Wir wollen uns mit dem Buch der Richter beschäftigen, das insgesamt 21 Kapitel umfasst. Heute Abend beginnen wir zunächst mit einer allgemeinen Einführung in das Buch.
Zu Beginn möchte ich einige Verse aus Richter 1 vorlesen:
„Und es geschah nach dem Tod Josuas, da befragten die Kinder Israel den Herrn und sprachen: Wer von uns soll zuerst gegen die Kanaaniter hinaufziehen, um gegen sie zu kämpfen? Und der Herr sprach: Juda soll hinaufziehen; siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben. Und Juda sprach zu Simeon, seinem Bruder: Zieh mit mir hinauf in mein Los, und lass uns gegen die Kanaaniter kämpfen. So will auch ich mit dir in dein Los ziehen. Und Simeon zog mit ihm, und Juda zog hinauf. Und der Herr gab die Kanaaniter und die Perisiter in ihre Hand, und sie schlugen sie bei Bezek zehntausend Mann. Und sie fanden Adoni Bezek in Bezek und kämpften gegen ihn. Und sie schlugen die Kanaaniter und die Perisiter, und Adoni Bezek floh. Sie jagten ihm nach, ergriffen ihn und hieben ihm die Daumen seiner Hände und seine Füße ab. Da sprach Adoni Bezek: Siebzig Könige, denen die Daumen ihrer Hände und ihre Füße abgehauen waren, lasen auf unter meinem Tisch. So wie ich getan habe, hat mir Gott vergolten. Und sie brachten ihn nach Jerusalem, und er starb dort.“
Zunächst lesen wir bis hierhin, bis Vers 7.
Im Buch der Richter geht es um das Thema Abfall und Wiederherstellung. Das ist auch der Grund, warum wir eingangs dieses Lied über die Gnade Gottes gesungen haben.
Das Buch der Richter, das vielen als ein sehr düsteres Buch erscheint, zeigt in besonderer Weise die Gnade Gottes. Diese Gnade leuchtet deutlich vor unseren Augen auf. Zwar wird viel Trauriges berichtet, etwa wie Israel immer wieder vom Herrn abgefallen ist. In diesem Buch finden sich sieben Abfallgeschichten.
Ich muss hier nicht genau erklären, was Abfall bedeutet. Allerdings wurde ich in einem Vortrag einmal zwischendurch von jemandem gefragt, was Abfall heißt und ob das Müll sei. Wenn ich mich richtig erinnere, war das ein Kurde in Deutschland. Ich habe ihm dann erklärt, dass Abfall in diesem Zusammenhang bedeutet, sich von Gott und seinem Wort wegzuwenden. Natürlich kann man Abfall auch als Müll verstehen.
Wir finden in diesem Buch sieben Geschichten von Abfall. Gleichzeitig zeigen sie aber auch immer wieder, wie Gottes Gnade Wiederherstellung und Erneuerung möglich macht. Deshalb ist dieses Buch so besonders, weil es die wiederherstellende Gnade Gottes auf ganz besondere Weise darstellt.
Immer wenn man sich einem Bibelbuch nähert, sollte man einige grundlegende Fragen stellen. Die Beantwortung dieser Fragen hilft dabei, das Buch besser zu verstehen.
Eine wichtige Frage lautet: Wer hat das Buch geschrieben? Eine weitere ist: Wann wurde es verfasst? Dabei geht es um die Entstehungszeit des Buches.
Die Entstehungszeit des Alten Testaments, zu dem auch das Buch Richter gehört, erstreckt sich über eine lange Epoche. Sie reicht von der Zeit Mose, dem Auszug aus Ägypten, bis etwa 400 vor Christus. Nach strenger biblischer Chronologie, die alle Zahlen der Bibel ernst nimmt und in einem geschlossenen System ohne Widerspruch vereint, fand der Auszug aus Ägypten im Jahr 1606 vor Christus statt. Diese frühe Datierung stimmt übrigens auch mit archäologischen Befunden überein.
Das letzte Buch des Alten Testaments ist das Buch des Propheten Maleachi, das um 400 vor Christus entstand. Somit erstreckt sich das Alte Testament über eine Periode von etwa 1.200 Jahren.
Die ersten fünf Bücher der Bibel wurden von Mose verfasst. Diese Bücher bilden das Gesetz Mose, das im Judentum Tora genannt wird, was einfach „Gesetz“ bedeutet. Das nächste Buch ist das Buch Josua, geschrieben von Josua.
Für Israel war es ganz klar, dass die fünf Bücher Mose von Gott stammen, denn Mose wurde auf außergewöhnliche Weise durch gewaltige Zeichen und Wunder bestätigt. Zunächst in Ägypten, wenn man nur an die zehn Plagen denkt, die das ägyptische Reich zum Zusammenbruch brachten. Doch Mose vollbrachte noch mehr Zeichen und Wunder: Man denke an die Hand, die durch Lepra entstellt und wieder geheilt wurde, oder an seinen Stab, der sich in eine Schlange verwandelte und die Schlangen der ägyptischen Zauberer verschlang.
Auch während der vierzigjährigen Wüstenwanderung geschahen zahlreiche Zeichen und Wunder. Über all dem stand die Gotteserscheinung am Sinai, die so gewaltig war, dass Israel voller Angst, Furcht und Zittern war. All dies bestätigte Mose als Gottes Prophet. Deshalb war es für Israel keine Frage, die ersten fünf Bücher der Bibel als Gottes Wort anzunehmen.
Josua wurde seinerseits durch Mose als Prophet Gottes bestätigt. Mose legte ihm sogar die Hände auf und wählte ihn so als Nachfolger nach Gottes Willen aus.
Das nächste Buch in der Bibel ist das Buch der Richter, das siebte Buch der Bibel. Es nimmt einen ganz besonderen Platz ein. Mose schrieb außerdem Psalm 90, der im Titel ausdrücklich als Psalm von Mose ausgewiesen wird. Zu den fünf Büchern Mose gehört also auch Psalm 90.
Später wurde dieses Werk unter Inspiration einem späteren Propheten im Buch der Psalmen als Psalm zugeordnet. Darüber hinaus übergab Mose Israel auch das Buch Hiob. Damit sollte deutlich werden, dass Israel zwar das auserwählte Volk ist und eine besondere Stellung einnimmt, man aber nicht hochmütig werden darf.
Das Buch Hiob stellt einen Mann vor, der von seiner Abstammung her nicht zu Israel gehörte – einen aus den Nationen. Er zeigte eine solche Gerechtigkeit, dass der Herr selbst von ihm sagte, es gebe in seiner Generation keinen, der ihm gleichkomme. Israel sollte durch dieses Buch lernen, keinen Stolz auf die besondere Auserwählung zu entwickeln. Gott hat auch unter den Nationen Menschen, die ihm besonders nahe stehen. Die Abstammung allein macht es nicht aus.
Das Buch Hiob wurde später durch Inspiration in den dritten Teil des Alten Testaments eingefügt. Das Alte Testament besteht aus der Tora, dem Gesetz, und dem zweiten Teil, den Nevi’im – dem Wort für Propheten. Zu diesen gehören die vorderen Propheten, wie das Buch Josua, das Buch Richter, Samuel und weitere, sowie die hinteren Propheten, die wir als Prophetenbücher kennen, zum Beispiel Jesaja, Jeremia, Ezechiel und die zwölf kleinen Propheten.
Der dritte Teil sind die Schriften, auf Hebräisch Ketuvim genannt. Sie beginnen mit dem Buch der Psalmen und umfassen auch Bücher wie Prediger, Sprüche und eben auch Hiob.
Der Herr Jesus hat diese Einteilung des Alten Testaments, wie sie im Judentum üblich war, anerkannt. Deshalb lesen wir in Lukas 24, wie er den Emmaus-Jüngern die Prophezeiungen auf ihn, den Messias, hin erklärte – beginnend in den Büchern Mose und in allen Propheten.
Als Jesus dann in der Mitte der elf Apostel war, erklärte er ihnen, dass alles erfüllt werden müsse, was im Gesetz Mose, in den Propheten und in den Psalmen geschrieben steht. Dort steht der Ausdruck „Psalmen“ für den dritten Teil, der mit den Psalmen beginnt.
Der langen Rede kurzer Sinn: Das Buch der Richter ist das siebte Buch in der Einordnung der biblischen Bücher im Kanon, obwohl es das Buch Hiob und auch Psalm 90 schon gab.
Nun interessiert uns, wer der Schreiber dieses Buches war. Diese Information wissen wir, und zwar gibt der babylonische Talmud im Traktat Baba Batra 14b Auskunft. Dort wird erklärt, dass der Prophet Samuel dieses Buch geschrieben hat.
Samuel war ein anerkannter Prophet in Israel. Das liest man im ersten Buch Samuel, wo beschrieben wird, wie er als kleiner Junge in der Stiftshütte aufgewachsen ist. Gott berief ihn zum Prophetendienst und bestätigte ihn vor ganz Israel, von Dan bis Beerscheba.
Darum war es für Israel keine Frage, dass das Buch der Richter ein Buch ist, das als Gottes Wort angenommen werden muss. Es war das Buch eines anerkannten Propheten. Ein anerkannter Prophet sagte nie etwas voraus, das nicht in Erfüllung ging. Alle Nahzeitprophetien mussten sich perfekt erfüllen. Hätte er sich einmal geirrt, wäre er als falscher Prophet ausgewiesen worden.
Der babylonische Talmud ist das wichtigste rabbinische Werk im Judentum, neben unzähligen rabbinischen Kommentaren. Es gibt zwei Talmude: den babylonischen Talmud und den Jerusalemer Talmud. Der wichtigere und bedeutendere im Judentum ist der babylonische Talmud. Dort wirkten viele Rabbiner, die in Babylon lebten und als die besten Rabbiner im Judentum überhaupt galten.
Diese babylonischen Rabbis wirkten im zweiten bis fünften Jahrhundert nach Christus im Gebiet des heutigen Irak. In Baba Batra 14b finden sich viele Informationen über Autoren der Bibelbücher. Deshalb ist diese Überlieferung im Judentum sehr bedeutsam. So wissen wir, dass das Buch der Richter von Samuel stammt.
Samuel war auch ein Schreiber, wie 1. Samuel 10,25 deutlich macht. Die Richterzeit, die Samuel zugerechnet wird, dauerte nach strenger biblischer Chronologie von 1116 bis 1096 v. Chr. In dieser Epoche, vor über dreitausend Jahren, entstand das Buch der Richter.
Es ist interessant zu bemerken, dass im Buch der Richter mehrfach Rückblicke aus der Zeit des Königtums gemacht werden. In Richter 17,6 heißt es: „In jenen Tagen war kein König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Ähnlich steht es in Richter 18,1: „In jenen Tagen war kein König in Israel.“ Auch in Richter 19,1: „Und es geschah in jenen Tagen, als kein König in Israel war.“ Schließlich steht ganz am Schluss des Buchs, im letzten Vers 21,25: „In jenen Tagen war kein König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen.“
Wir wissen aus 1. Samuel, dass Samuel der Prophet war, der den ersten König über Israel salbte, König Saul. Deshalb schreibt dieser Samuel aus seiner Zeit in jenen Tagen rückblickend auf die Richterzeit in seinem Buch, dass es damals noch keinen König in Israel gab. Gott sollte der König sein. Das ist ganz wichtig.
Als Israel aus Ägypten auszog, wurde das Volk zum Berg Horeb in der Sinaiwüste geführt. Dort schloss Gott einen Bund mit Israel und erkannte Israel offiziell als sein Volk an. Gott wollte der König über Israel sein. Er wollte nicht, dass Israel einen menschlichen König hätte. Gott selbst war der König, und deshalb gab er ihnen zunächst die fünf Bücher Mose sowie alles Weitere dazu. Durch die fünf Bücher Mose wollte Gott regieren.
Israel sollte eine Theokratie sein – dieses Fremdwort bedeutet Gottesherrschaft. Gott regiert, nicht ein menschlicher König. Gott regiert durch die Bibel. Natürlich brauchte es Führer, aber diese Führer hatten die Aufgabe, immer wieder zur Bibel zu leiten und zu zeigen, was Gott in seinem Wort sagt und was gilt. Danach musste man sich ausrichten. Deshalb wird auch in den fünf Büchern Mose so detailliert erklärt, wie alles von Gott für den Alltag geregelt ist.
Gott wollte der König sein. Später gab es, wie wir im Buch Richter sehen werden, über Jahrhunderte hinweg Richter. Die Funktion der Richter war nicht, als Könige zu herrschen, sondern sie sollten bei verschiedenen Angelegenheiten und Problemen darauf hinweisen, was die Bibel zu dem jeweiligen Fall sagt. So wollte Gott als König regieren.
Diese Regierungsform hat jedoch eine große Schwierigkeit: Sie funktioniert nur, solange die Menschen auf die Bibel hören und sie als Autorität anerkennen. Sobald sie davon abweichen, geht alles schief, und das System bricht zusammen. Genau das werden wir im Buch der Richter sehr eindrücklich sehen.
Solange man auf Gottes Wort hört, ist das eine wunderbare Regierungsform. Aber das Buch der Richter zeigt, wie Israel sich immer wieder massiv von Gott und seinem Wort abwandte. Das führte schließlich zu Frustration im Volk. Sie sagten zu Samuel, dem letzten Richter: „Wir möchten so sein wie die anderen Nationen. Wir haben es satt, etwas Besonderes zu sein. Wir möchten auch einen König haben, so wie die anderen Nationen einen König haben.“
Das war schrecklich. Für Samuel war das fast die Enttäuschung seines Lebens. Er hatte bereits andere Enttäuschungen erlebt: Zwei seiner Söhne gingen eigene Wege und wollten nicht auf Gottes Wort hören, obwohl sie als Richter tätig waren. Doch diese Forderung nach einem König war eine besondere Enttäuschung. Samuel war erzürnt. Gott sagte ihm schließlich: „Sie haben nicht dich verworfen, sie haben mich verworfen, dass ich nicht König über sie sein soll.“
Gott gab ihnen Saul, einen Mann nach ihrem Herzen und nach ihrer Vorstellung. Aber das war nicht Gottes Plan. Deshalb lesen wir auch im Buch Hosea, dass Gott sagt: In seinem Zorn gab er ihnen einen König, und in seinem Grimm nahm er den König wieder weg.
Die Einsetzung Sauls führte schließlich zu einer Katastrophe für Israel. Nach etwa vierzig Jahren ließ Gott diesen König fallen. Saul beging Selbstmord, und sein Leichnam wurde an den Stadtmauern der Philister in Bethshean aufgehängt. Das war furchtbar.
Gott wollte der König sein, doch die Menschen in Israel wollten unbedingt einen anderen König. Das führte zu einer neuen Epoche – der Zeit der Könige. Das Buch der Richter nimmt immer wieder Bezug auf diesen Übergang. Samuel kannte diesen Wandel von der Richterzeit zur Königszeit und schreibt in seinem Buch: „In jenen Tagen war kein König in Israel.“ An zwei Stellen, in 17,6 und 21,25, folgt der Satz: „Ein jeder tat, was recht war in seinen Augen.“
Es wäre schön gewesen, wenn er hätte schreiben können: „In jenen Tagen war Gott der König in Israel, und alle hörten auf die Bibel.“ Aber stattdessen heißt es: „Ein jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Das war eine Zeit des Relativismus.
Für mich bedeutet das: „Das ist für mich richtig, für dich gilt eine andere Wahrheit.“ Manche halten das für sehr fortschrittlich. Philosophiegeschichtlich ist das Relativismus – die Auffassung, dass es keine absolute Wahrheit gibt, sondern alles relativ sei, ja, dass es gar keine Wahrheit gibt.
Heute denken viele so: „Wenn du glaubst, dass die Bibel richtig ist, dann ist das gut für dich, aber nicht für mich.“ Man hält das für modern und fortschrittlich. Doch das ist der „weiße Schnee von gestern“. Schnee ist schön, wenn er frisch fällt und die Landschaften weiß sind. Aber wenn der Schnee älter wird, sieht er hässlich aus.
Dieser Schnee ist nicht nur von gestern, sondern stammt aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus. Sauls Königtum dauerte von 1096 bis 1056 v. Chr. Das Ende des Buches der Richter liegt zeitlich beim Tod Simsons, der im Jahr 1156 v. Chr. starb.
Im Buch der Richter wird die Richterzeit von Samuel nicht erzählt. Das wird erst im Buch Samuel behandelt. Die ersten Kapitel des Buches Samuel stammen übrigens auch vom Propheten Samuel selbst.
Weiterhin ist klar, dass das Buch der Richter vor der Eroberung Jerusalems durch König David verfasst wurde. Auch König David wurde durch den Propheten Samuel eingesetzt. Es vergingen jedoch noch einige Jahre, bis David Jerusalem als kanaanitische Enklave eroberte, was in 2. Samuel 5,6-7 beschrieben wird. Das war 1049 v. Chr.
In Richter 1,21 liest man, dass die Israeliten schon in der Frühzeit nach dem Tod Josuas Jerusalem eroberten, die Stadt aber nicht halten konnten. Sie verloren sie wieder ganz an die Kanaaniter. König David eroberte Jerusalem dann vollständig und machte die Stadt zur Hauptstadt Israels über alle zwölf Stämme.
Davon wird im Buch der Richter jedoch noch nichts berichtet, weil es früher geschrieben wurde. Diese inneren Hinweise helfen, die Abfassungszeit des Buches der Richter einzuordnen.
Übrigens sieht man hier auf dem Bild den kanonitischen Siloakanal. Er stammt bereits aus der Zeit um 1800 v. Chr. Dieser Kanal wurde von den Kanonitern gebaut, also in sehr früher Zeit – noch bevor die Israeliten ins Land Kanaan eingezogen sind.
Dieser Kanal ist die Wasserleitung, die General Joab benutzte, um die Stadt Jerusalem zu erobern. Wer dieses Wassersystem in Jerusalem kannte, wusste, wo die militärische Schwachstelle der Stadt lag. Joab gelang es, diese Schwachstelle auszunutzen, was eine unglaubliche Leistung war. Aufgrund dieses Erfolgs wurde er später General der Armee von König David.
Nun noch ein weiterer Hinweis: In den Höhlen von Qumran wurden drei Manuskripte des Buches Richter gefunden. Zwischen 1947 und 1956 entdeckte man nach und nach elf Höhlen in Qumran am Toten Meer in der Wüste Juda. Dort fand man Schriftrollen der Bibel, die bis zu 2300 Jahre alt sind. Die ältesten Abschriften stammen aus der Zeit vor etwa 2300 Jahren, die jüngsten aus dem Jahr 68 nach Christus, als Qumran durch die Römer zerstört wurde.
Praktisch alle Bibelbücher wurden dort gefunden – zumindest in Fragmenten. Einzig das Buch Ester ist bisher nicht belegt. Das Buch Richter wurde sogar dreimal entdeckt: Ein Manuskript stammt aus Höhle 1, der ersten entdeckten Höhle. Diese Höhle wurde von einem siebzehnjährigen Beduinenjungen namens Mohammed Edwif entdeckt. Sein Beiname „Edwif“ bedeutet „der Wolf“, da sein Vater ein sehr wilder Mann war.
Mohammed war also derjenige, der die erste Höhle mit biblischen Manuskripten fand. Damit lieferte ein Muslim einen der größten Beweise für die genaue Überlieferung des Alten Testaments – und das ausgerechnet mit dem Namen des Autors des Korans, der die genaue Überlieferung der Bibel leugnet. Diese Zusammenstellung ist sehr interessant.
In Höhle 4, die man hier auf dem Bild sieht und die ich zeige, wurden die meisten Manuskripte gefunden. Diese Höhle ist vom Qumran-Plateau aus sichtbar, wo die Ruinen der einstigen Siedlung von Qumran liegen. Dort fand man zehntausende Fragmente, darunter auch zwei Exemplare von Richterrollen.
Letztes Jahr haben wir im Rahmen einer solchen Zusammenkunft, wie wir sie jetzt haben, das Buch Josua durchgenommen. Das war noch etwas intensiver als das, was wir jetzt planen. Das hat mich ein wenig zur Vernunft gebracht. Man muss ja nicht unbedingt bis an die Grenzen dessen gehen, was möglich ist. Deshalb machen wir nur fünf Stunden pro Tag – Schulstunden, die ja sowieso etwas kürzer sind.
Damals haben wir das ganze Buch Josua durchgearbeitet und dabei erkannt, dass Josua das Buch des Sieges ist. An dieser Stelle muss man das ein wenig rekapitulieren, um den Kontrast zum Buch der Richter wirklich zu verstehen.
Das Buch der Richter beginnt mit welchem Wort? Auswendig? Ja, ich habe es schon gesehen, ich habe es von den Lippen abgelesen: „Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten.“ Jedes Wort in der Bibel ist wichtig.
Ich hatte als Teenager einmal eine Auseinandersetzung mit einem Pfarrer. Er sagte, man könne nicht behaupten, die Bibel sei wörtlich inspiriert, und man könne auch nicht sagen, dass jedes kleine Wort inspiriert sei. So als wären kleine Wörter gar nicht wichtig. Aber gerade die kleinen Wörter sind sehr wichtig, denn sie geben dem ganzen Text Struktur.
Das Buch der Richter beginnt also mit „Und es geschah nach dem Tod Josuas“. Dieses „Und“ verknüpft das Buch der Richter mit dem sechsten Buch der Bibel, Josua. Dort haben wir also das Buch des Sieges, hier im Buch der Richter das Buch des Versagens.
Natürlich könnte jemand, der Hebräisch kennt, sagen: Im Althebräischen ist es normal, dass eine Erzählung mit der Erzählform beginnt, die immer mit „we“ anfängt, also „weijomer“ – „und er sprach“. Das ist die Verbform, um eine punktuelle Handlung in der Vergangenheit in einer Geschichte auszudrücken. Das ist nichts Besonderes und muss nicht unbedingt mit „und“ beginnen.
Was sage ich? Nein, das stimmt gar nicht. Das erste Buch Mose beginnt nicht mit „und“, sondern mit „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“. Man hätte auch schreiben können: „Und Gott schuf den Himmel und die Erde“. Dann würde die Bibel mit „Wajivra Elohim etta Schamaim Weta Aretz“ beginnen, aber das tut sie nicht. Sie beginnt mit „Bereschit bara“ – „Im Anfang schuf Gott“.
Das hat seinen Grund. Mose hat diese Zeitform bewusst gewählt, denn das erste Buch Mose ist wirklich der Anfang der Bibel. Es beginnt nicht mit „und“, weil es an nichts anzuknüpfen hat. Es ist die Basis.
Deshalb sind zum Beispiel auch die ersten elf Kapitel von 1. Mose so besonders wichtig, obwohl viele gerade diese Kapitel als nicht glaubwürdig ablehnen wollen. Sie bilden die Grundlage. Ohne 1. Mose 1 bis 11 gibt es kein Evangelium. Darauf baut das Evangelium auf – das Alte Testament und das Neue Testament.
Also: Josua ist das Buch des Sieges, Richter das Buch des Versagens – aber sie sind miteinander verbunden.
Das Buch Josua haben wir letztes Jahr betrachtet. Wer das nicht gesehen hat, kann es im Livestream nachschauen. Das Buch Josua ist das Buch des Krieges und des Sieges. Hier offenbart sich der Herr als Kriegsmann. So wird Gott uns zum Beispiel in 2. Mose 15,3 und Josua 10,14 vorgestellt. Er wird als der Fürst über das Heer des Herrn bezeichnet.
Diese geheimnisvolle Erscheinung wird in Josua 5,14 genannt „der Fürst über das Heer des Herrn“. Das ist Gott selbst, der die Armee Israels anführte und zum Sieg leitete. Der Kampf in Kanaan war der Kampf des Herrn. Es war nicht ein Kampf der Menschen und auch keine Privatangelegenheit Israels. Wichtig war, dass Israel von Gott abhängig blieb. Nur dann war ihnen der Sieg gewiss.
Im Buch des Sieges gibt es auch gewisse Niederlagen. Diese dienten jedoch dazu, den Sieg noch größer zu machen – nämlich als Sieg des Herrn und nicht als Leistung der Menschen. Nur wenn Israel von Gott abhängig blieb, war ihnen der Sieg sicher.
Was sehen wir hier auf den Bildern? Diejenigen, die letztes Jahr dabei waren, wissen es. Das ist die untere Hälfte der Mauer von Jericho zur Zeit Josuas. Diese Mauer wird heute in der Archäologie auf ungefähr 1550 v. Chr. datiert. Nach der Bibel, nach der strengen biblischen Chronologie, fand die Eroberung Jerichos im Jahr 1566 v. Chr. statt. Das ist ein Volltreffer zwischen der strikten Chronologie der Bibel und der modernen Archäologie.
Das ist also der untere Teil der Mauer. Auf diesen mächtigen Steinen, die man Zyklopensteine nennt – Zyklopen waren Riesen – könnte man denken, dass Riesen nötig gewesen wären, um sie aufzubauen. Darum nennt man diese Mauer in der Archäologie eine Zyklopenmauer.
Es ist eine sehr eindrückliche Mauer, doch das ist nur der untere Teil. Darüber gab es eine Tonziegelmauer von mehreren Metern Höhe und etwa zwei Meter Dicke. Diese Tonziegelmauer ist nach außen heruntergefallen, so wie die Bibel es in Josua 6 beschreibt. Man sieht hier die Rampe vor der Steinmauer. Das sind Reste der Ziegel, die nach außen heruntergefallen sind.
So beschreibt das auch Kathleen Kenyon, eine englische Archäologin, die vor vielen Jahrzehnten Ausgrabungen in Jericho leitete. Sie beschrieb, dass die Ziegel da vorne von oben heruntergefallen sind. Sie dachte, das würde gut zur Bibel passen, aber sie meinte leider, dass das nicht die Mauer von Josua sein könne. Denn allgemein in der Bibelkunde wurde angenommen, die Eroberung Jerichos sei viel später gewesen.
Diese falsche Meinung entstand dadurch, dass man die Zahlen der Bibel nicht ernst nahm und ihr eine falsche Zeitrechnung unterstellte. Mit der richtigen Zeitrechnung, bei der die Zahlen strikt eingehalten werden, kommt man auf 1566 v. Chr. Das trifft genau auf diese Mauer zu, die Kathleen Kenyon beschrieben hat.
Im Film von Tim Mahoney „Patterns of Evidence“ sieht man ein Bild von Jericho am Vorabend der Zerstörung. Man erkennt den unteren Teil der Mauer, darüber die Tonziegelmauer und dazwischen eine schiefe Ebene, die mit Kalk verstrichen war. Diese schiefe Ebene war sehr glatt und rutschig. Falls Angreifer die erste Mauer überwinden konnten, mussten sie diese schiefe Ebene überwinden. Danach gab es noch eine Doppelmauer in Jericho. So war die Stadt befestigt.
Das erste Bollwerk, das Israel einnehmen sollte, galt menschlich gesehen als uneinnehmbar. Das Buch Josua zeigt jedoch, wie Gott eingegriffen hat. Die Mauern fielen herunter und bildeten eine Rampe. So konnten die Israeliten, die die Stadt umrundeten, wie Josua 6 beschreibt, einfach geradewegs in die Stadt hineingehen – über diese Rampe.
Das sah so aus: Man sieht hier die Mauer unten, die heute noch sichtbar ist, und darüber die Tonziegelmauer, die zusammenbrach. Dann entstand die Rampe, wie wir sie auch auf dem Bild vorhin sehen konnten, die heute noch zu erkennen ist.
Der Erlöste kann dem Buch Josua viele Belehrungen über seinen Kampf des Glaubens entnehmen. Dieser Kampf richtet sich zwar im Neuen Testament nicht gegen Fleisch und Blut, aber gegen die Mächte der Finsternis (Epheser 6,10 und folgende). Die Waffen sind geistlich, wie es im 2. Korinther 10,3-6 heißt, und der Sieg ist gewiss.
Solange man in Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus und im Gehorsam ihm gegenüber den guten Kampf des Glaubens kämpft, ist der Sieg sicher. So wird uns das in 1. Timotheus 6,12 und auch in Judas 3 vorgestellt: Wir sollen für den ein für allemal den Heiligen überlieferten Glauben kämpfen. Glauben meint hier das Glaubensgut, also all das, was wir in dem Herrn Jesus Christus durch seine Erlösung haben, angeeignet durch den persönlichen Glauben an ihn. Das ist der Glaube, das Glaubensgut.
Letztes Jahr haben wir ganz ausführlich gesehen, dass das verheißene Land, dieses herrliche Land, das Gott Israel versprochen hatte, eine Symbolisierung all des Reichtums des Glaubens in Christus ist. Wir haben gesehen, dass der erste Vers des Epheserbriefes, Vers 3, beginnt mit: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus.“ Der Satz geht dann weiter bis Vers 14 – der längste Satz der Bibel, von Vers 3 bis 14.
Der Apostel Paulus erzählt in seinem Herzen so voll über den Reichtum des Glaubens und von dem, was wir in dem Herrn Jesus bereits haben. Nun ist es so, dass eben das Land Kanaan diesen Reichtum im Alten Testament versinnbildlicht. Gott hatte gesagt: Das Land gehört euch. Bevor die Israeliten hier eingingen, haben wir das letztes Jahr auch klar gesehen, ebenso die dazugehörigen Bibelstellen. Trotzdem mussten sie konkret ins Land hineingehen und das Land quasi Quadratmeter für Quadratmeter einnehmen. Erst dann hatten sie wirklich den Genuss, denn das Land gehörte ihnen.
Aber was nützt einem ein Land, das man doch nicht wirklich besitzt? Das kann man sich so vorstellen: Jemand setzt einen Erben ein und gibt ihm eine Million. Der Betroffene weiß gar nichts davon, er ist also gewissermaßen über Nacht zu einem Millionär geworden, ohne es zu wissen. Er kann sich auch nicht freuen. So ist es mit einem Gläubigen, der eigentlich sagt: „Ja, ich glaube alles, was in der Bibel steht.“ Aber er freut sich gar nicht an all dem Reichtum, den wir in dem Herrn Jesus haben – dem Reichtum der Erlösung, dem ewigen Leben, der Vergebung, der Rechtfertigung durch Glauben und der völligen Befreiung von der Macht Satans.
Erst wenn er das wirklich erfährt, kann er sich freuen. Wer das auch wirklich auf seinem „Bankkonto“ hat – solange er es nicht hat, hat er es ja nicht. So ist es auch im Glauben: Man muss diese Wahrheiten konkret in Besitz nehmen, sich daran freuen und sie nie mehr hergeben.
So mussten die Israeliten vorgehen: Gott sagte, jede Fußsohle, die ihr auf das Land setzt, euch habe ich es gegeben. So muss man das eben in einem Prozess als Gläubiger aneignen. Das, was wir eigentlich grundsätzlich schon bei der Bekehrung haben, wird uns alles von Gott geschenkt. Aber das In-Besitz-Nehmen braucht Zeit, Kraft und Energie – es ist ein Kampf.
Wie damals im Land Kanaan gab es Feinde, die Israel keinen Fußbreit Land überlassen wollten. Jericho, die erste Festung, war das Bollwerk des Feindes gegen Gottes Verheißung. Doch sie mussten hineingehen, und Gott gab den Sieg: Die Mauern brachen zusammen.
So ist es auch für uns. Wir müssen das erkämpfen. Aber wo sind die Feinde, die uns hindern wollen? Das sind nach Epheser 6,10 Satan und seine mitgefallenen Engel, die Dämonen. Dort werden sie beschrieben als die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern.
Satan kann einem, der echt bekehrt und wiedergeboren ist, den Reichtum des Glaubens, den Gott ihm gegeben hat – das ewige Leben, die volle Erlösung, die völlige Vergebung – nicht mehr rauben. Aber er kann den Genuss daran rauben. Wenn ein Gläubiger, ein echt bekehrter Gläubiger, zweifelt: „Komme ich vielleicht doch noch in die Hölle?“ – wo ist dann der Genuss? Das müsste gar nicht sein, aber wer hat ein Interesse daran, ihn so in Zweifeln zu quälen? Das ist der Feind.
Da braucht es einen Kampf, um das in Besitz zu nehmen. Und wenn man es einmal bekommen hat, will der Feind einem das wieder rauben – durch solche, die sagen: „So sicher kannst du jetzt auch wieder nicht sein, das ist ja hochmütig“ oder Ähnliches. Da muss man kämpfen für den ein für allemal den Heiligen überlieferten Glauben und das, was man errungen hat, nicht mehr hergeben.
Das ist nicht einfach irgendeine intellektuelle Sache, die man jetzt glaubt oder nicht glaubt. Es sind Dinge, die unseren Herzen wertvoll und kostbar sind. Das dürfen wir nicht hergeben. Aber der Kampf ist da.
Das Land Kanaan gehörte Israel aufgrund der Zusagen Gottes. Dennoch musste das Land Schritt für Schritt erobert werden. Ich möchte nun ein Resümee von dem ziehen, was ich versucht habe, in ein paar Minuten zu erklären.
Dem Erlösten heute gehört der ganze Reichtum des Glaubens aufgrund des Werkes Christi am Kreuz. Dennoch müssen die einzelnen Segnungen in Christus, so wie sie im Neuen Testament ausführlich beschrieben werden, nach und nach im Glauben konkret ergriffen werden. Nur so können sie konkret erfahren und als Realität im Leben erlebt werden.
Hier sehen wir ein wunderbares NASA-Bild von dem Land Israel. Das ist das Land, das von Milch und Honig fließt, wie man hier sehen kann. Dann erkennt man das tief eingeschnittene Jordantal, das bis auf etwa minus 400 Meter hinabfällt. Weiter sehen wir das Mittelmeer und das besonders fruchtbare Land, das grünlich erscheint. Etwas braun ist die Wüste Judäa zu erkennen. Diese war keine hässliche Wüste, sondern ein Land, das speziell für die Fütterung von Schafen und Ziegen genutzt wurde.
Im Nahen Osten muss man gut zwischen Ackerwirtschaft, also der Arbeit des Ackerbauers, und der Arbeit der Kleinviehzüchter mit Schafen und Ziegen unterscheiden. Schafe und Ziegen beißen das Gras sehr weit unten ab, wobei die Ziegen am schlimmsten sind. Dadurch kann fruchtbares Ackerland in kürzester Zeit zur Wüste werden. Deshalb müssen die beiden Bereiche der Landwirtschaft strikt getrennt werden.
König David lebte in Bethlehem, also noch im fruchtbaren Gebiet. Der Ort hieß Bethlehem, was „Haus des Brotes“ bedeutet, und sogar Bethlehem Ephrata, was „Fruchtbarkeit“ heißt. Ganz schnell war David jedoch in der Wüste bei den Schafen und Ziegen, um sie zu füttern. Durch den größten Teil des Jahres kann man hier in der Wüste das Kleinvieh hüten und ausreichend ernähren.
Es gibt eine kurze Zeit, in der das nicht ausreicht. Dann zog man ins Jordantal. Dieses war damals mit sehr hohem Gras bewachsen. Dort gab es auch noch Löwen, heute nicht mehr. Heute kann es dort Terroristen geben, aber keine Löwen. Der Weg durch das Jordantal ist nicht gefährlich. Man kann mit dem Privatauto hindurchfahren, denn dieser Weg ist durch die Armee gesichert.
Dieses wunderbare Land symbolisiert den Reichtum des Glaubens in Christus. Es wird im Buch Josua in Besitz genommen. Im Buch der Richter sehen wir jedoch, wie sie dieses Land nicht vollständig erobern. Noch schlimmer ist, dass sie schließlich sogar zurückgedrängt werden.
Das ist ein Bild von Gläubigen, die im Glauben einfach nicht mehr vorankommen. Es bleibt stehen, was sehr traurig ist. Es verändert sich nicht. Über Jahre hat man das Gefühl: Vor einem Jahr war es genau gleich, der Gläubige ist nicht weiter im Glauben. Dabei sollte der Glaube immer in Bewegung sein und vorwärtsgehen.
Noch schlimmer ist es, wenn man Gläubige trifft, bei denen man merkt, dass sie vor einem Jahr noch mehr Reichtum im Glauben hatten. Heute sind plötzlich Dinge nicht mehr klar. Es gibt tatsächlich Leute, die öffentlich bekennen: „Früher war mir vieles in der Bibel viel klarer als heute. Heute kann ich nicht mehr so sagen: Das weiß ich jetzt ganz genau.“
Das ist traurig. Was ist geschehen? Diese Menschen sind zurückgedrängt worden. Sie haben Erfahrungen gemacht, wie sie im Buch der Richter beschrieben sind.
Jetzt wollen wir noch etwas anschauen. Während das Buch Joshua das Buch des Sieges ist, ist das Buch der Richter das Buch des Niedergangs.
Dabei müssen wir beachten: Im Buch Joshua gibt es einen geografischen Ausgangspunkt für Siege, und dieser wird Gilgal genannt. Das beginnt in Joshua 4,19-20, Joshua 5,9-10 und an weiteren Stellen. Ich habe hier alle Stellen aufgeführt, die den Namen Gilgal erwähnen.
Gilgal war also der Ort, an dem sich die Israeliten noch vor der Eroberung von Jericho, aber schon im Land, beschneiden ließen. Denn eine ganze Generation aus der Wüstenwanderung war gar nicht beschnitten worden, als sie am achten Tag geboren wurden. Man hatte es einfach unterlassen, dieses Gebot Gottes zu erfüllen.
Bevor Israel den Sieg erleben sollte, mussten sie sich in Gilgal beschneiden lassen. Von dort aus zog die Armee Israels zu Siegeszügen aus, hatte Erfolg und kehrte wieder nach Gilgal zurück. Immer wieder ging es aus Gilgal hinaus zu neuen Erfolgen und dann wieder zurück.
Nun muss man verstehen, was die Beschneidung geistlich bedeutet. In Kolosser 2,9-15 wird über die geistliche Beschneidung der Gläubigen heute in der Zeit der Gnade gesprochen. Was bedeutet das?
Man kann es so erklären: Nachdem Abraham einen ganz falschen Weg in seinem Leben gegangen war, nahm er eine zweite Frau, Hagar. Das war zu Beginn der Schöpfung eine Unmöglichkeit in Gottes Augen. Gott hatte als Plan geschaffen, dass ein Mann und eine Frau für das ganze Leben zusammenbleiben und nichts anderes.
Aber Abraham nahm eine zweite Frau, und zwar aus Unglauben. Er dachte, man müsse Gottes Wort und seine Verheißung, dass er einen Nachkommen bekommen werde, wahrscheinlich nicht ganz wörtlich nehmen. Man müsse es umdeuten. Indem er eine Magd heiratete, nach heidnischem Gesetz damals, würde das Baby der unfruchtbaren Herrin zugerechnet.
Daraufhin sprach Gott dreizehn Jahre lang nicht mehr mit Abraham. Dann kam die Beschneidung in 1. Mose 17, also nach 1. Mose 16. Gott erschien und sagte: „Ich bin Gott der Allmächtige.“ Warum sagt er der Allmächtige? Weil er allmächtig ist und solche Tricks auf dem Weg der Sünde nicht braucht, um die Verheißung Gottes zu erfüllen.
Er sagte: „Ich bin der Allmächtige, ich kann dir ein Baby geben, auch wenn Sarah biologisch abgestorben ist und nicht mehr gebären kann.“ Abraham war damals ebenfalls biologisch abgestorben und konnte nicht mehr zeugen.
Israel ist darum ein unmögliches Volk. Nach den Naturgesetzen dürfte es das Volk Israel nicht geben. Trotzdem gibt es das Volk, weil es eben das Volk Gottes ist.
Gott sagte zu Abraham, er solle vollkommen wandeln, also nicht mehr eigene Wege gehen. Dann gab Gott ihm die Anweisung zur Beschneidung für ihn und seine Nachkommen.
Was bedeutet das? Es ist eine kleine Operation, ziemlich schmerzhaft, besonders bei Erwachsenen. Bei Babys ist das nicht so schlimm, aber Abraham musste sich als alter Mann beschneiden lassen. Dabei floss Blut, und er musste symbolisch anerkennen: „Meine Natur ist sündig.“ Diese Natur hatte er von Adam seit dem Sündenfall geerbt.
Als Vater ist man nur fähig, Menschen mit einer sündigen Natur zu zeugen. Die Babys sind am Anfang so lieblich und sagen kein böses Wort, weil sie nicht reden können. Doch sehr früh merkt man: „Was ist denn in ihnen drin? Woher kommt das?“ Das ist demütigend, und das wird durch die Beschneidung ausgedrückt.
Damit anerkennt man: Ich habe eine sündige, verdorbene Natur und habe Gottes Gericht verdient. Nur durch Gottes Gnade kann ich gottgemäß leben, durch seine Kraft.
Darum wird in Kolosser 2,9-15 von der geistlichen Beschneidung gesprochen, die stattfindet, wenn ein Mensch sich bekehrt. Er anerkennt vor Gott: „Ich habe nicht nur Sünden getan, ich bin ein Sünder, ich habe eine sündige Natur.“ Nur durch das Sterben des Herrn Jesus ist es möglich, von der Macht des Bösen befreit zu werden.
Nun ist es ganz wichtig, wenn man auf Siegeszügen ist, immer wieder nach Gilgal zurückzukehren. Man muss sich bewusst sein: All das, was der Herr an Fortschritten im Glauben gelingen lässt, ist seine Gnade. Unsere Natur aber ist böse, so wie es der Römerbrief beschreibt.
Auch beim Gläubigen bleibt diese sündige Natur bis zum Tod oder bis zur Entrückung. Dann ist sie nicht mehr da. Bis dahin sind wir davon befreit und müssen ihr nicht mehr gehorchen. Aber aufgepasst: Jeden Tag sind wir Versuchungen ausgesetzt.
Deshalb müssen wir immer wieder nach Gilgal zurückgehen. Das erinnert uns daran: In uns ist nichts Gutes. Aber durch die Gnade des Herrn können wir das Land erobern und die Reichtümer, die Gott uns gegeben hat, in Besitz nehmen.
So ist Gilgal der typische Ort des Ausgangs für die Siegeszüge im Buch Joshua. Im Buch der Richter haben wir dagegen nicht mehr das Buch des Sieges und Überwindens vor uns, sondern das Buch des Fallens und Niedergangs.
Auch dort gibt es einen geografisch entscheidenden Ausgangspunkt, und das ist Bochim, das heißt „weinende“. Es ist der Ort des Weinens ohne Frucht der Buße.
Ich will das nun illustrieren.
Wir haben die ersten sieben Verse im Buch der Richter gelesen. Das Buch beginnt eigentlich sehr schön: „Und es geschah nach dem Tod Josuas, da befragten die Kinder Israel den Herrn und sprachen: Wer von uns soll zuerst gegen die Kananiter hinaufziehen, um gegen sie zu kämpfen?“ Das Buch der Richter scheint ein Buch des Gehorsams zu sein. Josua ist zwar nicht mehr da, aber die Israeliten sind immer noch gehorsam.
Im Buch Josua sehen wir viele Geschichten von Gehorsam und Erfolg. Nun stirbt Josua, und man könnte denken, mit seinem Tod sei alles vorbei. Doch obwohl dieser große Führer nicht mehr da ist, wissen sie: Das Land muss weiter erobert werden. Dabei handeln sie nicht einfach selbstständig und unabhängig, sondern befragen zuerst den Herrn. Sie fragen, welcher der zwölf Stämme nun, nachdem Josua nicht mehr da ist, den Kampf in einer ersten Phase gegen die Kananiter aufnehmen soll. Der Herr antwortet und sagt, Juda soll hinaufziehen. Außerdem gibt er eine Verheißung: „Siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben.“
Nun musste also der Stamm Juda den Kampf aufnehmen. Doch dann lesen wir in Vers 3: „Und Juda sprach zu Simeon, seinem Bruder.“ Später werde ich noch zeigen, wie das Land Israel, das verheißene Land, unter die zwölf Stämme aufgeteilt wurde. Im Süden lag das Gebiet von Juda, und innerhalb des Stammesgebiets von Juda war das Gebiet des Stammes Simeon vorgesehen.
Das ist der Grund, warum Juda zu Simeon geht und sagt: „Du kannst mir helfen“, denn sie wohnten ja in ihrer Mitte. So wie die Schweiz innerhalb Europas oder der EU liegt, so war Simeon in der Mitte von Juda – nur als Vergleich, ohne politische Bedeutung.
Juda dachte: „Dann soll Simeon mir doch helfen. Zieh mit mir hinauf in mein Los, und lass uns gegen die Kananiter kämpfen.“ Und Simeon zog mit ihm. Aber der Herr hatte nichts von Simeon gesagt. Er hatte gesagt, Juda solle hinaufziehen. Hier liegt der Wurm im Buch der Richter, der Ausgangspunkt für all das Versagen, das später folgt.
Wir werden sehen, wie der Heilige Geist uns das sehr eindrücklich vorstellt: Trotz des Gehorsams, der da war, sagen sie: „Komm mit mir“ und „Ich komme mit dir.“ Davon hatte der Herr nichts gesagt. In Vers 4 lesen wir dann von einem vollen Erfolg: Juda zog hinauf, und der Herr gab die Kananiter und die Peresiter in ihre Hand. Der Herr hatte es ja auch verheißen. Sie schlugen sie bei Bezek, zehntausend Mann.
Dann wird beschrieben, wie sie den König von Bezek erwischen. Nach dem Kampf flieht der König, doch sie jagen ihm nach und ergreifen ihn. Und was tun sie dann? Das ist so widerlich! Hier beginnen die Widerlichkeiten im Buch der Richter, von denen es so viele gibt, und sie werden immer schlimmer. Manche denken, das Buch der Richter sei schrecklich. Ja, es zeigt genau, wie schrecklich der Mensch sein kann.
Nach der Judenvernichtung, der Shoah im zwanzigsten Jahrhundert hier in Europa, gibt es immer noch Menschen, die sagen, der Mensch sei im Kern gut. Das ist ein absoluter Wahnsinn! Wie kann man noch an das Gute im Menschen glauben, wenn man erlebt hat, wie widerlich und abscheulich der Mensch sein kann? Man hätte nicht bis ins zwanzigste Jahrhundert warten müssen, das sieht man im Buch der Richter zur Genüge.
Warum werden diese Widerlichkeiten beschrieben? Um uns zu zeigen, dass die Geschichte ständig beweist: Der Mensch, der Gott ungehorsam ist, ist zu allen Widerlichkeiten fähig.
Wo gibt es in der Bibel, sagen wir in den fünf Büchern Mose, irgendeinen Hinweis, dass man zur Bestrafung jemanden verstümmeln soll? Das ist übel. So etwas hat der Herr nie Israel geboten. Hier jedoch hacken sie die Daumen und Zehen ab. Wir wissen, wie wichtig die Daumen sind. Ohne Daumen ist die Hand kaum funktionsfähig, denn der Daumen hilft den anderen Fingern, er ist fantastisch konstruiert. Ohne Daumen ist die Hand schrecklich eingeschränkt. Sie haben den König zum Krüppel gemacht.
Dieser König realisiert nun, dass er genau das erlitten hat, was er früher anderen angetan hatte. Er hatte schon siebzig Könige verstümmelt und sich daran ergötzt, sie unter seinem Tisch wie Hunde herumkriechen zu sehen. Er beschreibt sie als Krüppel, die auf vier Fingern Dinge bringen mussten – sie konnten nicht einmal richtig greifen. Das ist so widerlich.
Woher hatten die Israeliten diese Idee, Leute so zu verstümmeln? Sie haben es von den Kananitern kopiert. Diese kannten solche Brutalitäten, jemanden zum Krüppel zu machen. Das ist abscheulich. Hier beginnt es, und es geht immer weiter abwärts.
Nun sagt Adoni-Bezek: „Wie ich getan habe, so hat Gott mir vergolten.“ Gott lässt Menschen, die ihn nicht wollen, fallen. Es kann sein, dass Gott Menschen in die Hand anderer Menschen fallen lässt – und das ist schrecklich. König David hat gesagt, als er wählen durfte: „Lass mich nicht in die Hände der Menschen fallen! Ich will lieber in die Hände Gottes fallen, denn die Menschen können schreckliche Dinge tun, auch gerade im Krieg.“ Aber Gott kann solche Menschen, die ihn nicht wollen, fallen lassen. Sie wollen seine Hilfe nicht, und dann sind sie der Grausamkeit der Menschen ausgeliefert.
In Gottes Vorsehung war das ein Gericht, in dem Sinn, dass Gott ihn fallen ließ. Doch Gott ist nicht der Urheber dieser Widerlichkeiten.
Weiter in Vers 8: „Die Kinder Juda kämpften gegen Jerusalem, nahmen es ein und schlugen es mit der Schärfe des Schwertes, und die Stadt steckten sie in Brand.“ Ein gewaltiger Erfolg damals – Jerusalem in der Hand Israels. Doch später in der Geschichte verlieren sie diese Stadt wieder.
Vers 9: „Danach zogen die Kinder Juda hinab, um gegen die Kananiter zu kämpfen, die das Gebirge, den Negev und die Scheffela bewohnten.“ Ich werde später noch genauer erklären, wo das Gebirge in Judäa liegt – das Bergland, zu dem auch Jerusalem und Hebron gehören. Der Negev ist die Südgegend Judas, die Wüste Negev. Manchmal wird Negev mit Süden übersetzt, aber auf Hebräisch steht hier Negev, das man nicht für „Südamerika“ benutzt. Dort sagt man „Darom Amerika“, denn Darom ist das normale Wort für Süden. Negev bezeichnet die Südgegend Israels, eben die Negev-Wüste.
Die Niederung heißt auf Hebräisch Scheffela, das Tiefland. Aber es ist nicht irgendein Tiefland, sondern das Tiefland, wo die Berge von Judäa gegen den Gazastreifen, Tel Aviv und das Mittelmeer auslaufen. Das ist die Scheffela. Das werde ich noch genauer zeigen.
Sie kämpfen also dort, und Juda zog gegen die Kananiter, die in Hebron wohnten. Der Name Hebrons war vorher Kirjat-Arba. Sie schlugen Scheschai, Achiman und Dalmai – das waren Riesen! Diese Riesen sind wie die Feinde im Land ein Bild von Satan und den Mächten der Bosheit (vgl. Epheser 6). Diese Riesen sind besonders mächtige Dämonen, die Widerstand leisten.
Man sieht diesen Erfolg! Dann folgt eine kurze, schöne Geschichte, auf die ich später noch zurückkomme.
In Vers 16: „Die Kinder des Kenitters, des Schwagers Mose, waren mit den Kindern Juda aus der Palmenstadt heraufgezogen in die Wüste Juda.“ Diese liegt im Süden von Arad. Sie gingen hin und wohnten bei dem Volk.
Es gab also noch Leute, die mit den Kindern Israel zusammen ins Land Kanaan gekommen waren. Wer kennt nicht den Schwiegervater von Mose, Jethro, der auch Reuel genannt wurde – Freund Gottes? Er war der Vater von Zipporah. Zipporahs Bruder hieß Hobab, ein Kenitter und ein hervorragender Kenner der Wüste Sinai. Darum setzte Mose ihn als Kundschafter ein, zusätzlich zur Schechina, um die Gegend zu erkunden und Bericht zu geben, wie die Israeliten am besten lagern könnten.
Hobab hielt sich zu Israel, war Kenitter, und diese Kenitter hielten sich zum Volk Gottes. Sie bekamen im Stammesgebiet Judas ein kleines Erbteil, obwohl sie Nicht-Israeliten waren, die den wahren Gott kannten. Diese Bemerkung ist sehr wichtig, aber ich komme darauf erst später im Buch der Richter zurück – nur eine Andeutung, damit man den Zusammenhang erkennt.
Vers 17: „Und Juda zog mit seinem Bruder Simeon hin.“ Was für eine traurige Sache, dass er mit seinem Bruder Simeon zog! Sie schlugen die Kananiter, die Zfat bewohnten, verbannten sie und gaben der Stadt den Namen Horma.
Juda nahm Gaza ein im heutigen Gazastreifen, sein Gebiet, Aschkelon und sein Gebiet nahe Gaza, Ekron und sein Gebiet ebenfalls nahe Aschkelon und Gaza. Der Herr war mit Juda, und er nahm das Gebirge in Besitz. Das klingt alles schön.
Doch jetzt heißt es: „Denn die Bewohner der Talebene vertrieb er nicht, weil sie eiserne Wagen hatten.“ Warum dieser Misserfolg? Die eisernen Wagen waren damals eine große Neuerung in der Militärgeschichte. Die Armee, die diese eisernen Streitwagen besaß, hatte einen menschlichen Vorteil. Die Israeliten hatten das nicht.
Hier wird gesagt, sie konnten die Kananiter nicht erobern, weil diese eiserne Wagen hatten. Ich habe in meiner Bibel neben Vers 17 einen Pfeil gemacht bei „hoch zog mit seinem Bruder Simeon hin“, denn hier steckt Ungehorsam. Gott erlaubte, dass die eisernen Wagen ihre Wirkung zeigten, und die Israeliten konnten nicht erobern.
Doch Eisene Wagen sind in den Augen Gottes kein Grund für Versagen. Das war der äußere, menschliche Grund. Der innere Grund war Ungehorsam. Gott hätte ihnen auch den Sieg über die Kananiter mit eisernen Wagen geben können.
Vers 20: „Und Kaleb gaben sie Hebron, so wie Mose geredet hatte, und er vertrieb daraus die drei Söhne Enachs.“ Das hatten wir schon in Vers 10 gesehen.
Dann kommt: „Aber die Kinder Benjamin vertrieben die Jebusiter, die Bewohner Jerusalems, nicht.“ Jetzt wird es schwierig. Auch in Jerusalem hatten sie erobert, aber kein vollständiger Sieg. Die Jebusiter wohnten bei den Kindern Benjamins in Jerusalem bis auf diesen Tag – also bis zur Abfassung des Buches Richter.
Diesen Misserfolg habe ich in meiner Bibel schwarz angestrichen: Misserfolge bei Juda und Benjamin.
Es geht weiter: Das Haus Joseph zog nach Bethel hinauf, und der Herr war mit ihnen. Schön, denkt man. Doch schauen wir weiter.
Das Haus Joseph ließ Bethel auskundschaften. Vorher hieß die Stadt Luz. Die Wachen sahen einen Mann aus der Stadt herauskommen und sprachen zu ihm: „Zeige uns den Zugang zur Stadt, so werden wir dir Gutes erweisen.“ Er zeigte ihnen den Zugang zur Stadt, und sie schlugen die Stadt mit der Schärfe des Schwertes. Doch den Mann und seine ganze Familie ließen sie gehen.
Der Mann zog in das Land der Hethiter, baute eine Stadt und gab ihr den Namen Luz. So heißt sie bis auf diesen Tag.
Dieser Kananiter wurde nicht getötet, sondern vertrieben. Übrigens gab Gott Israel in 5. Mose 7 den Auftrag, die Kananiter nicht einfach zu vernichten, sondern zu vertreiben. Sie hätten alle gehen können und überleben können. Doch sie wollten nicht gehen, sondern das Land behalten, obwohl Gott Israel das Land geben wollte. Darum kam es zum Kampf, und viele wurden getötet.
Hier haben wir ein Beispiel von einem Mann, der ihnen sogar half und dann auszog und ins Land der Hethiter ging.
Vers 27: „Manasse vertrieb weder Bet Schean und seine Tochterstädte“ – das liegt südlich des Sees von Nazareth – „noch Ta’anak und seine Tochterstädte, noch die Bewohner von Dor und seine Tochterstädte, noch die Bewohner von Jibleam und seine Tochterstädte, noch die Bewohner von Megiddo in der Ebene Jesreel und seine Tochterstädte.“ Die Kananiter wollten in diesem Land bleiben – unglaublich! Sie wollten etwas, was Gott nicht wollte.
Warum konnten die Israeliten sie nicht vertreiben? Misserfolg um Misserfolg wegen Ungehorsam.
Vers 29: „Ephraim vertrieb nicht die Kananiter, die in Gezer wohnten.“ Die Kananiter wohnten in ihrer Mitte, in Gezer, ebenso die Bewohner von Kitron und Nahalol. Die Kananiter wohnten in ihrer Mitte und wurden tributpflichtig.
Dann kommt Aser. Aser vertrieb nicht die Bewohner von Akko, das liegt nördlich von Haifa und ist heute mit Haifa zusammengewachsen, noch die Bewohner von Sidon im heutigen Libanon, noch Achlab, Aksib, Helba, Afik und Rechow. Die Azeriter wohnten inmitten der Kananiter, weil sie sie nicht vertrieben.
Naftali, obwohl der Name „Mein Kampf“ bedeutet, vertrieb weder die Bewohner von Bet Schemesch noch von Bet Anad. Er wohnte inmitten der Kananiter, doch die Bewohner von Bet Schemesch und Bet Anad wurden ihm tributpflichtig.
Die Kananiter bestanden aus verschiedenen Stämmen wie Peresitern, Hewitern usw.
Die Amoriter drängten die Kinder Dan ins Gebirge. Dan wollte in der Ebene bei Tel Aviv wohnen, wurde aber ins Bergland hinaufgetrieben, denn die Amoriter ließen sie nicht in die Talebene herabkommen – unglaublich!
Jetzt gibt es sogar Rückschritt. Wir haben ständig Fortschritt gesehen, aber jetzt Rückschritt.
Die Amoriter wollten im Gebirge Heres bleiben, in Ajalon und Scharlbim. Doch die Hand des Hauses Joseph war schwer, und sie wurden tributpflichtig. Die Grenze der Amoriter reichte von der Anhöhe Akrabim bis zum Felsen hinauf.
Nun kommt das, worauf ich hinauswollte: „Und der Engel des Herrn kam von Gilgal herauf nach Bochim und sprach.“ Man muss sich vorstellen, dieser Engel des Herrn ist eine geheimnisvolle Person im Alten Testament, die auch als ewiger Gott bezeichnet wird. Zum Beispiel in 1. Mose 16 wird der Engel, im Hebräischen „Malach“ (Bote des Herrn), als der Herr selbst, Yahweh, der Ewige, ohne Anfang und Ende, identifiziert.
In diesen Tagen wurde dieser Engel des Herrn gesehen. Er trat plötzlich bei Gilgal auf, dem Ort, der der Ausgangspunkt für den Sieg in Josua war. Dann wurde er gesehen, wie er weggeht und bis nach Bochim wandert.
Dort gab es eine Versammlung der Israeliten, und er sprach zu ihnen eindrückliche Worte: „Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch in das Land gebracht, das ich euren Vätern zugeschworen habe.“ Wer ist dieser Mann? Gott selbst. Gott, der Abraham, Isaak und Jakob das Land Kanaan zugeschworen hatte, Gott, der Israel aus Ägypten führte. Das ist dieser Bote des Herrn.
Man kann sagen, im Alten Testament ist das der Sohn Gottes, der ewige Sohn Gottes, der eine Gestalt annehmen konnte – als Gott von Ewigkeit her eine Gestalt wie ein Mensch annehmen konnte, damit es für Menschen erträglich war. Das war eine Vorwegnahme, dass er, der Sohn Gottes, einmal ein wirklicher Mensch werden würde. „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“ (Johannes 1,14).
Darum kann der Bote des Herrn sagen: „Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch in das Land gebracht, das ich euren Vätern zugeschworen habe. Ich werde meinen Bund mit euch nicht brechen auf ewig. Ihr aber sollt keinen Bund mit den Bewohnern dieses Landes schließen.“ Das ist ein Rückbezug auf 5. Mose 7, wo diese Gebote gegeben wurden: „Ihre Altäre sollt ihr niederreißen.“ Doch ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.
Das, was wir bei Juda gesehen haben – dieser Ungehorsam –, man könnte sagen, das war doch ein kleiner Ungehorsam. Doch das war der Wurm. Das Problem hat sich ausgeweitet. Hier wird Israel mitgeteilt: „Ihr habt nicht auf mich gehört, ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.“ Was habt ihr da getan? Das erinnert an den Sündenfall (1. Mose 3). Gott zeigt dem Menschen, dass er ein Sünder ist: „Was hast du getan?“ sagt Gott dem gefallenen Volk Israel.
„So habe ich auch gesagt, ich werde sie nicht vor euch vertreiben, und sie werden zu euren Seiten sein, und ihre Götter werden euch zum Fallstrick werden.“ Gott lässt sie in die Hand der Kananiter fallen, in deren Versuchung.
Als der Engel des Herrn diese Worte zu allen Kindern Israel redete, erhob das Volk seine Stimme und weinte. Sie begannen zu heulen. Es ist traurig, wie sie versagt haben.
Übrigens: Im Deutschen entsteht oft der Eindruck, Engel seien Geschöpfe, da der Begriff auch für Geister verwendet wird, die Gott geschaffen hat. Das hebräische Wort „Malach“ bedeutet einfach Bote, Gesandter. So wird der Sohn Gottes in der Bibel auch „Malach“, der Gesandte des Vaters, genannt.
Angesichts dieser Botschaft beginnen die Israeliten zu weinen und zu klagen. Man könnte denken, das sei wunderbar – diese allgemeine Buße. Doch es geht weiter.
Vers 5: „Und sie gaben jenem Ort den Namen Bochim, das heißt ‚Weinende‘. Und sie opferten dort dem Herrn.“ Schön, sie haben Gottesdienst gefeiert!
Aber wenn wir im Buch der Richter weiterlesen, sehen wir eine Katastrophe. So sehen wir Krokodilstränen, die nichts bringen. Plötzlich kommt eine schlimme Sache ans Licht: Ehebruch in der Gemeinde, der Schuldige wird überführt und beginnt zu weinen und zu sagen, wie leid es ihm tut. Manche denken, das sei wunderschön, echte Buße.
Doch man darf nicht einfach so glauben, dass Tränen echte Reue bedeuten. Krokodilstränen gibt es bei Menschen ebenso wie bei Krokodilen – allerdings ohne echte Trauer. Krokodile haben Tränen, aber das ist ein physiologischer Vorgang, kein Ausdruck von Gefühlen.
Ich war einmal auf einer Farm mit der größten Krokodilpopulation der Welt, nordöstlich von Bangkok, mit hunderttausend Krokodilen. Das war beeindruckend. Ich hatte einen Fischkopf an der Angel, und die Krokodile waren regungslos. Dann habe ich den Kopf ins Maul gesteckt, und er war weg – wie eine Maschine. Dann fütterte man die Krokodile mit unzähligen Fischköpfen. Es war erstaunlich, wie triebhaft sie waren, aber völlig gefühllos, wie Maschinen.
Diese Tränen sind eben Krokodilstränen. Es ist schlimm, wenn wir nur solche Tränen wie in Bochim haben – den Ort des Weinens „ohne wirkliche Frucht der Buße.“
Wir halten fest: Der Beginn des Buches zeigt halben Gehorsam gegenüber Gottes Wort (Richter 1,1-3). Das ist der Anfang des Niedergangs. Von Simeon war nicht die Rede in Gottes Anweisung. Das Ende ist Individualismus und Relativismus: Jeder tat, was recht war in seinen Augen.
Dort liegt das Problem. Wir lernen so viel durch dieses Buch und sehen, wie wichtig Gehorsam gegenüber Gottes Wort ist. Wir dürfen es nicht oberflächlich nehmen.
Ich kenne eine Schwester, der ich sagte: „Das steht so in der Bibel.“ Sie antwortete: „Ja, ich weiß, aber im Moment ist das bei mir nicht dran.“ Wie? „Im Moment ist das bei mir nicht dran“, obwohl sie sieht, dass es in der Bibel so steht. Sie will es nicht akzeptieren.
Das sind Hindernisse für geistliches Wachstum, Fortschritt, Freude im Glauben, Sieg und das Erlangen geistlicher Reichtümer des Glaubens.
Wenn Gott es schenkt, wollen wir morgen weiterfahren.
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