Wir wollen heute mit einem Abschnitt aus dem Lukasevangelium weitermachen.
Ich finde es sehr gut, dass vorne ein paar Tische aufgestellt sind. So können diejenigen, die möchten, ihre Bibel ablegen und sich gegebenenfalls Notizen machen.
Ich habe mir vorgenommen, dass wir im Anschluss an das, was wir beim letzten Mal betrachtet haben, weitermachen. Beim letzten Mal waren wir bei der Berufung des Levi, eines Jüngers Jesu, den wir auch unter dem Namen Matthäus kennen. Das war in Lukas 5,27-32.
Jetzt möchte ich gerne die folgenden Verse besprechen. Geplant habe ich die Verse 33 bis Kapitel 6, Vers 11. Wir werden sehen, ob wir bis dahin kommen. Falls nicht, brechen wir zwischendurch einfach ab.
Einführung in die Themen des Textabschnitts
Es sind eigentlich drei Teile, die uns in diesem Textabschnitt bevorstehen. Einerseits geht es um die Frage des Fastens, dann um die Frage, wie wir mit Altem und Neuem umgehen. Das betrifft auch ein wenig, wie das Alte Testament zum Neuen Testament steht und wie sich die Lehre der Rabbiner zur Lehre Jesu verhält. Dieser Teil umfasst Kapitel 5, Vers 36 bis zum Ende des Kapitels, Vers 39.
Im Kapitel 6 geht es um das Verhalten Jesu am Sabbat. Dieser Bereich wird noch einmal unterteilt: In den Versen 1 bis 5 geht es darum, dass die Jünger Jesu am Sabbat Ähren ausreißen und deshalb von den Pharisäern angeklagt werden. Einen weiteren Verstoß gegen das Sabbatgebot finden wir direkt im Anschluss, nämlich in den Versen 6 bis 11, wo Jesus am Sabbat einen kranken Menschen heilt.
Wir sehen also drei Themen, beziehungsweise vier einzelne Teile, die wir uns etwas näher anschauen: Erstens das Thema Fasten, zweitens das Verhältnis von Alt und Neu, drittens das Verhalten am Sabbat – einmal bezüglich des Erntens und Essens, einmal bezüglich des Heilens.
All diese Themen hat Lukas nicht zufällig zusammengeschrieben, sondern sie stehen bewusst in dieser Reihenfolge, weil sie alle das Verhältnis Jesu zu den Pharisäern beziehungsweise zum damals populären Judentum beschreiben. Darum geht es in all diesen vier Abschnitten.
Ich werde das zuerst einmal lesen, und dann wollen wir uns Vers für Vers damit beschäftigen, was uns Jesus beziehungsweise Jesus durch Lukas zu sagen hat. Ich lese ab Vers 33, Kapitel 5, Vers 33.
Das Gespräch über das Fasten und die Gegenüberstellung von Alt und Neu
Sie aber fragten ihn: Warum fasten die Jünger des Johannes so oft und beten viel, ebenso auch die Pharisäer, während eure Jünger essen und trinken?
Er antwortete ihnen: Könnt ihr die Hochzeitsgäste etwa fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist?
Es werden jedoch Tage kommen, an denen der Bräutigam von ihnen genommen wird. Dann werden sie fasten in jenen Tagen.
Er sagte auch ein Gleichnis zu ihnen: Niemand näht ein Stück von neuem Stoff auf ein altes Kleid. Denn sonst reißt der neue Stoff das alte Kleid, und der neue Stoff passt nicht zum alten.
Ebenso füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Denn der neue Wein wird die Schläuche zerreißen, er wird verschüttet, und die Schläuche verderben.
Neuer Wein muss in neue Schläuche gefüllt werden, so bleiben beide erhalten.
Niemand, der alten Wein trinkt, möchte sogleich neuen Wein. Er sagt: Der alte ist besser.
Die Auseinandersetzung um das Fasten
Es geschah aber, dass Jesus am zweiten Sabbat nach dem ersten durch die Kornfelder ging. Seine Jünger streiften Ähren ab, zerrieben sie mit den Händen und aßen sie.
Da sagten einige von den Pharisäern zu Jesus: „Warum tut ihr, was am Sabbat nicht erlaubt ist?“ Jesus antwortete ihnen und sprach: „Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als er und seine Gefährten hungrig waren? Wie er in das Haus Gottes hineinging, die Schaubrote nahm und aß und auch seinen Gefährten davon gab, obwohl doch niemand außer den Priestern essen darf?“
Er sprach weiter zu ihnen: „Der Sohn des Menschen ist Herr auch über den Sabbat.“
Es geschah aber auch an einem anderen Sabbat, dass er in eine Synagoge ging und lehrte. Dort war ein Mensch, dessen rechte Hand verdorrt war. Die Schriftgelehrten und Pharisäer lauerten ihm auf, ob er am Sabbat heilen würde, um einen Grund zur Anklage gegen ihn zu haben.
Jesus aber kannte ihre Gedanken und sprach zu dem Menschen mit der verdorrten Hand: „Steh auf und stell dich in die Mitte!“ Da stand er auf und stellte sich dorthin.
Nun sprach Jesus zu ihnen: „Ich will euch etwas fragen: Darf man an so einem Tag Gutes tun oder Böses? Darf man Leben retten oder verderben?“
Indem er sie alle ringsum ansah, sprach er zu dem Menschen: „Streck deine Hand aus!“ Er tat es, und seine Hand wurde wiederhergestellt. Sie war gesund wie die andere.
Sie aber wurden mit Unverstand erfüllt und berieten sich miteinander, was sie Jesus nun antun könnten.
Die Frage des Fastens im Kontext der Pharisäer und Jünger
Wir beginnen mit dem ersten Abschnitt, und zwar mit der Frage nach Braut und Bräutigam beziehungsweise mit dem Fasten. Diejenigen, die hier sprechen, nämlich Sie, beziehen sich auf den Text, der direkt davor steht. Dort lesen wir in Vers 30, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer gegen die Jünger murmelten und dann etwas sagten.
Hier scheint sich in relativ kurzer Zeit danach dieses zweite Gespräch anzuschließen, bei dem es um das Fasten geht. Die Pharisäer scheinen geschickt das Gesprächsthema gewechselt zu haben. Wir erinnern uns an den vorherigen Text: Dort sagt Jesus, er sei für die Kranken gekommen und nicht für die Gesunden. Jetzt stehen die Pharisäer da und wollen sich offenbar selbst hervorheben. Sie tun so, als seien sie gesund, bräuchten Gott nicht und keine Vergebung. Das können sie irgendwie nicht, aber sie wollen sich auch nicht auf dieselbe Stufe wie die Sünder oder den Zöllner Levi stellen.
So versuchen sie, auf ein anderes Thema einzugehen – nämlich das Fasten. Offenbar ist ihnen bei der intensiven Beobachtung der Jünger Jesu aufgefallen, dass diese im Gegensatz zu ihnen selbst nicht fasten. In der Parallelstelle im Matthäusevangelium wird erwähnt, dass diese Frage zusammen mit den Jüngern des Johannes gestellt wird. Dort sind es also Pharisäer und Jünger des Johannes gemeinsam.
Hier wird lediglich gefragt, warum die Jünger des Johannes fasten und ihre Gebete verrichten, ebenso wie die Pharisäer. Das bedeutet, dass offenbar diese beiden Personengruppen zusammen diese Frage gestellt haben. Bei den Jüngern des Johannes wundert uns das nicht sehr, denn Johannes ist ein Prophet des Alten Testaments. Jesus nennt ihn sogar den größten Propheten des Alten Testaments. Er ist das Bindeglied zu Jesus, gehört aber noch nicht zum Neuen Bund. Deshalb richtet er sich auch nach den Geboten und Gebräuchen des Alten Testaments.
Darüber hinaus lesen wir, dass Johannes von Geburt an ein etwas asketisches Leben geführt hat. Wir wissen, dass er größtenteils seines Lebens in der Wüste war, nur einen groben Mantel trug und Heuschrecken sowie wilden Honig aß. Das ist nicht unbedingt das, was man unter einem normalen oder gar luxuriösen Leben versteht, sondern sehr asketisch. Dazu passt sicherlich auch, dass er regelmäßig fastete.
Für die Pharisäer war das Fasten sehr wichtig. Wir lesen in Lukas 18,9-14, dass die Pharisäer zur Zeit Jesu zweimal in der Woche fasteten. Das waren normalerweise Montag und Donnerstag. Es ging darum, weder zu essen noch zu trinken. Beim Trinken waren sich die Pharisäer jedoch nicht einig. Einige Rabbinen erlaubten, während des Tages zu trinken, besonders in der Hitze, die in Israel im Sommer herrschen kann. Das ist verständlich. Andere Rabbinen, die sogenannten Hardliner, wollten, dass man auch auf das Trinken verzichtet.
Übrigens wurden diese Fastenpraktiken, die damals weit verbreitet waren, einige Jahrhunderte später zum Vorbild für den Fastenmonat Ramadan bei den Muslimen. Dort gibt es einen ganz ähnlichen Gedanken. Auch bei den Muslimen ist das Fasten nicht 24 Stunden lang, sondern nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang – wie bei den Rabbinen zur Zeit Jesu. Hier erkennen wir, dass diese Gebräuche im islamischen Bereich mit aufgenommen wurden.
Die Pharisäer führten neben den in der Bibel festgeschriebenen Fastentagen neue Fastentage ein. In der Bibel finden wir lediglich den großen Versöhnungstag, an dem es verboten war, zu essen und zu trinken. Andere Tage waren nicht fest vorgeschrieben, wohl aber bei den Rabbinen. Sie hatten sogar versucht, in der Öffentlichkeit auf ihre Frömmigkeit hinzuweisen, indem sie ihr Gesicht an diesen Tagen weiß tünchten.
Wir erinnern uns vielleicht daran, dass Jesus in der Bergpredigt im Matthäusevangelium darauf hinweist, dass die Pharisäer an den Ecken stehen mit langen Gesichtern, damit alle sehen, dass sie fasten. Sie wollen ein Stück der Ehre, die sie für Gott opfern, von den Menschen bekommen. Die Menschen sehen das und bewundern sie, sagen: „Wie fromm bist du, ich könnte das ja nicht tun, und du machst das so toll.“ Deshalb fasten sie so öffentlich.
Sie machen ihr Gesicht weiß – wir wissen nicht genau, womit. Möglicherweise wurde es mit Asche gefärbt. Das erinnert uns daran, dass im Alten Testament viele Leute gefastet haben, nicht nur aus religiösen Gründen, die Gott befohlen hat, sondern beispielsweise aus Trauer oder Busse.
Wir finden verschiedene Stellen im Alten Testament, wo Fasten mit Trauer verbunden ist, zum Beispiel in Esther 4,3. Dort trauert Esther und fastet. Auch Fasten aus Busse ist an mehreren Stellen belegt, etwa in 1. Könige 21,25. Dort wird Fasten im Zusammenhang mit Busse oder Trauer erwähnt. Gerade die Trauer drückte sich auch darin aus, in Sack und Asche zu gehen.
Wahrscheinlich haben die Pharisäer diese Vorstellung, in Sack und Asche vor Gott demütig zu sein, übernommen, indem sie feste Fastentage einrichteten und sich gleichzeitig kenntlich machten. Wahrscheinlich schmierte man sich Asche ins Gesicht, sodass man sie grau oder weiß sehen konnte. Jeder wusste: Das ist ein Frommer, der jetzt fastet. Das war ein Vorbild, vor dem man sich verneigen und den man verehren sollte.
Die Pharisäer verstanden ihr Fasten auch so, dass sie durch den Verzicht ihr eigenes Fleisch Gott zum Opfer darbrachten. So brachten sie Gott ein Opfer und hofften, dass ihnen das vor Gott Pluspunkte im Gericht einbringt. Das war eine Art Werkgerechtigkeit.
Regelmäßiges Fasten sollte laut der Reformbewegung der Pharisäer ab dem zweiten Jahrhundert vor Christus dazu dienen, das ganze Volk zu reinigen und von Gott schützen zu lassen. Die Vorstellung der Pharisäer war, dass, wenn alle das Fasten einhalten würden, sie auch die Römer besiegen und aus dem Land vertreiben könnten.
Das Fasten hatte für sie also nicht nur eine religiöse Bedeutung gegenüber Gott, sondern auch die Hoffnung, dass Gott sich dadurch ganz auf ihre Seite stellt. So könnten sie als starkes Volk vor allen Heiden dastehen und das Joch der Römer abwerfen.
Die Fastenpraxis, die wir dort sehen, beruht im Grundprinzip auf dem Alten Testament, geht aber weit darüber hinaus.
Jesu Haltung zum Fasten
Wenn wir das Leben Jesu im Hinblick auf das Fasten betrachten, fällt uns eine interessante Frage auf: Was hat Jesus zum Thema Fasten gesagt oder getan? In einer Aussage heißt es ziemlich radikal, dass seine Jünger nicht fasten. Dabei wird betont, dass die Jünger des Johannes fasten, ebenso die Pharisäer beziehungsweise die Jünger der Pharisäer, aber die Jünger Jesu nicht. Das ist die Behauptung, die aufgestellt wird.
Wie sieht es damit im Bibeltext aus? Fällt euch etwas ein? Ganz genau: In der Wüste, zum Beispiel in Matthäus 4,2, wird berichtet, dass Jesus vor seiner Versuchung 40 Tage lang in der Wüste gefastet hat. Dort heißt es, er habe 40 Tage lang gefastet, als Vorbereitung auf die Versuchung.
Hier wird deutlich, dass Jesus das Fasten kannte und selbst praktizierte. Kennt ihr noch weitere Aussagen Jesu zum Fasten? Zum Beispiel die Geschichte mit der Frau am Brunnen, die zu ihm kommt? Er spricht dort von einem anderen Wasser, das nicht mehr durstig macht. Man könnte das übertragen auf das Fasten beziehen. Jesus sagt ja offensichtlich, dass er das Brot des Lebens ist. Daraus lässt sich etwas schließen.
Gibt es noch weitere Hinweise? Die Jünger sagen, dass sie essen sollten. Es geht um ein anderes Brot. Außerdem gibt es eine Stelle, in der es um Geister geht, die fasten. Genau, es geht um Dämonenaustreibung. Die Jünger sind dabei sehr erfolgreich, aber bei bestimmten Dämonen wirkt das nicht. Jesus sagt, dass diese Art von Dämonen nur durch Fasten und Beten ausgetrieben werden kann.
Hier werden Fasten und Beten, wie schon im Alten Testament, zusammen genannt. Das Fasten dient nicht nur dazu, schlanker zu werden oder aus gesundheitlichen Gründen zu fasten, sondern es handelt sich um ein religiöses Fasten. Es geht darum, sich tiefer Gott zu widmen, um durch nichts abgelenkt zu werden und alle Zeit in die Beziehung zu Gott zu investieren.
Das ist eine Empfehlung Jesu an seine Jünger und damit auch an die spätere Gemeinde. In bestimmten Situationen, in denen man sich ganz Gott hingeben will, Gottes Willen sucht oder Gottes Handeln erbittet, soll man fasten und beten.
Findet sich später in der Bibel ein Beispiel, dass die Jünger oder die Gemeinde fasten? Ja, es gibt verschiedene Berichte. Zum Beispiel beten sie, um herauszufinden, wer die richtigen Leute sind. Paulus hat dazu auch etwas gesagt.
Ganz genau, in Apostelgeschichte 13 steht ganz am Anfang, dass die Gemeinde betete und fastete, damit Gott ihnen zeigte, wen sie aussenden sollte. Dann spricht der Heilige Geist durch die Versammlung und sie senden Barnabas und Paulus zu dem Werk, zu dem Gott sie berufen hat. Danach beginnt die erste Missionsreise.
Auch hier sehen wir, dass für eine wichtige Entscheidung innerhalb der Gemeinde gefastet und gebetet wird. Daraus wird deutlich, dass die Auseinandersetzung mit den Pharisäern und den Jüngern des Johannes nicht bedeutet, dass Fasten generell falsch sei.
Wer also diesen Text gelesen hat und sich vielleicht gefreut hat, nun vom Fasten befreit zu sein, der irrt. Es gibt zwar keine festen Regeln, wie viele Tage gefastet werden sollen, aber Fasten gibt es bei Jesus selbst. Er empfiehlt es seinen Jüngern, und die erste Gemeinde praktiziert geistliches Fasten zu bestimmten Anlässen. Dabei geht es darum, sich ganz Gott hinzugeben, um Antwort von Gott zu erhalten oder um Gottes Wirken zu bitten.
Das Fasten ist also eine Form der Hingabe an Gott. Das eigentliche Problem bei den Pharisäern ist nicht das Fasten an sich, sondern dass sie nur auf Äußerlichkeiten und den äußeren Anschein von Frömmigkeit achten wollen.
In Matthäus 6,16-18, direkt vor der Einleitung des Vaterunsers, steht, wie man beten soll und wie nicht. Dort heißt es, man soll nicht an den Straßenecken laut beten, um von anderen gesehen zu werden. Das Gleiche gilt für das Fasten: Man soll nicht so fasten, dass alle sehen, wie ausgezehrt man ist und wie vorbildlich man als Christ ist.
Jesus sagt, dass Gott ins Verborgene sieht. Das gilt sowohl für das Beten als auch für das Fasten. Dagegen wendet sich Jesus hier. Nicht nur ein frommer Anschein zählt, sondern echte innere Veränderung.
Das heuchlerische Fasten wird auch schon im Alten Testament kritisiert, zum Beispiel in Jesaja 58,3-6. Jesaja greift diese Praxis auf und sagt, dass das Fasten nichts bringt, wenn man nicht innerlich seine Herzen bekehrt. Das äußere Fasten ist dann überflüssig und bringt vor Gott nichts. Vielleicht beeindruckt es andere Menschen, aber nicht Gott.
Interessant ist auch, dass die Frage, die hier gestellt wird, nicht an die Jünger gerichtet ist, sondern an Jesus. Jesus antwortet darauf.
Wir erkennen, dass die Pharisäer davon ausgehen, dass die Jünger Jesu – und das sind damals nicht alle, denn die Wahl der zwölf Apostel finden wir erst in Kapitel 6, Verse 12 und folgende – fasten sollten. Es gab also eine größere Gruppe von Anhängern Jesu, die ihm zuhörten und nachfolgten, aber noch nicht die zwölf Apostel waren.
Jesus war für diese Jünger verantwortlich. Im rabbinischen Judentum galt, dass der Rabbi, also der Lehrer, für das Verhalten seiner Schüler verantwortlich war. Wenn sie etwas falsch machten, musste der Lehrer dafür gerade stehen, weil er sie hätte korrigieren müssen.
So richtet sich die Frage nach dem Verhalten der Jünger direkt an Jesus.
Das Gleichnis vom Bräutigam und den Hochzeitsgästen
Und dann kommen wir zu Vers 34, in dem Jesus zu ihnen spricht: „Können die Hochzeitsgäste etwa fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“
Hier müssen wir wissen, dass es im Judentum damals feste Regeln gab, wann man keinesfalls fasten durfte. Im Talmud gibt es einen rabbinischen Traktat namens Megillat Ta'anit, der eine ganze Liste von Tagen enthält, an denen das Fasten verboten war. Dies diente dazu, die Freude des Festes und die Erinnerung an das geschichtliche Wirken Gottes nicht zu schmälern. Dazu gehörten beispielsweise Tage wie das Passa. An solchen Tagen durfte man nicht fasten, denn man sollte sich freuen und fröhlich sein, weil Gott es so befohlen hatte.
Wir lesen an manchen Stellen des Alten Testaments, dass an Festtagen ein Ochse gemästet und geschlachtet wurde, um gemeinsam zu feiern. Solche Verse sind für uns auch wichtig, wenn wir mit Ungläubigen sprechen, die oft den Eindruck haben, Christen dürften sich nicht freuen, nicht feiern und keinen Spaß haben. Im Alten Testament finden wir gerade das Gegenteil. Dort wird gesagt: „Jetzt arbeite nicht nur, sondern freue dich richtig!“
Aus diesen Aussagen des Alten Testaments wurde in dem talmudischen Traktat eine Liste von Tagen abgeleitet, an denen man keinesfalls fasten durfte. Wenn jemand fromm sein wollte und fastete, galt das als schlimmer als jemand, der sich den Bauch vollschlug und Wein und Wasser trank. Hier sehen wir, dass ein ausgeglichenes, vollkommen asketisches Christentum, wie es manche Mönche im Mittelalter praktizierten, nicht dem entspricht, was Jesus lehrt und auch nicht dem, was Gott im Alten Testament offenbart hat. Fasten ist für Zeiten der Trauer da.
In diesem Fall sind die Jünger in der Gegenwart Gottes, Jesus ist bei ihnen. Deshalb wird von den Bräutigamen gesprochen. Übrigens weist der talmudische Traktat auch darauf hin, dass man bei einer Hochzeit nicht fasten darf. Selbst wenn jemand stirbt, darf man während der sieben Tage, die normalerweise zur Zeit des Alten Testaments bei einer Hochzeit gefeiert wurden, nicht fasten. Jesus verwendet hier das Beispiel der Hochzeiten des Bräutigams.
Normalerweise begann die Hochzeit mit einem Brautzug vom Haus der Frau zum Haus des Mannes. Dort gab es ein Haus mit offener Tür – wir lesen das auch bei der Hochzeit zu Kana. Es wurde Tag für Tag gefeiert. Während dieser Zeit war es verboten zu weinen und zu fasten, weil man die Freude nicht schmälern wollte. Sogar das ganze Dorf war bemüht, dem Brautpaar jeden Wunsch zu erfüllen. Zu manchen Zeiten war es üblich, dem jungen Brautpaar eine Krone aufzusetzen, als Zeichen: „Jetzt sind sie die Könige unseres Dorfes.“
Natürlich passt es nicht dazu, wenn jemand sich da verhärmt, nebenbei sitzt und alle böse anschaut, die saftige Steaks essen oder Kuchen genießen. Das geht nicht. Das würde das Brautpaar traurig machen, und das darf man nicht tun. Deshalb darf man nicht fasten. Vor diesem Hintergrund, der den Pharisäern auch bekannt war, benutzt Jesus dieses Beispiel.
Sonst könnten wir sagen: „Ja, Hochzeit, was ist das schon? Da feiert jemand privat.“ Nein, eine Hochzeit war eine Angelegenheit, an der das ganze Dorf teilnahm. Und hier heißt es: Solange der Bräutigam da ist – während dieser sieben Tage –, darf man nicht traurig sein. Nachher ist er ja Mann, dann ist er nicht mehr Bräutigam. Aber solange er Bräutigam ist, darf man nicht fasten.
Jesus benutzt das Bild des Bräutigams für sich, allerdings in einer etwas anderen Weise, als wir es später lesen, zum Beispiel im Epheserbrief Kapitel 5 oder im 2. Korintherbrief 11, Vers 2. Dort wird Jesus als Bräutigam vorgestellt, und die Gemeinde als Braut. Hier ist Jesus der Bräutigam, und die Gemeinde – oder besser gesagt der Vorläufer der Gemeinde, nämlich die Jünger, die Jesus nachfolgen – sind die Gäste. Dieses Bild finden wir an anderen Stellen ebenfalls, etwa in den Gleichnissen Jesu, in denen es um das große Hochzeitsfest geht. Dort lädt der Herrhausherr ein, und die Christen sind die Gäste, die von der Straße kommen.
Es ist also ein anderes Bild. Es geht nicht um die Vereinigung zu einem Fleisch, wie im Epheserbrief, sondern darum, dass sie an der Freude des Bräutigams teilnehmen, solange er da ist, und mit ihm feiern.
Was uns hier deutlich vor Augen geführt wird, ist, dass der christliche Glaube, die Beziehung zu Jesus Christus, in erster Linie eine Sache der Freude ist – nicht der Unterdrückung. Das war ja manches Mal auch in der deutschen Tradition des Pietismus so, oder ganz extrem zur Zeit von Calvin in seiner Reformation in Genf. Calvin hatte Diakone in die Straßen geschickt, die genau beobachten sollten, ob man es mit der Freude nicht zu sehr trieb. Sie sollten durch Fensterläden schauen, ob ein verheiratetes Paar bei geschlossenen Fensterläden zusammen tanzte. Das war streng verboten, und solche Paare bekamen Gemeindezucht.
Das setzte sich später im Pietismus fort, der manchmal den Eindruck erweckte, als sei strenge Kleidung, ein ernstes Gesicht im Gottesdienst und kein Lachen Pflicht. Manches findet man heute noch in besonders strengen Gemeinschaften, etwa in manchen sehr strengen Spätaussiedlergemeinden. Ich erinnere mich, dass vor einigen Jahren eine Schülerin zu uns kam, in deren Gemeinde Lachen als ungeistlich galt. Sie musste hier erst einmal Lachen lernen.
Im Mittelalter gab es sogar einen langen Streit darüber, ob Jesus je gelacht habe. Umberto Eco greift diesen Streit in seinem Roman „Im Namen der Rose“ auf. Es gab tatsächlich Diskussionen darüber, ob Jesus gelacht hat. Wie steht ihr dazu? Meint ihr, Jesus hat in seinem Leben gelacht? Oder war er zu ernst?
Mir ist kein Bibelvers bekannt, der das ausdrücklich sagt. Aber ich habe den Eindruck, dass Jesus sich mit seinen Jüngern gefreut hat. Es gab Zeiten, in denen er gelacht hat, genauso wie Zeiten, in denen er weinte und traurig war – etwa über die Menschen in Jerusalem oder im Garten Gethsemane, als er in großer Not war und Blut schwitzte. Das ist ernst, aber Lachen ist nicht generell falsch.
Auch im Alten Testament kann Lachen positiv sein, wenn es nicht Schadenfreude oder Spott ist. Lachen generell ist etwas Positives. Das Lukas-Evangelium betont sehr oft: „Freut euch!“ Auch im Philipperbrief heißt es wiederholt: „Freut euch!“ Freude ist ein wichtiges Kennzeichen des christlichen Glaubens, nicht falscher Ernst.
Ihr kennt vielleicht alte Passbilder, auf denen Großmütter und Großväter selbst bei der Hochzeit ganz ernst in die Kamera schauten. Das galt damals als angemessen; alles andere galt als oberflächlich. Heute findet man kaum ein Foto, auf dem die Leute nicht breit grinsen – selbst wenn es ihnen schlecht geht. Manchmal fragt man sich, ob es immer nur zu lachen gibt. Das wäre das andere Extrem.
Wenn man bei Familienfotos sieht, wie alle grinsen, obwohl zuvor Streit war, merkt man, dass das nicht echt sein muss. Bei Jesus ist die Freude echt. Paulus beschreibt diese Freude, als er im Gefängnis in Philippi mitten in der Nacht Lobgesänge anstimmt.
Ich erinnere mich an eine Krankenschwester in unserem Hauskreis, die erzählte, dass sie in ihrem Job oft die Toilettenschüssel reinigen musste. Das ist keine angenehme Arbeit – es stinkt, und es gibt schönere Aufgaben. Anfangs machte sie das nicht gern. Doch dann begann sie bewusst, während der Arbeit zu singen und Gott zu danken, dass sie diese Arbeit tun kann.
Andere Krankenschwestern wunderten sich und hielten sie für verrückt. Mit der Zeit machte ihr die Arbeit trotz des Geruchs Spaß – nicht wegen des Stinkens, sondern weil Gott ihr innerlich Freude gab. Das führte zu Gesprächen, in denen sie erklärte, wie das möglich ist.
Hier sehen wir die Freude, von der Jesus spricht, wenn wir in seiner Gegenwart leben. Und während wir in dieser Freude sind – wie bei einer Hochzeit –, darf man nicht fasten. Jesus, der Bräutigam, und die pharisäischen Regeln: Während der Hochzeit darf man nicht fasten. Deshalb nimmt Jesus dieses Bild als Anlass.
Das war für die Pharisäer ein plausibler Einwand. Dann sagt Jesus: „Es werden aber Tage kommen, da wird der Bräutigam von ihnen genommen sein, dann werden sie fasten in jenen Tagen.“
Jetzt stellt sich die Frage: Was ist damit genau gemeint? Bezieht es sich auf Jesu Tod, seine Hinrichtung? Das wäre theoretisch möglich, aber nicht eindeutig gesagt. Ich persönlich denke eher, dass hier die Zeit der Gemeinde gemeint ist. Das heißt nicht, dass es in der Gemeinde keine Freude mehr gibt, aber es ist nicht mehr die unmittelbare leibliche Gegenwart Jesu, in der wir heute leben.
Deshalb gibt Jesus bei der Austreibung der Dämonen und später in der Apostelgeschichte Hinweise darauf, dass die Gemeinde auch gefastet hat. Wenn Jesus sagt, sie werden fasten, meint er die Zeit, wenn er nicht mehr bei ihnen ist. An anderer Stelle sagt er, wenn er nicht mehr bei ihnen ist, wird er den Tröster senden – den Heiligen Geist. Damit meint er die Gründung der Gemeinde.
Ich gehe davon aus, dass er hier nicht in erster Linie auf seinen Tod anspielt, sondern auf die Zeit, in der er beim Vater im Himmel ist und dort unsere Ankunft und Wohnungen vorbereitet. Während dieser Zeit auf der Erde wird nicht nur gebetet, sondern auch gefastet.
Übrigens hat die frühe Kirche das Fasten übernommen und feste Fastentage eingeführt. Im Gegensatz zu den Juden, die Montag und Donnerstag fasteten, setzte die frühe Kirche Mittwoch und Freitag als Fastentage fest. Davon ist heute noch etwas übrig geblieben.
Ihr kennt vielleicht noch den Brauch, am Freitag kein Fleisch zu essen. Das war kein vollständiges Fasten, sondern der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel. Heute gibt es noch viele, zum Beispiel Bauern in unserem Dorf, die freitags Fisch kochen, ohne genau zu wissen, warum – einfach aus Tradition. So wird aus einer religiösen Praxis eine Tradition.
Man fastete an Mittwoch und Freitag, oft ein Vollfasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Anfangs war das freiwillig, später wurde es in der Kirche vorgeschrieben – in der frühkatholischen Kirche wurde es zum Dogma.
Warum gerade Mittwoch und Freitag? Ein Grund war, dass man nicht dieselben Tage feiern wollte wie die Juden. Ein anderer Grund ist der Karfreitag. Was geschah an diesem Tag? Eine einfache Frage: Karfreitag ist der Tag, an dem Jesus hingerichtet wurde. An diesem Tag wollte man nicht feiern, sondern fasten, um an das Leiden Jesu zu gedenken und sich mit ihm zu identifizieren.
Aber warum der Mittwoch? Das hängt ebenfalls mit Jesu Leiden zusammen. Der Aschermittwoch wurde auf einen Mittwoch gelegt, weil das ein Fastentag und ein Trauertag ist. Man ging davon aus, dass Jesus in der Mittwochnacht vom Hohenpriester verurteilt und gefangen genommen wurde. Am Donnerstag fand der Prozess statt, und am Freitag wurde er hingerichtet.
Diese Reihenfolge ist nicht hundertprozentig gesichert, manche Theologen vermuten, dass die Gefangennahme am Donnerstag war. Doch in der frühen Kirche nahm man an, dass es Mittwoch war, und deshalb fastete man an diesem Tag, um an die Verurteilung und den Beginn von Jesu Leiden zu erinnern.
Nun könnten wir darüber sprechen, wie wir heute mit dem Fasten umgehen. Hat jemand persönliche Erfahrungen mit Fasten gemacht? Joseph zum Beispiel hat gesagt, dass er für eine bestimmte Zeit auf bestimmte Dinge verzichtet hat, als Opfer für Gott oder um ihm dankbarer zu sein.
In der Kirchengeschichte finden sich viele, die ähnlich gefastet haben, zum Beispiel John Wesley. Dabei geht es nicht um gesundheitliches Fasten, sondern um religiöses Fasten, das den Nebeneffekt haben kann, die Beziehung zu Gott zu vertiefen.
Joseph hat gesagt, dass er bewusst auf etwas verzichtet, um sich daran zu erinnern, dass Gott etwas für ihn getan hat, und um Gott zu ehren. Das Fasten kann auch eine finanzielle oder materielle Auswirkung haben: Man gibt das Geld, das man für Essen gespart hat, für das Reich Gottes.
Oder man gewinnt mehr Zeit zum Beten. In unserer Gemeinde gibt es eine Gruppe von Schülern, die regelmäßig einmal pro Woche auf das Mittagessen verzichten und sich in der Kapelle zum Gebet treffen. So haben wir im Frühjahr regelmäßig Gebete für neue Bibelschüler gehalten und um Gottes Führung gebeten.
Das war freiwillig, niemand wurde gezwungen. Es gab keine Heiligsprechung oder eine Strichliste. Wer kommen wollte, konnte kommen und beten. Dabei wurde bewusst eine Mahlzeit ausgelassen, um Zeit für das Gebet zu gewinnen.
Hat noch jemand Erfahrungen mit Fasten gemacht? Ja?
Nach Auffassung mancher Kirchenvertreter fand das Abendmahl an einem Mittwochabend statt. Jesus verließ die Stadt, ging zum Ölberg, wurde dort gefangen genommen und noch am Abend verurteilt. Das war eine Nachtsitzung, wie wir in der Bibel lesen.
Heute vermuten viele Theologen, dass die Gefangennahme eher am Donnerstag war, und die Hinrichtung am Freitag schnell erfolgte – was nach jüdischen Gesetzen eigentlich verboten war.
Mir geht es hier nicht um eine historische Aussage, sondern um die Begründung, die damals für die Festlegung der Fastentage herangezogen wurde.
Im Umgang mit Fasten: Joseph hat erwähnt, dass ihr in eurer Gemeinde für eine evangelistische Veranstaltung gefastet habt. Jeder konnte sich in einen Gebetskalender eintragen und sagen, zu welcher Zeit er fastet und parallel dazu betet. So wurde die Aktion vorbereitet.
Das entspricht dem, was wir in der Apostelgeschichte lesen. Für uns ist das eine Herausforderung, den Ausdruck von Frömmigkeit und Hingabe an Gott neu zu praktizieren, ohne in die Gefahr der Werkgerechtigkeit zu geraten.
Pharisäisches Fasten hat Jesus kritisiert und wollte nicht mitmachen. Andererseits hat er selbst gefastet, aber nicht damit geprahlt. Die Jünger fasteten ebenfalls, aber nicht, um sich dadurch besser vor Gott zu stellen oder Punkte im Himmel zu sammeln, sondern als Zeichen der Hingabe und Liebe zu Jesus.
Fasten kann auch Ausdruck der Ernsthaftigkeit sein, wenn wir Gott um etwas bitten und sagen: „Ich kann zwar nichts selbst tun, aber ich will zeigen, dass es mir ernst ist.“ Das kann durch Verzicht auf ganze Nahrung oder bestimmte Nahrungsmittel geschehen.
In der Kirche wird das oft in der Zeit vor Weihnachten praktiziert, in der Adventszeit, die früher eine Fastenzeit war. Dann wird zum Advent richtig gefeiert. Das Fasten kann auch dazu führen, dass wir dankbarer werden für das, was Gott uns gegeben hat.
Ich erinnere mich an eine Fastenzeit, in der ich nichts gegessen habe und mich danach richtig über Brot und Wasser gefreut habe. Plötzlich habe ich den Geschmack von Brot viel intensiver wahrgenommen. Meistens esse ich Brot eher aus Gewohnheit als wegen des Geschmacks.
Auch Wasser kann richtig gut schmecken, wenn man es bewusst wahrnimmt – ohne Fanta, Cola, Tee oder Kaffee. Das Fasten kann also den Nebeneffekt haben, dass wir neu dankbar werden für den Überfluss, den Gott uns schenkt.
Natürlich sollte man nicht 40 Tage lang nur Wasser trinken, sonst wird man wahrscheinlich schon im Himmel sein. Aber mit dem Essen kann man das länger durchhalten.
Hat noch jemand eine Erfahrung? Ja?
Fasten bedeutet in der Bibel zunächst den Verzicht auf Nahrung. Dieses Prinzip kann man aber auch auf andere Dinge übertragen, wie den Verzicht auf ein Hobby oder etwas, das uns lieb ist.
Ich kenne ein Beispiel: Vor etwa einem Jahr habe ich ein Seminar in einer Gemeinde in der Nähe von Lage gehalten, zum Thema Umgang mit Medien, Fernsehen und so. Am Ende des Seminars beschloss die Gemeinde spontan, einen Monat lang fernzusehen zu fasten und die Zeit stattdessen für Gebet zu nutzen.
Das war für die Gemeinde eine tolle Erfahrung. Jeder verpflichtete sich selbst, für eine begrenzte Zeit darauf zu verzichten. Das ist eine Anwendung des Prinzips, auf etwas zu verzichten, das sonst lieb und wertvoll ist.
Wenn jemand kein Fernsehen schaut, sondern viel im Internet ist, könnte er stattdessen Internetfasten machen, also den Verzicht an seine Situation anpassen.
Wir werden jetzt wahrscheinlich nicht alles besprechen, aber vielleicht kommen wir noch zum zweiten Teil bis Ende Kapitel fünf. Dort kommt noch ein ganz neuer Gedanke hinzu.
Das Gleichnis vom neuen Kleid und den neuen Schläuchen
Er sagte aber auch ein Gleichnis zu ihnen: Niemand setzt einen Lappen von einem neuen Kleid auf ein altes Kleid, sonst zerreißt er auch das neue, und der Lappen vom neuen passt nicht zu dem alten.
Hier beginnt Jesus mit zwei Beispielen, nämlich dem alten und dem neuen Kleid sowie dem alten und dem neuen Schlauch, um das Verhältnis zwischen Alt und Neu zu verdeutlichen. Was Jesus damit ausdrücken möchte, ist die Gegenüberstellung der alten und der neuen Lehre. Die alte Lehre ist die der Pharisäer, die verlangten, dass man fasten müsse. Die neue Lehre Jesu besagt hingegen, dass man an bestimmten Tagen, unter den Umständen, wie die Pharisäer es forderten, nicht fasten muss.
Das ist also das, was Jesus hier zu erklären versucht. Das erste Bild, das er verwendet, ist das eines Kleidungsstücks. Er nimmt ein Beispiel aus dem Alltagsleben, das jeder kannte. Heute leben wir oft in einer Wegwerfgesellschaft: Wenn eine Hose kaputt ist, wirft man sie weg. Ein moderner Mensch könnte das nicht mehr verstehen. Früher gab es Zeiten, da pflegte man kaputte Kleidung, nähte Flicken auf oder reparierte sie. Man konnte nicht einfach im Supermarkt ein neues Kleidungsstück kaufen, sondern man versuchte, das Alte zu erhalten. Dieses Bild nimmt Jesus hier auf.
Alte Kleider können mürbe sein, weil sie oft gewaschen wurden. Früher gab es keine Weichmacher oder flauschige Waschmittel wie Perwoll. Man wusch die Kleidung einfach im Wasser, oft mit kalkhaltigem Wasser, das das Gewebe brüchig machte. Das erklärt den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Kleid, ebenso wie beim alten und neuen Schlauch.
Im Vergleich zu den Parallelstellen in Matthäus 6 und Markus 2 verschärft Jesus an dieser Stelle seine Aussage. Er spricht nicht nur von der Untauglichkeit eines neuen Flickens für ein altes Kleid, sondern sagt sogar etwas Verrücktes: Niemand nimmt einen Lappen von einem neuen Kleid und setzt ihn auf ein altes.
Stellt euch vor, ihr kauft euch ein neues Abendkleid für 200 Euro. Dann geht ihr nach Hause und bemerkt, dass an eurem Arbeitskittel ein Loch ist. Würdet ihr euer neues Abendkleid zerschneiden, um daraus einen Flicken für den Arbeitskittel zu machen? Sicher nicht! Die Frage, die Jesus hier stellt, ist rhetorisch und für jeden klar.
Auch die damaligen Zuhörer hätten gesagt: So verrückt kann doch keiner sein! Doch Jesus benutzt dieses Bild, um das Verhältnis von Alt und Neu zu verdeutlichen. Dahinter steht der Ärger der Pharisäer über die scheinbar neue Lehre Jesu. Jesus bringt eine neue Lehre und sagt: Nein, so wie ihr es lehrt, ist es falsch. Ihr müsst es anders machen.
Er vergleicht das mit einem neuen Kleid, das die Lehre Jesu symbolisiert. Die Pharisäer wollen einen Teil seiner Lehre herausschneiden und auf ihre alte Lehre kleben. Jesus ermahnt sie: Wenn ihr mir folgen wollt, müsst ihr euer altes System über Bord werfen. Das taugt nichts mehr. Ihr könnt euch nur ganz auf mich einlassen oder gar nicht.
Eine Stückelei bringt nichts. Ihr könnt nicht durch Gesetzesfrömmigkeit und ein paar Anleihen meiner Lehre in den Himmel kommen. Entweder zieht ihr das neue Kleid an, oder ihr bleibt in eurem alten, verschlissenen. Dann habt ihr nichts mehr mit mir zu tun. Ihr gehört zu denen, die sich gesund fühlen, aber auf die Botschaft Jesu nicht angewiesen sind.
Das ist hier eine verschärfte Darstellung des Gegensatzes zwischen der Lehre der Pharisäer und der Jesu. Dieses Problem kann auch heute noch auftreten. Das Bild vom Kleid lässt sich auf heutige Situationen übertragen, etwa auf Multikulti, Patchwork-Familien oder Patchwork-Religiosität.
Ich traf jemanden, der sagte, er sei zen-buddhistischer Christ. Das ist ein Patchwork-Glaube: Man nimmt von einer Religion etwas, was einem passt, und von der anderen auch. Doch Zen-Buddhismus geht davon aus, dass es keinen Gott gibt, während der christliche Glaube an Gott glaubt. Wie kann das zusammengehen? Ich habe mit ihm gesprochen und versucht, ihn davon zu überzeugen, dass er sich entscheiden muss: Entweder Zen-Buddhist oder Christ. Er ging ratlos weg, hat sich nicht bekehrt – vielleicht später, wer weiß.
Manchmal gibt es solche Begegnungen. Ich erinnere mich an eine junge Familie aus der Nähe von Stuttgart. Vor einigen Jahren hatte ich mit einem Mann dort lange diskutiert, der sich nicht bekehren wollte. Jahre später kam seine Frau zu einer Freizeit und erzählte mir, dass er sich entschieden habe. Die Gespräche damals waren wichtig dafür. Das zeigt, wie Gott solche Begegnungen gebrauchen kann.
Zurück zum Bild mit dem alten und neuen Lappen: Das steht für Patchwork-Religiosität, die Jesus ablehnt. Entweder folgst du Jesus ganz oder gar nicht. Du kannst nicht sagen: Das aus der Bibel passt mir nicht, das ist zu radikal, und ich mache mir meine eigene Religion. Das hat nichts mehr mit der Botschaft Jesu zu tun.
Jesus sagt hier: Du kannst die Sache Jesu nicht zerschneiden, neu zusammennähen und daraus eine eigene Religion machen. Entweder nimmst du das ganze neue Kleid Jesu oder gar nichts. Das ist auch ein großer Streitpunkt im Galaterbrief. Dort heißt es: Ihr habt so gut angefangen, aber warum lasst ihr euch so bald wieder unter das Gesetz zurückführen? Ihr wurdet durch Gnade errettet, jetzt versucht ihr, wieder ein neues Kleid zusammenzupatchen, indem ihr noch ein paar Gesetze einhaltet. Das geht nicht.
Diese Herausforderung gilt für jeden von uns: Wo verändern wir die Botschaft Jesu, indem wir Zeitgeist oder persönliche Interessen hineinmischen? Dann entsteht eine selbst zusammengeschusterte Religion, die nicht mehr im Einklang mit Jesus steht. Es gibt fromme Erklärungen, warum etwas altmodisch sei oder nicht mehr passt, aber Jesus will das Gute, und das ist nicht gut. Er will, dass wir uns freuen, aber wenn wir uns nicht freuen, tun wir oft das Gegenteil.
Das will Jesus hier deutlich machen, damals den Pharisäern und auch uns heute. Ein weiterer Aspekt: Wenn ich das neue Kleid Jesu, also die neue Lehre, annehme, muss ich das alte ausziehen und weglegen. Das ist klar. Jesus zeigt den Pharisäern: Hier habt ihr eure alte Lehre, hier ist die neue. Ihr könnt die alte nicht mit meiner flicken. Ihr könnt bei der alten bleiben, aber dann werdet ihr nicht errettet. Errettung gibt es nur durch Nachfolge Jesu.
Wenn wir zu Jesus kommen, müssen wir das Alte über Bord werfen: die Fastenregeln, die Sabbatlehren, die alten Traditionen. Manchmal halten wir an liebgewonnenen Traditionen fest, weil sie schon bei unseren Großeltern so waren. Zum Beispiel in unserer Gemeinde darf nur predigen, wer ein Bäffchen trägt – ein weißer Kragen mit zwei herabhängenden Teilen. Ein Christ aus Süddeutschland erzählte mir, dass er sich nicht auf die Predigt konzentrieren konnte, weil der Pastor keinen schwarzen Talar und Bäffchen trug.
Solche Traditionen sind nicht schlecht, aber wenn sie wichtiger werden als das Wort Gottes, dann sind sie problematisch. Das gibt es nicht nur in evangelischen oder katholischen Kirchen, sondern auch in freien Gemeinden, wo man lange über persönliche Traditionen diskutiert und Neues ablehnt mit der Begründung: Das gab es bei uns noch nie.
Das ist nicht im Sinne Jesu. Andererseits sollen wir nicht jedem modernen Trend hinterherlaufen, nur weil er gerade in Mode ist. Es geht nicht darum, unbedingt Willow Creek oder Saddleback nachzueifern, sondern um eine Balance. Wir sollen weder nur an alten Dingen festhalten wie die Pharisäer noch blind jedem neuen Trend folgen.
Nun zu Vers 37: Er sprach zu ihnen: Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche, sonst zerreißt der neue Wein die Schläuche, er wird verschüttet und die Schläuche verderben. Das ist ungeeignet.
Wein war damals ein Alltagsgetränk. Man trank ihn nicht nur zum Betrinken. Auch Jesus trank Wein, wie alle Leute, um sicherzugehen, dass das Getränk desinfiziert war. Meistens mischte man Wein mit Wasser, so war der Alkoholgehalt gering. Wein wurde zu jeder Mahlzeit getrunken.
Wein und Kleid sind hier Begriffe aus dem Alltag, keine Beispiele für Säufer. Man füllte den Wein nicht in Flaschen oder Fässer, sondern in Tonkrüge oder Schläuche. Diese Schläuche bestanden aus Tierhäuten, Leder, und waren dicker als heutige Gartenschläuche. Man hängte sie an die Wand oder legte sie auf ein Pferd zum Transport.
Der Vorteil war, dass Gase entweichen konnten. Wein wurde damals nicht wie heute im Fass gereift, sondern man nahm den Most, füllte ihn in Schläuche, und er begann zu gären. Gären bedeutet, dass sich Gase bilden und sich das Volumen ausdehnt. Ein Teil der Gase konnte durch das Leder entweichen.
Ein alter Schlauch ist jedoch brüchig und hat sich bereits gedehnt. Wenn man in so einen alten Schlauch frischen, jungen Wein füllt, der weiter gärt, zerreißt der Schlauch. Das ist ungeeignet, und der Wein wird verschüttet.
Jesus nimmt hier ein anderes Beispiel aus dem Alltag, um dieselbe Aussage zu unterstützen: Altes und Neues verträgt sich nicht. Das, was ich euch bringe, ist das, was Gott heute offenbaren will. Das könnt ihr nicht einfach in alte Schläuche füllen.
Ihr habt euren Priesterdienst, eure Synagogen, euren Opferdienst – das passt nicht zu meiner Lehre. Das ist die neue Lehre, das, was Gott euch neu sagen will. Deshalb braucht ihr auch neue Schläuche.
Die Schläuche sind hier das, was den Inhalt ummantelt, also neue Traditionen und Verhaltensweisen. Der Wein steht für die Lehre Jesu, alt und neu, und die Schläuche für den äußeren Ausdruck.
Deshalb soll neuer Wein in neue Schläuche gefüllt werden, damit beide erhalten bleiben.
Der Schluss ist für uns etwas schwierig: Niemand, der alten Wein trinkt, will sogleich neuen, denn der Alte ist besser. Diese Aussage kann man doppelt verstehen.
Will Jesus objektiv sagen, dass der alte Wein tatsächlich besser ist, oder will er nur ausdrücken, dass die Leute das so meinen? Beides ist möglich. Ich möchte euch beide Deutungen vorstellen, wobei ich zu einer tendiere.
Nehmen wir an, Jesus sagt nur: Ihr meint, der alte Wein sei besser. Das wäre naheliegend, weil er zuvor vom Alten sprach, der Lehre der Pharisäer. Wir müssen bedenken, dass Fastengebote und Sabbatregeln der Pharisäer nicht aus dem Alten Testament stammen. Jesus wendet sich nicht gegen das Alte Testament, sondern gegen die Lehren der Pharisäer, die sich auf die Traditionen ihrer Vorfahren beriefen.
Wenn wir das so verstehen, bedeutet der alte Wein die Lehre der Pharisäer. Derjenige, der den Alten bevorzugt, findet ihn besser. Das kann jeder nachvollziehen: Man ist in einer Familie aufgewachsen und hat viele Traditionen übernommen.
Viele Traditionen in Gemeinden sind so: Das haben schon unsere Vorfahren so gemacht, also machen wir es auch so. Manche finden alte Lieder besser als moderne, weil sie damit aufgewachsen sind.
Jesus will sagen: Das ist nur eine Einbildung, das scheint euch nur so.
Mir scheint jedoch die zweite Deutung richtiger: Der alte und gereifte Wein ist tatsächlich besser, besonders bei den damaligen Kältemethoden.
Der frische Wein, der Most, schmeckt nicht wirklich nach Wein. Je länger er lagert, desto mehr Aroma entwickelt er.
Deshalb nehme ich an, Jesus meint tatsächlich, dass der alte Wein besser ist. Aber bedeutet das, dass die Lehre der Pharisäer besser ist? Nein, das glaube ich nicht.
Ich habe den Eindruck, Jesus will sagen, dass die Lehre, die er bringt, die eigentlich ältere ist. Paulus argumentiert ähnlich im Galaterbrief 3,17-19: Die Gnade war schon vor dem Gesetz da. Abraham wurde aus Gnade erwählt, und es wurde ihm gesagt, dass in seinem Samen alle Völker gesegnet werden.
Das war, bevor das Gesetz unter Mose kam. Jesus will also sagen: Das Alte ist besser, aber das, was ich bringe, ist die Botschaft Gottes, die von Anfang der Welt an bestand.
Was ihr macht, ist gerade mal zweihundert Jahre alt, und ihr meint, das sei die letzte Wahrheit – das ist es nicht.
Jesus zeigt mit dem Alten, was ihr meint, dass das, was er bringt, zugleich ganz jung ist, weil es sich jetzt offenbart, und zugleich alt, weil es von Anfang an bestand.
Ich vertrete diese Lösung, weil der alte Wein meist besser war und Paulus im Galaterbrief dieselbe Argumentation wählt. Die Gnade ist sowohl alt als auch neu.
Dieses Alt und Neu ist eine Herausforderung. Viele, die das Alte schätzen und sich als konservativ sehen, haben vieles Gutes, aber manchmal verschließen sie die Augen vor besseren Lösungen.
In einer Gemeinde in der Nähe erlebte ich, dass Jugendliche begeistert beteten. Die Eltern fanden das zu radikal und verboten es. Die Jugendlichen hörten auf und lebten wieder einen normalen Gemeindetrott. Dabei hätte man das neue Feuer für Jesus nutzen können.
Manchmal können junge Menschen mit unbefangenem Blick auf biblische Wahrheiten uns Neues eröffnen. Wir sollten offen sein für Neues, aber nicht Neues um jeden Preis, und auch nicht Altes um jeden Preis.
Wir sollten bereit sein, dass Gott uns auch im hohen Alter noch neue Dinge aus der Bibel offenbaren kann. Wir sollten nicht darauf beharren, bei dem zu bleiben, was wir vor 30 Jahren gelernt haben.
Manchmal lesen wir die Bibel durch eine Brille, die wir vor Jahren aufgesetzt haben, und sind nicht offen für neue Wahrheiten. Mir ist das so gegangen: Ich habe in den letzten Jahren einige Dinge neu erkannt, die ich früher anders gesehen habe.
Ich hoffe, diese Offenheit verliere ich nicht, auch wenn ich 90 werde – wobei ich hoffe, dass Jesus vorher wiederkommt. Aber theoretisch bereite ich mich darauf vor, flexibel zu bleiben.
Die Erfahrung zeigt, dass manche ältere Menschen im Glauben und im Leib so unflexibel sind, dass sie nichts Neues mehr aufnehmen. Im Krankenhaus erlebte ich, dass manche Patienten nicht zuhörten, wenn ich vom Glauben sprach.
Ich glaube, wie du jetzt lebst und bereit bist, dich von Gott verändern zu lassen, wird sich auch im Alter zeigen. Wenn du jetzt nicht offen bist, wirst du es später auch nicht sein.
An dieser Stelle, auch wenn wir nicht alles geschafft haben, machen wir einen Einschnitt. Ich erinnere daran, dass alle, die noch etwas singen wollen, herzlich eingeladen sind, dies mit Johannes zu tun.
Ich möchte aber vorher noch einmal mit euch beten.
Herr Jesus Christus, wir danken dir, wie du mit Liebe und anschaulich den Pharisäern und den Jüngern des Johannes vor Augen geführt hast, welchen Stellenwert deine Lehre im Vergleich zur Lehre der Pharisäer hat.
Wir danken dir, dass wir keinem Zwang und Druck ausgesetzt sind, an bestimmten Tagen fasten zu müssen oder eine äußere Werkgerechtigkeit zur Schau zu stellen. Du hast uns die Freiheit gegeben, unsere Liebe dir gegenüber auszudrücken.
Wir bitten dich, dass du uns zeigst, wo es nötig ist, Zeit für dich zu investieren, auf Nahrung oder anderes zu verzichten, um mehr Zeit für dich zu haben.
Wir bitten dich auch, dass du uns bei der Frage, wie wir mit altem und neuem Testament, mit alten und neuen Lehren und Traditionen umgehen, deutlich machst, wo wir an alten Dingen festhalten sollen, weil sie gut für uns und andere sind.
Gleichzeitig bitten wir dich, uns darauf aufmerksam zu machen, wo liebgewonnene Traditionen nicht nötig sind, damit wir nicht streiten oder Uneinigkeit in die Gemeinde bringen, sondern bereit sind, Neues anzunehmen, was du uns zeigen willst.
Amen.