Einführung in die Apostelgeschichte und ihre Bedeutung
Das Thema des heutigen Bibelstudientages heißt „Auf den Spuren der ersten Christen – die Apostelgeschichte neu erlebt“. Wir wollen uns also mit der Apostelgeschichte beschäftigen und damit mit den ersten drei Jahrzehnten der Weltmission.
Die Apostelgeschichte berichtet uns über die Jahre 32 bis 62 nach Christus. Sie ist im Grunde ein Kirchengeschichtsbuch, also ein Geschichtsbuch über die Frühzeit der Christen. Es gibt viele Kirchengeschichten und Kirchengeschichtsbücher, aber dieses Buch ist ganz besonders. Es ist das einzige, das inspiriert ist, das einzige, das durch den Heiligen Geist selbst so eingegeben wurde.
Wenn wir uns Gedanken über die Stellung der Apostelgeschichte innerhalb der Bibelbücher machen, erkennen wir Folgendes: Erstens ist die Apostelgeschichte eigentlich ein Fortsetzungswerk, und zwar des Lukas-Evangeliums. In Apostelgeschichte 1,1 lese ich gerade die ersten zwei Verse, in denen es heißt: Nachdem er den Aposteln, die er sich auserwählt hatte, durch den Heiligen Geist Befehl gegeben hatte.
Hier bezieht sich der Schreiber der Apostelgeschichte auf einen ersten Bericht, den er bereits an Theophilus geschrieben hatte. Dieser Bericht handelt vom Leben und Dienst Jesu bis zu seiner Himmelfahrt. Nun, ...
Die Apostelgeschichte als Fortsetzung und Brücke
Wenn wir das Lukasevangelium aufschlagen, lesen wir:
„Da es ja viele unternommen haben, eine Erzählung von den Dingen, die unter uns völlig geglaubt werden, zu verfassen, so wie es uns die überliefert haben, welche von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, vortrefflichster Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, auch damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in welchen du unterrichtet worden bist.“
Hier sehen wir, dass das Lukasevangelium an Theophilus gerichtet ist. Er wird ausdrücklich als „vortrefflichster Theophilus“ angesprochen. Diese Anrede war damals üblich für hochstehende Personen. Zum Beispiel wurde ein Landpfleger in der Apostelgeschichte mit „vortrefflichster Felix“ angesprochen. Somit handelt es sich bei Theophilus um eine sozial sehr hochgestellte Person, an die das Evangelium gerichtet ist.
Das Lukasevangelium erzählt die Geschichte Jesu bis zu seiner Himmelfahrt. Das Matthäusevangelium erwähnt die Himmelfahrt beispielsweise nicht. Das Lukasevangelium endet genau an dem Tag, an dem Jesus aufgenommen wurde. An diese Stelle setzt die Apostelgeschichte an und führt die Geschichte darüber hinaus weiter.
Damit ist die Apostelgeschichte ein Fortsetzungswerk des Lukasevangeliums. Gleichzeitig bildet sie eine Brücke – nicht nur vom Lukasevangelium, sondern von den vier Evangelien hin zu den 21 Briefen des Neuen Testaments. Hier haben wir also das Bindeglied zwischen den Evangelien und den Briefen.
Wir werden noch sehen, wie wichtig die Apostelgeschichte gerade auch für das Verständnis der Briefe im Neuen Testament ist. Sie hilft, deren Hintergründe sowie ihre zeitliche und geschichtliche Einordnung zu verstehen. Somit ist die Apostelgeschichte ein Fortsetzungswerk und eine Brücke zugleich.
Die besondere Stellung der Apostelgeschichte im Kanon
Drittens nimmt die Apostelgeschichte eine sehr ungewöhnliche Stellung ein. Sie bildet nämlich den fünften Teil der Bibel. Doch wie kommt man darauf?
Das Alte Testament ist dreigeteilt. Die Juden unterscheiden das Gesetz, die Propheten und die übrigen Schriften, die normalerweise mit den Psalmen beginnen. Genau diese Einteilung macht der Herr Jesus in Lukas 24,27 und 44. Er spricht über das Gesetz, die Propheten und dann die Psalmen, die für den dritten Teil, die Schriften, stehen, weil sie am Anfang stehen.
Das Neue Testament ist viergeteilt. Der Herr Jesus sagt in seinen Abschiedsreden in Johannes 14,26: „Der Heilige Geist wird kommen, und er wird euch erinnern an alles, was ich euch gesagt habe.“ Diese Erinnerung hat sich in der Abfassung der inspirierten vier Evangelien niedergeschlagen.
In Johannes 15,26 heißt es: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, so wird er von mir zeugen; aber auch ihr werdet zeugen, weil ihr von Anfang an bei mir seid.“ Hier haben wir das Zeugnis des Heiligen Geistes über Jesus und das damit verbundene Zeugnis der Jünger, der Apostel Jesu. Dieses Zeugnis hat sich im inspirierten Bericht der Apostelgeschichte niedergeschlagen. Dort finden wir das Zeugnis des Heiligen Geistes und der Apostel über den Herrn Jesus Christus.
In Johannes 16,12 sagt der Herr: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten.“ Dies hat sich besonders in der Abfassung der einundzwanzig Lehrbriefe im Neuen Testament ausgewirkt. Hier entfaltet sich die volle Wahrheit. Viele Belehrungen, die in den Evangelien noch nicht mitgeteilt wurden, werden durch die Briefe offenbart.
So haben wir also die volle Wahrheit, in die der Heilige Geist leitet. Wenn wir den Satz noch weiterlesen: „Denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was immer er hören wird, wird er reden. Und das Kommende wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen.“
Die Offenbarung ist das einzige durch und durch prophetische Buch im Neuen Testament. Es gibt viele prophetische Abschnitte im Neuen Testament, aber ein Buch, das vollständig prophetisch ist, haben wir nur in der Offenbarung. Dort wird uns das Kommende verkündigt.
So können wir das Neue Testament einteilen: die Evangelien – die Erinnerung, die Apostelgeschichte – das Zeugnis, die Lehrbriefe – die Wahrheit und die Offenbarung – das Kommende. Das ergibt eine Vierteilung. Zusammen mit dem Alten Testament ergibt das eine Siebenfach-Einteilung.
Die Zahl sieben ist auch die Zahl der Vollkommenheit und Vollendung. Damit ist die Offenbarung Gottes an uns Menschen völlig abgeschlossen.
Damit sehen wir, dass die Apostelgeschichte eine besondere Stellung einnimmt. Normalerweise besteht ein Bibelteil aus mehreren Büchern. Wir haben zwei Ausnahmen: die Apostelgeschichte und die Offenbarung. Hier stellt ein einzelnes Buch gleich einen ganzen Bibelteil dar. Das verleiht der Apostelgeschichte ein ganz besonderes Gepräge.
Autorenschaft und historische Genauigkeit der Apostelgeschichte
Nun fragen wir uns: Wer ist der Autor? Wir haben gesehen, dass es der gleiche Autor ist, der auch das Lukasevangelium geschrieben hat. Dies wird durch die Zeugnisse der alten Kirche bis ins zweite Jahrhundert sehr stark und deutlich bezeugt. Lukas ist der Schreiber, und er war von Beruf Arzt.
In Kolosser 4,14 heißt es: „Da schickt der Apostel Paulus aus Rom Grüße, es grüßt euch Lukas, der geliebte Arzt.“ Er war Arzt, und das zeigt sich besonders in seinem Evangelium. In keinem anderen Evangelium wird so oft über Menschen gesprochen, über kranke Menschen und Menschen am Rande der Gesellschaft – also Arme, Bedrängte und Mittellose. Das drückt genau die Gesinnung eines guten Arztes aus, der für diese Menschen ein besonderes Empfinden hat.
Aber Doktor Lukas war ein spezieller Arzt. Eine kleine Anekdote: Ein Bekannter von mir, ein Theologieprofessor, erzählte, dass seine kleine Tochter, als sie noch klein war, von ihren Mitschülern gefragt wurde, ob ihr Vater Doktor sei. Die Kinder sagten: „Oh, das ist toll, dann können wir mal zu deinem Vater kommen, wenn wir krank sind oder uns nicht gut fühlen.“ Die Tochter antwortete: „Nein, nicht so ein Doktor, ein Sündendoktor.“
Das war eben Lukas, der Arzt. Er war nicht nur ein Doktor, der Wunden verbindet, sondern ein Sündendoktor. Er erkannte das tiefe Problem des Menschen: Nur durch das Kommen, Sterben und Auferstehen des Herrn Jesus kann Heilung geschehen. Das drückt sich im Lukasevangelium aus.
In der Apostelgeschichte geht es darum, wie diese Botschaft des Heils in Christus in alle Welt hinausgeht. Deshalb passt es wunderbar, dass ausgerechnet Lukas, dieser Sündendoktor, dieses Buch geschrieben hat.
Vielleicht ist uns bei der Einleitung zum Lukasevangelium aufgefallen, dass Lukas auch ein Historiker war. Er schreibt dort, dass er den Augenzeugen genau nachgegangen sei und alles von Anfang an sorgfältig erforscht habe. Das heißt, er ging systematisch vor wie ein Historiker, der alles verfügbare Material sammelt und daraus sein Buch verfasst.
Interessant ist, dass die moderne Archäologie und Geschichtsforschung im Detail überwältigend nachweisen konnten, wie präzise dieser Historiker berichtet. Sogar in den nebensächlichsten Details stimmt alles genau. Lukas war wirklich ein Historiker, dem es wichtig war, genau zu zeigen, wie diese Dinge in Raum und Zeit geschehen sind.
Zum Beispiel erwähnt Lukas ganz genau in Lukas 3, zu welcher Zeit und unter welchem Kaiser – nämlich Tiberius – der Dienst von Johannes dem Täufer begann. Er nennt auch, wer damals Landpfleger war, wer hoher Priester war und so weiter. Die Datierungen sind im Detail sehr genau.
Die Bücher – das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte – sind voll von Personen, die wir aus der Geschichte kennen. Auf dem zweitletzten Blatt, zum Beispiel unter „Streiflichter aus Archäologie und Geschichte“, habe ich nur einige aufgelistet. So erwähnt er drei hohe Priester: Caiaphas, Annas und Ananias. Außerdem viele Könige; ich habe aus der Fülle nur drei aufgeführt: Herodes Antipas, Herodes Agrippa I. und Herodes Agrippa II.
Er nennt eine ganze Reihe von Prokuratoren von Judäa, nämlich Pilatus, Felix und Festus. Er erwähnt vier Kaiser, von denen ich hier auf dem Blatt nur zwei aus der Apostelgeschichte aufgeführt habe: Augustus, Tiberius, Claudius und Nero. Auch Prokonsule wie Sergius Paulus und Gallio werden genannt.
Unter berühmten Rabbinern erwähnt er besonders Gamaliel. Weltgeschichtliche Ereignisse werden ebenfalls erwähnt, wie zum Beispiel die Hungersnot im Römischen Reich ab dem Jahr 47 oder die Ausweisung der Juden aus Rom durch Kaiser Claudius. Und so könnte man weitergehen – es gibt eine ganze Fülle an Ereignissen, die richtig in die Zeitgeschichte eingebettet sind.
Wenn an diesen Angaben etwas nicht stimmen würde, wäre das das Dümmste, was ein Schreiber tun könnte, denn diese Zeitangaben lassen sich leicht nachprüfen. Bei Mythen und Märchen ist das nicht wichtig. Dort beginnt es oft mit „Es war einmal“, und man weiß nicht, wo, wann und wer genau beteiligt war.
Ganz wichtig ist aber, dass diese Ereignisse in Raum und Zeit als Tatsachen geschehen sind. Deshalb ist auch der Tod und die Auferstehung Jesu so wichtig: Sie sind an einem ganz bestimmten Moment in der Geschichte passiert. Das ist nicht einfach etwas Symbolisches, das nur in der Erinnerung der Menschen weiterlebt, wie es die liberale Theologie bis zur totalen Auflösung des Christentums dargestellt hat.
Die Apostelgeschichte betont immer wieder in den Predigten: Am dritten Tag ist er auferstanden. Die Tatsache der Auferstehung wird speziell hervorgehoben.
Lukas als Nicht-Israelit und Mitarbeiter des Paulus
Lukas ist der einzige Bibelautor, von dem wir wissen, dass er kein Israelit war. Das ist schon bemerkenswert. Wie kommt man darauf? Neben außerbiblischen Hinweisen gibt es auch einen biblischen Hinweis, den ich hier anführe.
In Kolosser 4,12-14 teilt Paulus Grüße von drei Personen mit. In den Versen 10-11 erwähnt er Aristarchus, Markus und Justus. Von diesen sagt er am Ende von Vers 11: „Diese allein sind Mitarbeiter am Reich Gottes“. Außerdem nennt Paulus Justus und die anderen als „die aus der Beschneidung“. Das bedeutet, diese drei sind Juden.
Ab Vers 12 folgt eine weitere Gruppe von drei Personen, die Grüße übermitteln: Epaphras, Lukas und Demas. Diese sind nicht aus der Beschneidung, also keine Juden. So haben wir drei aus der Beschneidung und drei, die nicht aus der Beschneidung sind.
Diese Tatsache wird auch außerbiblisch bestätigt. Sie erklärt uns das Interesse von Lukas am Evangelium, das die Grenzen Israels sprengt. Das Evangelium ist also nicht auf das jüdische Volk beschränkt, sondern geht darüber hinaus.
Schon im Lukasevangelium ist dieses Thema ein roter Faden: Die Gnade Gottes geht über Israels Grenzen hinaus. In der Apostelgeschichte wird dann gezeigt, wie diese Botschaft zu allen Völkern getragen wird. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.
Noch etwas zur Person von Lukas: Er war Mitarbeiter des Apostels Paulus. Das zeigt sich in den sogenannten „Wir-Berichten“ in der Apostelgeschichte. In Apostelgeschichte 16,10 heißt es plötzlich „wir“. Zuvor schreibt der Autor über Paulus und seine Mitarbeiter in der dritten Person, also „sie“. Doch ab Apostelgeschichte 16,10 wechselt die Erzählperspektive auf „wir“.
Lesen wir ab Vers 6 oder 8 einen Teil: „Sie durchzogen Phrygien und die galatische Landschaft, nachdem sie vom Heiligen Geist verhindert worden waren, das Wort in Asien zu predigen. Als sie aber an Mysien vorbeizogen, gingen sie nach Troas hinab. Es erschien Paulus in der Nacht ein Gesicht: Ein gewisser mazedonischer Mann stand da und bat ihn: ‚Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!‘ Als Paulus das Gesicht gesehen hatte, suchten wir alsbald nach Mazedonien abzureisen, da wir schlossen, dass der Herr uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen.“
Das plötzliche und unvermittelte Wechseln auf „wir“ zeigt deutlich, dass Lukas nun mit dabei ist. Diese „Wir-Berichte“ begleiten den Bericht der Gemeindegründung in Philippi bis zum Ende von Kapitel 16.
In Apostelgeschichte 16,40 heißt es: „Als sie aber aus dem Gefängnis herausgegangen waren, nämlich Paulus und Silas, gingen sie zu Lydia. Als sie die Brüder gesehen hatten, ermahnten sie sie und gingen weg.“ Danach reist Paulus weiter durch Amphipolis und Apollonia nach Thessalonich. Ab diesem Zeitpunkt wird wieder in der dritten Person berichtet, also „sie“.
Es wird also deutlich, dass Lukas in der Zeit von Troas bis Philippi dabei war. Er erwähnt das jedoch gegenüber Theophilus nicht direkt. Er sagt nicht: „Du, ich bin dazu gestoßen, und dann haben wir dort gemeinsam evangelisiert.“ Vielmehr bleibt er diskret und zurückhaltend. Seine Person steht nicht im Vordergrund.
Das ist sehr eindrücklich. Lukas schreibt auch nicht: „Theophilus, ich blieb in Philippi und habe dort Gemeindeaufbau betrieben.“ Kein Wort davon. Natürlich hat er das getan, aber es gibt einen guten Grund für diese Diskretion.
Doktor Lukas blieb in Philippi, weil die Stadt etwas Besonderes war. Sie hatte einen speziellen Bürgerstatus, vergleichbar mit einer italienischen Stadt. Die Bürger von Philippi waren steuerbefreit. Das war nicht schlecht.
In Philippi lebte ein großer Prozentsatz von Menschen höherer sozialer Schicht, darunter auch ausgediente Legionäre, sogenannte Veteranen. Für diese Art von Leuten war es ideal, dass der Arzt Lukas dort tätig war.
Er hätte seine Arbeit auch in Korinth machen können, doch dort wären andere vielleicht besser geeignet gewesen. Lukas beschreibt alles sehr diskret und wusste genau, wo seine Stärken lagen und wo sein Auftrag war. Diesen Auftrag hat er auch erfüllt.
Abfassungszeit und offener Schluss der Apostelgeschichte
Jetzt stellen wir uns die Frage nach der Abfassungszeit der Apostelgeschichte. Wenn wir das Buch zu Ende lesen, merken wir, dass die Apostelgeschichte mit der zweijährigen Gefangenschaft des Apostels Paulus in Rom endet. Diese Gefangenschaft dauerte von 60 bis 62 nach Christus. Über den Ausgang des Prozesses vor Kaiser Nero berichtet das Buch jedoch nichts.
Das ist eigentümlich, denn in Kapitel 25 hatte sich Paulus auf den Kaiser berufen, also auf den obersten Gerichtshof, damit seine Angelegenheit dort geregelt wird. Lukas beschreibt dann sehr interessant die spannende Reise bis nach Rom und wie es zu dieser dramatischen Schiffsreise kam, die mit einem Schiffbruch vor der Insel Melite endete. Schließlich kam Paulus dennoch nach Rom.
Der Kaiser hatte jedoch keine Zeit. Paulus musste zwei Jahre warten, entweder weil der Kaiser beschäftigt war oder weil die Ankläger noch nicht erschienen waren. Dann endet die Apostelgeschichte. Die Pointe, die man über die Kapitel hinweg als Höhepunkt der Geschichte erwarten würde, lässt Lukas weg.
Diese Pointe wäre nämlich bald nach dem letzten Bericht gekommen. Am Ende der Apostelgeschichte finden wir einen interessanten Ausdruck. Wir schlagen das Buch auf, Apostelgeschichte 28,30: „Er blieb aber zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Haus und nahm alle auf, die zu ihm kamen, indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, mit aller Freimütigkeit ungehindert lehrte.“
Der Ausdruck „zwei ganze Jahre“ war damals ein juristischer Begriff. Er bezeichnete die Frist, in der sich die Ankläger melden mussten, sonst verjährte die ganze Sache. Wir befinden uns also genau am Ende dieser juristischen Periode, die für Paulus von großer Bedeutung war.
Wie wir noch sehen werden, führte diese Frist offensichtlich zu einer Freilassung. Am Ende dieser Periode angelangt, erfahren wir jedoch nichts über den eigentlichen Schlussentscheid Neros oder die Freilassung von Paulus.
Das macht deutlich, dass die Apostelgeschichte vor diesem Ereignis der Freilassung geschrieben worden sein muss. Daher können wir sagen, dass sie um 62 nach Christus abgefasst wurde.
Wir werden noch sehen, dass gerade dieser offene Schluss der Apostelgeschichte mit seinen charakteristischen Ausdrücken und Besonderheiten eine hohe Bedeutung für die Botschaft des Buches hat.
Literarische Besonderheiten: Der offene Schluss
Unter den literarischen Besonderheiten betrachten wir zunächst Punkt zwei: den offenen Schluss. Wie bereits erwähnt, bezieht sich Paulus in Apostelgeschichte 25,12 auf den Kaiser. Die Antwort auf die Frage verzögert sich bis zum Ende, bleibt spannend und dramatisch und wird letztlich gar nicht gegeben.
Aus diesem offenen Schluss, dieser literarischen Besonderheit, lernen wir: Das Zeugnis der christlichen Mission endet nicht im Jahr 62. Heute stehen wir immer noch in denselben Spuren wie die ersten Zeugen des Heilandes der Welt.
Für mich ist es wunderbar, dass der Heilige Geist die Apostelgeschichte so inspiriert hat, um uns deutlich zu machen: Das ist nicht einfach eine abgeschlossene Geschichte. Sie geht weiter – und zwar bis heute. Wir sind quasi in der Fortsetzungsgeschichte mit enthalten, in dem, was die ersten Zeugen verkündigt haben.
Das macht die Apostelgeschichte auch sehr persönlich.
Geographie der Weltmission und der Ölberg
Nehmen wir wirklich den Standpunkt dieser mutigen ersten Zeugen ein? Das ist die Frage, die uns nun zum nächsten Punkt führt: Geographie und Weltmission.
In Apostelgeschichte 1 wird die Himmelfahrt vom Ölberg beschrieben. Das Zeugnis der Weltmission begann somit in Jerusalem, der Stadt westlich vom Ölberg. Ab Vers 6 lesen wir: „Sie nun, als sie zusammengekommen waren, fragten ihn und sagten: Herr, stellst du in dieser Zeit dem Israel das Reich wieder her?“ Er antwortete ihnen: „Es ist nicht eure Sache, Zeit oder Zeiten zu wissen, die der Vater in seine eigene Gewalt gesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.“
Als er dies gesagt hatte, wurde er emporgehoben, während sie zusahen. Eine Wolke nahm ihn von ihren Augen hinweg. Und während sie unverwandt gen Himmel schauten, als er auffuhr, standen plötzlich zwei Männer in weißen Kleidern bei ihnen. Diese sprachen: „Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel hinauf? Dieser Jesus, der von euch in den Himmel aufgenommen worden ist, wird so zurückkommen, wie ihr ihn gen Himmel habt auffahren sehen.“
Daraufhin kehrten sie nach Jerusalem zurück, vom Berg, der Ölberg heißt und nahe bei Jerusalem liegt – etwa ein Sabbatweg entfernt, das sind ungefähr ein Kilometer.
Wir sehen also, dass das Evangelium seinen Ausgangspunkt in Jerusalem nahm. Wenn wir uns die Weltkarte vor Augen führen, stellen wir fest, dass Jerusalem genau am Knotenpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika liegt. Diese geografische Lage ist absolut einzigartig auf der ganzen Welt.
Jerusalem ist der ideale Punkt, von dem aus man in kurzer Zeit zu den Völkern dieser drei Kontinente gelangen kann. Strategisch ist dies wunderbar gewählt im Heilsplan Gottes, ausgehend von Jerusalem.
Wir haben gerade gelesen, dass die Auffahrt Jesu vom Ölberg aus stattfand. Dort ist er als Heiland der Welt aufgefahren. Er hat das Mandat zur Botschaft gegeben: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, Judäa, Samaria bis an das Ende der Erde.“ Damit gibt er der ganzen Welt die Möglichkeit, das Heil in ihm, in Christus, zu erfassen.
So ist er also als Heiland der Welt vom Ölberg aufgefahren. Die Engel sagten, er werde so zurückkommen, wie sie ihn aufgefahren gesehen haben.
Dass dies auch geografisch gemeint ist, wird in Sacharja 14,3-4 deutlich. Dort wird die Wiederkunft Christi beschrieben, nicht mehr als Heiland der Welt, sondern als Richter der Welt auf dem Ölberg:
„Und der Ewige wird ausziehen und wieder jene Nationen streiten, wie an dem Tag, da er streitet, an dem Tage der Schlacht. Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem gegen Osten liegt. Und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten nach Osten und Westen, hin zu einem sehr großen Tal.“
„Deine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen.“ Hier kommt er, um gegen jene Nationen zu kämpfen, die sich gegen Jerusalem versammelt haben.
Der Ölberg markiert also zwei heilsgeschichtlich hoch bedeutsame Momente: Die Auffahrt Jesu mit dem Mandat für die Weltmission und die Wiederkunft Christi als Richter.
Zwischen diesen beiden Ereignissen am Ölberg liegt die Weltmission – die Chance für alle Völker. Sie müssen sich entscheiden, ob sie den Herrn Jesus Christus als Heiland der Welt oder als Richter der Welt kennenlernen möchten.
Besondere griechische Wörter am Anfang und Ende der Apostelgeschichte
Wenn wir zum nächsten Abschnitt übergehen, so habe ich unter „besondere Wörter und Ausdrücke“ nur zwei griechische Wörter aufgeführt: eines ganz am Anfang der Apostelgeschichte und das andere am Schluss. Das sind nicht viele, man kann sie sich also gut merken und nachvollziehen. Es sind ganz besondere Wörter.
Ich lese aus Apostelgeschichte 1,2-3: „Bis zu dem Tag, an welchem er aufgenommen wurde, nachdem er den Aposteln, die er sich auserwählt hatte, durch den Heiligen Geist Befehl gegeben hatte, welchen er sich auch nach seinem Leiden in vielen sicheren Kennzeichen lebendig dargestellt hat, indem er vierzig Tage hindurch von ihnen gesehen wurde und über die Dinge redete, welche das Reich Gottes betreffen.“
Der Auferstandene, der Herr Jesus, wurde also während vierzig Tagen von den Jüngern erlebt. Er hat mit ihnen gesprochen, sie weitergeführt, ihnen Erklärungen und Aufträge gegeben. Lukas sagt, in dieser Zeit sei er in vielen sicheren Kennzeichen lebendig vor ihnen gewesen. Das griechische Wort für „sichere Kennzeichen“ ist Tecmerion. Dieses Wort bedeutet „durchschlagender, überzeugender Beweis“. In der Mehrzahl heißt es, dass er sich in vielen durchschlagend überzeugenden Beweisen lebendig dargestellt hat.
So beginnt die Apostelgeschichte. Die Auferstehung Jesu ist eine absolut bewiesene Angelegenheit. Sie war selbst für die anfangs so zweifelnden Apostel völlig endgültig überzeugend. Jeder Zweifel wurde genommen. Die Apostelgeschichte zeigt, wie aufgrund dieser totalen Überzeugung von der Tatsache der Auferstehung diese Männer, die Apostel, eine derartige Veränderung erlebt haben, dass sie zu kühnsten Zeugen für die Wahrheit des Evangeliums wurden.
Wir werden sehen, dass durch die ganze Apostelgeschichte hindurch die Tatsache der Auferstehung Christi in der Verkündigung immer völlig zentral dargestellt wird. Denn das ist der Angel- und Wendepunkt von allem.
Dann gibt es ein zweites Wort ganz am Schluss der Apostelgeschichte. Es ist absolut das letzte Wort des Buches. In Apostelgeschichte 28,31 lesen wir: Paulus war zwei Jahre in seinem gemieteten Haus in Rom als Gefangener. Viele Leute kamen zu ihm, und er konnte das Reich Gottes predigen, die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, „mit aller Freimütigkeit und ungehindert“.
Das deutsche Wort „ungehindert“ ist nicht das letzte Wort im griechischen Text. Wir müssen in der Übersetzung nachsehen, welches Wort dem entspricht. Es ist das allerletzte Wort: Akolytos. Dieses Wort ist ganz bedeutsam und gibt dem Buch seinen Charakter.
Paulus ist zwar gebunden. Er schreibt in 2. Timotheus 2,9: „Ich bin ein Gefangener, aber das Wort Gottes ist nicht gebunden.“ Man kann die Zeugen Jesu zwar binden, schlagen, ins Gefängnis werfen und sogar töten – und das geschieht bis in unsere Zeit. Aber was man nie konnte, ist die Ausbreitung des Wortes Gottes dadurch verhindern.
So prägt sich das Wort Akolytos ein. Die Botschaft der Apostelgeschichte lautet: ungehindert. Dieses Wort geht weiter und hat auch nicht im Jahr 62 ein Ende gefunden, sondern es ist weitergegangen über zweitausend Jahre bis heute.
Datierungsprobleme und historische Einordnung
Ja, es gibt bis dahin einige Fragen. Das Jahr 32 stellt ein kleines Datierungsproblem dar. Wann genau will man die Geburt Jesu ansetzen? Wenn man verschiedene Lexika heranzieht, findet man unterschiedliche Zahlen. Das Problem liegt darin, dass unsere Datierung und Zeitrechnung erst später eingeführt wurden. Sie wurden nicht so festgelegt, dass die Geburt Jesu absolut genau mit einem Jahr Null übereinstimmt.
Tatsächlich gibt es in der Geschichte kein Jahr Null, was viele nicht wissen. Es gibt nur ein Jahr vor Christus und dann, ein Jahr später, das Jahr eins nach Christus. Das bedeutet, es gibt nur ein Jahr von eins vor Christus bis eins nach Christus. Das stellt ein Problem für die Astronomie dar. Wenn man Berechnungen anstellen will, etwa für eine Sonnenfinsternis im Jahr 3000 vor Christus, benötigt man einen Nullpunkt auf der Berechnungsachse.
Diesen Nullpunkt hat man eingeführt, indem man das geschichtliche Jahr 445 v. Chr. in der Astronomie als Jahr 444 v. Chr. definiert hat. Wenn man zum Beispiel mit Astronomieprogrammen am Computer arbeitet, hat man immer beide Daten: das geschichtliche Datum und das astronomische Datum.
Hinzu kommt, dass man versucht hat, die Geburt Jesu anhand des Sterns von Bethlehem zu berechnen. Doch dann stellt sich die Frage: Was war eigentlich der Stern von Bethlehem? Johannes Kepler vermutete, dass im Jahr sieben vor Christus eine dreifache Konjunktion von Jupiter und Saturn stattfand, bei der diese beiden Planeten sehr nah beieinander standen. Er hielt dies für den Stern von Bethlehem. Das Problem dabei ist, dass die Geburt Jesu dann auf etwa sieben vor Christus datiert werden müsste.
Viele setzen die Geburt Jesu noch heute auf dieses Jahr an, wodurch die gesamte Zeitrechnung noch weiter verschoben wird. Das kann jedoch nicht stimmen. Ich habe das selbst auf dem Computer simuliert: Im Jahr sieben vor Christus waren Saturn und Jupiter zwar sehr nah beieinander, aber von Auge waren sie als zwei getrennte Himmelskörper sichtbar. Es sah also nicht aus wie ein einzelner Stern.
Es gibt noch weitere Probleme. Die Berechnung, dass Jesus etwa ein Jahr vor Christus geboren wurde, stützt sich auch auf gute geschichtliche Argumente. Das wäre vielleicht ein eigenes Thema für einen Bibelschultag oder könnte in ein größeres Thema eingebaut werden. Meiner Meinung nach sind die Argumente dafür viel stärker und besser.
Das heißt, Jesus wurde tatsächlich etwa 33 Jahre alt, aber seine Geburt fällt nicht genau mit unserer heutigen Zeitrechnung zusammen.
Verbindung von Titusbrief und Apostelgeschichte
Ja, also ich wiederhole für das Band: Wie kann man den Titusbrief mit der Apostelgeschichte verbinden? Dort gab der Apostel Paulus Titus die Anweisung: „Ich habe dich in Kreta zurückgelassen, damit du dort in jeder Stadt Älteste anstellst.“
Nun werden wir sehen, wenn wir heute Nachmittag zu den Reisen des Apostels Paulus kommen, dass dieses Ereignis – Titus auf Kreta – nirgends in der Apostelgeschichte untergebracht ist. Bibelkritiker haben darauf eine ganz einfache Antwort: Der Titusbrief ist gefälscht. Viele Briefe seien gefälscht, insbesondere all diese sogenannten Pastoralbriefe, wie Titus, der Erste und Zweite Timotheusbrief. So wird das erledigt: Dummes und gottloses Zeug, sagen sie.
Es ist jedoch so: Der Apostel Paulus, wie ich gesagt habe, ist nach diesen zwei Jahren in Rom wieder frei geworden. Danach konnte er wieder reisen. Es ist nicht nur im Titusbrief erwähnt, es gibt auch andere Orte, an denen er unterwegs war, die wir nachvollziehen können. All das fällt in die Zeit nach der Apostelgeschichte.
Im Römerbrief hat er zum Beispiel schon angekündigt, dass er nach Spanien gehen möchte. Es gibt tatsächlich auch außerbiblische Hinweise, dass er bis in den äußersten Westen des Römischen Reiches gereist ist. Die Spanienreise wäre demnach tatsächlich noch zustande gekommen. Das alles fällt in die Zeit nach der Apostelgeschichte.
Nebenbei gesagt, der Philipperbrief wurde gerade am Ende dieser zwei Jahre geschrieben. Dort drückt Paulus seine Hoffnung aus, dass er bald frei werden wird. Auch im Philemonbrief, der um 62 geschrieben wurde, bittet er Philemon, ihm eine Unterkunft bereitzustellen, weil er überzeugt ist, bald durch ihre Gebete freigelassen zu werden. So konkret ist das, dass Paulus sogar bis nach Kolossä gehen würde.
All das kann man nicht in der Apostelgeschichte unterbringen, denn es geschah nach 62. Der Apostel Paulus kam jedoch später wieder in Gefangenschaft, in seine zweite Gefangenschaft. Aus dieser schrieb er den Zweiten Timotheusbrief um das Jahr 67 nach Christus. Dort sagt er: „Die Zeit meines Abscheidens ist gekommen.“ Er weiß, dass er nun das Martyrium erleben wird.
Die altkirchliche Überlieferung bezeugt, dass Paulus unter Nero geköpft wurde. Da er römischer Bürger war, durfte er nicht gekreuzigt werden – im Gegensatz zu Petrus, der in derselben Zeit unter Nero gekreuzigt wurde. Paulus durfte die angenehmere Todesstrafe durch das Schwert erleiden.
Der Zweite Timotheusbrief gibt uns Zeugnis davon. So kann man also die ganzen Briefe dennoch wunderbar einordnen und unterbringen.
Die Wiederkunft Christi und die Ölbergphase
Weitere Fragen gibt es da vorne? Wie wird die Wiederkunft auf dem Ölberg dargestellt? Wenn man also nur Matthäus betrachtet, verliert man dann den Überblick? Ich wiederhole die Frage: Wie kann man das miteinander vereinen? Der Herr Jesus kommt wieder auf dem Ölberg, aber laut Matthäus 24 erscheint er plötzlich, fährt aus dem Osten auf und scheint bis zum Westen, sodass alle Menschen die Wiederkunft Christi wahrnehmen werden.
Es ist ganz einfach: Die Wiederkunft Christi verläuft in verschiedenen Phasen. Die Wiederkunft auf dem Ölberg ist eine dieser Phasen. Sie hängt damit zusammen, dass er auf dem Ölberg erscheint, um danach auf dem Berg Zion, dem Tempelberg, zu streiten. So steht es in Jesaja, Kapitel 30. Dort wird beschrieben, dass er auf den Tempelberg herniedersteigen, kämpfen und sein Volk in Jerusalem beschirmen wird. Anschließend übernimmt er die Herrschaft in Jerusalem.
Aber es gibt zum Beispiel auch die Wiederkunft Christi in Harmagedon, wie in Offenbarung 16 beschrieben. Das ist eine gewaltige Schlacht im Norden, in Galiläa. Das ist ein ganz anderes Ereignis.
Oder man betrachtet Habakuk, Kapitel 3, wo Gott von Teman herkommt und der Heilige vom Gebirge Paran. Teman liegt in Südjordanien. Der Prophet Obadja beschreibt, dass dort ein ganz besonderes Gericht in Edom, also in Südjordanien, stattfinden wird. Viele Völker werden dort gerichtet.
Das sind also verschiedene Phasen. Die Wiederkunft Christi ist nicht einfach ein einmaliges Ereignis, bei dem er auf dem Ölberg erscheint und sofort da ist. Vielmehr sind es Ereignisse, die nacheinander in Phasen ablaufen.
Die Ölbergphase ist dabei ganz entscheidend, denn sie gehört zur Schlussphase. Der Herr übernimmt die Macht in Zion, in Jerusalem und damit in der Hauptstadt, die für die ganze Welt von Bedeutung ist. Deshalb ist der Ölberg ein besonders markanter Punkt.
Weitere Fragen zu Zahlenangaben und Zeitphasen
Weitere Fragen? Ja? Steht das im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Zahlenangaben in Daniel 12? Ja, ganz genau.
Die große Drangsalzeit vor der Wiederkunft Christi dauert nach Offenbarung 11 genau 1260 Tage. Daniel 12 hingegen sagt am Ende, dass die Opfer in Jerusalem, die während der Drangsalzeit aufhören werden, für 1290 Tage eingestellt sind. Danach folgt die Aussage: „Glückselig, wer die 1335 Tage erreicht.“
Das bedeutet, es gibt noch 75 Tage nach der Wiederkunft Christi, nach der großen Drangsal, in denen man ausharren muss, bis das endgültige Ziel erreicht ist.
In diesen 75 Tagen finden die entscheidenden Schlachten statt, die nach der ersten Wiederkunft Christi abgehalten werden. Die verschiedenen Feinde werden nacheinander gerichtet. Zuerst Hamageddon und Edom, dann Jerusalem, wo gegen die Nationen gekämpft wird, die dort versammelt sind. Anschließend folgt das Gericht über Gog und Magog aus dem äußersten Norden. Diese werden auf den Bergen Israels fallen, was speziell das Zentralmassiv bezeichnet, das Israel von Norden bis Süden durchzieht. Dazu gehören die Berge von Samaria und Judäa, das heute als Westbank oder Westjordanland bekannt ist. Dort werden Gog und Magog fallen.
Dies ist eine andere Phase und unterscheidet sich von Hamageddon.
Wie gesagt, in diesen 75 Tagen geschehen die entscheidenden Ereignisse in Phasen. Danach beginnt das Friedensreich. Es dauert zum Beispiel noch etwa 30 Tage, bis die Opfer wieder auf dem Tempelberg eingesetzt werden, die während der Drangsalzeit unterbrochen waren – eben bis zu den 1290 Tagen.
Struktur der Apostelgeschichte: Überblick und Einteilung
Noch etwas, sonst singen wir etwas, oder? Wir gehen jetzt zu dem Blatt, dem zweitletzten Blatt, zur Struktur des Buches. Zunächst verschaffen wir uns eine Übersicht über die Apostelgeschichte. Danach gehen wir sukzessive hindurch und versuchen, uns so den Rahmen oben abzunehmen.
Um ein Bibelbuch gut verstehen zu können, ist es immer wichtig, es nach Sinnabschnitten einzuteilen. Dabei fällt auf, dass in den ersten zwölf Kapiteln eine Person, ein Zeuge Jesu, eine sehr zentrale Rolle spielt: der Apostel Petrus. Man kann also sagen, dass Kapitel 1 bis 12 den Dienst des Petrus beschreibt.
Weiterhin finden wir in den Kapiteln 13 bis 28 die Missionsreisen des Apostels Paulus. Hier steht der Dienst des Paulus im Zentrum. Diese beiden Apostel sind interessante Gegenpole. Wenn wir Galater 2,7-10 lesen, sehen wir ein Treffen in Jerusalem zwischen Petrus, Kephas und Paulus, bei dem wichtige Prinzipien ihres Dienstes und ihrer Unterschiede deutlich werden.
Ich lese Galater 2,7-10: „Sondern im Gegenteil, als sie sahen, dass mir das Evangelium der Vorhaut anvertraut war, gleich wie Petrus das der Beschneidung, denn der, welcher in Petrus für das Apostelamt der Beschneidung gewirkt hat, hat auch in mir in Bezug auf die Nationen gewirkt. Und als sie die Gnade erkannten, die mir gegeben ist, gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen wurden, mir und Barnabas die rechte Hand der Gemeinschaft, auf dass wir unter die Nationen, sie aber unter die Beschneidung gingen, nur dass wir der Armen eingedenkt wären, dessen ich mich auch befleißigt habe, also zu tun.“
Apostel der Beschneidung, Paulus Apostel der Vorhaut – das macht deutlich: Die Beschneidung steht für die Juden, die Vorhaut für die Nichtjuden. Der Dienst des Apostels Petrus war besonders auf die jüdischen Christen und Menschen ausgerichtet, während der Apostel Paulus einen Schwerpunkt im Dienst an den Nichtjuden, den Heiden, hatte.
So passt es sehr gut, dass die ersten zwölf Kapitel noch stark im jüdischen Bereich der Weltmission verankert sind. Dann sprengt die Mission diese Grenzen, und es folgt der zweite Teil mit dem Dienst von Paulus.
Wichtig ist: Das sind keine Kontrahenten und keine verschiedenen Schulen, die sich bekämpfen. Paulus schreibt, dass Petrus ganz klar erkannt hat, ebenso Jakobus und Johannes, dass ihm dieser Dienst gegeben worden ist, während sie ihren Dienst haben. Sie gaben die rechte Hand der Gemeinschaft. Sie sagten: „Wir sind voll einst mit eurer Aufgabe, ihr habt einen anderen Dienst, wir haben den unseren, und das gehört zusammen.“
Das ist ganz wichtig. Man kann diese Dienste also nicht gegeneinander ausspielen.
Einteilung nach Missionsbefehl und Refrain als literarische Markierung
Wenn wir weitergehen, kann man eine etwas detailliertere Einteilung vornehmen, basierend auf dem Missionsbefehl im Schlüsselvers. Vielleicht ist uns aufgefallen, wie wichtig dieser Vers 1,8 ist. Dort sagt der Herr Jesus auf dem Ölberg: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist, und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde.“ Das ist ein Vier-Punkte-Programm.
Dieser Missionsbefehl wird in Kapitel 1 in vier Abschnitte unterteilt: Jerusalem, Judäa, Samaria und bis an das Ende der Erde. Das Evangelium wird zunächst in Jerusalem verkündigt, also wird der erste Punkt des Missionsbefehls hier erfüllt. Danach kommt es zu einer schweren Christenverfolgung in Jerusalem, sodass die ganze Gemeinde zerstreut wird und in die Umgebung Jerusalems hinausgeht, also nach Judäa (Apostelgeschichte 8,1-4). So kommt das Evangelium nach Judäa.
In Kapitel 8, Verse 5-25, wird die Geschichte von Philippus, dem Evangelisten, beschrieben. Er geht nach Samaria und beginnt dort zu predigen und zu evangelisieren. Das führt zu einer Erweckung, bei der massenhaft Samariter zum Glauben kommen. Die Samariter sind ein Mischvolk. Nach der Wegführung der zehn Stämme wurden sie durch die Assyrer aus anderen Gebieten deportiert und in Nordisrael angesiedelt. Ähnlich wie Stalin im 20. Jahrhundert, der Russlanddeutsche nach Zentralasien verfrachtete, haben die alten Assyrer so die Samariter entstehen lassen.
Diese Samariter vermischten sich mit den zurückgebliebenen Israeliten der zehn Stämme, wodurch ein Mischvolk entstand, das von den Juden als unrein und nicht wirklich zu Israel gehörig abgelehnt wurde. Dennoch kommt das Evangelium über Judäa hinaus bis nach Samaria. Man könnte zwar noch argumentieren, dass die Samariter zumindest teilweise israelitisches Blut haben. Doch die Entwicklung geht weiter.
Ab Kapitel 8, Vers 26 bis zum Schluss der Apostelgeschichte finden wir das Evangelium auf dem Weg bis an das Ende der Erde. Bemerkenswert ist, dass Lukas an dieser Stelle plötzlich zwei oder drei Einzelgeschichten von Personen erzählt. Bekannt sind die Geschichte vom Kämmerer aus Äthiopien, die Bekehrung von Saulus von Tarsus und später die Geschichte von Cornelius, dem Hauptmann, der Christ wird.
Wenn man genau darüber nachdenkt, ist diese Auswahl sehr bewusst getroffen. Warum hat Lukas gerade diese Geschichten beschrieben? Es gab zu dieser Zeit viele Tausende, die zum Glauben kamen. Der Kämmerer aus Äthiopien war ein Schwarzer. Das griechische Wort „Äthiopier“ bedeutet wörtlich „Brandgesicht“. Er war ein Sohn von Ham. Ham hatte einen Sohn namens Kusch (1. Mose 10), dessen Name „schwarz“ bedeutet. Von ihm stammen die Schwarzafrikaner, also die Äthiopier, und später auch andere Stämme ab. Ein Sohn von Ham bekehrt sich.
Dann folgt die Bekehrungsgeschichte von Saulus von Tarsus, einem Juden und Nachkommen von Sem. Danach kommt die Geschichte von Cornelius, einem römischen Hauptmann. Cornelius ist ein Nachkomme von Japheth, dessen Söhne ausgewandert sind und Europa besiedelten. Die Römer, Germanen und Kelten stammen alle von Japheth ab.
So haben wir hier drei Porträts, die genau den drei Söhnen Noahs entsprechen: Ham, Sem und Japheth. Interessant ist, dass Ham an erster Stelle steht. Ham kam ja unter einen Fluch, denn sein Sohn Kanaan wurde verflucht, weil er sich schlecht benommen hatte. Gerade dieser wird als Erster erwähnt, um zu zeigen, wie ein Nachkomme Hams die Gnade des Evangeliums ergreifen kann.
Lukas fährt dann fort: In Kapitel 11, Verse 19-30 beschreibt er, wie die Gemeinde in Antiochia entsteht. Warum beschreibt er die Gemeinde? Es ist die erste Gemeinde in der Apostelgeschichte, die aus Nichtjuden besteht. Bei Cornelius sehen wir nur, wie Menschen zum Glauben kommen und Christen werden, aber über den Gemeindebau wird dort nichts gesagt. Über Antiochia hingegen wird genau beschrieben, wie die Gemeinde entstanden ist.
Natürlich gab es auch an anderen Orten sehr früh Gemeinden. Zum Beispiel habe ich bei einem Besuch in Sizilien den Ort bei Siracusa gesehen, wo man die älteste Versammlungsstätte Siziliens gefunden hat. Diese stammt offenbar aus den 40er Jahren nach Christus, also sehr früh. Die Apostelgeschichte erzählt nicht alles, was in der Mission geschehen ist, sondern repräsentative Ereignisse. So wird die Gründung der Gemeinde in Antiochia als erste Heidengemeinde beschrieben. Diese ist wichtig, weil sie in Kapitel 13 zur Ausgangsgemeinde für die Missionsreisen des Apostels Paulus wird.
Dann wird in Kapitel 12 relativ ausführlich die Befreiung des Apostels Petrus aus dem Gefängnis beschrieben. Das ist sehr bedeutsam, wie wir noch sehen werden. Herodes Agrippa I. ließ Jakobus töten, den Bruder des Apostels Johannes. Diese drei – Johannes, Jakobus und Petrus – waren die Apostel, die auf dem Berg der Verklärung besonders hervorgehoben wurden.
Herodes ermordete Jakobus, und als er sah, dass dies den Juden gefiel, ließ er auch Petrus festnehmen, um ihn hinrichten zu lassen. Ausführlich wird beschrieben, wie Petrus durch einen Engel aus dem Kerker befreit wird. Dann will man ihn hinrichten, doch der Mann ist nicht mehr da. Das ist ein entscheidender Punkt in Kapitel 12. Was will diese Geschichte zeigen?
Herodes Agrippa war zwar ein Nachkomme von Edom, dem Kindermörder von Bethlehem, Herodes dem Großen. Doch seine Großmutter Mariamne war Jüdin und stammte aus dem Geschlecht der Makkabäer. Nach rabbinischer Auffassung galt Herodes Agrippa daher als Jude. Er war nun als König an der Macht. Das Judentum erlebte in dieser Zeit eine Art königliche Pracht. Und nun wurden die Christen verfolgt.
Doch im Prinzip geschah dasselbe wie beim Herrn Jesus. Man glaubte, einen falschen Messias hingerichtet zu haben. Das Sanhedrin hatte ihn als Gotteslästerer verurteilt, doch am dritten Tag war er auferstanden. Man muss sich vorstellen: Wenn heute ein Gericht in den USA jemanden zum Tode verurteilt – etwa im elektrischen Stuhl – und dieser Mensch drei Tage später wieder lebt, wäre das eine große Blamage für die Justiz. Die ganze Welt würde an der Rechtmäßigkeit des Urteils zweifeln.
So geschah es mit der Auferstehung Christi. Deshalb wurden die Juden so wütend. Die ständige Rede von der Auferstehung entlarvte das gesamte jüdische Urteil des obersten Gerichts als gesetzlos und letztlich gottlos. Nun wird Petrus, ein führender Christ, eingesperrt, doch er wird plötzlich befreit. Das zeigt, dass das jüdische Königreich von Gott nicht mehr anerkannt wird.
In Kapitel 13 beginnt dann die erste Missionsreise des Paulus. Diese Geschichten sind nicht einfach erzählt, um sie zu kennen oder um Wunder zu zeigen. Sie sind Schlüsselereignisse. Sie zeigen, dass das jüdische Königtum beiseitegestellt ist und das Evangelium zu den Heiden gehen soll. Deshalb die Befreiung des Apostels Petrus aus dem Gefängnis – ein sehr bedeutsamer Moment.
Weiterhin umfasst Kapitel 12 bis 15, Vers 34, die erste Missionsreise des Paulus. Von Kapitel 15, Vers 35 bis 18, Vers 22 folgt die zweite Missionsreise, und von Kapitel 18, Vers 23 bis 21, Vers 26 die dritte Missionsreise. Den Rest bis zum Schluss nennt man oft die vierte Missionsreise. Paulus wurde jedoch als Gefangener nach Rom gebracht, um dort vor Gericht gestellt zu werden. Deshalb ist es vielleicht angemessener, diesen Abschnitt die Romreise des Apostels Paulus zu nennen.
So ergibt sich eine Einteilung der Apostelgeschichte gemäß dem Missionsbefehl.
Refrain als literarische Markierung und Wachstum der Gemeinde
Es gibt noch eine weitere Einteilung, die sich nicht gegenseitig ausschließt, sondern alle zusammengehören und sich ergänzen. In der Apostelgeschichte findet sich ein Refrain, der immer wiederkehrt – und zwar an Stellen, an denen man völlig überrascht ist. Man hat den Eindruck: „Ja, aber das unterbricht doch die Missionsreise.“ Warum kommt dieser Refrain plötzlich und unvermittelt?
Dieser Refrain ist eine literarische Markierung, die anzeigt, dass ein neuer Abschnitt beginnt. So etwas findet man in verschiedenen Bibelbüchern immer wieder. Zum Beispiel ist das Hohelied so aufgebaut: Immer wieder gibt es einen Refrain, der die Einteilung des Buches vorgibt. Auch die Psalmen sind in fünf Bücher geteilt, jeweils durch einen Refrain.
In der Apostelgeschichte ist das genauso. Zum Beispiel heißt es in Kapitel 6, Vers 7: „Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger in Jerusalem vermehrte sich sehr, und eine große Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam.“ Diese Schlüsselwörter – „Das Wort Gottes wächst“ und „die Zahl vermehrt sich“ – tauchen immer wieder auf.
In Kapitel 9, Vers 31 steht: „So hatten denn die Versammlungen durch ganz Judäa und Galiläa und Samaria hin Frieden und wurden erbaut und wandelten in der Furcht des Herrn und wurden vermehrt durch den Trost des Heiligen Geistes.“ Hier erscheint plötzlich eine allgemeine Beschreibung des Wachstums.
In Kapitel 12, Vers 24 heißt es überraschend: „Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich.“ Das ist gerade nach der Befreiung von Petrus. Dieser Satz kommt sehr unerwartet, doch Lukas markiert damit den Beginn eines neuen Teils.
In Kapitel 16, Vers 5, mitten in der zweiten Missionsreise, steht: „Die Versammlungen nun wurden im Glauben befestigt und vermehrten sich täglich an Zahl.“ Auch das ist ganz unvermittelt eingeschoben.
In Kapitel 19, Vers 20 heißt es dann: „Das Wort des Herrn wuchs mit Macht und nahm überhand.“ Damit ist der letzte Teil klar.
Durch diesen Refrain lässt sich die Apostelgeschichte in sechs Abschnitte einteilen. Diese Einteilung stammt von David Gooding aus seinem Buch „True to the Faith – A Fresh Approach to the Acts of the Apostles“ („Treu dem Glauben – ein frischer Zugang zur Apostelgeschichte“).
David Gooding ist in Fachkreisen als einer der größten Spezialisten für die Septuaginta bekannt, die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die im Neuen Testament von den Aposteln verwendet wurde. Er gilt weltweit als einer der führenden Experten auf diesem Gebiet.
In seinem Buch zeigt er diese Einteilung. Jeder der sechs Teile wird in der Mitte zweigeteilt, so dass sich die Inhalte innerhalb dieser beiden Teile spiegeln. Diese Spiegelstruktur zieht sich konsequent durch die gesamte Apostelgeschichte. Immer gibt es eine Spiegelachse, und die Abschnitte spiegeln sich gegenseitig und erklären sich so.
Die Apostelgeschichte erklärt sich also durch diese Spiegelbildstruktur von selbst. Aus diesem Grund ist dieses Buch sehr zu empfehlen.
Wachstum der Gemeinde und innere Schwierigkeiten
Wir können das nicht an einem Bibelstudientag vollständig durchnehmen, dafür bräuchte man eine Kurzbibelschule. Aber wenigstens als Hinweis und um zu zeigen, wie seine Einteilung aussieht, ist es sinnvoll.
Ja, es ist Zeit für das Versprechen einer Pause. Wir kommen nochmals zurück zur Einteilung gemäß dem Missionsbefehl auf dem letzten Blatt, ganz oben. Wir haben gesehen, wie sich in der Apostelgeschichte dieses Vier-Punkte-Programm über die ersten drei Jahrzehnte entfaltet. Wir stehen gewissermaßen jetzt in dieser Tradition als Fortsetzung.
Nun erkennen wir allerdings, dass es gar nicht so einfach war, diese Punkte zu erfüllen. Punkt eins: Da ging es mit voller Wucht los. In Apostelgeschichte 2 haben wir die Ausgießung des Heiligen Geistes, also das Kommen Gottes, des Heiligen Geistes auf die Erde. Dort finden wir die machtvolle Bußpredigt des Apostels Petrus, auf die hin sich dreitausend Menschen bekehren.
Weiter heißt es, die 3000 sind erwähnt in Apostelgeschichte 2,41: „Die das Wort aufnahmen, wurden getauft, und an jenem Tag wurden etwa dreitausend Seelen hinzugetan.“ In Kapitel 4, Vers 4, steigert sich das Ganze: „Viele aber von denen, die das Wort gehört hatten, wurden gläubig, und die Zahl der Männer stieg auf fünftausend.“
In 2,41 wird einfach von 3000 gesprochen, hier wird präzisiert, dass bei den 5000 nur die Männer gezählt sind, also nicht die Frauen und Kinder. Das zeigt, dass es dramatisch losging. Innerhalb kürzester Zeit – wir werden noch sehen, dass bis zur Ermordung von Stephanus ein Jahr verging – gab es schon Tausende.
Man muss sich das klar vor Augen halten: Die damals wichtigste religiöse Partei in Israel waren die Pharisäer. Sie hatten etwa sechstausend Mitglieder und viele Sympathisanten sowie viele, die von ihrer Schule belehrt und beeinflusst waren. Die andere, sehr aristokratische Priesterpartei, die Sadduzäer, hatte etwa 4000 Mitglieder.
Auch in diesem Bereich bewegte sich die Zahl der Qumran-Gemeinschaft zusammen mit den Chasidim, einer weiteren Partei damals, die ebenfalls etwa 4000 Mitglieder im ganzen Land zählten. Nun gab es hier eine neue Bewegung, die innerhalb von Wochen und Monaten ihre Zahl erreichte und diese dann überflügelte. Das war dramatisch – die Geschwindigkeit der Entwicklung.
In diesem Zusammenhang muss man auch den Refrain sehen, den wir gerade vor der Pause gehört haben: „Das Wort Gottes wuchs, die Zahl der Jünger vermehrte sich, sie wurden durch den Trost des Heiligen Geistes vermehrt. Das Wort Gottes wuchs und mehrte sich, die Versammlungen vermehrten sich täglich an Zahl.“ Das Wort des Herrn wuchs mit Macht und nahm Überhand.
Dieses Wachstum an Zahl wird betont. Das ist wichtig zu sehen, weil es heute zwei Tendenzen gibt: Es gibt solche, die sagen, die Anzahl sei nicht wichtig, sondern nur, dass wenigstens die wenigen, die sich bekehren, gut weitergeführt und fundiert im Glauben werden. Und es gibt die anderen, die sagen, das Wichtigste sei, so viele Leute wie möglich zu gewinnen. Methoden und Kompromisse seien dabei nicht das Problem – das Ziel sei, möglichst viele Menschen in die Gemeinden zu bringen.
Das sind zwei Gegenpole, und beides ist nicht richtig. Es geht nicht um Wachstum um jeden Preis, also nicht darum, einfach Leute mit Kompromissen hineinzuholen. Denn dann gibt es sowieso eine Vermischung von Licht und Finsternis. Aber auf der anderen Seite darf man nicht sagen, Gründung und Befestigung im Glauben sollten auf Kosten der Vermehrung gehen.
Wir müssen also beide Dinge vor Augen haben: die Vermehrung und das innere Wachstum. Und beides haben wir. Schauen wir noch einmal auf den Refrain in Apostelgeschichte 6, Vers 7: „Und das Wort Gottes wuchs.“ Haben Sie sich schon überlegt, wie das Wort Gottes wachsen kann? Das Wort Gottes ist doch fest, es wächst doch nicht.
Nun, jeder, der das Wort Gottes in sich aufnimmt, glaubt und darin befestigt wird, lässt das Wort Gottes sich ausbreiten. So wächst das Wort in den Herzen der Erlösten. Dort haben wir eigentlich das innere Wachstum plus das Wachstum an Zahl.
In diesem Refrain sehen wir, dass beides Hand in Hand geht. Das darf nicht gegeneinander gestellt werden, sondern gehört zusammen.
Innere Schwierigkeiten und Herausforderungen der ersten Gemeinde
Nun, wie gesagt, gab es ein gewaltiges Wachstum im ersten Jahr in Jerusalem. Dazu schlagen wir noch einen Vers auf, Kapitel 6, Vers 7. Das ist eben dieser erste Refrain: „Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger in Jerusalem vermehrte sich sehr, und eine große Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam.“
Hier sehen wir eine wunderbare Erfüllung des Auftrags, das Evangelium in Jerusalem zu verkündigen. Doch in dieser Zeit treten auch innere Schwierigkeiten auf, und zwar zwei.
In Apostelgeschichte 5 finden wir die Geschichte von Ananias und Saphira. Jeder damals konnte freiwillig von seinem Privateigentum verkaufen und das der Gemeinde in Jerusalem schenken. Niemand war gezwungen, dies zu tun; jeder konnte es machen, wenn der Herr ihm das so ins Herz gegeben hatte. Ananias und Saphira verkauften ebenfalls ein Grundstück und taten so, als würden sie den ganzen Kaufpreis der Gemeinde schenken.
Petrus fragt Ananias: „Warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen hast?“ Daraufhin fällt der Mann tot um. Er hat also nicht direkt gelogen, aber er hat so getan, als ob, um besonders fromm vor der Gemeinde dazustehen. Das wurde mit dem Tod bestraft. Später kam seine Frau zu Petrus, wusste nichts von der Sache. Petrus fragte sie nochmals: „Habt ihr wirklich für den Betrag, den ihr gegeben habt, das Ganze verkauft?“ Im Gegensatz zu ihrem Mann konnte sie antworten. Sie hätte eigentlich sagen können: „Nein, eigentlich doch nicht.“ Aber sie sagte „Ja“ – und fiel dann ebenfalls tot um.
Dies ist das erste Mal, dass das Böse in der Gemeinde aufkommt, der erste Fall. Gott griff gewissermaßen mit dem frühzeitigen Tod ein. Das Böse von innen – das heuchlerische, scheinfromme, verlogene Tun – wurde von Gott mit dem Tod bestraft. Später finden wir nicht, dass Gott in ähnlichen Fällen so gehandelt hätte; sonst wären wir vielleicht alle tot. Dieses Beispiel war repräsentativ, um der ganzen Gemeinde zu zeigen: Gottes Haus, die Gemeinde, ist ein Haus, dem Heiligkeit geziemt (Psalm 91,4). Das ist der Maßstab.
Doch dieses Böse von innen will das Zeugnis zerstören. Gleichzeitig gab es in der gleichen Zeit immer wieder Verfolgung von außen. Das finden wir schon in den Kapiteln 3, 4 und 5. Immer wieder wurden die Apostel ins Gefängnis gesteckt, verhört, und man befahl ihnen, nicht mehr weiter zu evangelisieren. Trotzdem machten sie es weiter.
Es gab also Druck von außen und Gefahren von innen – wie bei Ananias und Saphira. Aber das war nicht die einzige Schwierigkeit. In Apostelgeschichte 6,1 steht: „In jenen Tagen aber, als sich die Jünger vermehrten, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden.“
Hier muss erklärt werden, wer die Hellenisten und wer die Hebräer sind. Bis dahin bestanden die Gemeinden nur aus Menschen aus dem Judentum; die Heiden kamen erst später hinzu. Die Hellenisten waren griechischsprachige Juden, gewöhnlich aus dem Ausland oder stark von der ausländischen Kultur geprägt. Die Hebräer waren Inlandjuden, die Hebräisch sprachen und verstanden.
Zwischen diesen beiden Gruppen gab es damals eine starke Spannung, ein deutliches Gefälle. Die Hellenisten, also die Juden im Ausland, waren im Allgemeinen viel liberaler und auch spontaner im Umgang mit Nichtjuden. Bei den Hebräern war es allgemein so, dass man nicht zu einem Nichtjuden ins Haus ging. Das war bei den Hellenisten nicht so klar.
Warum gab es damals das Gesetz, nicht zu einem Heiden zu gehen? Ganz einfach: Wenn man zu Heiden geht, bekommt man zu essen. Dieses Essen war je nach Vorschrift unrein und konnte dazu führen, dass man sich verunreinigt. Deshalb sagten die Rabbiner, um nicht in Gefahr zu geraten, geht man prinzipiell nicht in ein Haus von Heiden.
Im Ausland war man jedoch viel liberaler, weil man als Minderheit unter Heiden lebte. Der gesellschaftliche Anpassungsdruck war dort viel größer. So waren die Hellenisten liberaler, die Hebräer dagegen viel strenger.
Nun gab es einen Konflikt zwischen diesen beiden Gruppen, der sich darin äußerte, dass die Hellenisten fanden, ihre Witwen würden nicht gut versorgt. Es gab also einen Konflikt – doch dieser ging tiefer. Warum genau wurden die hellenistischen Witwen nicht gut versorgt? Und warum nicht auch zum Teil die Hebräer? Die äußere Spannung hatte einen tieferen Grund.
Es standen hier zwei verschiedene Dispositionen, zwei verschiedene Denkweisen einander gegenüber. Solche Spannungen gibt es früher oder später in jeder Gemeinde. Die Apostel suchten einen Ausweg, um das Problem zu lösen.
Sie sagten nicht: „Wenn es Spannungen gibt, sollen die Hellenisten eine eigene Gemeinde gründen und die Hebräer auch wieder eine.“ Dann wäre das Problem zwar gelöst, aber es wäre kein Zeugnis nach außen, dass die Liebe Christi die Geschwister zusammenhält, auch wenn sie verschieden sind.
So wurde dieses Problem von innen überwunden, wie wir in Apostelgeschichte 6 sehen. Es gab also einerseits eine offene Tür in Jerusalem, aber auch Schwierigkeiten und Bremsen von innen und außen. Diese Dinge sind auch im zwanzigsten Jahrhundert noch genau gleich.
Wenn es solche Spannungen in örtlichen Gemeinden oder Versammlungen gibt, ist das absolut normal. Man muss sich diesen Problemen stellen und die verschiedenen Hintergründe und Denkweisen beachten. Das Korrekturmittel ist das Wort Gottes.
Die zwölf Apostel sagten in Apostelgeschichte 6,2: „Die Zwölf aber beriefen die Menge der Jünger und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes verlassen und die Tische bedienen.“ Die Apostel machten klar, dass es nicht ihre Aufgabe ist, für die richtige Verteilung zu sorgen. Ihr Auftrag ist es, die Gemeinde zu belehren und das Wort Gottes zu bringen.
Die Apostel sahen die Wichtigkeit, dass das Wort Gottes verkündigt wird, und sie durften von dieser Aufgabe nicht abweichen. Darin liegt die große Lösung für solche Probleme: Das Wort Gottes in aller Klarheit, die saubere biblische Lehre zu bringen. So können diese Probleme überwunden werden.
Man muss sich diesen Spannungen stellen und ihnen nicht ausweichen.
Steinigung von Stephanus und Ausbreitung der Mission
In Kapitel sechs und sieben wird die Steinigung von Stephanus beschrieben. Dabei stellt sich die Frage, was das zu bedeuten hat. Nach der Tötung von Stephanus kam es zu einer Verfolgung der Gemeinde, wie in Kapitel 8 berichtet wird.
Wir sehen hier ein ganzes Jahr Dienst in Jerusalem. Warum wurde in diesem Jahr noch nicht nach Judäa und Samaria hinausgegangen? Man könnte sagen, dass Punkt eins wichtig ist und man alles ganz gründlich machen wollte. Doch es waren Tausende, die zum Glauben gekommen waren. Konnte man wirklich nicht nach Judäa gehen?
Hier zeigt sich eine Art Bremse, die man als Konservativismus bezeichnen könnte. Jerusalem war die auserwählte Stadt, und man war bereit, dort zu predigen. Aber weiter ging man nicht. So wurde das konservative Denken zu einer Bremse für das Evangelium, weil man sagte: Bei uns ist es wichtig, aber weiter wollen wir nicht gehen.
Dann kam die Verfolgung, und die Geschwister in Jerusalem wurden förmlich hinausgeworfen. Ich lese aus Kapitel 8, Vers 1: „Es entstand aber an jenem Tag eine große Verfolgung gegen die Gemeinde, die in Jerusalem war, und alle wurden in die Landschaften von Judäa und Samaria zerstreut, ausgenommen die Apostel.“
In Vers 4 heißt es: „Die Zerstreuten nun gingen umher und verkündigten das Wort.“ Hier kommen wir zu Punkt zwei und drei: Judäa und Samaria. Aber ohne die Verfolgung wäre es nicht dazu gekommen. Das heißt, der Herr musste diese Bremse des Konservativismus durchbrechen, indem die Gläubigen hinausgeworfen wurden.
Jetzt sehen wir auch, warum es so wichtig war, dass es in diesem einen Jahr bis Stephanus eine Art Gütergemeinschaft gab. Die Reichen verkauften ihren Grundbesitz, soweit es nötig war. Dadurch hatten die Gläubigen die Möglichkeit, sich zu ernähren, ohne den ganzen Tag einer Beschäftigung nachgehen zu müssen.
Das bedeutet, alle in der Gemeinde konnten während dieses einen Jahres vor den Aposteln eine fundierte Ausbildung erhalten. Nach diesem Jahr wurden sie zerstreut und mussten nun fähig sein, neue Gemeinden zu gründen.
Man kann aus dieser Geschichte mit der Gütergemeinschaft jedoch keine allgemeine Lehre ableiten und sagen, das müsse zu allen Zeiten so sein unter den Christen. Wir finden das nur hier und danach in der Apostelgeschichte nicht mehr, ebenso wenig in den Briefen des Neuen Testaments.
In diesem einen Jahr hat Gott das aber so geführt – übrigens nicht als Befehl, sondern freiwillig. Es war auch nicht so, dass alle auf einen Schlag alles verkauften. Die Zeitform in Kapitel 4, Vers 34 zeigt, dass es ein dauernder Prozess war: „Denn es war auch keiner dürftig unter ihnen. Denn so viele Besitzer von Äckern oder Häusern waren, verkauften sie … und legten den Erlös der Verkäufe bei den Aposteln nieder.“
Das geschah also Schritt für Schritt, je nach Bedarf. Es war kein wirklicher Sozialismus oder Kommunismus, sondern ein Prozess, der in der Vorsehung Gottes wirkte. So wurden all diese Tausenden in Jerusalem gründlich im Wort gefestigt und konnten im Glauben wachsen.
Dadurch waren sie nach einem Jahr für die plötzliche Aufgabe der Gemeindegründung bereit. Man kann sich fragen: Wer von uns wäre nach einem Jahr nach der Bekehrung fähig, neue Gemeinden zu gründen? Vielleicht nehmen wir uns zu wenig Zeit für intensives Bibelstudium.
Das zeigt die Wichtigkeit, im Wort und in der Lehre der Apostel gefestigt zu werden, damit es weitergehen kann. Weil sie nicht weitergehen wollten, aus welchen Gründen auch immer, musste der Herr sie durch die Verfolgung hinauswerfen. So konnte er das Böse zum Guten wenden.
Es ist Viertel nach, wir wollen noch zusammen beten. Vielleicht betet ganz kurz einer oder zwei von uns.
