Einführung und Ausgangspunkt: Thesen zum Sprachenreden
Thema Zungenreden auseinandersetzen. Bevor wir das Thema biblisch behandeln, möchte ich zunächst meine 15 Thesen zum Thema Sprachenreden in der Bibel vorstellen.
Die Reformation begann bekanntlich mit 95 Thesen am 31. Oktober 1517. Das soll aber nicht missverstanden werden: Thesen sind einfach Behauptungen. So war es auch damals bei der Reformation. Die 95 Thesen waren Behauptungen, die Luther aufgestellt hatte, um mit seinen Studenten im Licht der Bibel darüber zu diskutieren.
Diese 15 Thesen sind ebenfalls Behauptungen. Ich habe bewusst kaum Bibelstellen erwähnt. Wir werden das Thema später biblisch durcharbeiten und dann sehen, was von den Thesen übrig bleibt.
Erste These: Bei der Gabe der Sprachenrede in der Bibel handelt es sich um eine übernatürliche Gabe von Gott. Das können wohl alle Christen akzeptieren.
Zweite These: Der Heilige Geist vermittelte die Fähigkeit zur Sprachbeherrschung und zur korrekten Aussprache. Hier könnte es bereits Diskussionen geben.
Dritte These: Beim Sprachenreden in der Bibel handelte es sich nicht um Gestammel oder unartikulierte Laute, sondern um wirkliche Sprachen. Mit Sprachen meine ich Sprachsysteme, die in sich geschlossen sind – ob es nun Menschensprachen oder Engelssprachen sind, spielt keine Rolle. Es sind keine unartikulierten Laute, sondern geschlossene Sprachsysteme.
Vierte These: Die Bezeichnung „Zungenreden“ ist eine falsche Wiedergabe von „glōssais lalein“. Korrekt muss man mit „Sprachenreden“ beziehungsweise „Fremdsprachenreden“ übersetzen.
Fünfte These: Die biblischen Sprachenredner beherrschten die jeweilige Fremdsprache aktiv, ohne sie jemals zuvor gelernt zu haben.
Sechste These: Auch der Akzent war jeweils korrekt, sodass die biblischen Sprachenredner sogar bestimmte Dialekte beherrschten.
Siebte These: Die biblischen Sprachenredner wirkten nicht als Medien. Ihr Bewusstsein war nicht eingeschränkt, und ihr Verstand war nicht ausgeschaltet. Sie waren sich immer voll bewusst, was sie sagten. Sie waren die Redenden mit Hilfe des Heiligen Geistes.
Achte These: (Fehlt im Originaltext, daher ausgelassen.)
Neunte These: Die biblischen Sprachenredner sprachen in einem nüchternen Zustand und übten völlige Selbstkontrolle aus.
Zehnte These: Diese übernatürliche Sprachengabe sollte insbesondere dem Volk Israel bezeugen, dass mit Pfingsten in Apostelgeschichte 2 ein neues Zeitalter, das Zeitalter der Mission, begonnen hat. Gott spricht nun nicht mehr nur in einer Sprache zu einem Volk – Hebräisch –, sondern in vielen Sprachen zu allen Völkern.
Elfte These: Die Sprachenrede hatte nur einen Sinn, wenn die Anwesenden den Inhalt verstehen konnten. Falls die Anwesenden die jeweilige Fremdsprache nicht verstanden, musste für eine Übersetzung gesorgt werden, denn das Phänomen an sich war sonst nicht erbaulich.
Zwölfte These: Nicht alle Christen der Anfangszeit konnten in Sprachen reden, sondern nur gewisse, die in Gottes souveräner Auswahl die Gabe erhalten hatten.
Dreizehnte These: Es gab nur einen Typ von Sprachenrede in der Bibel. Die Sprachenrede in Apostelgeschichte 2 war dasselbe Phänomen wie in 1. Korinther 12-14. Es gibt Ausleger, die sagen, das seien verschiedene Typen: Apostelgeschichte 2 sei ein Typ von Sprachenrede, 1. Korinther 12-14 etwas anderes. Diese These widerspricht dem.
Vierzehnte These: Die biblische Sprachenrede sollte allmählich verklingen und im Gegensatz zu verschiedenen anderen Gaben nicht bis zur Wiederkunft Christi bleiben. Damit ist aber noch nichts über den Zeitpunkt des Verklingens gesagt.
Fünfzehnte These: Das heutzutage propagierte und von Tausenden praktizierte Zungenreden entspricht nicht dem biblischen Phänomen der Sprachenrede. Das ist natürlich eine harte Aussage. Aber das hängt sehr eng mit der dritten These zusammen, denn heute wird von Tausenden eher ein Gestammel oder unartikulierte Laute praktiziert. Wenn wir dieses Thema durcharbeiten, hoffe ich zu zeigen, dass es in der Bibel immer wirkliche Sprachen und wirkliche Artikulation waren.
Das sind also zunächst meine Behauptungen zum Thema. Nun wollen wir das Thema wirklich gründlich durcharbeiten und prüfen, ob diese Thesen einer Prüfung standhalten.
Überblick über die biblischen Stellen zum Sprachenreden
Es ist immer gut, wenn man ein biblisches Thema angeht, alle verfügbaren Bibelstellen dazu zusammenzutragen. So erhält man einen umfassenden Überblick.
In unserem Fall gibt es nur sechs Stellen in der Bibel, was das Thema etwas einfacher macht. Sechs Stellen sind überschaubar, sodass wir den Überblick recht bald bekommen.
Davon findet sich eine Stelle im Alten Testament und fünf Stellen im Neuen Testament. Die alttestamentliche Stelle ist Jesaja 28,11-12. Gott spricht hier: „Ja, durch stammelnde Lippen und durch eine fremde Sprache wird er Gott zu diesem Volk reden, er, der zu ihnen sprach: Dies ist die Ruhe, schafft Ruhe dem Ermüdeten! Und dies die Erquickung!“ Aber sie wollten nicht hören.
Der Ausdruck „stammelnde Lippen“ muss vielleicht erklärt werden. Das hebräische Wort „Safa“ bedeutet „Lippe“ und ist ein üblicher Ausdruck für Sprache, ähnlich wie das hebräische Wort „Laschon“, das „Zunge“ heißt. Lippen und Zunge sind also Wörter, die für Sprachen stehen.
Hier wird von „stammelnden Lippen“ gesprochen, was eine übliche Bezeichnung für Fremdsprachen ist. Wenn man eine Sprache zum ersten Mal hört, die man nicht kennt, hat man oft das Gefühl, die Leute „babbeln“.
Vor Kurzem war ich auf einem Tamidentreffen für einen Vortrag. Es ist beeindruckend, wie dort gesprochen wird. Deshalb versteht man den Ausdruck „stammelnde Lippen“ sehr gut.
Diese Stelle wird auch im Neuen Testament zitiert, und zwar vom Apostel Paulus in 1. Korinther 14. Das macht deutlicher, worum es hier eigentlich geht. In Verbindung mit dem Thema Sprachenreden zitiert Paulus Jesaja in 1. Korinther 14,21: „Es steht im Gesetz geschrieben: Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.“
Paulus erklärt weiter: „Daher sind die Sprachen ein Zeichen, nicht für die Glaubenden, sondern für die Ungläubigen.“
Wir sehen, dass der Wortlaut des Zitats im Neuen Testament etwas anders ist als im Hebräischen. Das liegt daran, dass hier eine griechische Übersetzung des hebräischen Textes aus Jesaja zitiert wird.
Übrigens sagt Paulus, „es steht im Gesetz geschrieben“, obwohl Jesaja ja eigentlich zu den Propheten gehört. Der hebräische Ausdruck „Torah“ (Gesetz) wird unterschiedlich verwendet: im engeren Sinn für das Gesetz vom Sinai, im weiteren Sinn für alle fünf Bücher Mose und im noch weiteren Sinn für das gesamte Alte Testament. Deshalb wird hier das Gesetz im weitesten Sinn zitiert, nämlich Jesaja.
Gott kündigt also alttestamentlich an, dass er einmal durch fremde Sprachen zu Israel sprechen wird. Leider werden sie auch dann nicht auf ihn hören.
Die Auslegung des Heiligen Geistes in 1. Korinther 14,22 lautet deshalb: Wegen dieser Aussage in Jesaja können wir sagen, dass die Sprachen ein Zeichen für diejenigen sind, die nicht glauben.
Gut, das mal einfach so als Feststellung.
Die Ankündigung des Sprachenredens im Neuen Testament
Dann wenden wir uns Markus 16,15 zu. Im Zusammenhang geht es um den auferstandenen Jesus Christus, der am dritten Tag von den Toten auferstanden ist. Er spricht zu den elf Aposteln und sagt zu ihnen:
Ab Vers 15 heißt es: „Und er sprach zu ihnen: Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.“
Weiter heißt es: „Diese Zeichen aber werden denen folgen, welche glauben: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden, werden Schlangen aufnehmen, und wenn sie etwas Tödliches trinken, so wird es ihnen nicht schaden. Schwachend werden sie die Hände auflegen, und sie werden sich wohl befinden.“
Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber gingen aus und predigten allen Völkern, wobei der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauf folgenden Zeichen bestätigte.
Diese Stelle können wir zusammenfassen als die Ankündigung des Sprachenredens durch den Herrn Jesus. Das Sprachenreden soll nun also kommen.
Die Erfüllung am Pfingsttag in Apostelgeschichte 2
Wir gehen weiter in der Heilsgeschichte, in der richtigen zeitlichen Reihenfolge, und kommen zur ersten Erfüllung in Apostelgeschichte Kapitel 2.
Ich lese dazu einige Verse aus Kapitel 2, Vers 1: „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt wurde, waren sie alle an einem Ort beisammen. Plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, wie von einem daherfahrenden gewaltigen Winde, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Es erschienen ihnen zerteilte Zungen, wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden einzelnen von ihnen. Alle wurden mit Heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab, auszusprechen.“
Es wohnten aber in Jerusalem Juden, gottesfürchtige Männer von jeder Nation, derer sie unter dem Himmel sind. Als sich das Gerücht hiervon verbreitete, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt, weil jeder einzelne in seiner eigenen Mundart, in seinem griechischen Dialekt, sie reden hörte.
Sie entsetzten sich alle, verwunderten sich und sagten: „Siehe, sind nicht alle diese, die da reden, Galiläer? Und wie hören wir sie, jeder in unserer eigenen Mundart, in der wir geboren sind?“ Da wurden genannt: Parther, Perser und Meder, das Gebiet der Kurden und Elamiter, die Bewohner von Mesopotamien, Irak, Syrien und Judäa, Kappadozien, Pontus, Asien, Phrygien und Pamphylien (Türkei), Ägypten und die Gegenden von Libyen gegen Kyrene hin, sowie die hier weilenden Römer, sowohl Juden als auch Proselyten, Kreter und Araber.
Sie sagten: „Wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden?“ Sie entsetzten sich alle und waren in Verlegenheit. Einer zum anderen fragte: „Was mag dies wohl sein?“ Andere aber sagten spottend: „Sie sind voll süßen Weines.“
Petrus aber, mit den Elf aufstehend, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: „Männer von Judäa und ihr alle, die ihr zu Jerusalem wohnt, dies sei euch kund und nehmt meine Worte zu Ohren. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr meint, denn es ist die dritte Stunde des Tages, also erst neun Uhr morgens. Da trinkt man höchstens Kaffee und nimmt ein bisschen Gipfeli – also wenigstens heute macht man es so – denn es ist die dritte Stunde des Tages. Sondern dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist:
‘Und es wird geschehen in den letzten Tagen’, spricht Gott, ‘dass ich von meinem Geist ausgießen werde auf alles Fleisch’ usw.“
Hier finden wir die Erfüllung der Prophetie über fremde Sprachen, wie sie auch in Jesaja 28 und Markus 16 erwähnt wird. Wir haben hier genau die Situation: Gott spricht durch fremde Sprachen zu Israel.
Denn wir haben hier das Pfingstfest, das Shavuot-Fest, ein jüdisches Fest. Laut der Tora musste man zu diesem Fest nach Jerusalem zum Tempel kommen. Es gab drei Feste im Jahr, zu denen alle männlichen Juden ab dreizehn Jahren verpflichtet waren, nach Jerusalem zu kommen. Frauen waren nicht verpflichtet, da sie oft mit den Kindern nicht so flexibel sind. Das ist der Grund, aber es war erwünscht, denn Gott nimmt Rücksicht auf Familie und Kindererziehung.
Drei Mal im Jahr, nämlich an Pessach (Passah), Schawuot (Pfingsten) und Sukkot (Laubhüttenfest im Herbst), musste man nach Jerusalem kommen. Zu diesen Festen kamen die Juden oft auch von weit her aus der ganzen damaligen Welt nach Jerusalem.
Diese Auslandjuden hörten nun plötzlich die Botschaft Gottes in den Sprachen, aus denen sie kamen. Dabei haben wir gesehen, dass sogar ihre Dialekte genannt werden. Zweimal wird das Wort „Mundart“ verwendet. Das ist eine deutliche Erfüllung.
Übrigens sind an diesem Tag dreitausend Menschen zum Glauben gekommen. Wenn man aber bedenkt, dass damals Hunderttausende in Jerusalem lebten, war das nur ein kleiner Rest, der glaubte. Die große Masse kam nicht zum Glauben.
Gut, ich meine, dreitausend ist schon eine beachtliche Zahl. Aber ich will damit sagen, dass das Volk Israel als Ganzes sich nicht einfach umgedreht und umgekehrt hat. So hat sich Jesaja erfüllt, der sagt: „Ich will zu dieser Nation sprechen in anderen Sprachen, und auch dann werden sie nicht auf mich hören“, spricht der Herr.
Die Ausgießung des Heiligen Geistes bei den Nichtjuden in Apostelgeschichte 10
Dann ein nächstes Ereignis in Apostelgeschichte 10. Der Zusammenhang ist ganz wichtig. In Apostelgeschichte 10 kommt ein römischer Hauptmann, der gottesfürchtig war, zum Glauben an Jesus als den Messias. Also ein Nichtjude, der überhaupt kein jüdisches Blut hatte, wird gläubig an den Messias Jesus – und zwar dadurch, dass Petrus zu ihm nach Hause kommt und dort predigt.
Wir lesen in Apostelgeschichte 10,44: „Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten.“ Die gläubigen Juden, die mit Petrus gekommen waren, gerieten außer sich, weil auch auf die Nationen die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen worden war. Sie hörten die Nationen in Sprachen reden und Gott erheben.
Dann antwortete Petrus: „Könnte wohl jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht getauft würden, die den Heiligen Geist empfangen haben, gleich wie auch wir?“ Er befahl, dass sie getauft würden in dem Namen des Herrn. Danach baten sie ihn, etliche Tage zu bleiben.
Das war sehr ungewöhnlich. Petrus war nämlich nie in seinem Leben in das Haus eines Nichtjuden gegangen. Nach rabbinischer Lehre war das verboten, denn dadurch kam man in Gefahr, unreine Dinge zu essen. Man sollte mit Nichtjuden gar keinen Kontakt haben und nicht in ihr Haus gehen. Gott musste Petrus durch eine Vision überzeugen, dass er zu Cornelius gehen sollte.
Das war also ein gewaltiger Schritt: zu diesen Nichtjuden überhaupt nach Hause zu gehen. Und diese wurden sofort gläubig, als sie das Evangelium hörten. Sie bekamen sofort den Heiligen Geist, begannen in Sprachen zu reden und Gott zu erheben. Die gläubigen Juden, die mit Petrus gekommen waren, gerieten außer sich. Man konnte damals kaum glauben, dass diese Nichtjuden von Gott einfach so akzeptiert wurden und den Heiligen Geist empfingen, ohne vorher durch ein Taufbad Juden geworden zu sein.
Doch die Nichtjuden hatten den Heiligen Geist bekommen, bevor sie getauft wurden. Im Gegensatz dazu mussten bei Apostelgeschichte 2, an Pfingsten, die Juden zuerst Buße tun, sich taufen lassen und dann bekamen sie den Heiligen Geist.
Das steht so in Apostelgeschichte 2,37: „Als sie das hörten, drang es ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu Petrus und den anderen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?“ Petrus sprach zu ihnen: „Tut Buße, bekennt eure Schuld, kehrt um, und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“
Die Reihenfolge ist klar: Buße, Taufe, Empfang des Heiligen Geistes. Hier bei den Römern aber haben wir Buße und Glauben, noch während sie das Evangelium hören, dann den Empfang des Heiligen Geistes und erst danach die Taufe. Es wird alles auf den Kopf gestellt, was man früher für die Regel hielt.
Und warum? Weil Gott den Juden zeigen wollte, dass er die Nichtjuden akzeptiert, ohne dass sie ins Judentum übertreten müssen – und dass es bei ihnen sogar noch einfacher geht als bei den Juden. Das war der Punkt.
Die Bekehrung der Samariter und die Handauflegung
Bei den Samaritern sei der Vollständigkeit halber Folgendes erwähnt: Die Samariter kommen zum Glauben in Apostelgeschichte 8. Dort geschieht Folgendes: Sie tun Buße und glauben. Sie werden getauft, aber erhalten nicht sofort den Heiligen Geist. Erst als Petrus und Johannes, die beiden Apostel aus Jerusalem, kommen und ihnen die Hände auflegen, empfangen sie den Heiligen Geist.
Der Grund dafür liegt in der tiefen Feindschaft zwischen Samaritern und Juden. Hätten die Samariter den Heiligen Geist einfach so empfangen, hätte dies die erste Kirchenspaltung bedeutet. Die Samariter hätten sich gesagt: „Wir sind Christen für uns, wir haben mit den Juden aus Jerusalem nichts zu tun und brauchen sie auch nicht.“
Deshalb mussten Petrus und Johannes kommen und ihnen die Hände auflegen. Die Handauflegung ist im Judentum ohnehin etwas Wichtiges und Bekanntes. Die Smicha, die Weihe, ist nicht einfach nur Händchenauflegen, sondern ein Aufdrücken. Dabei gibt die eine Person gewissermaßen ihr ganzes Gewicht auf die andere Person.
So geschieht es beispielsweise bei Opfern: Der Schuldige überträgt seine Schuld auf das unschuldige Opfer. Oder Mose legt seine Hände auf den Kopf Josuas (Mose 34), um ihm seine ganze Autorität zu übertragen. Joshua wird dadurch sein Nachfolger.
Handauflegung bedeutet also Identifikation. Die Samariter mussten sich mit den gläubigen Juden identifizieren, und erst dann bestätigte Gott ihren Glauben mit der Gabe des Heiligen Geistes.
Diese Fälle sind also Spezialfälle. In Apostelgeschichte 10 geschieht der Normalfall. Denn in Epheser 1,13-14 heißt es in diesem Lehrbrief: „Ihr seid versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, nachdem ihr geglaubt habt.“ Das ist der Normalfall.
So haben wir also diese drei Sonderfälle, die zeigen, dass Apostelgeschichte 10 ein ganz entscheidender Wendepunkt ist. Nichtjuden, Heiden, die gar kein jüdisches Blut hatten – die Samariter hatten immerhin noch ein bisschen israelitisches Blut von den zehn Stämmen – nehmen das Evangelium an, werden Christen, ohne Juden zu werden, und sprechen in Sprachen.
Geschichtlich ist das ein Wendepunkt. Apostelgeschichte 10 habe ich darum zusammengefasst: Die Nationen nehmen das Evangelium an.
Die Taufe des Heiligen Geistes bei den Jüngern in Ephesus (Apostelgeschichte 19)
Und wir kommen schon zur fünften Stelle: Apostelgeschichte 19. Paulus ist in Ephesus in der Türkei. Ich lese ab Vers eins:
Es geschah aber, während Apollos in Korinth war, dass Paulus, nachdem er die oberen Gegenden durchzogen hatte, nach Ephesus kam. Dort fand er einige Jünger und sprach zu ihnen: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid?“ Sie aber antworteten ihm: „Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist da ist.“
Darauf fragte er sie: „Worauf seid ihr denn getauft worden?“ Sie sagten: „Auf die Taufe Johannes.“ Paulus erklärte ihnen, dass Johannes mit der Taufe der Buße taufte, indem er dem Volk sagte, sie sollten an den glauben, der nach ihm käme – das ist an Jesus.
Als sie das hörten, wurden sie auf den Namen des Herrn Jesus getauft. Als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Sprachen und weissagten. Es waren etwa zwölf Männer insgesamt.
Wir haben hier einen hochinteressanten Fall: Jünger von Johannes dem Täufer. Diese hatten sich damals taufen lassen, als Johannes der Täufer ankündigte, dass der Messias bald kommen werde. Sie hatten Buße getan und sich auf den Messias vorbereitet, der kommen sollte, um zu herrschen.
Nun trifft Paulus diese Johannes-Jünger in der Türkei und fragt sie, ob sie den Heiligen Geist empfangen hätten. Für sie war das etwas ganz Neues. Die Frage, ob der Heilige Geist ausgegossen worden sei, war ihnen unbekannt.
Paulus erklärt ihnen, dass das, was Johannes der Täufer getan hatte, vorbereitend war. Man sollte an den lebendigen Messias glauben, der unter ihnen war. Doch jetzt sei dieser Messias gekreuzigt worden und wieder auferstanden. Er habe eine neue Taufe eingesetzt – die Taufe auf seinen Tod, wie es in Römer 6 beschrieben ist.
Wer sich also jetzt auf den Namen Jesu taufen lässt, lässt sich auf einen gestorbenen und auferstandenen Messias taufen. Das war für sie neu. Geschichtlich gesehen standen sie noch auf alttestamentlichem Fundament und traten nun auf neutestamentlichen Boden über.
Und da zeigt sich wieder das Zeichen der Sprachenrede. Darum habe ich das zusammengefasst: Johannes-Jünger werden Christen. Sie wechseln vom Alten Testament zum Neuen Testament. Das ist ein deutlicher heilsgeschichtlicher Wendepunkt.
Die ausführlichste Darstellung: 1. Korinther 12-14 und die Situation in Korinth
Und nun kommen wir zur sechsten Stelle, und das ist die ausführlichste, an der wir am meisten Informationen über das Phänomen der Sprachenrede finden.
Ich werde die drei Kapitel nicht vorlesen; das kann man zuhause tun. Die Situation ist ein Brief an eine Gemeinde in Griechenland – eine ganz neue Situation, übrigens. Griechenland, Korinth war so: etwa sechzig Prozent der Bevölkerung waren Sklaven. Ein großer Teil dieser Stadt stammte also aus der tiefsten Unterschicht, was Paulus auch betont.
In 1. Korinther 1 heißt es: „Seht auf eure Berufung, Brüder! Nicht viele Edle, nicht viele Weise, sondern das, was nichts ist vor der Welt, das hat Gott aus der Welt erwählt.“
Diese Korinther kannten die Gabe der Sprachenrede. Aber in ihren Gemeindezusammenkünften gab es in jeder Beziehung einiges an Chaos. Sie gingen miteinander vor Gericht, wenn sie Probleme miteinander hatten. Außerdem nahmen sie das Abendmahl ganz unwürdig ein, warteten nicht einmal auf die anderen, sondern aßen alles weg – also ganz schreckliche Zustände.
Auch in den Gemeindezusammenkünften selbst gab es viel Verwirrung und Durcheinander. So finden wir die Kapitel zwölf bis vierzehn als Kapitel der Belehrung und Korrektur.
Belehrung und Korrektur – das ist der Hintergrund. Dort wird sehr viel über die Sprachenrede gesprochen.
Ursprung und Wesen der menschlichen Sprache
Jetzt, wenn wir die Übersicht haben als Bestandesaufnahme, ist noch Folgendes zu beachten: In 1. Mose 2 wird die Entstehung der menschlichen Sprache beschrieben. Adam wurde am sechsten Tag erschaffen – und zwar als ein Mensch mit voll ausgestatteter Sprachfähigkeit. Er musste also nicht wie ein Baby zuerst sprechen lernen oder lallen.
Das Lallen ist übrigens eine sehr wichtige Phase. Kleine Babys können alle möglichen Laute produzieren, und zwar alle Laute, die es in allen Sprachen der Welt gibt – im Prinzip. Doch dann ist es entscheidend, dass die Eltern mit den Kleinkindern sprechen, also Mütter und Väter. Die Kinder hören eine Auswahl aus diesen etwa 600 Lauten, die es in allen Sprachen gibt – die Bausteine der Sprachen. Je nach Sprache sind das etwa 20, 30 bis 80, 90 oder 100 Laute aus diesen 600.
Diese Laute hören sie immer wieder, und sie merken, dass die Eltern besonders wichtig sind. Daraufhin beginnen sie, besonders diese Laute nachzuahmen, während die anderen Laute wieder verloren gehen. So lernen sie ihre Muttersprache perfekt und ohne Akzent zu sprechen. Wenn sie dann älter sind und versuchen, eine Fremdsprache zu sprechen, haben sie oft Schwierigkeiten mit gewissen Lauten. Die Möglichkeit, alle Laute zu lernen, besteht also nur im ganz jungen Alter. Dort ist es ideal, um zu lernen, doch später wird das schwieriger.
Adam musste das nicht mehr so lernen. Er wurde erschaffen mit der Kenntnis eines ganzen Sprachsystems und des gesamten Vokabulars, das er brauchte. Er konnte sprechen, verstehen und sogar noch wortschöpferisch tätig sein. Er konnte allen Tieren Namen geben, also neue Wörter erfinden – abgeleitet aus dem Sprachsystem, das er schon hatte.
Das war also keine reine Fantasie, sondern basierte auf dem Sprachsystem. Wenn man im Deutschen neue Wörter für Dinge erfinden muss, die es früher nicht gab, wie zum Beispiel Flugzeuge, dann erfindet man kein völlig neues Wort wie „Dada“. Man nimmt Wörter, die mit dem Thema zu tun haben, wie „Flug“, weil es um Fliegen geht. Oder man entlehnt Wörter aus anderen Sprachen, vorzugsweise aus Lateinisch oder Griechisch, und bildet daraus neue Wörter. Wirklich völlig neue Wörter erfindet man normalerweise nicht.
Adam war also auch dazu fähig und sogar fähig zur Poesie. Als er Eva zum ersten Mal sah, hat er gleich gedichtet. Damit begann die Romantik.
Gott ist also der Erschaffer der menschlichen Sprache – das ist ganz wichtig. Heute wird an Schulen oft ein heidnisches Denken gelehrt: Alles hätte sich von selbst entwickelt, auch die menschlichen Sprachen. Man stellt die Sprachen der Menschen als Erfindung des Menschen dar und verbindet menschliche Sprachen damit direkt mit Unvollkommenheit.
Was wir aber in der Bibel sehen, ist: Sprache ist Gottes Werk. Das ist sehr wichtig. In der Philosophie gibt es das Argument, die Bibel könne gar nicht Gottes Wort sein, weil sie in menschlichen Sprachen geschrieben wurde – Hebräisch, Aramäisch und Griechisch. Diese seien unvollkommene Sprachen, und unvollkommene Sprachen könnten Gottes vollkommene Gedanken nicht ausdrücken.
Doch wir müssen das Ganze umdrehen und zeigen: Nein, Sprache ist eine Erschaffung Gottes, ein Werk Gottes. Deshalb hat Gott ein System geschaffen, mit dem alle seine Gedanken wirklich ausgedrückt werden können, sodass sie richtig und vollkommen sind.
Die Sprachverwirrung am Turmbau zu Babel
Gut, und dann kommt 1. Mose 11. Zunächst hatten wir ja nur eine Sprache. Welche das war, erfährt man am nächsten Bibelstudientag in Aarau im Juni. Es muss ja auch noch eine Überraschung geben, oder?
Aber was ist in 1. Mose 11 beim Turmbau zu Babel geschehen? Gott hat die Sprache verwirrt. Verwirren heißt dort Folgendes: Gott hat den verschiedenen Familien und Stämmen eine neue Sprache eingegeben. Diese konnten sie sofort und unmittelbar beherrschen, aber die ursprüngliche Sprache nicht mehr – und immer nur eine.
So kam es dann zur Zerstreuung und zur Bevölkerung der Welt. Auch dort ist wichtig: Die Sprachen sind Gottes Werk. Allerdings hat Gott damals nicht die über 6.000 Sprachen geschaffen, die es heute gibt. Heute zählt man über 6.000 Sprachen ohne Dialekte. Die Zahl wächst jedes Jahr ein bisschen, weil man immer wieder neue Stämme entdeckt und damit auch neue Sprachen.
Gut, was Gott geschaffen hat, das sind die Grundsprachen, aus denen dann durch Dialektbildung und andere Entwicklungen neue Sprachen entstanden sind. Zum Beispiel sind aus dem Latein Französisch, Spanisch und Italienisch entstanden. Das sind im Grunde genommen eigentlich Dialekte, aber sie sind so weit voneinander entfernt, dass man nicht mehr von Dialekten, sondern von Sprachen spricht.
Diese Sprachen haben nachweislich, das kann man mit schriftlichen Dokumenten belegen, einen gemeinsamen Ursprung. Was man jedoch nicht nachweisen kann, ist, dass alle Grundsprachen der Welt auf eine einzige Sprache zurückgehen. Das ist nicht möglich. Man kann zum Beispiel die indogermanischen Sprachen auf eine oder mehrere Grundsprachen zurückführen, ebenso die semitischen Sprachen. Aber nicht alle Sprachen der Welt lassen sich auf eine einzige zurückführen.
Das bedeutet: Gott hat am Anfang verschiedene neue Sprachen nebeneinander erschaffen. Von diesen aus haben sich die über 6.000 Sprachen von heute entwickelt. Aber auch das ist wieder eigentlich ein Sprachwunder – das Phänomen des Sprachenredens. Denn diese Menschen konnten plötzlich eine neue Sprache mit Sprachsystem und Vokabular beherrschen.
Sprachliche und exegetische Hinweise zum Begriff „Zungenreden“
Wir kommen jetzt zum nächsten Punkt: sprachliche und exegetische, das heißt Auslegungshinweise.
Zunächst zum Wort Glosse. Dieses Wort kommt im Neuen Testament im Grundtext vor, wenn es ums Zungen- oder Sprachenreden geht. Das Wort Glosse bedeutet Zunge als Organ, also als Organ des Schmeckens und des Sprechens. Man kann auch andere Dinge damit machen.
Dann gibt es eine zweite Bedeutung: Sprache oder Fremdsprache. Diese Bedeutung kommt über das Französische langue. Man hat also oft nur ein Wort für das Organ im Mund und für eine Sprache oder Fremdsprache, zum Beispiel langue im Französischen oder tongue im Englischen – Zunge und Sprache.
Als zweiten Punkt betrachten wir die Wendung glossace la laine, also „in Zungen sprechen“ oder „in einer Zunge sprechen“. Hier sollte man nicht mit „Zunge“ übersetzen, denn das weist auf das Organ hin. Stattdessen geht es um eine Sprache, die gesprochen wird. Wenn man mit „Zungenreden“ übersetzt, entsteht leicht die Assoziation, die Zunge wirbele im Mund herum und erzeuge unartikulierte Laute. Diese Verbindung ist falsch und führt zu einer falschen Konnotation.
Besser ist die Übersetzung „Fremdsprachen sprechen“, dann versteht man, worum es wirklich geht. Es hat also nichts mit Akrobatik der Zunge zu tun, sondern darum, ein Sprachsystem praktisch anzuwenden.
Das ist die Erklärung zu These vier.
Wichtig ist Markus 16, Vers 17, wo von neuen Sprachen die Rede ist. Jesus kündigte an, dass sie in neuen Sprachen reden werden. Es gibt die Auffassung, dass es sich beim Sprachenreden um neue Sprachen handelt, die es früher nicht gegeben hat. Also sicher nicht um menschliche Sprachen, die man bisher gesprochen hat.
Im Griechischen gibt es mehr als ein Wort für „neu“. Hier steht das Wort kainos und nicht neos. Neos meint etwas Neuartiges, etwas, das frisch entstanden ist. Hätte Jesus gesagt „in neuen Sprachen“ mit neos, dann wären es Sprachen, die es früher nicht gegeben hat.
Kainos bedeutet neu im Sinne von neu für die Sprechenden, nicht neu entstanden. Es sind also nicht neuartige Sprachen, sondern neu für diejenigen, die sie sprechen.
Es gibt zwei Stellen, die von Mundart sprechen, Dialektos. Die Menschen, die aus aller Welt kamen, sagen: „Wir hören sie in unserer eigenen Mundart, in unserem Dialekt oder in unseren Sprachen.“ Das macht deutlich, dass es sich damals um wirklich gesprochene Sprachen handelte. Diese Sprachen existierten in der Welt und wurden durch die Jünger in Apostelgeschichte 2 plötzlich beherrscht.
Auch in Apostelgeschichte 10 handelt es sich um verständliche Sprache. Die Juden, die mit Petrus gekommen waren, gerieten außer sich, als sie hörten, wie sie in Sprachen redeten und Gott erhoben. Sie wussten also bereits, was gesagt wurde.
Es wird zwar nicht genau gesagt, welche Sprache gesprochen wurde, aber es ist denkbar, dass es Hebräisch oder Aramäisch war – die typisch jüdischen Sprachen. Die Zuhörer waren überwältigt: Wie können Heiden, die keine Ahnung vom hebräischen Alten Testament haben, plötzlich Hebräisch oder Aramäisch beten? Sie hörten, wie Gott in anderen Sprachen erhoben wurde. Die Anwesenden haben also etwas verstanden.
Auch in Apostelgeschichte 2 wird ausdrücklich gesagt: „Wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden“ (2,11). Man hat also verstanden, was sie mit der Sprache als Botschaft rüberbringen konnten.
Übrigens gibt es Ausleger, die sagen, Apostelgeschichte 2 sei kein Sprechwunder gewesen, sondern ein Hörwunder. Das Wunder sei nicht, dass die Jünger verschiedene Sprachen sprechen konnten, sondern dass die Zuhörer automatisch in ihrer eigenen Sprache verstanden hätten, was gesagt wurde.
Diese Auffassung wird mit dem Satz „Wie hören wir sie die großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden“ begründet. Allerdings liest man nicht genau. Denn in Kapitel 2, Vers 4 heißt es ausdrücklich: „Und sie fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“ Es war also ganz klar ein Sprechwunder.
Die korrekte Aussprache durch den Heiligen Geist
Und zum Ausdruck in Apostelgeschichte 2,4: Der nächste Punkt auf dem Blatt lautet: Der Heilige Geist bewirkte die korrekte Aussprache.
Im Grundtext finden wir dort das Wort „apophthengomai“, das „aussprechen“ oder „ansprechen“ bedeutet. Es hat verschiedene Bedeutungen, doch dieses Wort kann besonders im Bezug auf den lautlichen, klanglichen Aspekt der Sprache verwendet werden.
Ich habe darauf hingewiesen, dass ein neueres sprachwissenschaftliches Lexikon zum griechischen Neuen Testament von Louw und Nida genau diesen Bedeutungsaspekt von „apophthengomai“ betont, nämlich „aussprechen“ oder „prononcieren“. Der Heilige Geist gab ihnen also die Fähigkeit zur richtigen Aussprache, zur korrekten Pronunziation.
Deshalb konnten sie sogar Dialekte sprechen. Sprachen sind ja oft Barrieren zwischen den Völkern. Mit viel Übung und Arbeit kann man diese Barrieren überwinden. Doch der Dialekt ist vielleicht noch eine stärkere Barriere. Fremdsprachen werden meist positiv aufgenommen. Wenn jemand eine Fremdsprache spricht, freut man sich oft darüber. Man findet dann den Akzent oft sogar charmant – zumindest die Deutschschweizer finden das bei den Welschen so, auch wenn es nicht unbedingt umgekehrt ist.
Wenn aber ein Zürcher ins Wallis geht, wird er nicht einfach so problemlos akzeptiert. Er bleibt ein „Grüezi“. So nennt man die Zürcher, die immer „Grüezi“ sagen, wenn sie „Guten Tag“ meinen. Sie können den alten Dialekt nicht einfach übernehmen. Normalerweise gelingt es nicht, einen Dialekt genau nachzuahmen, und deshalb bleibt eine Distanz bestehen.
Wenn man den Klang eines Dialekts erreicht, kann man in eine Sprach- oder Dialektgruppe eindringen. Aber das schafft man normalerweise nicht, und deshalb bleibt eine Barriere bestehen. Ein Zürcher im Wallis bleibt jahrelang ein „Grüezi“.
Doch hier sehen wir, dass der Heilige Geist ihnen sogar die Fähigkeit gab, Dialekte zu sprechen. Er vermittelte ihnen auch den lautlichen und klanglichen Aspekt der Sprache perfekt.
Engelssprachen in 1. Korinther 13,1
Ein Hinweis zu 1. Korinther 13,1: „Wir haben noch eine Minute. Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber nicht Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz oder eine schallende Zimmel.“
Hier werden Engelssprachen erwähnt, und es stellt sich die Frage, ob man daraus ableiten kann, dass Sprachenreden auch Engelssprachen umfasst. Mehr dazu nach der Pause.
Wir sind bei den Engelssprachen stehen geblieben. 1. Korinther 13,1 haben wir gelesen. Es ist die einzige Stelle, in der ausdrücklich von Engelssprachen in der Bibel die Rede ist – so mit dem Ausdruck „Sprachen der Engel“.
Man sieht, dass der Satz mit „Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel rede“ beginnt. Es handelt sich dabei um einen hypothetischen Zusammenhang: Wenn A stimmt, dann stimmt auch B. Nach griechischer Grammatik ist dies die Form, die hier gebraucht wird. Ob A tatsächlich stimmt, wird jedoch nicht gesagt.
Das kann man in der Grammatik von Professor von Sieventhal nachlesen. Der Wenn-dann-Fall hier lautet: Wenn A stimmt, stimmt auch B, aber ob A stimmt, bleibt offen.
Das heißt, anhand dieser Stelle kann man sicher nicht die Lehre aufbauen, dass Sprachenreden oft oder überhaupt mit Engelssprachen zu tun hätte. Paulus sagt einfach: Wenn ich mit den Sprachen der Menschen und der Engel rede, aber keine Liebe habe, dann bin ich nichts.
Auch in Vers 2 wird Ähnliches erwähnt: „Und wenn ich Prophezeiung habe und alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse weiß, und wenn ich allen Glauben habe, so dass ich Berge versetze, aber nicht Liebe habe, so bin ich nichts.“
Paulus sagt gerade in Kapitel 13 später, dass wir nur stückweise erkennen, also noch nicht alle Erkenntnis haben. Aber er sagt auch: Wenn ich sogar alle Erkenntnis habe und keine Liebe, was ist das schon wert?
Darum kann man nicht zu viel aus diesem ersten Vers über Engelssprachen ableiten, weil einfach viel zu wenig und vor allem nichts Eindeutiges darüber gesagt wird.
Auch wenn es um Engelssprachen geht, muss man nicht denken, dass Engel lallen oder niedrigere Stufen von Sprachsystemen hätten als wir. In der Bibel sieht man oft, wie Engel gekommen sind und mit Menschen gesprochen haben.
Sie sprachen mit Daniel, sie sprachen mit Zacharias im Tempel, und Gabriel sprach perfekt Hebräisch, wie in Lukas 1 beschrieben. Die Engel konnten also auch in den Sprachen der Menschen sprechen.
Der Zusammenhang zwischen Engelssprachen und „Lallen“ kann also bestimmt nicht hergestellt werden.
Nüchternheit und geistige Wachheit als biblische Forderung
Ein weiterer ganz grundsätzlicher Punkt: Sprachenrede hat nichts mit einem ekstatischen Zustand oder einem eingeschränkten Bewusstsein zu tun. Das ist weder christlich noch unchristlich.
In 2. Timotheus 4,5 gibt Paulus eine allgemeine Ermahnung an Timotheus: „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst.“ Das griechische Wort für „nüchtern“ hier ist Nepho. Walter Bauers Standardwörterbuch zum Neuen Testament erklärt Nepho unter anderem als frei sein von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit, von Leidenschaft, Überstürzung, Verwirrnis und Exaltiertheit.
Timotheus hatte sicher keine Alkoholprobleme. Denn in 1. Timotheus 5 sagt Paulus ihm, er solle nicht immer nur Wasser trinken, sondern wegen seines häufigen Unwohlseins und seines Magens auch ab und zu ein wenig Wein zu sich nehmen – als medizinisches Mittel.
Im zweiten Timotheusbrief fordert Paulus ihn jedoch auf: „Du aber sei nüchtern in allem!“ Das ist eine sehr umfassende Beschreibung des gewünschten Bewusstseinszustands eines Christen – frei von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit.
Große Freude ist biblisch und hat nichts damit zu tun, wenn man meint, Freude hätte keinen Platz. Psalm 100, Vers 1 sagt: „Dienet dem Herrn mit Freuden, kommet in seine Vorhöfe mit Frohlocken!“ Doch auch das hat nichts mit geistiger und seelischer Trunkenheit oder Ekstase zu tun.
Philipper 4,4 fordert: „Freut euch in dem Herrn allezeit.“ Das gilt ganz grundsätzlich für das Innere eines Christen.
Im Neuen Testament wird elfmal zur Nüchternheit aufgerufen. Ich habe hier alle Stellen von 1. Korinther bis 1. Petrus aufgeführt. Das ist interessant und zeigt, dass es offenbar einen Bedarf gab, Christen zur Nüchternheit zu ermahnen.
Es gibt das Wort Nepho auch mit anderen Vorsilben aus derselben Wortfamilie, das immer die Bedeutung hat, frei von geistiger und seelischer Trunkenheit zu sein.
Ganz interessant ist 1. Petrus 4,7, wo es heißt: „Seid nüchtern zu den Gebeten.“ Hier wird in Verbindung mit dem Gebet zur Nüchternheit aufgerufen. (Ich hatte zunächst fälschlicherweise Vers 5 angegeben, aber es ist tatsächlich Vers 7.)
Ein kleiner Schreibfehler, den man vor Ort korrigieren kann: Das griechische Wort „Glossa“ bedeutet „Zunge“ und nicht „Glosse“. „Glossa“ ist der Dativ.
Das Neue Testament ruft vierzehnmal mit dem Ausdruck „wachet“ auf. Das zeigt uns, dass das Christentum nichts mit Passivität des Geistes zu tun hat, sondern vielmehr mit Aktivität. Es fordert Widerstand, Kampf: „Kämpft, widersteht dem Teufel, kämpft den guten Kampf des Glaubens“ – aktiv.
Auch das Gebet ist ein aktiver Kampf. Das Gegenteil davon finden wir in östlichen Religionen wie Meditation, Traumreisen, Trance, Yoga, autogenem Training, Rockmusik, Drogen und ähnlichen Dingen. Diese modernen Praktiken prägen unsere Gesellschaft und den Zeitgeist.
Römer 12 sagt, wir sollen in unserem Denken verwandelt werden und uns nicht dem Zeitgeist anpassen. Das ist auch in diesem Bereich sehr wichtig.
Sobald es um Passivität des Geistes geht, hat das nichts mit Christentum zu tun.
Oft wird Passivität des Geistes mit Argumenten wie „Entspannung“ gerechtfertigt. In einer stressgeplagten Zeit brauche man Entspannung. Es gibt aber verschiedene Arten von Entspannung.
Man kann entspannen, indem man den Geist ausschaltet oder das Bewusstsein einschränkt. Das mag gut sein. Aber man kann auch entspannen, indem man andere Aktivitäten ausübt – zum Beispiel anstatt immer nur vor dem PC zu sitzen, in den Wald gehen und spazieren, mit oder ohne Kinder, mit der Frau.
Wichtig ist: Ferien bedeuten nicht einfach Passivität. Man kann entspannen, indem man andere Dinge tut, die auch andere Hirnteile stärker beanspruchen. Das ist wichtig.
Uns wird heute oft vermittelt, dass man zur Entspannung autogenes Training oder Ähnliches machen müsse. Das stimmt nicht. Es gibt uralte, jahrhundertealte und sogar jahrtausendealte Alternativen.
Entspannung brauchen wir sicher, aber sie muss nicht mit Passivität des Geistes verbunden sein.
Erbauung durch Sprachenrede und die Notwendigkeit der Auslegung
Nun zu 1. Korinther 14. In diesem Kapitel geht es häufig um das Thema Erbauung und speziell um die Erbauung durch das Sprachenreden. Allgemein wird in 1. Korinther 14,2 und insbesondere in Vers 4 gesagt: Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst, wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde.
In Korinth gab es jedoch ein Problem. Wenn keine fremdsprachigen Personen anwesend waren, zum Beispiel keine arabisch sprechenden Menschen, dann konnten die Fremdsprachen nicht verstanden werden. Ohne Verständnis gab es keine Erbauung. Erbauung ist nur möglich, wenn der Inhalt des Gesagten vermittelt wird. Das ist ganz wesentlich.
Deshalb wird in 1. Korinther 14 betont, dass Auslegung unbedingt notwendig ist, wenn die Sprache von den Anwesenden nicht verstanden wird. In Vers 5 heißt es: „Ich wollte aber, dass ihr alle in Sprachen redetet, vielmehr aber, dass ihr weissaget. Wer aber weissagt, ist größer als der, der in Sprachen redet, es sei denn, dass er es auslege, auf dass die Gemeinde Erbauung empfange.“
Das Wort „diermeneio“ bedeutet übersetzen, auslegen, deuten, erklären – und zwar mit verstärkter Bedeutung. Es ist nicht nur das einfache „hermeneuo“ (übersetzen), sondern eine vollständige, umfassende Auslegung, Deutung und Erklärung.
Daraus folgt: Nicht das Sprachphänomen selbst, also das übernatürliche Ereignis des Sprachenredens, ist entscheidend, sondern allein die dadurch übertragene Botschaft ist erbauend. Wenn ich von Botschaft spreche, kann das auch ein Gebet sein, das sich an Gott richtet. Entscheidend ist der Inhalt, das, was gesagt wird – das ist es, was erbaut.
Ein Beispiel: Die Psalmen sind auf Hebräisch vom Heiligen Geist inspiriert worden. Dort haben wir tatsächlich die Sprache des Heiligen Geistes. Es gibt gute Argumente dafür, dass Hebräisch die Ursprache war. So lassen sich zum Beispiel alle vorsintflutlichen Namen von Adam bis Noah aus dem Hebräischen erklären.
Die Psalmen sind also in der Sprache des Heiligen Geistes inspiriert. Nun könnte man meinen, dass es doch reicht, wenn jemand, der kein Hebräisch kann, den hebräischen Text in deutschen Buchstaben umschreibt. Dann könnte jeder zu Hause die Psalmen auf Hebräisch beten und lesen. Beginnen wir zum Beispiel mit Psalm 1 – das wäre doch wunderbar, oder?
Doch was bringt das? Nichts. Es ist zwar interessant zu hören, wie die Bibel in der Ursprache klingt, welchen Rhythmus sie hat usw. Aber Erbauung entsteht erst, wenn wir verstehen, was es bedeutet: „Glücklich der Mann, der nicht wandelt im Rat der Gesetzlosen, der nicht steht auf dem Wege der Sünder und nicht sitzt auf dem Sitze der Spötter, sondern seine Freude hat am Gesetz des Herrn und darüber sinnt Tag und Nacht.“
Erst dann bekommt es Bedeutung. Die Sprache oder der Sprachklang an sich bringt nicht die Erbauung. Entscheidend ist, was vermittelt wird.
In heidnischen Religionen spielen Sprachklang und Sprachmagie jedoch eine große Rolle. Dort wird den Wörtern selbst eine göttliche Macht zugeschrieben. Das ist wichtig in der Magie, in der Meditation, im Hinduismus mit den Mantras. Dort ist es nicht wichtig, dass man die Bedeutung der Mantras kennt, sondern dass man sie möglichst oft wiederholt.
Auch bei manchen Muslimen, die kein Arabisch können, ist es üblich, große Teile des Korans auf Arabisch auswendig zu lernen. Der Klang des Koranarabisch wird als das Wesentliche angesehen. Die Wörter selbst haben in sich eine Macht – das ist jedoch Aberglaube.
Es ist also nicht die Sprache oder der Klang, sondern die Botschaft, die übermittelt werden muss.
Bleibt man auf der gleichen Ebene, wenn man sagt: Ich spreche in Zungen, verstehe aber nicht, was ich genau sage, die Laute und so, und es bringt mir Erbauung? Wenn das so wäre, müssten doch auch die Zuhörer Erbauung erfahren, wenn sie sehen, was der Heilige Geist dort wirkt. Nein, sie werden erst erbaut, wenn die Botschaft verständlich wird.
Sie brauchen Auslegung. Es heißt aber nie, dass der Sprecher Auslegung braucht, sondern es heißt: Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst (Vers 4). Die Gemeinde aber wird nicht erbaut, wenn sie die Sprache nicht versteht. Sie braucht Übersetzung und Erklärung.
Weiter zu Vers 17: Vielleicht möchte ich noch erwähnen, dass es zwar gut ist, wenn du Dank sagst, aber der andere wird nicht erbaut. Es ist ein schönes Gebet, das du sprichst, aber der andere hat nichts davon, weil er es nicht versteht.
Paulus sagt nicht: Du verstehst es nicht, sondern es betrifft den Sprechenden und den Zuhörer. In Vers 16 heißt es: „Sonst, wenn du mit dem Geist preist, wie soll der, welcher die Stelle des Unkundigen einnimmt, das Amen sprechen zu deiner Danksagung, da er nicht weiß, was du sagst?“
Der Zuhörer kann also nicht einmal am Schluss Amen sagen. Amen bedeutet „So ist es“ oder „So sei es“. Man sagt Amen, wenn man einem Gebet zustimmt. Heute ist es modern, nicht mehr bei jedem Gebet Amen zu sagen, sondern erst am Ende vieler Gebete. Paulus aber sagt, wenn du in einer Sprache sprichst, die andere nicht verstehen, können sie nicht einmal Amen sagen.
Doch der Sprecher in Vers 4 weiß, was er sagt, denn er erbaut sich selbst. Erbauung entsteht nur durch den Inhalt. Die Gemeinde aber wird nicht erbaut, wenn sie die Sprache nicht versteht. Sobald die Rede übersetzt wird, wird die Gemeinde erbaut.
Es ist also das, was vermittelt wird, das Wesentliche. Die Sprache ist ein Mittel, ein Transportmittel, das eine Botschaft überbringt. Entscheidend ist nicht das Transportmittel selbst, sondern das, was es trägt und von A nach B bringt.
Gott spricht zu uns, und es ist wichtig, dass wir es verstehen. Es reicht nicht, einfach nur Hebräisch zu hören, ohne etwas damit anfangen zu können.
Der menschliche Geist betet beim Sprachenreden
Weiter und das kommt übrigens immer mehr auf den Punkt: Der menschliche Geist betet beim Sprachenreden.
In Vers 14 heißt es: „Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber mein Verstand ist fruchtleer.“ Also betet mein Geist. Wer betet? Es gibt moderne Übersetzungen, die an dieser Stelle eingefügt haben: „So betet der Heilige Geist in mir.“ Und das ist bereits Textfälschung.
Es kann sein, dass in der Fußnote dann steht: wörtlich „mein Geist“. Aber es gibt keine Stelle im Neuen Testament, auch nicht im Alten Testament, in der der Heilige Geist von einem Menschen als „mein Geist“ bezeichnet wird. „Mein Gott“ gibt es, ja, aber „mein Geist“ nie. „Mein Geist“ ist dann der menschliche Geist, der nach Psalm 77, Verse 5 und 6, wozu fähig ist.
Psalm 77, Vers 5: „Ich gedachte meines Seitenspiels des Nachts, ich sann nach in meinem Herzen, und es forschte mein Geist.“ Der Geist des Menschen kann forschen, erkennen und verstehen. Darum können wir durch unseren Geist auch Gott erkennen und mit Gott Kontakt haben. Das haben die Tiere nicht.
In Römer 8 heißt es: „Der Heilige Geist bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ Andere übersetzen: „bezeugt mit unserem Geist“, aber besser ist: „bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“ Unser Geist, der menschliche Geist, betet also.
Das zeigt, dass der sprachenredende Mensch nicht ein Medium ist, in dem irgendwie etwas abläuft, sondern sein Geist ist produktiv. Genauso wie in 1. Mose 11, als Menschen plötzlich neue Sprachen sprechen konnten: Deren Geist hat gesprochen, aber es war Gottes Werk, dass sie die Sprache sprechen konnten.
Und weiter: Das haben wir ja schon betont – nicht vom Sprechenden, sondern immer vom Zuhörer heißt es: „Er ist ein Barbar.“ Wenn jemand Sprache spricht und der Zuhörer ist ein Barbar, so steht es in Vers 11. Also jemand von einem ganz fremden Stamm, der mit dieser Sprache nichts anfangen kann – so wie ich unter den Tamilen.
Wir haben schon gesagt: Der andere kann nicht Amen sagen, er nimmt die Stellung des Unkundigen ein (Vers 16). Der Zuhörer ist unkundig, aber nicht der Sprechende. Das ist eine schwere Verfälschung, wenn man sagt, der Sprechende selbst wisse nicht, was er sagt.
Und es kommt dazu: Wir sind überhaupt verantwortlich für das, was wir sagen. Darauf komme ich noch ganz kurz zurück.
Die Gabe der Sprachenrede ist nicht für alle Christen
Nächster Punkt: Die Frage „Reden alle in Sprachen? Legen alle aus?“ aus 1. Korinther 12,30 verlangt eine verneinende Antwort.
Man kann dies grammatikalisch erklären. Diese Fragen enthalten die griechische Partikel „meh“. Wenn man eine Frage im Griechischen mit „meh“ stellt, handelt es sich um eine rhetorische Frage, die mit „nein“ beantwortet werden muss.
Darum übersetzt man gut „legen“ etwa mit „reden“. Im Deutschen bewirkt das „etwa“ dasselbe: „Reden etwa alle?“ Dann weiß man nicht, und man muss mit „nein“ antworten.
Genau das ist hier der Fall. Es macht deutlich, dass nicht alle Christen die Gabe der Sprachenrede hatten. Das sage ich nur, weil manchmal behauptet wird, alle Christen sollten diese Gabe haben.
Verantwortung für die Worte, die wir sprechen
Nächster Punkt: Wir sind verantwortlich für alle unsere Worte, die wir sprechen. Das belegt Matthäus 12,36-37.
Das ist eine allgemeine Erklärung des Herrn Jesus: „Ich sage euch aber, dass von jedem unnützen Wort, das Menschen reden, sie am Tag des Gerichts Rechenschaft geben müssen. Denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“
Wir sind also verantwortlich für das, was wir sprechen, sagen und reden. Diese Stelle kann vielleicht einen Schock auslösen. Oft sprechen wir mit unseren Kindern über diese Stelle. Aber das gilt nicht nur für Kinder.
Kann man sich vorstellen, dass der Heilige Geist uns etwas zu sprechen gibt, das wir gar nicht beherrschen? Wo wir letztlich nicht die Sicherheit haben, dass wir das Richtige, das Gute sagen? Wenn wir verantwortlich sind für das, was wir reden, und man in Zungen spricht, ohne zu wissen, was man sagt, dann gibt man seine Verantwortung preis. Damit verliert man auch etwas von der menschlichen Würde, denn die menschliche Würde ist eng verbunden mit unserer Verantwortung.
Der Verstand darf daher nicht ausgelöscht oder eingeschränkt werden. Das haben wir auch schon gesehen, etwa bei Neffow, der das Freisein von geistiger und seelischer Trunkenheit betont.
1. Korinther 14,20 lehrt vielmehr, dass die Gläubigen erwachsen sein sollen – oder „vollkommen“, wie man es auch übersetzen kann – am Verstand. Dort heißt es: „Brüder, seid nicht Kinder im Verstand, sondern in der Bosheit seid unvernünftig; am Verstand aber seid erwachsen.“
Hier sehen wir, wie der Zeitgeist dieser Belehrung ganz entgegensteht. Heute leben wir in einer Welt, die den Verstand ablehnt. Das Irrationale wird gesucht.
Früher, in der Aufklärung, wurde die Ratio, der Verstand, als das Allerwichtigste betont. Man sah ihn als die oberste Instanz, die alles kontrollieren kann – auch die Bibel. Daraus entstand die Bibelkritik mit ihrer ganzen Zersetzung.
Heute, nach so langer Zeit seit der Aufklärung, erkennt man, welchen Unsinn man mit dieser „Hure Verstand“ angerichtet hat. Luther bezeichnete die menschliche Vernunft, die nicht Gottes Wort untertan ist, als eine Hure.
Interessanterweise wurde in der Aufklärung, während der französischen Revolution, die Göttin der Vernunft in die Kathedrale Notre Dame gestellt. Jeder wusste damals, was das für eine Frau war – eine Prostituierte. Sie trafen damit das richtige Symbol: Der Verstand, der Gott und seinem Wort nicht untertan ist, ist eine Hure.
Heute geht man ins andere Extrem und löscht den Verstand, den Gott uns gegeben hat, ganz aus. Damit bewegen wir uns in Richtung Hinduismus, Buddhismus und ähnlicher Lehren.
Nein, Gott hat uns den Verstand gegeben. Wir sollen Erwachsene sein am Verstand. Erwachsen sein bedeutet jedoch nicht, autoritär zu sein. Autoritär ist man, wenn man keine Instanz über sich mehr anerkennt.
Erwachsene müssen immer wissen, dass sie Gott Rechenschaft ablegen müssen. Darum sollen Erwachsene nicht autoritär, sondern autoritativ sein. Das ist der Unterschied.
Die Nazis waren autoritär. Christen sollen als Eltern autoritativ sein, indem sie wissen, dass sie selbst Gott gegenüber Rechenschaft ablegen müssen.
Erwachsen sein am Verstand – und daraus folgt für uns: Der Mensch ist eine von Gott geschaffene Einheit von Geist, Seele und Leib (1. Thessalonicher 5,23).
Kein Aspekt des Menschen darf verachtet oder vernachlässigt werden. Geist, Seele und Körper sind von Gott. Als Christen sagen wir hundertprozentig Ja zu Gottes Schöpfung.
Probleme mit heutiger Zungenrede und Auslegung
Ein weiterer Punkt zum Problem der heutigen Zungenredner ist, dass sie sich oft nicht verstehen und nicht wissen, was sie sagen. Ebenso problematisch sind die heutigen Ausleger, die die Sprache gar nicht verstehen.
Manche Zungenredner geben zu, dass sie zwar nicht wissen, was die Laute bedeuten oder dass sie die Sprache nicht beherrschen. Dennoch behaupten sie, eine Eingebung darüber zu erhalten, was die Worte bedeuten. Die heutigen Ausleger verhalten sich ähnlich. Es ist nicht so, dass sie plötzlich die Sprache aktiv verstehen oder sprechen können. Stattdessen sagen sie, auch sie erhalten eine Eingebung.
Zum Beispiel erklärt Kenneth Hagin in einem Buch, wie man Auslegung praktizieren soll: Man müsse einfach anfangen zu sprechen, es laufen lassen, und dann komme die Bedeutung von selbst. Das erinnert mich eher an die Beatles mit ihrem Lied Let It Be. Dieses Lied war ursprünglich ein hinduistisches Mantra. Es bedeutet so viel wie: Lass es geschehen, gib dich der Passivität hin, lass alles fließen.
Die Zeile „Whisper Words of Wisdom“ – flüstere Worte der Weisheit – bezieht sich auf die Mantras. Das ist hundertprozentiger Hinduismus. Diese Haltung der Passivität, sich einfach gehen zu lassen und alles fließen zu lassen, führt zur Medialität. Das kann es nicht sein.
Und genau darin liegt das heutige Problem.
Schwierige Stelle: 1. Korinther 14,14-15 und die Bedeutung von Geist und Verstand
Aber wir haben jetzt ein ganz großes Problem anzugehen. Es gibt nämlich eine Stelle, die alle Thesen umwerfen könnte. Das ist 1. Korinther 14,14-15:
Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber mein Verstand ist fruchtleer. Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, aber ich will auch beten mit dem Verstand; ich will lobsingen mit dem Geist, aber ich will auch lobsingen mit dem Verstand.
Ich habe jetzt alte Elberfelder gelesen. In der Lutherübersetzung 1912 klingt das ein bisschen anders. Sehr interessant übrigens, wie es dort übersetzt ist. Hier heißt es doch klar: Mein Verstand ist fruchtleer, also ist der Verstand ausgeschaltet.
Nun, wir sollen die Bibel nicht lesen wie einen Roman – so flüssig und dann zur Seite legen –, sondern immer wieder und langsam lesen, genau lesen. Was könnte uns dabei auffallen? Hier bildet der Ausdruck „mein Geist“ und „Verstand“ ein Gegensatzpaar.
Ist der Geist das Gegenteil von Verstand? Nein, der Geist des Menschen ist ja gerade der Aspekt, der verstehen, erkennen und erforschen kann. Wie kann das ein Gegensatz sein?
Nun, eine Grundregel für Bibelübersetzer ist: Man soll die Wörter zunächst in der häufigsten Bedeutung übersetzen. Man soll die Bibel nicht immer mit Ausnahmeübersetzungen übertragen, die auch möglich wären, sondern zuerst das, was allgemein gebräuchlich ist.
Wenn das nicht funktioniert, muss man das Wortfeld genau untersuchen: Was hat das Wort noch für andere Bedeutungen? Dann kann man in gewissen Zusammenhängen eine besonders stimmige Übersetzung finden.
Wir wissen ja, jedes Wort hat mehrere Bedeutungen. Das ist ganz normal, und damit müssen wir leben, sonst könnten wir gar nicht sprechen. Wenn wir nämlich für jede Bedeutungsnuance ein anderes Wort hätten, bräuchten wir vielleicht 70 oder 80 Wörter für das Neue Testament.
Das Neue Testament ist aber mit etwas über 5.000 Wörtern geschrieben. Das reicht. Nur so wenige Wörter muss man lernen, um das Neue Testament auf Griechisch zu lesen.
Wären es 70.000 oder 80.000 Wörter, hätten wir das Problem wie mit den chinesischen Zeichen, bei denen niemand alle Zeichen kennt. Also gehört die Vieldeutigkeit zur Natur der Sprache.
Jetzt, was kann „Nous“ (Verstand) auch sonst noch bedeuten? Ich habe das hier aufgeführt: „Nous“ bedeutet Verstand, Gesinnung, aber auch Bedeutung von Wörtern. Der „Nous“ eines Textes ist der Sinn, die Aussage eines Textes.
Was bedeutet „fruchtleer“? Es bringt kein Produkt, etwas, das anderen nützt. Ein Baum, der keine Frucht hat, bringt für die Menschen um ihn herum keinen Nutzen. Also keine Frucht bringen für andere.
Wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber meine Bedeutung, das, was ich aussagen will, bleibt fruchtleer. Und das steht genau im Zusammenhang des Kontextes.
Nachher sagt Paulus in Vers 16: „Sonst ist der andere unkundig und kann nicht Amen sagen.“ Vers 17: „Du betest wohl schön, aber der andere wird nicht erbaut.“
Sehen wir: Keine Frucht, die Bedeutung dessen, was ich aussage, ist fruchtleer, bringt dem anderen nichts. So müssen wir das verstehen, dann geht der Text nämlich auf.
Geist und Verstand sind keine Gegensatzpaare, aber es geht hier um das Beten im Geist, mit dem Geist, in einer fremden Sprache, und um die Bedeutung. Also es geht darum: Ich will in Sprachen reden, sagt Paulus, jedoch möchte ich auch, dass man mich versteht.
Und jetzt noch ein starkes Zusatzargument: Wenn es nämlich eindeutig in 1. Korinther 14 um die intellektuelle Verstandeskraft geht, dann braucht Paulus in 1. Korinther 14 interessanterweise ein anderes Wort, das Wort „phronéō“ (denken, urteilen).
In Vers 20 würde man sehr gut „Nous“ erwarten, aber er sagt: „Brüder, seid nicht Kinder am Verstand, sondern seid Unmündige am Denken (phronéō), aber seid Erwachsene in der Bosheit.“
Nun, wenn es richtiges und falsches Sprachenreden geben kann – und es gibt ja Zungenreden auch im Hinduismus, in der Psychiatrie als Phänomen, im Spiritismus, bei den Mormonen und so weiter –, sind wir uns sicher alle einig: Es gibt auch Falsches.
Quellen falscher Sprachenrede
Nun zur Frage der Quellen falscher Sprachenrede. Hesekiel 13 spricht von falschen Propheten, die aus ihrem eigenen Herzen sprechen. Das bedeutet, es kann etwas von uns selbst ausgehen, das versucht, etwas Göttliches zu imitieren, und das ist dann erlogen.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass falsche Sprachenrede durch Einbildung oder seelische Überspanntheit entsteht. Dies ist ein bekanntes psychiatrisches Phänomen: In einer sehr angespannten Situation beginnt jemand plötzlich zu lallen, was wie ein Ventil wirkt.
Eine dritte Möglichkeit ist dämonischer Ursprung. Denn Dämonen können auch Wunder wirken. Die Frage ist, ob dämonischer Einfluss überhaupt bei Gläubigen möglich ist.
In Matthäus 16,16 und 23 bekennt Petrus, dass Jesus Christus der Sohn des lebendigen Gottes ist. Kurz darauf sagt derselbe Petrus zu Jesus, er solle nicht ans Kreuz gehen. Darauf antwortet Jesus: Das Bekenntnis, das dir mein Vater im Himmel geoffenbart hat, ist wahr. Doch dann sagt er: „Weiche von mir, Satan!“
Das zeigt, dass wir alle Gläubigen in einem Spannungsfeld leben. Wir stehen unter der Kraft Gottes, des Vaters, sind aber gleichzeitig auch dämonischem, teuflischem Einfluss ausgesetzt.
Epheser 4,27 ist ein Brief, der sich ausdrücklich an die Heiligen in Ephesus richtet. Er sagt: „Gebt dem Teufel keinen Raum.“
In 2. Korinther 11,4 spricht Paulus zur Gemeinde in Korinth: Wenn sie einen anderen Geist empfangen würden, würden sie das akzeptieren. Interessant ist, dass er dort von einem anderen Jesus, einem anderen Evangelium und einem anderen Geist spricht und sagt, dass die Korinther das zu ihrer Beschämung akzeptieren würden.
Zweck der Sprachenrede und ihre Bedeutung als Zeichen
Nun, Sprachenrede – wozu? Wir haben gesehen, dass die ursprünglichste Bedeutung ein Zeugnis für das ungläubige Israel war. So war es in Jesaja angekündigt und in 1. Korinther 14,21 erklärt. Gerade in 1. Korinther 14, ab Vers 21 wird deutlich, dass es in Vers 22 heißt: Es ist ein Zeichen für die Ungläubigen.
Ein Zeichen ist immer ein Hinweis auf etwas anderes. Wenn es zum Beispiel ein grünes Zeichen für den Notausgang gibt, dann bedeutet das nicht, dass man bei einem Brand einfach durch das grüne Licht laufen soll. Man muss ein paar Zentimeter tiefer gehen. Denn das Zeichen weist auf eine andere Ebene hin, es ist nicht die Sache selbst.
Gott wollte mit diesem Zeichen Israel zeigen: Jetzt geht Gottes Wort zu allen Völkern. Gottes Wort soll nun in allen Sprachen verkündigt werden. Und das war etwas ganz Neues. Bis 1800 war man allerdings sehr langsam; die Bibel war erst in etwa siebzig Sprachen übersetzt.
Dann kam die Erweckungszeit im letzten Jahrhundert in Europa und Amerika. 1830 waren es bereits 156 Sprachen – ein gewaltiger Aufbruch! Es geht in der Kirchengeschichte nicht immer nur abwärts, das stimmt nicht. Innerhalb von dreißig Jahren haben die Menschen so viel gearbeitet, mehr als in den vorherigen achthundert Jahren der Weltmission.
Heute sind es über 2100 Sprachen, und es gibt evangelische Botschaften, Kassetten und Platten für eingeborene Stämme in über 4800 Sprachen und Dialekten. Das ist eine Arbeit, die heute ohne das Wunder der Sprachenrede, also der Zungenrede, geleistet wird, sondern durch harte Pionierarbeit.
Für das Neue Testament in einer eingeborenen Sprache muss man heute mit etwa 15 Jahren harter Arbeit rechnen. Die Sprache muss erfasst werden, eine Grammatik muss geschaffen werden, und dann beginnt die Übersetzung. 15 Jahre sind heute eigentlich wenig. Früher hat man viel mehr Zeit gebraucht.
Durch die Technik, die besonders die Wycliffe-Übersetzer weitergeben, ist es heute möglich, dass jeder Durchschnittsbegabte eine solche Arbeit leisten kann. Man braucht keine Matura, kein Abitur, kein Hochschulstudium. Ein Durchschnittsbegabter kann diese Wycliffe-Kurse besuchen und ist in der Lage, in einer eingeborenen Sprache, in der es noch nichts Schriftliches gibt, ein Alphabet zu schaffen, die Sprache zu erfassen und das Neue Testament in 15 Jahren zu übersetzen.
Also auf an die Arbeit! Gott hätte doch bewirken können, dass man das alles durch ein Wunder tun könnte. Er kann es doch und hat gezeigt, dass er es kann. Aber warum hat er es nicht getan? Das liegt in seiner Souveränität. Er wollte, dass wir arbeiten müssen.
Das Zeichen hat ganz klar gezeigt: Jetzt kommt eine neue Zeit mit Pfingsten, jetzt geht die Botschaft zu allen Völkern. Und die Israelis wissen inzwischen, dass die Bibel so übersetzt worden ist.
Die Sprachenrede soll abklingen
Nun, wir müssen in fünf Minuten durchkommen. Ich verweise noch ganz kurz auf den nächsten Punkt: Die Sprachenrede sollte abklingen.
In 1. Korinther 13,8-13 heißt es von den Gaben, dass sie hinweggetan werden. Das griechische Wort „katargeo“ ist ein starkes Wort und bedeutet vernichten, abschaffen, zunichte machen oder herabsetzen. Es weist auf ein plötzliches, unmittelbares Beseitigen hin.
Bei der Sprache heißt es, die Sprachen werden aufhören. Dort wird das Wort „pauo“ verwendet, was abklingen bedeutet. In Apostelgeschichte 20,1 bedeutet es, dass etwas abklingt oder sich beruhigt – hier bezieht es sich auf einen Volkstumult in Ephesus, bei dem die Menschen zwei Stunden lang in Ekstase geschrien haben.
Das zeigt, dass die Sprachenrede nicht plötzlich weggetan wird, wie viele annehmen, wenn der Herr kommt, sondern irgendwann einmal abklingen wird. Wann genau, wird nicht gesagt. Was man daraus ableiten könnte, ist, dass es nicht bis zur Entrückung andauert.
Interessant sind die Zeugnisse aus der Kirchengeschichte, zum Beispiel bei Augustin, Chrysostomus, Isidor von Pelusium und Isidor von Sevilla. Diese Kirchenväter fragten sich, warum wir heute diese Wunder und Zeichen nicht mehr erleben wie früher. Sie wunderten sich darüber, warum die Gaben der Geisteswirkung in ihrer Zeit nicht mehr so vorhanden waren wie in der Anfangszeit der Kirche.
Es gibt verschiedene Antworten auf diese Frage. Die Antworten sind interessant, aber das Phänomen selbst ist noch interessanter. Offensichtlich mussten sich diese Kirchenväter Gedanken darüber machen, warum die Zeichen und Wunder nicht mehr so wie früher auftreten. Irgendetwas ist in der Geschichte der Kirche geschehen, das dazu geführt hat.
Bemerkungen zu einzelnen Versen in 1. Korinther 14
Dann komme ich zum letzten Punkt: Bemerkungen zu einzelnen Versen in 1. Korinther 14.
Vers 13: Ich lese zuerst ohne Erklärung: „Darum, wer in einer Sprache redet, bete, auf dass er es auslege.“
Man könnte jetzt denken: Aha, der Sprachenredende versteht nicht, was er sagt. Er muss also speziell noch die Gabe der Auslegung bekommen, damit er dann auch verstehen kann. Er soll quasi um die Gabe der Auslegung beten.
Im Griechischen ist der Befehl „bete“ hier ein Präsensbefehl. Es gibt zum Beispiel auch den Aoristbefehl, der bedeutet: Tu das jetzt ein für alle Mal. Ein Präsensbefehl hingegen bedeutet: Tu das immer wieder.
Und genau so ist es hier gemeint. Der Sinn ist also folgender: Wer immer wieder in einer Sprache redet, der soll auch immer wieder beten, dass er es auslege.
Es geht hier also gar nicht darum, dass eine Gabe einmalig erbeten wird, sondern dass der Sprachenredende immer wieder um die Hilfe bittet, damit er das Gesagte auch verständlich für andere rüberbringt.
Vers 14 haben wir bereits besprochen, hier noch einmal die Erklärung:
„Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist (also der menschliche Geist), aber mein Verstand (meine Bedeutung, das, was ich sagen will) ist fruchtleer.“ Das heißt, es nützt dem anderen nichts.
Vers 15: „Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist (Pneuma), aber ich will auch beten mit dem Verstand (hier mit der Bedeutung, also nous), so dass andere den Sinn verstehen. Ich will Lob singen mit dem Geist, aber ich will auch Lob singen mit der Bedeutung.“
Das heißt, ich will diese Gabe so einsetzen, dass andere einen Nutzen davon haben.
Vers 19: „Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, besser gesagt mit meiner Bedeutung, also mit der Bedeutung, die von dem, was ich sage, rüberkommt, auf dass ich andere unterweise, als zehntausend Worte in einer Sprache.“
Fünf verständliche Wörter sind also mehr wert als zehntausend unverständliche.
Was kann man in der Gemeinde mit fünf Wörtern sagen? Da bleibt nicht mehr viel übrig. Man muss also nicht eine Stunde predigen, sondern man kann zum Beispiel im richtigen Moment sagen: „Der Herr ist mein Hirte.“ Nur fünf Wörter – aber es ist unglaublich, was das bedeutet.
Vers 20 folgt direkt auf das, was wir gesehen haben: „Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand.“
Hier wird ein anderes Wort verwendet als im vorhergehenden Vers, um zu zeigen, dass es jetzt um etwas anderes geht.
Statt „nous“ wie im vorherigen Vers heißt es hier „phren“, was sich auf den Verstand bezieht.
Der Text fordert dazu auf: „Seid an der Bosheit unmündige Kinder, aber am Verstand seid Erwachsene.“
Ja, wir sind am Ende der Zeit.