Herr Präsident! Heute Nachmittag beschäftigt uns das Buch Daniel. Wie üblich an den Bibelstudientagen wollen wir uns damit im Sinne einer Übersicht befassen.
Es geht also nicht darum, dass wir Daniel Vers für Vers durchgearbeitet haben. Das Ziel einer solchen Übersicht an einem Bibelstudientag ist vielmehr, das Buch in seinem Umfeld richtig einzuordnen und die Hauptbotschaft gut zu verstehen.
Das Endziel ist, dass diese Übersicht uns anregt, das Buch anschließend im Detail Vers für Vers zu studieren und auf unser Leben zu beziehen.
Einführung und historischer Hintergrund der ersten Kapitel
Ich lese aus Daniel 1, Vers 1: Im dritten Jahr der Regierung Joachims, des Königs von Juda, kam Nebukadnezar, der König von Babel, nach Jerusalem und belagerte die Stadt. Der Herr gab Joachin, den König von Juda, in seine Hand sowie einen Teil der Geräte des Hauses Gottes. Diese brachte er in das Land Sinea, in das Haus seines Gottes, in das Schatzhaus.
Der König befahl Aspenas, dem Obersten seiner Kämmer, dass er aus den Kindern Israel sowohl vom königlichen Samen als auch von den Vornehmen Jünglingen solche bringen solle, an denen keinerlei Fehl sei. Sie sollten schön von Aussehen sein, unterwiesen in aller Weisheit, kenntnisreich und mit Einsicht begabt sowie tüchtig, im Palast des Königs zu stehen.
Außerdem sollten sie die Schriften und die Sprache der Chaldäer lernen. Der König verordnete ihnen eine Tagtägliche von der Tafelkost des Königs und vom Wein, den er trank. Diese sollten sie drei Jahre lang erhalten, und am Ende dieser Zeit sollten sie vor dem König stehen.
Unter ihnen waren von den Kindern Judas Daniel, Hananja, Misael und Asarja. Der Oberste der Kämmerer gab ihnen neue Namen: Er nannte Daniel Belt-Sasar, Hananja Sadrach, Misael Mesach und Asarja Abednego.
Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht mit der Tafelkost des Königs und mit dem Wein, den er trank, zu verunreinigen. Er bat den Obersten der Kämmerer darum, dass er sich nicht verunreinigen müsse.
Gott gab Daniel Gnade und Barmherzigkeit vor dem Obersten der Kämmerer. Dieser sagte zu Daniel: „Ich fürchte meinen Herrn, den König, der eure Speise und euer Getränk verordnet hat. Warum sollte es sein, dass eure Angesichter verfallener wären als die der Jünglinge eures Alters, so dass ihr meinen Kopf beim König verwirkt?“
Daniel sprach zu dem Aufseher, den der Oberste der Kämmerer über Daniel, Hananja, Misael und Asarja bestellt hatte: „Versuche es doch mit deinen Knechten zehn Tage. Gib uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken. Dann sollen unser Aussehen und das Aussehen der Jünglinge, die die Tafelkost des Königs essen, von dir geprüft werden. Und tue mit deinen Knechten nach dem, was du sehen wirst.“
Der Aufseher hörte auf sie in dieser Sache und versuchte es zehn Tage mit ihnen. Am Ende der zehn Tage zeigte sich ihr Aussehen besser und voller an Fleisch als dasjenige aller Jünglinge, die die Tafelkost des Königs aßen. Daraufhin nahm der Aufseher ihre Tafelkost und den Wein, den sie trinken sollten, weg und gab ihnen Gemüse.
Diesen vier Jünglingen gab Gott Kenntnis und Einsicht in aller Schrift und Weisheit. Daniel hatte außerdem Verständnis für alle Gesichte und Träume.
Am Ende der Tage, nach denen der König sie auszubilden befohlen hatte, brachte sie der Oberste der Kämmerer zu Nebukadnezar. Der König redete mit ihnen, und unter ihnen allen wurde keiner gefunden wie Daniel, Hananja, Misael und Asarja.
Sie standen vor dem König, und in allen Dingen einsichtsvoller Weisheit, die der König von ihnen erfragte, fand er sie zehnmal überlegen gegenüber allen Schriftgelehrten und Beschwörern, die in seinem ganzen Königreich waren. Daniel blieb bis zum ersten Jahr des Königs Kores.
Das Buch Daniel beginnt mit der Datierung im dritten Jahr der Regierung Joachims, des Königs von Juda. Diese Zeit können wir ganz genau auf das Jahr 605 v. Chr. festlegen.
Dabei ist es sehr hilfreich, dass man unter den Hunderttausenden von Keilschrifttafeln aus dem Nahen Osten, insbesondere aus Babylonien, eine Tafelserie gefunden hat, die als babylonische Chronologie bekannt ist. Diese Tafelserie beschreibt detailliert die Jahre ab 605 v. Chr. und dokumentiert, was die Babylonier in dieser Zeit unternahmen.
Auf diesen Tafeln wird auch die Invasion im Frühjahr 605 v. Chr. durch das Land Hatti, das Gebiet von Syrien und Israel, beschrieben. Weitere Ereignisse aus dieser Zeit werden ebenfalls dargestellt, und sie stimmen wunderbar mit den Berichten der Bibel überein.
Man hat sogar eine Tafel gefunden, auf der ausdrücklich der weggeführte König erwähnt wird. Wir können in 2. Chronik 36 nachlesen: In Vers 5 wird Joachin genannt, der in Daniel 1 erwähnt wird, und in Vers 9 sein Nachfolger, der ebenfalls nach Babylon durch Nebukadnezar weggeführt wurde.
Es wird berichtet, wie König Nebukadnezar genau festlegte, welche Nahrung Joachin in Babel erhalten sollte. Die originale Tafel mit dem Speisezettel, der beschreibt, was dieser König Joachin in Babel an Essen zugestanden wurde, wurde ebenfalls gefunden.
Dieses Schlüsseljahr 605 v. Chr. wird auf den Frühling datiert. Es markiert den Beginn der babylonischen Kriege gegen Jerusalem.
Babylon und Jerusalem im Widerstreit und die göttliche Souveränität
Wir haben hier also in Vers 1 die wichtige Gegenüberstellung von Jerusalem und Babylon. Babylon ist die Stadt der Rebellion gegen Gott – bekannt durch den Turmbau von Babel und den Götzendienst. In Jesaja 47,12 heißt es von der Stadt Babel, dass sie von Jugend an von Magie getrieben war. So war auch der Stufenturm von Babylon bereits mit Magie und Götzendienst verbunden.
Babylon ist die Stadt der Götzen, die Stadt der Naturverehrung. Dagegen steht Jerusalem, die ausgewählte Stadt, die Stadt des einen Gottes, in der der Salomontempel stand. Doch nun wird alles auf den Kopf gestellt: Der König von Babel kommt. Babel, Babylon, ist dasselbe, und der König von Babel belagert Jerusalem.
Warum? Die Propheten haben ganz klar gesagt: Wenn Israel, das jüdische Volk, sich von Gott abwendet und seine Gebote missachtet, dann wird es nach Babylon deportiert, zu einer anderen Nation gebracht. Das hatte Mose bereits vorausgesagt in 5. Mose 28,36: „Der Herr wird dich und deinen König, den du über dich setzen wirst, zu einer Nation führen, die du nicht gekannt hast, du noch deine Väter. Und du wirst dort anderen Göttern dienen, Holz und Stein.“
Hier geht es also nicht um die weltweite Zerstreuung der Juden ab dem Jahr 70 nach Christus – das ist ein anderes Ereignis. Diese Zerstreuung hatte Mose in Vers 63 vorausgesagt. Hier aber geht es um die babylonische Wegführung.
Nebukadnezar deportierte die Juden in vier Phasen. Die erste Wegführung ist in Daniel 1,1 beschrieben, im Jahr 605 v. Chr. Dann folgte eine zweite Wegführung 597 v. Chr., bei der auch Hesekiel nach Babylon musste (Hesekiel 1,1 und folgende). Die dritte Wegführung wird in 2. Chronik 36 beschrieben, im Jahr 586 v. Chr. Das war das Jahr der Zerstörung des Salomontempels und der Stadt Jerusalem sowie des Untergangs des jüdischen Staates in Israel. Dabei wurde die Hauptmasse der Leute weggeführt. Schließlich gab es noch eine kleine Wegführung im Jahr 582 v. Chr., die nur in Jeremia 52 erwähnt wird.
Diese vier Wegführungen markieren die Deportationen nach Babylon. Hier in Daniel 1 sehen wir die erste.
Warum unterliegt Jerusalem? Wie gesagt, wegen des Ungehorsams des jüdischen Volkes. Ein Volk, das seinem Gott den Rücken zugewandt hatte, sollte auch nicht mehr das Zeugnis für den einen Gott sein, das der Tempel in Jerusalem darstellte.
Darum ist es wichtig, Vers 2 zu lesen: „Und der Herr gab Joachim, den König von Juda, in seine Hand.“ Es war also nicht die Stärke der babylonischen Armee, die das assyrische Weltreich zerschlagen konnte. Im Jahr 612 fiel die als uneinnehmbar geltende Stadt Ninive, wie Nahum vorausgesagt hatte, und im Jahr 608 waren die letzten Kämpfe beendet.
Aber all diese Siege waren nicht auf die Stärke der Babylonier zurückzuführen. Hier lesen wir: „Der Herr gab Joachim in seine Hand.“ Im Grundtext steht hier der Gottesname Adonai, der Herr, also der, der Autorität hat.
So ist das Buch Daniel, wie wir sehen werden, durch diesen Vers 2 charakterisiert. Es zeigt uns Gott als Herrn der Geschichte – auch dann, wenn es zu Ungunsten seines Volkes geschieht. Der Herr hat alles in seiner Hand. Es sind nie die Menschen oder finstere Mächte, sondern der Herr, der alles lenkt, auch das Unglück über sein Volk. Es liegt in seiner Hand.
Darum ist der Ausdruck „Adonai gab Joachim in seine Hand“ ganz entscheidend. Das Buch Daniel entwickelt eine göttliche Sicht der Geschichte. Es zeigt prophetisch die Abfolge der weiteren Weltreiche bis in unsere Zeit und bis zur Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit.
So ist das Buch Daniel wirklich das Buch der Bibel, das uns zeigt: Gott ist Herr der ganzen Geschichte und hält alles in seiner Hand.
Die erste Deportation und die Ausbildung der Elite in Babylon
Nun sehen wir in Kapitel 1: Diese erste Wegführung war besonders auf Eliteleute konzentriert. Die obere Schicht sollte in Jerusalem abgerahmt werden, die Intellektuellen sollten entfernt werden. Man hoffte vom Rest, dass sie dann gehorsam gegenüber der Macht Babylons sind und sich unterwerfen, sodass es gar keine Zerstörung Jerusalems braucht.
Daniel und seine drei Freunde waren unter den Weggeführten. Es handelte sich um vornehme Jünglinge, Nachkommen aus dem Königshaus Davids. Weil sie so waren, wollte man sie auch in Babylon benutzen. Sie sollten eine dreijährige Ausbildung durchlaufen, um dann in Staatsdienste eingesetzt zu werden.
Interessant ist, dass man in Babylon Tafeln ausgegraben hat, die beschreiben, dass diejenigen, die eine höhere Ausbildung in Babylon machen, körperlich fehlerfrei sein sollten. Also genau die Kriterien hier, neben der Intelligenz usw. Das waren wirklich Aufnahmekriterien in Babylon. All diese Details findet man in meinem Buch Weltgeschichte im Visier des Propheten Daniel mit genauen Quellenangaben. Das sind also keine leeren Behauptungen.
Man hat auf einer Keilschrifttafel gefunden, wie solche Weisen von Babel während drei Jahren ausgebildet werden sollten. Das entspricht genau diesen Zahlenangaben.
Weiter ist sehr beeindruckend, dass diese vier Freunde die Schrift und die Sprache der Kalder lernen mussten. Das heißt also die akkadische Schrift, diese Keilschrift. Man muss mindestens sechshundert Zeichen kennen, um Texte lesen zu können. Es ist eine Silbenschrift, also schreibt man keine Buchstaben, sondern ein Zeichen bedeutet eine Silbe. Zum Beispiel „na bu cho do no sor“ ist akkadisch für Nebukadnezar. Man schreibt also mit den Silben „na“, „bu“, „cho“ usw. Jedes Mal ein anderes Zeichen für eine Silbe.
Also Literatur und Schrift der Babylonier sollten sie lernen. Ihre Namen wurden in heidnische Namen verändert, zum Beispiel:
- Daniel bedeutet auf Deutsch „Gott ist mein Richter“. „El“ heißt Gott, „Dan“ Richter, „Dani“ mein Richter ist Gott. Das bedeutet, Gott ist der, der mir Recht verschafft und mir hilft.
- Sein Name wurde in einen heidnischen Namen umgewandelt, in „Belt-Sazar“, ein Aufruf an einen Götzen.
- Sadrach ist ein weiteres Beispiel. Anstatt Hanania, der „Herr ist gnädig“, heißt er Sadrach, auch ein Name in Verbindung mit einem Götzen.
- Misael bedeutet „Wer ist wie Gott?“ Auch er bekam einen Namen, der an babylonische Gottheiten erinnert.
- Asarja bedeutet „Der Herr hilft“ und Abednego heißt „Knecht von Nego“, dem babylonischen Gott Nego.
Warum war die Namensänderung wichtig? Diese jungen Leute sollten entwurzelt werden, aus ihrem Glauben herausgerissen und in die babylonische götzendienische Kultur richtig integriert werden. Das Thema Integration war für die Babylonier sehr wichtig. Diese Leute musste man entwurzeln, damit sie nicht mehr zurückwollten. All ihre Hoffnung, die mit ihrem Glauben verbunden war, sowie ihr Land sollten zerbrochen werden.
Die Herzensentscheidung Daniels und die Bedeutung von Reinheit
Das Buch Daniel zeigt uns vier junge Leute. Wir können daraus schließen, dass sie wohl etwa Teenager gewesen sein mussten, also im Alter zwischen 13 und 20 Jahren. Das erkennt man daran, dass Daniel alt genug ist, um eine höhere Ausbildung zu absolvieren. Gleichzeitig lebt er im Buch Daniel im Jahr 537 v. Chr. Das Buch Daniel erstreckt sich von 605 bis 537 v. Chr., und Daniel lebt in dieser Zeitspanne noch.
Man kann also vermuten, dass Daniel damals vielleicht 13 bis 15 Jahre alt war. Das ist beeindruckend. Diese vier Freunde zeigen uns im Buch Daniel Teenager, die ohne Mama und Papa nach Babylon kommen. Dort sind sie bereit, dem Götzenkult die Stirn zu bieten und ihrem Gott treu zu bleiben.
Das geschieht nicht, weil die Eltern ihnen sagen, wie sie sich in Babylon verhalten sollen. Sie entscheiden selbst. Der antreibende Motor ist Daniel selbst. In Daniel 1,8 heißt es: „Und Daniel nahm in seinem Herzen vor, sich nicht mit der Tafelkost des Königs und mit dem Wein des Erddrangs zu verunreinigen.“
Das war also eine Herzensentscheidung von Daniel. Er nahm es sich innerlich vor. Das zeigt uns, dass die Ermahnung der Eltern wichtig ist, aber nicht ausreicht. Natürlich hat Daniel vieles von seinen Eltern mitbekommen. Doch als Teenager entschied er sich selbst, in seinem Herzen, nicht unrein zu werden in diesem unreinen Land.
Dabei hätte er denken können, dass es sein Schicksal ist, wie in 5. Mose 28,36 beschrieben: „Zu einer anderen Nation wirst du weggeführt, und dort wirst du anderen Göttern dienen, Holz und Stein.“ Das war das Schicksal vieler Israeliten. Doch für Daniel war das nicht Schicksal. Er entschied sich bewusst gegen die Götter von Holz und Stein.
Das zeigt uns die Wichtigkeit der Herzensentscheidung. Eine Parallele dazu finden wir im Neuen Testament. Dort kommen Menschen frisch zum Glauben, wie in Apostelgeschichte 11. Sie werden von Barnabas in Antiochien in Syrien besucht. In Apostelgeschichte 11,23 steht: „Als Barnabas hingekommen war und die Gnade Gottes sah, freute er sich und ermahnte alle, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren.“
Diese Menschen waren bekehrt, aber es kam noch hinzu, dass sie sich mit Herzensentschluss entschieden, bei dem Herrn zu bleiben.
Wir sehen bei Daniel und seinen Freunden echten Glauben, der da war. In Babylon fassten sie den Herzensentschluss, bei dem Herrn zu verharren und nicht unrein zu werden.
Im Buch Daniel spielt das Thema Reinheit und Heiligkeit eine entscheidende Rolle – schon im ersten Kapitel. Dieses Thema zieht sich durch das ganze Buch Daniel hindurch.
Die Struktur und prophetische Gliederung des Buches Daniel
Das Kapitel eins ist in sich abgeschlossen. Auch die weiteren Geschichten sind schön nach Kapiteln gegliedert und jeweils in sich abgeschlossen.
Kapitel 2 behandelt den Traum von Nebukadnezar und dessen Deutung durch Daniel. Kapitel 3 erzählt vom goldenen Standbild Nebukadnezars und der Weigerung der drei Freunde, es anzubeten. Kapitel 4 beschreibt den Hochmut Nebukadnezars und seinen siebenjährigen Wahnsinn, ebenfalls in sich geschlossen.
Kapitel 5 berichtet von der Gotteslästerung König Belsazars und seinem Ende. Kapitel 6 handelt von Darius, dem Meder, und Daniels Weigerung, dem Gebot des Königs zu gehorchen, was zur Folge hat, dass Daniel in die Löwengrube geworfen wird.
Kapitel 7 zeigt Daniels Traum von den vier Tieren aus dem Meer. Hier geht es um die vier Weltreiche in der Geschichte, die er voraussieht. Kapitel 8 enthält Daniels Vision vom Widder und vom Ziegenbock. Diese Prophetie bezieht sich auf das persische und das griechische Weltreich.
Kapitel 9 ist ebenfalls in sich geschlossen. Es handelt sich um die Prophetie von den siebzig Jahrwochen und dem Kommen des Messias.
Die letzten Kapitel, 10 bis 12, bilden eine Einheit für sich. Sie enthalten die Prophetie über den König des Nordens, Syrien, und den König des Südens, Ägypten, bis hin zur großen Drangsal und der Wiederkunft Christi.
Wenn wir das Buch Daniel einteilen, ergeben sich zehn Teile. Diese sind schön nach Kapiteln geordnet: eins bis neun und dann der zehnte Teil, der die Kapitel zehn bis zwölf umfasst.
Weisheit und Reinheit als Leitmotive im Buch Daniel
Im ersten Kapitel sehen wir Daniel und seine Freunde, die sich um Heiligkeit und Reinheit in ihrem Leben bemühen. Nun betrachten wir, wie Daniel von den Endzeitgläubigen spricht, speziell im letzten Teil.
Ich lese zuerst Daniel 11,33:
Das ist eine Prophetie, die sich in der Makkabäerzeit, also um 167 v. Chr., erfüllt hat. Die Verständigen, das sind die Makkabäer, werden die vielen unterweisen. Aber sie werden fallen durch Schwert und Flamme, durch Gefangenschaft und Raub eine Zeit lang. Wenn sie fallen, wird ihnen mit einer kleinen Hilfe geholfen werden. Viele werden sich ihnen mit Heuchelei anschließen, und von den Verständigen werden einige fallen, um sie zu läutern, zu reinigen und weiß zu machen bis zur Zeit des Endes. Denn es verzieht sich noch bis zur bestimmten Zeit.
Hier wird also von den Verständigen, von den Treuen in späteren Zeiten gesprochen. Diese werden eng mit Reinheit und weißer Farbe verbunden, um sie zu läutern, zu reinigen und weiß zu machen bis zur Zeit des Endes. Das entspricht genau dem Beispiel von Daniel und seinen Freunden.
Wie wir gesehen haben, war Daniel weise, und diese Weisheit führte ihn dazu, rein sein zu wollen. Diese Reinheit wiederum war der Anlass, dass Gott ihm und seinen Freunden Weisheit gab. Weisheit führt also zu Reinheit, und Reinheit führt zu Weisheit. Es ist wie eine Spirale.
Die Weisheit selbst führt dann wieder zu dem Bemühen um Reinheit. Hier haben wir die treuen Makkabäer, die prophezeit werden. Sie werden „die Verständigen des Volkes“ genannt, die viele unterweisen. Sie besitzen Weisheit, geben diese weiter, und diese Weisheit führt zu praktischer Heiligkeit.
Weiter in Vers 35 heißt es:
Von den Verständigen werden einige fallen, um sie zu läutern, zu reinigen und weiß zu machen.
In Kapitel 12 lesen wir weiter:
„Und die Verständigen“ – wieder das gleiche Wort Maskilim, das heißt Verständige oder einer, der auch andere Weise macht, also sowohl Verständige als auch Verständigmachende – „die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“
Hier geht es nicht mehr um die Makkabäerzeit, die noch bis Vers 35 von Kapitel 11 beschrieben wurde. Jetzt geht es um die Endzeit, die große Drangsalzeit und die treuen Juden nach der Entrückung.
Ich lese Kapitel 12, Vers 1:
„Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht. Es wird eine Zeit der Drangsal sein, dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht, bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, ein jeder, der im Buch eingeschrieben gefunden wird. Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen, diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zur ewigen Abscheu.“
Hier geht es im Zusammenhang um die große Drangsalzeit, die schrecklichste Zeit der Weltgeschichte, etwa dreieinhalb Jahre vor der Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit. Die Verständigen werden genannt, die die vielen zur Gerechtigkeit weisen. Auch hier sehen wir wieder den Zusammenhang von Weisheit und Gerechtigkeit.
Weiter in Kapitel 12, Vers 10:
„Viele werden sich reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen werden gottlos handeln, und keine der Gottlosen wird es verstehen. Die Verständigen, die Maskilim, aber werden es verstehen.“
Auch hier werden die Weisen, die Verständigen, mit Reinigen, Weißmachen und Läutern verbunden. Der Zusammenhang von Weisheit und praktischer Reinheit ist im Buch Daniel sehr wichtig. Wir finden ihn im ersten und im letzten Teil.
So wird uns vielleicht deutlich: Daniel und seine drei Freunde sind gewissermaßen Prototypen für diejenigen, die Gott treu sein wollen durch die ganze Weltgeschichte hindurch. Angefangen beim babylonischen Weltreich, das dann, wie Daniel voraussagt, zum persischen, zum griechischen, zum römischen und schließlich bis in unsere Endzeit weitergeführt wird.
Sie sind Prototypen, an denen sich eigentlich alle Gläubigen zu allen Zeiten orientieren sollten. Ganz besonders aber sollen die Gläubigen der Endzeit ihre Kennzeichen tragen.
Weisheit und Erkenntnis im Neuen Testament und im Buch Daniel
Nun kann man sich natürlich fragen: Wie ist das mit der Weisheit? In 1. Korinther 8 haben wir doch gelesen, dass es da eigentlich ein bisschen gefährlich ist mit Erkenntnis und Wissen. Paulus sagt zu den Götzenopfern in Vers 1: „So wissen wir, denn wir alle haben Erkenntnis. Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe aber erbaut. Wenn jemand sich dünkt, er erkenne etwas, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll. Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.“
Also: Erkenntnis bläht auf, Liebe erbaut. Daraus haben manche den Schluss gezogen, dass Weisheit und Wissen gar nicht gut sind, schon gar nicht wichtig, weil sie ja nur aufblähen. Aber Paulus erklärt, dass, wenn jemand meint, er hätte etwas erkannt, das eine Einbildung ist. Es ist nicht dasselbe wie göttliche Erkenntnis. Er sagt: „Wenn jemand sich dünkt, er erkenne etwas, so hat er noch nicht erkannt, wie man erkennen soll.“
Es gibt also zwei Arten von Wissen und Erkenntnis: eine falsche, die aufbläht, und eine richtige. Paulus sagt, wenn jemand Gott liebt – und das war die Weisheit von Daniel – dann geht es nicht um Wissen um des Wissens willen, sondern alles kommt aus der Liebe zu Gott und seinem Wort hervor. Das ist die wahre Erkenntnis. Dann klopft man sich nicht auf die Schultern und sagt: Wie viel habe ich doch erkannt! Stattdessen ist man erfüllt von der Größe und Majestät des Herrn.
Wahre Weisheit macht klein, falsche Erkenntnis bläht auf. So ist 1. Korinther 8 keine Kritik an Erkenntnis schlechthin, sondern an falscher Erkenntnis, die stolz und aufgebläht macht. Wir können uns selbst prüfen: Wenn wir etwas erkennen, was bewirkt es in unserem Leben? Werden wir stolz und eingebildet, wissen wir, dass es keine richtige Erkenntnis war. Wenn die Erkenntnis uns klein macht und den Herrn groß, dann ist es die richtige Erkenntnis.
In Daniel finden wir also nicht falsche, sondern wahre Weisheit, die aus der Liebe zu Gott und seinem Wort hervorgeht. Diese führt zu praktischer Reinheit. Das ist auch ein Prüfpunkt: Die Erkenntnis, die wir haben, führt dazu, dass wir Dinge erkennen, die nicht in Ordnung sind. Und wir sind dann bereit, diese Dinge zu bereinigen, um wirklich gottgemäß zu leben. Dann ist es die richtige Weisheit.
Wenn wir uns so um praktische Gerechtigkeit bemühen, wird Gott mit neuer Erkenntnis antworten. So lesen wir im Jakobusbrief, Kapitel 3, wo wahre und falsche Weisheit einander gegenübergestellt werden. Beides wird Weisheit genannt. Jakobus 3,14-17: „Wenn ihr aber bitteren Neid und Streitsucht in eurem Herzen habt, so rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit. Dies ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern eine irdische, sinnliche, teuflische. Denn wo Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und jede schlechte Tat. Die Weisheit aber von oben ist aufs Erste rein, sodann friedsam, gelinde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt. Die Frucht der Gerechtigkeit wird in Frieden gesät, aber nur bei denen, die Frieden stiften.“
Die Weisheit von oben ist also zuerst rein – genau die Weisheit von Daniel. Diese Weisheit ist der Prototyp für alle Treuen durch alle Zeiten hindurch bis zur Wiederkunft Christi, die Maskilim der Endzeit. Es ist eindrücklich, dass gerade die Endzeitgläubigen in Daniel 12 Maskilim genannt werden. Die Erkenntnis des Willens Gottes ist in der Endzeit ganz entscheidend, um überhaupt bestehen zu können gegen all die Verführungen.
So lesen wir in Hosea 4 ein sehr aktuelles Wort. Hosea ist der erste der kleinen Propheten, gerade nach Daniel. Hosea 4,6 sagt: „Mein Volk wird vertilgt aus Mangel an Erkenntnis. Weil du die Erkenntnis verworfen hast, so verwerfe ich dich, dass du mir nicht mehr Priesterdienst ausübst. Du hast das Gesetz deines Gottes vergessen, so werde ich auch deine Kinder vergessen.“
Das ist sehr charakteristisch für das Volk Gottes heute, besonders in unserem Kulturkreis. Noch in den Sechzigerjahren kämpften viele Christen für die Wahrheit der Bibel. Damals tauchte in Deutschland der Skandal auf, als Professor Rudolf Bultmann, ein Theologieprofessor, die „Gott ist tot“-Theologie verkündete. Viele setzten sich damals mit der Heiligen Schrift in der Hand für die Wahrheit des Glaubens ein.
Heute aber: Wo sind diejenigen, die noch für die Glaubwürdigkeit der Bibel kämpfen und eintreten? Das ist kein wichtiges Thema mehr. Wichtig ist heute, möglichst viele Besucher im Gottesdienst zu haben. Ob die Leute ein reines Leben führen oder nicht, spielt kaum eine Rolle. Hauptsache, sie sind da. Es wird nach Erfahrung gefragt, aber nicht nach der Erkenntnis des Willens Gottes, der Erkenntnis der Herrlichkeit und Größe Gottes, wie sie in der Heiligen Schrift dargelegt wird.
Das Buch Daniel hat also eine ganz wichtige praktische Bedeutung für uns. Es zeigt die Wichtigkeit wahrer Erkenntnis in der Endzeit – aber nicht einfach, weil wir Theorie so gerne haben. Nein, denn diese wahre Erkenntnis führt zu praktischer Gerechtigkeit.
Darum schrieb der weise König Salomo in den Sprüchen, als Schlüsselvers im ersten Kapitel, Vers 7: „Die Furcht des Herrn, die Ehrfurcht vor dem Herrn, ist der Anfang der Erkenntnis. Die Narren verachten Weisheit und Unterweisung.“
Wenn wir die Sprüche durchlesen, worum geht es hier? Es geht um ganz praktische Weisheit, Gerechtigkeit und Wahrheit im Alltag. Dort finden wir Verse für alle möglichen Situationen des unvorhergesehenen Alltags. Die biblische Weisheit führt uns dahin, dass wir sie auf den Alltag beziehen.
Ehrfurcht vor Gott als Grundlage der Weisheit
Aber wie kommt es überhaupt zu dieser Weisheit? Das Erste ist die Ehrfurcht vor Gott, und diese führt zur Weisheit. Daniel hatte diese Ehrfurcht. Er wollte nicht gegen Gottes Gebote verstoßen, die Gott seinem Volk Israel in der Tora gegeben hat.
Es geht dabei nicht darum, dass wir heute Christen unter das Gesetz stellen. Christen stehen, ganz klar nach dem Galaterbrief und Römerbrief, nicht unter dem Gesetz. Aber Daniel stand unter dem Gesetz. Er wollte die Gebote befolgen, die Israel unter dem Gesetz auferlegt waren.
Wir haben das Gesetz des Christus, wie es in Galater 6,1-2 beschrieben ist. Das sind die Gebote, die der Herr uns im Neuen Testament gegeben hat, und die müssen wir praktisch umsetzen.
Ganz wichtig ist Daniel 1,9: "Und Gott gab Daniel Gnade und Barmherzigkeit." Bereits in Vers 2 heißt es: "Der Herr gab Joachim in seine Hand, der Herr der Geschichte, der die Völker lenkt." Und jetzt ganz persönlich gibt Gott diesem einzelnen Teenager Gnade.
Warum? Weil Daniel zuerst den Herzensentschluss gefasst hatte. Nicht umgekehrt: Gott gab Gnade, und dann fasste Daniel den Herzensentschluss. Das ist etwas Entscheidendes, ein biblisches Prinzip, das sich wie ein roter Faden durchzieht. Wenn wir nichts tun wollen, geschieht auch nichts. Aber wenn wir bereit sind, den Willen Gottes zu tun, dann wirkt Gott von seiner Seite.
Das ist ein Prinzip, das man im Judentum sehr gut kennt – von alters her. Um nur ein konkretes Beispiel zu nennen: Orthodoxe Juden, die den Tempel wieder aufbauen wollen, sagen nicht einfach, dass sie es heute nicht können, und tun nichts. Nein, sie sagen sich: Wir müssen alles vorbereiten. Wenn wir das tun, wird Gott von seiner Seite eingreifen und es ermöglichen.
Dieses Prinzip gilt auf jeder Stufe. Wenn wir nicht evangelisieren, bekehren sich auch die Leute nicht. Aber wenn wir bereit sind zu evangelisieren, dann geschieht es, wie in Apostelgeschichte 16, als der Herr das Herz der Lydia öffnete. Wäre Paulus nicht gekommen, wäre das nicht geschehen.
Der Mensch muss in Gehorsam einen ersten Schritt tun, und dann antwortet Gott von seiner Seite. Daniel hat sich entschieden, und Gott gab Daniel Gnade.
Daniels Widerstand gegen die babylonische Kultur und Gottes Bewahrung
Nun war das eine gefährliche Sache. Daniel wollte also kein unreines Fleisch in Babylon essen und auch keine Götzenopfer annehmen. Deshalb wollte er grundsätzlich auf Fleischgenuss verzichten. Auch den Wein, der möglicherweise mit den Trankopfern der babylonischen Götter in Verbindung stand, wollte er nicht trinken.
Das Problem war: In Babylon legte man großen Wert auf das Äußere, auf die körperliche Erscheinung – ähnlich wie heute. Wir sind heute zwar total babylonisch, aber überhaupt nicht modern. Oder man kann auch sagen, die Babylonier waren damals schon sehr modern.
Hier gab es ein objektives Problem: Daniel wollte nur Gemüse essen. Doch Gemüse hat nicht so viele Kalorien wie Fleisch. Wie sollte er das ausgleichen? Daniel schlug vor, einen Versuch zu machen. Er sagte zwar nicht „wissenschaftlich“, aber er meinte: Wir probieren es zehn Tage lang aus. Nach diesen zehn Tagen schauen wir, wie die mit Fleisch aussehen und wie die ohne Fleisch.
Das Experiment ergab unter Gottes Gnade, dass Daniel und seine Freunde besser aussahen als die anderen. Obwohl man das nach Kalorienrechnung eigentlich nicht erwarten konnte. Gott kann also auch bei Kalorienwundern wirken. So wurde Daniel verschont.
Hätte Daniel nicht versucht, Widerstand zu leisten, wäre das Programm mit dem Gemüse nicht gekommen. Es brauchte zuerst die Entscheidung: Ich will mich nicht unrein machen. Dann gab Gott Gnade. So ist es auch für uns heute.
Dieses Kapitel hat mir viel geholfen, damals als Teenager in der Kantonsschule, als wir deutsche Literatur lesen mussten, die wirklich verdorben ist. Deutsche Literatur zeigt oft nur, was im Menschen drinsteckt. Sie ist das Spiegelbild des menschlichen Herzens. Die Bibel sagt, das Herz sei durch und durch verdorben und verderbt.
Das war mir eine Hilfe: Daniel musste die Schriften der Chaldäer studieren, und Gott bewahrte ihn während des Studiums. Das ermutigte mich. Ich wusste, wenn ich mich im Rahmen meiner Ausbildung mit solcher Literatur beschäftigen muss, kann ich auf Gottes Bewahrung zählen. Aber wenn ich aus Spaß alle möglichen verderblichen Schriften lesen würde, dann kann ich nicht mit Gottes Bewahrung rechnen. Das ist der große Unterschied.
Es gibt Dinge, von denen man sich einfach abgrenzen muss. Bei der Speise sagte Daniel: Nein, das geht nicht. Und Gott half ihm dabei. Dieses Kapitel ist gerade für junge Leute in der Ausbildung sehr hilfreich, die mit vielen Dingen konfrontiert werden, die ihren Glauben herausfordern.
Doch was sehe ich heute? Viele Jugendliche empfinden diese Konfrontation gar nicht mehr als solche. Kein Problem, sie können die widersprüchlichsten Dinge einfach aufsaugen und spüren keinen Konflikt mehr.
In den 1960er Jahren empfanden junge Christen die Konfrontation noch als Kampf, den sie führten. Heute, ich pauschalisiere natürlich, empfinden viele jugendliche Christen die Konfrontation nicht mehr als solche. Die Anpassung ist so weit fortgeschritten, dass der Konflikt gar nicht mehr gespürt wird.
Wohl denen, die den Konflikt noch spüren wie Daniel. Sie werden Gottes Gnade erleben, auch in der Ausbildung. Gott hat Daniel und seinen Freunden sogar einen überwältigenden Abschluss geschenkt.
Das kann man natürlich nicht als allgemeine Verheißung nehmen: Jeder, der treu ist wie Daniel, wird zehnmal klüger als alle Intellektuellen heute. Ich habe tatsächlich einmal von jemandem gelesen, der das wörtlich nahm und dann behauptete, er könne ein Geschichtsbuch Seite für Seite lesen und danach auswendig wiedergeben. Ich habe das nicht geglaubt, was er schrieb. Es ist auch nicht so, dass wir das als allgemeine Verheißung verstehen können.
Genauso wie später die drei Freunde im Feuerofen (Daniel 3) von Gott bewahrt wurden, ist das keine Garantie, dass alle Christen in Nordkorea lebend aus den Konzentrationslagern herauskommen. Dort leiden heute vielleicht Hunderttausende, und viele sterben.
Es zeigt nur: Gott ist souverän und kann helfen. Aber es muss nicht immer so sein. Das sehen wir sehr eindrücklich im Hebräerbrief, wo auf Daniel und seine Freunde Bezug genommen wird.
Hebräer 11, Vers 32: „Und was soll ich noch sagen, denn die Zeit würde mir fehlen, wenn ich erzählen wollte von Gideon und Barak und Simson und Jephtha und David und Samuel und den Propheten, welche durch Glauben Königreiche bezwangen, Gerechtigkeit wirkten, Verheißungen erlangten, den Löwenrachen verstopften, Daniel in die Löwengrube warf, Daniel 6, die drei Freunde im Feuerofen des Schwertes Schärfe entgingen, aus der Schwachheit Kraft gewannen, die Kämpfe stark wurden, die fremden Heerscharen zurücktrieben, Frauen erhielten ihre Toten wieder durch Auferstehung. Andere aber wurden gefoltert, weil sie die Befreiung nicht annahmen, auf dass sie eine bessere Auferstehung erlangten. Andere wurden durch Verhöhnung und Geißelung versucht, dazu durch Bande und Gefängnis. Sie wurden gesteinigt, zersägt (das ist ein Bezug auf Jesaja, der nach jüdischer Überlieferung sich in einem hohlen Baum versteckte und dann mit dem Baum umgesägt wurde), versucht, starben durch den Tod des Schwertes, gingen umher in Schafspelzen, in Ziegenfällen, hatten Mangel, Drangsal, Ungemach, deren die Welt nicht wert war, umherirrend in Wüsten und Gebirgen und Klüften und den Höhlen der Erde.“
Die einen erlebten das eine, die anderen Schreckliches. Das zeigt Gottes Souveränität. Wir können aus den Beispielen bei Daniel nicht ableiten, dass es immer so kommen muss. Aber das Grundprinzip gilt für alle Fälle: Wenn wir uns vornehmen, dem Herrn in unserem Herzen treu zu sein, wird er zu unseren Gunsten wirken und in unser Leben eingreifen. Er führt uns an das Ziel, das Gott für uns vorgesehen hat.
Gott bringt uns ans Ziel.
Daniel 1 ist nicht einfach eine Geschichte, sondern zeigt uns die Prototypen des Glaubens in der Heilsgeschichte, besonders in der Endzeit. Wir sollen von Daniel und seinen Freunden lernen.
Wir sehen auch etwas Wichtiges: Daniel war der Motor, und dann waren auch die drei Freunde treu. So braucht es immer wieder jemanden, der einen Schritt vorangeht. Dann gehen andere in Treue mit. Das Beispiel, das Vorbild, das ermutigende Beispiel ist ganz wichtig – und da sind wir bei Daniel.
Traum von Nebukadnezar und die Deutung der Weltreiche (Kapitel 2)
Jetzt kommen wir zu Daniel 2. Nebukadnezar hat einen beunruhigenden Traum von einem Standbild. Niemand kann ihn deuten, außer Daniel. Daniel konnte den Traum nicht nur deuten, sondern konnte dem König, der den Traum nicht verraten wollte, sogar sagen, was er geträumt hatte.
So lesen wir in Daniel 2 ab Vers 31: Nebukadnezar sah ein Standbild, schrecklich und außergewöhnlich. Der Kopf bestand aus Gold, die Brust und die Arme aus Silber, der Bauch und die Hüften aus Bronze, die Beine aus Eisen und die Füße aus Eisen und Ton. Dann löst sich ein Stein ohne menschliche Vermittlung aus dem Felsmassiv, stürzt auf die Füße und zerschmettert nicht nur die Füße, sondern das ganze Standbild. Dieser Stein wird zu einem großen Berg, der die ganze Erde erfüllt.
Daniel sagt in Vers 36: Das ist der Traum, und seine Deutung wollen wir vor dem König ansagen. In Vers 39 heißt es: Du bist das Haupt aus Gold. Also deutet Daniel dieses vierteilige Standbild auf die Weltgeschichte. Der Kopf aus Gold bedeutet Nebukadnezar, der das babylonische Weltreich von damals repräsentierte. Das war sicher sehr eindrücklich für Nebukadnezar, das zu hören: „Der Kopf aus Gold bist du.“ Aber die Demütigung folgt sofort: Nach dir wird ein anderes Königreich aufstehen, Babylon bleibt nicht.
Wenn man schaut, wie die Weisen aus Babel den König begrüßten, so lesen wir in Kapitel 2, Vers 4: „Le Olmien Chayyi in Ewigkeit“ oder „in die Ewigkeiten lebe er“. Das war der Gruß, eine Grußformel. Ja, es war schon immer das Bedürfnis des Menschen, ewiges Leben zu haben. Man kennt das von der alten Gilgamesch-Tafel aus Babylon. Dort geht es um die Geschichte eines Mannes, der Unsterblichkeit suchte. Das ist ein altes babylonisches Thema und ein menschliches Thema. Der Mensch möchte unsterblich sein, und so war das der normale Gruß am Hof: „Der König lebe in Ewigkeit.“
Aber Daniel sagt: Du bist der Kopf aus Gold, nach dir wird ein anderes Reich aufstehen. Babylonien sollte siebzig Jahre an der Weltherrschaft bleiben. Schauen wir in Jeremia 25, Vers 11: „Und dieses ganze Land wird zur Einöde, zur Wüste werden. Und diese Nationen – das sind die Nationen rund um Israel im Nahen Osten – werden dem König von Babel dienen, siebenzig Jahre. Und es wird geschehen, wenn die siebzig Jahre voll sind, werde ich an dem König von Babel und an seinem Volk, spricht der Herr, ihre Schuld heimsuchen.“
In Jeremia 29,10 wird ebenfalls diese siebzig Jahre erwähnt. Dann möchte ich noch lesen in Jeremia 27,7: „Und alle Nationen werden ihm dienen und seinem Sohn und seinem Sohnessohn, bis die Zeit auch seines Landes gekommen ist.“ Hier spricht der Prophet über Nebukadnezar, und die Herrschaft Babylons soll drei Generationen umfassen: Nebukadnezar, sein Sohn und sein Sohnessohn.
Wenn man die Königsliste der Babylonier anschaut, sind es nach Nebukadnezar bis Belsatzar deutlich mehr als drei Könige, aber die Folge war nicht einfach Vater, Sohn, dann wieder Sohn. Doch durch all diese Könige hindurch, von Nebukadnezar bis Belsatzar, waren es genau drei Generationen. Belsatzar war, wie man Hinweise darauf hat, offensichtlich ein Enkel von Nebukadnezar, also Nebukadnezars Sohn seines Sohnes Sohnes. Und das Ganze dauerte siebzig Jahre.
Die Babylonier hatten das assyrische Reich endgültig geschlagen, 608 vor Christus, und 538 vor Christus marschierten die Perser und Meder in die Stadt Babylon ein – durch einen Putsch, ohne die Stadt zu zerstören. Das ergibt genau siebzig Jahre, genau drei Generationen.
Nach dir kommt ein anderes Reich, und dieses Reich war, wie gesagt, das Reich der Perser und Meder, die auf die Babylonier folgten. Interessant ist, dass es zwei Arme aus Silber sind, die das persische und das medische Volk symbolisieren – ein Doppelreich.
Dann kommt ein drittes Reich aus Bronze, der Bauch und die Hüften aus Bronze. Das hat sich in der Geschichte erfüllt, als Alexander der Große 336 v. Chr. begann, das persische Reich niederzuschlagen. Nach dreizehn Jahren hatte er alles erobert, bis nach Pakistan, über den Indus hinaus.
Wir sehen hier wieder eine Wertabnahme: Gold, Silber, Bronze. Das majestätischste Reich, das es überhaupt gab in der Geschichte, war das babylonische Reich unter Nebukadnezar. Eine solche Persönlichkeit an der Staatsspitze hat man in der ganzen Geschichte nie mehr gesehen. Er war wirklich ein Sonnenkönig, ein Nichts daneben.
Die Perser waren nicht so souverän. Sie waren gebunden: Wenn sie eigene Gesetze erlassen hatten, durften sie diese nie mehr revidieren. Das Problem finden wir dann in Daniel 6: Der Unterkönig Darius der Meder gibt ein Gesetz heraus, und dann bereut er es, aber er kann es nicht mehr zurücknehmen. Nebukadnezar hätte sofort Gesetze ändern können. Darum die Wertabnahme auf Silber.
Alexander war zwar sehr erfolgreich, aber er starb in Babylon höchstwahrscheinlich an Malaria mit 33 Jahren. Danach gab es Bürgerkrieg, und das Reich wurde in vier große Blöcke auseinandergerissen. Das ist natürlich wieder eine Wertabnahme, daher Bronze.
Dann beschreibt Daniel die Beine aus Eisen. Ein weiteres Reich sollte in der Geschichte kommen, und das war das Römische Reich. Das Römische Reich war gekennzeichnet durch die Stärke, die eiserne Stärke der Legionen Roms. Es wird hier erklärt, wie das Eisen alles zermalmt. Wer Roms Willen widerstand, wurde brutal vernichtet, am Boden zerschmettert.
So weist also der vierte Teil der Statue auf das Römische Reich hin. Aber wir haben hier zwei Beine. Das Römische Reich wurde 395 nach Christus in das Weströmische Reich und das Oströmische Reich geteilt. Das war schon längst vorgezeichnet durch die Sprachengrenze: Im Westen war Latein die Hauptsprache, im Osten Griechisch.
Daniel geht aber weiter über die Beine hinaus zu den Füßen. Dort sagt er bei den mit Ton vermischten Füßen in Vers 41: „Und dass du die Füße und die Zehen teils von Töpferton und teils von Eisen gesehen hast, es wird ein geteiltes Königreich sein. Aber von der Festigkeit des Eisens wird in ihm sein, weil du das Eisen mit lehmigem Ton vermischt gesehen hast.“
Also Ost- und Weströmisches Reich haben wir schon bei den beiden Beinen gesehen. Jetzt wird aber gesagt: Eisen und Ton, es wird ein geteiltes Reich sein. Die Barbaren vom Norden und Osten drangen mehr und mehr in das römische Reich ein. Die Vorfahren unserer deutschen Geschwister haben das römische Reich überfallen und innerhalb des römischen Territoriums unabhängige Königreiche gebildet. So wurde das Reich in eine Fülle von Kleinreichen aufgespalten und aufgeteilt.
Diese Entwicklung wirkte 476 nach Christus auf den Untergang Westroms hin. Später entstand daraus das zerteilte und zersplitterte Europa mit vielen Nationalstaaten: Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweiz, Deutschland usw., die aus dem römischen Reich hervorgegangen sind, aber völlig zerteilt und zerstückelt wurden.
Wir haben gelesen, dass es Festigkeit des Eisens in sich haben wird. Tatsächlich konnte sich das Oströmische Reich bis 1453 halten, dann fiel es unter dem Sturm der Türken. Das war das Ende von Ostrom. Was übrig blieb, war das zerteilte Europa, das dann im Zweiten Weltkrieg den Höhepunkt seiner inneren Zerrissenheit auf grausame Weise erlebte.
Daniel geht weiter. In Vers 42 beschreibt er auch die Zehen der Füße, teils aus Eisen und teils aus Ton: „Zum Teil wird das Königreich stark sein, und ein Teil wird zerbrechlich sein.“ Wir sind jetzt in der Endphase der Statue, nicht mehr bei den Beinen oder Füßen, sondern bei den Zehen.
Hier wird erklärt: Die Mischung von Eisen und Ton bedeutet, dass ein Teil stark wie Eisen und ein Teil schwach wie Ton ist. Das ist die Situation des neuen Europas.
Nach dem Höhepunkt der inneren Zerrissenheit 1945 kam die Rede von Sir Winston Churchill 1946 in Zürich: „Lasst Europa aufstehen! Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa schaffen.“ Der Weg dahin ist einfach. Es braucht nicht mehr als 300 oder 400 Millionen Männer und Frauen, die Recht statt Unrecht und Wirken und Segen statt Fluch ernten.
Das war das Programm zum neuen Europa. Heute haben wir das Europa der 27. Ein Teil ist stark wie Eisen im Westen: starke Wirtschaft, starke Armeen. Ein Teil ist schwach wie Ton im Osten, militärisch und wirtschaftlich. Dort haben wir in den vergangenen Jahren auch einen starken Drang zur Sezession gesehen, während der Westen immer von Integration spricht.
Man musste Jugoslawien zerstückeln und zerschlagen, bis es in die kleinsten Bruchstücke auseinanderfiel. Die Tschechoslowakei war nicht besonders groß, aber auch dieses Land musste geteilt werden. Dort sehen wir den Charakter des Tons.
Nun gibt es noch eine dritte Erklärung in Vers 43: „Dass du das Eisen mit lehmigem Ton vermischt gesehen hast, sie werden sich mit dem Samen der Menschen vermischen.“ Das heißt, sie werden sich völkisch mischen, aber sie werden nicht aneinander haften, so wie sich Eisen und Ton nicht vermischen.
Die völkische Vermischung in der letzten Phase der Geschichte Europas ist ein Thema, das nicht nur die SVP bemerkt hat. Wir haben Völkerwanderungen erlebt, die das, was wir in der Primarschule gelernt haben, übersteigen. Die Völkerwanderungen der Helvetier und so waren ja großartig, als die Helvetier ihre Hütten verbrannten und nach Frankreich aufbrachen, um dort Asylanten zu werden. Julius Caesar wollte das nicht und hat sie dann wie Brakte zurückgeschickt.
Diese Millionen von Menschen, die in Europa eingewandert sind, haben völkische Vermischung bewirkt. Durch diese Vermischung wird das Nationalgefühl gesenkt und aufgelöst, so dass man sich nicht mehr unbedingt als Schweizer mit Sanachappli und Alphorn fühlt, sondern als Europäer, als weitsichtiger Europäer.
Daniel sagt einfach als Tatsache, ohne eine politische Bewertung: Es ist so geschehen, dass es eine völkische Vermischung gibt. Aber Daniel betont, sie werden nicht aneinander haften. Das heißt, das Element der Sezession, das Gegenteil von Integration, wird bis zum Schluss der Geschichte Europas bleiben – trotz Völkerwanderung.
Dann schließt Daniel: „In den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewiglich nicht zerstört wird und dessen Herrschaft keinem anderen Volk überlassen wird. Es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber ewiglich bestehen, weil du gesehen hast, dass von dem Berg ein Stein sich losriss ohne Hände und das Eisen, das Erz, den Ton, das Silber und das Gold zermalmte.“
Der große Gott hat dem König kundgetan, was nach diesem geschehen wird, und der Traum ist gewiss und seine Deutung zuverlässig.
Der Messias Jesus Christus wird kommen als Richter der Welt. Er wird das römische Reich in seiner letzten Phase vernichten, aber auch alle anderen Reiche der Welt. Er wird dann das Reich Gottes als fünftes Reich weltweit aufrichten.
So haben wir eine Übersicht vom Jahr 603 v. Chr. bis in unsere Zeit und darüber hinaus bis zur Wiederkunft Christi. Wir können ableiten: Wir stehen in der Endphase der Weltgeschichte und vor der Wiederkunft Christi sowie der Errichtung des Reiches Gottes.
Daniel hat uns als treuer junger Gläubiger damals im Jahr 603 ein Beispiel gegeben, wie Gläubige am Ende der Zeit sein sollen. Was uns Gewissheit gibt, ist: Gott hat die ganze Geschichte in der Hand. Die Weltgeschichte ist genau so abgelaufen – Babylon, Persien, Griechenland, Rom.
Dann kam nicht ein fünftes Reich, sondern das römische Reich wurde zerstückelt und hat eine Fortsetzung erlebt bis heute. Erst dann kommt der Stein, das fünfte Reich.
Das ist doch eindrücklich. Es hätte doch irgendein anderes Weltreich Rom ersetzen können. Das ist nicht geschehen und sollte auch nicht so geschehen.
Sprachliche Besonderheiten und weltweite Bedeutung der Prophetie
Nun, Folgendes ist interessant: Daniel hat sein Buch zweisprachig verfasst. Kapitel eins ist auf Hebräisch geschrieben. Ab Kapitel zwei, Vers vier, wo es heißt: „Und die Chaldäer sprachen zu dem König auf Aramäisch“, wird das Buch auf Aramäisch weitergeführt. Diese Sprache bleibt bis zum Ende von Kapitel sieben erhalten. Danach wechselt das Buch wieder zurück ins Hebräische.
Das ist bemerkenswert, weil Aramäisch damals am Hof Nebukadnezars gesprochen wurde. Warum nicht Akkadisch, die eigentliche Sprache der Babylonier und die Sprache der Keilschrift? Aramäisch wurde damals zunehmend zur Weltsprache, ähnlich wie Englisch heute. In einem Weltreich muss man sich mit den vielen unterworfenen Völkern verständigen können. Dabei wurde nicht Akkadisch als Verständigungssprache verwendet, sondern Aramäisch.
Akkadisch ist zudem schwieriger als Fremdsprache zu lernen. Als ich die akkadische Grammatik lernte, musste ich für ein Verb fast tausend Formen lernen. Aramäisch ist da deutlich einfacher. So wurde Aramäisch zur Verkehrssprache, zum „Englisch“ jener Zeit.
Nun schreibt Daniel Kapitel zwei auf Aramäisch, der Sprache der damaligen Heiden. Dadurch konnten auch nichtjüdische Völker Zugang zur Bibel erhalten. Hebräisch wäre ein Hindernis gewesen, doch Daniel schrieb in der Sprache der Völker.
Auch die weitere Prophetie, etwa die von den vier Weltreichen in Kapitel sieben mit den vier Tieren aus dem Meer, ist auf Aramäisch verfasst. Das zeigt uns: Diese Prophezeiungen sollen nicht nur für uns sein. Sie betreffen auch die nichtchristliche Welt. Es ist eine Botschaft für eine gottlose Welt.
Damit können wir zeigen, dass wir an einen Gott glauben, der die Weltgeschichte in der Hand hat, sie lenkt und einen Plan verfolgt. Sowohl für die Weltgeschichte als auch für den einzelnen Menschen, wie wir bei Daniel und seinen vier Freunden sehen.
Das soll uns zeigen, dass diese Botschaft mit in unser „Arsenal“ gehört, in unsere „Waffenausrüstung“, wenn es um Evangelisation und Missionierung geht. Wir müssen einen Gott zeigen, der die Geschichte lenkt.
Es ist sehr eindrücklich, wenn man in Indien ist – ich bin vor ein paar Tagen von dort zurückgekommen. Was glauben die Hindus? Sie glauben an Mythen, an Märchengeschichten von einem Gott mit einem Elefantenkopf oder einem Affengott. Sie haben keine Geschichtssicht, es gibt keine hinduistische Geschichtsschreibung.
Das hat sie auch nicht interessiert. Für sie ist sowieso alles nur ein „Rat“, der sich an Ort dreht. Aus diesem „Rat“ soll man möglichst schnell ausbrechen, ins Nirwana. Nirwana bedeutet, ich kann es sagen, ein Sanskrit-Partizip und heißt „ausgelöscht“, die Auflösung der Person – das ist das Ziel.
Sie haben keine Geschichtssicht. Das ist so anders, wenn wir mit der Bibel kommen. Dort haben wir einen Gott, der die Weltgeschichte in ihrem Ablauf auch voraussagt, und sie kommt genau so.
Da sehen wir: Das ist ein Gott, der über der Schöpfung steht. Er entspricht nicht den Göttern, die alles Naturgötter sind. Man betet die Sonne an, man betet den Regen an – alles Kräfte in der Natur. Doch sie kennen nicht den Schöpfergott, der über allem steht und die Welt führt.
Und zwar nicht als einen sich wiederholenden Kreis, sondern als eine lineare Entwicklung bis zur Vollendung: das Reich Gottes.
Die Geschichte von Nebukadnezar und das Standbild (Kapitel 3 und 4)
Nun kommen wir in Kapitel 3 zu einer ganz neuen Geschichte. Nebukadnezar lässt ein Standbild aus Gold errichten, etwa dreißig Meter hoch. Er ruft alle hohen Politiker zusammen, und diese müssen das Standbild anbeten. Dabei wird Musik gespielt, um die Menschen richtig in Stimmung zu bringen.
Daniels Freunde weigern sich jedoch, das Standbild anzubeten. Deshalb werden sie in den Feuerofen geworfen. Doch Gott rettet sie aus dem Feuerofen heraus.
Wir merken: Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, und trotzdem ist jedes Kapitel mit dem nächsten verknüpft. Am Ende von Kapitel 1 haben wir erfahren, dass Daniel Einsicht in Träume von Gott bekommen hat. In Kapitel 2 hat Nebukadnezar einen Traum, den nur Daniel deuten kann.
Dann folgt Kapitel 3: Nebukadnezar lässt ein Standbild errichten. Das knüpft an den Traum von Nebukadnezar an, in dem es um ein menschliches Standbild ging. Was hat Nebukadnezar gemacht? Ihm gefiel besonders der Kopf aus Gold. Er hätte das Bild jedoch noch bis zu den Füßen weiter ausbauen sollen. Er wollte sich selbst vergöttern lassen. Der Mensch vergottet sich selbst und will angebetet werden, um so das Weltreich einen zu können.
Warum also macht er eine ganze menschliche Statue aus Gold? Die drei Freunde Daniels verweigern die Vergottung des Staates. Nebukadnezar hätte sagen können: Der Staat bin ich, und du bist das Haupt aus Gold. Hier wird der Staat vergöttert, und die Getreuen widerstehen dieser Staatsvergottung.
Der Punkt ist: Die Loyalität und Treue zum Staat gehen bei Christen sehr weit. In Römer 13 heißt es: "Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten." Es wird erklärt, dass wir Steuern zahlen und Zölle entrichten sollen. Wir können ruhig mit Freuden Steuern zahlen. Warum? Weil wir dadurch auch ein soziales Werk tun und Menschen in Not unterstützen.
Dass das Geld manchmal falsch eingesetzt wird, ist eine schmerzhafte Tatsache. Dennoch können wir mit Freuden Steuern zahlen. Das ist die christliche Loyalität zum Staat. Aber sobald der Staat sich vergöttert, können Christen nicht mehr mitgehen.
Das war zum Beispiel in der Sowjetunion so. Die Christen haben der Staatsvergottung die Stirn geboten – nicht mit Gegengewalt, aber sie haben sie nicht akzeptiert. So lernen wir auch von Petrus in Apostelgeschichte 4 und 5: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Das ist die Lehre von den drei Freunden, die sich auch nicht vom Trick der Musik mitreißen ließen, um falschen Gottesdienst zu feiern, sondern Gott die Treue hielten.
Jetzt haben wir ein Anrecht auf eine große Pause, und danach fahren wir weiter.
Nebukadnezars Traum vom Baum und seine Demütigung (Kapitel 4)
Wir fahren jetzt weiter und kommen zu Kapitel 4, Vers 1.
Nebukadnezar, der König aller Völker, Völkerschaften und Sprachen, die auf der ganzen Erde wohnen, spricht: Friede euch in Fülle! Es hat mir gefallen, die Zeichen und Wunder kundzutun, welche der höchste Gott an mir getan hat. Wie groß sind seine Zeichen und wie mächtig seine Wunder! Sein Reich ist ein ewiges Reich, und seine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht.
Ich, Nebuchadnezzar, war ruhig in meinem Haus und hatte Gedeihen in meinem Palast. Doch ich sah einen Traum, der mich erschreckte, und Gedanken auf meinem Lager sowie das Gesicht meines Hauptes ängstigten mich.
Nebuchadnezzar hatte wieder einen Traum. Er sah einen gewaltigen, mächtigen Baum, der umgehauen wurde. Wieder musste Daniel diesen Traum deuten. Er erklärt, dass dieser Traum auch auf Nebuchadnezzar Bezug hat und sagt ihm, dass er seine Herrschaft verlieren würde und sieben Jahre wahnsinnig werden sollte.
Wenn er dann nach sieben Jahren die Herrschaft und Größe Gottes über sich anerkennen würde, dann würde diese Zeit des Wahnsinns auch zum Ende kommen.
Was uns auffällt, ist, dass Nebuchadnezzar hier in der Ich-Form schreibt. Diese Art der Schilderung der Ereignisse entspricht genau den nahöstlichen Königsinschriften, von denen man diverse gefunden hat. Dort erzählt ein König in der Ich-Form Ereignisse der Vergangenheit. Offensichtlich hat hier Daniel eine originale Nebukadnezar-Schrift als Grundlage dieses Kapitels genommen.
Nebukadnezar ging es wunderbar. In Vers 4 heißt es: „Nebuchadnezzar war ruhig, ich, Nebuchadnezzar, war ruhig in meinem Haus und hatte Gedeihen in meinem Palast.“ Das ist der Kontrast zu Kapitel 3. Dort haben wir drei treue Menschen, die durch tiefste Not hindurchgehen und Gott treu bleiben. Hier hingegen haben wir einen Menschen, dem es wunderbar geht und der sich selbst über Gott erhebt.
Wir lesen in Kapitel 4, Vers 28 (es kann sein, dass Ihre Verszählung etwas abweicht): „Alles das kam über den König Nebuchadnezzar. Nach Verlauf von zwölf Monaten wandelte er umher auf dem königlichen Palast zu Babel. Und der König hob an und sprach: ‚Ist das nicht das große Babel, welches ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe, durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit?‘“
Noch war das Wort im Munde des Königs, da kam eine Stimme vom Himmel herab: „Dir, König Nebukadnezar, wird gesagt: Das Königtum ist von dir gewichen. Man wird dich von den Menschen ausstoßen, und bei den Tieren des Feldes wird deine Wohnung sein. Man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern, und es werden sieben Zeiten über dir vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will.“
Im selben Augenblick wurde das Wort über Nebuchadnezzar vollzogen. Er wurde von den Menschen ausgestoßen, und er aß Kraut wie die Rinder. Sein Leib wurde benetzt von dem Tau des Himmels, bis sein Haar wuchs gleich Adlerfedern und seine Nägel gleich Vogelkrallen.
Am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezzar, meine Augen zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder. Ich pries den Höchsten und rühmte und verherrlichte den Ewiglebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht währt.
Nebuchadnezzar rühmte sich der Herrlichkeit Babylons. Wir wissen durch die Ausgrabungen in Babylon, die man im 19. Jahrhundert begonnen hatte, dass Babylon zur Zeit von Nebuchadnezzar wirklich die höchste Pracht der ganzen babylonischen Geschichte war.
Nebuchadnezzar war ein Baumeister, wie man das nie zuvor und nie mehr nach ihm erlebt hatte. Auf ausgegrabenen Steinen kann man Stempelinschriften sehen, in denen Nebuchadnezzar sich rühmt, der Erbauer dieser Dinge zu sein. Ich habe sogar einen originalen Stein in Zürich gesehen. In der archäologischen Sammlung der Universität Zürich gibt es einen Stein mit einer solchen Nebukadnezar-Inschrift in Keilschrift, auf dem er sich rühmt.
Die Situation war also genau so, auch außerbiblisch ist das bestätigt. Doch das war wieder das Problem des Hochmuts und des Stolzes. Hier haben wir das Prinzip aus Jakobus 4,6: „Gott widersteht dem Hochmütigen, dem Demütigen aber gibt er Gnade.“
Nebuchadnezzar wird wie ein Tier für sieben Jahre wahnsinnig. Interessant ist, dass in der Geschichte des Lebens von Nebuchadnezzar nicht alle Jahre überliefert sind. Es gibt Lücken, in die man genau diese sieben Jahre schön unterbringen kann.
Aus der Psychiatrie kennt man dieses Phänomen und hat ihm sogar einen Namen gegeben: Boanthropie. Dabei meint ein Mensch, er sei ein Tier. Es gibt in der psychiatrischen Literatur eine Beschreibung von einem Mann, der meint, er sei ein Vogel und immer auf den Bäumen übernachten wollte.
Das Wort „Boanthropie“ setzt sich zusammen aus „Bo“ von „Bos“, Ochse oder Rind, und „Anthropie“ von „Anthropos“, Mensch. Es bezeichnet also einen Menschen, der meint, er sei ein Rind oder ein anderes Tier.
Man kennt also diese Art der Krankheit. Hier war es ein Gericht Gottes über Nebuchadnezzar. Er verliert alle seine Menschlichkeit.
Sehen wir den Zusammenhang später mit Kapitel 7, wo Daniel in seinem Traum die Weltreiche sieht. Sie kommen aus dem Weltmeer heraus, eines nach dem anderen, alles grausame Bestien:
- Daniel 7,4: ein Löwe mit Adlersflügeln,
- Vers 5: ein gefräßiger Bär,
- Vers 6: ein Leopard mit vier Flügeln und vier Köpfen,
- Vers 7: ein viertes, ganz schreckliches Tier mit zehn Hörnern und eisernen Zähnen.
Dieser Traum wird in Kapitel 7 selbst gedeutet, und zwar so, dass diese Tiere bedeutende Königreiche darstellen.
Merken wir uns: Es gibt eine Parallele zwischen Kapitel 2 und Kapitel 7. In Kapitel 2 wurden die vier Weltreiche als menschliche Statue dargestellt, hier in Kapitel 7 als blutrünstige Bestien.
Der Mensch ist ja im Bilde Gottes erschaffen worden (1. Mose 1,27). Das bedeutete, dass der Mensch etwas von Gottes Weisheit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Güte auf dieser Erde widerspiegeln soll.
Die menschliche Statue stellt also diesen Auftrag an die Völker der Welt dar. Der Mensch soll im Bilde Gottes Gottes Regierung hier auf der Erde repräsentieren.
Aber was waren die Menschen in Wirklichkeit? Durch die ganze Weltgeschichte hindurch blutrünstige Bestien. Ein blutiger Strom zieht sich durch die ganze Geschichte, von der Antike bis in die Moderne.
Das 20. Jahrhundert kennt insgesamt 190 Millionen Tote durch Kriege und Verfolgungen.
Doch fällt uns auf: In Kapitel 2 ist es nicht einfach ein Mensch, sondern eine menschliche Statue. Wo bleibt da die Seele und der Geist? Es zeigt, was der Mensch sein sollte, aber in Wirklichkeit war er nur eine Statue, ohne wirkliche Beseelung und Begeisterung, wenn man das so sagen darf.
Und was sie wirklich waren, wird in Kapitel 7 beschrieben: grausame Bestien.
In der Geschichte von Nebukadnezar sehen wir das: einen Menschen, der sich erhebt im Stolz und Hochmut und von Gott gedemütigt wird. Er wird zu einer Bestie erniedrigt, die den Verstand verliert.
Er war ohne Verstand und damit auch ohne Gotteserkenntnis. Das kennzeichnet auch die Geschichte der Völker im Allgemeinen: Die Anerkennung Gottes und seiner Souveränität fehlt hier so drastisch.
Die Menschen waren wie Tiere, grausam, aber auch ohne Gotteserkenntnis und Gottesfurcht.
Doch wir haben gelesen in Kapitel 4, Vers 34: „Und am Ende der Tage erhob ich, Nebukadnezzar, meine Augen zum Himmel, und mein Verstand kam mir wieder, und ich pries den Höchsten.“
Der Ausdruck „am Ende der Tage“ ist normalerweise in der Bibel ein prophetischer Fachausdruck für die Endzeit, das heißt die Zeit, wenn Jesus Christus kommen wird als König über alle Könige.
Das entspricht genau dem, was wir aus anderen Propheten sehen: Gott wird diese Blindheit der Völker einmal wegnehmen bei der Wiederkunft Christi.
Die blinden Völker werden Gott erkennen, und zwar so, dass es heißt: Dann wird vom Reich Gottes hier auf Erden in Jesaja 11,9 gesagt: „Man wird nicht übel tun noch verderbt handeln auf meinem ganzen heiligen Gebirge, denn die Erde wird voll sein der Erkenntnis des Herrn, gleich wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“
Und es wird geschehen an jenem Tag: „Der Wurzelspross Isais“, das ist der Messias, „welcher dasteht als Panier oder als Fahne der Völker. Nach ihm werden die Nationen fragen, und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein.“
Im Tausendjährigen Reich werden die Völker, die überleben aus der großen Drangsalzeit, zur Erkenntnis des einen wahren Gottes kommen. Im Tausendjährigen Reich werden die Völker von Gotteserkenntnis geprägt sein.
So stellen also diese sieben Jahre Nebukadnezars die Zeit dar, in der die heidnischen Weltreiche herrschen – als grausame Bestien, blind für Gott, für seine Gerechtigkeit und seine Souveränität.
Aber eben am Ende der Tage kommt ihnen der Verstand wieder.
Wie gesagt, die Kapitel 3 und 4 sind verknüpft. Not ist oft das Kennzeichen derer, die Gott die Treue halten. Wohlstand hingegen ist oft eine Gefahr, dass der Mensch in die Untreue fällt – wie das bei Nebuchadnezzar der Fall war: Stolz, Vermessenheit und die Verkennung Gottes als Macht über den Menschen.
Gotteslästerung und Ende des babylonischen Reiches (Kapitel 5)
Da haben wir die letzte Party von König Belsazar. Interessant ist, dass er nun ganz am Ende der siebzig Jahre Babylons steht. In Kapitel 1 hatten wir den Anfang der babylonischen Zeit. Nebukadnezar bringt die Geräte des Hauses Gottes aus Jerusalem und stellt sie in den Tempel seines Gottes Marduk in Babylon auf. Marduk war der Stadtgott von Babylon.
Belsazar geht nun einen Schritt weiter. Er benutzt diese weggenommenen Tempelgeräte aus Jerusalem, um Gott zu lästern. Er lässt sie bringen, trinkt Alkohol daraus und verhöhnt den Gott Israels. Das führt zu dem Moment, an dem plötzlich eine schreibende Hand erscheint und die Worte schreibt: Mene, Mene, Tekel, Ufassin – gezählt, gezählt, gewogen und zerteilt.
Niemand kann die Schrift lesen und deuten, außer Daniel. Er wird dafür belohnt. In derselben Nacht stirbt jedoch Belsazar. Vers 30: „In derselben Nacht wurde Belsazar, der König der Kaldäer, getötet.“ König Kyros von Persien hatte nämlich bereits ein Abkommen mit den Priestern von Babylon. Diese waren mit ihm verbündet und öffneten ihm die Tore Babylons, während Belsazar sich bei seiner letzten Party völlig sicher wähnte.
Das war ein Putsch. Die Armee kam ohne Kämpfe in die Stadt Babylon. Belsazar wurde durch einen Schwertstreich beseitigt. Das war sein Ende.
Wir sehen hier die Verkommenheit Belsazars. Er wusste von seinem Großvater Nebukadnezar, dass Gott ihn schon einmal wegen Stolz gedemütigt hatte. Daniel wirft ihm das vor, indem er über seinen Vater spricht. In den semitischen Sprachen kann „Vater“ sowohl den direkten Vater als auch einen Vorfahren bezeichnen.
In Vers 18-19 heißt es: „Du, o König, der höchste Gott hat in Nebukadnezar deinen Vater – das heißt deinen Großvater – das Königtum, die Größe, die Ehre und die Herrlichkeit verliehen. Wegen der Größe, die er ihm verlieh, bebten und fürchteten sich vor ihm alle Völker, Völkerschaften und Sprachen. Wen er wollte, tötete er; wen er wollte, ließ er leben; wen er wollte, erhob er; und wen er wollte, erniedrigte er, völlig souverän, ja, das Haupt aus Gold.
Als aber sein Herz sich erhob und sein Geist bis zur Vermessenheit sich verstockte, wurde er von seinem königlichen Thron gestürzt. Man nahm ihm seine Würde, und er wurde von den Menschenkindern ausgestoßen. Sein Herz wurde dem der Tiere gleich, und seine Wohnung war bei den Wildeseln. Man gab ihm Kraut zu essen wie den Rindern, und sein Leib wurde vom Tau des Himmels benetzt, bis er erkannte, dass der höchste Gott über das Königtum der Menschen herrscht und darüber bestellt, wen er will.
Und du, Belsazar, sein Sohn – „Sohn“ bedeutet hier wieder Nachkomme, genauso wie man vom Messias sagt: Er ist der Sohn Davids, aber über viele Generationen – hast dein Herz nicht gedemütigt. Obwohl du all dies wusstest, hast du dich über den Herrn des Himmels erhoben. Man hat die Gefäße seines Hauses vor dich gebracht, und du und deine Gewaltigen, deine Frauen und Nebenfrauen habt Wein daraus getrunken. Du hast die Götter von Silber und Gold, von Erz, Eisen, Holz und Stein gerühmt, die nicht sehen, nicht hören und nicht wahrnehmen.
Aber dem Gott, dem Gott, in dessen Hand dein Lebensatem ist und bei dem alle deine Wege sind, hast du nicht gehorcht. Da wurde von ihm diese Hand gesandt und diese Schrift geschrieben. Dies ist die Schrift, welche geschrieben worden ist: Mene, Mene, Tekel, Ufassin.“
Belsazar wusste also um die Geschichte aus Kapitel 4. Trotz dieses göttlichen Gerichts, das mit einer Wiederherstellung endete, ging er in seiner Bosheit gegen den Gott Israels noch weiter. Er entweihte sogar die Tempelgeräte. Darum kam das endgültige Gericht über ihn.
So sehen wir, dass die Verknüpfung von Kapitel 5 direkt aus Kapitel 4 kommt. Wie bisher bei jedem Kapitel gibt es eine natürliche Verbindung, auch wenn jedes Kapitel in sich geschlossen ist.
Erfüllte Prophetien und die Kritik am Buch Daniel
Übrigens: Das Buch Daniel enthält über zweihundert Prophezeiungen, die sich in der Weltgeschichte nachweislich erfüllt haben. Das war für Gottlose, Agnostiker, Atheisten und ähnliche Gruppen stets ein Problem. Wenn das stimmt, dann gäbe es tatsächlich einen Gott, der über der Geschichte steht und die Zukunft voraussagen kann.
Das, was man in keiner anderen Religion findet, soll in der Bibel zu finden sein. Deshalb hat man versucht, das Buch Daniel als eine Fälschung aus späterer Zeit darzustellen. In der liberalen Theologie, wie sie heute noch in Zürich und Basel gelehrt wird, sagt man, dass das Buch Daniel etwa im Jahr 165 vor Christus verfasst wurde. Später könne man es aus verschiedenen Gründen nicht ansetzen, das sei absolut ausgeschlossen. Man meint, die Prophetie Daniels beziehe sich auf die Makkabäerzeit, und das Buch sei von einem Fälscher geschrieben worden, der die Ereignisse einfach als Prophetie dargestellt habe, obwohl sie für ihn Geschichte waren.
So sei das Buch Daniel eine nachträgliche Prophetie, also eine Prophetie, die erst nach den Ereignissen geschrieben wurde. Um das zu beweisen, suchte man nach Argumenten, die zeigen sollten, dass der Schreiber des Buches Daniel nicht viel von der damaligen Zeit wusste und viele historische Fehler gemacht habe. Diese sollten als Beweis dienen, dass das Buch nicht echt sei und aus einer späteren Zeit stamme.
Zum Beispiel wurde argumentiert, dass schon im ersten Vers ein Fehler sei: Da heißt es „im dritten Jahr der Regierung Joachims“. Im Buch Jeremia wird dieselbe Zeit jedoch als das vierte Jahr Joachims bezeichnet. Wie lässt sich das zusammenbringen? Tatsächlich wird in Jeremia die gleiche Zeit, in der die Babylonier zum ersten Mal kamen, auf das vierte Jahr Joachims datiert (Jeremia 46,2).
Der Grund liegt in der unterschiedlichen Zählweise der Jahre der Könige in Israel und Babylon. In Juda wurde das erste Jahr der Thronbesteigung als Jahr eins gezählt, dann folgten Jahr zwei, drei, vier. In Babylon war das anders: Dort war das Thronbesteigungsjahr das Jahr null, und das erste Jahr wurde als Jahr eins gezählt, dann Jahr zwei, drei usw. Das bedeutet, Daniel 1,1 benutzt die babylonische Zählung, während Jeremia, der ein Prophet im Land war, die jüdische Zählung anwendet.
Hier zeigt sich ein sogenannter Bumerang-Effekt: Daniel 1,1 ist sogar aus der Sicht eines Juden in Babylon geschrieben, nicht etwa von einem Juden im eigenen Land, der anders geschrieben hätte.
Natürlich suchte man weiter und fand weitere vermeintliche Fehler. Zum Beispiel wurde behauptet, Belsazar habe es nie gegeben, er sei eine reine Erfindung. Es gäbe keine außerbiblischen Quellen, die ihn erwähnen, und altgriechische Geschichtsschreiber, die niemand kennt, erwähnten ihn ebenfalls nicht. Die Bibel spreche von Belsazar, also müsse er eine Erfindung sein.
Doch dann wurden babylonische Keilschrifttafeln gefunden und übersetzt, auf denen Belsazar erwähnt wird – originale Tafeln aus der damaligen Zeit. Es geht dabei um König Nabonid, Belsazars Vater. Nabonid war nicht sehr an Politik interessiert und reiste nach Teman in Arabien. Auf einer Tafel steht, dass er die königlichen Zeichen seinem Sohn Belsazar gegeben hatte. So war Belsazar der Vertreter seines Vaters in Babylon.
Daraus ergibt sich auch die Antwort auf eine weitere Frage: Belsazar sagt zu Daniel, wenn du die Schrift an der Wand deuten kannst, sollst du der dritte Herrscher im Königreich werden (Daniel 5,29). Man hätte denken können: Warum nicht der zweite Herrscher? Warum muss Daniel sich mit dem dritten Platz begnügen? Ganz einfach: Belsazar war der zweite Herrscher. Nabonid, der apolitische König, war Nummer eins, Belsazar Nummer zwei, und Daniel sollte Nummer drei werden.
Auch hier zeigt sich ein Bumerang-Effekt: Warum wussten die griechischen Geschichtsschreiber aus dem fünften Jahrhundert vor Christus nichts mehr von Belsazar? Niemand kannte ihn. Aber das Buch Daniel kennt ihn – also muss es von jemandem stammen, der seine Informationen aus der Zeit hatte. So wurde auch dieses Argument gegen die Echtheit des Buches Daniel widerlegt.
In meinem Buch über Weltgeschichte habe ich alle wichtigen Kritikpunkte an Daniel behandelt und ihre Widerlegungen zusammengefasst. Es ist wunderbar zu sehen, wie alle Angriffe sich als Bumerang erweisen. Zum Beispiel auch das Aramäische im Buch Daniel: Das Aramäisch hat sich im Laufe der Zeit ständig verändert, aber das Aramäisch im Buch Daniel ist das Altaramäische aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus.
Das wissen wir, weil inzwischen aramäische Inschriften aus dem fünften Jahrhundert gefunden wurden. Wir wissen genau, wie Aramäisch im fünften Jahrhundert geschrieben wurde – und das entspricht dem Stil im Buch Daniel. Das Aramäisch, das im zweiten Jahrhundert in der Makkabäerzeit gesprochen wurde, als diese angebliche Fälschung entstanden sein soll, war ein ganz anderes Aramäisch. Doch der Schreiber des Buches Daniel schreibt perfektes Aramäisch aus dem sechsten Jahrhundert.
So hat sich ein Argument nach dem anderen gegen die Kritik gedreht. Und dann bleibt der Punkt: Über zweihundert Prophezeiungen sind genau in der Weltgeschichte erfüllt worden. Das gibt es nur in der Bibel. Offensichtlich haben wir es hier mit dem Herrn der Geschichte zu tun, der nicht Teil der Natur ist – im Gegensatz zu den Göttern Babylons, die selbst Raum und Zeit unterworfen sind. Sondern mit einem Gott, der über der Natur steht, der nicht Raum und Zeit unterworfen ist und deshalb die Zukunft voraussagen kann.
Die erfüllte Prophetie ist eigentlich ein schlagender Beweis, noch stärker als das, was wir heute Morgen gesehen haben. Heute Morgen haben wir gesehen, wie die Bibel korrekte Aussagen über die Natur und naturwissenschaftliche Tatsachen bereits Jahrtausende vor ihrer menschlichen Entdeckung macht.
Das könnte zwar auch ein böser Geist oder ein gefallener Engel bewirken, der mehr weiß als wir Menschen und solche Dinge in früheren Zeiten inspiriert. Aber was ein böser Geist nicht kann, ist die Zukunft über Jahrtausende hinweg voraussagen. Engel sind genauso wie Menschen Raum und Zeit unterworfen. Sie sind zwar schneller, aber nicht allgegenwärtig.
In Daniel 10 betet und fastet Daniel drei Wochen lang. Dann kommt ein Engel zu ihm, um Gottes Antwort zu bringen. Der Engel entschuldigt sich, dass er drei Wochen zu spät kommt (Daniel 10,12): „Fürchte dich nicht, Daniel, denn von dem ersten Tag an, da du dein Herz darauf gerichtet hast, Verständnis zu erlangen und dich vor deinem Gott zu demütigen, sind deine Worte erhört worden. Und um deiner Worte willen bin ich gekommen. Aber der Fürst des Königreichs Persien stand mir 21 Tage entgegen. Und siehe, Michael, einer der ersten Fürsten, kam, um mir zu helfen, und ich trug dort den Sieg davon bei den Königen von Persien. Und ich bin gekommen, um dich verstehen zu lassen, was dein Volk am Ende der Tage widerfahren wird.“
Hier sieht man, dass Engel nicht allgegenwärtig sind, sondern ebenfalls Raum und Zeit unterworfen sind – ebenso wie Satan, der ebenfalls ein Engel ist. In Hiob 1 wird Satan gefragt: „Woher kommst du?“ Er antwortet: „Vom Umherstreifen auf der Erde und vom Umherwandern auf ihr.“
Nur Gott steht über Raum und Zeit und kann die Zukunft perfekt voraussagen. Deshalb ist die erfüllte Prophetie ein stärkerer Beweis für die göttliche Inspiration der Bibel als die wissenschaftliche Korrektheit. Aber auch die wissenschaftliche Korrektheit muss gegeben sein. Wenn die Bibel in naturwissenschaftlicher Hinsicht Irrtümer enthielte, hätte sie Kennzeichen menschlichen Irrtums. Das darf sie nicht haben. Die Prophetie zeigt jedoch, dass der Urheber der ewige Gott ist.
Kehren wir zurück zu Belsazar in Kapitel 5: Die Sünde wird immer schlimmer. Kapitel 4 behandelte Hochmut, aber Kapitel 5 zeigt Schmähung und Lästerung des wahren Gottes – das ist noch schlimmer.
In Kapitel 3 sehen wir die Selbstvergottung des Staates, in Kapitel 4 den Hochmut und Stolz der Herrscher, und in Kapitel 5 die Gotteslästerung durch Herrscher. Das ist ein deutlicher Schritt weiter in der Bosheit.
Die Schrift an der Wand konnte niemand lesen oder deuten. Es wird nicht genau erklärt, warum man sie nicht lesen konnte. Interessant sind jedoch die Wörter Mene, Tekel und Ufassin (Plural von Peres), die auch Werteinheiten bedeuten.
Mene bedeutet Mine, Tekel entspricht Schekel. Im Aramäischen ist ein T-Laut im Hebräischen oft ein Sch-Laut. Peres wäre dann Halbschekel. Diese Wörter gehen auf Wortwurzeln zurück: Mene (Mine) kommt von „mna“ – zählen, Tekel von „takal“ – wägen, und Peres von „paras“ – teilen.
Das sind wirtschaftliche Ausdrücke. Selbst wenn die Weisen Babylons geahnt hätten, dass es mit Geldwerten zu tun hat, konnten sie die Schrift nicht lesen und auch nicht deuten. Daniel aber erklärt unter der Leitung des Geistes Gottes, was diese Wörter bedeuten (Vers 26):
„Dies ist die Deutung der Sache: Mene – Gott hat ein Königtum gezählt und macht ihm ein Ende. Tekel – Du bist auf der Waage gewogen und zu leicht befunden worden. Peres – Dein Königreich wird zerteilt und den Medern und Persern gegeben.“
Das Wort Peres klingt auch an „Perser“ an. Das ist die Deutung.
Wenn Menschen, die die Bibel nicht ernst nehmen und keine Gottesfurcht haben, die Geschichte betrachten, sehen sie sie meist nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die untere Schicht war arm, die obere reich, deshalb erhob sich die Unterschicht usw. Die ganze Geschichte wird als eine Abfolge wirtschaftlicher Faktoren gesehen, die zu Kriegen und Umwälzungen führten.
So lernt man es in der Schule, und besonders die marxistische Ideologie betrachtet Geschichte nur aus ökonomischer Sicht. Diese Ideologie beherrschte im zwanzigsten Jahrhundert Hunderte Millionen Menschen.
Wer nicht mit dem lebendigen Gott verbunden ist, sieht überall nur Minen, Schekel und Halbminen, aber nicht den tieferen Sinn der Geschichte. Daniel sagt: Mine, Mene – Gott hat ein Königtum gezählt. Du bist gewogen und zu leicht befunden worden. Gott teilt dein Königreich und gibt es den Persern.
Nur Gott kann den tiefen Sinn der Geschichte erkennen. Man muss die Liebe zum Geld und zur Wirtschaft überwinden, um den Sinn der Weltgeschichte verstehen zu können. Das ist eine praktische Anwendung aus diesem Kapitel.
Daniel unter Darius dem Meder und das Gebetsverbot (Kapitel 6)
Jetzt kommen wir zu Kapitel sechs. Es geht um Darius den Meder. Die Perser unter Kyros haben Babylon kampflos erobert und den bestehenden Beamtenapparat einfach übernommen. Deshalb finden wir auch in Kapitel sechs unter den Persern Daniel unter den höchsten Beamten zu Beginn des Persischen Reiches.
Von ihm wird gesagt, wie früher und auch jetzt als alter Mann – wir befinden uns hier im Jahr 538 – dass er weiterhin treu war. In Vers 5 heißt es: „Aber sie konnten keinen Anklagegrund und keine schlechte Handlung finden, weil er treu war und kein Vergehen und keine schlechte Handlung an ihm gefunden wurde.“ Daniel war treu in allem, auch im Alter.
Interessant ist, dass wir in Hebräer 13 die Bemerkung finden, dass wir der Führer gedenken sollen. Dort heißt es in Hebräer 13,7: „Gedenkt eurer Führer, die euch das Wort Gottes verkündigt haben, und seht auf den Ausgang ihres Wandels und ahmt ihren Glauben nach.“ Es ist also ganz wichtig, bei Führern zu sehen, ob sie auch treu enden.
Im Fall von Daniel können wir sagen, dass er treu angefangen hat als Teenager und treu geendet hat als alter Mann. Nun gibt der König einen Befehl heraus: Auf Anraten seiner Minister verbietet er, 30 Tage lang von niemandem etwas zu erbitten außer von ihm, dem König.
Damit wollten sie Daniel einen Fall schaffen, weil er täglich dreimal betete, in Richtung Jerusalem. So kam es dann auch: Der König fiel auf den Trick herein, Daniel wurde als Übertreter des Gebotes vorgeführt und kam in die Löwengrube. Doch Gott rettete ihn aus der Löwengrube.
Manchmal sieht man in Kinderbibeln einen jungen Daniel in der Löwengrube. Tatsächlich war es aber ein alter Mann, der dort war. Hier zeigt sich wieder etwas von der Bosheit der heidnischen Völker: Das Gebet wird verboten.
Sobald eine Regierung uns in der Ausübung unseres Glaubens einschränkt, so dass sie uns darin beschneidet, hört die Loyalität auf. Daniel hat sich nicht 30 Tage lang eine Ausnahme vom Beten genommen. Hätte er danach wieder weiterbeten können? Nein, er hat standhaft Widerstand geleistet.
Auch hier ist Daniel ein Beispiel: Der Staat hat kein Recht, unsere freie Ausübung des Glaubens zu beschneiden. Wenn er es dennoch tut, haben wir das Recht, in diesem Punkt Widerstand zu leisten – nicht in allen Punkten, aber in diesem. In allen anderen Bereichen müssen wir weiter loyal bleiben, etwa bei der Zahlung von Zoll und Steuern.
Wir lesen hier von Darius dem Meder. Wie passt das zusammen? War es nicht Kyros, der erste König dieses Weltreiches? Nun, Darius war ein Unterkönig. Interessant ist, dass er über Babylon regierte, einen kleinen Teil des Persischen Reiches, das bis nach Indien reichte.
Als Meder war er ein Kurde. Die Kurden sind stolz darauf, Nachkommen der Meder aus Kurdistan zu sein. Es ist wichtig, dass wir unseren kurdischen Freunden sagen, dass in der Bibel von den Kurden die Rede ist und dass es dort die Geschichte eines kurdischen Königs gibt.
Sie sollten dies unbedingt kennenlernen. Dann können wir auch aus den anderen Kapiteln noch etwas erzählen. Wir müssen wissen, wo wir anknüpfen können. Das interessiert sie, denn im Koran – wo findet man die Kurden? In der Bibel finden wir die Kurden.
Parallelen und Struktur im Buch Daniel
Wir haben bereits gesehen, dass das Buch Daniel in zehn Teile gegliedert ist. Man kann diese in zwei Blöcke unterteilen: Kapitel 1 bis 5 und dann Kapitel 6 bis 12, also jeweils fünf Teile.
Dabei fällt auf, dass Kapitel 2 und Kapitel 7 eine Parallele bilden. Beide sprechen über die vier Weltreiche. In Kapitel 2 wird dies durch die menschliche Statue dargestellt, in Kapitel 7 durch die vier grausamen Tiere. Diese Parallele verdeutlicht folgendes Prinzip: Jemand hat es so formuliert, dass die menschliche Statue für Humanität steht. Humanität ohne Divinität führt zur Bestialität. Anders gesagt: Menschlichkeit ohne das Göttliche macht den Menschen zu einem grausamen Tier. Diese Parallele zwischen Kapitel 2 und 7 hat also eine tiefere Bedeutung.
Man könnte sich nun fragen, ob es auch weitere Parallelen gibt. Wenn Kapitel 2 mit Kapitel 7 parallel ist, müsste dann nicht auch Kapitel 1 mit Kapitel 6 parallel verlaufen? Kapitel 1 beschreibt den Anfang des Babylonischen Reiches, Kapitel 6 den Anfang des Persischen Reiches.
In Kapitel 1 befiehlt der König, unreine Speisen zu essen, während in Kapitel 6 der König das Beten verbietet. Daniel und seine Freunde widerstehen dem Gebot des Königs in Kapitel 1, ebenso widersteht Daniel dem Gebot des Königs in Kapitel 6. Offensichtlich ist hier eine bewusste Parallele vorhanden.
Auch Kapitel 3 lässt sich mit Kapitel 8 parallel setzen. In Kapitel 3 geht es um den Götzendienst, in Kapitel 8 um eine zukünftige Zeit, in der Israel zum Götzendienst gezwungen werden soll.
Weiterhin könnte man sagen, dass Kapitel 4 parallel zu Kapitel 9 verläuft. Kapitel 4 beschreibt die Stadt Babel in ihrer architektonischen Herrlichkeit. Kapitel 9 hingegen lässt Daniel an die Trümmer Jerusalems denken.
In Kapitel 4 geht es um die sieben Jahre Wahnsinn des Königs, während Daniel in Kapitel 9 die Prophezeiung Jeremias studiert. Diese besagt, dass die Zeit Babels siebzig Jahre dauern soll. Danach erhält Daniel eine Prophetie über die siebzig Jahrwochen – also siebzig mal sieben Jahre – bis die Endzeit und die Erlösung Israels kommen sollen. Auch hier zeigt sich eine enge Verknüpfung.
Kapitel 5 zeigt uns einen gotteslästerlichen König, während der letzte Teil, Kapitel 10 bis 12, den gesamten Weg bis in die Endzeit beschreibt. Am Ende wird der Antichrist dargestellt, der sich über alles erhebt, was Gott bedeutet.
Der Antichrist in der Endzeit (Daniel 11 und 12)
Lese von dem Antichristen in Daniel 11, Vers 36. Ich muss erklären, dass in Daniel 11 alles erfüllt ist, von Vers 1 bis 35. Dort geht es ständig um den König des Nordens, das war Syrien, und den König des Südens, Ägypten. Es wird alles der Reihe nach erzählt, von der persischen Zeit über Alexander den Großen, über all die persischen und ägyptischen Könige bis in die Makkabäerzeit.
Diese Zeit ist die, in der die Verständigen treu geblieben sind und viele dazu gebracht haben, sich zu läutern, weiß zu machen und zu reinigen. Dann wird gesagt in Daniel 11, Vers 35, dass dies geschieht, um sie zu läutern, zu reinigen und weiß zu machen bis zur Zeit des Endes. Denn es verzieht sich noch bis zu einer bestimmten Zeit.
Jetzt entsteht hier eine Lücke bis in die Endzeit. Alle weiteren Verse ab Vers 36 handeln von der Endzeit. Der Text selbst sagt es: Da wird ein König beschrieben, in den Versen 36 bis 39, der dann in der Endzeit Krieg führt (Vers 40). Zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen – so wird es nach der alten Elberfelder Übersetzung sehr genau gesagt. Das ist der König von Vers 36.
Also sind wir in der Endzeit. Ab Vers 36 ist alles Endzeit, bis Vers 35 ist alles erfüllt. Ich habe das mal ausgezählt, die erfüllten Prophezeiungen, und bin bis Vers 35 auf etwa 150 Prophezeiungen gekommen, die man ganz genau in der Weltgeschichte nachweisen kann. Das habe ich auch in dem Buch hier getan, jeden einzelnen Punkt nachgewiesen mit der Geschichtsliteratur. Das ist schon eindrücklich.
Porphyrius war ein Feind des Christentums. Er schrieb in seinem zwölften Buch gegen das Christentum: Dieses Kapitel kann unmöglich Prophetie sein, es ist viel zu genau. Er hatte damit zu kämpfen.
Gut, und jetzt wird der Antichrist in der Endzeit beschrieben, ab Vers 36. Der König wird nach seinem Gutdünken handeln. Er wird sich erheben und groß machen über jeden Gott und gegen den Gott der Götter. Er wird Abscheuliches oder erstaunliches Reden, und er wird Erfolg haben, bis der Zorn vollendet ist. Denn das fest Beschlossene wird vollzogen.
Auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, ebenso wenig auf die Sehnsucht der Frauen noch auf irgendeinen Gott. Er wird sich über alles erheben. An dessen Stadt wird er den Gott der Festungen ehren, den Gott, den seine Väter nicht gekannt haben. Diesen wird er ehren mit Gold, Silber, Edelsteinen und Kleinodien. Gegen die starken Festungen wird er so verfahren mit dem fremden Gott.
Wer ihm Anerkennung zollt, dem wird er viel Ehre erweisen, und er wird ihm Herrschaft verleihen über viele und das Land zum Lohn austeilen. Das ist der Antichrist.
Plötzlich wird er hier „der König“ genannt. Vorher geht es immer um den König des Südens und den König des Nordens. Dann aber kommt der König. Er wird auf den Gott seiner Väter nicht achten – das bedeutet, er ist ein Israelit. Er wird auf den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht achten. Er wird sich über alles erheben, was Gott heißt.
Das entspricht genau dem, was Paulus in 2. Thessalonicher 2 über den Menschen der Sünde schreibt. Dieser wird sich über alles erheben, was Gott heißt, und sich selbst in den Tempel Gottes setzen und sagen, er sei Gott.
Es heißt hier sogar, er wird nicht auf die Sehnsucht der Frauen achten, noch auf irgendeinen Gott. Wer ist die Sehnsucht der Frauen? Es gibt viele Spekulationen darüber. Der größte Wunsch eines jüdischen Mädchens war es, einmal die Mutter des Messias zu sein. Der Messias ist die Sehnsucht der Frauen.
Interessant ist, dass der Bibeltext sagt, dass er Gott ist und keinen anderen Gott anerkennt – Gott und Mensch in einer Person. Er wird nicht auf den Messias achten, er ist der Antichrist. Aber er wird einen Gott ehren, den Gott der Festungen.
Das ist ein ganz interessanter Ausdruck, denn in der Römerzeit war das ein Titel für Jupiter Kapitolinus, den Göttervater, dem die Festung des Kapitols in Rom geweiht war. Nun, der Antichrist in Israel wird in der Endzeit mit Europa verbündet sein, in seiner letzten Phase. Er wird einen Bund machen und ein Götzenbild herstellen von dem letzten Diktator Europas.
Offenbarung 13 spricht ausführlich darüber. Dieses Götzenbild wird sogar sprechen können, und es wird auf dem Tempelplatz in Jerusalem aufgestellt werden. Dann beginnt die große Drangsalzeit, wie Matthäus 24, Vers 15 sagt: „Wenn ihr den Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte seht, von dem Daniel der Prophet gesprochen hat, dann sollen die in Judäa auf die Berge fliehen. Denn dann wird große Drangsal sein.“
Das ist der Gott der Festungen, den der Antichrist ehren wird.
Nun die Parallele zu Daniel 5 und Daniel 10–12: Der König Belsazar, dieser Gotteslästerer, ist ein Vorgeschmack auf den Antichristen. Er verkennt nicht nur Gott, wie Nebukadnezar, sondern greift Gott an und lästert ihn.
Aber zu allen Zeiten gibt es die Treuen – einen Daniel damals und dann die Verständigen in Daniel 12 in der Endzeit. So sehen wir, wie das Buch Daniel einen wunderbaren Aufbau hat. Wenn man nur ein Kapitel herausreißt, wird die ganze Struktur zerstört.
Das hat die liberale Kritik gemacht. Man sagte, es sei eine Fälschung aus späterer Zeit. Doch dann kamen die Argumente: „Aber halt, halt, halt, der kennt ja Belsazar, weiß, dass er Nummer zwei ist und so weiter.“ Da sagte man: „Ja gut, es kann natürlich sein, dass dieser Fälscher im zweiten Jahrhundert auch älteres Material zur Verfügung hatte und es so verwendet hat.“
Das ganze Buch Daniel ist in seinem Aufwand und seiner Struktur so eine Einheit. Wenn man da gewisse Dinge herausreißt, wird die ganze Struktur zerstört.
In der Abfolge der Kapitel sehen wir einen wunderbaren Werdegang: Im Kapitel 1 kann Daniel Träume deuten. Kapitel 2 deutet Daniel Träume. In Kapitel 3 macht Nebukadnezar eine Statue, nach der Statue, von der er geträumt hatte. Die Freunde Daniels müssen durch Not gehen und bleiben treu.
Kapitel 4: Nebukadnezar lebt im Wohlstand und wird untreu. Kapitel 5: Belsazar erhebt sich gegen Gott, obwohl er wusste, dass Gott seinen Großvater gedemütigt hatte, im Kapitel davor. Kapitel 5 zeigt den Wechsel: Die Perser übernehmen die Macht, das Reich wird den Persern gegeben.
Kapitel 6: Das persische Reich unter Darius dem Meder. Kapitel 7: Der Traum von den Bestien, der gerade nach Kapitel 6 kommt, in dem Daniel unter den Löwen war.
Daniel unter den Löwen ist ein Bild dafür, wie die Treuen, die Gläubigen zu allen Zeiten der Weltgeschichte mit wilden Tieren zu tun hatten. Doch Gott hat ihnen geholfen, durch die Jahrtausende hindurch, um mit diesen wilden Tieren umgehen zu können. So haben sie Gottes Bewahrung und Durchhilfe erlebt.
In Kapitel 8 geht es dann um zwei Tiere: den Widder und den Ziegenbock. Nachdem wir in Kapitel 7 den Traum von vier Tieren hatten, zeigt Kapitel 8 den Traum von zwei Tieren.
Kapitel 8 zeigt, wie Gott schließlich Israel in der Endzeit durch Not befreien wird und eine vollkommene Zeit der Lösung schenkt.
Daniel 9 nimmt dies auf und teilt im Verlauf der 70 Jahrwochen Gottes prophetischen Plan bis in die Endzeit auf. Dieses Kapitel ist der Schlüssel für das Verständnis der Prophetie. Wer die Prophetie von den 70 Jahrwochen nicht kennt oder nicht verstanden hat, kann die ganze Prophetie nicht wirklich verstehen.
Das ist also das Schlüsselkapitel, das uns den Weg bis zur Endzeit zeigt.
Die Kapitel 10 bis 12 knüpfen daran an und zeigen vor allem die letzte Zeit der größten Not Israels, bevor die große Erlösung kommt.
Ich möchte schließen mit Daniel 12, Vers 1: „Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht. Es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht, bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, ein jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird.“
Diese Kapitel zeigen, dass Israel noch durch die schrecklichste Zeit hindurch muss, aber dann kommt die Befreiung. Am Schluss wird Israel die Erlösung erleben – nicht alle, sondern nur die wahren Gläubigen, jeder, der zum Leben eingeschrieben gefunden wird im Buch des Lebens.
Daniel wird persönlich getröstet, Vers 13: „Du aber gehe hin bis zum Ende, und du wirst ruhen und wirst auferstehen zu deinem Los am Ende der Tage.“
Daniel wusste, er war treu zu seiner Zeit. Aber er sollte die Erlösung Gottes für Israel in der Endzeit und wie Gott die ganze Weltgeschichte zum Ziel führt, einst erleben als Auferstandener.
Ja, wir sind am Schluss. Es gäbe so viel Schönes noch zu erzählen, aber es sollte eine Übersicht über das Buch Daniel sein. Wir wollen auch zum Schluss miteinander beten.