Einführung: Die Macht der Musik und Ablenkung in der Welt
In der antiken Sagenwelt gab es einen Mann namens Orpheus. Er war ein Liedermacher und Dichter. Die Sage erzählt, dass er eines Tages eine Seefahrt unternahm, begleitet von einigen starken Seemännern. Sie segelten über das Meer und erreichten die Insel der Sirenen.
Kennt ihr die Sirenen? Die Sirenen waren eigentlich schreckliche Wesen, die wunderschöne Lieder sangen. Die Seeleute hörten diese Lieder und dachten: „Oh, da wollen wir mal schauen, da wollen wir anlegen.“ In ihrer Verzauberung steuerten die Seeleute ihre Schiffe gegen die Felsen der Insel. Sie alle gingen unter und starben.
Orpheus sagte: „Nicht mit mir!“ Er holte seine Harfe hervor, begann zu spielen und sang ein wunderschönes Lied für die Seeleute. Und ihr glaubt es nicht: Die Seeleute hörten auf diese schöne Musik mehr als auf die Sirenen. So fuhren sie einfach an der Insel vorbei.
Wir kommen gleich zur Bibel. Ich werde jetzt nicht die antiken Sagen auslegen, aber diese Geschichte bereitet uns auf den Psalm vor, das Lied, das wir uns heute anschauen.
Denn wir leben in einer Welt, in der uns viele Dinge von Gott ablenken und wegziehen. Unsere Sinne können dadurch betört werden.
Davids Motivation für Psalm 103: Erinnerung an Gottes Größe
David, der den Psalm 103 geschrieben hat, wusste das auch. Er sagte, er müsse ein Lied schreiben, mit dem er sich immer wieder daran erinnern kann, dass Gott viel schöner ist als alles andere auf dieser Welt. Außerdem wollte er, dass sein Blick klar bleibt und er mit seinem Leben auf Kurs bleibt.
So hat er diesen Psalm geschrieben, Psalm 103, und ich möchte ihn uns vorlesen. Es ist ein wunderbares Loblied auf die Barmherzigkeit und die Gnade Gottes.
David ruft seiner eigenen Seele zu und predigt sich selbst: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünden vergibt und alle deine Gebrechen heilt, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Der Herr tut Recht und Gerechtigkeit allen, die Unrecht leiden. Er hat seine Wege Mose wissen lassen, den Kindern Israel sein Tun. Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. Er wird nicht für immer hadern, noch ewig zornig bleiben. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat.
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. Sofern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten; denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er gedenkt daran, dass wir Staub sind.
Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde. Wenn der Wind darüber geht, ist sie nicht mehr da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr. Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.
Der Herr hat seinen Thron im Himmel errichtet, und sein Reich herrscht über alles. Lobet den Herrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die er seinen Befehl ausrichtet, damit man auf die Stimme seines Wortes hört! Lobet den Herrn, alle seine Heerscharen, seine Diener, die seinen Willen tun! Lobet den Herrn, alle seine Werke an allen Orten seiner Herrschaft! Lobe den Herrn, meine Seele!“
Ein ganz gewaltiges Loblied, das David vermutlich oft gesungen hat, um sich an Gottes Größe und seine Güte zu erinnern.
Aufbau des Psalms: Erinnerung und Verkündigung
Ich muss euch jetzt leider enttäuschen, was das Gottesdienstblatt angeht. Ich habe die Gliederung noch einmal komplett geändert, weil ich mir gedacht habe, dass es weder mir noch euch etwas nützt, wenn ich thematisch predige. Stattdessen gehen wir Abschnitt für Abschnitt durch diesen Psalm. Das macht es deutlich einfacher, ihm zu folgen.
Eigentlich besteht der Psalm aus zwei Teilen. Der erste Teil umfasst die ersten fünf Verse. Hier erinnert sich David an sich selbst. Er sagt zu seiner Seele: „Lobe den Herrn, meine Seele“ und denkt darüber nach, was Gott in seinem Leben getan hat.
Ab Vers sechs bis zum Ende wird er zum Verkündiger, zum Prediger von Gottes Gnade. Dabei ändert sich die Ansprache: Er spricht nicht mehr mit seiner Seele, sondern ruft es uns allen zu – seinem Volk und auch uns. Er sagt: „Schaut, wie groß dieser Gott ist!“ Und...
Die zentrale Botschaft: Vergebung als Grundlage der Dankbarkeit
Das Erste, was wir sehen müssen: Die größte Dankbarkeit, die David in seinem Leben empfunden hat und die er in diesem Psalm zum Ausdruck bringt, ist die, dass Gott ihm alle seine Sünden vergibt. Das zeigt sich besonders in Vers 3: „Lobe den Herrn, meine Seele, der dir alle deine Sünden vergibt.“
Die Bibel ist sehr ehrlich und zeichnet ein klares Bild davon, wie wir Menschen wirklich sind. Sie macht auch deutlich, dass David, von dem es heißt, er sei ein Mann nach Gottes eigenem Herzen gewesen, ein Mann, der vor Gott gefallen hat, zugleich aber auch ein großer Sünder war. Das war David selbst immer wieder bewusst, und er war darüber sicherlich erschrocken.
Viele von euch kennen die Geschichte, die selbst diejenigen kennen, die nicht regelmäßig in den Gottesdienst gehen: Wie David Ehebruch begangen hat. Während seine Armee irgendwo an der Front kämpfte, blieb David als König zu Hause. Auf seinem Palastdach sah er die wunderschöne Frau Bathseba – sie war nicht seine Frau, sondern die Frau von Uriah, einem seiner Feldherren. David dachte sich: „Die will ich haben, die ist schön, bringt sie mir.“ Und so nahm er sie sich und beging Ehebruch.
Als die Frau schwanger wurde und David seine Tat nicht mehr verbergen konnte, schickte er Uriah an die vorderste Front. Ihr kennt das aus den Filmen: An der vordersten Front sterben meistens die Soldaten. David wusste das und ließ Uriah töten, um seine Sünde zu vertuschen. Was für ein Sünder!
Es gibt noch weitere Geschichten in der Bibel, aber diese ist wohl die bekannteste. Zum Beispiel lesen wir in 2. Samuel 24, dass David gegen Gottes Wort ungehorsam war, als er das Volk zählte, obwohl Gott ihm das ausdrücklich verboten hatte. Die Folge davon war, dass 70 Männer ihr Leben verloren. Diese Sünde hatte noch schlimmere Konsequenzen.
David war ein großer Sünder. Doch die Bibel zeigt uns auch, dass Gott diesen Sünder immer wieder überführt hat. David erkannte seine Sünde und sah seine Schuld. Genau das macht ihn zu einem Mann nach Gottes Herzen.
In vielen Psalmen bekennt David seine Schuld. Er sagt: „Herr, ich weiß um meine Sünde, ich sehe meine Schuld, sie ist immer vor mir. Ich sehe, was ich tue, was an deinem Willen vorbeigeht.“ Er erkennt konkret, wie er die Ehe gebrochen hat, obwohl Gott sagt, man soll die Ehe nicht brechen. Er sieht, wie er die Frau seines Nächsten begehrt hat, obwohl Gott sagt, man soll nicht begehren. Er sieht, wie er getötet hat, obwohl Gott sagt, man soll nicht töten.
David hat das alles erkannt und ist immer wieder zu Gott gekommen. Dabei hat er ein Wunder erlebt – und es ist wirklich ein Wunder. Was würden wir mit einem Menschen machen, der so gegen uns sündigt? Vielleicht würden wir sagen: „Weg mit dem! Führt die Todesstrafe wieder ein!“ Aber Gott ist David gnädig. Er nimmt ihn an.
David will das nie vergessen und ruft aus: „Lobe den Herrn, meine Seele, der dir alle deine Sünden vergibt!“ Alles, was er danach lobt, kommt daraus, dass Gott ihn immer wieder angenommen hat. Er sagt weiter: „Der alle deine Gebrechen heilt, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht und dich wieder jung werden lässt wie ein Adler.“
Die heilende Kraft der Gnade Gottes
Das müssen wir in erster Linie so verstehen, dass David erkennt, was er eigentlich für seine Sünde verdient hätte. Er hätte Verderben verdient, er hätte den Tod verdient. Man kann es auch so übersetzen: „der dich aus dem Grab wieder herausholt“. David wusste, dass er das verdient hätte.
„Der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit“ – das hätte er nicht verdient. Die Krone, dass Gott ihn wieder einsetzt als sein Kind und ihn wieder annimmt, hätte er nicht verdient. Er hätte es verdient, verstoßen zu werden.
„Der deinen Mund wieder fröhlich macht“ oder anders übersetzt: „der deine Seele mit Gutem füllt“. David hat versucht, seine Seele mit falschen Dingen zu füllen – mit Frauen, vielleicht auch mit der Macht, an der er sich berauscht hat. Aber Gott sagt: Ich vergebe dir und ich fülle deine Seele mit dem, was du wirklich brauchst – mit meiner Liebe, mit der Beziehung zu mir. Ich schenke dir die Erfüllung, die du dir selbst nicht holen kannst.
„Der dich wieder jung macht, wie ein Adler.“ Ich bin kein Vogelexperte, aber das habe ich diese Woche gelernt: Adler werfen alle paar Jahre oder manche sogar nur ein- bis zweimal in ihrem Leben ihre kompletten Federn ab. Sie mausern sich. Ihre Federn sind abgenutzt, und mit ihnen können sie nicht mehr gut fliegen. Dann werfen sie die alten Federn ab und bekommen ein neues Federkleid. Sie werden erneuert, wieder jung – wie ein Adler. Das meint David hier.
Das ist in erster Linie etwas, was in seiner Seele passiert. Er singt seiner Seele zu. Das kommt von innen, denn David ist auch älter geworden. Wir lesen in der Bibel sogar von Davids Ende, wie er schwach auf seinem Totenbett liegt und ihn nicht einmal mehr eine Jungfrau erfreuen kann, wie die Bibel berichtet. Aber in seinem Herzen, in seiner Seele war er frisch. Er war erfüllt von dieser Beziehung zu Gott.
Das war er, weil er wusste, dass Gott einen viel weiteren Blick hat. Gott hat einen viel weiteren Horizont als dieses Leben auf der Erde. Das Leben ist nicht vorbei mit meinem Tod. In seiner Seele war er weiter frisch.
Ermutigende Beispiele aus dem Leben
Er musste diese Woche oft daran denken. Ja, das sehen wir auch immer wieder bei älteren Geschwistern, auch in der Gemeinde. Ich habe zum Beispiel an Gisela Schürmann gedacht, die uns vor einiger Zeit verlassen hat. Bei ihr hat man das deutlich gespürt.
Sie war eine alte Frau, die nicht mehr viel sehen konnte und schlecht hörte. Sie saß hier in der ersten Reihe und hat, wenn ich laut gepredigt habe, gefragt: „Geht das noch lauter?“ Aber sie hatte eine Freude im Herzen, wie ein Kind. Wirkliche Erfüllung und Erfrischung in der Seele.
David hat das ebenfalls erlebt. Er sagt, das will er nie vergessen, und das dürfen wir auch nicht vergessen. Denn es kommen ja auch andere Zeiten.
Letzten Sonntag haben wir von jemandem gehört, der wirklich in der Finsternis zu Gott betet. Auch das darf sein. Dieses Lied ist ein besseres Lied, das uns immer wieder vor Augen hält, was Gott für uns getan hat und das unsere Freude groß macht.
Weil David das selbst so eindrücklich in seinem eigenen Leben erfahren hat, kann er in den nächsten Versen auch zum Prediger von Gottes Gnade und Liebe werden. Er tut das, indem er es dem Volk Israel predigt.
Das ist nicht nur etwas, das David für sich erlebt hat, sondern etwas, das jeder erfahren kann. Denn so ist Gott, so entspricht es seinem Charakter, dass er mit Sünde und unseren Verfehlungen umgeht.
Gottes Gnade als Rettung für das Volk Israel und uns
David erinnert zunächst sein Volk daran, dass der Herr in Vers 6 für Herrschaft, Gerechtigkeit und Recht für alle sorgt, die Unrecht leiden. Genau das war die Erfahrung, die Israel gemacht hatte. Sie waren in Gefangenschaft und Sklaverei in Ägypten gewesen und hatten dort zu Unrecht gelitten. Dann hat Gott sie daraus befreit und ihnen gezeigt, wer er ist: der Rettergott, der Menschen seine Gnade schenkt und sie errettet.
David sagt, dass Gott sich dem Volk, dem Mose und dem Volk Israel, bereits so vorgestellt hat. Er bezieht sich hier auf Exodus 34, wo Gott selbst sagt: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.“ Das ist nicht nur Davids persönliche Erfahrung, sondern der Charakter und das Wesen Gottes.
Man kann diese Worte in diesem Psalm kaum noch besser predigen, als sie dort stehen. Ich empfehle jedem, diesen Psalm heute noch einmal für sich nachzubeten oder in dieser Woche mitzunehmen. David erinnert sein Volk – und auch uns – daran, was dieser gnädige Gott tut.
Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unserer Missetat. Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. Sofern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsere Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten.
Die Bilder, die David hier verwendet, sind extrem eindrücklich. Er sagt: So hoch der Himmel über der Erde ist. Schon damals wusste David, dass der Himmel hoch ist. Heute schicken wir Raketen dorthin, und sie fliegen immer weiter, ohne Ende. Und doch gibt es immer noch mehr Himmel. So grenzenlos ist Gottes Gnade und seine Güte.
Und sofern der Morgen ist vom Abend – Morgen und Abend sehen sich nie direkt, dazwischen liegt immer der Tag und die Nacht. So fern lässt Gott unsere Missetaten von uns sein, also die Zeiten, in denen wir Gottes Wort und seine Gebote missachtet haben.
Der Prophet Micha sagt passend dazu: „Er versenkt unsere Sünden ins Äußerste Meer.“ Sie sind weg. Gott bewahrt sie nicht in einem Tresor, um sie irgendwann wieder herauszuholen und Anklage gegen uns zu erheben. Alles ist getilgt.
Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten. Jesus selbst hat dieses Wort vom Vater aufgegriffen und die herzbewegende Geschichte vom verlorenen Sohn erzählt. Dieser Sohn sagt zu seinem Vater: „Ich will das Erbe.“ Dann verprasst er das ganze Geld. Doch irgendwann kehrt er zurück, weil er erkennt, dass er alles falsch gemacht hat.
Anstatt ihn zu bestrafen und ihm das zu geben, was er verdient hätte, was wirklich gerecht gewesen wäre, rennt der Vater ihm mit offenen Armen entgegen. Er sagt: „Das ist alles gut, ich freue mich so, dass du wieder hier bist.“
Wie sich ein Vater erbarmt, so erbarmt sich Gott über unsere Schuld. Das galt damals, und das gilt bis heute.
Zeugnisse von Gnade und Umkehr
Ich liebe Geschichten von Menschen, die ein offensichtlich kaputtes und zerstörtes Leben geführt haben, die weit von Gott entfernt waren und dann dennoch Gnade erfahren haben. Denn Gottes Wesen ist Gnade und Barmherzigkeit.
Vor einiger Zeit bin ich auf einen Mann namens Wilhelm Bunz gestoßen. Schon als kleiner Junge im Kindergarten hat er versucht, seine Schwester in der Badewanne zu ersäufen, weil er sie so sehr hasste. Im Kindergarten wurde er gefragt: „Was willst du mal werden?“ Alle anderen antworteten: „Architekt“, „Zimmermann“ oder Ähnliches. Wilhelm Bunz sagte: „Wenn ich groß bin, werde ich Gangster.“ Und er tat alles dafür, um tatsächlich ein Gangster zu werden.
Als Jugendlicher hat er einen Polizisten totgefahren. Als Erwachsener hat er einem Mann den Kopf an der Bordsteinkante zertrümmert und ihn getötet, weil er ihn genervt hatte. Für diese Tat kam Wilhelm Bunz lange ins Gefängnis.
Im Gefängnis begann er, die Bibel zu lesen – allerdings nicht aus großem Interesse, sondern weil er rauchen wollte. Das Zigarettenpapier war dort nämlich sehr günstig. Er ließ sich vom Pfarrer eine Bibel schenken und sagte: „Jetzt verspott ich Gott noch mehr.“ Er las immer eine Seite, meistens das ganze Alte Testament, riss die Seiten heraus und rauchte Zigaretten daraus. „Siehst du, Gott?“, sagte er.
Dann kam er zum Neuen Testament. Irgendwann verstand er, dass er diesen Gott braucht und Vergebung für seine Sünden benötigt. Das Erstaunliche war, dass auch er mit seiner kaputten Biografie und seiner großen Schuld – die nicht nur ihm bewusst war, sondern auch in den Anklageakten dokumentiert war – gerechtfertigt werden kann. Er kann Gottes Gnade empfangen, und Gott erbarmt sich auch über ihn.
Wilhelm Bunz wurde zu einem großen Verkündiger dieser Gnade. Es gibt so viele solcher Geschichten.
Die Gefahr der Selbsttäuschung und die Notwendigkeit der Selbsterkenntnis
Wenn du merkst, dass deine Sünde vor dir liegt und du es aus deinem eigenen Leben weißt, gibt es Situationen, in denen du denken kannst: Gott wird mit allen anderen Sünden fertig, aber nicht mit meiner Sünde. Sie ist ihm zu groß. Glaub das nicht! Keine Schuld ist ihm zu groß. Er vergibt.
Andere von uns haben vielleicht ein ganz anderes Problem: Wir sagen, ich sehe ja gar nicht meine Schuld. Ich sehe das gar nicht. Und es sind die Sirenenrufe auch in unserer Zeit. Ich bin groß geworden, und da hat man mir zugerufen: Die Menschen sind gut, du hast ein gutes Herz, du bist ein guter Kerl. Das hat man uns in der Schule erzählt, und das prägt uns natürlich. Unsere ganze Kultur sagt uns, dass wir keine Sünde haben, dass wir das gar nicht nötig haben, dass Gott uns vergibt.
Wenn du dann gutbürgerlich groß wirst und eigentlich alles ganz anständig ist, dann siehst du das manchmal nicht. Aber ich bitte dich, dass du dich auch immer wieder an Gottes Wort prüfst. Jesus sagt: Gott hat ganz andere Maßstäbe, als wir sie haben. Es reicht nicht, dass wir einfach anständig sind und niemanden umbringen. Es reicht nicht, dass wir nur in unseren Gedanken manche Dinge tun und sagen, wir sind doch gar nicht so schlecht.
Jesus sagt: Alles, was sich auch in unseren Herzen abspielt, ist Sünde, wenn es gegen Gottes Willen ist – alles. Wer das nicht glaubt, der muss nur die Bergpredigt lesen. Das ist eigentlich der einfachste Test. Lies Matthäus 5 bis 7. Das war übrigens auch der Abschnitt, in dem Wilhelm Bunz erkannte, dass er Gott braucht. Dort sehen wir, was Gottes Maßstäbe sind und dass wir alle daran vorbeileben. Wir brauchen diese Gnade so sehr.
Das heißt, wenn du sagst, ich merke das eigentlich, aber ich glaube nicht, dass Gott die Gnade hat, dann vertraue: Er hat die Gnade. Und wenn du sagst, ich sehe überhaupt nicht, dass ich Sünde habe, dann prüfe dein Herz und lass nicht locker. Dieses Lied kann nur der fröhlich singen, der erkennt: Ja, auch ich habe Sünde. Und zwar nicht nur im allgemeinen Sinn, sondern ganz konkret. Ich habe hier gegen Gottes Willen verstoßen. Ich habe daran vorbeigelebt.
Wir müssen das wissen. Es gab mal eine Zeit, in der die Menschen abends ein Abendgebet beteten und Gott um ihre Sünden, ganz konkret um Vergebung baten. Ich glaube, diese Praxis ist in unserer Zeit nicht mehr so verbreitet. Aber wenn wir das tun würden, würden wir viel mehr Freude am Evangelium bekommen. Wir würden viel mehr Freude daran haben, dass Gott uns mit all unserer Schuld annimmt.
Wir würden mit viel mehr Freude zum Kreuz kommen, wo Jesus, Gottes Sohn, alle unsere Schuld hingetragen hat. Dort ist er gestorben für unsere Sünde und für unsere Übertretungen – nicht nur für die in der Vergangenheit, sondern auch für all das, wo wir heute noch an Gottes Willen vorbeileben.
Wenn du das siehst, dann kannst du dich umso mehr darüber freuen. Aber eigentlich erst dann. Denn so ein allgemeines „Ich bin ein Sünder“ macht dich nicht besonders froh. Aber diese Erkenntnis, die es wirklich um mein Herz bestellt, die macht mich froh, wenn ich dann aufs Kreuz schaue.
Ich erkenne auch meine Schuld als für immer weg – für immer mit Jesus im Grab. Nicht im Tresor, sondern Gott hält mir das nicht mehr vor. Es ist weg.
Wie David müssen wir wissen, dass das die erste Botschaft ist, die wir brauchen. Viele von uns lesen auch diesen Psalm und fühlen sich vielleicht mehr zu den anderen Worten hingezogen: „Der heilt alle deine Gebrechen.“ Wenn wir dann mit unseren kaputten Knien durch diese Welt laufen, mit dem krummen Rücken und noch viel schlimmeren Dingen, sehnen wir uns oft vielleicht zuerst danach statt nach der Sündenvergebung, die dich wieder jung macht.
Gott sagt: Alles zu seiner Zeit. Auch für diese Not habe ich eine Antwort. Und David, der Prediger, greift das jetzt wieder auf.
Die Vergänglichkeit des Menschen und die ewige Gnade Gottes
Er sagt: Schaut mal, was wir Menschen sind (Vers 14). Gott weiß es, und Gott sieht es. Er weiß, was für ein Gebilde wir sind, und er gedenkt daran, dass wir Staub sind.
Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Feld. Wenn der Wind darüber geht, ist er nicht mehr da, und ihre Städte kennt niemand mehr.
Das sind traurige und nachdenkliche Verse. David denkt über unsere Endlichkeit nach. Das ist vielleicht die große Not, die Menschen auch in unserer Gesellschaft erleben. Vielleicht macht es dir Sorgen, wenn du daran denkst, dass dein Leben vergänglich ist, dass du bist wie diese Blume, die kurz aufblüht und dann vom Wind verweht wird.
Das ist etwas, woran Menschen leiden. Wir sehen das in unserer Gesellschaft zum Beispiel daran, dass Menschen wirklich kämpfen wie Bären, um ihrer Vergänglichkeit zu entgehen. Sie schleppen sich ins Fitnessstudio und stopfen sich voll mit gesundem Essen. In den Artikeln schwingt meistens der Ton mit: So kannst du länger gesund bleiben, so kannst du eigentlich länger leben.
Aber wir erlösen uns dadurch nicht. Wir bleiben vergänglich, und wir wissen es. Es wird auch daran deutlich, dass wir den Tod weit von uns schieben, diese Vergänglichkeit. Es gibt Menschen in meinem Alter, die haben noch nie einen Toten gesehen. Wir wollen es nicht wissen, wir halten das von uns fern. Aber es bleibt ja doch bestehen: Wir sind vergänglich.
Dann sagt David: Aber Gott ist es nicht, und die, die zu ihm gehören, sind es auch nicht. Denn die Gnade des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.
Wenn die Gnade des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen währt, die ihn fürchten und auf Jesus vertrauen, dann müssen diese auch ewig leben. Sonst wäre das per Definition nicht möglich.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit währt seine Gnade über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind. Über alle Generationen gilt das.
Wer auf ihn vertraut, der lebt ewig! Das hilft uns, meine Lieben. Es hilft uns nicht nur als Vertröstung für irgendwann, sondern es kann uns jetzt schon wirklich froh machen.
Zeugnis einer Frau: Freude trotz Krankheit durch Gott
Ich habe vor kurzem das bewegende Zeugnis einer Frau gehört, beziehungsweise in einer Doku gesehen. Diese Frau hatte alles, was man sich nur vorstellen kann: Krebs, ein Herzleiden und einen kaputten Magen, der nicht mehr funktionierte. Sie musste über eine Sonde ernährt werden – ein Schlauch, der durch die Nase direkt in den Magen führte. Sie musste sich selbst ihr Trinken und Essen spritzen.
Erst in der Krankheit hat sie Jesus wirklich als ihren Herrn erkannt. Und dann sagt dieses lebende, wandelnde Elend – wenn man sie von außen betrachtet –, Folgendes: „Ich will nicht mehr zurück in das alte Leben, in dem es nur um Fitness und oberflächliche Schönheit ging. Ich will da nicht mehr hin zurück.“
Stattdessen sagt sie: „Wenn ich jetzt morgens aufwache, dann brauche ich Gott, ich brauche ihn, um durch den Tag zu kommen. Dadurch ist mein Leben besser geworden und nicht schlechter.“ Auch wenn es für Leute, die von außen darauf schauen, schlimmer aussehen mag, ist es das nicht.
„Ich habe heute so viel mehr Freude, als ich jemals zuvor hatte. Es ist Gnade, dass ich das empfinden darf. Es ist Gottes Gnade, dass Gottes Wirken in einem Menschen spürbar wird, der verstanden hat: Dieses Leben ist endlich, dieses Leben ist vergänglich. Ich gehe auf den Tod zu, es gibt Krankheit in dieser Welt. Aber Gott ist da. Gott tröstet meine Seele. Gott macht mich innerlich froh, auch wenn äußerlich alles kaputtgeht. Und Gott erwartet mich in seiner herrlichen Ewigkeit. Das macht mich hier und heute froh.“
Die Hoffnung auf die endgültige Erlösung und Gottes Herrschaft
Wie ins Stammbuch schreiben, dass wir uns das immer wieder vor Augen halten sollten, weil wir uns in unserer Gesellschaft so leicht täuschen lassen. Wir glauben oft dem Sirenengesang, dass wir dem Tod irgendwie entfliehen können. Doch das können wir nicht.
Und doch können wir es, indem wir unser Leben ganz Jesus anvertrauen und auf diese Ewigkeit zuleben. Wir haben zuvor schon in der Offenbarung gehört, wie dort die Schar der Engel und die Schar der Menschen, die Jesus als Herrn kannten, ihn loben.
Später lesen wir weiter in der Offenbarung, dass der Tag kommt, an dem Gott wirklich alles Leid beseitigt. An dem er alle Tränen trocknet, an dem der Schmerz nicht mehr sein wird. An dem der Tod, den wir so fürchten und so hassen, weg ist. Diese Strafe über diese Welt wird beseitigt, der Fluch ist weg.
Was für ein Tag, dem wir entgegenleben! David sagt: Wer das verstanden hat, wer es verinnerlicht hat, wer es seiner eigenen Seele predigt, der kann einstimmen. Er kann gar nicht anders, als einzustimmen in dieses Lob, diesen ganz großen Lobpreis am Ende des Psalms, wo er sagt: „Der Herr hat seinen Thron im Himmel errichtet.“
Das heißt, nichts in dieser Welt, auch wenn es uns manchmal so erscheint, ist ihm entlaufen. Der Herr hat seinen Thron im Himmel errichtet. Dort sitzt er – das ist die unsichtbare Welt, die wir noch nicht vor Augen haben. Doch die Bibel zeigt es uns: Der Herr sitzt über dieser Welt, er thront, er herrscht, er regiert gut.
Darum die Engel und die Herrscharen. Das sind wahrscheinlich diejenigen, die uns schon vorausgegangen sind, denn David redet hier nicht ständig über Engel, sondern auch über seine Diener. Das sind die, die im Glauben gestorben sind und hingegangen sind. Sie loben ihn!
Die ganze Schöpfung ist ein Fingerzeig auf Gott und sagt: Gott ist gut, Gott ist gnädig, Gott ist gerecht, Gott ist barmherzig. Und David sagt: Das sollen nicht nur die tun, das sollen auch wir tun.
Wir stimmen mit ein. Das ist wirklich der letzte Vers: „Lobe den Herrn, meine Seele.“ Es muss jeder für sich und es darf jeder für sich mitsingen.
Dann geht es eigentlich von vorne los. Wir werden zu Zeugen, die das bezeugen, was David uns bezeugt hat. Und wir sagen anderen wieder, wie gut und wie barmherzig dieser Gott ist.
Schlusswort: Dankbarkeit und Lobpreis als Lebenshaltung
Eine Freundin von mir hat einmal gesagt, ihre Oma habe immer diesen Spruch gesprochen: Danken schützt vor Wanken, und Loben zieht nach oben. Und so ist es.
Umso mehr gilt das, wenn wir uns nicht nur die Kleinigkeiten vor Augen halten. Wir sagen ja oft: Ja, man muss auch für die kleinen Dinge dankbar sein. Aber wir Christen dürfen auch für die großen Dinge dankbar sein – und für diese sogar noch mehr.
Wir dürfen dankbar sein dafür, dass Gott mir ganz persönlich – mir, Matthias, und jeder kann das für sich durchbrechen – in Christus alle meine Sünden vergibt. Dass er mich zu einem neuen Leben befreit und für seine Ewigkeit bereit macht. Lobe den Herrn, meine Seele! Amen!
Vater, dafür wollen wir dich wirklich von Herzen loben und preisen. Gerade in unserer Gesellschaft gibt es viele, die nicht mit dem Tod umgehen können, die keine Antworten darauf haben und verzweifelt versuchen, sich selbst zu erlösen. Doch du zeigst uns, dass du die Antwort bist!
Bei dir finden wir das, was wir brauchen: Vergebung für unsere Sünden, damit wir wieder zu dir kommen können, Heilung für all unsere Gebrechen und sogar für den Tod. Wir danken dir, dass wir auf den Tag zugehen, an dem du uns den Schmerz nimmst, uns die Tränen abwischst und an dem wir ewig mit dir in deiner Herrlichkeit leben werden.
Führe uns das immer wieder vor Augen, auch gerade dann, wenn wir an dieser Welt leiden. Ermutige uns neu und hilf uns, dass wir dieses Lied selbst singen: Lobe den Herrn, meine Seele! Amen.