Einführung: Die Erdnussbutter-Frage als Beispiel für Gesetzlichkeit
Dürfen Christen Erdnussbutter essen? Vielleicht können wir ein kurzes Stimmungsbild machen. Wer meint, Christen dürfen Erdnussbutter essen? Gegenprobe: Wer meint, sie dürfen das nicht? Ah, ich sehe eine Stimme, okay, behalten wir das mal im Hinterkopf. Wer enthält sich? Eine Enthaltung noch, alles klar. Die überwiegende Stimmung ist, dass sie das dürfen.
Ich möchte euch die Geschichte von einem Missionsehepaar erzählen, dessen Dienst sich an dieser Frage entschieden hat. Die beiden liebten Erdnussbutter, aber in der Region, in der sie eingesetzt waren, gab es keine Erdnussbutter zu kaufen. Deshalb ließen sie sich immer wieder welche aus ihrem Heimatland schicken. Sie hatten gute Freunde, die ihnen gelegentlich ein Gläschen schickten.
Was die beiden aber nicht wussten, war, dass sich im Missionsteam die Vorstellung festgesetzt hatte, dass man in dieser Gegend keine Erdnussbutter kaufen könne. Deshalb sollten sie um der Sache Christi willen darauf verzichten, ihr Kreuz auf sich nehmen und keine Erdnussbutter essen.
Das junge Missionspaar reagierte darauf ein bisschen so wie ihr: „Warum sollen wir keine Erdnussbutter essen?“ Sie ließen sich weiterhin Erdnussbutter schicken und genossen sie für sich. Sie haben sie ihren Kollegen nicht unter die Nase gerieben, aber zu Hause ab und zu mal einen Löffel Erdnussbutter auf das Brot gegessen.
Was meint ihr, was passierte im Missionsteam? Die Sache kochte hoch. Man bemerkte: „Die essen immer noch Erdnussbutter.“ Es gab richtig Stress, es wurde gehässig. Irgendwann konnten die beiden es nicht mehr aushalten. Sie fuhren zurück in ihr Heimatland, ziemlich desillusioniert und traurig über das, was sie dort erlebt hatten.
Jetzt kannst du den Kopf darüber schütteln und sagen: „Das ist doch ein schlechter Witz.“ Aber es ist tatsächlich passiert. Es ist eine wahre Geschichte.
Die Gefahr der Gesetzlichkeit im Glaubensleben
Vielleicht fragst du dich, wie es eigentlich sein kann, dass Menschen, die in ein anderes Land gehen, um dort das Evangelium von der Gnade Christi weiterzugeben, so kleinkariert, so lieblos und so gesetzlich miteinander umgehen können. Sie stellen ihre Konsumgebote quasi auf eine Ebene mit Gottes Geboten, zum Beispiel: Du sollst keine Erdnussbutter essen.
Ich verstehe, wenn man da den Kopf darüber schüttelt. Aber wir sollten nicht dabei stehen bleiben. Es waren auch nur Menschen, die sich so verhalten haben, und dieses Potenzial liegt auch in uns.
Vielleicht ist die große Frage für uns nicht, ob Erdnussbutter ja oder nein erlaubt ist. Aber dass wir unsere eigenen Gebote, unsere eigenen Vorstellungen darüber, was Gott von uns will, auf die gleiche Ebene stellen wie Gottes Gebote – das kann auch uns passieren. Wir können in diese Falle tappen.
Unser heutiger Predigttext ist eine ganz kräftige Mahnung, nicht so zu leben. Das war im Grunde der Lebensstil von Pharisäern, den diese Missionare damals an den Tag gelegt haben.
Ich habe deshalb den Titel etwas geändert und die Leitfrage für uns gestellt: Lebst du, lebe ich als ein Pharisäer oder lebe ich als ein Jünger Jesu Christi?
Im Grunde sehen wir diese beiden Alternativen im Predigttext. Ich hoffe, dass wir beim Lesen wirklich für uns selbst darüber nachdenken: Wo ist mein Herz? Wo stehe ich heute Morgen? Brauche ich Lebensveränderung?
Jesu Antwort auf den Vorwurf der Pharisäer (Lukas 5,33-39)
Ich lese uns den ersten Abschnitt, den wir gerade schon einmal gehört haben, aus der Textlesung Lukas 5, Verse 33 bis 39.
Dort kommen die Pharisäer mit einem Vorwurf zu Jesus. Sie sind immer noch bei diesem Festmahl für Sünder und Zöllner, und Jesus ist mittendrin. Die Pharisäer sprechen zu Jesus: Die Jünger des Johannes fasten oft und beten viel, ebenso die Jünger der Pharisäer. Aber deine Jünger essen und trinken.
Jesus antwortet ihnen: Ihr könnt die Hochzeitsgäste nicht fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist. Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen wird. Dann werden sie in jenen Tagen fasten.
Er sagt zu ihnen ein Gleichnis: Niemand reißt einen Lappen von einem neuen Kleid und flickt ihn auf ein altes Kleid. Sonst zerreißt man das Neue, und der Lappen vom Neuen passt nicht auf das Alte. Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst zerreißt der neue Wein die Schläuche, wird verschüttet und die Schläuche verderben. Neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen. Niemand, der vom alten Wein trinkt, will neuen, denn er sagt: Der Alte ist milder.
Die Pharisäer werfen Jesus vor, dass seine Jünger nicht fasten und nicht beten. Dieser Vorwurf ist eigentlich sehr absurd. Er wäre fast lustig, wenn er nicht so traurig wäre.
Warum haben Menschen gefastet? Warum fasten Menschen bis heute? Sie verzichten auf Essen oder auf etwas, das ihnen wichtig ist, um Gottes Nähe zu suchen. Das ist eigentlich ein guter Gedanke. Wir sind ja gerade in der Fastenzeit. Es ist ein biblischer Gedanke, auf etwas zu verzichten, um mehr Zeit fürs Gebet zu haben und Gottes Nähe zu suchen.
Aber was, wenn Gott da ist? Was, wenn er dir ganz nah ist, wenn er dir gegenübersteht? Dann brauche ich doch dieses Hilfsmittel nicht mehr, um Gottes Nähe zu suchen. Es wäre ungefähr so, als würde ich einer Person hier im Raum, dem Andi, vielleicht eine SMS schicken, um mit ihm zu kommunizieren. Ich weiß, manche Jugendliche machen das, aber das ist Schwachsinn. Ich kann mich einfach zum Andi hinsetzen und mit ihm ein gutes Gespräch führen, gute Gemeinschaft haben. Es braucht kein Hilfsmittel, um mich auf den Andi auszurichten.
So ähnlich war das mit dem Fasten und Beten. Das brauchte es in diesem Augenblick nicht, als Jesus gegenwärtig war. Sie konnten mit ihm Gemeinschaft haben. Das war die Zeit, sich zu freuen: Gott ist hier, und wir können mit ihm reden, wir können mit ihm feiern. Gott kommt zu uns.
Jesus sagt genau das. Er vergleicht sich mit einem Bräutigam und sagt, jetzt ist eine Freudenzeit. Das ist wie ein Hochzeitsfest, das wir hier haben. Er ist da, und wir können diese Gemeinschaft haben. Es ist jetzt nicht die Zeit, um zu fasten und zu beten, sondern um diese Gemeinschaft mit ihm zu genießen.
Aber die Pharisäer haben das nicht verstanden. Sie haben nicht begriffen, wer Jesus ist. Sie haben so viel gefastet und gebetet, um Gott nahe zu sein, und dann steht Gott vor ihnen – und sie erkennen ihn nicht einmal. Ist das nicht traurig?
Das ganze fromme System hatte sich verselbstständigt. Es ging nur noch um Äußerlichkeiten: Hältst du deine Fastentage ein? Spendest du regelmäßig? Wie oft betest du? Machst du stille Zeit? Insgesamt hatten sie über sechshundert Regeln, Gebote und Verbote. Überall konnten sie ihr Häkchen setzen: Habe ich alles eingehalten? Bin ich gut mit Gott unterwegs?
Aber bei all den Vorschriften haben sie Gott, dem sie sich eigentlich nahen wollten, komplett aus den Augen verloren. Komplett aus den Augen verloren, worum es eigentlich ging. Was man bei so vielen Listen und Checklisten ja auch gut verstehen kann: Da verliert man schnell den Überblick und den Blick für das Wesentliche.
Sie lebten eine krasse Form der Werkgerechtigkeit. Sie wollten Punkte sammeln für den Himmel. Wie gut es gelang, wollten sie vor allem daran bemessen, wie gut sie diese Listen und Checklisten erfüllt hatten.
Die Gefahr der äußeren Frömmigkeit ohne Herz
Jetzt können wir den Kopf schütteln über diese Pharisäer. Aber wie schnell kann es auch bei uns Christen passieren, dass wir so leben? Außen ist alles in Ordnung, alle Gebote werden erfüllt, aber innen sieht es nicht so gut aus.
Viele von uns haben Gemeinden erlebt, in denen es nur um Äußerlichkeiten ging, nur um den schönen Schein. Man merkt es ja, dass es nur darum geht, Gebote zu erfüllen. Doch wenn man etwas genauer hinschaut, erkennt man, dass die Leute nicht wirklich mit Jesus unterwegs sind.
Wir müssen aber gar nicht auf andere schauen, sondern können auch auf uns selbst blicken und überlegen, wie leicht es uns fällt, fromme Rituale zu pflegen. Pharisäer sind uns ja von Natur aus unsympathisch, aber vielleicht sieht unser Leben gerade gar nicht so anders aus. Vielleicht bedeutet Christsein für dich in erster Linie, Regeln einzuhalten und gut vor anderen dazustehen. Und wenn es mal nicht so gut klappt, trägst du eine fromme Maske.
Jesus zeigt uns in diesem Abschnitt, dass wir diese Maske getrost ablegen dürfen. Es braucht keine fromme Maske – ja, sie ist sogar schädlich. Wir müssen radikal umdenken, denn so ein frommer Anstrich steht uns im Weg, wenn wir Jesus wirklich kennenlernen wollen.
Du kannst nicht wie ein Pharisäer leben und gleichzeitig Jesus nachfolgen. Er sagt selbst, das passt so wenig zusammen wie ein Stück von einem neuen Kleidungsstück auf ein altes. Am Ende hast du zwei verschandelte Kleidungsstücke.
Ganz nebenbei sehen wir hier, dass Jesus etwas von Mode verstand. Das passt einfach nicht zusammen. Oder es wäre so, als würdest du alten Wein in neue Schläuche füllen. Ich bin kein Weinexperte, aber Markus kennt sich ein bisschen aus: Der neue Wein arbeitet noch, er dehnt sich aus. Ein alter Schlauch ist schon ausgedehnt. Wenn du dort neuen Wein hineinfüllst, platzt der Schlauch. Der Wein geht verloren – das passt nicht zusammen.
So macht Jesus ganz klar: Dieser Checklistenglaube der Pharisäer, dieses kleinliche Abhaken von Geboten und Verboten, geht nicht zusammen mit einer Beziehung zu ihm. Er ist nicht gekommen, um dieses menschliche System einfach ein bisschen besser zu machen. Er lässt sich nicht von den Pharisäern in ihre Liste frommer Regeln einordnen.
Er ordnet sich erst recht nicht ihren Vorstellungen und Regeln unter. Das tut Jesus nicht. Er ist Gottes Sohn, der über allem steht, über allen Geboten und Regeln dieser Welt.
Er ist nicht gekommen, um ein neues Regelsystem zu bringen, quasi ein Update, Glaube 2.0. Das macht Jesus nicht. Sondern er will eine echte Beziehung zu sich bringen, damit Menschen in echter Beziehung zu ihm leben.
Das wirft eine herausfordernde Frage für uns auf: Leben wir wirklich in der Beziehung zu Jesus Christus? Suchen wir unsere Sicherheit bei ihm, oder ist die Glaubenssicherheit, die wir haben, doch auf Werke und Dinge aufgebaut, die wir tun?
Und wie gehen wir mit anderen um? Messen wir sie an ihrer Frömmigkeit, an dem, was wir sehen, an ihrem äußeren Schein? So wie die Pharisäer es hier übrigens mit Jesus getan haben. Sie sagten: Jesus, deine Jünger fasten nicht. Das sei der beste Beweis, dass ihr überhaupt nicht fromm seid.
Gehen wir so mit anderen um? Es gibt viele gute Dinge, die wir tun können, um unsere Beziehung zu Jesus zu pflegen. Aber wir müssen wirklich aufpassen, dass wir nicht zu Pharisäern werden und nur noch ein Frömmigkeitsprogramm abspulen.
Es geht Jesus nicht darum, dass du fromm erscheinst. Es geht ihm um dein Herz, darum, dass du wirklich mit ihm lebst. Du kannst nur mit ihm leben, wenn du ihm als Jünger von ganzem Herzen nachfolgst, wenn er dich neu macht und dein Leben wirklich ihm gehört.
Der alte Wein und die milderen Regeln der Pharisäer
Diese Pharisäer haben das nicht verstanden. Sie liebten den alten Wein mehr. Jesus benutzte ebenfalls das Bild des alten Weins, der ihnen milder erschien. Damit meinte er all die Gesetze.
Es ist auf eine gewisse Art und Weise einfacher, Regeln zu erfüllen. Denn dann kannst du irgendwann sagen: „Jetzt habe ich Feierabend, ich habe meinen Soll erfüllt, ich habe getan, was ich tun konnte.“
In der Beziehung zu Jesus Christus gibt es jedoch keinen Feierabend. Er hat Anspruch auf dein ganzes Leben. Er will in jeder Situation dabei sein. In jeder Situation sollst du dich fragen: „Was hat das mit meinem Glauben zu tun? Was hat das mit meinem Leben, mit Jesus zu tun?“ Man kann nicht einfach Dinge ausklammern.
Der alte Wein ist milder, aber das, was Jesus bringt, ist viel wunderbarer. Die Pharisäer haben das nicht erkannt. Wir sehen das beim nächsten Aufeinandertreffen, das etwas härter wird.
Jesus und die Sabbatfrage: Menschlichkeit vor Gesetzlichkeit
Es begab sich an einem Sabbat, dass Jesus durch ein Kornfeld ging. Seine Jünger rupften Ähren aus, zerrieben sie mit den Händen und aßen davon. Einige der Pharisäer fragten: „Warum tut ihr, was am Sabbat nicht erlaubt ist?“
Jesus antwortete ihnen: „Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er und die, die bei ihm waren, hungerten? Wie er in das Haus Gottes ging und die Schaubrote nahm und aß? Die doch niemand essen durfte außer den Priestern allein. Und wie er sie auch denen gab, die bei ihm waren.“
Dann sprach er zu ihnen: „Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.“
Was die Jünger hier machten, war nach dem Gesetz ausdrücklich erlaubt. Es gab ein Gesetz Gottes, das besagte, dass man, wenn man Hunger hatte, durch das Feld eines anderen gehen durfte – vielleicht auch in seinen Weinberg. Man durfte pflücken und sich ein bisschen etwas nehmen. Man durfte nicht sammeln, aber zumindest seinen Hunger stillen.
Die Frage war nur: Durfte man das auch am Sabbat, am Ruhetag, der heilig war? Gott selbst hatte gesagt, am Ruhetag solle man ruhen. Am Sabbat war keine Arbeit erlaubt. Das Gesetz definierte das nicht genauer, und das war für die Pharisäer unangenehm.
Sie dachten sich: „Was heißt das denn?“ Deshalb machten sie viele Regeln – insgesamt 40, genauer gesagt 39 –, um zu klären, was es bedeutet, am Sabbat zu ruhen. Wir schütteln heute oft den Kopf über diese Pharisäer. Aber wie schnell machen auch wir solche Regeln? Zum Beispiel bei Diskussionen über den Zehnten: Ist das zehn Prozent vom Brutto- oder Netto-Einkommen? Wir wollen Regeln, an denen wir uns festhalten können, vielleicht sogar um sagen zu können: „Dann habe ich meinen Soll erfüllt und bin fein raus.“
Diese Sehnsucht ist sehr menschlich und steckt wahrscheinlich in jedem von uns. Die Pharisäer trieben das zur Perfektion. Sie regelten alles bis ins Detail und klärten jeden Fall. Hier legten sie ausdrücklich fest, dass es am Sabbat nicht erlaubt sei, Korn zu pflücken und es zu zerreiben.
Die Jünger taten genau das – ein klarer Gesetzesverstoß. Es war nicht gegen Gottes Wort, aber gegen die Regeln der Pharisäer. Das war ihre Grundlage für die Anklage.
Jesus wies ihre Kritik nicht einfach ab mit dem Hinweis „Ihr kleinkarierten Pharisäer!“. Stattdessen las er mit ihnen gemeinsam die Bibel. Er sagte: „Schaut doch mal zurück ins erste Buch Samuel! Erinnern ihr euch an David, wie er mit seinen Leuten hungrig war? Wie er zu den Priestern ging und sagte, wir wollen von den Schaubroten essen?“ Gott hatte gesagt, die Schaubrote seien nur für die Priester. Aber David war in Not, und die Priester gaben ihnen dieses Brot.
War das in Ordnung? Die Bibel sagt nicht, dass das für Gott ein Problem war. Nicht einmal die Pharisäer hätten sich getraut zu sagen, dass David falsch gehandelt habe. David war ein großes Glaubensvorbild.
Jesus macht hier ganz deutlich: Nicht einmal Gottes Gesetz, nicht einmal das Alte Testament ist so kleinkariert und gesetzlich, dass es Menschen daran hindern soll, ihren Hunger zu stillen. Wie unmenschlich ist es, Gottes Gesetz gegen den Menschen zu verwenden und gegeneinander auszuspielen!
Die selbstgemachten Gebote der Pharisäer zeigten vielmehr, dass sie Gottes Absichten nicht verstanden hatten. Sie sahen sich als Wächter der Sabbatruhe und unterdrückten mit ihren Sonderregeln andere Menschen.
Jesus stellt ganz klar, wer die Deutungshoheit über den Sabbat hat: „Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.“ Wieder nimmt er diesen Titel für sich in Anspruch. Wir haben das letzte Woche gesehen: Der Menschensohn, der in Daniel 7 erwähnt wird und von Gott alle Macht erhält.
Er sagt: „Ich stehe nicht unter diesem Gesetz, ich stehe darüber. Ich bestimme, wie dieses Gesetz zu verstehen ist.“ Dieser Herr Jesus macht deutlich: Wer Gottes Gesetz vertritt und es missbraucht, um hungrige Menschen vom Essen abzuhalten, hat es wirklich nicht verstanden.
Er löst an dieser Stelle das Sabbatgebot keineswegs auf. Der Ruhetag ist ihm wichtig und hochheilig. Aber er sagt den Leuten, wie sie ihn zu verstehen haben: Der Sabbat ist für den Menschen da.
An anderer Stelle sagt er es explizit: Nicht der Mensch für den Sabbat, sondern der Sabbat für den Menschen. Dass Menschen an diesem Tag hungern, weil sie nichts zu essen holen dürfen, ist nicht Sinn dieser Idee.
Wo finden wir uns wieder – bei diesen kleinkarierten Pharisäern oder bei Jesus Christus? Haben wir eigene Regeln aufgestellt, die sein Wort nicht kennt? Diese Frage ist viel größer als die Sabbatfrage in diesem Abschnitt.
Die Gefahr eigener Regeln und Traditionen
Eine der verheerendsten Sünden unter Christen ist wahrscheinlich, eigene Regeln und Traditionen auf dieselbe Stufe wie Gottes Wort zu stellen – vielleicht sogar darüber. Ich möchte euch nur einige Beispiele nennen.
Aus dem Satz „Ich trinke keinen Alkohol, weil ich gemerkt habe, dass es meiner Beziehung zu Gott wirklich schadet“ wird schnell „Kein Christ trinkt Alkohol“. Es gibt ganze Gemeindebünde, die so sagen: Ein Christ darf keinen Alkohol trinken.
Aus „Ich ziehe mich am Sonntagmorgen schön an, weil ich Gott damit die Ehre geben will, weil es ein Tag ist, an dem ich mich für meinen Heiland, der mich gerettet hat, herausputze“, wird „Einen Christen erkennt man am gepflegten Auftreten“.
Aus „Ich höre keine moderne Popmusik, weil mich das von Jesus Christus ablenkt“, wird „Christen hören nur Lobpreismusik, alles andere ist Teufelszeug und zu verachten“.
Wir können viele weitere Beispiele finden.
Es ist überhaupt nicht verkehrt, zu Gottes Ehre auf Alkohol zu verzichten. Ganz im Gegenteil, das kann sehr hilfreich sein. Es ist gut, wenn wir uns auch schön anziehen für unseren Gott. Es ist gut, wenn wir viel Lobpreismusik hören und uns nicht mit Popmusik zudröhnen. Aber es gibt kein Gesetz, das das regelt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht die Zäune höher ziehen, als Gott sie selbst zieht.
Wir sollten den Rahmen nicht erweitern, wie es die Pharisäer getan haben, sondern bei dem bleiben, was Gott uns gibt. Keine neuen Regeln, keine neuen Gebote, sondern das Herz seiner Gebote verstehen lernen – darum geht es.
Jesus Christus ist der Herr über den Sabbat, und er ist der Herr über das ganze Gesetz Gottes. Er gibt uns dieses Gebot – und das ist wirklich wichtig zu verstehen – nicht, damit wir uns das Leben gegenseitig schwer machen oder es als Waffe einsetzen, um andere zu knechten und sie dazu zu bringen, genauso zu leben wie wir.
Er gibt es uns, damit unser Leben mit Gott und miteinander wirklich gelingt, damit wir in Liebe miteinander unterwegs sein können – Liebe zu Gott und Liebe zu unseren Mitmenschen.
Die Pharisäer haben das in ihrer Verblendung ebenfalls nicht erkannt. So kam es zu einer weiteren, der härtesten Auseinandersetzungen – wieder an einem Sabbat, wieder an einem Ruhetag.
Jesus heilt am Sabbat und konfrontiert die Pharisäer
Es geschah an einem anderen Sabbat, dass Jesus in die Synagoge ging und lehrte. Dort war ein Mensch, dessen rechte Hand verdorrt war. Die Schriftgelehrten und Pharisäer lauerten darauf, ob er auch am Sabbat heilen würde, damit sie etwas finden könnten, um ihn zu verklagen.
Jesus merkte ihre Gedanken und sprach zu dem Mann mit der verdorrten Hand: „Steh auf und tritt hervor!“ Der Mann stand auf und trat vor. Da fragte Jesus die Anwesenden: „Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses, Leben zu erhalten oder zu vernichten?“
Er sah sie alle ringsum an und sagte zu dem Mann: „Streck deine Hand aus!“ Der Mann tat es, und seine Hand wurde wieder gesund. Die Pharisäer aber wurden ganz von Sinnen und beredeten sich miteinander, was sie Jesus tun wollten.
Das ist der traurige Höhepunkt dessen, wohin Gesetzlichkeit führen kann. Die Pharisäer wollten Jesus auf frischer Tat beim Sabbatbruch ertappen. Sie wollten sehen, ob er das wieder tun würde. Sie hatten ja schon gehört, dass er am Sabbat geheilt hatte. Es scheint fast so, als hätten sie diesen kranken Mann extra hergebracht, um Jesus eine Falle zu stellen.
Diese Hartherzigkeit ist erschreckend: Äußerlich wirken sie fromm, halten ihre Regeln ein und ehren Gott, doch innerlich sind sie hartherzig, böse und menschenverachtend. Die fromme Maske bekommt hässliche Flecken, wenn man das betrachtet. Das Schicksal dieses Mannes war ihnen völlig egal. Er war der nächstbeste, den man gebrauchen konnte, um Jesus zu fangen. Es war ihnen egal, ob er gesund wird oder nicht, Hauptsache, sie konnten Jesus reinlegen.
Jesus denkt mit den Pharisäern über den Kern, das Herzstück des Sabbats noch einmal nach. Er fragt: Erfüllt jemand das Gesetz besser, wenn er Gutes am Sabbat tut und Leben erhält? Oder besser, wenn er Böses tut, zum Beispiel einem Kranken die Heilung verweigert und das Gebot als Vorwand benutzt, um nicht helfen zu müssen?
Er gibt eine klare Antwort: Jesus tut, was er sagt. Er heilt den Kranken und zeigt damit seine ganze Liebe und Barmherzigkeit für diesen Menschen. Worum geht es an einem Feiertag eigentlich? Nur darum, die Regel einzuhalten? Die Pharisäer machten das so gewissenhaft und waren gleichzeitig so weit weg von Gott, der ihnen den Sabbat geschenkt hatte.
Jesus, der Herr über den Sabbat, macht deutlich: Gott möchte, dass wir einmal in der Woche einen Tag haben, um zur Ruhe zu kommen vom Tagesgeschäft. Aber nicht, dass wir dieses Gebot benutzen, um andere zu knechten. „Ich habe heute Ruhetag, ich kann nicht helfen, ich darf nicht arbeiten.“ So denken sie vielleicht. „Ich würde ja gern, aber ich darf nicht, Gott möchte, dass ich ruhe.“
Es geht hier, wie schon im vorherigen Abschnitt, um viel mehr als nur den Sabbat, den Ruhetag. Die Hartherzigkeit der Pharisäer sollte uns wachrütteln. Wir sollten erschrecken darüber, wie diese Pharisäer zu Jesus kamen.
Haben religiöse Regeln unsere Herzen enger und härter gemacht? Lauern wir vielleicht sogar darauf, dass andere eine bestimmte Sünde tun, um sie dabei zu ertappen? Oder werden wir in unserer Nachfolge freier, Gott und andere Menschen wirklich zu lieben? Werden wir barmherziger miteinander?
Wir sind alle Sünder, die den Arzt Jesus brauchen – das haben wir letzte Woche gesehen. Wir sind alle noch auf dem Weg. Gott arbeitet an jedem Einzelnen von uns. Wir werden nicht heil durch das äußere Befolgen von Regeln, sondern allein dadurch, dass wir Gott besser kennenlernen, in der Beziehung zu ihm wachsen und seine Gebote wirklich verstehen. Wir müssen das Herz der Gebote erkennen: Worum geht es Gott eigentlich?
Beziehung statt Regelwerk: Die Einladung zur Gnade
Wenn du seine Gnade empfangen hast, ist deine Aufgabe nicht, neue Regeln zu etablieren, sondern in der Liebe zu ihm zu wachsen und andere in die Beziehung zu ihm einzuladen.
Natürlich gibt es Gebote, die wir aus Liebe zu Gott halten. Aber in unserem Glauben geht es tatsächlich nicht um Regeln oder Gebote. Diese sind nicht das Herzstück unseres Glaubens. Das Herzstück ist die Beziehung zu Jesus Christus.
Ich möchte das mit einer guten Ehe vergleichen. Braucht eine gute Ehe Regeln? Aber ja, eine gute Ehe braucht gute Regeln. Wenn man in einer guten Ehe über Regeln spricht, hört man oft Sätze wie: „Du bist mir das schuldig“ oder „Da bist du mir Liebe schuldig geblieben, das solltest du tun.“ In einer guten Ehe tut man das aber nicht, weil man diese Regeln einfordern muss. Diese ganzen Themen, die Regeln und Dinge, die man einhalten muss, werden erst wichtig, wenn die Beziehung krankt.
Wenn wir gut miteinander unterwegs sind, stehen nicht die Regeln im Mittelpunkt. Dann ist die Frage im Mittelpunkt: „Was kann ich für dich tun, Schatz? Wie kann ich dir meine Liebe zeigen? Wie kann ich noch mehr so leben, dass es dir wirklich hilft und dir eine Freude macht?“ So ist es, wenn du Jesus wirklich kennenlernst.
Es geht nicht ums kleinkarierte Abhaken von Checklisten, wenn du in der Beziehung zu Jesus lebst. Du willst aus ganzem Herzen voller Freude seinen Willen suchen und tun. Je besser du ihn kennenlernst, desto mehr wächst dieser Wunsch.
Viel verheißungsvoller ist tatsächlich der einzige Weg, so mit Jesus zu leben.
Pharisäern ging es nicht darum, Gott die Liebe zu zeigen – überhaupt nicht. Sie erkannten ihn nicht einmal, als er direkt vor ihnen stand. Sie waren so beschäftigt damit, ihre Gebote zu erfüllen und andere zu kontrollieren, ob diese es auch richtig machten.
In ihrer Hartherzigkeit überlegten sie an diesem Tag: „Was sollen wir mit diesem Jesus tun?“ Andere Evangelisten schreiben, dass sie sich nicht nur überlegten, was sie mit ihm machen sollten, sondern dass sie an diesem Tag beschlossen, ihn umzubringen. „Der muss weg!“
Sie sahen ihn als Sabbatschänder, der Gottes Gebot hier in den Dreck zieht. So verblendet waren sie: Gottes Sohn stand vor ihnen, und sie sagten, „den müssen wir umbringen“. Das setzten sie dann auch in die Tat um.
Wenig später führten sie ihn unter dieser und anderen Anklagen nach Golgatha ans Kreuz. Andere waren auch beteiligt und schlugen ihn als Gotteslästerer ans Kreuz. Sie dachten, sie täten Gott etwas Gutes, wenn sie ihn aus der Welt schafften.
Tatsächlich hat aber Gott uns etwas Gutes getan, indem er seinen Sohn Jesus Christus hingegeben hat. Jesus starb am Kreuz – und zwar nicht nur für Lügner und Betrüger, sondern auch für Pharisäer. Auch für Leute, die äußerlich so fromm erscheinen und ihre Checklisten haben. Selbst für diese Sünder ist er ans Kreuz gegangen.
Es mag Pharisäern schwieriger gelingen, Jesus wirklich zu erkennen, weil sie sehr selbstgerecht sind. Aber es gibt wunderbare Zeugnisse von Pharisäern, die zum lebendigen Glauben gekommen sind.
Ihr kennt doch Paulus, diesen großen Pharisäer, der so fromm daherkam. Ihm begegnete Jesus auf dem Weg, als er gerade Christen töten wollte. Jesus begegnete ihm und sagte: „Alles wird neu, ich mache alles neu in deinem Leben. Du musst umkehren, ich schenke dir meine Gnade, komm in die Beziehung zu mir, leb mit dem lebendigen Gott.“
Nicht nur der Pharisäer Paulus brauchte das – wir alle brauchen diese Gnade, diesen Jesus so sehr. Wahrscheinlich stehen wir alle in der Gefahr, wie diese Pharisäer zu leben. Das kann jeder nur für sich beantworten. Ich kann für mich klar sagen, dass ich in dieser Gefahr stehe.
Ich habe schon fromme Masken getragen, eigene Regeln aufgestellt, die Gottes Gebot nicht kennt. Ich war schon hartherzig gegenüber Leuten, die meine Hilfe gebraucht haben. Ich bin so dankbar, dass ich in dieser Gemeinde Leute habe, die mich immer wieder fragen: „Hey, wie bist du denn gerade mit Gott unterwegs?“
Gleichzeitig ist es beschämend, in schwierigen Zeiten immer noch den Drang zu spüren, mehr vorzugeben, als wirklich da ist. Das Gebetsleben größer zu machen, als es ist, das Bibellesen größer darzustellen.
Woher kommt das? Es ist das Denken eines Pharisäers.
Gott sagt: „Kehr um, leg das beiseite, es passt nicht zusammen mit der Beziehung zu mir.“
Ich möchte das gerade denen unter uns sagen, die mit Jesus unterwegs sind und mit ihm in einer Beziehung leben: Jesus Christus liebt dich. Aber er liebt dich nicht mehr, wenn du seine Gebote super gut erfüllst. Nein, er liebt dich schon hundert Prozent.
Er liebt dich nicht mehr, wenn du die Gebote super erfüllst. Deshalb solltest du gerade dann, wenn du das Gefühl hast, gut mit ihm unterwegs zu sein, immer wieder demütig zum Kreuz kommen. Gerade wenn du gut unterwegs bist, demütig zum Kreuz kommen und sagen: „Ich weiß, ich habe mir das nicht verdient, Herr. Ich bin von deiner Gnade so abhängig.“
Gerade wenn wir das Gefühl haben, gut unterwegs zu sein, tappen wir am leichtesten in die Falle, wie Pharisäer über andere zu richten.
Jesus liebt dich also nicht mehr, wenn du gut unterwegs bist. Aber er liebt dich auch nicht weniger, wenn du an seinen Geboten scheiterst. Umso demütiger sollten wir immer wieder zu Jesus kommen, ihm unsere Defizite hinhalten und sagen: „Herr, da habe ich versagt, da lebe ich an deinem Wort vorbei. Es tut mir leid, Herr, verändere du mich.“
Das ist der richtige Weg.
Er liebt uns nicht weniger, wenn wir daran scheitern. Es sind seine Baustellen. Wenn du mit Jesus lebst, sind es seine Baustellen. Der Heilige Geist arbeitet an uns, damit wir darin wachsen, seinen Willen mehr zu tun.
Welche Gnade, dass er das tut! Dass er uns nicht ein neues Regelsystem gibt, uns nicht wieder zu Knechten durch das Gesetz macht, sondern dass er uns freisetzt zu einer Beziehung mit sich selbst.
Abschluss: Einladung zur Stille und zum Gebet
Lass uns eine Zeit der Stille nehmen, um noch einmal darüber nachzudenken, wie gut Jesus ist, wie er zu uns gekommen ist und wie er uns freisetzt – frei macht von den Regeln für eine Beziehung mit dem lebendigen Gott.
Ich schließe das dann mit einem Gebet ab.
Herr Jesus, wir danken dir, dass du wirklich alles neu machst. Du bist gekommen, um Sünder zu suchen, und viele von uns hast du mit deiner Liebe und Barmherzigkeit gefunden. Wir bekennen dir, dass wir immer wieder wie Pharisäer leben. Wir ziehen unsere eigenen Zäune hoch, machen deine Regeln enger, als sie sind, und gehen lieblos und hartherzig miteinander um.
Vater, wir wollen dich darum bitten: Verändere du unsere Herzen. Mach uns ganz neu. Lass uns in der Liebe zu dir wachsen, in der Liebe zueinander. Lass uns eine gnädige Gemeinde werden – immer mehr.
Schenk uns, dass unser Leben zeigt, dass wir deine Gnade verstanden haben. Wir danken dir, dass du uns so sehr liebst. Wir wollen dich um deinen Segen für diese Woche bitten, damit wir als fröhliche Nachfolger leben können.
Amen.
Lasst uns gemeinsam aufstehen und ein Lied der Nachfolge singen: "Ein Leben gegeben".