Guten Abend, ich möchte alle herzlich begrüßen. Wir sind bei Lukas 17 stehen geblieben, und zwar kommen wir heute zu Vers 7.
Darf ich bitten, Samuel, dass du uns Abschnitt für Abschnitt liest? Jetzt mal Lukas 17,7-10:
„Wer aber von euch wird zu seinem Knecht, der pflügt oder weidet, wenn er vom Feld hinkommt, sogleich sagen: ‚Komm her und setze dich zu Tisch‘? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: ‚Bereite mir das Abendbrot, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du essen und trinken‘? Dankt er wohl jenem Knecht, dass er getan hat, was ihm befohlen war? Ich meine nicht. So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen war, sprechen: ‚Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.‘“
Danke, bis dahin.
Das ist gerade noch der Abschluss von Abschnitt 3, und dann beginnt der Teil 4 von Lukas 17,11 bis 19,27.
Die Reise Jesu und die Struktur des Lukas-Evangeliums
Also A sollte eigentlich B heißen. Im nächsten Vers, den wir noch nicht gelesen haben, sehen wir wieder eine Bemerkung darüber, dass der Herr Jesus auf der Reise ist – und zwar auf der Reise aus dieser Welt heraus.
Es geschah, als er nach Jerusalem reiste, dass er mitten durch Samaria und Galiläa ging. Wir haben gesehen, ab B1, B2, B3, B4: Immer zu Beginn eines neuen Teils im Lukas-Evangelium gibt es eine Bemerkung darüber, dass der Herr Jesus auf dem Weg ist. Dieser Abschnitt geht bis 19,27.
Der fünfte und damit letzte Teil B5 beginnt in 19,28, und dort heißt es: „Und als er dies gesagt hatte, zog er voran und ging nach Jerusalem hinauf.“ Die ganze Reise hat ab Kapitel 9, wo B1 beginnt, das Ziel, zu zeigen, wie der Herr Jesus den Weg nach Jerusalem geht und von dort über Jerusalem in die Herrlichkeit.
Darum endet das Lukas-Evangelium, im Gegensatz zu Matthäus und Johannes, mit der Himmelfahrt.
Jetzt haben wir also noch den Abschluss von Teil B3. Beim letzten Mal haben wir die Verse 5 und 6 etwas ausführlicher behandelt. Wichtig war dabei die Feststellung, dass in Vers 5 überraschend steht: „Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Mehre uns den Glauben.“
Gewöhnlich wird gesagt „die Jünger, die Jünger“, und hier schreibt Lukas „die Apostel“. Die Apostel Jesu Christi hatten vom Herrn eine ganz besondere Befähigung und Autorität bekommen. Sie waren vorgesehen, um schließlich den Grund der Gemeinde als etwas ganz Neues im Heilsplan zu legen.
Darum mussten die Apostel, wie wir beim letzten Mal gesehen haben – auch wenn das eine Wiederholung wäre –, mit Zeichen, Wundern und mächtigen Taten ausgezeichnet sein.
Die besondere Berufung und der Auftrag der Apostel
Die zwölf Apostel hatten einen besonderen Auftrag, der sich auf die Gläubigen der Gemeinde aus Israel bezog, also aus den zwölf Stämmen. Der Apostel Paulus hingegen hatte einen speziellen Auftrag, der die Nationen im Blick hatte. So entsteht eine Gemeinde, die sowohl aus Juden als auch aus Nationen besteht.
Auch das haben wir beim letzten Mal gesehen und es wurde in 2. Korinther 12 wiederholt. Paulus war damals stark angegriffen und musste sich verteidigen. In 2. Korinther 12 sagt er: „Die Zeichen des Apostels habe ich ja aufgewiesen in Zeichen und Wundern und mächtigen Taten.“ In diesem Zusammenhang sagen die Apostel: „Mehre uns den Glauben!“ Der Herr erklärt daraufhin, dass es nicht auf die Menge des Glaubens ankommt, sondern darauf, dass der Glaube lebendig ist.
Wenn der Glaube lebendig ist, selbst wenn er so klein ist wie ein Senfkorn, dann ist es möglich, einem Maulbeerbaum zu sagen: „Werde entwurzelt und ins Meer gepflanzt.“ Sehr wichtig ist die Parallelstelle dazu, die wir beim letzten Mal nicht betrachtet haben, nämlich Matthäus 17,20. Diese ist ebenfalls sehr aufschlussreich.
Jesus sagt dort zu ihnen: „Um eures Unglaubens willen, denn wahrlich, ich sage euch, wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, so würdet ihr zu diesem Berg sagen: Hebe dich weg von hier dorthin, und er würde sich wegheben. Und nichts würde euch unmöglich sein.“
Danach fügt er hinzu: „Aber diese Art fährt nicht aus, außer durch Gebet und Fasten.“
In dieser Parallelstelle sagt der Herr also, der Glaube müsse sein wie ein Senfkorn – das ist das Gleiche Bild wie in Lukas. Dann könnte man zu diesem Berg sagen: „Werde versetzt!“ In Lukas hingegen sagt er, man könne einem Maulbeerbaum sagen, er solle entwurzelt und ins Meer gepflanzt werden.
Was ist der Zusammenhang in Matthäus 17,20? Die Jünger waren ausgesandt, genauer gesagt, die Apostel waren ausgesandt, um Zeichen, Wunder und mächtige Taten zu tun. Sie wurden jedoch mit einem besessenen Sohn konfrontiert, und sie konnten den Dämon nicht austreiben. Das war eine Katastrophe, denn sie hatten doch die Autorität erhalten, Zeichen, Wunder und mächtige Taten zu vollbringen – und nun konnten sie es nicht.
Der Herr erklärt daraufhin, dass es sich um eine ganz besondere Art von Dämon handelt. Er sagt in Vers 21: „Diese Art fährt nicht aus außer durch Gebet und Fasten.“
Die Herausforderung des Glaubens und die Notwendigkeit von Gebet und Fasten
Im Zusammenhang mit Matthäus 17,14-20 geht es um einen Sohn, der stumm war. Diese Stummheit wird ausführlich im Markus-Evangelium behandelt; ich verweise hier nur auf die Parallelstelle, in der dieses Thema klar dargestellt wird.
Man muss dabei bedenken, dass die alten Rabbiner bereits lehrten, dass es möglich sei, Besessene zu heilen. Wenn jedoch ein Besessener stumm sei, dann hielten sie das für unmöglich. Nach ihrer Lehre müsse man zuerst den Namen des Dämons erfahren, um ihm dann diesen Namen zu nennen und ihm zu gebieten, auszufahren. War der Besessene stumm und konnte den Namen nicht nennen, galt das als unheilbar.
Wer konnte es dann noch? Natürlich nur der Messias. Deshalb ist die Stelle in Matthäus 12 so wichtig. Dort endet der erste Teil des Matthäusevangeliums, in dem als Höhepunkt deutlich wird, wie die Führung des Judentums Jesus als Messias ablehnt. Ausgerechnet dort heilt Jesus einen Besessenen, der stumm und blind war. Das Volk reagiert richtig und erkennt: Das muss der Messias sein. Sie fragen: „Ist das nicht der Sohn Davids?“ Die Pharisäer hingegen behaupten, Jesus tue das durch den Teufel, durch Beelzebub, den Obersten der Dämonen.
Jesus hat das wirklich getan, und nun sehen wir die Jünger, genauer gesagt die Apostel, die nicht einmal das konnten. Jesus sagt in Matthäus 17, Vers 20: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn...“ Dabei geht es nicht um die Menge des Glaubens, sondern um einen wirklich lebendigen Glauben. Genau daran mangelte es den Jüngern.
Deshalb verstehen wir auch, warum die Apostel im Abschnitt darum bitten: „Herr, mehre uns den Glauben.“ Es geht um ein apostolisches Zeichen, das sie vollbringen sollten – etwas, das eigentlich nur der Messias kann. Sie hätten dazu fähig sein sollen, doch hier ist eine Grenze erreicht: zu wenig Glaube, das heißt zu wenig lebendiger Glaube.
Jesus sagt nicht, man müsse großen Glauben haben, sondern: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, könnt ihr zu diesem Berg sagen: ‚Werde versetzt!‘“ Es ist also interessant, dass diese beiden Stellen über das Gebieten des Sprechens für ein mächtiges Wunderwerk gerade im Zusammenhang mit der Autorität der Apostel stehen – und nicht einfach für alle Gläubigen.
Erstens sagt Jesus, ihr habt zu wenig Glauben. Dann, im Vers 21, erklärt er, dass diese Art von Dämon nur durch Fasten und Gebet auszufahren sei. Das passt zusammen: Es fehlten zwei Dinge. Erstens lebendiger Glaube, zweitens die zusätzliche Praxis von Gebet und Fasten.
Bei Jesus selbst lesen wir das übrigens nicht in Matthäus 12, wo er das messianische Wunderwerk vollbringt und einen stummen und blinden Besessenen heilt. Er befiehlt es einfach und das Wunder geschieht. Den Aposteln aber sagt er, dass diese Art von Dämon nur durch Gebet und Fasten ausfährt.
Die parallele Stelle findet sich in Markus 9,14-29. Dort heißt es in Vers 29: „Diese Art kann durch nichts ausfahren als nur durch Gebet und Fasten.“ Vielen Dank.
Die Haltung der Apostel im Dienst
Ja, dann gehen wir weiter. Wir haben gelesen ab Vers 7: „Und der Herr fügt gleich an: Wer aber von euch, der einen Knecht hat...“ Jetzt richtet sich also nochmals ganz bewusst an die Apostel und erklärt, obwohl der Herr ihnen die Gewalt gegeben hat, Zeichen und Wunder und mächtige Taten zu tun, können sie sich gar nichts auf ihren Dienst einbilden.
Darum dieses Gleichnis im Vergleich mit einem Knecht, der pflügt und weidet und dann vom Feld heimkommt.
Zwischendurch noch eine Frage, Christoph? Wir haben hier im Livestream jemanden, der fragt: Was genau versteht man unter lebendigem Glauben? Was versteht man genau unter lebendigem Glauben?
Das ist der Kontrast zu einem toten Glauben. In Jakobus 2 wird erklärt, dass auch die Dämonen glauben, dass es Gott gibt. Aber das ist ein toter Glaube. Ein lebendiger Glaube ist ein Glaube, der sich auch in gottgemäßen Werken auswirkt. Das ist die Lehre von Jakobus.
Wir erfahren also in Lukas 17 und in Matthäus 17, dass bei den Aposteln damals noch ein Mangel da war. In den drei Jahren, in denen der Herr predigte und die Jünger und auch die Apostel – eben zwölf aus all den vielen Jüngern – besonders unterwies und belehrte, hatten sie so vieles zu lernen.
Aber wir sehen, wie ein Petrus am Ende dieser drei Jahre tragisch zu Fall kommt und den Herrn verleugnet. Nachher sehen wir jedoch einen völlig anderen Petrus in der Apostelgeschichte, nachdem er wiederhergestellt war.
Das war wirklich eine Zeit, in der Mangel noch ausgefüllt wurde. Danach sehen wir einen vollmächtigen Dienst der Apostel. Das bedeutet aber nicht einen vollkommenen Dienst. Sie haben versagt, zum Beispiel Petrus. Von ihm wird in Galater 2 berichtet, als er in Antiochia auf Besuch war und dann Juden aus Jerusalem kamen, die im Umfeld von Jakobus waren.
Barnabas hat geheuchelt, und Petrus ließ sich durch die Heuchelei von Barnabas mitreißen. Da ist der Apostel Paulus ihm dann öffentlich entgegengetreten und hat ihn in der Öffentlichkeit zurechtgewiesen.
Ein treuer und hingebungsvoller Dienst, ein bewährter Dienst bedeutet also nicht Fehlerlosigkeit – überhaupt nicht. Aber wir sehen eine grundsätzliche Wende, wenn wir die Jünger während der drei Jahre in den Evangelien betrachten und das, was wir nachher ab Pfingsten sehen.
Habe ich so geantwortet? Gut. Jetzt weiter.
Der Herr sagt also: „Wer von euch, der einen Knecht hat...“ und erklärt, wenn ein Knecht heimkam – so war das damals in dieser Gesellschaft ganz normal – dann sagt man ihm nicht: „So, jetzt hast du genügend gearbeitet, jetzt kannst du dich gleich hinsetzen.“ Stattdessen wird erwartet, dass er auch noch den Herrn des Hauses bedient.
Erst danach isst und trinkt er.
In Vers 9 war es üblich, dass der Hausherr diesem Knecht nicht speziell danken muss, weil er das Befohlene getan hat. Das gehörte zu seiner Pflicht als Knecht.
Jetzt macht der Herr die Anwendung: So ist es eigentlich auch mit euch. Wenn wir dem Herrn, dem Herren, dienen, können wir uns nicht nachher auf die Schultern klopfen und sagen: „Das haben wir ganz fantastisch gemacht.“ Stattdessen sagt er: „So auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“
Obwohl er ihnen eine so besondere Stellung gab als Apostel, ausgestattet mit Macht, Zeichen, Wundern und mächtigen Taten, müssen sie sagen: „Wir sind unnütze Knechte.“
Jetzt ist das natürlich etwas herausfordernd: „Unnütze Knechte“ – wieso sagen sie das? Es hat natürlich den Sinn von „unnötig“. Sie haben schon etwas Nützliches gemacht, aber der Herr ist nicht auf uns angewiesen, auf unseren Dienst.
Wir sehen das so eindrücklich im Buch Esther. Esther wurde von Gott als ein ganz besonderes Werkzeug ausgewählt, eine ganz besondere Dienerin. Sie sollte nämlich das gesamte Judentum im fünften Jahrhundert vor Christus vor dem Untergang retten.
Haman hatte die Erlaubnis des persischen Königs, die Juden umzubringen. Das Persische Reich erstreckte sich von Afrika bis nach Indien. Diejenige, die das Judentum, also die ganze Judenheit, gerettet hat, war Esther.
Gottes souveräne Führung und die Rolle des Dienens
Und jetzt möchte ich aus Esther 4 lesen. Mordechai gibt ihr ganz genaue Anweisungen, wie sie vorgehen muss. Könntest du bitte lesen? Vielleicht ab Vers 13, dann auch Vers 14.
Da ließ Mordechai der Esther antworten: „Denke nicht in deinem Herzen, dass du vor allen Juden entkommen würdest, weil du im Haus des Königs bist. Denn wenn du jetzt schweigst, so wird von einer anderen Seite her Befreiung und Rettung für die Juden kommen. Du aber und das Haus deines Vaters werden untergehen. Und wer weiß, ob du nicht gerade wegen einer Zeit wie dieser zum Königtum gekommen bist.“
Ja, also Mordechai, ihr Onkel, sagt ihr ganz klar: Gott hat einen besonderen Plan mit dir. Es muss einen tiefen Grund haben, warum du in dieser Zeit zum Königtum gekommen bist. Aber wenn du jetzt schweigst und deine Aufgabe nicht erfüllst, wird Gott die Juden trotzdem retten. Das hängt nicht von Esther ab, aber er wollte Esther dafür gebrauchen.
Und wenn sie schweigen würde, dann wird von woanders her Errettung entstehen. Es wird nicht gesagt, wie, aber Gott hat ja eine andere Möglichkeit. Er ist nicht abhängig von Esther. Doch wir sehen hier niemanden in der Weltgeschichte, der Esther hätte vertreten können. Aber Gott hätte einen Weg gehabt. Er nennt nicht einmal eine andere Person, sondern sagt nur, dass auf eine andere Weise Rettung zustande kommen würde.
Das ist sehr wichtig, gerade wenn man schwierige Situationen in der Bibel betrachtet. Zum Beispiel wollte Isaak Esau segnen. Es war ja ganz klar, der Ratschluss Gottes war schon längst bekannt: Das Erstgeburtsrecht wird nicht Esau, sondern Jakob, der jüngere Sohn, bekommen.
Ja gut, aber jetzt ist alles eingefädelt. Esau muss nur noch schnell auf die Jagd gehen und danach ein besonderes Essen zubereiten. Dann wird Isaak den Segen, den messianischen Segen der Erstgeburt, Esau geben. Jakob dachte, jetzt gibt es keinen anderen Weg, als das zu tun, was seine Mutter ihm beibringt. Er muss seinen Vater betrügen, vorgeben, Esau zu sein, und so zu diesem verheißenden Recht kommen.
Und es ging dann auch so. Aber Gott ist doch nicht angewiesen auf den Betrug von Jakob. Er hätte auf der Jagd bewirken können, dass Esau einen Herzinfarkt bekommt und gar nicht mehr nach Hause kommt. Gott hätte andere Wege gehabt. Er hat ganz klar gesagt, Jakob wird diesen Segen bekommen.
Selbst wenn eine Situation entsteht, in der man denkt, jetzt ist es gar nicht mehr möglich, anders zu handeln, da muss man betrügen, nein – Gott hat andere Wege und Möglichkeiten. Das können wir auch daraus lernen: Er ist nicht abhängig von uns, aber er will uns gebrauchen.
Und wenn wir getan haben und unseren Dienst erfüllt haben, können wir uns nicht rühmen. Wir haben nur das getan, was Gott uns aufgetragen hat. Die Knechte sagen: „Wir sind unnütze Knechte.“ Das Wort ist wirklich hart: unnütz, unbrauchbar. Dabei sind sie doch nützlich und brauchbar.
Wie soll man das erklären? Das ist etwas, was in der Literatur ganz wichtig ist – dass man die verschiedenen Stilfiguren unterscheidet. Das gilt auch außerhalb der Bibel und eben auch in der Bibel.
Zum Beispiel die Hyperbel. Das ist eine Stilfigur, bei der etwas übertrieben dargestellt wird. Hyperbolische Rede? Ja, genau. Ein Beispiel ist „Splitter und Balken im Auge“. In Matthäus 6 heißt es, wenn man einen Splitter aus dem Auge des Bruders entfernen will, sollte man zuerst den Balken aus dem eigenen Auge nehmen. Ganz klar, kein Balken passt ins Auge, aber es ist hyperbolische Rede – übertriebene Rede, um etwas drastisch und klar zu machen.
In der deutschen Literatur gibt es zum Beispiel die Beschreibung eines jungen Mannes: Er ist so dünn, dass fast das Licht der Sterne durch ihn hindurchscheinen könnte. Das ist hyperbolische Rede. Niemand denkt, dass das tatsächlich möglich wäre, aber es dient dazu, etwas drastisch auszudrücken.
Der Gegensatz zur Hyperbel ist die Litotes, also die Untertreibung. Das kennen wir: Man hat ein riesiges Problem mit jemandem und sagt nur: „Ich habe da schon ein bisschen ein Problem.“ Warum sagt man „ein bisschen“? Es ist keine Lüge, sondern eine Untertreibung, um das Erträgliche auszudrücken. Man sagt nicht: „Ich habe ein gewaltiges Problem“, sondern „ein bisschen ein Problem“. Das ist sehr üblich in der Sprache und wird normalerweise auch korrekt verstanden.
Hier ist es auch so: „Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan, was wir tun sollten.“ Das ist die Untertreibung der Bescheidenheit.
Ein anderes Beispiel: Man macht einen wunderbaren Kuchen und bereitet noch andere Dinge vor. Dann kommt man zu einer Feier und übergibt alles. Die Hausfrau bedankt sich und sagt: „Nichts zu danken.“ Man muss sich vorstellen, was passieren würde, wenn sie das nicht gesagt hätte. Das ist der Punkt. Man sagt: „Nicht der Rede wert“, „nichts zu danken“ – das ist die Stilfigur Litotes, eine Untertreibung als Ausdruck von Bescheidenheit.
Jetzt gehen wir weiter mit Vers 11 bis 19. Bitte, Samuel.
Die Heilung der zehn Aussätzigen und die Dankbarkeit des Samariters
Und es geschah, als er nach Jerusalem reiste, dass er durch das Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa zog. Bei seiner Ankunft in einem Dorf begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die von ferne stehen blieben. Sie erhoben ihre Stimme und sprachen: „Jesus, Meister, erbarme dich über uns!“
Als er sie sah, sprach er zu ihnen: „Geht hin und zeigt euch den Priestern!“ Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein. Einer aber von ihnen kehrte wieder um, als er sah, dass er geheilt worden war. Er pries Gott mit lauter Stimme, warf sich auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter.
Da antwortete Jesus und sprach: „Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der umgekehrt wäre, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremdling?“ Und er sprach zu ihm: „Steh auf und geh hin, dein Glaube hat dich gerettet.“
Diese Geschichte kommt nur im Lukas-Evangelium vor und muss daher im Zusammenhang mit der Botschaft dieses Evangeliums eine besondere Bedeutung haben. Der Herr Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, aber er ist noch nicht dort, sondern im Grenzgebiet zwischen Samaria und Galiläa. Man kann sich das so gut merken: Das Land Israel in der Zeit des Neuen Testaments war dreiteilig. Der oberste Teil war Galiläa, der mittlere Teil Samaria und der südliche Teil Judäa mit der Hauptstadt Jerusalem. Jesus befindet sich also im Grenzbereich zwischen Galiläa und Samaria.
Darum kommen hier Juden und auch ein Samaritaner vor – gerade so im Grenzbereich, wo man beiden begegnen konnte. Und jetzt haben wir gerade vorhin das wiederholt mit dem messianischen Zeichen. Ein besonderes Zeichen war die Heilung eines stummen Besessenen. Aber hier haben wir wieder ein ganz besonderes messianisches Zeichen: die Heilung eines Aussätzigen.
In der rabbinischen Literatur wird gesagt, ein Aussätziger sei ein lebendig Toter. Es sei so schwierig, einen Aussätzigen zu heilen, wie einen Toten aufzuwecken. In den Evangelien kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier gewisse Aussatzformen gemeint sind, die sogar spontan heilen könnten. Vielmehr ist wirklich die hoffnungslose Form von Aussatz gemeint.
Wir haben das schon gesehen, in Lukas 5 ausführlich behandelt, darum hier nur eine kurze Wiederholung: Jesus heilt einen Aussätzigen und schickt ihn zu den Priestern (Lukas 5,12-16). Dann geht der Herr an einen öden Ort, um zu beten. Das war so sensationell! Ein geheilter Aussätziger kommt nach Jerusalem. Er musste außerhalb der Stadtmauern warten, denn Aussätzige durften nicht in Städte mit einer Ringmauer hineingehen.
Aber er musste mitteilen, dass ein Priester geholt wird. Und zwar ein Spezialist für das Buch Levitikus (Dritte Mose) Kapitel 13 und 14, wo beschrieben wird, wie der Aussatz diagnostiziert werden muss und wie auch die Heilung und das Vorgehen bei Heilung geregelt sind. Der Priester musste also aus der Stadt herauskommen und den Geheilten untersuchen.
Diejenigen, die von diesen Spezialisten als Aussätzige diagnostiziert wurden, wurden natürlich registriert. Nun musste der Priester feststellen, dass dieser Mann geheilt war. So etwas hatte es seit den Tagen Moses nicht mehr gegeben. Das letzte Beispiel in Israel war die Heilung von Mirjam, nachdem sie gegen Mose geredet hatte. Sie wurde aussätzig (4. Mose 12) und nach einer Woche heilte Gott sie wieder.
Aber danach gab es so etwas nie mehr in Israel. Nur außerhalb von Israel, zum Beispiel bei den Syrern (2. Könige 5), gab es solche Heilungen. Nun kommt zum ersten Mal ein Geheilter nach Jerusalem. Er musste dann die Anforderungen von Levitikus 14 erfüllen: in den Tempel gehen, alle seine Haare scheren, die vorgeschriebenen Waschungen durchführen und die Opfer darbringen.
Dazu gab es einen ganz speziellen Vorhof im Tempel, nämlich den Frauenvorhof. Das war der zweite Vorhof, der direkt an den innersten Vorhof mit dem Tempelhaus und dem Altar angrenzte. In den Ecken dieses Hofes gab es vier offene Höfe.
Der nordwestliche war der Leprahof, die Leprakammer. Dort musste ein Geheilter alle Rituale vorbereiten. Man hatte diesen Hof gebaut, obwohl man ihn nie gebraucht hatte. Man muss sich vorstellen, dass dies wirklich das erste Mal war, dass diese Einrichtung eine Funktion bekam.
Im Nordosten lag die Kammer für das Holz des Altars. Dort wurde das Holz für den Brandopferaltar aufgeschichtet, und unbrauchbares Holz wurde dort entsorgt.
Dann gab es den Hof links vom Haupteingang, wenn man von Osten kam – also südöstlich. Das war die Naziräerkammer. Dort mussten Menschen, die ein Naziräergelübde abgelegt hatten und dessen Zeit abgelaufen war, ihre Haare scheren, die Haare auf einer Feuerstelle verbrennen und alle Rituale nach 4. Mose 6 erfüllen.
Der vierte Hof lag im Südwesten und war die Öl- und Weinkammer. Dort wurden das Olivenöl und der Wein für die Gießopfer in Verbindung mit den Brandopfern aufbewahrt, ebenso das Öl für den Leuchter.
Diese bauliche Struktur war für Israel von großer Bedeutung und wurde ständig genutzt. Man musste jedoch sagen: Bisher hatte man den Leprahof nie gebraucht. Nun wurde er gebraucht, und die Auswirkung war sichtbar.
Das ist auch eine Wiederholung aus Lukas 5, Vers 17. Dort liest du, dass...
Die Reaktion der religiösen Führer auf Jesu Wirken
Und es begab sich an einem Tag, dass er lehrte, und es saßen Pharisäer und Gesetzeslehrer da, die aus allen Dörfern von Galiläa, Judäa und Jerusalem gekommen waren. Die Kraft des Herrn war da, um sie zu heilen.
Es wird gesagt, der Herr sei in Galiläa am Dienen, und zwar in Kapernaum, wie man aus Markus 2 weiß. Dort sind Gesetzeslehrer und Pharisäer, also Rabbiner, aus jedem Dorf von Galiläa, Judäa und Jerusalem versammelt – also Rabbiner aus ganz Israel. Wieso kommt eine solche Vertretung?
Jetzt wurde klar: Noch nie ist so etwas geschehen seit Mose. Das könnte wirklich der Messias sein, das muss der Messias sein. Darum wollten sie nun prüfen, was er eigentlich predigt. Denn der Messias muss natürlich so predigen, dass es mit dem Alten Testament übereinstimmt, und das wollten sie überprüfen.
Jetzt schickt der Herr ihnen noch neun weitere. Das muss man sich vorstellen: Damals war das eine solche Sensation. Und jetzt, wo wir sehen, dass der Herr immer mehr auf dem Weg nach Jerusalem ist – das Ende kommt –, schickt er ihnen noch neun. Die ganzen Rituale werden nochmals durchgeführt, und natürlich muss sich der Sanhedrin damit auseinandersetzen. Niemand kann dieses Wunder tun außer dem Messias.
Sie müssen fragen: Wie war das mit dieser Heilung? Wie ist das geschehen? Wer war die Person, die euch geheilt hat? Wie wir es von den Blindgeborenen kennen, Johannes 9, wo im Detail beschrieben wird, wie die Pharisäer fragen, wie das war und wer das war. Jesus sagt: Das habt ihr mich doch schon einmal gefragt, und jetzt fragt ihr mich das nochmals.
Ja, sie mussten das ganz genau und akribisch untersuchen und auch akribisch Zeugen befragen – er ist der Messias. Unsere führenden Rabbiner sagen aber: Das kann nicht der Messias sein. Wie geht das? Man sieht, was diese Geschichte beinhaltet.
Das Traurige ist: Jesus sagt, geht, zeigt euch den Priestern. Die Geheilten gehen, obwohl sie noch gar nicht geheilt sind. Erst unterwegs, nachdem sie gehorsam waren, wurden sie geheilt. So war es auch bei den Blindgeborenen: Er musste zuerst nach Siloah hinabgehen und sich dort waschen, dann wurde er sehend. Er konnte bezeugen, dass so etwas von Ewigkeit her noch nie geschehen ist.
Die Heilung des Blindgeborenen war noch spezieller. Aussätzige wurden nämlich geheilt, wie Mirjam, dann nicht mehr – niemand mehr in Israel –, auch ein Naaman wurde geheilt. Aber beim Blindgeborenen konnte man sagen: So etwas hat man noch nie gehört, von Ewigkeit her nicht, dass einem Blindgeborenen die Augen geöffnet wurden. Darum dieses ganze Unterfangen, diese Befragung.
Sie glaubten, gingen fort, und einer stellte fest: Ich bin geheilt. Er kehrt zurück und fällt vor dem Herrn nieder – und das war ein Samariter, kein Jude. Der Herr sagt: Es waren zehn, wo sind die neun? Nur dieser Fremde.
Warum schreibt Lukas das? Lukas ist der einzige Bibelschreiber, von dem wir wissen, dass er kein Israelit war. Er hat das Lukas-Evangelium und die Apostelgeschichte geschrieben. Ihm war natürlich das Thema besonders wichtig, dass die Gnade Gottes in Jesus die Grenzen Israels sprengt und zu den Nationen geht.
Das finden wir von Anfang des Lukas-Evangeliums an wie einen roten Faden: Dieses Thema, dass der Herr die Nationen will. Darum kommt diese Geschichte nur hier vor: Ein Samariter, ein Fremder, erkennt den Messias und dankt ihm auch dafür, während die anderen einfach verschwunden sind.
Der zweite Teil von Lukas’ Doppelwerk, die Apostelgeschichte, zeigt dann, wie das Evangelium von Jerusalem schließlich nach Samaria und dann zu den Heiden und bis nach Rom ausgeht. Das ist sein Anliegen: zu zeigen, dass das Evangelium in die Welt geht und in der Welt geglaubt wird.
Dieser Fremde glaubt und betet an.
Könnte es sein, dass es den Neuen verboten wurde, zurückzugehen, weil man schon den Beschluss gefasst hatte, ob sie wollen oder nicht? Dass diese neun einen Verweis bekommen hatten, nicht mehr zurückzugehen? Das ist denkbar in Jerusalem, weil die Entscheidung, dass Jesus nicht der Messias ist, schon längst gefallen war.
Das haben wir auch früher gesehen: In Kapitel 6 wurde genau ein Jahr nach Beginn des öffentlichen Dienstes des Herrn Jesus beschlossen, dass er sterben muss. Der Beschluss war nach einem Jahr klar. Das ist übrigens dieser Beschluss aus Markus 3,6. Anhand der Angaben im Lukas-Evangelium als Parallelstelle zu Markus 3,6 können wir das genau datieren auf das Ende des ersten Jahres. Das war also entschieden.
Der Punkt ist aber: Der Samariter wurde unterwegs geheilt und ging zurück. Also hätten alle auch unterwegs vom Moment der Heilung an zurückkehren können und nicht erst nach Jerusalem gehen müssen, um dann zu hören, dass er nicht der Messias sei.
Der Samariter wäre natürlich nicht nach Jerusalem gegangen, denn die Samariter lehren, Jerusalem sei nicht der richtige Ort, sondern der Berg Garizim. Dazu haben sie sogar ihre Bibel gefälscht. Die Samaritaner auf dem Garizim sind noch heute ganz stolz auf ihre Torarolle, eine sehr alte, die in der Synagoge aufbewahrt wird. Sie benutzen sie normalerweise nicht, nur für ganz besondere Momente.
Es gibt noch eine Kopie davon, die heute in ihrem Samaritanermuseum zu sehen ist. In 2. Mose 20 wurden zu den zehn Geboten noch ein Gebot eingefügt, dass man Gott auf dem Garizim anbeten müsse. Sie haben also wirklich die zehn Gebote gefälscht.
Dieser Samariter hat den Befehl bekommen: Zeigt euch den Priestern. Und da ist er wohl zu den Priestern auf dem Garizim gegangen. Die haben übrigens bis heute Priester und auch einen Hohenpriester ununterbrochen. Sie führen das weiter.
Ich habe einen Hohenpriester angetroffen. Er saß gerade auf einer Bank, machte einen Spaziergang, und ich bin mit Mirjam aus dem Auto ausgestiegen und habe mit ihm ein paar Worte gewechselt. Der ist immer noch da, ein alter Mann, und die Priester sind alle da.
Sie mussten auch diesen Fall untersuchen und verstehen: Ja, das muss der Messias sein. Jetzt sehen wir, wie der Herr dieses Volk vorbereitet hat. Später, in Apostelgeschichte 8, geht Philippus nach Samaria und predigt. Da kommt eine riesige Menge zum Glauben.
So viel zu diesem Detail, dass ein Samariter geheilt wurde.
Jetzt Vers 20 und 21. Nein, lies jetzt Kapitel bis 37.
Die Ankündigung des Reiches Gottes und die Endzeitrede Jesu
Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man wird nicht sagen: Siehe hier oder siehe dort, denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
Er sprach aber zu den Jüngern: Es werden Tage kommen, da ihr begehren werdet, einen einzigen der Tage des Menschensohnes zu sehen, und ihr werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: Siehe hier oder siehe dort! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! Denn gleich wie der Blitz, der in einer Himmelsgegend erstrahlt bis zur anderen leuchtet, so wird auch der Sohn des Menschen sein an seinem Tag.
Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht.
Und wie es in den Tagen Noas zuging, so wird es auch sein in den Tagen des Menschensohnes. Sie aßen, sie tranken, sie heirateten und ließen sich heiraten bis zu dem Tag, als Noah in die Arche ging und die Sintflut kam und vernichtete alle.
Ebenso ging es auch in den Tagen Lots zu: Sie aßen, sie tranken, sie kauften und verkauften, sie pflanzten und bauten. An dem Tag aber, als Lot aus Sodom wegging, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und vernichtete alle.
Gerade so wird es sein an dem Tag, da der Sohn des Menschen geoffenbart wird.
Wer an jenem Tag auf dem Dach ist und sein Gerät im Haus hat, der steige nicht hinab, um dasselbe zu holen. Ebenso, wer auf dem Feld ist, der kehre nicht wieder zurück. Gedenkt an Lots Frau!
Wer sein Leben zu retten sucht, der wird es verlieren, und wer es verliert, der wird es erhalten.
Ich sage euch: In jener Nacht werden zwei in einem Bett sein, der eine wird genommen und der andere zurückgelassen werden; zwei werden miteinander malen, die eine wird genommen und die andere wird zurückgelassen werden; zwei werden auf dem Feld sein, der eine wird genommen und der andere zurückgelassen werden.
Und sie antworteten und sprachen zu ihm: Woher? Und er sprach zu ihnen: Wo der Leichnam ist, da sammeln sich die Geier.
In diesem Teil vier, der eben mit Kapitel 17, Vers 11 beginnt, geht es um das Thema Vorbereitung auf die Königsherrschaft des Messias.
Wir sehen in diesem ersten Abschnitt mit den zehn Aussätzigen nochmals, dass Jesus Christus der verheißene König ist. Man kann sagen, es ist ein zehnfacher Donnerschlag mit diesem messianischen Zeichen.
Jetzt kommen die Pharisäer und fragen: Wann kommt das Reich Gottes, also die Herrschaft des Messias? Das Reich Gottes ist das, was im Judentum erwartet wurde: Wenn der Messias kommt, wird er einmal über die ganze Welt herrschen und regieren.
Jesus erklärt: Jetzt in dieser Zeit kann man das nicht so offensichtlich sehen. Darum sagt er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte.
Aber in der Zukunft wird das Reich Gottes einmal erscheinen, so dass es völlig klar ist. Das sagt er nämlich in Vers 24:
Denn gleich wie der Blitz, der in einer Himmelsgegend erstrahlt bis zur anderen leuchtet, so wird auch der Sohn des Menschen sein an seinem Tag.
Jawohl, der Sohn des Menschen an seinem Tag – was ist das, sein Tag?
In der rabbinischen Literatur wird die Zeit der Herrschaft des Messias genannt Jemei Maschiach, die Tage des Messias. Wenn der Herr Jesus also mit diesem Titel „Der Sohn des Menschen“ spricht, verweist er direkt auf Daniel 7,14, wo Daniel in der Vision sieht: Der Sohn des Menschen kommt auf den Wolken des Himmels und übernimmt die Weltherrschaft.
Der Sohn des Menschen an seinem Tag, also an dem Tag des Messias, an dem er herrschen wird.
Dieser Ausdruck kommt übrigens später auch in den Briefen wiederholt vor. Der Tag Christi ist das tausendjährige Friedensreich, wenn er als König in Macht und Herrlichkeit kommt.
Das ist der Tag Christi, zum Beispiel im 2. Thessalonicherbrief. Der Minderheitstext hat dort „Tag des Herrn“, aber der Mehrheitstext hat „Tag Christi“.
Sie sollen also nicht meinen, die Thessalonicher, weil sie verfolgt wurden, dass jetzt schon der Tag Christi da sei. Dieser Tag Christi, das heißt das Reich, kann nicht kommen, bevor nicht zuerst der Abfall kommt und dann der Antichrist.
Erst dann kommt der Tag Christi, der übrigens eingeleitet wird durch die große Drangsalzeit. Darum meinten die Thessalonicher, sie seien schon am Tag Christi in der Drangsalzeit.
Also, das zu diesem Ausspruch in Vers 24: Der Herr macht klar, dass es dann so klar sein wird, wenn er kommt, wie der Blitz leuchtet von einem Ende unter dem Himmel bis zum anderen. So deutlich sichtbar wird er in der Zukunft kommen – das ist das zweite Kommen.
Aber das erste Kommen ist nicht so klar, nicht so deutlich. Darum sagt er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könne, dass es ganz offensichtlich sichtbar ist.
Aber der Herr sagt: Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Er, der König, war da, und wo der König war, da ist sein Reich.
Doch sie waren so blind gegenüber seiner Person, dass er sagen muss: Es kommt nicht so offensichtlich.
Über diesen Vers wurde oft diskutiert, was das genau heißt. Es gibt nämlich auch die Übersetzung: Denn siehe, das Reich Gottes ist in euch.
Hat das jemand in seiner Übersetzung so? Inwendig in euch? Das ist die Lutherübersetzung.
Aber man kann klar argumentieren, dass das nicht korrekt ist, denn das Reich Gottes ist ja nicht inwendig in den Ungläubigen, in den Herzen der Ungläubigen. Er spricht ja die Pharisäer an.
Korrekt ist: Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Er, der König, stand mitten unter diesen Pharisäern.
In Vers 22 sagt der Herr Jesus, liest du nochmals, Samuel? Er sprach aber zu den Jüngern:
Es werden Tage kommen, da ihr begehren werdet, einen einzigen der Tage des Menschensohnes zu sehen, und ihr werdet ihn nicht sehen.
Jawohl, also jetzt sagt er: Das Reich Gottes ist mitten unter euch, der König ist da. Aber Jesus sagt, es kommt eine Zeit, die ganz anders sein wird, da werdet ihr einen tiefen Wunsch haben, einen Tag der Tage des Messias, einen solchen Tag, an dem er herrscht, zu sehen, und ihr werdet ihn nicht sehen.
Man wird zu euch sagen: Siehe hier oder siehe dort! Geht nicht hin, folgt auch nicht.
Es wird eine Zeit geben, in der er gar nicht mehr da ist und man sich sehnen würde, dass er endlich Ordnung schafft in einer chaotischen Welt.
Wir können das Reich Gottes in drei Phasen unterscheiden:
Phase 1: Der König ist da und bietet Israel die Herrschaft an, aber er wird von der Führung abgelehnt. Dann geht der Herr Jesus nach Jerusalem, wird getötet und danach kehrt er in die himmlische Herrlichkeit zurück.
Phase 2: Der König ist nicht mehr da, nur seine Diener, seine Untertanen. Diese Zeit wird im Neuen Testament als Reich Gottes bezeichnet. Zum Beispiel in Matthäus 13 werden in den Gleichnissen des Reiches Gottes beschrieben, wie diese Zeit aussieht, in der der König abwesend ist, aber die Knechte da sind.
Auch Matthäus 25 beschreibt das Gleichnis, in dem der Herr Talente an seine Knechte verteilt und sagt: Handelt, bis ich komme. Dann geht er weit weg in ein anderes Land. Nach langer Zeit kommt der Herr jener Knechte zurück. Das macht klar, dass diese Zeit lange dauern wird, aber dann kommt er zurück und rechnet ab.
Phase 3: Wenn er kommt, wie der Blitz leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum anderen, dann wird die dritte Phase kommen – das tausendjährige Friedensreich, das Reich Gottes, so wie es im Alten Testament ausführlich beschrieben ist.
Phase 2 wurde im Alten Testament nicht beschrieben. Darum werden diese Gleichnisse, die das Reich Gottes oder das Reich der Himmel in Matthäus 13 für diese Zeit beschreiben, die Geheimnisse des Reiches der Himmel genannt.
Ein Geheimnis im Neuen Testament ist eine Wahrheit, die im Alten Testament verborgen war und erst durch das Kommen des Messias und seines Geistes offenbart wurde.
Diese drei Phasen des Reiches Gottes muss man unbedingt unterscheiden, sonst entsteht immer Durcheinander.
In der Christenheit wird das oft durcheinandergebracht. Viele sagen, das Reich Gottes sei schon jetzt da und wir müssten die Welt transformieren und gesellschaftlich relevant verändern. Am Schluss kommt dann Jesus Christus quasi als Abschluss des tausendjährigen Friedensreiches.
Nein, das ist Phase 2. Es geht nicht darum, die Welt gut zu machen, sondern das Evangelium zu verkündigen, bis er als Richter kommt. Das tausendjährige Friedensreich ist eine zukünftige Hoffnung.
Natürlich ist das auch ein Geheimnis: Die Entrückung wird mindestens sieben Jahre vor der Wiederkunft des Herrn stattfinden, denn die siebzigste Jahrwoche Daniens wird nach der Entrückung stattfinden.
Die Entrückung ist also mindestens sieben Jahre vor seinem Kommen in Macht und Herrlichkeit.
In den Evangelien ist die Entrückung noch nicht wirklich offenbart. Es gibt nur wenige Hinweise des Herrn. Die völlige Offenbarung dieses Geheimnisses ist dem Apostel Paulus übergeben.
Er schreibt in 1. Korinther 15,51: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“, und spricht dann über die Entrückung.
In 1. Thessalonicher 4,13-18 beschreibt er ebenfalls, was dieses Ereignis genau beinhaltet.
Ist die Frage so beantwortet, Manfred?
Jetzt noch wichtig: Vers 23, wo gesagt wird, man wird sagen: Siehe hier oder siehe dort.
Das ist hier ganz kurz angedeutet, was der Herr Jesus dann in Lukas 21 in seiner Endzeitrede auf dem Ölberg ausführlicher darlegt.
Dort sagt er, kannst du lesen, Samuel? Lukas 21,8:
Da sprach er: Habt Acht, dass ihr nicht verführt werdet! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin es, und die Zeit ist nahe. Lauft ihnen nicht nach!
Da sagt der Herr, er geht quasi weg und wird erst später wiederkommen. In der Zwischenzeit werden viele falsche Messiasse kommen, die sagen: Ich bin es, ich bin der Messias, und die Zeit ist nahegekommen, jetzt bricht die messianische Zeit an.
Der Herr sagt: Geht ihnen nicht nach!
Hier sagt er: Sie werden sagen: Siehe hier oder siehe dort! Geht nicht hin, folgt auch nicht!
Es gibt einen, der vor ein paar Jahren schon tot ist. Du meinst den Rabbi Menachem Mendel Schneerson? Da warten manche, dass er wieder aufersteht.
Er ist 1992 gestorben und es gibt heute noch etwa 300.000 Anhänger, die sagen, das ist der Messias.
Seit der Herr weggegangen ist, ab den 40er Jahren, kamen falsche Messiasse.
Bis heute sind im Judentum über 50 falsche Messiasse aufgetreten.
Die Geschichte dieser 50 ist interessant und hat zum Teil sogar Auswirkungen auf die Christenheit.
Die kirchliche und jüdische Geschichte ist sehr verwoben, weil das jüdische Volk ab dem Jahr 70 weltweit zerstreut wurde, besonders nach Europa.
Es ist schrecklich zu sehen, was da geschehen ist.
Diese 50 falschen Messiasse habe ich einmal in einem Bibelschultag behandelt. Man kann das bei sermon-online.de herunterladen.
Dort erzähle ich viele Geschichten dieser falschen Messiasse.
Zum Beispiel Bar Kochba (132-135), der das Judentum zu einem Aufstand gegen Rom verführte. Dabei kamen wieder eine Million Menschen um.
Ein anderes Beispiel: Um 400 trat der falsche Messias Mose auf Zypern auf. Er sagte, die Zeit der Erlösung sei gekommen, die Zeit des Galut.
Er sammelte Geld ein und sagte, der große Tag der Erlösung werde bald stattfinden. Alle sollten auf die Ostseite von Zypern gehen.
Sie standen auf steilen Klippen, und er sagte: Das Meer wird sich öffnen, und wir gehen heim ins verheißene Land.
Aber dann sagte er, sie müssten zuerst runterspringen, und dann würde sich das Meer teilen.
Viele sprangen, einige ertranken, Fischer konnten einige retten, und Mose wurde nicht mehr gesehen – ebenso wenig wie das Geld.
Unglaublich.
Im Mittelalter trat in Kurdistan (heute Nordirak) ein falscher Messias auf und sagte: Ich bin der Messias, und die Zeit des Galut komme jetzt zur Erlösung.
Sie wussten aus Jesaja, dass sie in der Endzeit heimfliegen würden wie Vögel ins Land der Väter.
Jesaja 60,8 heißt es: „Wer sind diese, die wie eine Wolke geflogen kommen und gleich Tauben zu ihren Schlägen?“
Er bewies ihnen, dass er fliegen könne, indem er in Vollmondnächten von einem Baum zum anderen sprang.
Die Menge glaubte, er könne fliegen.
Später flog die Bewegung als Betrug auf, und es folgte eine Depression.
Das war typisch: Nach einem falschen Messias folgte eine Depression im jüdischen Volk.
Eine besondere Geschichte möchte ich hervorheben, rund um das Jahr 1666.
Da trat ein falscher Messias namens Shabbetai Zwi auf, eine Sensation.
Wenn er sprach, geriet die Volksmenge in Entzückung.
Es gab charismatische Veranstaltungen, Leute begannen zu weissagen und in Zungen zu reden.
Das war sensationell, bevor es eine charismatische Bewegung gab.
Er bewegte das Judentum von England bis nach Persien (heutiger Iran) und zog große Teile hinter sich.
Dann nahmen ihn Muslime gefangen, und er kam ins Gefängnis in die heutige Türkei.
Die Bewegung brach zusammen, als er zum Islam übertreten musste.
Dann folgte tiefe Depression – alles war Betrug.
So ging es weiter, bis Philipp sagte: Der letzte war Menachem Mendel Schneerson, ein Rabbi in New York.
Er hat nie gesagt, dass er der Messias sei, nur sein Nachfolger.
Aber er hat auch nie gesagt, dass er es nicht sei.
Wichtig bei Verführern ist, nicht nur gut zuzuhören, was sie sagen, sondern auch, was sie nicht sagen.
Das ist ganz wichtig.
Er sagte nicht: Ich bin es nicht.
Für ihn wurde in Israel ein Haus gebaut für den Tag, wenn die Zeit des Galut, der Erlösung, kommt.
Dann würde er von New York nach Israel gehen, zum ersten Mal in dieses Haus, und dann käme die Erlösung.
Er war aber nie in Israel.
Er wurde immer älter, und alte Männer sterben nun mal.
Man sah das kommen und bereitete viele Psychologen und Gesundheitshelfer vor, um eine mögliche Massenpsychose bei 300 ultraorthodoxen, schwarz gekleideten Chabad-Leuten aufzufangen.
Dann kam der Tag, kein Problem, keine Psychose.
Ja, aber er ist der Messias, und zwar wird er jetzt wieder auferstehen.
Schließlich steht in Jesaja 53, dass der Messias sterben wird, und man wartet, bis er wieder aufersteht.
Inzwischen sind mehr als drei Tage vergangen – 2018 – und er ist immer noch nicht da.
Wenn wir mit Rabbinern sprechen, muss man fragen: Und jetzt?
Jesaja 53 bezieht sich auf den Messias.
Die alten Rabbiner haben das auch so gesehen.
Im Mittelalter sagten Raschi und Abrabanel, das beziehe sich nicht auf den Messias, weil sie sahen, wie sich das genau in Jesus Christus erfüllte.
In Jesaja 53 steht nicht, dass ein alter Mann stirbt, sondern: „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, durch seine Striemen sind wir geheilt.“
Dieser alte Mann ist einfach so gestorben.
Der Herr Jesus ist aber wirklich so gestorben, wie es in Jesaja 53 steht, und am dritten Tag auferstanden.
Und sie warten immer noch.
In Israel sieht man heute noch Plakate. Man kann auf der Autobahn fahren und immer wieder sein Gesicht mit dem Hut sehen: Melech Maschiach – König Messias.
„Hatzlacha uvracha“ – Gelingen und Segen.
Unglaublich, sie warten immer noch.
Jesus sagt hier in Lukas 17, beim ersten Mal musste er kommen, um zu leiden.
Lies nochmals Vers 25, Samuel:
Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht.
Der Herr macht klar: Er wird kommen wie der Blitz, aber zuvor, und das ist eine lange Zeit davor, muss er kommen und viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht.
Jesaja 53 musste sich zuerst erfüllen, und viel später wird sich das zweite Kommen erfüllen.
In Sacharja 12,10, auch ein Vers, den die alten Rabbiner schon auf den Messias bezogen haben, heißt es:
„Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“
Da haben wir beides beieinander: Beim ersten Mal wurde er durchbohrt in Jerusalem, und beim zweiten Mal werden sie auf ihn blicken, wenn er als König kommt.
Sacharja 12 handelt von seinem Kommen als König.
Nächstes Mal werden wir mit Vers 26 weitermachen: Die Tage Noas und die Tage Lots als prophetischer Hinweis auf die Endzeit unmittelbar vor seinem Kommen.
Die Endzeit muss also so sein wie Sodom und Gomorra, die Tage Lots, und so wie die Tage unmittelbar vor der Sintflut.
Eine Welt erfüllt von Gewalt, eine Welt erfüllt von sexueller Perversion, eine Welt voll Gewalt.
Und das ist sehr aktuell für unsere Zeit.
