Einführung und Lesung des Hoheliedes
Wir haben heute das Hohelied vor uns. Im Sinne einer Einführung wollen wir uns mit diesen acht Kapiteln beschäftigen.
Ich lese zuerst einige Verse aus Hohelied 1, Vers 1:
Das Lied der Lieder von Salomo:
„Er küsse mich mit den Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist besser als Wein. Lieblich an Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name. Darum lieben dich die Jungfrauen. Siehe, mich werden sie dir nachlaufen. Der König hat mich in seine Gemächer geführt. Wir wollen frohlocken und uns deiner freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein. Sie lieben dich in Aufrichtigkeit.
Ich bin schwarz, aber anmutig, Töchter Jerusalems, wie die Zelte Kedars, wie die Zeltbehänge Salomos. Seht mich nicht an, weil ich schwärzlich bin, weil die Sonne mich verbrannt hat. Meine Muttersöhne zürnten mir und bestellten mich zur Hüterin der Weinberge. Meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet.
Sage mir an, du, den meine Seele liebt: Wo weidest du? Wo lässt du deine Herde am Mittag? Denn warum sollte ich wie eine Verschleierte sein bei den Herden deiner Genossen, wenn du es nicht weißt, du Schönste unter den Frauen? So gehe hinaus den Spuren der Herde nach und weide deine Zicklein bei den Wohnungen der Hirten.
Einem Ross an des Pharao Prachtwagen vergleiche ich dich, meine Freundin. Anmutig sind deine Wangen in den Kettchen, dein Hals in den Schnüren. Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit Punkten von Silber.
Während der König an seiner Tafel war, gab meine Narde ihren Duft. Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruft. Eine Zypertraube ist mir mein Geliebter in den Weinbergen von Engedi.
Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön, deine Augen sind Tauben. Du bist schön, mein Geliebter, ja holdselig! Ja, unser Lager ist frisches Grün, die Balken unserer Behausung sind Zedern, unsere Getäfel sind Zypressen.
Ich bin eine Narzisse Charons, eine Lilie der Täler, wie eine Lilie inmitten der Dornen. So ist meine Freundin inmitten der Töchter. Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen des Waldes, so ist mein Geliebter inmitten der Söhne.
Ich habe mich mit Wonne in seinen Schatten gesetzt, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Er hat mich in das Haus des Weines geführt, und sein Panier über mir ist die Liebe. Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe.
Seine linke Hand ist unter meinem Haupt, und seine rechte umfasst mich.
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hindinnen des Feldes, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“
Bis dahin.
Autorenschaft und Entstehungszeit des Hoheliedes
Wir nehmen das Blatt zur Hand. Unter Autor und Entstehungszeit finden wir den Hinweis, dass das Hohelied aus der Feder des Königs Salomo stammt. Der erste Vers macht dies deutlich: „Das Lied der Lieder von Salomo“. Dieser Ausdruck von Salomo, hebräisch Li-schlomo, ist üblich, wie auch in den Psalmen. In den Überschriften der Psalmen wird meist vermerkt, wer den Psalm geschrieben hat. Dies geschieht üblicherweise mit der Vorsilbe „le“, was „zu“, „für“ oder „bei“ bedeuten kann, wenn es sich um Autoren handelt.
So sind zum Beispiel 73 Psalmen mit „Le David“ beschriftet, um anzugeben, dass sie von David verfasst wurden. Salomo ist der Verfasser dieses Buches. Er regierte von 971 bis 931 v. Chr. Das Buch Hohelied entstand am Anfang dieser Periode. Er wird bereits in Vers 4 König genannt: „Sieh mich, wir werden dir nachlaufen, der König hat mich in seine Gemächer geführt.“ Es geht um den jungen Salomo. Daher müssen wir die Erfahrungen im Hohelied in der frühesten Zeit ansetzen.
Der jung verheiratete Salomo ist die Hauptfigur. Das Buch selbst kann natürlich von ihm noch etwas später geschrieben worden sein, und das ist es auch, wie wir noch sehen werden. Es beschreibt also die frühe Zeit seiner Regierung.
Von bibelkritischer Seite wurde die salomonische Autorschaft bestritten. Das ist üblich, denn in der Bibelkritik wird fast immer bestritten, dass der angegebene Autor tatsächlich der Verfasser ist. Dies ist fast schon eine krankhafte Erscheinung. Hier wurde argumentiert, dass das Hebräisch in diesem Buch ein Späthebräisch sei. Es klingt also nicht nach dem Hebräisch, das seit Salomo im 10. Jahrhundert v. Chr. gesprochen wurde, sondern nach einer späteren Sprachstufe.
Je nach Kritiker wurde die Entstehungszeit des Hoheliedes auf die Jahre von 700 bis sogar 300 vor Christus herunterdatiert. Diese sprachlichen Argumente konnten von diversen Gelehrten jedoch wirkungsvoll entkräftet werden. Unter Fußnote 1 habe ich für Interessierte einige Beispiele aufgeführt.
Zum Beispiel gibt es Aramaismen, also Färbungen aus der aramäischen Sprache im hebräischen Text. In 1,17 lesen wir von der Zypresse, und dort steht nicht „Broche“, wie im üblichen Hebräisch, sondern „Berat“. Diese Unterschiede sind typisch: Ein „t“ im Aramäischen entspricht einem „sch“ im Hebräischen. Das ist etwas Übliches. So ließen sich noch weitere Beispiele anführen.
Dass Aramaismen enthalten sind, bedeutet nicht, dass das Buch jung ist. Es wird argumentiert, dass die Juden in der babylonischen Gefangenschaft im 6. Jahrhundert Aramäisch gelernt haben. Als sie zurückkehrten, wurde Aramäisch neben Hebräisch beibehalten, wodurch die Sprache durch das Aramäische beeinflusst wurde. Das ist richtig.
Israel stand jedoch unter dem Einfluss der hebräischen Sprache seit der Zeit der Patriarchen. So lesen wir zum Beispiel in 1. Mose 31,47, wie Jakob bei Laban, seinem Onkel, der Aramäisch sprach, einen Bündniszeichen-Haufen benannte. Jakob gab ihm einen hebräischen Namen, Laban einen aramäischen: Jegar-Sauduta. Aramäisch war also quasi eine Begleitersprache Israels schon zur Zeit der Patriarchen. Deshalb sind Einflüsse in allen Zeitstufen zu erwarten.
Auffällig ist im Hohelied die Verwendung des Relativwortes „der welcher“. Ein Relativsatz wird bei uns mit „der“ oder „welcher“ eingeleitet. Im Alten Testament ist das Wort „welcher“ meistens „Ascher“. Im Hohelied jedoch, außer in Vers 1, ist es immer „Sche“. Das entspricht genau dem heutigen Hebräisch, in dem das Relativpronomen „Sche“ ist.
Wenn man „Ascher“ sagen würde, würden alle sagen: „Oh, das ist ein schönes literarisches Hebräisch, aber kein modernes Hebräisch.“ Es gibt jedoch keinen Beweis, dass „Sche“ jung ist. Wir kennen „Sche“ sogar im Akkadischen, der verwandten babylonischen Sprache, wo es schon seit dem dritten Jahrtausend als „Schah“ gebraucht wird. „Sche“ ist also keine junge Erscheinung und kann daher in allen Sprachstufen des Hebräischen vorkommen.
Es gibt zwei angeblich griechische Wörter, mit denen argumentiert wird, dass das Buch in der Zeit Alexanders des Großen verfasst worden sein müsse, also um 330 v. Chr., als bereits griechische Fremdwörter eingedrungen seien.
Zum einen verweist man auf „Prolit 3,9“ auf das Wort „Apirion“, Tragsessel. Man sagt, es komme vom Griechischen „foreion“. Es könnte aber genauso vom Sanskrit „parjanka“ stammen, was „Sesselchen“ bedeutet.
Das zweite Wort ist „pardes“, Umzäunung, in Hohelied 4,13. Es wird argumentiert, dass es vom Griechischen „paradesos“ stammt, was „Paradies“, also eingezäunter Garten, bedeutet. Es könnte aber auch vom Persischen „Pairidezza“ kommen. Es braucht aber nicht vom Griechischen oder Persischen zu stammen, sondern könnte auch vom Sanskrit „Paridis“, was ebenfalls „Umzäunung“ bedeutet, herkommen.
Dabei ist zu bedenken, dass es Argumente gibt, dass Salomo wohl Handelsbeziehungen bis nach Indien hatte. Eine Beziehung zum Sanskrit war also auch in der Zeit Salomos durchaus möglich.
Damit wären wir eigentlich schon am Ende der Hauptargumente, die nicht sehr eindrücklich sind.
In Qumran wurden unter den Handschriften auch vier Hohelied-Handschriften gefunden. In Höhle 4,3 bezeichnet man sie mit dem Siglum 4Qknt, was die Abkürzung für „Lied“ ist. Die Zahl 4 bedeutet Höhle Nummer vier, „Q“ steht für Qumran, „knt“ für „Kant“ oder „Lied“.
Es gibt drei Handschriften, die mit A, B und C bezeichnet werden: A ist die erste, B die zweite, C die dritte. Diese drei Handschriften werden auf die Zeit von 30 v. Chr. bis 68 n. Chr. datiert.
In Höhle 6 wurde eine weitere Handschrift gefunden, die etwa aus dem Jahr 50 n. Chr. stammt.
Die Bedeutung des Buches Hohelied
Nun zur Bedeutung des Buchs: In 1. Könige 4,32 lesen wir, dass Salomo insgesamt tausendfünf Lieder geschrieben hat. Das schönste aller dieser Lieder, die der Musiker Salomo komponierte – er hatte diese Begabung natürlich von seinem Vater, denn David war der große Musiker des alten Israels – bezeichnet Salomo als „Das Lied der Lieder“, hebräisch Shir haschiri.
Das ist die hebräische Weise, einen Superlativ, also das Höchste, auszudrücken. Das Lied der Lieder heißt demnach nichts anderes als „das schönste Lied“. In Fußnote zwei habe ich parallele Ausdrücke vermerkt. So wird in 2. Mose 26,33 das Allerheiligste wie üblich „Kodesch Hakodaschim“ genannt. Wörtlich bedeutet das nicht „das Allerheiligste“, sondern „das Heilige der Heiligen“. Auf Deutsch übersetzen wir es dann als „das Allerheiligste“.
Solche Ausdrücke finden wir auch an anderen Stellen. Zum Beispiel wird in Vers 14,17 der Herr Jesus als „König der Könige“ bezeichnet, was „der höchste König“ bedeutet. Ebenso „Herr der Herren“ als „der höchste Herr“. Gott wird in Josua 22,22 „Gott der Götter“ genannt, was den höchsten Gott beschreibt, der über allem und jedem steht.
Der junge König beschreibt in diesem Lied seine in jeder Hinsicht erfüllte Liebesbeziehung zu Gott Sulamit, seiner jung vermählten Ehefrau. Salomo und Sulamit sind nicht mehr verlobt, es handelt sich also nicht um ein Verlobungslied, sondern um ein Lied von Jungverheirateten. Sie stehen in einer unauflöslichen Ehebeziehung.
Von der Hochzeit wird in Kapitel 3, Vers 11 gesprochen: „Kommt heraus, Töchter Zions, und betrachtet König Salomo in der Krone, mit der seine Mutter ihn gekrönt hat, am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens.“ In diesem Vers ist nicht direkt der Hochzeitstag gemeint, sondern es wird gesagt: Schaut den König in seiner Krone an. Diese Krone hatte ihm seine Mutter am Hochzeitstag aufgesetzt.
Das hebräische Wort für Braut, das wir immer wieder im Hohen Lied finden, ist „kallah“. Auf Seite zwei unter „Besonderheiten im Hohen Lied“ gibt es einen Untertitel „Salomo und Sulamit“. Unter Punkt drei habe ich die Bezeichnungen der Frau aufgeführt. „Braut“, hebräisch „kallah“, kommt sechsmal vor: in Kapitel 4, Vers 8, 9, zweimal in Vers 10, dann in Vers 12 und schließlich in Kapitel 5, Vers 1.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das hebräische Wort „kallah“ laut Whitaker im „Brown-Driver-Briggs“-Lexikon – einem Standardwörterbuch für biblisches Hebräisch in der englischsprachigen Welt – mehrere Bedeutungen hat. Erstens bedeutet es „Verlobte“, zweitens „frisch Verheiratete“ und drittens „Schwiegertochter“.
Wir müssen also verstehen: Wenn hier von der Braut gesprochen wird, geht es nicht um die Verlobungszeit, sondern um die jung verheiratete Frau.
Mehrere Bedeutungsebenen des Hoheliedes
Das Hohelied hat verschiedene Bedeutungsebenen. Diese wurden oftmals gegeneinander ausgespielt, als müsste man eine Bedeutung sehen und dafür die andere ausschließen. Das ist schade, denn dadurch hat man vieles von der Bedeutung dieses Buches verpasst.
Das Hohelied besitzt mehrere Bedeutungsebenen. Die erste ist die wörtliche Bedeutung. Es ist im Alten Testament wichtig, zuerst das Wörtliche, das Historische zu betrachten, so wie es ist. Erst danach können wir auch geistliche Bedeutungen darin erkennen. Wenn jemand die historische, wörtliche Bedeutung von vornherein ablehnt, sollte er nicht erwarten, die geistliche Bedeutung zu verstehen.
Die erste wörtliche Bedeutung des Liedes ist die eheliche Liebe zwischen Salomo und Sulamit – eine konkrete Liebesbeziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Insofern ist das Buch ein Lob auf die Ehe und die Schönheit dieser Beziehung auf allen Ebenen. Im Hohelied finden wir wirklich die körperliche und die seelische Einheit.
Auf den ersten Blick könnte man denken, es wird nur über die körperliche Schönheit von Mann und Frau gesprochen. Wo ist denn das Innere? Doch das Innere haben wir von Anfang an gefunden. Schon zu Beginn heißt es: „Das Lied der Lieder von Salomo: Ihr küsse mich mit den Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist besser als Wein. Lieblich am Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name.“
Wir müssen wissen, dass der Name in der Bibel den Ausdruck dessen darstellt, was eine Person ist. Wenn über den Namen Gottes gesprochen wird, drückt dieser aus, was Gott in sich ist, sein Wesen. So kann man sagen, dass alle Namen, die wir in der Bibel für Gott finden – wie Herr, Ewiger, Starker, Treuer – ausdrücken, wer Gott ist.
„Dein Name ist ein ausgegossenes Salböl“ bedeutet, dass das, was Salomo in seiner Person ist, etwas Wunderbares, Wohlriechendes ist. Es geht also nicht einfach darum, dass Sulamit durch die äußerliche Erscheinung des Königs Salomo angezogen ist, sondern sie liebt ihn, weil er er ist – weil er Salomo ist und kein anderer.
Hier sehen wir keine Spaltung zwischen dem Inneren und dem Äußeren. Im Hohelied bilden beide eine Einheit. Die Freude am Äußeren ist vorhanden, aber sie gründet sich auf der inneren Wertschätzung voneinander. Somit ist das Lied ein Lob auf die Ehe und die Schönheit dieser Beziehung auf allen Ebenen.
Vergleichen wir das mit Hebräer 13, Vers 4: „Die Ehe sei geehrt in allem und das Ehebett unbefleckt; Hur aber und Ehebrecher wird Gott richten.“ Die Ehe soll in allen Beziehungen geehrt sein. Es gibt keinen Aspekt der Ehe, der minderwertig wäre. Man kann also nicht sagen, die platonische Liebe in der Ehe sei höher als die körperliche Liebe.
Diese Spaltung macht die Bibel nicht. Die Ehe soll eine Einheit bilden, und die Bibel sagt, die Ehe soll in allem geehrt sein – in allen Beziehungen. Damit das möglich ist, ist es wichtig, dass die Sexualität rein gehalten wird. Darum heißt es: „Und das Ehebett wird unbefleckt sein, Hur aber und Ehebrecher wird Gott richten.“
Das Hohelied ist durch die Betonung des Schönen und Positiven indirekt eine Verurteilung aller Verdrehungen. Ohne dass groß über die Verdrehungen gesprochen wird, ist es gerade durch die Betonung des Guten und Schönen eine Verurteilung dessen. Verdrehungen und Perversionen wie voreheliche Beziehungen, Ehebruch, Polygamie und Vielweiberei waren nie Gottes Gedanke.
Wir sehen in 1. Mose 1 und 2, dass Gott den Menschen geschaffen hat: Mann und Frau schuf er sie, einen Mann und eine Frau. 1. Mose 2, Vers 24 sagt: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein.“ Im Neuen Testament, Matthäus 19, wird sogar zitiert: „Und die zwei werden ein Fleisch sein, nicht die drei oder vier.“
Die Schöpfungsordnung ist von Grund auf monogam, ein Mann und eine Frau, und das auf Lebenszeit. Das ist Gottes Plan und Wille. Im Hohelied wird diese einzigartige Beziehung von einem Mann und einer Frau betont.
Das Traurige ist, dass derselbe Salomo, der am Anfang erlebt hat, wie wunderbar die Beziehung zu Sulamit war, später eine Frau nach der anderen hinzufügte. Er wich immer mehr von Gott ab, bis er am Ende zum offenen Götzendiener wurde. Das war eine klare Perversion, ein Abirren vom göttlichen Weg.
Eine interessante Stelle im Hohelied, Kapitel 6, zeigt das: Salomo hat dieses Lied vermutlich mit Abstand zu seiner Erfahrung mit Sulamit geschrieben. Im Moment des Schreibens heißt es in Vers 8: „Sechzig sind der Königinnen und achtzig der Nebenfrauen und Jungfrauen ohne Zahl; eine ist meine Taube, meine Vollkommene, sie ist die Einzige ihrer Gebärerin.“
„Töchter sahen sie und priesen sie glücklich, Königinnen und Nebenfrauen rühmten sie. Wer ist sie, die da hervorglänzt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Kriegsscharen?“ Zu diesem Zeitpunkt hatte Salomo bereits sechzig Frauen. Später, wie wir aus dem Buch der Könige wissen, hatte er siebenhundert Frauen und dreihundert Nebenfrauen.
Auch in diesem Stadium mit den sechzig Königinnen sagt er, es gibt nur eine, die seine Taube ist. Das ganze Hohelied betont also das Eine als das Wahre. Alles, was später dazugekommen war, war eine Perversion. Das Schöne wurde zerstört.
So ist das Hohelied in seiner reinen, ursprünglichen Erfahrung auch eine Verurteilung aller Verdrehungen, einschließlich Polygamie und Zölibat. In 1. Korinther 7 erklärt der Apostel Paulus, dass es den Weg der Ehelosigkeit gibt und dass Gott dazu Gnade gibt. Es wird sogar von einer Gnadengabe für die Ehelosen gesprochen.
Es gibt jedoch kein Gebot zur Ehelosigkeit. Wer seinen Weg ehelos gegangen ist – bis 50, 55 oder 60 Jahre – kann auch dann noch heiraten. Er hat die Freiheit dazu. Natürlich soll das im Herrn geschehen, unter der Leitung Gottes. Aber es gibt keine Verpflichtung zur Ehelosigkeit.
Paulus beschreibt in 1. Korinther 7 auch die Vorteile der Ehelosigkeit. Das hat jedoch nichts mit Zölibat zu tun, in dem die Ehebeziehung als etwas weniger Geistliches oder gar Ungeistliches herabgewürdigt wird. Das ist eine Perversion.
Interessanterweise hat Paulus in 1. Timotheus 4 das Aufkommen des Zölibats prophezeit (1. Timotheus 4, Vers 1). Dieses kam bereits im zweiten Jahrhundert bei denen auf, die das Abendmahl austeilten. Im dritten und vierten Jahrhundert wurde das Eremitentum und Mönchsleben als Modeerscheinung populär.
Der Geist sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten – das heißt nicht die letzten Tage, sondern die nachfolgende Zeit – etliche vom Glauben abfallen werden. Sie achten auf betrügerische Geister und Lehren der Dämonen, die in Heuchelei Lügen reden und ihr Gewissen wie mit einem Brenneisen verhärtet haben. Sie verbieten zu heiraten und gebieten, sich von bestimmten Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat zur Annahme mit Danksagung für die Gläubigen, die die Wahrheit erkennen.
Diese Lehre wird als Lehre von Dämonen bezeichnet, weil sie das Heiraten verbietet. Das Hohelied ist gerade darin bemerkenswert, dass Gott ein ganzes Buch in der Bibel benutzt, um die Schönheit der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau in der Ehe zu beschreiben. Es ist eine Rüge gegen solche Verdrehungen – und natürlich auch gegen Homosexualität und alles, was von der Schöpfungsordnung in 1. Mose 1 und 2 abweicht.
Das geschieht jedoch nicht durch ständige Betonung des Negativen, sondern durch Darstellung des Positiven – und das ist sehr wichtig. Es ist auch wichtig, dass wir unseren Kindern gegenüber das Positive betonen. Das Negative hören sie ohnehin genug. Als Gegengewicht müssen wir zeigen, wie schön das ist, was Gott für viele Menschen vorgesehen hat – mit Rücksicht darauf, dass es auch den gottgeführten Weg der Ehelosigkeit gibt.
So steht das Hohelied im krassen Kontrast zu allem Schmutz. Die Sexualität wird in einer blumigen, reinen Sprache beschrieben und vermeidet alles Derbe und Widerliche.
Wie schon erwähnt, ist das Hohelied im Prinzip eine Ausdeutung in einem ganzen Buch von dem einen Vers 1. Mose 2, Vers 24, wo das Grundprinzip steht: „Ein Mann verlässt Vater und Mutter“, also er steht auf eigenen Beinen – nicht das Grundprinzip „Papa kann zahlen“, sondern er verlässt sie. Dann „hängt er seine Frau an“, was eine Beziehung der Anhänglichkeit, Liebe und Wertschätzung zeigt. Und schließlich: „Und die zwei werden ein Fleisch sein.“
Die Reihenfolge ist wesentlich, denn hier wird in knappen Worten Gottes Schöpfungsordnung dargestellt. Das Verlassen ist ein sehr wichtiger Punkt, denn viele Männer, obwohl verheiratet, haben sich nicht richtig von zu Hause abgelöst. Das ist oft eine Ursache für Eheschwierigkeiten.
Das göttliche Prinzip „Vater und Mutter verlassen“ bedeutet nicht, dass das Ehren der Eltern aufhört – das bleibt selbstverständlich. Aber es ist ein neuer Anfang, eine neue Zelle, und es besteht eine Unabhängigkeit, die sehr wichtig ist für die neue Abhängigkeit voneinander.
Das wäre also der erste Aspekt der Bedeutung des Hohen Liedes.
Geistliche Übertragungen des Hoheliedes
Es ist wichtig, wenn wir das Hohe Lied lesen, zuerst genau darauf zu achten, was der Text wörtlich bedeutet, bevor wir eine geistliche Übertragung vornehmen.
Zweitens können wir tatsächlich eine Übertragung auf Israels Geschichte machen. Von Kapitel 1 bis Kapitel 8 lässt sich darin eine Widerspiegelung der Geschichte Israels finden – von Abraham bis zum tausendjährigen Reich des Messias.
Abraham, der aus Ur in Chaldäa auszog, wird im Hohen Lied 1,4 erwähnt: „Ziehe mich, wir werden dir nachlaufen.“ Abraham zog aus und nahm seine Bediensteten mit. Später geht Israel den Weg durch Ägypten. In Hohelied 1,9 wird Sulamit, die Geliebte, mit einem Rosse an des Pharao Prachtwagen verglichen: „Ich vergleiche dich, meine Freundin.“ So kann man die ganze Geschichte Israels im Hohen Lied wiederfinden.
Ich möchte das hier nicht ausführlich darlegen, sondern verweise in Fußnote 3 auf Wim Hottenbach, der ein Skript zum Hohelied veröffentlicht hat. Dort geht er genau auf diesen Aspekt mit den Parallelstellen ein.
Ein weiterer Hinweis in Fußnote 3: Israel, Juda oder die Stadt Jerusalem werden im Alten Testament als Frau Gottes gesehen – und zwar seit dem Bund am Sinai. Der Bund am Sinai, bei dem Gott dieses Abkommen mit dem auserwählten Volk schloss, wird im Alten Testament als Ehebündnis verstanden.
Eine Ehe ist erst dann eine Ehe, wenn ein offiziell anerkannter Vertrag geschlossen wurde. Andernfalls handelt es sich um ein Konkubinat. Die Bibel bezeichnet Konkubinat als Hurerei. Wenn wir an die Frau am Jakobsbrunnen denken, sagt der Herr: „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“ Darin hat sie Recht, wenn sie sagt: „Ich habe keinen Mann.“
Auch zur Zeit Jesu gab es eine klare Unterscheidung zwischen Heirat und Konkubinat. Obwohl es im alten Israel, wie übrigens auch heute, kein Standesamt gab, wusste man genau, was eine Ehe ist. Es war ein Vertrag, der zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen wurde. Dabei musste ein Zeuge anwesend sein, der den Vertrag bezeugte.
Aus vorchristlicher, alttestamentlicher Zeit sind schriftliche Belege erhalten, wie ein solcher Vertrag aussehen konnte. Er hatte offiziellen Charakter und wurde anerkannt.
Ich möchte noch auf Jeremia 2 verweisen. Außerdem habe ich Hosea 1,14 notiert. Das ganze Buch Hosea handelt vom Thema Israel, der Frau Gottes, die den Bund gebrochen hat. Ebenso Hesekiel 16 und weitere Stellen.
Jeremia 2,1 lautet: „Und das Wort des Herrn geschah zu mir: Gehe und rufe vor den Ohren Jerusalems und sprich: So spricht der Herr: Ich habe dir gedacht die Zuneigung deiner Jugend, die Liebe deines Brautstandes, deines Wandelns hinter mir her in der Wüste, in unbesätem Lande.“ Israel war heilig dem Herrn.
Gott erinnert an die Wüstenreise, wie das Volk hinter ihm, hinter der Schechina, herlief in unbesätem Land. Das war die Zeit des Brautstandes. Nun folgte der Auszug aus Ägypten, und am Sinai, in der Halbinsel, wurde der Bund geschlossen – die Ehe geschlossen.
Gott sagt: Damals war das noch so schön, aber was ist jetzt daraus geworden? Er rügt Israel wegen Ehebruchs. So kann man diese Übertragung verstehen: Israel als die Frau Gottes durch den Bund am Sinai.
Drittens gibt es eine Übertragung auf den Überrest Israels. Die Propheten bezeugen dies sehr deutlich. Nach der Entrückung der Gemeinde wird eine Erweckung unter dem jüdischen Volk stattfinden – und zwar von Jerusalem, von Zion aus.
In der Prophetie wird viel über diesen Überrest gesprochen, der in der Endzeit umkehrt, Buße tut für die vergangene Zeit und so den Messias findet. Dieses zukünftige Israel kommt wieder in eine feste Beziehung zum Herrn, dem Messias.
Im Hohen Lied sehen wir diese Beziehung zwischen Sulamit, dem gläubigen Überrest Israels, und Salomo, dem Messias, dem Friedenskönig.
Dazu verweise ich in Fußnote 4 auf Psalm 45, wo genau dieser Bezug zu finden ist: Der Messias wird dort als der Mann gesehen, die Frau ist Israel in der Zukunft – der gläubige Überrest, der umkehren wird.
Jesaja 61,10 weist ebenfalls auf die Zukunft hin, auf das zukünftige Israel. Dort hört man die Stimme des Überrestes, der sagt: „Hoch erfreue ich mich im Herrn, meine Seele soll sich freuen in meinem Gott. Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils, den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan, wie ein Bräutigam den Kopfschmuck nach Priesterart anlegt und wie eine Braut sich schmückt mit ihrem Geschmeide.“
Das ist also die dritte Übertragung.
Übertragung auf die Gemeinde heute
Und nun wichtig: Eine vierte Übertragung, die für uns heute auf die Gemeinde relevant ist. In Epheser 5,22-33 werden die Erlösten, die heute zur Gemeinde Gottes gehören, als die Frau des Messias, des Christus, dargestellt. Wir lesen aus Epheser 5. Interessant ist der Zusammenhang:
Diese Beziehung zwischen dem Herrn und seiner Gemeinde wird genutzt, um zu zeigen, wie eine Ehebeziehung von Christen aussehen soll.
„Ihr Frauen, seid unterwürfig euren eigenen Männern als dem Herrn! Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch der Christus das Haupt der Gemeinde ist; er ist des Leibes Heiland. Aber gleichwie die Gemeinde dem Christus unterworfen ist, so auch die Frauen ihren Männern in allem. Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort, damit er die Gemeinde sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“
Also sind auch die Männer schuldig, ihre Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber usw. usf.
Es lohnt sich, in diesem Text genauer zu gehen. Wir finden sieben Tätigkeiten, die Christus gegenüber der Gemeinde tut. Diese werden als Aufforderung dargestellt, um zu zeigen, wie Männer sich ihren Frauen gegenüber verhalten sollen – als christliche Männer. Hier wird Christus als der Ehemann gesehen, nicht als der Bräutigam. Und die Gemeinde wird als die Ehefrau dargestellt.
Das ist aus folgendem Grund wichtig: Im Neuen Testament finden wir beide Perspektiven. Aus einer anderen Sicht ist die Gemeinde heute die Verlobte des Herrn Jesus Christus.
In 2. Korinther 11,2 sagt Paulus zur Gemeinde in Korinth: „Denn ich eifere um euch mit Gottes Eifer; denn ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als eine keusche Jungfrau dem Christus darzustellen.“ Im Griechischen ist hier ein Zahlwort verwendet, das betont, dass die Gemeinde einem Mann verlobt ist. Die Verlobte ist eine Jungfrau. Daraus geht klar hervor, dass es vor der Ehe keine sexuelle Beziehung nach Gottes Plan gibt.
Die Gemeinde wird hier also als die Verlobte des Herrn gesehen.
Paulus fährt weiter fort, Vers 3: „Ich fürchte aber, dass etwa wie die Schlange Eva verführte durch ihre List, so auch euer Sinn oder euer Denken verderbt und abgewandt werde von der Einfalt gegen den Christus.“
Paulus sagt: Ihr seid verlobt als eine Verlobte, die wirklich nur für einen Mann bestimmt ist. Aber ich habe Angst, dass ihr euch in eurem Verhalten davon entfernt, dass euer Blick allein auf Christus gerichtet ist.
Was könnte das sein, was einen wegbringt?
Vers 4: „Denn wenn der, welcher kommt, einen anderen Jesus predigt, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr nicht empfangen habt, oder ein anderes Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so ertragt es.“
Drei Dinge werden hier genannt: ein anderer Jesus, ein anderer Geist, ein anderes Evangelium. Das wäre ein Bruch der Verlobungsbeziehung.
Ein anderer Jesus – das haben wir durch die ganze Kirchengeschichte hindurch erlebt. Man könnte unzählige Beispiele aufzählen, wie ein anderer Jesus verkündigt wurde, indem zum Beispiel die Gottessohnschaft, die wirkliche Menschwerdung Christi oder die ewige Sohnschaft Christi angegriffen wurden.
Oder bis heute: Ich hatte gerade vor kurzem einen Visionenbericht in der Hand, in dem jemand erzählt, er hätte eine Vision im Himmel gehabt und Christus gesehen. Dieser habe rotblondes Haar gehabt. Solche Bücher werden in manchen Freikirchen verbreitet. Das ist nicht der Jesus der Bibel. Er war nicht rotblond, das kann ich garantieren.
Ein anderer Jesus wird da verkündigt. Was er im Himmel gesehen haben will, ist unglaublich: Er sah Wohnungen im Haus des Vaters, eine Wiese, einen Berg, ein großes Gebäude, in dem die Leute wohnen. Das Wunderbarste sei ein total weiches Sofa gewesen. An den Wänden hingen Bilder von Angehörigen und Kunstmalerei, vor allem moderne Bilder, aber viel besser als die von heute.
Das ist Unsinn! Was hier verkündigt wird, ist ein anderer Christus. Übrigens: Die Wohnungen im Haus des Vaters – das Haus des Vaters ist in Johannes 2 der Tempel in Jerusalem und in Johannes 14 der Tempel im Himmel. Im Tempel gab es nahe beim Allerheiligsten ein spezielles Gebäude für die Priester, wo sie wohnten und übernachteten. So sind die Wohnungen im Haus des Vaters die Priesterwohnungen der Erlösten. Sie sind nicht auf einem Grathügel in einem Haus mit Fotos und Sofas.
Ein aktuelles Beispiel für einen anderen Geist ist der Toronto-Segen. Leute fallen um, werden bewusstlos, obwohl nach 2. Timotheus 1,7 der Geist Gottes ein Geist der Selbstbeherrschung und Besonnenheit ist. Leute schreien wie Tiere und wälzen sich am Boden – das sind unreine Geister. Dieses Phänomen hat 50 Kirchen weltweit erreicht.
Wenn ihr einen anderen Geist empfangt, würdet ihr es ertragen. Und ein anderes Evangelium? Ja, das Wohlstandsevangelium. Es wird verkündet, Gott wolle nicht, dass wir arm sind, und dass Gott will, dass wir alle gesund sind. Dabei wird Gläubigen, die mit Krankheit leben müssen, ein schweres Joch auferlegt. Das ist ein anderes Evangelium.
Das alles ist ein Bruch der Treue in der Verlobungsbeziehung zu Christus.
Die Verlobungszeit ist jetzt. In Offenbarung 19,7 wird die Gemeinde als die Braut des Lammes dargestellt. Am Ende der Drangsalzeit, wenn die Drangsalzeit auf Erden ihren Höhepunkt erreicht, beginnt im Himmel die höchste Freude:
„Lasst uns fröhlich sein und frohlocken und ihm Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Frau hat sich bereitet. Und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleide in feiner Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die gerechten Taten der Heiligen.“
Und es heißt weiter: „Schreibe: Glückselig sind die geladen zum Hochzeitsmahl des Lammes.“ Und: „Dies sind die wahrhaftigen Worte Gottes.“
Wie bringen wir das zusammen? Ehebeziehung in Epheser 5, Verlobungsbeziehung in 2. Korinther 11 und Offenbarung 19 – das sind zwei Seiten derselben Medaille.
Einerseits ist es so, dass der Herr Jesus als Mensch an Himmelfahrt, vierzig Tage nach der Auferstehung, in den Himmel gefahren ist. Er ist nicht mehr hier. Er ist im Himmel und wird in der Zukunft zurückkehren, um uns Erlöste zu sich zu nehmen, am Tag der Entrückung, nach 1. Thessalonicher 4,13 ff.
Wir sind zwar durch Bekehrung und Wiedergeburt mit dem Herrn verbunden, aber wir sind getrennt von ihm – das ist der Verlobungsstand. Mann und Frau sind sich versprochen, definitiv, für alle Zeit, aber sie sind noch nicht zusammen. Sie sind getrennt. Das ist Verlobung.
Wenn es Leute gibt, die meinen, sie müssten nicht getrennt sein in der Verlobungszeit, dann ist es keine Verlobungszeit. Sie wollen die Ehe vorwegnehmen. Wenn sie nicht warten können, sollen sie heiraten. Die Verlobungszeit ist die Zeit der Trennung, wobei sie sich auf den Tag freuen, an dem sie dann für immer zusammen sein werden.
Auf der anderen Seite hat der Herr Jesus am Schluss von Matthäus 28 gesagt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Warum? Weil er Gott und Mensch in einer Person ist.
Als Mensch ist er in den Himmel gefahren und hat seinen Platz zu Rechten des Thrones Gottes eingenommen. Er wird als Mensch in der Zukunft wiederkommen. Als Mensch ist er nicht allgegenwärtig; jetzt ist er im Himmel.
Als Gott hat er aber nie aufgehört, Gott zu sein – auch als er Mensch wurde und in Bethlehem geboren wurde. Als Gott ist er immer allgegenwärtig gewesen, auch zur Zeit, als er auf Erden war.
Darum konnte er Nikodemus sagen in Johannes 3,13: „Niemand ist in den Himmel hinaufgefahren als der, der auch vom Himmel herabgekommen ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.“
Als er damals mit Nikodemus sprach, war er in Jerusalem. Weil er Gott war, war er gleichzeitig auch im Himmel.
So ist der Herr Jesus, weil er Gott ist, uns eigentlich so nahe – jeden Tag bei uns bis ans Ende.
Dieser Aspekt zeigt, dass wir in einer Ehebeziehung stehen als Gemeinde. Er ist der Mann, die Gemeinde die Frau.
Das sind zwei Aspekte: Einerseits sind wir getrennt von ihm als Verlobte, andererseits sind wir mit ihm so eng verbunden. Das ist die andere Sicht der Ehe als heutige Tatsache.
Wichtig ist aber, wenn wir diese Übertragung auch im Hohen Lied auf die Gemeinde machen: Es wird nie gesagt, dass der einzelne Gläubige die Braut sei. Das ist immer ein kollektiver Begriff.
Darum ist es problematisch, wenn man manchmal in erotischer Weise über eine Beziehung des einzelnen Gläubigen mit Christus spricht. Das hat mit der Bibel überhaupt nichts zu tun.
Wir werden nicht als einzelne Person als Braut Christi gesehen, sondern die Gemeinde als Kollektiv ist die Braut beziehungsweise die Ehefrau des Christus.
Neutestamentliche Bezüge zum Hohelied
Im Neuen Testament finden wir Bezüge zum Hohen Lied. Es gibt zwar keine wörtlichen Zitate, aber wenn wir in Matthäus 9, Vers 15 und den Parallelstellen lesen, wird deutlich, wie die Menschen damals die Worte Jesu verstanden haben könnten.
In Matthäus 9, Vers 14 heißt es: „Dann kommen die Jünger des Johannes zu ihm und sagen: Warum fasten wir und die Pharisäer oft, deine Jünger aber fasten nicht?“ Jesus antwortet ihnen: „Können etwa die Söhne des Brautgemachs trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann werden sie fasten.“
Jesus spricht hier von sich selbst als dem Bräutigam, der da ist, und von seinen Jüngern als den Freunden des Bräutigams, die alles für die Hochzeit vorbereiten. Wie kommt er zu dieser Ausdrucksweise?
Das ist eine Anspielung unter anderem auf das Hohelied, in dem der Messias als Bräutigam gesehen wird. Der Überrest Israels, der sich bekehrt, wird als die Braut verstanden. So ist der Bräutigam quasi da, und die Freunde des Bräutigams bereiten alles vor. Doch das Volk im Allgemeinen war nicht bereit für diese Beziehung.
Ich habe auch auf die Parallelstellen in Markus 2, Lukas 5 und Johannes 3, Vers 29 verwiesen. Dort sagt Johannes der Täufer, noch bevor überhaupt von der Gemeinde die Rede ist, in Bezug auf den Messias, den er in Israel einführt: „Wer die Braut hat, ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber, der dasteht und ihn hört, ist hoch erfreut über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude nun ist erfüllt. Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“
Johannes der Täufer sollte den Messias in Israel einführen und dem Volk als Prophet Gottes klarmachen: „Das ist der Verheißene.“ Er wies auf ihn hin mit den Worten: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt.“
Johannes sagt, der, der die Braut hat, ist der Bräutigam – eine Anspielung auf das Hohelied, wo der Messias der Bräutigam und das umgekehrte Israel die Braut ist. Johannes war einer der Vorbereiter, der Freund des Bräutigams. Er freut sich über die Stimme des Bräutigams, „Kol-do-di“, die Stimme meines Geliebten.
Im Hohelied 2, Vers 8 heißt es: „Siehe, da kommt mein Geliebter, springend über die Hügel, über die Berge.“ Die Stimme des Bräutigams wird hier beschrieben, und Johannes freut sich darüber.
Auch in Matthäus 22 und Matthäus 25 finden wir Anspielungen auf diese Beziehung in Gleichnissen, in denen Jesus von einer Hochzeit spricht. Gott bereitet seinem Sohn, dem König, eine Hochzeit vor.
In Matthäus 25 werden die Gläubigen der Jetztzeit als die Jungfrauen gesehen, nicht als die Braut. Die Braut im Gleichnis der zehn Jungfrauen ist nicht die Gemeinde oder die Christenheit. Die zehn Jungfrauen, die sich auf das Kommen des Bräutigams vorbereiten, sind die Freundinnen der Braut. Sie stellen die Christenheit dar, die jetzt wartet, bis der Bräutigam in der Zukunft kommt – im Blick auf Israel.
Der Bräutigam ist der, der für den gläubigen Überrest Israels kommt. Diese Jungfrauen finden wir auch im Hohelied 1 wieder. Auch dort gibt es Anspielungen auf das Hohelied, das Lied der Lieder von Salomo.
In Vers 3 heißt es: „Lieblich ein Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name, darum lieben dich die Jungfrauen.“ Diese Jungfrauen sind nicht Mädchen, die eine Liebesbeziehung mit dem König suchen. Sie sind die Freundinnen der Braut. Sie schätzen den König und lieben ihn in Aufrichtigkeit, aber nicht wie eine Frau ihren Mann liebt. Es ist eine freundschaftliche Beziehung, ähnlich wie die zehn Jungfrauen, die sich auf die Zukunft vorbereiten.
Fünf von ihnen sind töricht (Matthäus 25). Sie symbolisieren Christen, die nicht wiedergeboren sind und das Ziel nicht erreichen werden. Die fünf klugen sind diejenigen, die wirklich wiedergeboren sind und das Ziel erreichen.
Die Bibel spricht also auf verschiedenen Ebenen. Die Gemeinde ist einerseits heute die Ehefrau, andererseits die Verlobte und auch die fünf klugen Jungfrauen, die sich auf die Zukunft Israels freuen.
Es ist wichtig, alles am richtigen Ort zu platzieren und nicht zu vermischen, um kein Chaos zu erzeugen. So haben wir neutestamentliche Bezüge zum Hohen Lied.
Die Jungfrauen spielen im Hohen Lied eine wichtige Rolle. Sie werden immer wieder als die Töchter Jerusalems und einmal als die Töchter Zions genannt. Das sind die jungen Frauen in Jerusalem, die Sulamit lieben. Auch bei der Hochzeit waren sie quasi die Jungfrauen, die mitgeholfen haben und sich mitfreuten über die Beziehung zwischen Salomo, dem König, und diesem Mädchen Sulamit, dieser jungen Frau.
Aufbau des Buches Hohelied
Wenn wir über die Töchter Jerusalems sprechen, wollen wir uns nun dem Aufbau des Buches widmen. Das Buch ist eigentlich ganz einfach einzuteilen. Auch wenn der Inhalt schwierig ist, ist die Einteilung leicht nachvollziehbar.
Es gibt im Lied einen Refrain, den man suchen muss. Sobald man den Refrain gefunden hat, weiß man, wo die Strophen enden und wo eine neue beginnt. Der Refrain kommt dreimal vor:
Das erste Mal in Kapitel 2, Vers 7:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hindinnen des Feldes, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“
Dann in Kapitel 3, Vers 5:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hindinnen des Feldes, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“
Und schließlich in Kapitel 8, Vers 4:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“
Diese Refrainstellen geben automatisch die Einteilung in vier unterschiedlich lange Strophen vor.
Der Aufbau ist also folgendermaßen:
Der Titel steht in 1, Vers 1: „Schirach Schirim Ascher Lischlomo“ – das Lied der Lieder von Salomo.
Dann folgt die erste Strophe von 1, Vers 2 bis 2, Vers 6, die ich „Die Freude der Liebe“ nenne. Dort lesen wir in 1, Vers 4:
„Der König hat mich in seine Gemächer geführt, wir wollen frohlocken und uns freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein.“
Es handelt sich also um eine Hochzeitsfestfreude, bei der gefeiert wird, dass gerade Salomo diese Sulamit und keine andere wollte – die Freude der Liebe.
Die zweite Strophe folgt nach dem Refrain in 2,7 und reicht von 2,8 bis 3,4. Diese zweite Strophe beginnt mit den Worten:
„Koldo di, Hineseba medalleg al-herarim mekabetz al-haqwa'ot Horch,“
was bedeutet: „Stimme, mein Geliebter, siehe da, er kommt!“ Betont wird, dass er kommt, kein anderer, springend über die Berge, hüpfend über die Hügel – das Lied, das wir am Anfang gesungen haben.
In dieser Strophe wird besonders die Sehnsucht der Liebe dargestellt. Wir finden die Sehnsucht sowohl von Salomo als auch von Sulamit in Kapitel 3. Dort sehen wir, dass sie verheiratet sind:
„Auf meinem Lager in den Nächten suchte ich den, den meine Seele liebt, ich suchte ihn und fand ihn nicht.“
„Ich will doch aufstehen und in der Stadt umhergehen, auf den Straßen und auf den Plätzen will ich suchen, den meine Seele liebt.“
Es geht hier um das Ehelager. In der Nacht sucht sie ihn plötzlich, steht auf und geht nachts in die Stadt hinaus – was natürlich gefährlich ist. Weiter heißt es:
„Ich suchte ihn und fand ihn nicht. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umhergehen – die Polizisten, will man heute sagen. ‚Habt ihr den gesehen, den meine Seele liebt?‘ Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich den, den meine Seele liebt. Ich ergriff ihn und ließ ihn nicht, bis ich ihn gebracht hatte in das Haus meiner Mutter und in das Gemach meiner Gebärerin.“
Die Sehnsucht findet ihre Erfüllung. Dann folgt wieder der Refrain:
„Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems.“ Was beschwört diese Sulamit ihre Freundinnen? Sie sagt, sie sollen die Liebe nicht zu früh aufwecken. Sie beschwört bei den Gazellen – das sind Tiere, die auf kleinste Geräusche oder Geschmäcker sofort reagieren und davonlaufen. Diese muss man nicht lange aus dem Schlaf schütteln.
Ich musste einmal Kühe von der Weide holen und zum Melken bringen. Manche wollten einfach nicht. Da musste man wirklich ein bisschen Eindruck machen. Kühe beeindruckt man mit Größe, aber das ist nicht dasselbe wie bei Gazellen. Bei ihnen reicht ein Rascheln aus der Ferne, und sie sind weg. Die Hindinnen sind heute ein poetisches Wort für Hirschkuh – genauso empfindlich.
Also seid ganz leise und passt auf, dass die Liebe nicht zu früh aufgeweckt wird. Das ist eine ganz wichtige Sache. Ich habe das unter „Besonderheiten im Hohelied“ unter dem zweiten Titel „Liebe“, Punkt zwei, aufgeführt.
Der Refrain ist eine Warnung vor verfrühter Liebe, und das ist heute hochaktuell. Es ist ein riesiges Problem, dass bei Kindern Gefühle geweckt werden, die gar nicht entstehen würden, wenn sie normal aufwachsen könnten. Wenn sie nicht all diese Einflüsse von Werbung, Medien, Filmen, Radio, Musik – besonders Rockmusik – hätten. Auch die Einflüsse durch ihre Schulkollegen, die schon zu früh aufgeweckt worden sind, spielen eine Rolle.
So werden Dinge geweckt, bis hin zur Sexualität, die bei Kindern in einem gewissen Alter überhaupt keine Rolle spielen würden. Diese Gefühle werden aufgeweckt, und wozu führt das? Zu Entwicklungsstörungen, einem falschen Verhältnis zum anderen Geschlecht, zu einem falschen Verhältnis zu Sexualität, Liebe und Romantik.
Das, was heute als aufgeklärt und tabulos dargestellt wird, ist genau das, was alles kaputt macht. Das Hohelied möchte das Positive betonen. Deshalb heißt es im Refrain: „Weg des Talit!“ Seid ganz still, damit nicht etwas wachgerufen wird, was jetzt noch nicht kommen soll.
Wenn die Liebe dann zu ihrer Zeit gesund und ausgereift zur Entfaltung kommt, wird etwas ganz Schönes daraus, so wie im Hohelied.
Wir haben also die zweite Strophe gesehen, die Sehnsucht der Liebe, den dritten Refrain in Vers 5 und schließlich die dritte Strophe von Kapitel 3, Vers 6 bis 8, Vers 3. Das ist der längste Teil, in dem wir die Höhen und Tiefen der Liebe finden.
Es gibt eine Beziehungskrise. Das Hohelied ist nicht einfach idealistisch, als würde in einer Beziehung zwischen Mann und Frau alles nur rund laufen. Hier finden wir eine Beziehungskrise, aber keine Ehebruchhandlung oder Ähnliches. Es gibt eine Abkühlung der Gefühle, aber auch eine Wende.
Dann folgt die schönste Beschreibung des Geliebten durch Sulamit – die allerschönste nach der Krise. Das ist etwas, was christliche Eheleute auch erleben können. Manchmal kann gerade eine Krise dazu führen, dass es danach umso schöner wird, indem Probleme ausgeräumt werden, bewusst vergeben wird und man sich klarmacht: Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern der tiefste Kern der Liebe ist der Wille, zu lieben.
Wer das will, bekommt auch die Gefühle. Die Gefühle kommen. Im Bild vom Zug mit Wagen ist die Lokomotive der Wille zur Liebe, und die Anhänger sind romantische Gefühle und Ähnliches.
Wir können eine Ehebeziehung nicht allein auf Gefühle aufbauen. Statistisch zeigt sich, dass Gefühle, die ohne eigenes Zutun entstehen, vielleicht zwei Jahre halten, dann sind sie vorbei – ganz normal.
Darum sagt man heute, es sei normal, wenn man sich wieder scheidet. Das ist eine traurige Realität. Die Jugendlichen werden in vielen unsinnigen Dingen unterrichtet, die sie gar nicht wissen müssen. Aber wie man eine Beziehung erhält, wird ihnen nicht erklärt. Das ist eigentlich hohl, wenn man darüber nachdenkt, denn es ist so einfach.
Eine Beziehung wird erhalten, genau wie ein Kaminfeuer. Das brennt, aber es erlischt auch wieder. Man muss immer wieder Holz nachlegen, damit es weiter brennt. So müssen auch in einer Beziehung beide Partner immer wieder „Holz einschieben“. Dazu gehört eben der Wille zur Liebe.
Interessant ist, dass in Epheser 5, wenn es heißt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen“, das Verb „agapao“ verwendet wird, das Hauptwort „Agape“. Agape gab es als Wort bei den alten Griechen schon, wurde aber kaum gebraucht.
Man verwendete viel häufiger das Wort „Eros“. Dieses Wort ist nicht grundsätzlich negativ, aber es konnte auch pervers sein. Eros konnte ebenso ganz normale Liebe bedeuten, also auch im positiven Sinn. Das Wort war jedoch so belastet, dass der Heilige Geist im Neuen Testament dieses Wort nicht verwendet hat, weil es negativ konnotiert war.
Stattdessen hat der Heilige Geist das Wort „Agape“, das bei den Griechen kaum verwendet und dadurch unbelastet war, zu einem Hauptwort im Neuen Testament gemacht. Agape bezeichnet die Liebe Gottes, die auf dem Willen Gottes beruht. Gott wollte uns lieben, darum sandte er seinen Sohn.
Das Verb wird dort gebraucht, wenn es heißt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen.“ Es ist die von Gott bewirkte Liebe, die auf einem Willensentscheid beruht. Darum können wir sagen: Wenn eine Ehe in eine Krise gerät, muss die Grundlösung sein, dass beide bereit sind, einen Neuanfang zu wagen, den Willen zu haben, zu lieben. Dann kommt das andere Stück für Stück, natürlich mit Gottes Hilfe.
Ich zeige hier nur die Seite der persönlichen Verantwortung.
In dieser langen Strophe finden wir also die Höhen und Tiefen der Liebe. Darauf werden wir im zweiten Teil noch zurückkommen.
Schließlich folgt die vierte Strophe nach dem Refrain in 8, Vers 4. Diese ist kurz, von 8, Vers 5 bis zum Schluss, Vers 14. Dort werden wir auf den Höhepunkt geführt: die Vollkommenheit der Liebe.
Ich lese aus Hohelied 8, Vers 6:
„Lege mich wie einen Siegelring an dein Herz, wie einen Siegelring an deinen Arm! Denn die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, hart wie das Scheol, ihr Eifer, ihre Glut sind Feuergluten, eine Flamme Jas.“
Große Wasser vermögen die Liebe nicht auszulöschen, und Ströme überfluten sie nicht. Wenn ein Mann allen Reichtum seines Hauses gäbe um die Liebe – man würde ihn nur verachten.
Das ist wirklich der Höhepunkt: Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod und wie das Totenreich, ihr Eifer oder ihre Eifersucht.
Es gibt falsche Eifersucht, die aus Misstrauen und einem übermäßigen Einengen des Partners entsteht. Aber es gibt auch die göttliche, berechtigte Eifersucht. Ein Mann ist eifersüchtig, wenn ein anderer seine Frau will. Niemand hat ein Anrecht auf seine Frau – das ist biblische Eifersucht, die berechtigt ist, wenn es konkret darum geht.
Wir finden diese Eifersucht auch bei Gott. Bereits im Dekalog, in den Zehn Geboten, wo Gott den Bund mit Israel schließt, sagt er, dass er ein eifersüchtiger Gott ist.
Was heißt das? Ein Gott, der Israel mit niemandem teilen will, der nicht akzeptiert, dass Israel anderen Göttern dient neben ihm. Er ist der Ehemann, Israel die Frau.
So sah es auch Jesus, der die Gemeinde schon im Voraus sah und jeden Einzelnen so liebte, dass er bereit war, alles zu geben und in den Tod zu gehen.
Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod. Warum wollte der Herr Jesus uns erlösen, dich und mich? Weil er nicht wollte, dass irgendjemand anderes über uns herrscht oder uns führt außer ihm. Er wollte nicht, dass Satan über uns herrscht, nicht die Sünde, nicht das Geld oder irgendetwas anderes. Nur er allein.
Dafür war er bereit, bis in den Tod zu gehen.
Diese Liebe wird auch in Epheser 5 gezeigt:
„Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, auf dass er sie heilige.“
Das heißt, er stellte sie ganz für sich auf die Seite.
Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, hart wie das Totenreich, ihr Eifer. Der Herr Jesus ist in den Tod gegangen. Ihre Glut sind Feuergluten – wörtlich heißt es im Hebräischen: „Ihre Blitze sind feurige Blitzstrahlen.“ Das ist viel eindrücklicher als nur ein Feuer, es sind Blitzstrahlen! Wer hat schon einen Blitz gelöscht?
Große Wasser vermögen die Liebe nicht auszulöschen.
Woher kommt diese Liebe? Sie wird hier bezeichnet als „Flamme Jas“. Ich habe auf dem Blatt unter Seite zwei im Abschnitt über die Liebe, dritter Punkt, geschrieben: Die Liebe wird hier als Flamme Jas bezeichnet.
Jas ist die Kurzform von Jahwe, dem Ewigen, dem Unwandelbaren – dem Eigennamen Gottes in der Bibel.
Im ganzen Hohelied wird der Name Gottes nie erwähnt, weder Gott, Herr noch Jahwe. Das ist die einzige Erwähnung des Gottesnamens – und das verleiht dem Begriff „Flamme Jas“ umso mehr Gewicht.
Es ist ganz wichtig, dass wir als christliche Ehemänner wissen: Diese Kraft der Liebe, die auch bleibt und beständig ist bis zum Tod, kann nur Gott in unseren Herzen wirken.
Es ist nicht normal oder lauwarm, wenn die Liebe nur schwach ist. Gott kann diese brennende Liebe wirken, wenn wir die biblischen Anforderungen für eine beständige Beziehung erfüllen. Dann kann er eine Flamme Jas entfachen.
Pause und weitere Betrachtungen
Wir machen jetzt eine halbe Stunde Pause. Wir haben uns die Einteilung des Hohen Liedes näher angeschaut. Nun gehen wir zu Seite zwei unter „Besonderheiten im Hohen Lied“.
Salomo und Sulamit: Salomo wird siebenmal mit seinem Namen genannt. Hebräisch heißt Shlomo „Mann des Friedens“. Man kann den Namen vom Wort „Shalom“ ableiten, was Friede bedeutet. Es ist schon besonders, dass dieser Name siebenmal erwähnt wird. Beim letzten Bibelschultag haben wir den Prediger Salomos durchgenommen, und dort fanden wir den Namen Salomo nicht einmal. Er nennt sich nur „Sohn Davids“ in Jerusalem. Der König war weiser als alle seine Vorgänger in Jerusalem. Er nennt sich nie Salomo, Mann des Friedens. Das passt genau zum Charakter des Buches.
Im Prediger beschreibt Salomo die Zeit, in der er sich völlig vom Herrn entfernt hatte und keinen Frieden fand. Als alter Mann kehrt er zurück und warnt die jungen Leute davor, seine Torheiten zu wiederholen. Es ist daher sehr passend, dass er sich im Prediger nie Salomo nennt, aber im Hohen Lied, wo wir die glückliche Beziehung sehen – einerseits zwischen Salomo und Sulamit, und andererseits übertragen zwischen dem Herrn und seinem Volk – dieser Name so treffend ist.
Die Frau wird zweimal genannt, in Kapitel 6, Vers 13: „Schulamit, Frau des Friedens“. Das ist eine schöne weibliche Entsprechung, denn „Schulamit“ kommt ebenfalls von der Wurzel „schalam“ beziehungsweise dem Hauptwort „shalom“, Friede. Darum übersetze ich mit „Frau des Friedens“. Sie findet wirklich Erfüllung und Ruhe in dieser Beziehung.
In Kapitel 8, Vers 10 sagt sie: „Ich bin eine Mauer, und meine Brüste sind wie Türme.“ Dort wird sie in seinen Augen wie eine, die Frieden findet. Sie vergleicht sich mit einer Stadt, die erobert wird, und mit dem Eroberer einen Friedensbund schließt. Dabei findet sie innere Erfüllung und Frieden in der Beziehung – eben als Schulamit zu Shlomo.
Wer keine schönen Namen für seine Frau kennt, wird im Hohen Lied reich beschenkt. Ich habe hier verschiedene Namen zusammengestellt. Wie schon gesagt, sechsmal wird sie „Kalla“, Braut, genannt, und neunmal nennt er sie „Rajati“, Freundin, was „meine Freundin“ bedeutet. Raja wäre Freundin, Rajati „meine Freundin“ – neunmal!
Wie schlimm wäre es, wenn jemand denkt, indem er das Buch liest: „Aha, da haben wir eine lose Freundschaftsbeziehung.“ Nein! Meine Frau ist meine Freundin, und das sage ich meinen Kindern immer wieder: Ich habe auch eine Freundin, meine Frau ist meine Freundin, und wir haben es toll zusammen. Es ist wirklich schön, eine Freundschaft zu haben. Aber es ist keine lose Beziehung, wie wir das in der Bibel nirgends positiv finden. Es ist eine Freundschaftsbeziehung, die Ehebeziehung muss eine Freundschaft sein.
Darum also neunmal „meine Freundin“. Dann dreimal „Jonati“, meine Taube, und zweimal „Tamati“, meine Vollkommene. Sie war also schon überzeugt von ihr, ja? Fünfmal „Achoti“, meine Schwester, was die Vertrautheit ausdrückt, dass sie sich genau kennen, so wie man in der Familie jeden durchschaut. Es ist eine Beziehung der Offenheit, und das kommt in „Achoti“ zum Ausdruck.
„Meine Schöne“ heißt „Japhati“. Das Jaffa-Tor kennt man ja in Jerusalem. Es ist eigentlich das schöne Tor, das in Richtung Jaffa bei Tel Aviv führt. „Jaffa“ bedeutet „schöne“. Dreimal wird sie „Du Schönste unter den Frauen“ genannt.
Da könnte jemand sagen: „Ja, das könnte ich meiner Frau nicht sagen.“ Aber das stimmt gar nicht. Es gibt eine subjektive Schönheit, sodass jeder Mann von seiner Frau sagen kann: „Du bist die Schönste unter den Frauen“, weil keine gleich ist wie die andere – und es ist genau die, die er gewählt hat.
So ist es auch, wenn man Sprüche 31 liest, die tugendhafte Frau. Manche könnten frustriert sein, was sie alles kann. Am Schluss heißt es in Sprüche 31, Vers 28: „Ihre Söhne stehen auf und preisen sie glücklich, ihr Mann steht auf und rühmt sie. Viele Töchter haben wacker gehandelt, du aber hast sie alle übertroffen. Die Anmut ist Trug und die Schönheit Eitelkeit; eine Frau, die den Herrn fürchtet, wird gepriesen werden.“ Das ist wirklich ein subjektives Lob, das jeder Mann seiner Frau geben kann – ganz wichtig sogar.
Schließlich wird sie einmal in Kapitel 7, Vers 1 „Fürstentochter“ genannt und in Vers 9 nennt er sie „Bara“, die Reine. Das kann je nach Übersetzung verschieden sein. „Die Reine“ ist ein wertvoller Titel, ein wertvoller Kosename.
Auch sie hat schöne Namen. Wer zu wenig schöne Namen für seinen Mann kennt, lernt hier: „Den meine Seele liebt“ wird fünfmal genannt, „mein Freund“. Es ist eben eine gegenseitige Freundschaft.
Salomo wird 32-mal „Geliebter“ genannt. Je nach Zusammenhang kann es „Dodi“, mein Geliebter, „Kol Dodi“, die Stimme meines Geliebten, oder wenn andere zu ihr sprechen „Dodech“, dein Geliebter, oder wenn man über sie spricht „ihr Geliebter“ oder über ihn spricht „ihr Geliebter“ heißen. Aber 32-mal wird Salomo „Geliebter“ genannt.
Ich habe hier alle Stellen aufgeführt, ebenso fünfmal „Melech“, König.
Ich habe schon im Zusammenhang mit dem Aufbau des Buches erklärt, wie es in der Liebe Veränderungen gibt. Die Freude der Liebe ist der Anfang, dann folgt die Sehnsucht der Liebe, aber auch die Höhen und Tiefen der Liebe, bis es zur Vollkommenheit der Liebe kommt.
Was wir feststellen können, ist, dass es in der Liebesbeziehung im Hohen Lied ein Wachstum gibt. Dabei ist es wichtig, daran zu denken, dass es nicht die Verlobungszeit ist, in der jeder sagt: „Das ist doch selbstverständlich.“ Sondern es ist die Ehe, in der eine wachsende Liebesbeziehung festzustellen ist.
Dieses Wachstum der Liebe finden wir in drei Stufen:
Sulamit sagt in Kapitel 2, Vers 16: „Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein.“ Hier steht die eigene Person im Vordergrund. Das ist ganz natürlich und gut zu verstehen.
Aber es kommt zu einer Entwicklung, wenn wir in Kapitel 6, Vers 3 lesen: „Ich bin meines Geliebten, und mein Geliebter ist mein.“ Die Reihenfolge wird hier umgedreht. Sie denkt zuerst an ihn, das heißt, die eigene Person rückt in den Hintergrund.
Später, in Kapitel 7, Vers 10, sagt sie: „Ich bin meines Geliebten, und nach mir ist sein Verlangen.“ Da geht es nur noch um ihn. Sie stellt sich in den Hintergrund, ihre Person löst sich auf, aber seine Person steht im Vordergrund.
So ist es auch, wenn jemand zum Glauben kommt. Zuerst freut er sich darüber, dass der Herr Jesus sein Erlöser und Herr ist. Aber es ist das Wachstum des Glaubens, bis man dahinkommt, auch daran zu denken: Wie empfindet der Herr? Was bedeuten wir für ihn?
Es gibt Stellen, die deutlich sagen, dass Christus uns für sich erworben hat. Wir sollen nicht immer nur daran denken, was der Herr für uns getan hat, sondern auch daran, was der Herr getan hat, um Gott zu verherrlichen.
Dabei rückt unsere Person in den Hintergrund, und es geht mehr um den Herrn. Das ist das Wachstum der Liebe, bei dem er immer wichtiger wird und es nicht dauernd um uns und unsere Bedürfnisse geht, sondern um ihn, seine Pläne und seine Empfindungen.
Natur und Geographie im Hohelied
Jetzt können wir zum Thema Natur und Geographie übergehen, da ich dazu bisher noch nichts gesagt habe. Die Natur spielt im Hohen Lied eine große Rolle. Dabei sehen wir erneut, wie alttestamentlich das Irdische als Schöpfung Gottes betrachtet wird, die wir nicht verachten dürfen.
Das Wissen um unsere himmlische Zukunft soll niemals dazu führen, dass das Irdische als minderwertig angesehen wird. So wie die Ehe als irdische Einrichtung nicht minderwertig ist, gilt das auch für die Natur, die Gott geschaffen hat. Die romantische Liebe ist ganz natürlich mit der Natur verbunden. Das erklärt die vielen Hinweise auf die Natur im Text.
Es gibt Hinweise auf über 22 verschiedene Pflanzenarten. Einmal wird der Ölbaum erwähnt, zum Beispiel in Kapitel 1, Vers 3, wo vom Salböl die Rede ist. Außerdem werden Narde, Myrrhe, Zyperblume, Zeder, Zypresse, Narzisse, Lilie, Dornen, Apfelbaum, roter Hahnenfuß, Feigenbaum, Weinstock, Weihrauchstrauch, Granatapfelbaum, Safran, Würzrohr, Zimtbaum, Aloe, Balsamstrauch, Dattelpalme, Alraune und Walnussbaum genannt.
Doch es bleibt nicht bei der Pflanzenwelt. Es gibt auch Hinweise auf etwa dreizehn verschiedene Tierarten. Erwähnt werden Ziegen, Pferd, Steinbock – zum Beispiel im Namen Ein Gedi, was „Quelle des Böckleins“ bedeutet –, Gazelle, Hirsch (im Refrain zum Beispiel), der Gelbsteißbülbül (ein in Israel verbreiteter Vogel), Turteltaube, Felsentaube, Fuchs oder Schakal. Das hebräische Wort „Schual“ kann sowohl Fuchs als auch Schakal bezeichnen.
Weiterhin werden Schaf, Löwe, Leopard, Rabe und indirekt der Elefant genannt, wenn von Elfenbein die Rede ist. Die Biene wird erwähnt, wenn es um Honig und Waben geht, der Wurm der Kermisschildlaus, wenn es um Karmesin geht, und die Purpurschnecke, wenn es um Purpur geht.
Die Natur spielt also eine sehr große Rolle. Ich möchte das anhand der wunderbaren Beschreibung des Jahreszyklus in Kapitel 2, Verse 10 bis 14 zeigen. Hier auf dem Blatt ist der letzte Punkt dazu notiert. Ich lese den Text, den ich hier ausgedruckt habe, in der Übersetzung der alten Elberfelder, die ich etwas überarbeitet habe:
2, Vers 10:
„Mein Geliebter hob an und sprach zu mir:
Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!
Denn siehe, der Winter ist vorbei, der Regen ist vorüber, er ist dahin.
Die Nizanim erscheinen im Lande“ – das ist der rote Hahnenfuß.
„Die Zeit des Samir“ – das ist der Gelbsteißbülbül – „ist gekommen,
und die Stimme der Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande.
Der Feigenbaum rötet seine Feigen,
und die Weinstöcke sind in der Blüte und geben Duft.
Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm, meine Taube,
in den Klüften der Felsen, im Versteck der Felswände.
Lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören,
denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig.“
In Vers 12 habe ich bewusst nicht übersetzt „Der rote Hahnenfuß erscheint im Lande“, weil das nicht ganz so poetisch klingt. Deshalb habe ich das hebräische Wort „Nizanim“ beibehalten. Ebenso habe ich nicht „Die Zeit des Gelbsteißbülbül ist gekommen“ übersetzt, sondern „Die Zeit des Samir ist gekommen“.
Hier haben wir eine wunderbare Beschreibung des Jahresablaufs. In Vers 11 heißt es:
„Denn siehe, der Winter ist vorbei, der Regen ist vorüber, er ist dahin.“
In Fußnote 7 habe ich vermerkt, dass dies die Regenzeit in Israel beschreibt. Sie beginnt in der zweiten Oktoberhälfte, nach dem Laubhüttenfest, mit dem Frühregen und dauert bis Ende März, vor dem Passafest. Sie endet mit dem späten Regen. Diese Zeit der Kälte und des Regens ist nun vorbei. Jetzt kann man wieder hinausgehen. Es ist Frühling, und die Liebe erhält neue Impulse.
In der nächsten Verszeile, Vers 12, heißt es:
„Die Nizanim erscheinen im Lande.“
Das ist der rote Hahnenfuß, der Anfang April in Israel zu blühen beginnt – eine schöne rote Blume. Ich beziehe mich dabei auf Hare Uweni, Fußnote 6, aus seinem Buch „Ökologie in der Bibel“ (Neot Kedumim 1974). Es ist ein wunderbares Buch eines israelischen Biologen, der Pionierarbeit geleistet hat, gerade in den Jahren nach der Staatsgründung Israels. Er verband die Kenntnis der israelischen Natur mit biblischen Gegebenheiten. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben und schön illustriert. Dort kann man viele Dinge lesen, die ein Europäer einfach nicht wissen kann über die Natur.
Er erklärt auch, wie die Bibelkritik Stellen wie im Buch Jeremia als fehlerhaft kritisiert hat. Er sagt, diese Kritiker wüssten einfach nichts von der Biologie Israels. Sie hätten besser geschwiegen, statt die Bibel in Unwissenheit zu kritisieren. In diesem Sinne hat er auch das Büchlein „Ökologie in der Bibel“ geschrieben und arbeitet dort diese Identifizierungen heraus.
Frühere Übersetzer haben zum Beispiel „Die Blumen erscheinen im Lande“ übersetzt, aber „Nizanim“ sind nicht einfach Blumen, sondern rote Blumen. Im Arabischen, besonders im Irak, bezeichnet „Nisan“ rote Blumen. Das passt genau auf den roten Hahnenfuß, der nach der Regenzeit Anfang April blüht.
Dann heißt es:
„Die Zeit des Samir ist gekommen.“
In der alten Elberfelder wurde das zum Beispiel mit „Die Zeit des Gesangs ist gekommen“ übersetzt, denn „Samir“ hängt mit „Samar“ zusammen, was mit Singen zu tun hat. Samir ist also der Singende.
Das ist aber nicht einfach allgemeiner Vogelgesang, sondern ein bestimmter Vogel, der Gelbsteißbülbül. In Fußnote 9 steht, dass der Gelbsteißbülbül ein verbreiteter Vogel in Israel ist. Man kann ihn überall sehen, ich habe ihn in der Oase Ein Gedi gesehen und auch im Norden. Er ist im ganzen Land verbreitet. Es ist ein kleiner Vogel, größer als ein Spatz, mit einer auffälligen gelben Färbung im Steißbereich.
Er hat eine monotone Stimme, aber im April, zur Paarungszeit, bekommt er eine melodische, wohlklingende Stimme. Samir bedeutet also Sänger. Im Arabischen nennt man ihn „Bulbul“, was ebenfalls Sänger bedeutet. Daher kommt unser deutscher Name Gelbsteiß-Bülbül, also Gelbsteiß-Sänger.
Dieser Samir erhält in der Zeit der Liebe seine besondere Stimme, die sich ändert. Weiter lesen wir:
„Und die Stimme der Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande.“
In Fußnote 10 habe ich erklärt, dass die Paarungszeit der Turteltauben früh im Mai liegt. Wir merken, wie sich Vers für Vers der Jahreszyklus fortsetzt.
Vers 13:
„Der Feigenbaum rötet seine Feigen,
und die Weinstöcke sind in der Blüte und geben Duft.“
In Fußnote 11 steht, dass dies die Zeit Ende Mai beschreibt.
Dann heißt es:
„Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm, meine Taube,
in den Klüften der Felsen.“
Hier ist nicht mehr die Turteltaube gemeint, sondern die Felsentaube. Habt ihr den Felsen von Ein Gedi in der jüdischen Wüste, in der Oase, gesehen?
„Meine Taube in den Klüften der Felsen, im Versteck der Felswände,
lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören,
denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig.“
In Fußnote 12 wird erklärt, dass die Paarungszeit der wilden Tauben von Mai bis Mitte Juni dauert. Sie bauen ihre Nester in Felsklüften und Höhlen.
Das ist wirklich wunderschöne Poesie, in der das Liebespaar die Abläufe der Natur und den Wandel der Jahreszeiten miteinander erlebt.
Hier sehen wir erneut, wie wichtig der christliche Glaube ist: Er spaltet nicht in das Irdische, das verachtet wird, und das Himmlische. Es ist eine Einheit, denn die Schöpfung kommt von Gott, und darum freuen wir uns an ihr. Die himmlische Zukunft kommt ebenfalls von Gott, und deshalb freuen wir uns auf das Kommen des Herrn und die himmlische Herrlichkeit.
Empfehlung zum Studium des Hoheliedes
Nun, ich habe ja am Anfang gesagt, dass es heute um eine Einführung ins Hohelied geht. Wir können also nicht alle Verse miteinander durcharbeiten.
Eine Empfehlung für alle, die das ganze Hohelied studieren wollen: Die schönste Auslegung, die ich je gefunden habe, stammt von W. J. Auenel. Sie ist allerdings schwierig zu bekommen, da sie seit vielen Jahren ausverkauft ist. Vielleicht kann man sie sich dennoch irgendwie beschaffen. Das Werk heißt „Das Lied der Lieder“ und erschien 1976 bei Schwellen.
Diese Auslegung ist wirklich die schönste überhaupt. Besonders für diejenigen, die nicht verheiratet oder alleinstehend sind, lohnt sich die Lektüre sehr. Durch dieses Buch wird einem das Herz für unseren Erlöser durch das Hohelied wirklich warm.
Die wörtliche Bedeutung des Hohelieds ist nur ein Aspekt. Dieses Lied wurde uns in der Bibel gegeben, um gerade die Beziehung zu dem Herrn zu vertiefen, brennend zu machen und brennend zu erhalten.
In der Bibliographie habe ich auch auf Andrew Millers „Betrachtungen über das Lied der Lieder“ verwiesen. Es erschien in Neustadt an der Weinstraße in einer Neuauflage von 1962. Auch dieses Buch ist wahrscheinlich sehr schwierig zu bekommen. Wer es aber unbedingt haben möchte, kann es manchmal doch noch ergattern. Es ist wirklich wunderbar und herzergreifend geschrieben.
Außerdem gibt es noch etwas ganz Kleines von Schwefel: „Das Hohelied 1 bis 8“. Das war ein Vortrag aus dem Jahr 1950. Auch dieser ist sehr herzergreifend, behandelt aber nur die ersten acht Verse.
Dabei merkt man, welche Fülle in diesem Buch verborgen ist – fast nicht zu fassen. Ebenso fast nicht zu fassen ist, warum dieses Buch unter Christen so vernachlässigt wird.
Ich möchte das heute nur stellenweise etwas illustrieren.
Beschreibung der Braut im Hohelied
Ab Vers 1 beschreibt Salomo die Braut, Sulamit, mit den Worten: „Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön. Deine Augen sind Tauben hinter deinem Schleier, dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead liegen. Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme heraufkommen, welche allesamt Zwillinge gebären, und keines unter ihnen ist unfruchtbar. Deine Lippen sind wie eine Karmesinschnur, und dein Mund ist zierlich wie ein Schnittstück einer Granate. Deine Schläfe ist hinter deinem Schleier, dein Hals ist wie der Turm Davids, der in Terrassen gebaut ist, tausend Schilde hängen daran, alle Schilde der Helden. Die beiden Brüste sind wie ein Zwillingspaar junger Gazellen, die unter den Lilien weiden. Bis der Tag sich kühlt und die Schatten fliehen, will ich zum Myrrhenberg hingehen und zum Weihrauchhügel.“
„Ganz schön bist du, meine Freundin, und kein Makel ist an dir. Mit mir vom Libanon herab, meine Braut, mit mir vom Libanon sollst du kommen, vom Gipfel des Amana herab sollst du schauen, vom Gipfel des Seni und Hermon, von den Lagerstätten der Löwen, von den Bergen der Panther. Du hast mir das Herz geraubt, meine Schwester, meine Braut, du hast mir das Herz geraubt mit einem deiner Blicke, mit einer Kette von deinem Halsschmuck. Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, meine Braut, wie viel besser ist deine Liebe als Wein, und der Duft deiner Salben als alle Gewürze bis dahin.“
Es fällt auf, wie genau Salomos Blick auf Sulamit ist. Er sagt nicht einfach allgemein „Du bist schön“, sondern er weiß auch warum. Er beschreibt ihre Augen in Vers 1, ihre Zähne in Vers 2, ihre Lippen in Vers 3 und am Ende desselben Verses ihre Schläfe. In Vers 4 folgt der Hals, in Vers 5 die Brüste. So werden sieben Körperteile erwähnt.
Auch Sulamit beschreibt ihren Geliebten sehr detailliert. Die schönste Beschreibung findet sich in Kapitel 5, Vers 9. Auch hier sagt sie nicht einfach „Mein Geliebter ist schön“, sondern sie weiß genau, warum sie das sagt, und kann ihn beschreiben.
Dort heißt es: „Mein Geliebter ist weiß und rot, ausgezeichnet vor Zehntausenden, sein Haupt ist gediegenes feines Gold, seine Locken sind herabwallend, gelockt, schwarz wie der Rabe. Seine Augen sind wie Tauben an Wasserbächen, badend in Milch, eingefasste Steine. Seine Wangen sind wie Beete von Würzkraut, Anhöhen von duftenden Pflanzen. Seine Lippen sind Lilien, träufelnd von fließender Myrrhe. Seine Hände sind goldene Rollen, mit Topasen besetzt.“
Sie sieht also die einzelnen Finger an. Für sie sind sie goldene Rollen, besetzt mit Topasen – das meint die Fingernägel, die wie eingefasste Edelsteine wirken. Jeder Fingernagel wird so sehr detailliert beschrieben.
Weiter heißt es: „Sein Leib ist ein Kunstwerk von Elfenbein, bedeckt mit Saphiren, seine Schenkelsäulen sind von weißem Marmor, gegründet auf Untersätze von feinem Gold. Seine Gestalt ist wie der Libanon, auserlesen wie die Zedern. Sein Gaumen ist lauter Süßigkeit, und alles an ihm ist lieblich. Das ist mein Geliebter und das mein Freund, ihr Töchter Jerusalems.“
Dann fragen sie: „Wohin ist ein Geliebter gegangen?“
Wir haben bei der Lektüre dieser beiden Abschnitte auch bemerkt, wie viele geografische Namen vorkommen. Tatsächlich werden im Hohen Lied zahlreiche Orte erwähnt. Ich habe das unter Punkt drei bei „Natur und Geographie“ etwas zusammengestellt.
Dort wird konkret die wunderbare Oase Ein Gedi erwähnt, Kapitel 1, Vers 14. Das ist eine Oase am Toten Meer. Wer einmal dort war, will immer wieder dorthin zurückkehren. In der heißen Wüste kommt man in diese Oase, steigt in die Berge hinauf und findet eine wunderbare Vegetation, die vor der strahlenden Sonne schützt. Durch die vielen Wasserfälle, die es dort auch im Sommer gibt, ist die Luft erfüllt von kleinen Wassertröpfchen – so erfrischend in der ausgetrockneten Wüste.
Dann wird immer wieder Jerusalem erwähnt. Auch die Scharon-Ebene wird genannt. Das ist eines der fruchtbarsten Gebiete Israels am Mittelmeer, nördlich von Caesarea. Sulamit sagt von sich: „Ich bin eine Narzisse Scharons“ (Kapitel 2, Vers 1).
Weiter wird Zion genannt, Kapitel 3, Vers 11, dann das Gebirge Gilead (Kapitel 4, Vers 1). Tirza wird erwähnt, eine Stadt im heutigen besetzten Westjordanland, also im Kernland Israels. Sie war später eine Zeitlang Hauptstadt der Nordreichkönige. Sulamit wird mit dieser Stadt verglichen.
Jetzt versteht man auch, woher unsere Namen stammen: Für unser ältestes Mädchen wurde der Name Tirza gewählt, für das zweite der Name Sulamit.
Der Libanon wird mehrfach erwähnt – dieses prächtige Gebirge im Norden mit den berühmten Zedern, von denen heute kaum noch etwas übrig ist. Früher musste man Eintritt bezahlen, um den Libanon zu besuchen, ganz knapp unter dem höchsten Gipfel.
Auch der Gipfel des Amana wird genannt. Er gehört zum Antilibanon, wo der Amanafluss entspringt. Ebenso werden Seni und Hermon erwähnt. Hermon ist der nördlichste Berg Israels und mit 2814 Metern der höchste Punkt. Dort liegt im Winter viel Schnee, und es gibt sogar einen Skilift.
Dieser gewaltige Gegensatz zwischen Hermon und Ein Gedi wird deutlich. Weiter wird der Karmel genannt, ein wunderbares Gebirge in der Gegend von Haifa, bekannt für seine Pflanzen- und Tierwelt, etwa Hirsche.
Auch Cheshbon wird erwähnt, eine Stadt im heutigen Jordanien, sowie Ba'al-Hammon, wo Salomo einen Weinberg hatte (Kapitel 8, Vers 11).
Diese Natur- und Geographiebezüge gehören zu den Besonderheiten des Hohen Liedes. Man muss also die Natur und die Geographie des biblischen Landes im Blick haben.
Auslegung von Hohelied 4, Vers 1
Und nun wenden wir uns zuerst Kapitel vier, Vers eins zu und versuchen zunächst, wörtlich zu verstehen, was gemeint ist. Anschließend betrachten wir die geistliche Übertragung, die wirklich von Wert ist, auch in unserer Beziehung zu dem Herrn Jesus Christus.
Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön, deine Augen sind Tauben hinter deinem Schleier.
Wie können Augen mit Tauben verglichen werden? Ganz einfach: Es geht um die Iris, die farbige Iris, die mit den Farben einer Taube verglichen wird, denn Augen sind Tauben.
Wenn wir übertragen, müssen wir hier ein erstes Bild deuten, was die Augen bedeuten. Die Augen werden mit einem zweiten Bild verglichen. Dabei müssen wir uns fragen: Was bedeuten die Tauben? Die Augen dienen zum Sehen, und geistlich können wir damit auch unseren Herrn sehen.
Wir haben am Anfang der zweiten Stunde gesungen: „Jesus, wir sehen auf dich.“ Das Thema „Jesus sehen“ ist zum Beispiel im Hebräerbrief ein ganz wichtiges Thema, immer wieder. In Hebräer 2 heißt es: „Wir sehen aber Jesus“; oder in Kapitel 3, Vers 1, wird unser Apostel, nun Hoherpriester unseres Bekenntnisses, betrachtet; oder in Kapitel 12: „Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Wörtlich heißt es „hinschauend“ – im Griechischen bedeutet das „wegschauen“. Es ist das Wort, das man im Griechischen benutzte, um zu sagen: fixiert auf einen Punkt schauen, nämlich wegschauen von allem anderen hin auf Jesus.
Und das haben wir hier: „Deine Augen sind Tauben.“ Die Tauben sind in der Bibel ein Symbol der Treue, weil Tauben die Tendenz haben, als Pärchen zusammenzubleiben – im Gegensatz zum Üblichen in der Tierwelt. Darum sprechen Tauben von Treue.
Wenn der Herr – ich sage schon „der Herr“ – wenn Salomo zu Sulamit sagt: „Deine Augen sind wie Tauben“, dann bedeutet das: Wenn du mich anschaust, ist dein Blick nur für mich. Du hast keinen anderen im Sinn.
Jetzt übertragen: Wir haben schon gelesen in 2. Korinther 11, dass Paulus Angst bei den Korinthern hatte, dass ihr Blick abgewandt werden könnte von Christus, von dieser Einfalt gegenüber Christus, nur ihn zu sehen und nur für ihn da zu sein. Also drückt das aus: „Deine Augen sind Tauben.“
Dann wird noch ein drittes Bild hinzugefügt: „Hinter deinem Schleier.“ Was bedeutet der Schleier? Das können wir leicht erkennen, wenn wir die Liebesgeschichte von Isaak und Rebekka lesen. Am Ende von 1. Mose 24 kommt Rebekka, nachdem sie sich klar für Isaak entschieden hat. Sie sieht jemanden und fragt: „Wer ist das?“ Dann wird ihr erklärt: „Das ist dein Herr.“
Dann heißt es: „Und Rebekka nahm ihren Schleier und beschleierte sich.“ Damit sagt sie: „Ich bin reserviert, nur noch für einen. Meine Schönheit ist nicht für andere Männer; meine Schönheit ist reserviert für einen Mann.“
So ist der Schleier noch einmal ein Ausdruck der Treue und der Hingabe: „Ich bin reserviert für ihn.“ Und so bleibt es auf einer Linie: „Deine Augen sind Tauben hinter deinem Schleier.“
Wenn wir lesen: „Siehe, du bist schön, meine Freundin“, verstehen wir, dass wir den Herrn bewundern können, wenn wir seine Majestät und seine Herrlichkeit in der Bibel sehen. Aber hier ist es umgekehrt: Der Herr sagt, was wir für ihn bedeuten, dass er Schönheit in uns sieht. Das ist doch erstaunlich.
Wenn es in Epheser 1,7 heißt, dass Gott uns begnadigt hat in dem Geliebten – „begnadigt“ kann man auch übersetzen mit „angenehm gemacht in dem Geliebten“ – dann hat Gott seit unserer Bekehrung eigentlich die Schönheit und die Herrlichkeit seines Sohnes auf uns gelegt, uns zugerechnet. Darum sind wir angenehm gemacht in dem Geliebten, und deshalb kann der Herr Schönheit in uns sehen.
Dann gehen wir weiter: „Dein Haar“ – ein zweiter Punkt.
Symbolik von Haaren und Zähnen
Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagern. Hier sieht Salomo die geöffneten Haare. Sie wallen herab wie eine Ziegenherde, die an den Abhängen Gileads grast. Von weitem erkennt man die Bewegung der schwarzen Ziegen, ihre schwarzen Haare. Daher stammt das Bild: „Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen an den Abhängen des Gilead.“
Nun müssen wir uns fragen, was die Haare bedeuten, was die Ziegenherde symbolisiert und was das Gebirge Gilead aussagt. Dabei dürfen wir nicht phantasieren, sondern müssen sorgfältig überlegen, was diese Bilder in der Bibel bedeuten.
Das Haar steht in der Bibel für Treue. In Jeremia 7 wird das ehebrecherische Israel aufgefordert, die Haare abzuschneiden. Jeremia 7,29 spricht zu dem untreuen Juda: „Schere deinen Haarschmuck und wirf ihn weg.“ Danach wird beschrieben, welche Gräuel und Götzendienste sie begangen haben. Das Wort für Haarschmuck ist verwandt mit dem Wort für Nasir. Die Naziräer ließen ihre Haare wachsen; das war ein Zeichen ihrer Weihe an Gott (4. Mose 6). Hier wird das Frauenhaar mit dem verwandten Wort Näsr genannt – das ungeschnittene Haar.
Gott sagt: „Schneide das ab!“ Warum solltest du das Symbol der Treue tragen, wenn du untreu geworden bist? In 1. Korinther 11 wird erklärt, dass das Haar der Frau anstelle eines Schleiers gegeben ist. Es hat also auch die Bedeutung von Treue. Wenn Juda die Haare frei wachsen ließ, bedeutete das: Ich bin grenzenlos treu und hingebungsvoll. Aber warum sollte sie dieses Symbol tragen, wenn es eine Lüge ist? Deshalb sagt Gott: „Schneide es ab, weg damit!“
Das Haar, das von der Treue spricht, wird hier mit einer Herde Ziegen verglichen. Die Ziegen spielen im Opferdienst Israels (3. Mose 1-7) eine wichtige Rolle, besonders im Zusammenhang mit dem Sündopfer. Das Sündopfer schlechthin ist die Ziege.
Wenn wir bedenken, was es gekostet hat, dass der Herr Jesus als Sündopfer für uns sterben musste, ist es klar, dass wir ihm die Treue halten wollen. Wie es in 2. Korinther 5 heißt: Er ist gestorben, damit die, die leben, nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den, der gestorben ist (2. Korinther 5,14-15).
Dann haben wir Gilead. Gilead wird in der Prophetie, zum Beispiel in Micha 7,14, als das Gebiet des Segens erwähnt. Dort wird Gott Israel in der Zukunft seinen vollen Segen geben. Gilead war ein Gebiet, das besonders für Viehzucht bekannt war. Übrigens gehören die Golanhöhen zum Gebiet Gilead. In Micha 7 wird erklärt, dass Gott Israel in der Endzeit das Gebiet von Gilead als Segen schenken wird.
So haben wir also diese Verknüpfung: Dein Haar steht für unsere Treue als Dank für den Herrn, der unser Sündopfer geworden ist, und zugleich im Blick auf den zukünftigen Segen, den er für uns bereithält.
Dann geht es weiter: Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme heraufkommen, welche alle Zwillinge gebären, und keines unter ihnen ist unfruchtbar.
Wer hat schon mal so einen Liebesbrief geschrieben? Aber die Poesie ist wunderbar und nicht unerklärlich. Hier werden die Zähne mit einer Schafherde verglichen, und zwar mit einer geschorenen, die gerade aus dem Wasser, aus der Schwemme, heraufkommt. Diese Schafherde bringt Zwillinge zur Welt – ein Zwillingspaar nach dem anderen – und keines ist unfruchtbar.
Jetzt wollen wir das natürlich erklären: Die Zähne werden mit Schafen verglichen. Die weißen Schafe sind nicht wirklich weiß, sondern haben ein weiß, das ins Gelbliche geht – ekry, gelblich. So sind auch die Zähne; sie haben einen natürlichen Farbton, der ins Gelbliche tendiert.
Es wird aber erklärt, dass es sich nicht einfach um Schafe handelt, sondern um geschorene Schafe. Alles ist glatt abgeschoren, das heißt, es gibt keine Speisereste oder Zahnstein darauf. Alles ist sauber und glatt – eine schöne Stelle für jede Zahnarzthelferin oder noch besser für jede Dentalhygienikerin. Jeder Zahnarzt hätte daran seine Freude.
Noch mehr: Es heißt weiter, dass alle Zwillinge gebären. Im Gebiss haben wir immer Zwillinge – zwei Zähne, die sich genau entsprechen, oben und unten. Hier wird gesagt, dass keines unfruchtbar ist. Das bedeutet, es gab keine Zahnlücke im Gebiss der Sulamit; es war vollständig – das ist die wörtliche Bedeutung.
Nun die Übertragung: Die Zähne brauchen wir zur Nahrungsaufnahme, und geistlich müssen wir ebenfalls Nahrung aufnehmen. Dafür ist es wichtig, dass unsere Zähne intakt sind. Menschen mit kaputten Zähnen haben auch Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme.
Die Zähne stehen also für geistliche Nahrungsaufnahme. In Jeremia 15 heißt es: „Deine Worte waren vorhanden, ich habe sie gegessen, und sie waren zur Freude und Wohltat meines Herzens.“ Saubere Zähne symbolisieren, wie wir uns geistlich vom Wort Gottes nähren, indem wir unser Leben immer wieder in Ordnung bringen, säubern und reinigen.
Die Dentalhygiene kann uns daran erinnern, dass wir bei jedem Zähneputzen auch geistlich den Sauerteig der Sünde aus unserem Leben hinausfegen müssen. Wirklich, auch die Zwischenräume müssen gereinigt werden, zum Beispiel mit Zahnseide, damit sich weniger Zahnstein bildet. Ebenso müssen wir geistlich unser Leben immer wieder ordnen.
Die Schafe kommen aus der Schwemme herauf – das ist natürlich der Speichel an den Zähnen. Deshalb sind es „nasse“ Schafe. Keines ist unfruchtbar, also alle haben die Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen.
In 1. Korinther 3 sagt Paulus zu den fleischlichen Korinthern: „Ich konnte euch nicht feste Speise geben, ihr seid dazu gar nicht fähig, ihr braucht Babymilch.“ Das spricht von geistlicher Reife.
Die Zeit ist am Ende. Wir könnten noch weitergehen, zum Beispiel mit den Lippen, die wie eine Karmesin-Schnur sind, oder mit den Schläfen. Alles hat seine geistliche Bedeutung.
Wir erkennen: Das sind Schätze, die es hier zu heben gilt. Sie sind von praktischer Bedeutung für unser Glaubensleben und unsere Beziehung zu unserem Erlöser, der am Kreuz alles gegeben hat und sogar bereit war, in den Tod zu gehen, damit er uns ganz für sich haben kann.
