Engel sind süß und in der Gegenwart weit verbreitet und beliebt. Besonders in der Zeit vor Weihnachten tauchen sie plötzlich in großer Zahl auf. Junge Frauen in Glitzerkostümen mit weißen Flügeln oder kleine, pausbäckige Putten aus der Sixtinischen Kapelle finden sich plötzlich auf Servietten, Postkarten, Tassen oder Postern.
Seit dem Aufschwung von Fantasy, Mystery und Esoterik bevölkern diese ätherischen Wesen sowohl die Medien als auch die Konsumtempel. Häufig sind sie auch zu Hause anzutreffen. Mit den biblischen Engeln haben diese jahresendlichen Flügelpuppen jedoch nichts zu tun.
Es handelt sich vielmehr um mythische Wesen, wie sie auch in anderen Religionen vorkommen. Teilweise erscheinen sie dort als Götterboten, Halbgötter oder als Wesen, die auf irgendeine Weise den Kontakt zum Jenseitigen, Göttlichen herstellen.
Als ich vor ein paar Monaten mit dem Zug unterwegs war und einen längeren Aufenthalt in einem Bahnhof hatte, besuchte ich dort die Bahnhofsbücherei. Besonders interessierte mich die Abteilung mit Literatur über Religion und Glauben.
Kaum überrascht war ich, als ich entdeckte, dass ein ganzer Regalboden mit Büchern über Engel gefüllt war. Und was gab es dort nicht alles zu lesen! Manche Menschen berichteten von Offenbarungen, die sie durch Engel erhalten hätten. Andere erzählten, persönlich durch Engel geschützt worden zu sein.
Es gab verschiedene Anleitungen, wie man Kontakt zu Engeln aufnehmen könnte, wo und wann man sie treffen könne oder wie man sie beschwört, damit sie zuhören. Diese Engel wurden als Vermittler zu Gott dargestellt – als Lebenshelfer und als Personen, die geheimes Wissen von Gott weitergeben.
Man könnte fast annehmen, dass diese Engel sowohl Lebenshelfer als auch ein Ersatz für Gott seien. Das ist nicht ganz unproblematisch, denn wirklich harte Fakten für die Offenbarung dieser Engel oder für ihre Hilfe wurden kaum geboten. Man war einzig und allein auf die Glaubwürdigkeit der Autoren angewiesen.
Nun könnte man meinen, dass die weit verbreitete Begeisterung für Engel gerade für gläubige Menschen, für Christen, eine Möglichkeit bietet, mit anderen über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass das häufig gelingt.
Das liegt zum einen daran, dass die Engelbilder bereits zu fest verankert sind. Sie sind oft persönlich aufgeladen durch die Hoffnungen, die man in sie setzt, und durch die Erfahrungen, die man mit ihnen verbindet.
Zudem haben die Vorstellungen von individuellen Schutzengeln oder Offenbarungsengeln wenig mit den Engeln der Bibel zu tun.
Denn Engel werden in der Bibel ganz anders beschrieben. An den meisten Stellen sind sie nicht sofort erkennbar. Sie erscheinen in menschlicher Gestalt, und erst durch das, was sie sagen oder tun, werden sie als Engel Gottes erkannt.
Natürlich gibt es auch Engel, die im Namen Gottes Menschen strafen. Es gibt Engel, die Gericht ausüben. Ebenso gibt es Engel, die um den Thron Gottes herum sind und Gott loben und preisen.
All das entspricht jedoch nicht dem Bild der kleinen, niedlichen Engel, wie man sie oft im Wohnzimmer sieht. Vielmehr sind es Engel, in deren Gegenwart der Mensch seine eigene Begrenztheit spürt und etwas von der Größe und Majestät Gottes erfährt.
Und immer und an jeder Stelle sollen diese Engel eigentlich auf Gott selbst hinweisen. Sie sind nicht der Ausgangspunkt der Verehrung und der Zuwendung, sondern Boten Gottes.
Nicht sie sollen beachtet, angebetet oder verehrt werden, sondern sie wollen auf Gott hinweisen.
Der Apostel Paulus verweist deshalb in seinem Brief an die Kolosser, im zweiten Kapitel, im achtzehnten Vers, darauf, dass man sich nicht zu sehr mit den Engeln beschäftigen soll. Man soll nicht zu sehr spekulieren oder gar bei ihnen Hilfe suchen, weil das von Gott selbst wegführt.
Gleiten die Engel in der Bibel meist im Hintergrund, dann ist es für Christen sinnvoll, sie ebenfalls im Hintergrund zu belassen. Wer mit Menschen über den Glauben sprechen möchte oder einfach nur Hilfe sucht, sollte nicht zu sehr auf die Engel fokussieren. Stattdessen ist es ratsam, sich direkt an Gott zu wenden, auf den die Engel letztlich hinweisen wollen.