Ein Leben im Dienst für andere
Dienen, damit ein anderer groß herauskommt – das war die Aufgabe von Charlie Vigelius als sogenannter Domestik. Bis 2011 fuhr er bei den großen Radrennen dieser Welt mit, darunter die Vuelta in Spanien, den Giro d’Italia und natürlich die Tour de France.
Domestik bedeutet Dienstbote. Wer diese Rolle im Radsport innehat, strampelt sich genauso ab wie alle anderen, aber nicht für sich selbst, sondern für den Star, den Kapitän des Teams. Er liefert dem Spitzenfahrer zum Beispiel Windschatten, fährt Abstände wieder zu und ist auch der Getränkebote, der die Getränke nach vorne bringt und alle versorgt.
Der Dienst wird in der Regel nicht gut bezahlt. Das kommt noch hinzu: Du fährst für jemand anderen und wirst nicht einmal gut bezahlt.
Was Charlie Vigelius gemacht hat, beschreibt er in seiner Biografie so: Er sagt, er habe im Dienst seiner Mannschaft unglaubliche Schmerzen auf sich genommen und buchstäblich das Letzte aus sich herausgeholt. Doch er gewann nie auch nur ein einziges Rennen. Er war nicht der Star, sondern der Wegbereiter für den Star. Wenn er seinen Dienst gut gemacht hatte, machte er Platz für seinen Kapitän.
Das ist für mich ein wunderbares Bild dafür, worum es im Leben als Christ geht. Es geht darum, dass wir einem anderen dienen, dass wir Jesus dienen. Es geht darum, dass Jesus groß herauskommt.
Aber Hand aufs Herz: Wie schwer fällt uns das oft, so zu dienen und so zu leben! Ist es nicht oft genau andersherum? Wir lassen uns gerne von Jesus dienen, wir wollen, dass Jesus Dinge für uns tut. Aber wir sind oft zu wenig bereit, uns für Jesus aufzuopfern, uns hinzugeben, einen Schritt zurückzutreten und selbst zurückzunehmen, damit Jesus groß herauskommt.
Johannes der Täufer als Vorbild im Dienst
In unserem Predigttext sehen wir einen Mann, der wirklich so gelebt hat. Er hat Jesus gedient und dafür sehr, sehr viel auf sich genommen. Als seine Zeit gekommen war, ist er zurückgetreten wie ein Diener und hat sich in den Hintergrund gestellt. Er machte die große Bühne frei für Jesus, damit dieser groß herauskommt.
Der Mann war Johannes der Täufer. Was er vor zweitausend Jahren über Jesus erkannt hat, darf uns heute hier helfen, besser zu verstehen, wer Jesus ist und wie er ist. So können wir unser Leben mit derselben Gesinnung leben wie Johannes: Wir dienen Jesus, damit er groß herauskommt.
Ich möchte uns diesen Abschnitt lesen. Wir finden ihn in Johannes 3, die Verse 22-36. Es ist irgendwann kurz nach dem Gespräch, das Jesus mit Nikodemus geführt hat. Ab Vers 22 heißt es:
Danach kam Jesus mit seinen Jüngern in das Land Judäa. Er blieb dort eine Weile mit ihnen und taufte. Johannes aber taufte auch noch in Änon nahe bei Salim, denn es war dort viel Wasser. Viele kamen und ließen sich taufen, denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen.
Da erhob sich ein Streit zwischen den Jüngern des Johannes und einem Juden über die Reinigung. Sie kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: „Meister, der bei dir war jenseits des Jordans, von dem du Zeugnis gegeben hast – siehe, der tauft, und jedermann kommt zu ihm.“
Johannes antwortete und sprach: „Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist. Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern vor ihm hergesandt.
Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam. Der Freund des Bräutigams aber, der dabei steht und ihm zuhört, freut sich sehr über die Stimme des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun erfüllt.
Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
Der von oben herkommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Wer vom Himmel kommt, der ist über allen und bezeugt, was er gesehen und gehört hat. Sein Zeugnis nimmt niemand an.
Wer es aber annimmt, der besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist. Denn der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte. Gott gibt den Geist ohne Maß.
Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben.
Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“
Vater, wir danken dir für dein lebendiges Wort. Wir danken dir, dass wir Jesus Christus dadurch besser kennenlernen dürfen und ihn erkennen. So erkennen wir auch dich durch ihn.
Wir beten so sehr, dass wir verstehen, wie mächtig Jesus ist, wie wahr seine Worte sind und dass nur er uns das ewige Leben schenken kann.
Herr, hilf uns, dieses Wort zu verstehen, um ihm dann mit unserem ganzen Leben und ganzer Hingabe zu dienen. Amen.
Ein Konflikt um die Taufe und die Reinigung
Am Anfang steht ein Konflikt. In Vers 25 lesen wir, dass die Jünger von Johannes mit einem Juden über die Reinigung stritten. Worum es genau ging, wissen wir hier nicht. Der Kontext legt jedoch nahe, dass es etwas mit der Taufe zu tun hatte.
Wir erfahren, dass Johannes zu dieser Zeit noch taufte und dass auch Jesus mit seinen Jüngern in derselben Gegend unterwegs war. Auch sie taufen. Diese Taufe war noch nicht die christliche Taufe, wie wir sie heute kennen, bei der auf den Namen Jesu getauft wird, und man mit ihm in den Tod getauft wird, um mit ihm wieder aufzuerstehen.
Das Symbol der Taufe ist, dass wir mit Jesus gestorben, begraben und wieder auferstanden sind. Die Taufe hier war noch eine Taufe, die die Reinigung symbolisierte, dass Schuld abgewaschen werden muss. Dieses Bild ist auch in der christlichen Taufe enthalten, doch hier handelte es sich zunächst um eine Vorbereitung auf das, was Jesus tun würde.
Es geht also um Reinigung, und die Beteiligten streiten über die Reinigung. Im Streitgespräch wird deutlich, dass es um Jesus geht. Deshalb nehme ich an, dass es wahrscheinlich um eine Machtfrage ging: Welche Taufe reinigt besser – die von Johannes dem Täufer oder die von Jesus?
Hier zeigt sich ein echter Konkurrenzkampf. Das wird auch daran deutlich, dass die Jünger von Johannes zu Johannes kommen und sich über Jesus beschweren. Das ist der erste Punkt.
Die Kritik der Jünger und ihre Blindheit
Die Kritik dieser Jünger lautet, dass jeder Mann zu Jesus kommt. Das ist tatsächlich die Kritik, die sie hier vorbringen. Man erkennt das sofort an der Reaktion von Johannes, aber auch daran, wie die Jünger es vortragen.
Zum einen nennen sie Jesus nicht beim Namen. Sie sagen: „Der bei dir war jenseits des Jordans, von dem du Zeugnis gegeben hast.“ Mit anderen Worten: Der Mann, den du groß herausgebracht hast, fällt uns jetzt in den Rücken. Er zieht uns hier die Leute ab, und alle kommen zu ihm. Bei uns hingegen geht es langsam aus; wir haben niemanden mehr zum Taufen.
Dabei übertreiben sie auch mit dem, was sie sagen. Sie behaupten, jeder Mann komme zu Jesus. Dabei lesen wir, dass Johannes auch noch taufte und es weiterhin Menschen gab, die zu ihm kamen. Dennoch merkt man, dass sich eine Verschiebung vollzieht – weg von Johannes hin zu Jesus. Das gefällt den Jüngern nicht, und sie kommen zu Johannes und sagen: „Da muss doch etwas passieren!“
Wenn wir das auf uns wirken lassen, ist das ganz schön erschreckend. Ihr eigener Dienst hat sie blind gemacht für Gottes Wirken an einem anderen Ort. Ja, ihr eigener Dienst hat sie blind gemacht für Gott selbst.
Jesus, der Sohn Gottes, tut seinen Dienst, und die Massen strömen zu ihm. Doch die Jünger finden das gar nicht gut. Stattdessen beschweren sie sich und sagen, dass es so, wie es gerade läuft, nicht gut sei.
Als Christen sollte uns das wirklich eine Warnung sein, wie die Jünger hier damit umgehen – die Jünger von Johannes dem Täufer. Auch wir können so leicht auf unsere eigene Gruppe oder Gemeinde fixiert sein. Wir können uns darauf konzentrieren, was bei uns läuft, ob bei uns die Zahlen stimmen oder ob der Zulauf da ist. Dabei schauen wir oft zu wenig auf das, was Gott an anderen Orten tut, in anderen Gemeinden oder sogar in anderen Denominationen.
Es kann uns leicht passieren, dass wir grundsätzlich kritisch sind, wenn andere Gruppen wachsen, wenn Gottes Reich an anderen Orten wächst oder wenn Jesus woanders Nachfolger gewinnt.
Freude an Gottes Wirken in anderen Gemeinden
Der Pastor Andy Johnson ermutigt in einem Artikel über Erweckung zu einem Gedankenexperiment. Ich möchte das einfach mal mit euch teilen. Ich lese ein paar Sätze, die er geschrieben hat.
Er sagt: Stell dir vor, du würdest jahrelang treu und ernsthaft dafür beten, dass in deiner Nachbarschaft eine Erweckung geschieht. Und dann erhört Gott eines Tages, wie aus heiterem Himmel, deine Gebete auf eindrückliche Weise.
Überall in deiner Stadt versammeln sich jeden Tag mehr Menschen in der Gemeinde, um die gute Nachricht aus Gottes Wort zu hören. Auf den Straßen, an den Arbeitsplätzen, in den Schulen und Universitäten verkünden vorher ängstliche Gemeindemitglieder treu die gute Nachricht.
Es dauert nicht lange, bis die Früchte sichtbar werden. Menschenleben werden grundlegend verändert, Ehen werden vor dem Scheitern gerettet, und am allerwichtigsten: Ein Feind Gottes nach dem anderen legt seine Waffen der Auflehnung gegen Gott nieder und sucht Zuflucht in seinem herrlichen und barmherzigen Sohn.
Was wäre, wenn all diese Dinge in deiner Stadt direkt vor deinen Augen geschehen würden, doch nicht bei dir, sondern in der Nachbargemeinde, ein paar Straßen weiter?
Dann sagt Andy Johnson: „Ich denke, dass wir alle genau wissen, wie wir darauf reagieren sollten, und doch ist es sehr wahrscheinlich, dass uns die Worte des Dankes und der Freude nur schwer über die Lippen kommen – Konkurrenzdenken!“
Ihr Lieben, lasst uns wirklich darauf achten, wie wir auf Gottes Werk in anderen Gemeinden schauen und wie wir darüber reden.
Ich habe es mir überlegt, aber ich habe gedacht, ich mache es einfach mal ganz konkret. Wie denken und wie reden wir zum Beispiel über unsere Geschwister hier in München im ICF? Eine große Gemeinde, die hier groß ist und auch in anderen Städten wächst.
Manche sagen, das sei ja nur Transfer. Es ist auch Transfer, da kommen auch Leute aus anderen Gemeinden. Aber es ist auch so, dass dort Menschen zum Glauben an Jesus Christus finden, weil sie das Evangelium hören.
Die machen nicht alles gleich wie wir, ganz bestimmt nicht. Und auch aus Überzeugung machen sie manches anders. Sie sind auch theologisch an manchen Punkten anders als wir. Aber der Punkt ist: Sie verkünden auch das Evangelium, und Menschen kommen zum rettenden Glauben.
Es kann passieren, dass man erst mal bei der Kritik ist und erst mal negativ darüber denkt und vielleicht sogar neidisch schaut auf eine Bewegung, die wächst. Aber ich möchte uns ermutigen: Lasst uns darauf schauen, was Gott dort tut.
Der Apostel Paulus sagt im Philipperbrief, Kapitel 1, Vers 18: „Wenn nur Christus verkündigt wird, auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber.“
Damit will ich nicht sagen, dass es dort zum Vorwand geschieht, sondern ich möchte sagen: Paulus hat gesagt, Hauptsache Jesus wird verkündigt, Jesus wird großgemacht, Menschen werden in die Beziehung zu Jesus eingeladen – dann freue ich mich.
Und ich möchte dich fragen, und ich frage es mich auch selber: Ist das deine Freude, ob Jesus hier verkündigt wird und ob hier die Menschen dazukommen oder woanders? Kannst du dich mitfreuen, wenn andere Gemeinden wachsen – in dieser Stadt, in diesem Land, in dieser Welt?
Weil Johannes hat sich gefreut über das, was er damit erlebt hat. Er hat sich gefreut, dass er Menschen verloren hat an Jesus. Und deshalb korrigiert er das Denken seiner Jünger hier.
Johannes korrigiert das Denken seiner Jünger
Das ist der zweite Punkt der Korrektur. Er macht ihnen deutlich, dass es um Christus in den Versen 27 bis 30 geht.
Johannes der Täufer hat einen geistlichen Aufbruch miterlebt. Man kann sagen, er war das Gesicht dieser Erweckung. Die Menschenmassen strömten zu ihm in die Wüste. Man erzählte sich: „Da ist der Johannes, da müssen wir hin, den müssen wir hören.“ Sie hörten seine Predigten, ließen sich von ihm taufen. Manche...
Dieser Erfolg ist manchen vielleicht zu Kopf gestiegen, ganz bestimmt die Fokussierung auf einen Mann, der diesen Dienst tut. Doch Johannes ist dieser Erfolg nicht zu Kopf gestiegen, weil er wusste, dass es nicht sein Verdienst war, dass die Leute kamen. Er wusste, es lag nicht daran, dass er so gut gepredigt hatte oder eine besondere Gabe zum Taufen besaß. Niemand taufte so toll wie Johannes, daran lag es nicht.
Nein, Gott hat das geschenkt. Genau das erkennt Johannes an und sagt es auch seinen Jüngern hier in Vers 27: „Ein Mensch kann nichts nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist.“ Gott hat ihm viele Menschen anvertraut und zugeführt – aber mit einem Ziel. Johannes sollte sie auf Jesus vorbereiten. Er sollte sie zu Jesus führen.
Er sagt hier: „Ich bin nicht der Christus, sondern vor ihm hergesandt.“ Denk noch einmal an den Domestiken im Radsport. Er fährt bei der Tour de France oder wo auch immer vorneweg vor seinem Kapitän, gibt ihm Windschatten. Die Menschen jubeln am Straßenrand, sind begeistert. Auch der Domestik steht im Rampenlicht, bekommt Aufmerksamkeit und Jubel. Aber der Erfolg steigt ihm nicht zu Kopf. Wenn das doch geschieht, ist er kein guter Domestik. Denn dann würde er selbst den Sieg holen wollen.
Im richtigen Moment schert der Domestik aus, und sein Kapitän bekommt die volle Aufmerksamkeit und fährt zum Sieg. Johannes macht es genauso: Er bereitet die Leute auf Christus vor. Im richtigen Augenblick erkennt er, dass er zur Seite treten muss. Alle Augen sollen auf Christus gerichtet sein. Und das ist gut so. Johannes ist in seiner Bestimmung, wenn er das macht.
Er gebraucht ein anderes Bild für seine Beziehung zu Jesus: Jesus ist der Bräutigam, und Johannes ist der Freund des Bräutigams. Damals hatte der Freund des Bräutigams eine ähnliche Funktion wie heute. Der Trauzeuge kümmerte sich mit um die Vorbereitung des Festes, organisierte manches. Oft tat er sogar noch mehr als die heutigen Trauzeugen.
Der Freund des Bräutigams führte die Braut zum Bräutigam. Bei der Hochzeit brachte er die Braut zum Bräutigam und freute sich, wenn er diesen Dienst getan hatte. Sicher kein Zufall, dass Johannes genau dieses Bild für sich gebraucht und sagt: „Ich bin wie dieser Freund des Bräutigams, der die Braut zum Bräutigam führt.“
Gerade diese Worte aus Jesaja 54 gelesen, und wir sehen es auch an anderer Stelle im Alten Testament immer wieder, dass Gott sich selbst mit einem Mann vergleicht, der seine Braut zu sich holt. Dieses Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel bis in die Offenbarung, das letzte Buch der Bibel. Dort lesen wir von einer großen Hochzeit am Ende dieser Weltzeit, bei der das Lamm Gottes, Jesus selbst, eine Hochzeit feiert mit seiner Braut, mit der Gemeinde, mit allen Christen.
Johannes hatte eine ganz besondere Aufgabe, eine große Verantwortung. Er begann, diese Braut Christi zu sammeln, Menschen zu Jesus zu bringen und sie auf diese Hochzeit vorzubereiten. Deshalb band er seine Jünger nicht an sich selbst, sondern an Jesus. Er ließ sie mit Jesus gehen – und zwar nicht widerwillig. Das bereitete ihm keine Probleme. Er ließ sie ganz fröhlich ziehen, weil er wusste: So soll es sein, so ist es richtig, genau so und nicht anders.
Darum lief alles nach Plan. Johannes bringt es auf diese wunderbare Formel: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Der Einfluss von Jesus muss wachsen und zunehmen, Johannes aber muss abnehmen. Er trauerte keinem Menschen nach, den er an Jesus verlor. Im Gegenteil: Er sagt, dass er sich darüber freut. Seine Freude ist so groß wie die eines Freundes des Bräutigams, der sieht: Jetzt ist die Hochzeit da.
Unsere Berufung: Menschen zu Jesus führen
Ihr Lieben, Johannes hatte eine ganz besondere Rolle in Gottes Plan. Dennoch unterscheidet sich unsere Berufung als Christen nicht grundlegend von dem, was Johannes getan hat. Es ist auch unser Auftrag, Menschen zu Jesus zu führen – nicht an uns selbst zu binden, sondern an Jesus.
Das kann manchmal bedeuten, dass wir Menschen wirklich loslassen müssen. Wir müssen sie gehen lassen.
Wir stehen vor einer neuen Gemeindegründung. Vorhin haben wir schon davon gehört: eine Gemeindegründung im Münchner Süden. Und ich weiß jetzt schon, dass es wie bei jeder anderen Gemeindegründung ist, die wir in den letzten Jahren gemacht haben. Geschwister werden gehen, Mitglieder werden gehen. Wir haben sie alle sehr lieb gewonnen. Sie waren richtig wichtig für die Gemeinde hier vor Ort. Sie haben sich mit ihren Gaben und ihrer Persönlichkeit eingebracht und die Gemeinde mitgeprägt. Diese Menschen werden wir vermissen, ich werde sie vermissen. Ihr Weggang wird hier eine Lücke reißen.
Und doch ist es gut, dass sie gehen, dass sie weiterziehen, dass wir sie loslassen und freisetzen – Jonathan und viele, die mitgehen. Denn damit geschieht etwas ganz Entscheidendes: Der Einfluss Gottes in dieser Stadt erweitert sich um eine weitere Gemeinde.
In dieser neuen Gemeinde wird Menschen aus Gottes Wort verkündigt, wer Gott ist, wie er ist, wie er Sünder liebt und wie er immer noch Sünder ruft. Wie er neues Leben schenken will. Ein Ort der Hoffnung entsteht – ein neuer Ort der Hoffnung in dieser Stadt. Dort werden Menschen an Jesus gebunden, zu Jesus geführt und finden in ihm ihre Erfüllung.
Darum geht es.
Das Wort „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ ist ein Wort für uns als Gemeinde. Es betrifft auch unser Gemeindewachstum. Wir sollten nicht darauf schielen, sondern fragen, wo wir Leute freisetzen und woanders hinschicken können.
Es ist aber auch ein Wort für uns ganz persönlich. Das müssen wir uns zu Herzen nehmen. Oft sind wir noch so egoistisch, so auf uns selbst bedacht, so auf uns selbst fixiert – auf unsere eigenen Sehnsüchte, Wünsche und Träume. Dabei denken wir viel zu wenig darüber nach, was Jesus bewegt und was ihm wichtig ist.
Es ist wichtig, dass wir uns diese Losung von Johannes abschauen und für unser Leben übernehmen: Jesus muss wachsen, ich muss abnehmen.
Warum Christus so wichtig ist
Und Johannes gibt uns im letzten Abschnitt verschiedene Gründe dafür. Warum ist Christus so wichtig? Warum ist es entscheidend, dass er in meinem Leben zunimmt? Warum geht es so sehr um ihn und so wenig um mich? Warum ist es wichtig, dass ich ihm diene?
Johannes macht dies an mindestens drei Punkten deutlich, die ich mit euch teilen möchte. Die Konkretion – das ist der dritte Punkt: Warum Christus?
Die Macht Jesu
Das Erste, was Johannes hier sagt, ist: Jesus ist atemberaubend mächtig, er ist über allen, heißt es in Vers 31. In Vers 35 sagt Gott der Vater, dass er Jesus alles in seine Hand gegeben hat.
Wenn wir an Jesus denken, dann haben wir oft den Menschen vor Augen, der er auch wirklich war – ganz Mensch. Aber Jesus ist eben so viel mehr als ein Mensch. Er ist der lebendige und mächtige Sohn Gottes. Er regiert im Himmel und über diese ganze Welt. Er ist der Herr über jedes einzelne Lebewesen, über jeden einzelnen von uns – ob wir das anerkennen oder nicht. Jesus Christus ist der Herr.
Und er ist auch der Herr der Geschichte. Er war vor Beginn der Zeit und er ist in Ewigkeit Herr. Er hat einen Plan für diese Geschichte, und die Bibel entfaltet diesen auf fantastische Weise. Es ist atemberaubend, vom Garten Eden bis zu dieser Hochzeit des Lammes mit seiner Braut, der Gemeinde, zu sehen, wie Gott seinen Heilsplan, seine Geschichte mit dem Menschen schreibt, entfaltet und vorantreibt. Er ist an der Arbeit.
Jesus ist dieser mächtige Herr, der das tut. Wie bereitwillig folgen wir oft Chefs und Politikern, bei denen längst nicht so klar ist, ob ihre Pläne funktionieren und ob ihr Einfluss groß genug ist, um sie auch wirklich umzusetzen? Es ist gut, dass wir ihnen gehorsam sind und uns ihnen unterordnen. Genau das sagt uns die Bibel – das sollen wir tun.
Aber wie viel mehr gilt das für Jesus: dass wir uns ihm unterordnen, uns von ihm ins Leben hineinreden lassen. Denn er hat den besten Plan und alle Macht, seine Pläne umzusetzen. Das war immer so, hat sich nichts verändert bis heute, und es wird auch immer so bleiben.
Johannes der Täufer konnte seinen Dienst in der Wüste tun. Er hat Entbehrungen auf sich genommen, weil er das begriffen hat: Jesus ist so mächtig. Er hat alles in der Hand, er darf über mich verfügen, er darf mich in die Wüste schicken. Johannes hat ein ganz einfaches Leben gelebt, er hat Verfolgung erlebt. Aber er wusste, er ist in seiner Bestimmung, weil er diesem mächtigen Herrn dient.
Und ich möchte fragen: Ist dir das bewusst, wie mächtig Jesus ist? Was macht das mit deinen Sorgen? Wir haben vorhin dafür gebetet, wir haben Gott bekannt: Ja, wir haben Sorgen, Herr, wenn wir in diese Welt schauen. Aber was macht das mit deinen Sorgen, wenn du erkennst, dass Jesus wirklich der mächtige Herr ist, der alles im Griff hat?
Was macht das mit deiner Menschenfurcht, wenn du Angst hast, zum Beispiel wenn du jemandem das Evangelium weitersagen möchtest? Wenn du jemandem sagst: Ich gehöre zu Jesus und ich möchte dich einladen, ich möchte dich rufen: Komm auch zu Jesus! Was macht das mit deiner Menschenfurcht, wenn du weißt, dass Jesus die Situation im Griff hat, dass er der Herr über alles ist?
Du kannst auch dein Gesicht vor Menschen verlieren, aber bei Gott bist du anerkannt, geliebt und gesehen. Es macht den Unterschied, ob wir erkennen, dass Jesus der mächtige Herr ist.
Die Vertrauenswürdigkeit Jesu
Wir sehen noch etwas Zweites: Es ist nicht nur mächtig, er ist auch absolut vertrauenswürdig, absolut vertrauenswürdig. Was er sagt, das ist wahr; was er ankündigt, das geschieht.
Macht und Ehrlichkeit gehen in dieser Welt nicht zwingend Hand in Hand. Das lesen wir täglich in den Nachrichten, wie auch große Machthaber Geschichten erzählen, Lügen verbreiten und betrügen. Macht und Ehrlichkeit passen oft nicht zusammen. Bei Jesus jedoch geht das perfekt zusammen. Er ist absolut vertrauenswürdig. Er sagt uns Gottes Wort und zeigt uns, wer Gott ist.
Ohne Jesus könnten wir manches über Gott wissen, wir hätten vielleicht manche Vorstellungen über Gott. Aber es würden ganz entscheidende Puzzleteile fehlen. Wir könnten Gott nicht kennen, wie er wirklich ist – ohne Jesus. Das heißt schon ganz am Anfang des Johannesevangeliums: Niemand hat Gott je gesehen, der Eingeborene, der Gott ist und im Schoß des Vaters ist – und das ist Jesus – hat ihn uns verkündigt.
Hier sagt Johannes jetzt: Er redet Gottes Worte. Er zeigt uns zuerst, wer Gott ist und wie er ist. Wenn du dich darauf einlässt, wenn du ihm vertraust, wirst du das merken: Du kannst dich auf seine Worte verlassen. Dein ganzes Leben als Christ ist auf sein Wort wirklich Verlass.
Das ist anders als bei so vielen anderen Worten in dieser Welt. Wir werden zugespammt mit Worten. Alle reden auf uns ein. Das fängt an mit deinem Smartphone, mit Social Media. Dort erzählen dir alle möglichen Leute etwas über Politik, Religion und vieles mehr. Du weißt nicht, wem du vertrauen kannst.
Nichtchristliche Freunde, Kollegen und Bekannte erzählen dir, wie man ein gutes Leben leben kann. Sie haben ihre Ideen davon. Und du merkst: Wenn du diesen Botschaften folgst, sind sie nicht belastbar, nicht tragfähig, nicht zu Ende gedacht. Wenn die Krankheit kommt, wenn der Tod kommt – und oft auch schon viel früher – sind diese Botschaften nicht tragfähig.
Wie anders ist das, was Jesus uns sagt: belastbar, tragfähig, die Wahrheit, nach der du leben kannst, mit der du leben kannst und mit der du sogar sterben kannst, weil sie wirklich trägt.
Ewiges Leben durch den Glauben an Jesus
Und dann der dritte Punkt: Jesus allein schenkt uns ewiges Leben. Das heißt in Vers 36: Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.
Jesus hat in den wenigen Jahren, in denen er Gottes Wort verkündigt hat, immer wieder deutlich gemacht: Von Natur aus haben wir Menschen nicht dieses ewige Leben. Das haben wir von Natur aus nicht. Wir haben es auch nicht verdient, weil wir alle unter Gottes Zorn stehen. Das hat Jesus deutlich gemacht, das haben die Propheten deutlich gemacht, das haben die Apostel nachher deutlich gemacht: Wir stehen unter Gottes Zorn.
Vielleicht fragst du dich: Warum denn? Warum ist Gott zornig auf mich? Ich versuche doch, ein gutes bürgerliches Leben zu führen und mache nicht viel falsch. Ich versuche nicht zu lügen, nicht zu betrügen. Nimm einfach nur die Zehn Gebote und überlege: Habe ich immer danach gelebt? Lebe ich immer nach den Zehn Geboten?
Dann sagst du vielleicht: Ja, ich habe ja noch nie getötet. Aber hast du Vater und Mutter immer treu geehrt, so wie es ihnen gebührt? Kannst du das für dich in Anspruch nehmen? Hast du wirklich noch nie begehrt, was jemand anders gehört? Warst du wirklich noch nie neidisch auf das, was jemand anders hatte, und wolltest es auch gerne für dich haben? Hast du Gott immer so geehrt, wie es ihm gebührt?
„Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ – so beginnt es. Ist das wirklich etwas, wo du sagen kannst: Ja, so habe ich immer gelebt? Wenn du ehrlich darüber nachdenkst, merkst du: Wenn das der Maßstab ist, dann habe ich das nicht erfüllt. Und die Bibel sagt, dann verdienst du Gottes Zorn.
Das ist für uns Menschen oft erst einmal eine große Kränkung. Wir sagen: Warum soll ich mich denn vor Gott rechtfertigen? Warum ist er denn zornig auf mich? Das Problem ist: Diese Fragen und dieses Denken führen zu nichts. Denn wir werden alle einmal vor seinem Richterstuhl stehen, vor Gottes Richterstuhl.
Er wird uns zur Rechenschaft ziehen für das, wie wir gelebt haben. Es ist eigentlich egal, ob uns das gefällt oder ob wir das in schönen Gedanken finden. Es ist die Realität: Es wird einmal so sein, dass wir vor ihm stehen. Und wir können ihm dann nicht sagen: „Ich finde das doof, Gott.“ Das hilft nicht.
Das Einzige, was uns dann hilft, ist, dass wir an Jesus Christus glauben – so wie Johannes das hier sagt. Das Einzige, was dann trägt, ist der Glaube an Jesus Christus. Er hat in seiner Liebe und in seiner großen Macht das getan, was wir nicht tun konnten: nämlich diesen Zorn Gottes abgewandt.
Jesus hat diese Gebote gehalten. In jeder Sekunde, in jedem Atemzug seines Lebens hat er für den Vater im Himmel gelebt. Und dann tut er in seiner Liebe dieses atemberaubende Wunder: Er schenkt sein Leben am Kreuz von Golgatha.
Er nimmt den geballten Zorn Gottes auf sich selbst. Er erleidet und durchleidet ihn, nimmt die größte Finsternis auf sich – stellvertretend für dich und mich. Das ist ein Geschenk, das ultimative Zeichen seiner Liebe, dass er es wirklich gut mit uns meint.
Er hat uns am Kreuz von Golgatha das ewige Leben erkämpft. Und der Beweis ist, dass er nicht totgeblieben ist, nicht im Grab geblieben ist, sondern auferstanden ist. Er hat die Sünde besiegt, er hat den Tod besiegt. Er ist der lebendige Retter.
Die Frage für uns ist: Glaubst du, dass das wahr ist? Vertraust du Jesus Christus? Das ist die Frage, an der sich die Ewigkeit entscheidet. Johannes macht das hier deutlich.
Daran entscheidet sich die Ewigkeit: ein ewiges Leben mit Gott und für Gott in seiner Herrlichkeit, weil Jesus Gottes Zorn wirklich für mich getragen hat. Oder eine Ewigkeit in Gottesferne, in der Hölle, so sagt es die Bibel, wo ich Gottes Zorn selbst tragen muss.
Dort stehe ich dann selbst gerade, und ich kann es gar nicht. Ich muss durch das Leiden gehen, das Jesus am Kreuz durchlitten hat. Ich muss selbst bezahlen dafür.
Deshalb lade ich dich ein, mit dem, was Johannes hier sagt: Glaub an Christus. Lass dir dieses ewige Leben von ihm schenken – vielleicht heute zum ersten Mal, vielleicht ist heute der Start. Höre seine Stimme und sage: „Jawohl, Jesus, ich will mir das schenken lassen von dir.“
Anders geht es nicht, aber so geht es. Das ist der Weg. Jesus hat alles dafür getan, dass du leben kannst.
Die Herausforderung des Gehorsams
Ich möchte mit einem Wort an diejenigen unter uns schließen, die sagen: Ja, ich glaube an den Sohn, ich vertraue ihm.
Ich möchte dich fragen: Sehnst du dich danach, Jesus in deinem Leben mehr zu sehen? Dass er in deinem Leben zunimmt, während du abnimmst? Dass dein Ego kleiner wird und du mehr und mehr lernst, Jesus wirklich zu dienen – mit deinem ganzen Leben, mit aller Kraft, mit allem, was du hast, mit allem, was er dir anvertraut hat? Dass du für ihn lebst?
Ist euch aufgefallen, was Johannes hier dem Glauben gegenüberstellt in Vers 36? Er sagt: Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen.
Er stellt dem Glauben nicht etwa den Unglauben gegenüber, sondern sagt: Wer dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen.
Daran lernen wir noch einmal das, was wir letzte Woche schon bedacht haben: Ein rettender Glaube zeigt sich darin, dass wir wirklich Jesus auch gehorchen. Dass wir für ihn leben und darin wachsen, das zu tun, was er uns aufgetragen hat, was er uns gesagt hat. Es ist nicht einfach ein Lippenbekenntnis, sondern ein Leben im Gehorsam, in der Nachfolge Jesu Christi.
Kein perfekter Gehorsam – du wirst keinen Christen finden in dieser Gemeinde, aber auch nicht im ICF oder irgendwo anders, der ihm perfekt gehorcht. Und doch ist es so, dass wir uns danach ausstrecken sollen. Das soll uns antreiben, weil wir erkannt haben, wer Jesus ist: der mächtige Herr, der die Wahrheit spricht in unserem Leben, der uns so sehr geliebt hat, dass er sein Leben hingegeben hat, um uns das ewige Leben zu erkämpfen.
So lernen wir, ihm gehorsam zu sein. Das zeigt sich in deinem Leben.
Ich möchte dich ermutigen: Lebe für Jesus, diene ihm, damit Jesus groß herauskommt – denn darum geht es.
Schlussgebet und Bitte um Nachfolge
Lasst uns beten! Herr Jesus, wir danken dir von ganzem Herzen, dass wir in den Worten von Johannes sehen dürfen, wie groß und mächtig, wie wahrhaftig, schön und liebevoll du bist. Wir danken dir für deine große Retterliebe zu uns.
Wir danken dir auch für das Vorbild von Johannes. Er hat die Menschen nicht an sich gebunden, sondern durfte erkennen, dass es um Jesus geht – um dich. Er hat die Menschen gerne zu dir geführt.
Wir wollen dafür beten, dass wir in dieser Gesinnung wachsen, die Johannes hatte. Dass wir uns an dich hängen, Jesus, und mehr verstehen, dass du wachsen musst, wir aber abnehmen sollen.
Herr, hilf uns, diesen Kampf gegen unser Ego, gegen unsere eigenen Vorstellungen und Sehnsüchte aufzunehmen. Lass uns mehr das ersehnen, was du willst und was dir wichtig ist, und dann auch danach leben.
Wir beten, dass wir als deine Zeugen in dieser Welt unterwegs sein können. Dass noch viele Menschen begreifen, dass nur du der einzige Weg zum ewigen Leben bist.
Danke, dass du uns dieses Geschenk machst. Danke, dass wir die reichsten Menschen auf dieser Welt sind, wenn wir dich haben. Hilf uns, nach dieser Wahrheit zu leben! Amen.