
Habt ihr schon einmal eine Predigt gehört, die nicht aus dem Wort Gottes stammt? Ich hoffe nicht.
Stellt euch einmal vor, meine nächste Predigt käme nicht aus der Bibel, sondern vielleicht aus Grimms Märchen – eine Vers-für-Vers-Auslegung von Hänsel und Gretel. Was wäre die Konsequenz?
Ich glaube, die Brüder Benjamin, Robert und die anderen würden es sehr bereuen, mich eingeladen zu haben. Sie müssten sich in den nächsten Wochen hier in der Gemeinde um Schadensbegrenzung bemühen. Wir würden diese Abendveranstaltung verlassen, hoffentlich empört. Denn wenn jemand nicht die Bibel predigt, sollten wir empört sein.
Wahrscheinlich wären wir empört und würden rausgehen – definitiv nicht ermutigt und nicht herausgefordert. Wir hätten ein Märchen gehört, aber nicht das Wort Gottes. Irgendetwas würde uns fehlen, oder wir würden wieder leer ausgehen, wenn das Wort Gottes nicht gepredigt wird.
Was gibt uns sonst Halt im Leben?
Die Bedeutung der Predigt im Gottesdienst
Aber stellt euch mal Folgendes vor: Vielleicht fällt es uns schwer, das vorzustellen, aber wir versuchen es trotzdem.
Stellt euch vor, in den Gottesdiensten hier in der Gemeinde gäbe es keine Predigten mehr. Immer an dem Punkt, wo sonst die Predigt käme, würde der Bruder, der den Gottesdienst leitet, sagen: „Liebe Geschwister, Gott segne euch, kommt gut nach Hause.“ Und wir würden denken: Wieso keine Predigt heute? Die Predigt ist doch das zentrale Element im Gottesdienst. Haben die heute irgendwas vergessen? Ist der Prediger krank geworden?
Wir würden am nächsten Sonntag wiederkommen und das Gleiche erleben. Dann würden wir feststellen, dass es in unserer Gemeinde keine Predigten mehr gibt. Da würde uns doch etwas fehlen.
Einige von euch würden wahrscheinlich auf die Idee kommen, irgendwann zu den Nachbargemeinden zu gehen, entweder hier in Heidelberg oder in den anderen Städten. Schwäbisch Gmünd ist ja nicht so weit entfernt. Für das Wort Gottes würde man diese Reise doch in Kauf nehmen. Oder man würde an andere Gemeinden gehen, in denen das Wort Gottes noch gepredigt wird.
Wir nehmen jetzt mal einfach Schwäbisch Gmünd: Wir würden dort hinkommen und feststellen, dass auch dort keine Predigten mehr gehalten werden. Keine Predigt. Da würden wir uns langsam Sorgen machen. Sollen wir weiterfahren? Vielleicht fahren wir mal ein bisschen mehr nach Norden. Vielleicht wird in Köln noch das Wort Gottes gepredigt.
Stellt euch vor, dort wäre es auch nicht mehr so. Dann würden wir irgendwann sagen: Na gut, wir leben im digitalen Zeitalter. Dann suche ich mir Predigten im Internet, weil ich das Wort Gottes brauche.
Stellt euch vor, es gäbe keine Predigten mehr im Internet. Da würde uns irgendetwas fehlen.
Ich weiß, diese Vorstellung ist schwer, aber wenn wir uns das mal durchdenken, ist das genau die Situation, die jetzt im nächsten Text angekündigt wird.
Die Ankündigung einer geistlichen Hungersnot
Der Vortrag, die zweite Predigt, trägt den Titel "Vermisst – das Wort Gottes wird vermisst". Wir sind jetzt bei Amos Kapitel 8 angelangt, und es geht um die Verse 11 bis 14. Ich lese sie einmal vor:
„Siehe, Tage kommen, spricht der Herr, da sende ich Hunger ins Land, nicht einen Hunger nach Brot und nicht einen Durst nach Wasser, sondern danach, die Worte des Herrn zu hören. Und sie werden wanken von Meer zu Meer und von Norden bis zum Osten, sie werden umherschweifen, um das Wort des Herrn zu suchen und werden es nicht finden. An jenem Tag sinken die schönen Jungfrauen und die jungen Männer vor Durst ohnmächtig hin, die da bei der Schuld Samarias schwören und sagen: ›So war dein Gott lebt, Dan, und so war der Weg nach Beerscheba lebt‹, sie werden fallen und nicht mehr aufstehen.“
In den Versen 11 und 12 geht es um die Abwesenheit des Wortes Gottes. Amos sagt: „Siehe, Tage kommen, spricht der Herr.“ Das heißt, hier wird etwas für die Zukunft angekündigt. Diese Tage werden eintreffen.
Es wird eine Hungersnot geben, aber nicht eine Hungersnot gewöhnlicher Art. Im Sinne von Hunger, wie wir ihn kennen. Das hatten wir bereits in Kapitel 4, wo Gott eine Hungersnot schickte, damit das Volk Buße tut. Das war eine Hungersnot nach Brot.
Hier aber heißt es im Text: „Das ist keine gewöhnliche Hungersnot. Schau mal genau hin: ‚Da sende ich Hunger ins Land, aber nicht einen Hunger nach Brot und nicht einen Durst nach Wasser, sondern danach, die Worte des Herrn zu hören.‘“ Es geht hier um einen Hunger nach dem Wort Gottes.
Beim oberflächlichen Lesen könnte man meinen, das sei doch gut: Die Leute haben wieder Hunger nach dem Wort Gottes, das klingt nach Erweckung. Aber hier ist es Gericht, nicht Verheißung. Denn in Vers 12 heißt es: „Und sie werden wanken von Meer zu Meer und vom Norden bis zum Osten, sie werden umherschweifen, um das Wort des Herrn zu suchen und werden es nicht finden.“
Was passiert, wenn man hungrig ist? Man sucht sich etwas zu essen. Hier haben die Menschen Hunger nach dem Wort Gottes, und sie suchen verzweifelt danach. Es ist von einem Wanken die Rede, das heißt, es ist schon Verzweiflung. Sie gehen umher.
Amos sagt, diese Suche ist sehr weiträumig. Also gerade das mit „schwäbisch gemünzt“ war nicht übertrieben: Von Meer zu Meer, von Norden bis zum Osten – eine weit angelegte Suche nach dem Wort Gottes. Und sie finden es nirgendwo. Überall suchen sie, und sie finden es nicht.
Wenn die Israeliten damals googeln könnten, würden sie „Gottes Wort“ eingeben und bekämen die Antwort: Leider keine Suchergebnisse gefunden. Aber nicht, weil sie nicht gründlich gesucht haben – das müssen wir verstehen –, sondern weil Gott sein Wort aktiv zurückgezogen hat.
Und das ist das Gericht. Schaut mal: Gott sendet den Hunger, aber er nimmt das Essen weg. Das ist Gericht. Gott schickt die Sehnsucht nach seinem Wort, aber er nimmt das Wort weg.
Gründe für das Zurückziehen des Wortes Gottes
Und die Frage, die uns jetzt in den Kopf kommt, ist: Warum macht Gott das? Hat er denn kein Anliegen, dass die Menschen sein Wort hören? Er ist doch der offenbarende Gott – wieso offenbart er sich nicht mehr?
Die Antwort lässt sich aus dem Zusammenhang erschließen. Schaut mal in Kapitel 2, das war die Predigt zum Thema „Gottes Gnade mit Füßen getreten“. Dort sagt Gott: „Es war ein Zeichen meiner Gnade, dass ich zu euch gesprochen habe“ (Amos 2,11-12). „Als meine Zeugen habe ich aus eurer Mitte Propheten berufen und Männer, die sich mir geweiht haben, so ist es doch, ihr Leute von Israel“, sagt der Herr. „Aber meinen Geweihten habt ihr Wein zu trinken gegeben, und den Propheten habt ihr verboten, in meinem Namen zu reden. Sie haben geredet, aber sie wollen nicht hören.“
Und wisst ihr, gerade im Propheten Amos finden wir prozentual, also gemessen an der Länge des Buches, so häufig diese Aufforderung „Hört“, wie sonst nur noch beim Propheten Micha. Immer wieder ruft Gott, dass sie hören sollen.
Schaut mal in Kapitel 3, Vers 1: „Hört dies Wort, dass der Herr über euch redet, ihr Söhne Israel.“ Kapitel 3, Vers 13: „Hört und bezeugt es gegen das Haus Jakob.“ Kapitel 4, Vers 1: „Hört dies Wort.“ Kapitel 5, Vers 1: „Hört dies Wort.“ Kapitel 7, Vers 16: „Und nun höre des Wortes Herrn.“ Kapitel 8, Vers 4: „Hört.“
Ja, also immer wieder wird das Volk nicht nur eingeladen, sondern aufgefordert zu hören. Aber leider ist genau das das Ergebnis: Das Land kann seine Worte nicht mehr ertragen. Versteht ihr? Deswegen sagt Gott irgendwann: „Jetzt werde ich mein Wort zurückziehen. Ihr wollt nicht! Ihr wollt nicht hören.“
Und jetzt drehen wir den Spieß um. Dann zeige ich euch, wie ein einseitiger Wunsch nach Kommunikation aussieht. Bisher: „Ich will reden, ihr wollt nicht hören.“ Jetzt machen wir es so: „Ich mache, dass ihr hören wollt, aber ich rede nicht mehr.“ Gott dreht den Spieß um.
Warum macht Gott das? Zum einen, weil sie nicht hören wollen, zum anderen, weil sie lieber ihr Herz an Götzen hängen. Da heißt es in Vers 14: „Die da bei der Schuld Samaria schwören und sagen: ‚So war dein Gott Lebdahn und so war der Weg nach Beerscheber. Lebt!‘“
Die Schuld Samarias bezieht sich auf den Balzkult in Samaria. „So war dein Gott Lebdahn“ – und wir wissen mittlerweile, in Lebdahn stand das Kalb, das Hirobiam der Erste dort installiert hat. Auch hier geht es um Götzendienst. Beerscheber war ein Wallfahrtsort für den Götzendienst, deswegen steht auch: „So war der Weg nach Beerscheber, lebt.“ Das ist Götzendienst, und deswegen sagt Gott: Wenn ihr euer Herz an andere Götzen hängt, dann ziehe ich mich zurück.
Gott macht das immer wieder. Das ist nicht nur bei Amos der Fall. Ich habe bereits in einer der anderen Predigten auf 1. Samuel 3 hingewiesen, wo es heißt: „Zu jener Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr zu einem Menschen sprach und ihm etwas offenbarte.“
Wir sehen es bei Saul. Die Bibelkenner hier in unserem Raum wissen die Geschichte von Saul. Am Ende wollte er ein Wort von Gott haben, und Gott hat nichts mehr gesagt. Deswegen ist er zur Wahrsagerin gegangen, weil Gott gesagt hat: „Mit dir rede ich nicht mehr, Saul. Du bist ungehorsam, du willst sowieso nicht hören, deswegen rede ich nicht mit dir.“
Und ich möchte die Behauptung aufstellen, dass so etwas sogar im Neuen Testament vorkommt. Jesus erzählt Gleichnisse, damit die Pharisäer es nicht verstehen. Das ist uns vielleicht nicht ganz so geläufig, aber genau das ist es, was Jesus sagt: „Ich rede in Gleichnissen, damit sie es nicht verstehen.“ Sie hatten die Tora, sie hatten die Bibel, aber sie lebten nicht danach. Und Jesus sagt als Zeichen des Gerichts: „Wende ich mich jetzt an die, die es wirklich verstehen wollen. Und ich erzähle das, damit die Pharisäer, die Theologen, es nicht verstehen.“
Wir sehen darin ein Handlungsprinzip: Gott zieht sein Wort zurück.
Die Frage muss dennoch gestellt werden: Das, was Amos hier sagt, bezieht sich ja auf die Zukunft. Diese Hungersnot wird irgendwann kommen. Und die Frage, die wir uns schon stellen müssen, ist: Ist das bereits in der Geschichte eingetreten oder steht es noch aus?
Historische und gegenwärtige Deutungen der Hungersnot
Es gibt zwei Möglichkeiten, das zu verstehen. Einige Ausleger sagen, dass dies im Exil passiert ist, als das Volk in die Gefangenschaft musste. In dieser Zeit hatten sie dann eben auch keinen Propheten mehr. Wahrscheinlich bezieht sich das auf die zwischentestamentliche Zeit.
Wir müssen wissen, dass zwischen Maleachi, dem letzten Buch im Alten Testament, und Matthäus, dem ersten Buch im Neuen Testament, etwa 400 Jahre liegen. In diesen 400 Jahren hat Gott nicht mehr zu seinem Volk gesprochen. Ich denke, es bezieht sich wahrscheinlich auf diese Zeit.
Dennoch, ich habe es gerade versucht zu erklären: Das ist etwas, was Gott immer wieder macht. Es ist ein Handlungsprinzip Gottes, dass er sein Wort zurückzieht.
Ich habe mir die Frage gestellt: Kann es sein, dass wir heutzutage in Deutschland in gewisser Weise eine Hungersnot nach dem Wort Gottes erleben? Kann es sein, dass die Bibelkritik vielen Menschen den Zugang zum Wort Gottes verbaut hat?
Schaut mal, wir haben Zugang zur Bibel in Deutschland. Hier sitzen heute Abend einige Geschwister, die diesen Zugang in der Sowjetunion nicht hatten. Heute aber haben wir alle Zugang. Wir können uns eine Bibel kaufen.
Aber schau mal: Wenn du ständig von den Kanzeln in den Kirchen hörst, dass wir dem Wort Gottes nicht mehr vertrauen können, dann verbaust du den Leuten den Zugang und das Vertrauen zum Wort Gottes. So entsteht eine Hungersnot nach dem Wort Gottes.
Die Realität der Bibelkritik und ihre Folgen
Ich habe vor einiger Zeit im Radio einen Prediger gehört, der über seinen Garten sprach. Dabei meinte er nicht den Garten Eden, sondern seinen eigenen Garten. Man könnte sich fragen: Wie oft hat ein Mann die Gelegenheit, so viele Menschen gleichzeitig im Radio mit dem Evangelium zu erreichen – und was predigt er? Er predigt über seinen Garten.
Wir sind das Mutterland Deutschland, das Mutterland der Reformation, aber leider auch das Mutterland der Bibelkritik. Schaut euch an, wie viele Kirchen es in unserem Land gibt. In jeder Kirche gibt es eine Kanzel, doch Sonntag für Sonntag wird dort nicht mehr das Wort Gottes gepredigt, sondern etwas anderes. Vielleicht wird über den Garten gesprochen, vielleicht über soziale Themen – aber nicht mehr über das Evangelium.
Vor einiger Zeit habe ich in der Zeitschrift Idea gelesen – das ist leider kein Scherz – dass Pastorinnen Romane predigen. In den Kirchen in Deutschland! Kann es sein, dass wir eine Hungersnot nach dem Wort Gottes haben?
Meine Frau und ich gehen manchmal gemeinsam in der Stadt bummeln. Ehrlich gesagt, in letzter Zeit weniger, und in Corona-Zeiten sowieso nicht. Aber als das noch möglich war, sind wir öfter in Buchläden gegangen. Drinnen trennen sich immer unsere Wege: Meine Frau geht zu den Kochbüchern und Kinderbüchern, ich gehe zur Abteilung Religion und Theologie, um zu schauen, was es dort so gibt.
Ich habe mal ein Experiment gemacht. Ich habe mir vorgestellt: Angenommen, ich wäre kein Christ, sondern ein Suchender. Davon gibt es viele Menschen in unserem Land. Natürlich ist es schwer, sich in diese Situation hineinzuversetzen, aber ich habe es versucht. Ich ging in eines der renommierten Buchgeschäfte in Deutschland in die Abteilung Religion. Was finde ich dort? Ganz viele Bücher von einem gewissen Eugen Drewermann.
Als Suchender denke ich mir: Wenn dieser Autor so viele Bücher geschrieben hat, kann er mir vielleicht mehr über das Christsein und das Evangelium erzählen. Wisst ihr, wer Eugen Drewermann ist? Er glaubt nicht an die Auferstehung Jesu, er hat sogar von der katholischen Kirche ein Predigtverbot erhalten. Er leugnet die Jungfrauengeburt und wendet Sigmund Freud, einen Psychologen, auf die Bibel an. Schlimmer geht es kaum. Trotzdem sind sämtliche Bücher von Eugen Drewermann dort zu kaufen.
Jetzt stelle ich mir vor, ich habe gerade eine Lebenskrise hinter mir, bin Ungläubiger und suche nach Gott. Ich gehe in das Buchgeschäft und sehe: Eugen Drewermann, Theologe, so viele Bücher. Und ich bekomme von ihm gesagt: Jesus ist nicht auferstanden. Haben wir eine Hungersnot in unserem Land?
Ich schaue weiter in die Bücher und finde ein Buch von einem Religionswissenschaftler, Reza Aslan, mit dem Titel „Zelot – Jesus von Nazareth und seine Zeit“. Als Suchender denke ich: Ich will mehr über Jesus erfahren. Ein Religionswissenschaftler muss es doch wissen, er kann mir etwas über Jesus erzählen.
Wissta ihr, was Reza Aslan in diesem Buch behauptet? Jesus sei gewalttätig gewesen. Das ist Gotteslästerung. Jesus war ein Zelot, ein radikaler Kämpfer, und deshalb haben die Römer ihn verdienterweise ans Kreuz genagelt.
Daneben steht ein Zitat des Atheisten Christopher Hitchens: „Der Herr ist kein Hirte.“ Wie fühlt man sich, wenn man in einer Lebenskrise ist und von Gott etwas hören möchte? Man geht in die Kirche, und dort werden Romane gepredigt. Man geht in einen Buchladen, um das Evangelium zu finden, und liest: „Der Herr ist kein Hirte“ und „Jesus war gewalttätig.“
Ihr Lieben, das ist Deutschland. Diese Fotos habe ich selbst gemacht. Das ist nicht irgendwo an den Haaren herbeigezogen.
Genau diese Tendenz trifft auf eine andere Tendenz in unserem Land: Die Menschen haben wieder mehr Hunger. Warum boomen die östlichen Religionen? Warum boomt Yoga? Die Menschen in unserem Land fragen wieder nach etwas Übernatürlichem. Aber sie bekommen keine Antwort durch das Evangelium, weil es nicht mehr in den Kirchen gepredigt wird.
Das ist genau das, was Gott sagt: Sie werden wieder mehr Hunger haben, aber sie bekommen das Wort nicht. Wir erleben eine Hungersnot in unserem Land.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir das Wort Gottes hochhalten, dass wir es predigen, ernst nehmen und schätzen. Wenn wir feststellen, dass Gott bereit ist, sein Wort zurückzuziehen, dann müssen wir doch dankbar sein, dass wir in unserer Gemeinde am Sonntag das Wort hören dürfen. Dass wir von Brüdern das Wort erklärt bekommen, dass wir durch unsere Gemeinde geprägt sind und wenn wir das Wort lesen, mit dem Vertrauen daran herangehen dürfen, dass es richtig ist und wir diesem Wort vertrauen können.
Persönliche Reflexion zur Wertschätzung des Wortes Gottes
Aber da möchte ich dir jetzt mal persönlich die Frage stellen: Wie sieht es bei dir aus mit dem Bibellesen? Das Wort Gottes ist so kostbar. Wenn Gott sagt, mein Wort dürft ihr nicht einfach wie irgendetwas anderes behandeln, sondern ihr sollt es schätzen und lieben – wie sieht deine Liebe zum Wort Gottes aus?
Kann es sein, dass du in letzter Zeit sehr wenig darin gelesen hast? Vielleicht hast du deine Freude am Bibellesen schon längst verloren. Manchmal kommen Menschen zu mir, und sie sind zu ehrlich. Ich schätze diese Ehrlichkeit. Sie sagen: „Andre, wie kann ich mehr Motivation zum Bibellesen bekommen? Ich will mehr, aber ich habe manchmal einfach keine Lust.“
Oft sind es jüngere Leute, die mir diese Frage stellen. Meistens gebe ich ihnen fünf Ratschläge mit auf den Weg. Diese fünf Ratschläge möchte ich dir heute Abend ebenfalls mitgeben – fünf Ratschläge für mehr Motivation beim Bibellesen.
Fünf Ratschläge für mehr Motivation zum Bibellesen
Erster Ratschlag: Bete für mehr Motivation. Das klingt ganz einfach, aber genau darum geht es. Beten: „Herr, hilf du mir!“
Zweitens: Fang einfach an zu lesen, auch wenn du dich nicht danach fühlst. Heutzutage sind wir viel zu gefühlsgesteuert. Manche denken sogar, wir würden heucheln, wenn wir etwas tun, obwohl wir uns nicht danach fühlen. Nein, das ist keine Heuchelei, sondern ein Schritt des Gehorsams.
Es ist wie beim Essen: Kennt ihr das? Am Anfang habt ihr vielleicht noch keinen Hunger, aber wenn ihr zu essen beginnt, merkt ihr plötzlich, wie gut das Essen schmeckt, und dann kommt der Appetit. Genauso ist es mit dem Wort Gottes. Auch wenn du am Anfang keine große Motivation hast, fang einfach an zu lesen. Du wirst feststellen, wie wunderbar das Wort Gottes ist.
Dritter Ratschlag: Mach dir einen Plan. Lies systematisch und überlege nicht jeden Morgen neu, wo du anfangen sollst. Lies so, dass du am Abend schon weißt, was du am nächsten Morgen lesen wirst. Das hilft sehr.
Ein weiterer Ratschlag: Mach dir einen Termin. Für viele Dinge machen wir uns Termine, aber warum nicht auch für die Zeit mit Gott? Zum Beispiel von fünf Uhr dreißig bis sechs Uhr morgens. Dann ist das Handy aus, die Kinder schlafen vielleicht noch – das ist dein Termin mit Gott jeden Tag. Die Uhrzeit kann bei dir anders sein, aber halte diesen Termin täglich ein.
Fünftens: Bitte jemanden, immer mal wieder nachzufragen, wie es bei dir mit dem Bibellesen läuft. Ich bin ein Freund von Rechenschaftsbeziehungen, denn sie sind etwas Gutes. „Eisen schärft Eisen“, sagt das Buch der Sprüche (Sprüche 27,17). So schärft ein Mensch den anderen. Das brauchen wir nicht nur unter Brüdern, sondern auch unter Schwestern – eine gegenseitige Hilfestellung, um das Wort Gottes regelmäßig zu lesen.
Die Folgen des Fehlens des Wortes Gottes
Wir kommen zum zweiten und letzten Punkt dieser zweiten Predigt. Wir sehen die tragischen Auswirkungen, wenn das Wort Gottes nicht mehr da ist. An jenem Tag sinken die schönen Jungfrauen und die jungen Männer vor Durst ohnmächtig hin.
Am Ende von Vers 14 heißt es: Das ist die weitere Auswirkung – sie fallen, und sie werden fallen und nicht mehr aufstehen. Wenn Gott sein Wort zurückzieht und der Mensch das Wort Gottes nicht mehr erhält, dann leidet er darunter. Das ist die Aussage des Textes.
Hier denke ich, dass dies bildlich zu verstehen ist, dass sie ohnmächtig dahinsinken. Ihnen fehlt die Lebensperspektive ohne das Wort Gottes. Auffällig ist, dass im Text schöne Jungfrauen und junge Männer erwähnt werden. Es geht um die Jugend. Wenn die Jugend nicht unter dem Wort Gottes steht, geht sie zugrunde.
Das, was die Jugend braucht, ist das Wort Gottes. Eine Jugend ohne Wort Gottes geht kaputt – das ist die Aussage des Textes. Übrigens ist deshalb die Kinderarbeit in der Gemeinde so wichtig, ebenso die Jugendarbeit. Es ist entscheidend, dass wir als Eltern unsere Kinder und Jugendlichen unter das Wort Gottes bringen. Denn ohne das Wort Gottes fehlt ihnen die Lebensperspektive.
Ich nehme es zunehmend wahr, und eure Seelsorger hier in der Gemeinde werden mir sicherlich zustimmen: Immer mehr junge Menschen bekommen Depressionen, immer mehr junge Menschen haben keine Lebensperspektive mehr. Kann es sein, dass das Wort Gottes in ihrem Leben fehlt? Kann es sein, dass ihnen die Lebensperspektive fehlt, wenn alles nur noch relativ ist? In der Postmoderne kann man sich nicht mehr an Wahrheit klammern, und das führt zu Depressionen, weil man nichts mehr hat.
Wie wahr ist es doch, was in 5. Mose 8,3 steht: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des Herrn hervorgeht, lebt der Mensch. Schaut mal, wir Menschen sind so geschaffen worden, dass wir nicht nur leibliche Nahrung brauchen.
Der Mensch besteht nicht nur aus Leib, er hat auch eine Seele und einen Geist. Deshalb wird der Mensch nie wirklich innere Zufriedenheit und Erfüllung erleben, wenn ihm das Wort Gottes fehlt und er keinen Bezug zum Schöpfer hat.
Ich finde es immer wieder interessant, Kinder zu beobachten, wenn sie an Weihnachten die Geschenke auspacken. Bei uns ist das so, vielleicht ist es bei euch anders, aber wir haben das immer an Heiligabend. Dann sind alle Geschenke gesammelt – von Opa, Oma, Tante, Onkel – und wir gehen der Reihe nach durch. Ein Kind hat dann so viele Geschenke auf einmal von allen möglichen Personen, dass es sie auspacken kann.
Ich habe vor ein paar Jahren an Weihnachten unsere Kinder beobachtet. Sie packen ein Geschenk aus und stehen völlig unter Adrenalin. Ein Geschenk ausgepackt, kurz gefreut, dann wird das nächste ausgepackt, man freut sich kurz und stellt es zur Seite, weil es ja noch mehr gibt. Sie packen aus und packen aus. Wenn alle Geschenke ausgepackt sind, kommt die Frage: War das alles oder gibt es noch mehr?
Und weißt du was? Jetzt können wir darüber schmunzeln, aber vielleicht ist das genau deine Lebenssituation. Du hast so vieles im Leben probiert und „ausgepackt“. Vielleicht erlebst du Erfüllung im Beruf, vielleicht durch deine Ehe, wenn dein Ehepartner dich in den Himmel lobt, vielleicht ist das dein Lebensglück, vielleicht sind es die Kinder. Du versuchst an sämtlichen Stellen Erfüllung zu finden und stellst dir die Frage: War das schon alles oder gibt es noch mehr?
Ihr Lieben, der Mensch ist für eine Beziehung zu Gott geschaffen worden. Wenn diese Beziehung nicht da ist, erlebt er immer Leere in seinem Leben. Dann schmachtet er dahin, wenn er kein Wort von Gott bekommt und nicht mit Gott in Verbindung steht.
Jesus als die Antwort auf geistliche Hungersnot
Und betrachtet man die 400 Jahre des Schweigens Gottes zwischen Maleachi und dem Neuen Testament, tritt dann Jesus Christus auf. Circa 30 Jahre nach Christus beginnt er sein öffentliches Wirken.
Jesus sieht eine Menge vor sich, die hungrig ist – nicht nur nach Brot, sondern auch nach dem Wort Gottes. Er sieht sie an, und sie sind verschmachtet wie Schafe, die keinen Hirten haben. Vierhundert Jahre lang haben sie nichts mehr von Gott gehört. Es herrscht eine geistliche Not. Jesus sagt ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungrig sein, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“
Wir lieben, das ist das, was Jesus uns sagt, das ist das, was er dir sagt. Wenn du dich darin wiederfindest, dass in deinem Leben momentan so wenig Perspektive vorhanden ist, dann liegt das daran, dass dir Jesus im Leben fehlt. Er ist das, was du brauchst. Er ist das Brot des Lebens. Er möchte dir das geben, was dein Herz wirklich zufrieden macht. Er möchte dir Sündenvergebung schenken.
Ich möchte uns einladen, in Jesaja 55,6 nachzulesen: „Sucht den Herrn, solange er zu finden ist, ruft ihn an, solange er nah ist.“
Mir ist das so wichtig geworden. Vor einiger Zeit habe ich diese Predigt in einer Gemeinde gehalten und besonders eindringlich betont, dass wir nie wissen, wann wir vor Gott stehen werden. Nach dem Gottesdienst fuhr ein junger Mann mit dem Motorrad weg und starb auf der Straße. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, eindringlich zu predigen.
Weißt du, wenn Gott irgendwann aufhört zu reden – das ist das, was Gott sagt – und auf der anderen Seite sagt die Bibel: „Sucht ihn, solange er zu finden ist“, dann möchte ich so eindringlich predigen. Ich möchte dir heute wirklich ernsthaft sagen: Wenn Gott in diesen Tagen zu dir gesprochen hat, triff eine Entscheidung für Jesus. Leg es nicht auf die lange Bank und sage: „Das kann ich immer noch.“ Denn wir sehen, dass Gott Herzen eine Zeit lang anspricht, aber wenn wir unser Herz verhärten, kann Gott sagen: „Dann ziehe ich mein Wort zurück.“
Wenn du jetzt merkst, dass er dich anspricht, dann ist das keine Manipulation von mir, sondern eine Bitte anhand des Wortes Gottes: Kehre um, solange er zu finden ist. Wenn er dich angesprochen hat, lade ich dich ein, heute eine Entscheidung zu treffen.
Du darfst gerne zurückbleiben, wenn du möchtest. Ich werde noch hier sein, die Brüder werden hier sein. Wenn du heute eine Entscheidung für Jesus Christus treffen möchtest, kannst du das tun.
Amen.
Wir hören nun auf ein weiteres Lied.