Einführung in die Symbolik des Zweiten Tempels zur Zeit Jesu
Das Thema lautet, wie angekündigt, der Messias im Tempel. Es geht um die Symbolik und die Bedeutung des Zweiten Tempels im Licht des Neuen Testaments.
Wir gehen zurück in die Zeit Jesu, nach Jerusalem im Jahr 30 nach Christus. Der Tempelplatz war damals so gewaltig ausgebaut, dass er einen Zehntel der Stadtfläche einnahm. Auf diesem Stadtplan sehen Sie, dass er förmlich das ganze Bild der Stadt Jerusalem dominiert.
Anhand dieses Führers sollten wir uns ein wenig orientieren können: Hier ist der Tempelplatz, im Osten das Kidron-Tal und weiter östlich der Ölberg. Im Westen der Stadt sehen wir eine eindrückliche Burg mit drei gewaltigen Türmen. Das war damals das Prätorium der Römer, der Sitz von Pontius Pilatus.
Im Mittelbereich zwischen Tempel und dem Sitz der Römer lag die Makkabäerburg. Zur Zeit Jesu residierte dort an großen Festen Herodes Antipas, der Vierfürst aus Galiläa. Im Norden der Stadt befinden sich die zwei Teichbecken, die Bethesda-Teiche, die auch im Neuen Testament eine Rolle spielen.
Im Süden der Stadt gab es ein öffentliches Ritualbadhaus mit einem Ausfluss. Das war der Teich Siloah. Westlich außerhalb der Stadt lag ein Steinbruch, ein ausgedienter Steinbruch. Die Römer führten dort Todesstrafen durch, also Kreuzigungen. Das war Golgatha, der Ort, an dem Jesus Christus im Jahr 32 von den Römern hingerichtet wurde.
Diese Informationen helfen uns als Einstieg in die Symbolik des Zweiten Tempels zur Zeit Jesu. Was bedeutet dieser Tempel nicht nur architektonisch, sondern auch geistlich?
Die Bibel erklärt, dass dieser Tempel ein Bild des Messias ist, des im Alten Testament verheißenen Erlösers. In Johannes 2,19 lesen wir: „Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Die Juden entgegneten: „46 Jahre ist an diesem Tempel gebaut worden, nämlich vom Jahr 19 vor Christus an. Und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?“ Jesus aber sprach von dem Tempel seines Leibes.
Jesus Christus spricht im Tempel von sich selbst als dem Tempel. Das beruht auf Jesaja 8,14, wo vom Messias gesagt wird, er werde zum Heiligtum sein. Wenn wir den Tempel im Detail verstehen wollen, verstehen wir automatisch auch besser, wer der Messias, der Erlöser, ist.
Mehrdimensionale Bedeutung des Tempels
Zweitens ist der Tempel ein Bild des himmlischen Tempels. Die Bibel lehrt, dass es im Himmel ein Urbild, einen Archetyp des Tempels gibt. Von diesem himmlischen Tempel sind der Tempel auf Erden, die Stiftshütte, der Saddamotempel und der Zweite Tempel nur Abbildungen.
In Offenbarung 11,19 heißt es: „Und der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet. Und die Bundeslade des Herrn wurde in seinem Tempel gesehen.“ Wer den Tempel gut versteht, versteht dadurch auch einiges mehr über den Himmel.
Drittens ist der Tempel ein Bild der Gemeinde oder der Kirche. Wie man es auch nennt, ist das nicht so wichtig, solange man das Richtige meint. Wenn die Bibel von der Kirche spricht, meint sie nicht ein Gebäude mit Turm, sondern die Menschen. Genauer gesagt, die Gesamtheit der Menschen, die an Jesus Christus als ihren persönlichen Erlöser glauben.
Das ist die Kirche, unabhängig davon, ob diese Menschen nun in der protestantischen Kirche sind, in einer Freikirche oder gar nicht in eine Kirche gehen. Alle, die an Jesus Christus glauben, bilden zusammen nach der Bibel die Kirche, die Gemeinde.
Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Korinther 3,16). Wer den Zweiten Tempel kennt und versteht, versteht dadurch auch besser, was die Kirche, die Gemeinde nach Gottes Plan ist.
Viertens ist der Tempel auch ein Bild des einzelnen Erlösten, das heißt des einzelnen Menschen, der durch den Glauben an Jesus Christus erlöst worden ist. Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther: „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des in euch wohnenden Heiligen Geistes ist, den ihr von Gott empfangen habt? Und dass ihr nicht euch selbst gehört, denn ihr seid um einen Preis erkauft worden? Verherrlicht nun Gott in eurem Leib und in eurem Geist, die Gott gehören“ (1. Korinther 6,19-20).
Wir sehen also, dass der Tempel auf verschiedenen geistlichen Ebenen verstanden werden muss. Dies lässt sich anhand folgender Schematik besser nachvollziehen:
Die Bibel spricht von einem Urbild, einem Abbild und einem Sinnbild. Das Urbild, der Archetyp, ist der himmlische Tempel. Das irdische Abbild war der Tempel in Jerusalem. Beide, sowohl Urbild als auch Abbild, haben eine sinnbildliche Bedeutung.
Diese sinnbildliche Bedeutung erfüllt sich in der Person des Messias, in der Gemeinde und im einzelnen Erlösten. Wenn man dieses Schema verstanden hat, besitzt man einen biblischen Zugang zur tieferen Bedeutung des Tempels.
Archäologische und bauliche Übersicht des Tempelplatzes
Nun wollen wir uns eine Übersicht verschaffen. Wir sehen hier das präziseste Modell, das es zurzeit vom Tempel gibt, basierend auf den neuesten archäologischen Ermittlungen durch Lane Rittmeier.
Hier ist der Tempel von Osten aus zu sehen. Das eigentliche Tempelhaus befindet sich ganz zentral. Es ist mehr als fünfzig Meter hoch und zu großen Teilen mit Goldplatten überzogen. So wirkt es eindrücklich und gewaltig – in der Höhe vergleichbar mit einem etwa zweiundzwanzigstöckigen Hochhaus.
Das Tempelhaus ist zunächst von einem inneren Vorhof umgeben, der als Lager der Schechina bezeichnet wird, in Anlehnung an die Stiftshütte. Diese bestand aus einem Zelt, dem Tempelhaus, und einem Zaun darum herum. Das war das Lager der Schechina. Die Schechina ist die Wolkensäule, nachts eine Feuersäule, die über dem Allerhöchsten der Stiftshütte stand.
Man hatte hier in Jerusalem gewissermaßen das Gleiche beibehalten wie damals, etwa 1500 Jahre früher, nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste Sinai – das Lager der Schechina.
Vorgelagert gibt es noch einen weiteren Vorhof, den Vorhof der Frauen. Das Ganze war umzäunt durch eine kleine Barriere, die Zwischenwand der Umzäunung. Diese trennte Juden von Nichtjuden. Darauf werde ich später noch genauer eingehen; hier geht es nur um die Übersicht.
Nun sehen Sie, dass all diese Vorhöfe in ein Quadrat von 500 mal 500 Ellen eingerahmt sind. Das entsprach dem Tempelplatz des ersten Tempels, des salomonischen Tempels, mit den Maßen 250 mal 250 Meter.
In den Jahren vor Christi Geburt wurde der Tempel jedoch massiv erweitert, vor allem nach Norden. Hier wurde das Bezethertal aufgeschüttet, um die Plattform vergrößern zu können. Im Westen baute man in das Käsemachertal hinein und erweiterte mit der Westmauer. Im Süden erfolgte eine besonders massive Erweiterung: Dort wurde die prächtigste von allen äußeren Hallen errichtet, die sogenannte königliche Säulenhalle.
Diese Halle war der Sitz des obersten Gerichtshofs, des Sanhedrins, und befand sich in der Südostecke. Außerdem war hier der Markt, auf dem man Opfertiere kaufen konnte.
Im Osten sehen Sie das Osttor des Tempels, das uns später noch mehr interessieren wird. Vorgelagert war die Stadtmauer, und leicht versetzt zum Osttor im Tempel befand sich in der Stadtmauer das Tor Mifkat, das Tor der Vergeltung.
Gut zu erkennen ist auch die Nordwestecke, wo die Burg Antonia lag. Dort war eine Garnison Legionäre stationiert. Die römische Macht wachte über den Tempel, um sicherzustellen, dass keine Revolte gegen die Römer entstehen konnte.
Der Tempelplatz heute und seine archäologischen Spuren
Nun schauen wir uns das von Osten an, wie es heute aussieht. Diese 144 Quadratmeter können Sie heute hier gut wiedererkennen. Dort, wo heute der Felsendom steht, befand sich das eigentliche Tempelhaus, nämlich auf dem Felsen, der die natürliche Bergspitze Zions bildet.
Dort, wo im Süden die El-Aqsa-Moschee steht, erstreckte sich entlang der gesamten Südlänge die königliche Säulenhalle. Der Sitz des Sanhedrins war in dieser Ecke. Außerdem wurden an der Stelle, wo heute die El-Aqsa-Moschee steht, die Opfertiere verkauft.
In der Nordwestecke, wo die Burg Antonia stand, befindet sich heute eine islamische Schule, die Umariya genannt wird. Das zugemauerte goldene Tor markiert die Stelle, an der sich das frühe Osttor des Tempels befand. Die vorgelagerte Stadtmauer ist heute nicht mehr sichtbar. Sie wurde vollständig dem Erdboden gleichgemacht und später nie wieder aufgebaut.
Nun sehen Sie hier einen Blick hinunter ins Kidron-Tal. Wir fliegen bei diesem Bild knapp über den Ölberg und haben so einen Blick ins Kidron-Tal hinüber zum Tempelplatz.
Schauen wir uns das nun von Westen und von Süden an. Im Westen hatte die äußere Tempelmauer eine Länge von etwa 488 Metern. Alle vier Eingänge, die Sie hier sehen – das Robinson-Tor mit dem Robinson-Bogen, das Barclay-Tor, das Tor über dem Aquädukt, weiter über dem Wilson-Bogen und schließlich das Worm-Tor – sind heute archäologisch belegt.
Die Klagemauer befindet sich im Bereich zwischen diesen Eingängen, also zwischen dem Eingang über dem Wilson-Bogen und dem Barclay-Tor. Die Frauen beten hier am Barclay-Tor, die Männer beten am Felsenbogen.
Der berühmte rabbinische Tunnel, der in den vergangenen Jahren am Tempelberg unter vielen Häusern hindurch gegraben wurde, verläuft als Fortsetzung der Klagemauer. Er hat den gesamten Rest dieser Westmauer bis zur Burg Antonia freigelegt. Das war lange Zeit unbekannt und nicht sichtbar. Durch die Ausgrabung ist die ganze Länge nun archäologisch belegt.
Im Süden befand sich der Hauptzugang für das Volk. Dort gibt es das Doppeltor, die sogenannte Schöne Pforte, und weiter das Dreifachtor für die Priester. Dieses führte unter der Königs-Säulenhalle auf den Tempelplatz.
Der Tempelplatz heute, Blick von Südwesten: Hier sehen Sie die Klagemauer und auch, wie unter den Häusern, die alles überdeckt hatten, der Tunnel gegraben wurde. Dabei kam die Fortsetzung der Klagemauer auf Hunderten von Metern ans Licht.
Hier sehen Sie die Südmauer. Dort hat man eine gewaltige monumentale Treppe für das Volk freigelegt. Zur Schönen Pforte wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls archäologische Funde gemacht. Im Hintergrund ist der Ölberg zu sehen, hier die Ostmauer.
Der Weg zum Passafest und die Bedeutung der schönen Pforte
Dieser Überblick mag zunächst trocken wirken, doch er ist notwendig. Stellen wir uns vor, wir sind ganz gewöhnliche Juden und reisen zum Passafest im Frühjahr nach Jerusalem. Dieses Fest war immer ein Höhepunkt im Jahr. Menschen aus Galiläa, etwa aus Nazaret oder anderen Orten, kamen hierher, um den Tempelgottesdienst zu erleben.
Nach der Tora mussten alle Männer nach Jerusalem kommen. Für die Frauen war die Teilnahme freiwillig, da sie oft durch Kinder oder andere Verpflichtungen daran gehindert waren. Dennoch war das Passafest gewissermaßen die Zusammenkunft des gesamten jüdischen Volkes im Tempel von Jerusalem.
Auf dem Weg dorthin sang man Psalm 122: "Ich freute mich, als sie zu mir sagten: Lasst uns zum Haus des Herrn gehen!" (Psalm 122, Vers 2). Unter Flötenbegleitung reiste man von Orten wie Galiläa nach Jerusalem und sang diese sogenannten Stufenlieder.
Wir kommen nun zur schönen Pforte, dem Haupteingang für das Volk. Hier sehen Sie eine monumentale, vorgelagerte Treppe, die 64 Meter breit ist. Heute sind davon noch Überreste zu sehen. Der rechte Toreingang der schönen Pforte ist noch vorhanden, wurde aber später zugemauert.
Davor liegt die ausgegrabene Treppe, über die das Volk zum Tempel hinaufstieg. Das Tor ist durch einen späteren Anbau, vermutlich aus byzantinischer Zeit, verdeckt. Wäre dieser Anbau entfernt, kämen weitere Teile ans Licht.
Hier sehen Sie eine Rekonstruktion der beiden Toreingänge. Darüber befindet sich der Sturz, oder einfacher gesagt, die Oberschwelle, die noch heute sichtbar ist. Zusammen mit einer statischen Verstrebung erkennt man einen Bogen über dem Sturz.
Dieser Bogen wurde gebaut, weil das Gewicht der oberen Steine zu groß gewesen wäre und der Sturz hätte zusammenbrechen können. Durch den Bogen wurde das Gewicht auf die Türpfosten verteilt, was die Konstruktion stabil machte.
Der verzierte Sturz stammt aus späterer Zeit und ist islamischen Ursprungs. Der heute noch sichtbare Sturz und der darüber liegende Bogen sind jedoch original aus der Zeit des zweiten Tempels. Das helle Material ist sichtbar, das dunkle ist überbaut.
Aus Sicherheitsgründen lässt man den Anbau besser stehen, um Konflikte zu vermeiden.
Man betrat den Tempel durch die schöne Pforte und gelangte in einen Tunnel, der am Ende zum Tempelplatz führte. Die flachen Kuppelbauten im Tunnel sind architektonisch zum ersten Mal in der Geschichte Jerusalems hier zu finden. Sie waren prächtig mit wunderbaren Verzierungen geschmückt.
Man ging rechts hinein und kam links wieder heraus – so war die logistische Ordnung. Es gab jedoch Ausnahmen. Wer Probleme hatte, durfte links hineingehen, damit andere wussten, dass er Hilfe brauchte. Dann wurde man angesprochen: „Wie geht es dir?“ und konnte offen sagen: „Ganz miserabel.“
So übte das Volk selbst Seelsorge aus. Sie brauchten keine Psychotherapeuten, denn die Ermutigung kam von der Gemeinschaft des Volkes Gottes.
Im Neuen Testament heißt es dazu im 1. Thessalonicher 4, Vers 18: „So ermuntert nun einander mit diesen Worten.“ Weiter in Kapitel 5, Vers 11: „Deshalb ermuntert einander und erbaut einer den anderen, wie ihr es auch tut.“ Und Vers 14: „Wir ermahnen euch aber, Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmt euch der Schwachen an, seid langmütig gegen alle!“
Wenn man diese Prinzipien lebt, können viele schlimme seelische Entwicklungen frühzeitig verhindert werden. So müssen nicht erst große Probleme entstehen, bei denen erfahrene Seelsorger nur noch Rat geben können.
Hier sehen Sie eine Rekonstruktion einer solchen Kuppel, die sich unter der El-Aksa-Moschee befindet. Sie ist noch in der Struktur erhalten und reich verziert mit geometrischen und pflanzlichen Figuren im Tunnel der schönen Pforte.
Die Heilung des Gelähmten an der schönen Pforte
In der Apostelgeschichte, Kapitel 3, liest man von einem Gelähmten, der täglich an den Eingang der Schönen Pforte saß. Heute kann man genau rekonstruieren, wo dieser Mann gesessen haben muss. Ich habe den Ort hier eingezeichnet, denn wir wissen, dass man rechts hineinging. Das war also ein idealer Platz, um von den Eintretenden Geld zu erbitten.
Petrus ging zusammen mit Johannes zum Tempel. Die beiden Jünger Jesu gingen vorbei, und der Gelähmte wollte gerne ein Almosen. Weiter lesen wir, dass Petrus geradewegs mit Johannes auf ihn blickte und ihn ansprach. Der Mann achtete jedoch auf die Leute in der Erwartung, etwas von ihnen zu empfangen.
Petrus aber sagte: "Silber und Gold habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich dir. Im Namen Jesu, des Messias von Nazareth, steh auf und geh!" Er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sofort wurden seine Füße und Knöchel stark.
Dieser Mann war ein armer Mann, der seit vierzig Jahren gelähmt war – seit seiner Geburt. Er war gewissermaßen draußen vor der Tür. Er konnte nicht in das Haus Gottes gehen, um dort eine Begegnung mit Gott zu haben. Das gleicht doch uns allen. Geistlich sind wir von Natur aus alle gelähmt. Wenn wir versuchen, die Gebote der Bibel, die zehn Gebote und viele andere, aus eigener Kraft einzuhalten, merken wir, dass wir es nicht können. Wir sind nicht fähig, gottgemäß zu leben. Wir sind in Bezug auf Gott gelähmt.
Wenn wir uns fragen, welche Beziehung wir von Natur aus zu Gott haben, müssen wir uns eingestehen: gar keine. Wir sind draußen vor der Tür. Aber der Gelähmte hatte hier eine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus, dem Messias, durch Petrus und Johannes, die auf ihn hinwiesen. So wurde er stark und konnte herumspringen – so steht es im weiteren Text.
Das war ein gewaltiges Erlebnis. Hier sehen wir die originalen Treppen, und eigentlich sollte man dort nicht herumspringen. Als meine Tochter Tirza sechs Jahre alt war, gingen wir zusammen zum Tempelberg. Sie war schon interessiert an Tempelarchäologie, aber natürlich ganz kindlich. Ich sagte zu ihr: "Tirza, versuch mal, die Treppe hier hochzuspringen." Sie versuchte es und sagte: "Es geht nicht." Warum? Die Stufen sind unterschiedlich hoch.
Das haben die Architekten extra so gemacht, damit die Leute in einem würdigen Schritt zum Haus Gottes hinaufgehen und nicht herumspringen. Was Sie auch noch sehen: Diese Treppen sind aus dem originalen Grundfelsen des Berges Zion herausgeschlagen. Man ging also auf dem Felsen des Berges hinauf – und gerade in diesem Bereich wurde der Gelähmte in seinen Füßen gestärkt.
Das erinnert uns an Psalm 40, Vers 2b, einen Psalm, den man im Tempel sang: "Und er hat meine Füße auf einen Felsen gestellt, meine Schritte befestigt, und in meinen Mund hat er gelegt ein neues Lied, einen Lobgesang unserem Gott."
Der Gelähmte ging mit Johannes und Petrus zum ersten Mal selbständig gehend in den Tempel hinein.
Rituelle Reinigung und der Weg zur Umkehr
An der Monumentaltreppe befand sich ein öffentliches Ritualbadhaus. Das Gesetz Mose schrieb vor, dass man sich äußerlich reinigen musste, wenn man zum Tempel ging. Man kann dies als rituelle Reinigung bezeichnen. Das Gesetz zeigt, auf welche verschiedene Arten man unrein, also rituell unrein, werden kann. Vor einer Begegnung im Tempel musste man daher zuerst gereinigt sein.
Ich habe hier links ein Ritualbad fotografiert, das unmittelbar neben dieser Zugangstreppe liegt. Es war Teil des öffentlichen Hauses, das Sie vorhin im Modell gesehen haben. Sie sehen die Treppen hinunter zum Bad, das mehrere hundert Liter fasste. Der Weg verläuft über einen schmalen und einen breiten Pfad, die hier voneinander getrennt sind. Im unreinen Zustand ging man auf dem breiten Weg nach unten. Man tauchte sich vollständig ins Wasser ein, machte dann eine 180-Grad-Kehrtwende und stieg im gereinigten Zustand den schmalen Weg hinauf.
Es gibt viele ausgegrabene Ritualbäder. Einige haben sogar zwei Türen, nicht nur zwei Wege. Auch in der Nähe des Tempeleingangs habe ich ein Ritualbad fotografiert, das zwei Zugänge zeigt, neben dem zweifachen Weg. Dies erinnert an die Worte Jesu in der Bergpredigt: Matthäus 7,13-14 „Geht hinein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der zum Verderben führt, und viele sind, die auf ihm hineingehen. Wie eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind es, die ihn finden.“
Nach der Bibel sind wir alle vor Gott unrein und befinden uns auf dem breiten Weg, der nach unten führt. Doch wie können wir vom breiten Weg auf den schmalen Weg des Lebens gelangen? Es braucht eine Umkehr von 180 Grad. Das meint die Bibel mit Bekehrung. Das Wort „Bekehrung“ wird oft von Sekten für sich beansprucht, ist aber ein biblischer Begriff. Bekehrung bedeutet Umkehr zu Gott.
Wir haben ein Leben geführt, in dem wir keine Beziehung zu Gott hatten, waren gewissermaßen „draußen vor der Tür“. Nun kehren wir um 180 Grad. Das wird hier eindrücklich illustriert. Wir müssen eine ganz bewusste Entscheidung treffen, um vom breiten Weg auf den schmalen Weg zu gelangen. Das geschieht nicht automatisch.
Paulus erklärt in Epheser 5,25 mit einer Anspielung auf die jüdischen Ritualbäder, was dieses Wasserbad bedeutet. Er gibt Unterricht zur Ehebeziehung und sagt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, gleichwie auch der Messias die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, damit er sie heiligte, nachdem er sie gereinigt hatte durch die Waschung mit Wasser durch das Wort.“
Das reinigende Wasser wird mit der Bibel verglichen. Wie kann die Bibel uns reinigen? Ganz einfach: Es gibt Menschen, die die Bibel lesen, um darin Fehler zu finden. Doch nach einiger Zeit merken sie, dass die Bibel bei ihnen Fehler entdeckt. Dann braucht es Mut, die Bibel weiterzulesen. Die Bibel deckt unser Leben auf und zeigt, was vor Gott Sünde ist – vielleicht nicht in unserem Wertesystem, aber in Gottes Wertesystem.
So führt die Bibel uns dazu, unsere Sünde und Schuld Gott reuig zu bekennen. Die Bibel verspricht, dass Gott dann mit Vergebung antwortet. So reinigt die Bibel. Verbunden mit einer 180-Grad-Kehrtwende kommen wir auf den Weg des Lebens. Das wird hier sehr schön illustriert.
In Hebräer 6,2 wird an die Messiasgläubigen, also Juden, nochmals erinnert, was die Grundlagen des Judentums sind. Dort wird unter anderem die Lehre von Waschungen erwähnt – das sind diese Ritualbäder.
Südlich der Schönen Pforte wurden Dutzende von Ritualbädern ausgegraben, ein ganzes System von Ritualbädern. Nun verstehen Sie, wie es möglich war, dass am Pfingsttag etwa 3.000 Menschen aus dem Judentum zum Glauben an den Messias Jesus kamen. Sie wurden am selben Tag getauft (Apostelgeschichte 2).
Kritiker sagen oft, das sei nicht authentisch, denn es gebe in Jerusalem keinen Fluss und keinen See. Doch nach Apostelgeschichte 2 war es etwa neun Uhr morgens, die Zeit, zu der man zum Morgenbrandopfer und zur Tempelöffnung hinaufging. Die Neugetauften waren alle auf dem Weg zum Tempel und wurden vom Pfingstwunder überrascht.
Die Jünger Jesu redeten in vielen Sprachen – das Sprachenwunder von Pfingsten. Das überwältigte die Menschen, die Petrus zuhörten, wie er über Jesus, den Messias, predigte, der kürzlich gestorben, aber nun auferstanden war. Dreitausend Menschen übergaben ihr Leben Jesus Christus und wurden getauft.
Wo? Dort gab es Dutzende von Ritualbädern, in denen diese Massentaufe der messianisch gläubigen Juden durchgeführt werden konnte.
Zugang zum Tempel und die Bedeutung der Hulda-Tore
Nun sehen Sie hier nochmals das Doppeltor und hier das Dreifachtor. Beide Torbereiche führten in einen Tunnel hinein, der am Ende über Treppen auf den Tempelplatz hinaufführte. Anschließend kam man direkt vor die Hulda-Tore, das sind die westlichen und östlichen Hulda-Tore auf dem Tempelplatz.
Warum hießen die Hulda-Tore so? Weil „Hulda“ oder „Chulda“ im Hebräischen eigentlich „Maulwurf“ bedeutet. Wie ein Maulwurf geht man durch den Tunnel hinauf zum Tempelplatz.
Nun schauen wir uns das westliche Hulda-Tor an. Wir stehen hier heute auf dem Tempelplatz. Ich war erst vor ein paar Wochen dort und habe einen Schweizer und einen Österreicher herumgeführt. Wie kam es dazu? Wir waren gerade oben, meine Frau, ich und unsere kleinsten Kinder, Haniel und Noemi. Oberhalb des Kiedrontals haben wir hinuntergeschaut und uns diese Sicht so richtig zu Gemüte geführt – eine Sicht, die der zur Zeit von Jesus Christus sehr ähnlich war. Im Tal war niemand zu sehen.
Meine Frau braucht zwischendurch Energie, um mit mir diese Führungen durchzuführen. Deshalb hat sie einen Apfel gegessen und ihn dann ins Kiedrontal entsorgt. Plötzlich hörten wir Stimmen unten. Tatsächlich hatte der Apfel jemanden genau auf die Stirn getroffen. Wir entschuldigten uns sehr und sagten, es tut uns leid, wir hatten niemanden gesehen. Schließlich ist ein Apfel ja Biomasse, die der Erde wieder zugeführt wird – kein Problem, wenn man sie wegwirft. Aber voll getroffen zu haben, war dann doch etwas anderes.
Ich bin dann hinunter ins Kiedrontal gegangen und habe mich bei den Männern entschuldigt. Einer fragte mich: „Sind Sie Roger Liby?“ Ich antwortete: „Ja.“ Er sagte: „Wir sind hier mit dem Buch der Messias im Tempel unterwegs und wollen uns alles anschauen.“ Gut, dann habe ich sie herumgeführt, auch später noch auf dem Tempelplatz.
So wurde die Schuld ein bisschen beglichen. Was noch schön war: Als der Schweizer den Apfel an den Kopf bekam, sagte der Österreicher: „Das war sicher Roger Liby.“ Aber es war nicht Roger Liby, sondern Mirjam Liby. So führt Gott. Das sind eben keine Zufälle. Man weiß sich in Gottes Hand, und es gibt keine wirklichen Zufälle.
Nun waren wir also da oben. Ich habe erklärt: Hier, dieser Aufgang vor der Al-Aqsa-Moschee, ist in der Struktur noch derselbe Aufgang von der Schönen Pforte. Gerade nach diesem Aufgang ging die Mauer des 500-Ellen-Quadrates vorbei, dort war eben das Hulda-Tor.
Jetzt gehen wir durch dieses Hulda-Tor hinein in die inneren Bereiche des 500-Ellen-Quadrats. Ich lese Psalm 118, Vers 19: „Öffnet mir die Tore der Gerechtigkeit, ich will durch sie eingehen; den Ewigen will ich preisen. Dies ist das Tor des Herrn; die Gerechten werden durch dasselbe eingehen.“ Die Psalmen sind ja das Liederbuch des Tempels.
Wir schauen uns noch genauer das 500-Ellen-Quadrat an, den ursprünglichen Tempelplatz Salomos bei den Hulda-Toren. Wenn man weiter hineingeht, kommt man zu einer kleinen Abschrankung, der Zwischenwand der Umzäunung.
Lenrit Meyer hat vor ein paar Jahren dieses ursprüngliche 500-Ellen-Quadrat archäologisch wieder rekonstruieren können. Das ist eine spannende Geschichte, die ich Ihnen am Samstag erzählen werde, wenn Sie kommen.
Ich gehe jetzt einfach von dieser Tatsache aus: Hier das rekonstruierte 500-Ellen-Quadrat auf dem Tempelplatz, der eigentlich heilige Bereich.
Nun können wir die ganze Geschichte des Tempelbergs anhand dieses Bildes verstehen. Sie sehen hier den Berg Zion. Der höchste Punkt ist der Felsen, arabisch Sachra. Salomo baute auf dem Sachra das Allerheiligste des Tempelhauses. Später wurde der Zweite Tempel genau an der Stelle des Alten gebaut.
Der salomonische Tempel war umgeben von einem 500-Ellen-Quadrat, wie Sie hier sehen. Im zweiten Jahrhundert vor Christus, in der Zeit der Makkabäer, wurde der Tempelplatz nach Süden erweitert. Ich erzähle jetzt nicht warum, denn wir sollten den Vortrag nicht zu lang machen – er soll nicht länger als neunzig Minuten dauern, auch der Kassette zuliebe.
In den Jahren vor Christi Geburt wurde hier im Norden erweitert, indem man das Bezertotal aufgeschüttet hat. Im Westen wurde das Tyropeion, das Käsemachertal, hineingebaut. Sie sehen nun den Bereich der Klagemauer zwischen diesen beiden Eingängen.
Die Klagemauer ist also kein Überrest des salomonischen Tempels, sondern nur des Zweiten Tempels. Ich meine das nicht abwertend, sondern einschränkend.
Nach Süden wurde der Tempelplatz ganz massiv ausgebaut. Nun sehen Sie die Schöne Pforte mit dem Tunnel, das Dreifachtor mit dem Tunnel.
Golgatha lag auf dem Nachbarhügel, dem Nordosthügel Jerusalems.
Die Zwischenwand der Umzäunung und die Einheit der Kirche
Nun schauen wir uns diese Zwischenwand der Umzäunung genauer an. Sie stellte die totale Trennung zwischen Juden und Nichtjuden dar. Heiden durften nur bis zu dieser Grenze gehen. Doch man hatte wenigstens den Heidenvorhof so massiv erweitert, dass möglichst viele hierherkommen konnten, um auch als Nichtjuden den Gott der Bibel kennenzulernen.
Sie sehen, die Zwischenwand der Umzäunung war eine kleine Steinmauer mit einem Holzzaun darüber. Die Steinmauer war 75 Zentimeter hoch, und der Holzzaun maß 52,5 Zentimeter – genau eine Königselle.
Paulus spricht über diesen Zaun im Epheserbrief. Er schreibt an nichtjüdische Menschen in Ephesus, die zum Glauben an den Messias Jesus gekommen waren, genauso wie vor ihnen viele jüdische Menschen zum Glauben gekommen waren. Diese beiden Gruppen waren jedoch durch die Zwischenwand der Umzäunung getrennt.
Im Epheserbrief, Kapitel 2, Vers 11, schreibt Paulus im Jahr 62 nach Christus – acht Jahre vor der Zerstörung des Tempels durch die Römer:
„Deshalb gedenkt daran, dass ihr einst die Nationen im Fleisch wart, die Vorhaut genannt werden, von der sogenannten Beschneidung, die im Fleisch mit Händen geschieht. Zu jener Zeit wart ihr ohne den Messias, entfremdet vom Bürgerrecht Israels und Fremdlinge bezüglich der Bündnisse der Verheißung, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt. Jetzt aber seid ihr in dem Messias Jesus, die ihr einst fern wart, draußen im Heidenvorhof, durch das Blut des Messias nahe geworden. Denn er ist unser Friede, der aus beiden eines gemacht hat.“
Das heißt, die jüdischen und die nichtjüdischen Gläubigen sind nun zu einer Einheit der Kirche, der Gemeinde, zusammengefügt. Eins gemacht – und abgebrochen wurde die Zwischenwand der Umzäunung. Das hebräische Wort dafür ist „räg“. Dieser Ausdruck ist sehr präzise: Zwischenwand. Es handelt sich um eine Mauer aus Stein, darüber ein Holzzaun. Das war eine konkrete architektonische Einrichtung im Tempel.
Paulus sagt nun, dass eine neue Zeit gekommen ist, in der diese Trennung aufgehoben ist – seit der Messias gekommen ist.
Im Jahr 70 nach Christus zerstörten die Römer den Tempel, und natürlich auch die Zwischenwand der Umzäunung. Das jüdische Volk konnte den Tempel seitdem nie mehr wieder aufbauen, bis heute. Im Judentum betet man jedoch jeden Tag dreimal seit dem Jahr 70 für die Wiedererrichtung des Tempels. Im Gebet heißt es: „Jehi Rezon Lefanecha“ – möge es ein guter Wille sein, „Shejibane Betamigdasch“, dass der Tempel wieder erbaut werde in unseren Tagen in Eile.
Der Tempel wurde jedoch nie mehr errichtet.
Was ist geschehen? Die frohe Botschaft vom Messias Jesus wurde auf alle fünf Kontinente ausgebreitet. Millionen von Menschen in den vergangenen zweitausend Jahren haben in Jesus Christus den Erlöser, den Messias, für Juden und Nichtjuden gefunden. Diese Millionen wurden zu einer Einheit zusammengefügt.
Während dieser zweitausend Jahre messianischer Mission in der ganzen Welt wurde die Zwischenwand der Umzäunung nie mehr wieder aufgebaut. Das ist eindrücklich. Paulus hatte das angekündigt: Er sagte, jetzt ist die Zeit, in der diese Wand weg ist. Acht Jahre später wurde sie entfernt – und nie mehr wieder errichtet.
Man hat mindestens zwei originale Warntafeln gefunden, die an diesem Zaun angebracht waren. Sie warnten auf Griechisch und Lateinisch, dass Heiden nicht weitergehen sollten in den inneren Bereich. Dort stand: „Me ten allegones“ – also kein Fremdstämmiger soll hineingehen. Es stand die Todesstrafe darauf. Wer weiterging, war selbst schuld, wenn der Tod folgte. „Akoluten thanaton“ – „thanatos“ ist der Tod, „thanaton“ der Akkusativ.
Die Römer hatten den Juden die Todesstrafe grundsätzlich entzogen. Doch in Bezug auf den Zaun erlaubten sie, ohne Gerichtsverhandlung hinzurichten – auch wenn es römische Bürger waren. Die Römer respektierten diese Regel hundertprozentig. Doch die Wand wurde schließlich abgerissen.
Der Cheil und die Lehre im Tempel
Nun gehen wir hinüber und stellen uns vor. Wir sind alle jüdischer Abstammung und betreten nun die Terrasse im Süden vor den inneren Vorhöfen, die man auf Hebräisch den Cheil nennt.
Dort versammelten sich an den Festtagen, am Sabbat, am Passafest und anderen Gelegenheiten die großen Lehrer des Sanhedrins. Sie stellten sich auf, und jeder aus dem Volk konnte ihnen biblische Fragen stellen, die dann beantwortet wurden.
Jetzt wissen Sie, wo die Geschichte von dem zwölfjährigen Jesus im Tempel spielt. In Lukas 2,46 heißt es: Mit zwölf Jahren kam Jesus Christus zum ersten Mal seit kurz nach seiner Geburt wieder nach Jerusalem zum Tempelfest. Ab dreizehn Jahren war es obligatorisch, am Tempelfest teilzunehmen. Mit zwölf wurden die Kinder eingewöhnt, damit sie regelmäßig kamen.
Nach den zwei obligatorischen Festtagen der Passawoche kehrten die Eltern wieder zurück. Doch der zwölfjährige Jesus wollte bleiben. Der Tempel bedeutete ihm mehr als den Eltern.
Die Eltern suchten unter der Reisegruppe nach ihm, konnten den Zwölfjährigen aber nicht finden. Schließlich fanden sie ihn während der Passawoche inmitten der Lehre im Tempel.
Es heißt: „Nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel, wie er inmitten der Lehre saß, ihnen zuhörte und sie befragte. Alle aber, die ihn hörten, gerieten außer sich über sein Verständnis und seine Antworten.“
Interessant ist, dass normalerweise die großen Gelehrten Israels befragt wurden, nicht aber die Leute. Hier jedoch begannen die Lehrer, den Zwölfjährigen zu befragen. Sie waren überwältigt.
Der Zwölfjährige kannte die Tora so gut wie niemand sonst. Wer war dieser junge Mann im Tempel?
Die königliche Säulenhalle und die Tempelreinigung
Hier sehen wir die königliche Säulenhalle. Wir gehen jetzt wieder hinaus, außerhalb des 500 Ellen Quadrates, denn wir wollen dieses Bauwerk auch ein bisschen näher anschauen.
Wie gesagt, hier war der Tempelmarkt, und an diesem Ort hat Jesus Christus die Händler aus dem Tempel gejagt. Es gab zwei Tempelreinigungen: einmal am Anfang seines Dienstes mit dreißig Jahren und einmal am Ende mit dreieinhalb Jahren.
Warum hat Jesus Christus die Händler hinausgejagt? In diesem Heidenvorhof sollten die Heiden Ruhe haben, um den Gott der Bibel kennenzulernen. Marktschreierisches Treiben gehörte hier nicht hin, deshalb hat er alle Händler hinausgejagt. Opfertiere konnte man auch auf dem Ölberg und an anderen Orten kaufen.
Mit diesem Handeln stellte er sich jedoch gegen den obersten Gerichtshof, denn dieser hatte die Erlaubnis für den Verkauf im Tempel gegeben. Jesus sagte: „Macht dieses nicht zu einem Kaufhaus, denn dies ist das Haus meines Vaters.“
Ich habe das Wort „Kaufhaus“ zurück ins Hebräische übersetzt, und dort heißt es „Chanut“. Um das besser zu verstehen, muss man den Talmud lesen. Im Talmud wird diese Halle als „Chanut“, also Kaufhaus, bezeichnet – das ist der normale Name. Im Johannes-Evangelium sagt Jesus Christus: „Macht dieses Haus meines Vaters nicht zu einem Chanut.“ Das bedeutet, es ist kein Kaufhaus, sondern ein Bethaus.
Der Sanhedrin hatte hier in der Südostecke seit dem Jahr dreißig nach Christus seinen Sitz. Schau dir diese Halle an: Es ist eine dreischiffige Basilika. Diese Bauart wurde später zum Vorbild für den Kirchenbau. Sie geht auf diese kirchliche Säulenhalle zurück.
Es gab hier über hundert Säulen, genauer gesagt hundertsechzig, die aus einem Stück gehauen waren und etwa fünfzehn Meter hoch. Es handelte sich um Monolithen, also nicht wie die anderen Fälschungen im Römischen Reich, bei denen ein paar Steinstücke aufeinandergelegt und übertüncht wurden. Diese Monolithen sahen grandios aus.
Die Decken sind aus Zedernholz, prächtig verziert. Ganz im Osten, in diesem Halbrund, war der Sitz des Sanhedrins.
Jetzt gehen wir hinein. Wir sind hier in der mittleren Halle. Wir schauen nach Osten und sehen dort eine Versammlung. Was ist das? Das interessiert uns, denn wir sind ja zum ersten Mal hier in Jerusalem.
Wir befinden uns im Frühjahr des Jahres 32. Der Sanhedrin ist versammelt unter dem Vorsitz des Hohenpriesters Kajafas, und vor ihm steht Jesus von Nazaret. In einem kurzen Prozess wird er als falscher Messias zum Tod verurteilt. Der oberste Opferpriester macht Jesus Christus zum Opfer im Tempel.
Matthäus 27,1: „Als es aber Morgen geworden war, hielten alle führenden Priester und Ältesten des Volkes Rat gegen Jesus, um ihn zum Tod zu bringen. Nachdem sie ihn gebunden hatten, führten sie ihn weg und überlieferten ihn Pontius Pilatus, dem Landpfleger.“
Wir können heute ganz genau lokalisieren, wo der Prozess Jesu auf dem Tempelplatz stattfand. Übrigens wird heute genau unterhalb dieses Bereichs eine illegale Moschee für zehntausend Leute gebaut. Dabei wurde so viel Gesteinsmaterial vom Tempelberg herausgeholt – eine Katastrophe und ein riesiger Konflikt genau an der Stelle des Prozesses Jesu.
Der direkte Weg vom Sanhedrin zu Pontius Pilatus führte über dieses Tor im Westen, über den Wilsenbogen, über diese Brücke. Ich nenne dieses Tor deshalb das Tor der Verwerfung, denn hier wurde der Messias aus dem Tempel hinausgeworfen.
Nachdem sie ihn gebunden hatten, führten sie ihn weg und überlieferten ihn Pontius Pilatus, dem Landpfleger.
Der Wilsenbogen und die Kreuzigung
Nun schauen wir uns diesen Bogen einmal genauer an – den Wilsenbogen. Ich komme später noch einmal darauf zurück.
Pontius Pilatus hat Jesus Christus zum Kreuzestod verurteilt. So wurde er durch das Gartentor in den Steinbruch geführt und dort auf dem Golgatha-Felsen gekreuzigt. Genau an dieser Stelle ereignete sich Folgendes, wie im Hebräerbrief 13,12 geschrieben steht: „Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten.“
Wir stehen hier an der Klagemauer im Westen, im Männerbereich und Frauenbereich. Übrigens, Sie müssen nicht so erstaunt sein – diese Trennung ist gar nicht schlecht. Im Judentum wird der Ehe aufgrund der Bibel eine sehr große Wertschätzung entgegengebracht, ebenso der Familie und dem Kinderhaben.
Hier sind Mann und Frau getrennt, und zwar aus dem Grund, dass Mann und Frau auch jeweils selbst vor Gott stehen sollen. Die Frau soll nicht durch den Glauben des Mannes leben und der Mann nicht durch den Glauben seiner Frau. Jeder Mensch muss persönlich vor Gott stehen. Es braucht sowohl gemeinsames Beten als auch Einzelbeten.
Nun schauen Sie bei den Männern: Hier gibt es einen Torbogen. Wir gehen jetzt dort unten hinein und kommen unter den Wilsenbogen. Dort oben wurde Jesus Christus aus dem Tempel hinausgeworfen.
Einmal, als ich unter dem Wilsenbogen stand, habe ich einen Juden beim Beten fotografiert. Er hatte den Talit, den Gebetsmantel, über den ganzen Kopf gezogen und über das Herz herunterfallen lassen.
Jetzt muss man lesen, was Paulus in 2. Korinther 3 in Bezug auf den Teil des jüdischen Volkes schreibt, der den Messias nicht erkannt hat. In Vers 14 heißt es: „Aber ihr Sinn ist verstockt worden; denn bis auf den heutigen Tag bleibt beim Lesen des Alten Testaments dieselbe Decke unaufgedeckt, die durch den Messias weggetan wird. Doch bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, liegt die Decke auf ihrem Herzen.“
In 1. Korinther 11 wird deutlich gesagt, dass der Mann beim Beten nicht einmal etwas auf dem Kopf haben soll – also schon gar keinen Talit. Das ist die christliche Gebetshaltung: kein Talit mehr, weil unsere Augen für den Messias geöffnet worden sind.
Es ist jedoch eindrücklich, dass das jüdische Volk genau an der Stelle klagt, an der der Messias vor zweitausend Jahren hinausgeworfen wurde.
Ja, wir machen jetzt eine Pause. Danach schaffen wir den zweiten Teil.
Weitere Details zum Tempel und die Versuchung Jesu
Wir haben hier nochmals eine Übersicht vom Osten. Das kennen wir ja schon, aber nun mit weiteren Details.
Der höchste Turm befindet sich in den äußeren Hallen in der Südostecke, als Teil der Königin-Säulen-Halle. Das war die Zinne des Tempels. Hier sehen wir nochmals das Osttor und das vorgelagerte Tor Mithkat. Auf der Nordseite liegt der Israel-Teich, dann das Schaftor und die Burg Antonia, die wir uns näher anschauen wollen.
Die Zinne des Tempels wird erwähnt in Lukas 4,9 in der Versuchungsgeschichte, bevor Jesus Christus öffentlich als Rabbi auftrat. Dort heißt es: Und der Teufel führte ihn nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: „Wenn du Gottes Sohn bist, so wirf dich von hier hinab, denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln über dir befehlen, dass sie dich bewahren, und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stößt.“ Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“
Die Versuchungsgeschichte ist sehr interessant, weil hier der Teufel die Bibel benutzt, um den sensationellen Sprung von der Tempelzinne zu begründen. Von dort aus hat man einen wunderbaren Blick direkt in die Tiefe des Kidron-Tals. Es war also ein ganz eindrücklicher Ort, die Zinne des Tempels.
Der Teufel begründet das mit Psalm 91, den er zitiert: „Er wird seinen Engeln über dir befehlen.“ Die Bibel beschreibt sich selbst als das Schwert des Geistes. Was soll man tun, wenn der Teufel oder ein Sektenführer die Bibel benutzt? Dann muss man ebenfalls die Bibel benutzen.
Jesus Christus zitiert aus dem fünften Buch Mose, Kapitel 8: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Er setzt also die gleiche Waffe gegen die gleiche Waffe ein und doch hat Jesus Christus gesiegt. Warum? Weil das Zitat des Teufels nicht im Einklang mit dem Gesamtzeugnis der Bibel stand. Das Zitat, das Jesus Christus verwendet, entspricht jedoch der Anwendung und dem Gesamtzeugnis der Bibel.
Einzelne Verse zu kennen ist gut, aber man muss sie im Zusammenhang kennen und damit in ihrer weiteren Bedeutung und Tragweite. Das können wir hier lernen: den gesunden und korrekten Umgang mit der Bibel. Man kann die Bibel missbrauchen; scheinbar kann man alles beweisen – aber nur für diejenigen, die die Bibel nicht kennen. Für diejenigen, die die Bibel kennen und die Verse im Zusammenhang verstehen, kann man nicht einfach alles beweisen.
Es ist noch Folgendes interessant: In der rabbinischen Literatur liest man von der Auffassung, dass, wenn der Messias kommt, er sich auf dem Tempeldach offenbaren werde. Es gibt keinen Hinweis in der Bibel dazu, aber diese Überzeugung hat sich unter den Rabbinern so entwickelt.
Nun ist es interessant, dass Jesus Christus damals noch nicht öffentlich als Messias aufgetreten war. Ein Sprung vom Tempeldach hätte ihn der Masse als Messias erweisen können, doch Jesus Christus lehnte jegliche Schau und jegliches Showbusiness ab. Er ging danach nach Galiläa und begann dort seinen Dienst.
Hier sehen Sie die Südostecke heute. Diese Steine sind noch original aus der Tempelzeit, mit dem typischen Randschlag und Spiegel aus der herodianischen Zeit. Man kann sie sofort als herodianisch erkennen. Die kleinen Steine da oben sind aus islamischer Zeit und später aufgeschichtet worden. Aber in der Struktur ist die Zinne des Tempels noch heute genau zu lokalisieren.
Jesus Christus ging nach Galiläa, in das verachtete Galiläa, und dort begann er zu predigen, von Kapernaum aus, am See Genezareth. Damit erfüllte er, was Jesaja gesagt hatte vom Messias, Jesaja 9,1, die Weihnachtsbotschaft:
„Doch nicht bleibt Finsternis dem Land, welches Bedrängnis hat. Um die erste Zeit hatte das Land Sebulon und das Land Naftali verächtlich gemacht, aber in der letzten Zeit bringt er zu Ehren den Weg am See, am See Genezareth, das jenseitige Jordan, das Galiläa der Nationen. Das Volk, das im Finstern wandelt, hat ein großes Licht gesehen; die da wohnen im Lande des Todesschattens, über die ist ein Licht aufgegangen.“
Das Licht des Messias sollte am See Genezareth im verachteten Galiläa aufgehen. Und Jesus Christus begann in Kapernaum, direkt am See Genezareth, mit seinem öffentlichen Predigen.
Das Osttor und der Sündenbock am Jom Kippur
Wir gehen nun zum Osttor und zum Tor Mifkat. Das heutige goldene Tor ist von den Moslems zugemauert worden, weil sie aus dem Alten Testament wissen, insbesondere aus Sacharja 14, dass der biblische Messias auf dem Ölberg erscheinen wird, wenn er kommt, um zu herrschen. Deshalb haben sie das Tor zugemauert, damit der Messias nicht durch dieses Tor in die Stadt kommen kann.
Dieses Tor stammt wohl noch aus byzantinischer Zeit. Das Torgebäude ist sehr alt. Innerhalb dieses Torgebäudes wurden zwei Türpfosten, Monolithen, entdeckt, die dreieinhalb bis etwa viereinhalb Meter hoch sind. Dabei handelt es sich um die originalen Türpfosten des Osttors des Zweiten Tempels. Eventuell gehen sie sogar auf den Ersten Tempel zurück. So können wir dieses Osttor sehr genau lokalisieren.
Am Jom Kippur wurde der Sündenbock, dieses Opfer, das mit der Schuld Israels des vergangenen Jahres beladen werden sollte, durch den Hohenpriester behandelt. Dieser musste seine Hände auf den Sündenbock legen und ihn dann in die Wüste jagen. Der Sündenbock wurde durch das Osttor hindurch ins Kidron-Tal und auf den Ölberg hinübergebracht. Von dort aus wurde er in die Wüste gejagt.
Ich lese aus 3. Mose 16,21 aus der Tora, die den Jom Kippur beschreibt: "Und Aaron lege seine beiden Hände auf den Kopf des lebendigen Bockes und bekenne auf ihn alle Ungerechtigkeiten der Kinder Israel und alle ihre Übertretungen nach allen ihren Sünden. Und er lege sie auf den Kopf des Bockes und schicke ihn durch einen bereitstehenden Mann fort in die Wüste, damit der Bock alle ihre Ungerechtigkeiten auf sich trage in ein ödes Land, und er schicke den Bock fort in die Wüste."
Der Bock wurde durch das Osttor hinausgeführt. Er ging eine Treppe hinunter und musste dann durch das Tor der Vergeltung, das Tor Mifkat, aus der Stadt hinausgehen. Zuerst verließ er den Tempel, dann die Stadt, um Israels Sünde auf Nimmerwiedersehen wegzutragen. Der Unschuldige für die Schuldigen – so hat Israel Jahr für Jahr seit den Zeiten Moses diese Handlung erlebt.
Es gibt die Möglichkeit, Vergebung von Gott für unsere Schuld zu bekommen. Dazu brauchen wir jedoch jemanden, der unschuldig unsere Schuld auf sich nimmt, der zum Tempel hinausgetragen wird und dann zur Stadt hinausgeht. Der Bock muss in die Wüste, um symbolisch darzustellen, was Vergebung bedeutet: die Schuld ist für immer weg.
Mit diesen alttestamentlichen Bildern können wir das neutestamentliche Evangelium wunderbar illustrieren. Das ist es, was Gott meint. Wenn wir unsere persönliche Schuld nicht einfach ignorieren oder verdrängen – denn viel Psychologie ist Verdrängung der Schuld, ohne dass sie geordnet wird – sondern sie vor Gott bekennen, bereuen und das Opfer Jesu Christi für uns in Anspruch nehmen, dann erleben wir das: die totale Befreiung.
Gott nimmt unsere Schuld weg. So wie der Bock nie mehr zurückkommt, wird die Schuld nie mehr auf uns zurückkommen. Das ist so befreiend.
Die Säulenhalle Salomos und die ersten Christen
Nun wenden wir uns der Osthalle von innen zu, wie sie hier zu sehen ist. Diese Halle wird die Säulenhalle Salomos genannt. Ich habe erklärt, dass alle äußeren Mauern nach Norden, Westen und Süden verschoben wurden. Nach Osten jedoch war dies nicht möglich, da das tief eingeschnittene Kidrontal nicht einfach aufgefüllt werden konnte.
Diese Halle liegt auf der Mauerlinie, die seit Salomo nie verändert wurde. In der Bibel wird sie als die Säulenhalle Salomos bezeichnet. In Johannes 10,23 lesen wir, dass Jesus Christus am Lichterfest von Chanukka im Dezember im Tempel war. Es war eine kalte Zeit, es konnte sogar Schnee auf dem Tempelplatz liegen. Dort heißt es: „Und Jesus wandelte im Tempel in der Säulenhalle Salomos.“
Die jüdischen Führer sprachen ihn dort an und fragten: „Bist du der Messias oder nicht?“ Jesus antwortete, dass sie ihm nicht glauben würden, wenn er es ihnen sagen würde, weil sie nicht zu seinen Schafen gehören. Er erklärte: „Meine Schafe“, also seine wirklichen Nachfolger, „hören meine Stimme, und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich. Niemand wird sie aus meiner Hand rauben.“
Damit verkündete Jesus Christus seinen Nachfolgern Heilssicherheit und Heilsgewissheit. Einige Zeit später, nach Pfingsten, versammelten sich die ersten Christen ebenfalls an diesem Ort. In kurzer Zeit wurden es Tausende von Juden, die den Messias annahmen. Nach Apostelgeschichte 5,12 waren sie alle einmütig in der Säulenhalle Salomos versammelt. Dort konfrontierten sie das übrige Volk täglich mit der Botschaft des auferstandenen Messias.
Hier sieht man ein Luftbild der heutigen Ostmauer. Das ist der Versammlungsort der allerersten Christen. Hier liegt die Wiege des Christentums im Tempel in Jerusalem. Die Einladung bei der Expo lautete, dass wir zu unseren jüdisch-christlichen Wurzeln zurückgeführt werden.
Hier liegt der Ursprung des Christentums im jüdischen Tempel. Es ist keine andere Religion, sondern die Erfüllung der Verheißung, die im Alten Testament im Blick auf den Messias gegeben wurde – für Juden und alle Nichtjuden.
Der Israel Teich, das Schaftor und die Burg Antonia
Wir gehen nun weiter zum Israel-Teich, zum Schaftor und zur Burg Antonia. Durch das Schaftor wurden die Opfertiere auf den Tempelplatz gebracht. Hier, am Israel-Teich, hat man sie zuvor gewaschen, damit sie gereinigt in den Tempelbereich geführt werden konnten.
Die Burg Antonia, die ich bereits erklärt habe, war der römische Kontrollpunkt über dem Tempelplatz. Das ist ein exklusives Bild von etwa 1897. Der Israel-Teich war damals noch offen und sichtbar. Später wurde er zugeschüttet, heute befindet sich dort ein Parkplatz.
Yasir Arafat hat gesagt, in Jerusalem gebe es keinen einzigen Stein von einem jüdischen Tempel. Wir müssten nur den Parkplatz dort aufreißen lassen, und dann käme der Israel-Teich ans Licht. Danach könnten wir weitergehen und alles rundherum erkunden. Ich habe Vorträge über den Nahen Osten gehalten, 15 Kilometer von ihm entfernt. Er war dort in Paris, und ich war ebenfalls in Paris. Er sagt, das habe überhaupt nichts mit dem jüdischen Tempel zu tun.
Hier sehen wir den Israel-Teich und direkt daneben das Schaftor, durch das die Opfertiere hineingeführt wurden. In Johannes 10 nimmt Jesus Christus darauf Bezug. In Vers 7 sagt Jesus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ich bin die Tür der Schafe, ich bin die Tür. Wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.“ Jesus Christus sagt, wer vor Gott kommt – auf der Grundlage des stellvertretenden Opfers, das er ist –, der wird errettet.
Man sieht, wie diese Worte Jesu plötzlich ganz konkrete Formen annehmen, wenn wir den Hintergrund, auf dem sie gesprochen wurden, näher betrachten.
Der Tempelplatz aus der Luft heute: Ich habe mit Tirza zusammen einmal ein kleines Flugzeug genommen, eine motorisierte Maschine. Ich bin nicht selbst geflogen, ich saß rechts, Hertha hinten, und durfte das Fenster öffnen, damit ich mit der Kamera ohne Reflexe nach unten fotografieren konnte. Man muss sehr aufpassen, dass die Kamera nicht herunterfällt, klar.
Wir sind ein paarmal um den Tempelplatz herumgeflogen. Sie hatte den ganzen Fahrtwind im Gesicht und hat von der Fahrt eigentlich nicht viel gehabt, das hat sie mir hinterher auch deutlich gesagt. Aber das ist inzwischen wieder bereinigt.
Darum haben wir hier keine Reflexe auf dem Bild. Hier ist der Israel-Teich, heute zugeschüttet und als Parkplatz genutzt. Dort das Schaftor, die heutige Stelle, und dort die Stelle der Burg Antonia.
Ich finde es so schön, wenn man das Frühe mit dem Heute ganz direkt in Beziehung bringen kann.
Wenn wir über den Tempelplatz schauen zu den inneren Vorhöfen, sehen wir dieses wichtige Haus im Nordwesten. Das war das Wohnhaus der diensttuenden Priester im Tempel.
Jesus Christus spricht am Vorabend der Kreuzigung im Kreis seiner Jünger darüber, wie er zum himmlischen Tempel zurückkehren wird – nicht ins Haus des Vaters auf Erden, sondern im Himmel. Er sagt in Johannes 14,2: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben. Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seid.“
Diese Wohnungen im Haus des Vaters sind gewissermaßen ein Vorgeschmack auf die Zukunft der Christen. Gleich gegenüber sehen Sie das Allerheiligste des Tempels. Das drückt symbolisch die Nähe zum allmächtigen Gott aus. Das ist die Zukunft der Christen: Gott zu begegnen und Gemeinschaft mit Gott im Haus des Vaters zu haben.
Hier sehen Sie die Burg Antonia. Der Apostel Paulus kam auf seinen Reisen wieder einmal nach Jerusalem (Apostelgeschichte 21). Dort wurde er plötzlich von der Menge im Tempelbezirk überfallen und fast getötet. Die römischen Legionäre griffen von der Burg Antonia ein und konnten ihn in letzter Sekunde retten.
Sie schleiften ihn an dieser Ecke über die Treppe hinauf. Paulus fragte den hohen Offizier: „Darf ich etwas sagen?“ Der Offizier antwortete: „Ach so, du sprichst Griechisch, du bist also nicht dieser Terrorist, dieser Ägypter, vor einiger Zeit.“ Paulus erwiderte: „Nein, ich bin ein Bürger aus Tarsus.“ Er erklärte, dass er römische Freiheit besitze. Der Offizier erlaubte ihm, dem Volk eine Rede zu halten.
In Apostelgeschichte 22,40 heißt es: „Als er es aber erlaubt hatte, winkte Paulus auf den Stufen stehend dem Volk mit der Hand. Nachdem eine große Stille eingetreten war, redete er in seiner hebräischen Mundart und sprach: Achai we Avodai, Brüder und Väter, hört jetzt meine Verantwortung an euch!“
Auf dem Tempel, auf dem Tempeldach, auf der obersten Stufe erzählt Paulus, wie er den Messias gefunden hat. Früher hatte er das alles total abgelehnt. Er hatte die jüdischen Messiasgläubigen als Fanatiker und Falsche abgelehnt. Doch dann erkannte er selbst, dass Jesus der Messias ist.
Er erklärt weiter, dass Jesus zu ihm gesagt habe: „Hier in Jerusalem wird man deine Botschaft nicht annehmen, aber ich schicke dich weit weg zu den Heidenvölkern, die werden hören.“ Als er das gesagt hatte, schreibt Lukas in der Apostelgeschichte, gab es einen Tumult, und sie wollten Paulus auf der Stelle umbringen. Die Römer evakuierten ihn in die Burg Antonia, so überlebte er.
Hier sieht man die Umaria-Schule auf diesem Felsen, wo die Burg Antonia stand. In der Ecke des Tempelbezirkes steht heute das Gawanima-Minarett. In einer ganz speziell gebauten Ecke dort findet man genau die Stelle, an der die römische Tempeltreppe vom Platz hinauf zur Burg Antonia führte. Genau dort hat Paulus seine Rede gehalten.
So konkret können wir den Spuren des Neuen Testaments nachgehen.
Ich habe den beiden Kollegen, dem mit Apfel und dem ohne Apfel, hier im Norden noch gezeigt: Schaut mal da in diesem Felsen der Burg Antonia, diese Balkenlöcher. Es gibt insgesamt fünf solche. Das sind die originalen zehn Holzbalkenlöcher, die die Norddecke der nördlichen Halle des Tempels trugen.
Wäre es nicht toll, so mit Yasir Arafat auch seine Führung zu machen?
Hier nochmals diese Ecke, wo Paulus ein Plädoyer gehalten hat für die Mission der Nichtjuden, und zwar angesichts des Heidenvorhofes, den er gebaut hatte, um die Heiden zu erreichen.
Der Frauenvorhof und die musikalische Begleitung im Tempel
So fliegen wir nun mit einem Flugzeug über den Tempelplatz von damals. Hier sehen wir den Frauenvorhof und das Lager der Schechina. Das Tempelhaus ist in Kreuzesform gebaut, und hier befindet sich der Altar.
Zuerst gehen wir in den Frauenvorhof hinein. Dort finden wir fünfzehn halbkreisförmige Treppen. Das war das Podium für den Priesterchor und das levitische Orchester, das an den großen Festtagen – Pfingsten, Passah, Pfingsten und Laubhüttenfest – hier Psalmen aufführte. Normalerweise fanden die Feste im Tempel tagsüber statt; nachts war nichts los. Es gab jedoch eine besondere Ausnahme, auf die ich noch zu sprechen komme.
Hier sehen Sie noch deutlicher dieses Podium. Die fünfzehn Stufen entsprachen den fünfzehn Stufenliedern in den Psalmen, so werden Psalm 121 bis 134 genannt. Dieses Podium lag vor dem schönsten Tempeltor, dem monumentalen Nikanortor.
Auf dem Tempelplatz sieht man von Osten her eine Treppe, die auf die sogenannte Moslemplattform hinaufführt. Die archäologischen Ausmessungen der letzten Jahre haben ergeben, dass diese Treppe exakt an der Stelle der fünfzehn halbkreisförmigen Treppen liegt. Dort befand sich das Podium für das Tempelorchester und den Tempelchor.
Innerhalb des Frauenvorhofes gab es auch Hallen. Dort befand sich eine ganze Reihe von Schatztruhen – man kann sagen Kassen –, in die man seine Gaben für den Tempel und für Gott einlegen konnte.
In Markus 12,41 lesen wir: „Und Jesus setzte sich der Schatzhalle gegenüber. Da war ein Frauenvorhof, und er sah, wie die Volksmenge Geld in den Schatzkasten legte, und viele Reiche legten viel ein.“ Diese Kassen hatten die Form von Hörnern, sogenannten Dompeten. Darum sagt Jesus Christus in Anspielung darauf in der Bergpredigt, dass man beim Almosengeben nicht wie die Heuchler vor anderen prahlen soll.
Wir lesen weiter: „Und eine arme Witwe kam und legte zwei Lepta ein. Das ist ein Asarjon.“ Jesus rief seine Jünger herzu und sprach zu ihnen: „Wahrlich, ich sage euch, diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben. Denn alle haben von ihrem Überfluss eingelegt, diese aber hat von ihrem Mangel alles, was sie hatte, eingelegt – ihren ganzen Lebensunterhalt.“
Der Lepton war die kleinste Münze, die man in Jerusalem haben konnte. Eine Witwe hatte zwei Lepta, und sie wollte Gott auch etwas geben. Also gab sie es. An dieser Stelle verstummen wir, doch diese Geschichte zeigt uns eine Frau, die auch in Geldangelegenheiten auf Gott vertraute. Es war ganz wenig, aber sie wusste: Ich gebe das, und der Herr wird auch morgen für mich sorgen.
Auf unserem Schweizer Fünf-Franken-Stück steht auf der Seite „Dominus providebit“ – der Herr wird vorsorgen oder fürsorgen. So christlich war einst die Schweiz, und wir haben das wenigstens noch auf dem Fünf-Franken-Stück verankert.
Was ich von dieser Witwe lerne, ist: In Geldangelegenheiten dürfen wir ganz auf Gott vertrauen.
Das Laubhüttenfest und das Licht des Messias
Ich habe gesagt, die Tempelfeste am Tag, aber das Laubhüttenfest war das freudigste aller Feste im Jahr. Ein paar Tage nach Jom Kippur, nachdem das ganze Volk die Schuld vor Gott bekannt und bereut hatte, kam die größte Freude. Sehr logisch: Wenn man völlig befreit ist, dann kann man sich freuen.
Nachts wurden vier gewaltige Leuchter im Frauenhof angezündet. Sie waren 26,5 Meter hoch und hatten Lampen mit fast neun Litern Olivenöl. Als Docht verwendete man abgetragene Priestergewänder. Sie sehen, Recycling gab es schon längst. Die Rabbiner schreiben im Talmud, dass dieses Licht Jerusalem überstrahlte. In den dunkelsten Ecken konnte man dieses Licht vom Tempelplatz her sehen.
Währenddessen sang der Priesterchor nachts, und die alten Männer vom Sanhedrin nahmen Fackeln und führten Reigentänze auf. Das muss sehr fröhlich zugegangen sein, wenn alte Männer, die alten Brüder, zu tanzen beginnen. Das Volk allerdings tanzte nicht, nur die alten Männer.
Jesus Christus war auch am Laubhüttenfest. In Johannes 8,12 nimmt er darauf Bezug und sagt: „Wiederum nun redete Jesus zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Hier kann man verstehen, was es bedeutet, in einer orientierungslosen Gesellschaft wie der heutigen zu leben, in der man nicht weiß, was Recht und Unrecht ist. Jesus Christus ist das Licht in der Dunkelheit. Er gibt Orientierung und Wegleitung.
Auch am Fest der Tempelweihe wurde dieses Licht vom Tempel, das Licht des Messias, noch einmal wiederholt.
Das Lager der Tschechina und die Bedeutung des Blutes
Wir gehen nun noch hinein in das Lager der Tschechina. Wir müssen bald zum Schluss kommen. Dort floss unzählige Mengen von Blut, denn täglich wurden hier die Opfer geschlachtet.
Man lernte hier das Prinzip aus Hebräer 9,22. Dieses Prinzip steht auch im Talmud: Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung. Tag für Tag lernte Israel, dass man mit Gott Gemeinschaft haben kann – wir unreine Menschen mit einem heiligen Gott – aber nur auf der Grundlage des Blutes des Stellvertreters und unserer Reue über unsere Vergangenheit.
So schreibt das Neue Testament in 1. Johannes 1,7, dass das Blut Jesu Christi, das am Kreuz geflossen ist, seines Sohnes, uns von aller Sünde reinigt. Der Altar erinnert uns daran. Denn durch ein Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden. Diese Opfer wurden erfüllt in dem Opfer von Jesus Christus.
Beim täglichen Brandopfer mussten die Priester die Birkat Kohanim verkündigen. So lernte Israel: Auf der Grundlage des Opfers kann Gott segnen.
In 4. Mose 6,24 heißt es: Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Symbolik am Eingang des Tempelhauses
Wir gehen zum Eingang des Tempelhauses. Dort gab es einen goldenen Weinstock. Jesus Christus nimmt darauf Bezug in Johannes 15,1 und sagt: „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Bleibt in mir und ich in euch, gleichwie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, es sei denn, ihr bleibt in mir.“
Hier zeigt Jesus Christus, was wahres Christsein bedeutet: eine lebendige Verbindung mit ihm. Er ist der Weinstock. Eine Rebe kann nur Trauben produzieren, wenn sie in einer lebendigen, täglichen Beziehung zum Weinstock steht. Das ist Christentum. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.“ Wir sind von uns aus unfähig, Gott zu dienen. Aber durch Jesus Christus ist es möglich.
Über dem Eingang, in den Fenstern, gab es messianische Kronen. Eine Krone bedeutete, dass der Messias einmal hoher Priester sein soll und gleichzeitig König. Diese Kronen sind in den Propheten Sacharja 6,9-15 vorgeschrieben worden. Jesus Christus ist hier als Erfüllung gekommen. Er, der Messias, sollte König und Priester sein. Als Priester sollte er das Problem unserer Schuld durch seinen Tod lösen. Als König soll er uns im weiteren Leben auf seinem richtigen Weg führen.
Wir gehen hinein und sehen den goldenen Räucheraltar. David sagte schon: „Lass als Rauchwerk vor dir bestehen mein Gebet.“ Das Räucherwerk steht für Gebet. Der Altar hatte vier Hörner. Hörner sind ein Bild von Kraft und Macht, was man spätestens weiß, wenn man mit einem Stier zu tun hatte. So bedeutet das: Gebet hat Wirkung, Beten nützt. Und zwar hat es weltweite Bedeutung, entsprechend den vier Himmelsrichtungen.
Der goldene Leuchter weist auf Jesus Christus als Licht der Welt hin. Paulus sagt in seiner Rede vor König Agrippa: „Indem ich nichts sage außer dem, was auch die Propheten und Moses geredet haben, dass es geschehen werde, nämlich dass der Christus, der Messias, leiden sollte, dass er als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen.“ Hier nimmt er Bezug auf den Leuchter und seine Symbolik.
Salböl gab es in den sieben Lampen des Leuchters. Christus oder Messias bedeutet hebräisch „der Gesalbte“. Dieser originale Leuchter von Mose durfte nicht gegossen werden, sondern musste in Schmiedearbeit hergestellt werden. Alle diese Hammerschläge wiesen darauf hin, dass der Christus leiden sollte. Es war vorgeschrieben in der Bibel: 22 Mandelblüten, Knauf und Blume.
Der Mandelbaum ist der Baum, der mit seinen schönen weißen Blüten Ende Januar, Anfang Februar das neue Leben des Frühlings verkündet – Auferstehungsleben. Jesus sollte als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen. Sieben Lampen – so hat Paulus den Leuchter gedeutet.
Der Schaubrotisch trug zwölf Brote, entsprechend den zwölf Stämmen Israels. Gott, Jesus Christus, der Messias, trägt sein Volk. In Jesaja 46,4 steht: „Und bis in euer Greisenalter bin ich dir selber, und bis zu eurem grauen Haar werde ich euch tragen. Ich habe es getan, und ich werde heben und tragen und erretten.“
Gott, der Gott der Bibel, verspricht denen, die ihm gehören, dass er sie auch im Alter noch bis ans Ziel bringen wird. Das ist eine Botschaft fürs dritte Lebensalter. Welch ein Gegensatz: Gott trägt uns durchs Leben, wenn wir uns tragen lassen wollen.
Vor einigen Wochen war ich in Indien. Ich fuhr durch ein Dorf, da gab es einen riesigen Volksumzug. Der Schlangengott wurde auf einem Wagen durch die Stadt geführt. Die Menschen müssen den Gott tragen und auf dem Wagen führen, denn er kann nicht gehen, nicht einmal kriechen.
Das haben auch schon die alten Ägypter mit ihren Götterbildern gemacht – Re, Amun, Horus und wie sie alle hießen. Sie wurden herumgetragen. Am Morgen hat man sie geweckt, gewaschen und umarmt. So ging es in der ägyptischen Religion zu und her. Die Menschen müssen die Götter versorgen und tragen.
Aber der Gott der Bibel, der kein Naturgott ist wie die Götter im Hinduismus, in der ägyptischen Religion und anderswo, trägt uns Menschen durchs Leben.
Das Allerheiligste und der Zugang zu Gott
Das Heilige mit dem Altar und dem Schabrotisch war durch einen gewaltigen Scheidevorhang vom Allerheiligsten getrennt. Auf diesem Vorhang waren Cherubimgestalten abgebildet. Niemand durfte das Allerheiligste betreten. Eine Ausnahme bildete der Hohepriester am Jom Kippur, jedoch nicht ohne Blut.
Dies sollte zeigen, dass Gott im Judentum ein verborgener Gott ist.
Als Jesus Christus jedoch am Kreuz als Opfer starb, erfüllte sich, was in Matthäus 27,51 beschrieben wird: „Und siehe, der Vorhang des Tempels zerriss in zwei Stücke von oben bis unten, und die Erde erbebte und die Felsen zerrissen.“ Dies bedeutete, dass der Zugang zu Gott nun offen ist. Gott ist nicht mehr der verborgene Gott, sondern der bekannte Gott.
Archäologisch wurde auf dem Felsen der Standort und die Vertiefung von Salomo entdeckt. Am Samstag werde ich mehr darüber erzählen. Auf diesem Felsen stand die Bundeslade. Wenn der Hohepriester ins Allerheiligste ging, stand er vor dieser Vertiefung und sprengte das Blut des Opfers auf den Felsen. So wurde dieser Fels zum blutbesprengten Fels.
Gott wird in der Bibel mit einem Felsen verglichen, zum Beispiel in 2. Samuel 22,47: „Erhoben werde der Gott, der Fels meines Heils.“
Dieser blutbesprengte Fels ist ein Symbol für Gott, der unsere Basis ist und vor dem wir bestehen können, wenn er durch das Blut von Jesus Christus besprengt ist.
Über das genaue Entdecken des Allerheiligsten werde ich am Samstag sprechen. Deshalb können wir hier etwas schneller weitermachen. Zum Abschluss möchte ich noch einige Bemerkungen zum Tempelbau machen.
Der Bau des Tempels und die Gemeinde als Tempel
Wie ist dieses wunderbare Werk entstanden? Im Jahr siebzig wurde es nicht gebaut, sondern zerstört. Man sieht, welche Artillerie die Römer damals hatten.
Paulus sagt im Blick auf die Gemeinde in 1. Korinther 3,17: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr.“ Wehe also dem, der die Gemeinde angreift und schädigt, auch durch Irrlehre. Das ist zerstörend.
Ich möchte jetzt aber positiv schließen und vom Bauen sprechen. Im Norden Jerusalems gab es einen Steinbruch. Dort wurden Steine herausgeholt und vorbereitet. Zwischen die vorbereiteten Steine legte man Holzbalken und goss Wasser darüber. Das Holz dehnte sich unweigerlich aus, und so wurden die Steine regelrecht aus ihren Bindungen im Fels, im Grundfels, herausgespannt.
Das ist biblische Missionsarbeit: Menschen werden aus ihren Bindungen befreit, indem sie den Messias, den Erlöser, kennenlernen. Das kann zum Beispiel im Hauskreis geschehen.
Hier habe ich einen Stein fotografiert, der in Jerusalem fast ein Tempelbaustein geworden wäre. Man sieht, er war vorbereitet, und es ist auch die Vorbereitung für die Balken eingefügt. Doch er wurde nie vollendet.
In 1. Petrus 2,4 werden die an Jesus Christus Gläubigen als Bausteine des Tempels beschrieben. Wie wird man ein Baustein des Tempels? Indem man Jesus Christus wirklich durch eine echte Umkehr als Retter annimmt.
Es gibt aber auch Menschen, die sind fast bekehrt. Meine Kinder haben mir beigebracht: Wenn ich sage „Das war ja wirklich fast“, dann sagen sie: „Papa, fast ist überhaupt nicht.“ Und das stimmt. Es gibt Menschen, die kommen ganz nah, aber sie kommen nicht hin.
Der rabbinische Tunnel und der größte Tempelstein
Nun gehen wir noch in den rabbinischen Tunnel hinunter, und dort sehen wir diesen riesigen Baustein, der entdeckt wurde. Es ist der größte, mit einem Gewicht von etwa 578 Tonnen, einer Länge von 13,7 Metern, einer Höhe von 3,5 Metern und einer Breite von 4,6 Metern. Er wurde auf eine bestehende Lage aufgesetzt, sehen Sie! Diese zwei Jungs zeigen Anfang und Ende des Steines an.
Da fragt man sich, wie sie diesen Stein vom Steinbruch hierhergebracht haben. Mit Rollblöcken, riesigen Ochsenzügen, Flaschenzügen? Man fragt sich manchmal, wie man schwere Jungs in die Kirche, in die Gemeinde integrieren kann. Das ist hier die Frage, ja? Aber wir haben es geschafft.
Vor einigen Jahren hat man dieses Ossuarium, eine Art Sarg, gefunden, auf dem auf Aramäisch steht: Simon Banai Heichla Simon, der Bauer des Tempels. Früher kannte man keinen Simon. Jetzt weiß man etwas mehr. Er hat den Tempel nicht zerstört, sondern war ein Mann, der ganz entscheidend am Zweiten Tempel mitgebaut hat.
Ich habe mir überlegt, was einmal auf meinem Grabstein stehen soll. Es ist gut, wenn man sich zu Lebzeiten Gedanken über den Grabstein macht, oder? Man muss den Tod konfrontieren, während man lebt. Ja, wenn auf meinem Grabstein stünde: Simon, Zerstörer des Tempels – das wäre sehr schlimm.
Alles andere, was Simon anders konnte oder nicht konnte, ist nicht so wichtig. Wichtig ist nur zu wissen, dass er am Haus Gottes gebaut hat. Und das möchte ich auch, wenn Gott mir dieses Zeugnis einmal geben kann – oder auch Ihnen: Simon hat am Haus Gottes aufgebaut.
So schließe ich mit den Worten von Jesus Christus aus der Bergpredigt, Matthäus 5,14: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Der Messias ist nicht mehr da, aber die, die ihm nachfolgen, sollen heute das Licht sein, das dieses Licht des Tempels in einer finsteren Welt verbreitet.
Danke fürs lange Zuhören.
