selbst am Kreuz hängend kümmert sich Jesus um seine Mutter, damit es für sie gut weitergeht. Er kümmert sich um seine Peiniger und sagt: „Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“ Und das alles unter großen Schmerzen.
Wir würden in dieser Situation wahrscheinlich nur auf uns selbst schauen und sagen: „Hier tut es weh!“ Jesus aber schaut auf andere. Das nennt man fürsorgliche Selbstlosigkeit. In diesem Punkt ist Timotheus Jesus sehr ähnlich.
Seid ihr schon einmal mit einem Menschen zusammen gewesen, der euch stark an Jesus erinnert hat? Ich musste an Rick Holland denken, der vor einigen Jahren bei uns zu Hause war.
Ich hatte schon einiges von ihm gehört. Er war in Amerika die rechte Hand von John MacArthur. John MacArthur ist seit 50 Jahren Pastor einer großen Gemeinde in Kalifornien und in Deutschland vor allem durch die John MacArthur Studienbibel bekannt.
Rick Holland war sozusagen seine zweite Hand, der zweite Mann einer großen Gemeinde. Ich habe mir schon Predigten von ihm angehört. Dann war er irgendwann in Deutschland auf einer Pastorenkonferenz, und es hat sich so ergeben, dass er bei uns zu Hause übernachtete. Damals wohnten wir in Ratholmen.
Als junger Bibelschüler ist man da natürlich begeistert, wenn man mit großen Predigern zusammen sein kann. Ich war voller Vorfreude, holte ihn ab und brachte ihn zu uns nach Hause.
Was mir besonders auffiel: Es ging ihm überhaupt nicht um sich selbst. Er hat sich in der Zeit, die wir zusammen waren, sehr für unsere Familie eingesetzt. Als meine Frau Hilfe beim Kinderwagen brauchte, war er da und half.
Er nahm sich Zeit für unsere Jugend. Ich meine, seine Jugend in Amerika umfasst 400 Jugendliche, wir waren dagegen nur ein kleiner Haufen. Er war bei uns in der Jugend, hat gegeben, sich investiert, war beim Stockbrot im Garten dabei – überall.
Am Ende dieser Zeit, als ich ihn zum Flughafen zurückbrachte, wurde mir bewusst: Die Größe dieses Mannes besteht in seiner Niedrigkeit. Man hat ihn nicht selbst gesehen, man hat Jesus in ihm gesehen.
Mir ist noch kein Mann begegnet, der mich mehr an Jesus erinnert hat als er.
Ich möchte euch noch ein weiteres Beispiel nennen: Nathan Barlow, Doktor der Medizin. Als Arzt in Amerika hätte er sehr gut verdienen können, aber er hat beschlossen, seine Fähigkeiten in Äthiopien einzusetzen – und das seit sechzig Jahren.
Er widmet sein Leben den Menschen, die an der sogenannten Mossi-Fußkrankheit leiden. Das ist eine Krankheit, die starke Schwellungen am Fuß und Geschwüre verursacht. Dadurch entstehen Missbildungen und Begleitinfektionen.
Diese Menschen werden wie Aussätzige behandelt und sind nicht Teil des gesellschaftlichen Lebens.
Kurz bevor Nathan Barlow stirbt, holt ihn seine Tochter zurück in die USA, weil seine Gesundheit nachlässt. Doch er hält es nur wenige Wochen in Amerika aus und will zurück nach Äthiopien, weil dort die Menschen wohnen, die er so sehr liebt.
Also fliegt er mit seiner Tochter zurück, um die letzten Jahre seines Lebens dort zu verbringen. Er ist der erste Mann in der Geschichte Äthiopiens, der sich um diese ausgestoßenen Menschen gekümmert hat.
Er verbringt sein ganzes Leben bei ihnen. Dennoch stirbt er und wir kennen ihn kaum. Der Mann ist nicht bekannt. Das ist der Punkt.
Er stirbt ohne Aufmerksamkeit, man weiß nicht viel über ihn. Er ist ein Unbekannter. Und genau das ist das Bemerkenswerte: Trotz minimaler Aufmerksamkeit kümmert er sich ein Leben lang um andere Menschen. Das ist fürsorgliche Selbstlosigkeit.
Solche selbstlosen Menschen sind heute nicht gerade in der Überzahl, aber es gibt sie.
Ich denke an viele Mütter, auch wenn heute nicht Muttertag ist, darf man das ja mal erwähnen. Ich denke an viele Mütter, die sich völlig zurückstellen, um für ihre Kinder zu sorgen. Das ist fürsorgliche Selbstlosigkeit.
Ich denke an Menschen, die einen Großteil ihres Lebens damit verbringen, ihre Eltern oder Verwandte zu pflegen. Sie können vielleicht nicht in die Gottesdienste kommen, sie sind zu Hause, aber machen dort Gottesdienst.
Sie geben sich völlig auf, ihre eigenen Hobbys, ihr eigenes Leben, um sich für andere zu investieren.
Vielleicht bist du heute Morgen hier oder schaust den Livestream und dir fehlt die Kraft. Du bist müde, weil du dich nur noch in andere investierst und nur sehr wenig Zeit für dich selbst hast.
Weißt du was? Du sollst wissen: Gott freut sich so sehr über dich, weil du seinem Sohn so ähnlich bist.
Christusähnlichkeit – fürsorgliche Selbstlosigkeit. Ihr Lieben, das lernt man nicht am grünen Tisch. Es ist nicht so, dass wir heute nach dieser Predigt rausgehen und es verstanden haben.
Fürsorgliche Selbstlosigkeit schickt Gott uns in Situationen, in denen wir geschliffen werden, in denen er wirklich an unserem Charakter arbeitet. Das tut manchmal weh.
Aber das veredelt unseren Charakter.
Und weißt du, wenn das Baby um halb vier zum fünften Mal schreit und alles in dir ruft: „Ich will schlafen!“, du aber trotzdem aufstehst, um dich selbstlos in einen anderen Menschen zu investieren, dann wirkt Gott in dir.
Das war immer meine Perspektive, wenn ich nachts wach war: Ich werde dadurch Jesus ähnlicher.
Ich mache das jetzt, und ich werde ein Stück weit mehr jesusähnlich.
Das ist es, was Gott braucht: solche Situationen, die nicht einfach sind, um in uns einen fürsorglichen, einen selbstlosen Charakter einzuprägen.
Vielleicht bist du gerade in einer Situation, in der du Zeit hast und denkst: „Endlich mal, ich will ein bisschen durchatmen.“ Da kommt jemand, der plötzlich Hilfe braucht, und du denkst: „Ich brauche eigentlich selbst Hilfe, ich brauche Zeit für mich.“
Solche Situationen nutzt Gott auch. Er schickt dir noch jemanden, in den du dich noch mehr investierst, damit du an deine Grenzen kommst, damit dein Ich immer mehr stirbt und du selbstloser wirst.
Das sind Gottes Lektionen, um uns Selbstlosigkeit beizubringen.
Ich möchte dich heute Morgen auch herausfordern: Nimm dir jeden Tag aufs Neue vor, nicht auf dich zu sehen, sondern auf andere.
Weißt du, wenn du deine Sorgen jeden Morgen und mehrmals am Tag immer wieder neu abgibst an den, der wirklich für dich sorgen kann, dann hast du den Kopf frei, um für andere besorgt zu sein.
Wer sich selbst zu viele Sorgen macht, sieht die anderen nicht. Aber wer seine Sorgen Gott abgibt, der wird für andere sorgen können.
Wenn du verheiratet bist, sorge dich selbstlos um deinen Ehepartner. Rede nicht so viel von dir selbst in Gesprächen, sondern frage nach, wie es dem anderen geht und wie du ihm helfen kannst.
Wenn du einsam bist, richte deinen Blick nicht darauf, was du alles nicht hast und was du dir wünschst. Richte deinen Blick auf die anderen und wie du Jesu selbstlose Liebe geben kannst.
Geben ist seliger als Nehmen.
Fürsorgliche Selbstlosigkeit – das ist es, was Jesus verkörpert hat und was auch Timotheus lebt.
Im zweiten Teil unseres Textes geht es nun um einen anderen Mann: Epaphroditus. Seine Selbstlosigkeit ist noch einmal anders geartet als die von Timotheus, und darauf wollen wir jetzt eingehen. Ich nenne diesen Punkt „risikobereite Selbstlosigkeit“. Auch diesen Text möchte ich zu Beginn noch einmal vorlesen:
„Ich habe es aber für nötig gehalten, Epaphroditus, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitstreiter, euren Abgesandten und Diener meines Bedarfs, zu euch zu senden, da er ja sehnlich nach euch allen verlangte und in Unruhe war, weil ihr gehört hattet, dass er krank war. Denn er war auch krank, dem Tode nah, aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht aber nur über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte. Ich habe ihn nun umso eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt sei. Nehmt ihn auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche Brüder in Ehren, denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tod nahegekommen und hat sein Leben gewagt, um den Mangel in eurem Dienst für mich auszugleichen.“
Paulus gibt den Philippern und damit auch uns ein weiteres Beispiel für Selbstlosigkeit. Spätestens mit Epaphroditus können wir uns alle identifizieren. Vielleicht hast du bei Timotheus noch gedacht: „Ja, ein junger Mann, aber ein ganz schön begabter, da komme ich nicht so leicht dran.“
Epaphroditus hingegen ist in der Bibel eigentlich ein No-Name. Sein Name wird nirgendwo sonst erwähnt, er steht nicht im Rampenlicht. Er ist einer wie du und ich: ganz normal, nicht bekannt, einfach ein Mensch aus Fleisch und Blut. Gut, das war Timotheus auch, aber auch er nicht besonders populär. Vielleicht gehörte Epaphroditus zu den Diakonen von Philippi, die in Vers 1 erwähnt werden – das wissen wir nicht, der Text sagt es nicht. Interessant ist sein Name. In seinem Namen steckt der Name der griechischen Göttin Aphrodite. Epaphroditus bedeutet „Schützling der Aphrodite“. Wer sein Kind so nennt, betet diese Göttin wahrscheinlich an. Deshalb können wir davon ausgehen, dass Epaphroditus ursprünglich ein Heide war, kein Jude, einer, der – wie wir heute sagen würden – aus einem nichtchristlichen Elternhaus stammt. Er hatte mit Gott eigentlich nichts zu tun, wurde aber bekehrt.
Paulus stellt Epaphroditus mit fünf Begriffen vor. Die ersten drei bezeichnen seine Beziehung zu Paulus, die letzten beiden seine Beziehung zur Gemeinde in Philippi. Er wird Bruder genannt – das ist die allgemeinste und zugleich wichtigste Bezeichnung. Das ist der beste Titel, den man haben kann: Bruder oder Schwester. Epaphroditus ist Bruder, weil wir einen Vater haben.
Er wird außerdem Mitarbeiter genannt, eine typische biblische Bezeichnung für Menschen, die am Reich Gottes mitanpacken. Dazu gehörte Epaphroditus definitiv. Dann wird er auch Mitstreiter genannt – das kommt aus dem Militärischen. Er ist im Prinzip ein Soldat, aber das ist nur ein Bild. Er kämpft Seite an Seite mit Paulus für das Evangelium. Der Kampf war nie ein Kampf gegen Menschen, sondern immer ein Kampf um Menschen. Es ist kein gewaltsamer Kampf, sondern ein geistlicher. Auf Epaphroditus konnte man zählen; er stand Seite an Seite mit Paulus für das Evangelium ein.
Im Hinblick auf die Gemeinde Philippi wird er Abgesandter genannt. Hier steht „Apostolos“, was nicht bedeutet, dass er ein besonderer Apostel wie die anderen war, sondern einfach, dass er gesandt wurde. Das bedeutet das Wort. Außerdem wird er Diener genannt. Er wurde von der Gemeinde Philippi ausgesandt, um Paulus eine Spende zu überbringen. Das lesen wir dann in Kapitel 4, dazu kommen wir in den nächsten Predigten.
Es ist davon auszugehen, dass Epaphroditus ursprünglich länger bei Paulus bleiben sollte. Das erklärt, warum Paulus hier begründet, warum er ihn jetzt schon wieder nach Philippi zurückschickt. Stellt euch vor, er kommt zurück nach Philippi. Und die Philipper fragen ihn: „Was machst du denn jetzt schon wieder hier?“ Dann beginnt das Gerede in der Gemeinde: „Der hatte Heimweh. Hätten wir doch lieber jemanden anderen geschickt, der Paulus besser dienen konnte.“ Paulus ahnt das und greift dem vor. Er stellt sicher, dass Epaphroditus mit einem herzlichen Empfang in Philippi rechnen kann.
In den Versen 26 und 27 erklärt Paulus die Situation: „Da er ja sehnlich nach euch allen verlangte und in Unruhe war, weil ihr gehört hattet, dass er krank war; denn er war auch krank, dem Tode nah, aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht nur über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht Traurigkeit auf Traurigkeit hätte.“ Epaphroditus war krank geworden. Daraus können wir lernen: Unterwegs für Gott zu sein, bewahrt dich nicht unbedingt vor Krankheiten. Das Wohlstandsevangelium, das sagt: „Lebe voll für Gott und du wirst nicht krank; wenn du krank bist, glaubst du nicht genug“, ist absolut unbiblisch.
Epaphroditus war ein Vorbild. Er hat richtig geglaubt, war für Gott unterwegs und wurde dennoch krank. Was für eine Krankheit es war, wissen wir nicht, aber es war sicher keine leichte. Er wäre fast gestorben.
Der Text sagt, die Philipper haben davon erfahren – irgendwie ist eine Information durchgesickert, die eigentlich nicht für sie bestimmt war. Epaphroditus bekommt das mit und ist fertig. Bemerkenswert ist: Er ist nicht fertig, weil er krank ist, sondern weil er mitbekommen hat, dass andere wissen, dass er krank ist. Für ihn war das ein Drama. Hier wird das Wort „Unruhe“ benutzt, ein starkes Wort im Griechischen, das im Neuen Testament nur noch an einer einzigen Stelle vorkommt – im Garten Gethsemane, für Jesu Unruhe dort. Das ist ein heftiges Wort. Es heißt nicht, dass Epaphroditus auch Blut geschwitzt hat, aber es hat ihn fertiggemacht, weil sich die Philipper Sorgen um ihn machten. Er wollte doch gar nicht im Mittelpunkt stehen.
Das zeigt viel über seinen Charakter: Das ist Selbstlosigkeit hoch zwei. Weil Epaphroditus diese Unruhe mit sich trägt, ist es Paulus wichtig, diesen Mitarbeiter zurückzuschicken. Er hätte ihn gut gebrauchen können, aber Paulus ist es wichtiger, dass es Epaphroditus besser geht.
In Vers 28 heißt es: „Und ich habe ihn nun umso eiliger gesandt, damit ihr, wenn ihr ihn seht, wieder froh werdet und ich weniger betrübt.“ Schaut euch diese Kette der Selbstlosigkeit an, sie ist faszinierend: Paulus ist betrübt, weil Epaphroditus betrübt ist, und Epaphroditus ist betrübt, weil er gehört hat, dass die Philipper betrübt sind. Eine Kette der Selbstlosigkeit, jeder denkt an die anderen und nicht an sich.
Zum Glück geht es Epaphroditus wieder gut. Der Text sagt, Gott hat sich über ihn erbarmt und ihn von der Krankheit geheilt. Wir glauben daran, dass Gott heilen kann. Wenn du krank bist, kannst du glauben, dass Gott dich heilen kann. Gott tut das hin und wieder – das haben wir erlebt. Gott hat die Macht, Krankheit zu heilen.
Hier steht nicht, wie er geheilt wurde. Wurde er durch jemanden mit der Gabe der Heilung geheilt? Steht nicht im Text, wissen wir nicht. Wurde ihm jemand die Hände aufgelegt? Steht nicht im Text. Wurde er durch einen Arzt geheilt? Vielleicht war Lukas der Arzt in der Gegend, steht nicht im Text. Vielleicht war es eine Kombination aus mehreren Dingen. Wichtig ist: Gott hat sich souverän über ihn erbarmt. Gott hätte entscheiden können: „Du bleibst krank“ oder „Du stirbst.“ Aber er sprach nur ein Wort, und Epaphroditus wurde gesund.
Jetzt, wo Epaphroditus wieder gesund ist, möchte er möglichst schnell zurück, damit die Philipper sich keine Sorgen machen. Epaphroditus ist selbstlos.
Vielleicht fragst du dich jetzt: „Okay, was hat das mit Risikobereitschaft zu tun?“ Dazu kommen wir jetzt, in den Versen 29 und 30:
„Nehmt ihn auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche Brüder in Ehren, denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tod nahegekommen und hat sein Leben gewagt, um den Mangel in eurem Dienst für mich auszugleichen.“
Paulus sagt, dieser Epaphroditus soll geehrt werden. Mitarbeiter, die sich für den Herrn einsetzen, dürfen geehrt werden, das sagt die Bibel. Aber er soll geehrt werden, weil er um des Werkes Christi willen fast gestorben wäre. Das heißt, seine Krankheit – das macht der Text deutlich – hätte er nicht bekommen, wenn er nicht für Jesus unterwegs gewesen wäre. Er hat sie währenddessen bekommen.
Das hängt vermutlich mit den Reisebedingungen zusammen. Von Rom nach Philippi ist eine Strecke ohne Flugzeug. Weiter heißt es im Text: „Er hat sein Leben gewagt.“ Das bedeutet, er hat sein Leben bewusst einer Gefahr ausgesetzt. Das ist nichts Passives. Hier steht mit anderen Worten: Er ist ein Risiko eingegangen, aktiv. Es war seine Entscheidung. Deshalb übersetzt die Hoffnung für alle sinngemäß: „Denn mit seinem Einsatz für Christus riskierte er sein Leben.“
Dieser Mann hat sein Leben aufs Spiel gesetzt für Christus. Nähere Details haben wir nicht, aber offensichtlich gab es auf dieser Reise zu Paulus nach Rom einen Punkt, an dem Epaphroditus vor zwei Entscheidungen stand: Gehe ich zurück nach Philippi? Das wäre besser für meine Gesundheit. Oder ziehe ich die Reise durch und gehe um Christi willen nach Rom, um Paulus zu dienen? Das könnte sehr nachteilig für meine Gesundheit sein. Und dieser Mann hat sich entschieden: „Ich riskiere es. Für die Sache Gottes riskiere ich sogar mein Leben.“
Er hat „Ja“ gesagt zum Risiko und hätte diese Entscheidung fast mit seinem Tod bezahlt.
Vielleicht fragst du dich: Ist es richtig, sein Leben zu riskieren? Ist es richtig, als Christ bewusst eine Gefahr einzugehen? Gute Frage. Ich würde sagen: Es kommt darauf an, wofür und mit welchen Motiven du das machst. Beide Punkte möchte ich durchgehen.
Ich habe ein Bild mitgebracht. Es gibt Extremkletterer, die das Risiko lieben. Auf diesem Bild sehen wir Alex Honnold. Dieser Mann ist nicht gesichert da oben. Er klettert bis zu 2000 Meter steile Felswände ohne Sicherung – ein absolutes Risiko. Jeder Fehler ist tödlich. Ein falscher Griff, und du stürzt ab – du hast nur einen Versuch. Immer wieder kommt es in dieser Gegend, gerade im Yosemite Nationalpark in den USA, zu tödlichen Unfällen. Man kann das im Internet nachlesen: Immer wieder stürzen Menschen ab und sterben. Da ist kein Netz, das sie auffängt.
Das ist ein absoluter Adrenalinkitzel. Der Mann auf dem Foto hat es geschafft. Ich frage mich: Was hat das für einen Sinn? So bewundernswert das ist, dass jemand so etwas kann – psychisch und physisch gesund sein muss – das ist bemerkenswert. Aber was bringt es? Er hilft damit keinem anderen Menschen. Es ist nur ein persönlicher Adrenalinkick. Deshalb finde ich es bedenkenswert, sein Leben für so etwas zu riskieren. Ich halte es nicht für richtig, nur für Ehre und Anerkennung, um zu sagen: „Ich habe es geschafft.“
Ganz anders sieht es bei den Feuerwehrleuten am 11. September 2001 aus. Während viele versuchten, das brennende World Trade Center schnell zu verlassen, kämpften sich diese Feuerwehrmänner nach oben. Bis zur letzten Sekunde versuchten sie, Menschenleben zu retten. Viele von ihnen bezahlten dieses Risiko mit ihrem Leben. Sie stellten sich selbst zurück, um andere zu retten. Sie verkörpern für mich risikobereite Selbstlosigkeit. Das ist lobenswert.
Deshalb sage ich: Es kommt darauf an, wofür man sein Leben riskiert.
Aber es kommt auch darauf an, mit welchen Motiven man das tut. Was meine ich damit? Ich möchte das mit einer Begebenheit aus meiner Jugendzeit illustrieren. Mein Cousin und ich kamen einmal darauf zu sprechen – ich weiß nicht, was uns geritten hat –, wie wir gerne sterben würden, wenn wir es uns aussuchen könnten. Nicht, dass wir selbst den Tod herbeiführen, sondern wie wir sterben möchten.
Er hatte zwei Varianten, und eine habe ich eine Zeit lang übernommen: auf der Kanzel erschossen zu werden. Klingt makaber, aber damals sagten wir: „Das wäre super! Von der Kanzel direkt in den Himmel, und du gibst noch ein ‚Gott liebt dich‘ mit, und dann bist du beim Herrn.“ Das wäre doch was.
Dann habe ich weiter darüber nachgedacht. Man wird älter und reifer, und ich erkannte: Das Motiv ist selbstsüchtig. Ich will etwas Grandioses für den Herrn tun, und alle sollen es sehen. Ich will der Held sein. Falsches Motiv. Und ganz nebenbei: Alle anderen sind traumatisiert, wenn sie das miterleben. Also ein vollkommen falsches Motiv, auch wenn es vielleicht lobenswert ist, für den Herrn sein Leben zu geben.
Deshalb sage ich: Es kommt darauf an, wofür du dein Leben riskierst, aber auch, mit welchen Motiven.
Wir damals wollten einfach nur groß rauskommen, Ruhm erlangen. Aber schaut euch Epaphroditus an. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, wollte aber auf keinen Fall, dass es jemand merkt. Das ist risikobereite Selbstlosigkeit. Ihm ging es überhaupt nicht um sich selbst – weder um sein Leben noch um Ruhm oder Mitleid, einfach gar nicht um sich selbst.
Für Epaphroditus war klar: Es gibt jemanden, der wichtiger ist als ich, und das ist Jesus Christus. Und es gibt jemanden, für den es sich lohnt, sein Leben zu riskieren. Das ist er allein und seine Sache. Deshalb macht er das.
Die Kernbotschaft, die Epaphroditus uns heute vermittelt, lautet: Wage Dinge für Gott und stell dich dabei völlig zurück. Wage Dinge für Gott, aber stell dich selbst dabei völlig zurück. Wage Großes, aber werde klein. Wage Dinge für Gott.
Kann es sein, dass wir uns manchmal sehr stark um unsere eigene Sicherheit drehen? Unsere Gesundheit, unser Wohlstand, unser Leben bedeuten uns sehr viel. Diese Dinge freiwillig aufzugeben oder auch nur zu riskieren, klingt für uns tatsächlich abwegig – zumindest für uns Christen im reichen Westen.
Vielleicht denkst du jetzt auch: „Sein Leben einfach mal zu riskieren, ist doch unvernünftig. Gott will doch, dass wir weise sind.“ Ja, das will er. Aber ich habe den Eindruck, dass dieser Satz „Gott will doch auch, dass wir weise sind“ das ständige Totschlagargument gegen Glaubenschritte ist. „Das kannst du doch nicht machen, Gott will doch, dass wir weise sind.“ So wagst du nie einen Glaubensschritt, dann wagst du nie etwas für Gott.
Wenn dieser Satz ständig missbraucht wird, dann geht das nicht. Ja, Gott will, dass wir weise sind, aber Gott will auch, dass wir ihm vertrauen. Wenn er uns ruft, sollen wir gehen, auch wenn das ein Risiko bedeutet.
Ich erlebe es immer wieder: Jugendliche wollen einen Missionseinsatz machen, die Eltern sind dagegen – aus Sicherheitsgründen. Jesus hat doch gesagt: „Geht hin, ich bin bei euch.“ Sicherheitsgründe? Gott will, dass wir weise sind.
Stell dir vor, dein Sohn oder deine Tochter sagt: „Gott will, dass ich als Missionar nach Somalia gehe.“ Oder nach Afghanistan, oder nach Nordkorea. Wie würdest du antworten? „Nein, um Gottes Willen!“ wäre die falsche Antwort. „Ja, um Gottes Willen!“ wäre die richtige Antwort. Wenn er dich ruft, dann geh, mein Sohn!
Boris Hausel war vor einigen Jahren bei uns in der Gemeinde. Einen Satz aus seinem Missionsvortrag habe ich nie vergessen: Früher sind Missionare auf dem Missionsfeld gestorben. Sie sind hingeflogen ohne Rückflugticket. Sie haben ihr Leben dort verbracht. Heute kehren Missionare zurück.
Ich könnte jetzt viele praktische Anwendungen geben, und eigentlich mache ich das gerne. Ich finde es wichtig, dass man, wenn man hier am Sonntag rausgeht, etwas für den Alltag mitnimmt. Ich könnte sagen: Verlass deine Komfortzone. Geh mal ein Risiko für Gott ein. Mach einen Missionseinsatz in XY. Spende den doppelten Betrag und geh damit ein finanzielles Risiko ein. Das wären alles richtige Anwendungen aus diesem Text.
Aber ich habe heute den Eindruck, dass wir es grundsätzlicher angehen müssen. Die Realität ist doch: Du wirst nie etwas für Gott wagen, wenn du dir selbst zu wichtig bist. Und die Realität ist auch: Du wirst nie etwas für Gott wagen, wenn er dir nicht wichtig genug ist.
Ich glaube, wir brauchen ein tieferes Verständnis vom Evangelium.
Wir waren verloren, wirklich verloren. Wir haben uns gegen Gott entschieden, nicht nach ihm gefragt. Wir haben unser Leben in absoluter Ichbezogenheit gelebt. Wir waren völlig auf dem Holzweg, ohne Hoffnung, ohne Perspektive, mit ewiger Trennung von Gott. Unsere Strafe wäre gerecht.
Aber dann ergreift Gott in seiner großen Liebe die Initiative, er greift in unser Leben ein. Wir haben nichts geleistet und konnten nichts leisten. Er sendet seinen Sohn, der stellvertretend für uns stirbt. Eigentlich hätten wir sterben müssen, er ist für uns gestorben. Er hat unsere Sünden auf sich genommen, damit wir, wenn wir das annehmen, Vergebung haben, geheiligt werden und als Christen hier heute seine geliebten Kinder sind. Er liebt dich so sehr, wie dich kein anderer Mensch lieben kann.
Das müssen wir neu verstehen: Was er getan hat, wie sehr er uns liebt. Wenn wir das nicht in aller Tiefe verstanden haben, werden wir unser Leben nicht für ihn wagen.
Deshalb ist es zu kurz zu sagen: „Wag mal was für Gott!“ Lerne ihn besser kennen. Lerne das Evangelium immer mehr schätzen.
Wir haben Hoffnung, wir haben eine Perspektive. Auf uns wartet ein Leben in Ewigkeit bei ihm. Die Frage ist: Was macht das mit dir hier und jetzt? Sollte es nicht darin münden, dass wir ihn immer mehr lieben?
Weißt du, was die eigentliche Anwendung aus der heutigen Predigt ist? Stirb! Stirb! Nicht körperlich, sondern stirb für dein Ich! Genau so, wie Paulus es in Galater 2,20 sagt: Paulus sagt nicht mehr „Ich lebe“, sondern „Christus lebt in mir“. Und das, was ich jetzt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich für mich hingegeben hat. Deshalb lebe nicht mehr ich, sondern Jesus lebt in mir.
An dem Tag, als Jesus in das Leben von Paulus kam – auf der Straße nach Damaskus – gab es keinen Paulus mehr. Paulus sagt: „Ich bin tot, Christus lebt in mir.“
Das ist die Anwendung aus der heutigen Predigt: Wir sollen rausgehen und sagen: Herr, ich will jeden Tag für mein Ich sterben. Ich will mir immer wieder vor Augen führen, dass wir als Christen das Evangelium jeden Tag brauchen. Wir sagen: Herr, das hast du für mich getan. Ich will nicht mehr für mich leben.
Schaut mal: Paulus, Timotheus und Epaphroditus – sie haben alle eine Sache erkannt: Ich muss mein Leben verlieren, damit ich es finde. Das ist die Einladung an dich heute.
Das Geheimnis echter Selbstlosigkeit ist ein Tod: dein Tod für dich, für dein eigenes Leben. Wenn du für dein Ich stirbst, dann ist dir deine Sicherheit gar nicht mehr so viel wert. Dann geht es dir nicht mehr darum, was du bekommst oder nicht bekommst, was dir vielleicht zusteht.
Wenn du für dein Ich stirbst, dann zählt nur Jesus in deinem Leben. Er soll groß werden, du willst immer kleiner werden. Die Menschen sollen nicht dich sehen, es geht nicht um dich, sondern um ihn, der alles ist und alles für dich getan hat. Für ihn willst du leben.
Weißt du, dann bist du bereit, Dinge für Gott zu wagen – risikobereite Selbstlosigkeit.
Aber nicht nur das: Wenn du für dein Ich stirbst, wirst du immer mehr die anderen Menschen sehen und dich fragen: Was kann ich ihnen Gutes tun? Wie kann ich ihnen ein Segen sein? Das ist fürsorgliche Selbstlosigkeit.
Diese beiden Aspekte haben wir heute in der Predigt betrachtet. Möge Gott uns dabei helfen, dass unser Ich täglich stirbt. Amen.