Der Jakobusbrief ist immer aktuell. Das liegt daran, dass wir ständig mit Schwierigkeiten oder Problemen zu tun haben. Wenn Menschen keine Schwierigkeiten hätten, wären sie tot. Nur Tote haben keine Probleme.
Deshalb brauchen wir den Jakobusbrief gerade jetzt, weil wir mitten im Leben stehen. In den letzten Tagen haben wir uns vier Hilfen angeschaut: Hilfen für Probleme, für das richtige Verhalten bei Schwierigkeiten, Versuchungen, Anfechtungen und Prüfungen.
Heute betrachten wir die fünfte Hilfe, die in Jakobus 1,19 zu finden ist.
Die Grundhaltung zum Hören und Reagieren
Der Herr, meine geliebten Brüder, lasse jeden Menschen schnell zum Hören sein, langsam zum Reden und langsam zum Zorn. Denn der Zorn eines Menschen bewirkt nicht die Gerechtigkeit Gottes.
Deshalb legt alle Schmutz und alles Übermaß an Schlechtigkeit ab. Nehmt in Sanftmut das eingepflanzte Wort in euch auf, das die Kraft hat, eure Seelen zu retten.
Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer, die sich selbst betrügen. Denn wenn jemand ein Hörer des Wortes ist, aber kein Täter, gleicht er einem Mann, der sein natürliches Angesicht in einem Spiegel betrachtet. Er sieht sich selbst, geht aber weg und vergisst sofort, wie er war.
Wer jedoch in das vollkommene Gesetz, das Gesetz der Freiheit, hineinschaut und dabei bleibt, ohne ein vergesslicher Hörer zu sein, sondern ein Täter des Werkes, wird selig sein in seinem Tun.
Wenn jemand unter euch meint, fromm zu sein, aber seine Zunge nicht im Zaum hält und sein Herz betrügt, ist seine Frömmigkeit wertlos.
Eine reine und unbefleckte Frömmigkeit bei Gott, dem Vater, besteht darin, Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis zu besuchen und sich selbst von der Welt fleckenlos zu bewahren.
Jakobus ist hier wieder ganz lebensnah, praktisch und steht mit beiden Beinen auf der Welt. Es geht um die richtige Einstellung zum Wort Gottes. Mehrmals haben wir in diesem Abschnitt das Wort Gottes gelesen. Es geht immer darum, Täter des Wortes zu sein.
Die Rolle des Wortes Gottes in Prüfungen
Welche Rolle spielt das Wort Gottes in Prüfungen? Diese Frage stellen wir uns oft. Wie geht man mit dem Wort Gottes so um, dass man bewahrt wird und sich richtig verhält in Prüfungen? Wie soll man sich einstellen und vorbereiten?
Wir bereiten uns vor, wenn wir am Sonntagmorgen in die Versammlung kommen. Wir bereiten uns vor, indem wir unsere stille Zeit haben und die Bibel aufschlagen, um Gottes Wort zu lesen. Auch dabei bereiten wir uns innerlich darauf vor.
Jakobus sagt, wir sollen eine gewisse Einstellung einnehmen. Wir sollen nicht unvorbereitet zum Wort Gottes kommen – egal, ob wir es persönlich lesen oder am Sonntag hören. Wir kommen vorbereitet, innerlich vorbereitet.
Das Wort Gottes ist etwas, das uns erneuert, erfrischt, wiederherstellt und neu ausrichtet. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Jakobus macht hier auf vier Dinge aufmerksam. Zuerst, in Vers 19, sollen wir schnell auf das Hören eingestellt sein. Dann sagt er, wir sollen allen Schmutz ablegen. Weiterhin sollen wir in Vers 21 mit Sanftmut das Wort Gottes aufnehmen. Schließlich sollen wir Täter des Werkes sein und nicht nur Hörer, wie es ab Vers 22 heißt.
Also vier Dinge, die wir tun sollen: Erstens ...
Schnell zum Hören, langsam zum Reden und Zorn
Daher, meine geliebten Brüder, sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn. Das heißt, wir sollen auf das Hören eingestellt sein – nicht nur in der Predigt, sondern auch sonst, wenn wir mit Menschen reden. Jakobus sagt uns hier ja und lehrt uns im Auftrag des Heiligen Geistes, dass wir zuhören sollen und nicht so schnell reden. Wir sollen mehr hören.
Nicht umsonst haben wir zwei Ohren – doppelt so viele wie Münder. Alle, die hier sitzen, haben doppelt so viele Ohren wie Münder. Das ist doch auch ein Zeichen dafür, dass wir mehr hören sollen als reden. Über das Reden wird Jakobus dann in einem ganzen Kapitel noch ausführlich schreiben, aber jetzt greift er dieses Thema nur kurz auf.
Es gibt jedoch Situationen, in denen wir überhaupt nicht hinhören sollen. Wenn nämlich etwas Böses geredet wird, dann können wir beten: „Herr, mach mich taub, dass ich gar nichts höre, was da geredet wird.“ Es hilft nichts, das Böse aufzunehmen. Solche Dinge gibt es.
Ansonsten gilt: Wenn es um das Wort Gottes geht, wenn es um Gutes geht, dann sollen wir hören. Wenn Menschen Nöte haben und uns diese anvertrauen, sollen wir einfach mal zuhören und uns ihre Sorgen anhören.
Bei älteren Leuten habe ich das oft erlebt. Man kommt zu Besuch, und sie fangen an zu erzählen – sie erzählen und erzählen. Man sagt „ja“, man hört zu, freut sich mit und sagt immer wieder „ja“. Dann geht man wieder, sagt „auf Wiedersehen“, und die ältere Person bedankt sich: „Oh, vielen, vielen Dank für das schöne Gespräch, das war so schön.“ Sie sind so dankbar, weil man einfach nur zugehört hat.
Es tut so gut, wenn jemand zuhört.
Eine Schwester bei uns erzählte einmal von einer 85-jährigen Frau, die eine andere Schwester anrufen wollte. Dabei wählte sie versehentlich eine falsche Nummer. Am anderen Ende der Leitung war eine alte Frau, die sagte: „Oh, Entschuldigung, ich habe mich verwählt.“ Die Frau am anderen Ende antwortete: „Nein, nein, reden Sie nur. Es ist so gut, wenn jemand mit mir spricht!“
Die Schwester merkte sofort: „Oh, das ist vom Herrn!“ Sie sagte: „Also gut, dann spreche ich jetzt mit Ihnen.“ Und so erklärte sie der Frau das Evangelium, erzählte ihr vom Herrn Jesus und was sie selbst erlebt hatte. Sie bezeugte den Herrn. Die Frau freute sich sehr. So konnte die Schwester ein Zeugnis sein.
Es ist schön, langsam zum Reden und langsam zum Zorn zu sein, aber schnell bereit zum Hören. Manche Menschen wollen einfach nur angehört werden. Manche brauchen jemanden zum Reden, ein Gegenüber, das ihnen zuhört.
Umgang mit dem Zorn
Interessant, was er hier sagt: „Langsam zum Zorn.“ Kann man überhaupt langsam zum Zorn sein? Ist es nicht so, dass Zorn meistens schnell kommt? Was meint der Apostel damit?
Ich denke, es geht darum, dass wir durchaus zutiefst ergrimmt sein dürfen über die Bosheit, die in der Welt geschieht. Aber wir dürfen mit unseren Gefühlen nicht schnell handeln. Es gibt Unrecht in dieser Welt, und wir alle haben ein Gerechtigkeitsempfinden. Wenn dieses Gerechtigkeitsempfinden gestört wird, dann bäumt sich etwas in uns auf. Wir sagen: „Das ist aber ungerecht! Es ist ungerecht, es ist einfach ungerecht! Es ist nicht recht, was hier geschieht – ob es mir oder jemand anderem geschieht, es ist ungerecht.“ Da könnte man wirklich zutiefst ergrimmen.
Aber dann sagt Jakobus: „Passt auf, was ihr dann tut.“ Der Zorn des Menschen tut nicht, was für Gott recht ist. Wenn dann etwas herauskommt – wenn ich handle, zuschlage, laut spreche oder wütend loslege – dann ist die Gefahr der Sünde groß.
Das heißt: Wir dürfen wirklich ergrimmt sein, aber wir dürfen unseren Gefühlen nicht freien Lauf lassen. Es ist falsch zu sagen, man müsse einfach alles loslassen und herauslassen. Nein, man muss nicht alles herauslassen. Man kann es zum Herrn Jesus bringen. Man muss es gar nicht herauslassen. Das ist eine falsche Philosophie, die an mancher Stelle gelehrt wird.
Also: Vorsichtig sein mit den Gefühlen! Paulus sagte manchmal, man solle die Sonne nicht untergehen lassen über der Ergrimmung. Wenn man ergrimmt ist und den Gefühlen keinen Raum gelassen hat, aber trotzdem noch ergrimmt bleibt, dann sagt er: Pass auch auf, dass du nicht zu lange ergrimmt bleibst. Wenn die Sonne untergeht, dann lass auch deine Ergrimmung untergehen. Und dann schlaf!
Im Psalm 4 wird das im Epheserbrief zitiert (Epheser 4,26-27). Dort heißt es: „Leg dich ruhig schlafen.“ Paulus zitiert diesen Psalm, um zu zeigen, wie wichtig es ist, mit dem Zorn richtig umzugehen.
Zurück zum Thema „Langsam zum Zorn“: Manchmal scheint etwas böse gemeint zu sein von jemand anderem, aber es ist gar nicht so gemeint. Das gibt es ja auch. Oft gibt es Missverständnisse, und man soll dann nicht schnell zornig sein. Überhaupt nicht.
Manche Christen sind nicht reif genug, sich richtig zu äußern. Dann sprechen sie rauer und härter, als sie eigentlich wollen. Eigentlich wollten sie gar nicht so hart rüberkommen, aber es ist dann so hart angekommen. Wenn wir jemanden erleben, der hart mit uns spricht, sollten wir zuerst überlegen: Meint er es wirklich so hart?
Ich habe das oft erlebt in meinem Leben: Jemand spricht ganz hart, und ich merke dann: Moment, eigentlich meint er es gar nicht so hart. Er hat sich das so angewöhnt, ist ein bisschen rau in seiner Persönlichkeit, aber er meint es nicht so hart.
Daher ist es wichtig, hinzuhören und abzuwarten. Nicht so schnell reagieren, sondern langsam sein mit der Reaktion. Denn der Zorn eines Menschen bewirkt nicht die Gerechtigkeit Gottes. Er übt nicht die von Gott geforderte, gewollte Gerechtigkeit aus. Luther hat das gut übersetzt: „Er tut nicht, was vor Gott Recht ist.“
Der Zorn eines Menschen schwappt schnell über. Deshalb: Ruhig bleiben. Ganz ruhig. Und das kann nur der Herr Jesus bewirken. Wenn wir mit ihm in Verbindung stehen, dann ist das möglich. Dann kann man ruhig bleiben in einer Situation, in der der andere hart auf einen losgeht.
Ablegen von Schmutz und Schlechtigkeit
Das Zweite ist deshalb wichtig, weil wir zuerst allen Schmutz und alle Überflüsse von Schlechtigkeit ablegen sollen. Zuerst sagt er also: Ablegen, ablegen. Es gibt Dinge, die sich angesammelt haben. Wie legt man sie ab? Wie legt man Schmutz ab? Ganz einfach: bekennen, dem Herrn bekennen. Man sagt: Herr, ich habe nicht richtig gehandelt oder ich habe etwas in meinem Herzen gelassen, das nicht in Ordnung vor dir ist, und ich stelle mich dazu.
Wenn wir unsere Sünde bekennen, ist er treu und gerecht und vergibt uns. Er reinigt uns von aller Untugend und aller Ungerechtigkeit. Dann darf ich die Vergebung in Anspruch nehmen. Es ist wichtig, schnell zu bekennen und die Sache nicht lange hinzuziehen. Manchmal ist Stolz der Grund, warum wir nicht schnell bekennen wollen. Lieber einmal zu viel bekennen als zu wenig.
Wenn man jemandem einen Brief oder eine elektronische Nachricht schreibt und diese Person etwas missversteht und böse zurückschreibt, kann man sagen: Es tut mir leid, wenn ich dich beleidigt habe. Vielleicht wollte ich das gar nicht und verstehe die Reaktion nicht, aber es tut mir dennoch leid, wenn ich dich beleidigt habe. Man muss nicht dazuschreiben, dass man es nicht wollte. Das ist nicht nötig. Einfach schreiben, dass es einem leid tut und um Verzeihung bitten.
Lieber einmal zu viel um Verzeihung bitten, als aus Stolz zu sagen: Nein, ich will nicht, ich habe nichts falsch gemacht, was hat der andere? Man muss nicht so reagieren, überhaupt nicht. Man kann ruhig alle Schlechtigkeit ablegen, allen Schmutz.
Manchmal sagt uns Gottes Wort nichts. Wir lesen Gottes Wort, lesen und lesen, schlagen dann die Bibel zu und sagen: Gottes Wort sagt mir heute nichts. Doch Gottes Wort sagt immer etwas. Vielleicht war ich nicht in der richtigen Verfassung. Vielleicht habe ich Dinge in meinem Leben, die das andere überlagert haben. Vielleicht habe ich dem Herrn Dinge nicht bekannt oder meine Gedanken waren ganz woanders.
Dann soll ich dem Herrn das auch bekennen und sagen: Herr, räume das aus. Wenn ich das ausräume, kann ich Gottes Wort aufnehmen.
Sanftmut beim Aufnehmen des Wortes Gottes
Das ist das Nächste hier, das ist jetzt das Dritte, und nehmt in Sanftmut in euch auf das eingepflanzte Wort. Also, nachdem ihr abgelegt habt, nehmt das auf. In manchen Bibeln steht „legt ab und nehmt auf“, aber hier steht eigentlich: „Nachdem ihr abgelegt habt, nehmt auf.“ Das bedeutet, dass das eine zuerst kommt und dann das andere.
Zuerst legen wir ab – die Schlechtigkeit, die Bosheit. Das tun wir durch Bekennen. Danach nehmen wir das Wort Gottes auf. Da heißt es: „Und nehmt in Sanftmut in euch auf das eingepflanzte Wort.“ Was bedeutet das?
Wenn wir das Wort Gottes lesen, wird es in unser Herz eingepflanzt. Es ist wie ein Same, den Gott in unser Herz streut, und der geht auf. So verläuft unser ganzes Christenleben. So hat es auch begonnen. Wir haben damals das Wort Gottes gehört, aufgenommen und uns bekehrt. Dann sind wir durch das Wort Gottes wiedergeboren worden – das war der Same. Dieser Same ist also eingepflanzt.
Aber es geht weiter: Jeden Tag pflanzt Gott, streut Gott den Samen des Wortes Gottes ein. Manchmal streuen die Eltern diesen Samen in die Herzen der Kinder. Die Kinder hören das Wort Gottes, ihr hört das Wort Gottes, oder? Papa und Mama lesen es vor, und dann wird es eingestreut. Man muss den Samen ein bisschen begießen, vielleicht denkt man darüber nach, Mama und Papa helfen beim Nachdenken, und dann legen sie es vor. So lernt man: Aha, so ist das Wort Gottes. Dann gewinnt man die Liebe dazu, und das Wort Gottes kann wachsen.
Wenn man wiedergeboren ist, ist das eingepflanzte Wort Gottes da. Doch es wird immer weiter eingepflanzt, immer wieder kommt neues Wort Gottes hinzu, das wir lesen und aufnehmen. Dann sagt er: Es ist also schon eingepflanzt, und jetzt nehmt weiter auf, nehmt weiter das eingepflanzte Wort auf wie einen Samen – in einem schönen, frischen Boden, wo alles ein bisschen angefeuchtet und aufgelockert ist, damit der Same gut reinfällt. Alles ist vorbereitet.
Das heißt, wir dürfen das Wort Gottes begrüßen. Wir lesen es und begrüßen es innerlich. Wir sagen: „Ja, Herr, jetzt freue ich mich, ich kann etwas lesen.“ Das bedeutet nicht, dass ich große Entdeckungen mache. Ich mache keine großen Entdeckungen, wenn ich in der Bibel lese. Aber ich lese immer ein bisschen weiter.
Das ist ähnlich wie beim Mittagessen, Frühstücken oder Abendessen. Wir haben nicht jeden Tag ein Festessen, aber wir essen einfach. Wir essen den Salat, und wir wissen, der Salat ist gesund. Vielleicht schmeckt er mir nicht besonders, aber er ist gesund, und dann esse ich ihn. Danach esse ich noch andere gesunde Sachen. Und das alles wirkt sich aus.
Ich lese das Wort Gottes jeden Tag und denke darüber nach. Es gibt keine gewaltigen Entdeckungen, aber es verfestigt sich. Ich lerne es kennen, von vorne bis hinten, und dann lebe ich damit. Ich fange an, so zu denken, wie Gott es möchte.
Also, das heißt: Wir begrüßen das Wort Gottes. Wir hören das Wort Gottes, wenn der Prediger es vorliest. Dann hören wir das Wort Gottes, und vielleicht erklärt er uns noch ein bisschen. So kann sich das, was gelesen ist, setzen.
Übrigens, Gott spricht immer. Gott spricht immer in der Bibel. Wenn wir die Bibel lesen, spricht Gott. Manchmal hören wir nicht, dann liegt das an uns. Wir sollten beten: „Herr, öffne unser Herz, öffne unsere Augen, öffne unser Verständnis, damit ich besser verstehe.“ Aber sprechen tut er immer.
Also begrüßen wir das Wort und nehmen es gerne auf wie einen Gast. Wenn jemand zu Besuch kommt, hat man sich vorbereitet, dann nimmt man ihn auf und begrüßt ihn. Genauso begrüßen wir das Wort Gottes. Wir sagen dem Wort Gottes: „Fühl dich wohl bei mir, fühl dich zu Hause, mach dich breit.“ Es darf in meinem ganzen Leben keinen Raum geben, wo Gott nichts zu sagen hat. Ich darf kein Zimmer haben, wo ich sage: „Herr, das ist mein Privatzimmer, da darfst du nicht rein, das sind meine Sachen.“ Nein, wir machen das Haus ganz auf, alle Zimmer, sogar die Rumpelkammer, alles darf geöffnet werden.
Sanftmut heißt eine demütige, sanfte Haltung. Sanftmut und Demut gehen oft Hand in Hand in der Bibel. Wenn Sanftmut genannt wird, wird oft auch Demut genannt. Beachten Sie das mal, wenn Sie lesen: Der Herr Jesus sagt, er sei sanftmütig und von Herzen demütig oder demütig und sanftmütig von Herzen. Das gehört zusammen.
Sanftmut hat mit Milde zu tun, nicht mit Bockigkeit oder Stolz. Es gibt Leute, die lesen die Bibel – ich habe so jemanden in Österreich gekannt –, der hat viel in der Bibel gelesen, aber nur, um Widersprüche zu finden. Er hat Gott überhaupt nicht zu sich herangelassen, sondern wollte nur zeigen, dass man der Bibel nicht alles glauben kann.
Wenn ich so die Bibel lese, hilft das gar nichts. Oder mancher stolzer Theologe liest die Bibel und denkt: „Ah ja, ich weiß ja alles, mal schauen, was da steht.“ Wenn ich so zum Wort Gottes komme, wird es mich nicht verändern können. Es wird mir nichts sagen, ich werde nicht getroffen, sondern bleibe hart.
Nehmt in Sanftmut in euch auf das eingepflanzte Wort, das Kraft hat, eure Seelen zu retten und zu bewahren. Manche Übersetzungen sagen, dass eure Seelen retten kann. Das ist zu schwach ausgedrückt.
Im griechischen Wort steckt „Dynamis“ – Dynamit steckt da drin. Das Wort ist wie ein Dynamit und hat Kraft, unsere Seelen zu retten. Das Wort für „retten“ heißt übrigens auch „bewahren“. So kann man es übersetzen: „Das Wort, das Kraft hat, eure Seelen zu retten und zu bewahren.“ Bei Rettung ist immer Bewahrung eingeschlossen.
Vielleicht sagen wir: „Ja, aber ich bin doch schon gerettet.“ Ja, ich bin gerettet durch das Blut Jesu Christi. Durch das Opfer Jesu Christi habe ich Vergebung meiner Sünden, und ich bin gerettet – das stimmt.
Aber ich bin noch unterwegs, ich bin noch nicht am Ziel. Das Aufnehmen des Wortes Gottes, das Nachdenken, das Einsaugen des Wortes Gottes hilft mir, auf dem Weg zu bleiben und auch das Ziel zu erreichen. So komme ich nicht auf Abwege, und wer weiß, wohin ich dann gehen würde.
Psalm 119 als Beispiel für das Wirken des Wortes Gottes
Gottes Wort hat die Kraft, mich zu bewahren.
Wir haben gestern schon Psalm 119, Verse 10 und 11 zitiert: „Von ganzem Herzen habe ich dich gesucht; lass mich nicht abirren von deinen Geboten. Ich habe dein Wort aufgespeichert in meinem Herzen, damit ich nicht gegen dich sündige“ (Psalm 119,11).
Vers 9 kennt ihr auch, oder? „Wie wird ein Jüngling seinen Weg rein halten? Indem er sich hält an dein Wort“ (Psalm 119,9).
Also Psalm 119, Verse 9 und 11. Was ergibt 11 plus 9? Elf plus neun ergibt hundertneunzehn, oder? Elf und dann eine Neun dazu ergibt hundertneunzehn. Das kann man sich gut merken.
Aber sagt das nicht eurem Mathematiklehrer, denn der wird sagen, dass elf plus neun zwanzig ergibt, wenn man sie zusammenzählt. Wenn man sie nebeneinander schreibt, entsteht aber hundertneunzehn.
So, weiter zurück.
Täter des Wortes sein statt nur Hörer
Das Vierte, das hier steht, lautet: Werdet aber Täter des Wortes. Das heißt, seid nicht solche, die sich selbst betrügen. Seid und werdet nicht nur Hörer des Wortes, sondern auch Täter. Denn es kann sein, dass man sich selbst betrügt.
Es gab Leute, von denen der Herr Jesus berichtet. Sie stehen vor Gott und sagen: „Herr, Herr, wir haben doch in deiner Straße gestanden, unter deiner Predigt. Wir waren da, wir haben zugehört, wir waren jedes Mal da, als du gepredigt hast.“ Doch er sagt zu ihnen: „Ich werde euch nicht kennen.“ Es hilft nichts, einfach zu sagen: „Wir waren doch dabei, ich war jeden Sonntag in der Versammlung.“ Was nützt es, wenn man sagt: „Ach, die Predigt war so gut, so schön, mit so guten Beispielen, wunderbar, wie er das alles gemacht hat.“ Und man geht nach Hause und lebt genauso weiter wie bisher, wenn man Sünde gelebt hat und sich nicht ändert.
Es ist wichtiger, dass wir das Gehörte umsetzen, als dass die Predigt schön war. Wenn ich das gehörte Wort Gottes nicht in die Tat umsetze, betrüge ich mich selbst, sagt Jakobus. In Vers 23 erklärt er: „Denn wenn jemand ein Hörer des Wortes ist und nicht ein Täter, so ist er wie ein Mann, der sich im Spiegel betrachtet und dann weggeht.“
Man schaut in den Spiegel, sieht einen Fleck und denkt, den müsste man noch abwaschen. Dann sieht man einen weiteren Fleck, doch man geht einfach weg vom Spiegel und hat ganz vergessen, wo die Flecken waren. Man ist schon wieder bei etwas anderem. Aber die Flecken sind immer noch da. So dürfen wir nicht mit der Bibel umgehen.
Wenn wir die Bibel lesen, müssen wir immer daran denken: Herr, was von dem, was ich bisher getan habe, muss ich aufhören zu tun? Was von den Dingen, die ich längst hätte tun sollen und immer noch nicht tue, muss ich jetzt endlich anfangen? Und was soll ich weiterhin tun? Drei ganz wichtige Fragen: Was aufhören, was anfangen und was weiterhin machen.
Es tut gut, wenn man sich einfach hinsetzt, Gedanken macht und über das Leben nachdenkt. Im Psalm 1 heißt es, dass derjenige Mensch glückselig und höchst glücklich ist, der seine Lust hat – Psalm 1, Vers 2 – an dem Gesetz des Herrn oder an der Weisung des Herrn. Und in seiner Weisung nachsinnt Tag und Nacht.
Vor kurzem haben wir die Psalmen mit einer Gruppe durchgemacht. Dabei habe ich erklärt, dass das Wort für „nachsinnen“ oder „nachdenken“ im Hebräischen „murmeln“ bedeutet. Da haben alle gelacht. Nachdenken heißt murmeln, weil die Hebräer, wenn sie nachdenken, laut denken und vor sich hin murmeln.
Das hat auch seine Vorteile. Wenn man sich sagt: „Jetzt habe ich das gelesen, jetzt muss ich überlegen, was gibt es in meinem Leben, das ich aufhören sollte zu tun?“ Es gibt Dinge, die der Herr mir schon längst gezeigt hat, dass ich aufhören soll, und ich habe es immer noch nicht getan. Das muss ich jetzt in Angriff nehmen.
Dann denkt man nach: Welche Dinge gibt es in meinem Leben, die ich anfangen sollte zu tun? Man murmelt vor sich hin. Man weiß, es gibt einige Dinge, auf die der Herr mich schon mehrmals aufmerksam gemacht hat. Jetzt fange ich endlich damit an. Diese oder jene Sache, fang an damit! Und dann sagt man: „Na gut, dann fange ich jetzt an.“
Das heißt, wir sollen Täter des Wortes sein und nicht nur Hörer. Das Wort Gottes ist wie ein Spiegel. Es zeigt mir, wer ich bin. Wenn ich den Spiegel schräg halte, zeigt er mir, wer der Herr Jesus ist. Halte ich ihn gerade, zeigt er mir, wer ich bin. Wenn ich den Spiegel auf den Herrn Jesus lenke, zeigt er mir, wer der Herr Jesus ist. Beides brauchen wir.
Herr, zeig mir, wie du bist, und Herr, zeig mir, wie ich bin. Dann kann ich mich verändern lassen. 2. Korinther 3,18 sagt: „Wir alle schauen mit aufgedecktem Angesicht wie in einem Spiegel die Herrlichkeit des Herrn an und werden in dasselbe Bild umgestaltet, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie vom Herrn, dem Geist.“
Je nachdem, wie ich den Spiegel halte – einmal auf mich gerichtet, was ich tun soll, und dann auf den Herrn Jesus gerichtet, was er ist. Das soll ich tun: Mir zeigen lassen, wie ich bin, und auch, wie der Herr ist.
Und dann? Dann nicht vergessen, sondern handeln. Das heißt, Sünde bekennen und auch die Dinge in Angriff nehmen, die man verändern soll.
Das vollkommene Gesetz der Freiheit
Vers 25: Wer aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit hineingeguckt hat – so steht es im Griechischen –, das heißt, wer sich hineingedacht und vertieft hat. Es ist mehr als nur ein flüchtiges Gucken. Es ist ein langes, intensives Hineinspähen. Man kann es sich vorstellen wie jemanden, der sich leise an eine neue Gegend heranschleicht, sie erforscht und genau hinschaut.
Dieses Wort beschreibt also, wie man ins Wort Gottes hineingeht und sagt: „Ich lese es jetzt mal so, als hätte ich es noch nie gelesen.“ Dann liest man, schaut genau hin, forscht und prüft sorgfältig. Wir müssen genau darauf achten, was in der Bibel steht. Das tut uns so gut. Nicht: „Ich weiß das schon, ich weiß das schon“, sondern mal so lesen, als wäre es neu für uns. Dann kann der Herr uns einiges zeigen.
Ich habe das Buch Daniel so oft gelesen, ich kann gar nicht sagen, wie oft. Ich habe es hin und her gelesen. Nach vielen Jahren entdecke ich plötzlich etwas, das ich zwanzig Jahre lang nie gesehen habe. Dann geht das Licht auf – das ist so schön, oder?
Wer sich in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft, also in das Gesetz der Freiheit, wie es hier genannt wird, meint nicht nur das Alte Testament, sondern das ganze Wort Gottes – von 1. Mose bis Offenbarung. Das Gesetz der Freiheit ist das Wort, das uns frei macht: das Evangelium.
Und wissen Sie, das Evangelium beginnt in 1. Mose und endet in Offenbarung. Es ist eine gute Nachricht, eine gute Botschaft von Anfang bis Ende. Das ganze Wort Gottes ist hier das Gesetz der Freiheit. Es ist nicht das Gesetz der Sklaverei, das mich wieder zum Knecht macht. Nein, es macht mich frei.
Gleichzeitig ist es klar ein Gesetz, also etwas Feststehendes. Das Wort Gottes steht fest – im positiven Sinne ein Gesetz. Ein Gesetz bedeutet, dass etwas so ist und nicht anders. Jakobus nennt hier das ganze Wort Gottes das Gesetz der Freiheit.
Wer sich darin vertieft und dabei bleibt, wird nicht vergesslich sein. Er wird kein vergesslicher Hörer sein, sondern ein Täter des Werkes. Dann wird er glücklich sein in seinem Tun.
Deshalb sollten wir uns im Wort Gottes vertiefen und Fragen stellen. Kinder, stellt viele Fragen! Wenn ihr etwas in der Bibel lest, fragt nach: bei Eltern, Geschwistern oder anderen. Das ist ganz wichtig beim Bibellesen.
Auch wir Erwachsenen sollen Fragen stellen: Was steht hier genau? Was sagt der Text? Warum steht es genau hier? Warum wird das so betont? Was will der Herr damit sagen? Wo steht das noch? Steht es dort genauso oder ein bisschen anders?
Das bringt uns richtig hinein ins Wort Gottes. Das macht das Wort Gottes so schön. Dann dürfen wir auch Farbstifte nehmen und unsere Bibel anmalen. Ich weiß nicht, wie viele Bibeln ich angemalt habe. Ich habe immer wieder neue gekauft und dann alle angemalt. Irgendwann merkte ich, dass ich zu viele Farben habe und wieder eine neue Bibel brauchte.
Es ist so wichtig, gründlich im Wort Gottes zu forschen, zu lesen und zu unterstreichen. Egal wie alt du bist, du kannst ganz jung anfangen. Wenn du lesen kannst, kannst du schon mit dem Bibellesen beginnen. Du kannst wichtige Stellen unterstreichen oder mit einem Leuchtstift markieren.
Wer sich so vertieft, wird selig sein. Das heißt, er wird überglücklich, höchst glücklich sein in seinem Tun. Wer das gelesen hat und es umsetzt, wer es nicht vergisst, sondern ins Leben bringt, wird Glückseligkeit erfahren.
Wenn ich heute gehorsam bin, werde ich in der Ewigkeit glücklich sein – eine ganze Ewigkeit lang höchstes Glück. Oft ist das Glück schon heute da. Gerade jetzt können wir sehr beglückt sein über die Freude, die wir haben. Jeder Gehorsam bringt Freude. Jeder Gehorsam gegenüber dem Herrn, den Eltern oder anderen bringt Freude.
Das Beispiel der Zunge und wahre Frömmigkeit
Es folgen nun ein schlechtes und ein gutes Beispiel. Vers 26 zeigt das schlechte Beispiel, Vers 27 das gute.
Wenn jemand unter euch meint, fromm zu sein, dabei aber seine Zunge nicht im Zaum hält, sondern sein Herz betrügt, dann ist seine Frömmigkeit wertlos. Wenn jemand äußerlich schön und fromm erscheint und glaubt, ein gottesfürchtiger Mensch zu sein, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann – das heißt, die Zunge läuft unaufhörlich –, dann sagt Jakobus, dass ein solcher Mensch sein Herz betrügt und seine ganze Frömmigkeit nichts wert ist.
Das ist ein hartes Wort. Wenn ich das lese und darüber nachdenke, könnte ich fast sagen: Jakobus, hast du dich da nicht getäuscht? Ist es nicht etwas zu hart ausgedrückt, dass nur weil wir unsere Zunge viel laufen lassen, unsere ganze Frömmigkeit und Religion wertlos sein soll?
Aber das ist Gottes Wort, und Jakobus ist vom Heiligen Geist geleitet, so etwas zu schreiben. Das heißt, es ist tatsächlich so: Wenn ich meine Zunge einfach plappern lasse und nicht beherrsche, dann ist mein Glaubensleben zu hinterfragen. Dann ist es wertlos. Es bringt keine Frucht.
Es ist besser zu schweigen, als die Zunge unkontrolliert laufen zu lassen. Natürlich muss man manchmal reden, das ist klar. Es gibt Dinge, die besprochen werden müssen. Aber genau darum geht es hier nicht.
Es geht um jemanden, der seine Zunge nicht im Griff hat und sie einfach laufen lässt. Manchmal muss ich mit jemandem sprechen, aber dann habe ich die Zunge im Zaum. Ich weiß genau, dass ich jetzt reden muss. Die Zunge ist kontrolliert.
Aber manchmal läuft die Zunge einfach unkontrolliert, und daraus entstehen oft Fehler. Man redet schlecht über andere Leute. Jakobus ist ein sehr praktischer Mensch, und er sagt: Das ist wertlos. Dann ist euer Leben wertlos.
Wahre Frömmigkeit zeigt sich im Dienst an Bedürftigen
Das ist das schlechte Beispiel. Das gute Beispiel kommt jetzt in Vers 27. Frömmigkeitserweisung oder Gottesfurcht oder Religion, wie es hier bei Ihnen steht, ist eine Frömmigkeit, die rein und unbefleckt ist bei Gott und Vater.
Diese zeigt sich darin, Weise und Witwen in ihrer Bedrängnis zu besuchen und sich selbst von der Welt fleckenlos zu bewahren. Armen Menschen zu helfen bedeutet, Weise und Witwen aufzusuchen – Menschen, die alleine sind und einfach jemanden zum Reden brauchen. Es geht darum, nachzuschauen, ob sie etwas brauchen, für sie zu sorgen oder ihnen zuzuhören und sich ihnen zu widmen. Das können Menschen im Altersheim sein oder Menschen, die sonst einfach alleine sind.
Sich von der Welt fleckenlos zu halten bedeutet, sich sauber zu bewahren. Halten wir uns sauber von der Welt! Es ist so viel Schmutz links und rechts. Über die Augen kommt viel Schmutz herein, ebenso über das, was man hören könnte. Vor allem durch das Filmeschauen gelangt furchtbar viel Schmutz in unser Leben.
Lassen Sie die Filme weg, weg damit! Wir brauchen das nicht. Wir sollen im Leben leben. Es gibt so viel Schmutz, und oft heißt es, das sei ein guter Film. Aber es gibt fast keine guten Filme. Verzichten wir darauf! Und wenn doch, dann sind sie wieder gespielt – und was gespielt ist, ist geheuchelt.
Ich habe mir vorgenommen, mich einfach zu verweigern. Ich will keine Filme schauen, weder am Computer noch am Handy. Ich möchte lesen, ich möchte das Wort Gottes lesen, ich möchte nachdenken und mit Menschen reden. Aber ich will keine Filme schauen. Das lenkt mich ab, nimmt mir Zeit und bringt mich manchmal auf dumme Gedanken.
Außerdem hört man dabei oft Dinge, die man sonst nicht hören müsste: unfreundliches und böses Reden. All das lassen wir uns nicht gefallen. Halten wir uns sauber von diesen Dingen! Das ist eine echte positive Religion.
Übergang zu Jakobus Kapitel 2: Glaube und Liebe
Wir wollen hier kurz eine Unterbrechung machen und ein Lied singen.
Anschließend möchten wir uns noch ein paar Gedanken machen und einen Blick in Kapitel 2 des Jakobusbriefes werfen. Während es in Kapitel 1 allgemein um den Glauben geht, behandelt Kapitel 2 konkret die Frucht des Glaubens. Diese Frucht ist die Liebe.
Jakobus nimmt nun einzelne, sehr wichtige Bereiche des Lebens heraus und betrachtet sie genauer. Ein solcher Punkt ist das Thema Glaube und Liebe. Liebe wird als Frucht des Glaubens dargestellt.
Kapitel 2 spricht also von dieser Frucht des Glaubens. Der Glaube soll Frucht bringen. Der Leser wird aufgefordert, sich selbst zu prüfen: Trägt mein Glaube tatsächlich Frucht? Ist die Liebe vorhanden, die als Frucht des Glaubens gilt, oder fehlt sie?
Keine Bevorzugung in der Gemeinde
Vers 1
Meine Brüder, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, ohne Ansehen der Person!
Denn wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Fingerringen und in prächtigem Gewand hereinkommen sollte, und zugleich ein Armer in unsauberem Gewand, und ihr würdet den, der das prächtige Gewand trägt, ansehen und zu ihm sagen: „Setz dich hierher, angenehm und schön“, und zu dem Armen: „Steh du dort oder setz dich hier unten an meinen Fußschemel“, hättet ihr dann nicht unter euch selbst einen Unterschied gemacht und wäret Richter geworden mit bösen Überlegungen?
Vielleicht bis hier, Hermann. Es geht hier um die Aufforderung, keinen Unterschied zu machen zwischen denen, die reich sind, und denen, die arm sind; zwischen denen, die eine höhere Stellung in der Gesellschaft haben, und denen, die eine niedrigere Stellung innehaben. Man soll keinen Unterschied machen und nicht den einen aus fleischlichen Gründen vorziehen.
Es gab ja Leute, die hatten nicht solche schönen Gewänder und konnten sich damals gar keinen Anzug leisten, aber sie kamen trotzdem in die Versammlung. Man hat dann gleich gemerkt: „Aha, der hat nicht mal einen Anzug zu Hause.“ Und dann stand man in der Versuchung, sie ein bisschen zu verachten. Das soll nicht sein.
Der Glaube bringt als Frucht Liebe hervor, und es entspricht einfach nicht der Liebe, wenn man einen Unterschied macht. Der Glaube ist das Wichtige, wie man ins Evangelium, ins ewige Leben hereinkommt, und die Liebe ist das Wichtige, wie man lebt. Also ist der Glaube wie der Schlüssel zum Haus und die Tür, und die Liebe ist die Atmosphäre des Hauses.
Und er sagt: Wenn ihr jetzt gläubig seid, habt den Glauben nicht mit Ansehen der Person. Wir kennen die Menschen ja nicht wirklich, wir kennen sie nur oberflächlich. Wir sehen nur die Oberfläche des Menschen. Manchmal sehen wir den Menschen an, kennen ihn aber nicht wirklich. Vom Anblick her denken wir dann sofort: „Ah, dieser Mensch ist nicht so wichtig und nicht so wertvoll.“ So denken wir manchmal.
Begegnung mit Ausgegrenzten und Erwählung Gottes
Ich war in Rumänien und war erschüttert. Dort, im Süden, relativ weit im Südosten des Landes, hatte ich einen Dienst in einer Gemeinde. Am Rand der Stadt gab es viele Zigeunerdörfer. Ich bin dort ein wenig spazieren gegangen und hatte einige Erlebnisse mit den Zigeunern. Dabei sprach ich mit einem Bruder. Er sagte zu mir: "Die Zigeuner brauchst du nicht grüßen, die Zigeuner brauchst du nicht grüßen."
Ich konnte es kaum glauben. Sind das nur halbe Menschen oder gar Untermenschen? Gerade solche Menschen wollen wir grüßen. Gerade solchen Menschen wollen wir zeigen, wie wichtig sie sind. Es macht einen Unterschied, wenn man sagt, Menschen seien nicht gleich wertvoll. Die Menschen sind alle wertvoll – ganz egal, wie sie gekleidet sind oder wie schmutzig sie leben. Auch wenn hinter ihrem Haus der ganze Müll liegt, sind sie wertvoll im Blick auf Gott. Sie sind im Bilde Gottes geschaffen.
Wir sollten sie so behandeln, wie man das Bild behandelt. Wenn man das Bild eines Präsidenten zerreißt, was bedeutet das? Man ist gegen den Präsidenten, oder? Wenn man aber das Bild Gottes schlecht behandelt, dann ist man gegen Gott. Auch der Zigeuner ist im Bilde Gottes geschaffen.
Jakobus betont, dass der Herr Jesus der Herr der Herrlichkeit ist. Er sagt hier: Wir sind unserem Herrn Jesus Christus, dem Herrn der Herrlichkeit, untertan. Wir sind alle klein. Ein Bruder, Herbert Janssen, hat einmal gesagt, und ich erinnere mich daran: "Am Fuß des Kreuzes sind alle gleich." Auf Golgathas Hügel steht das Kreuz Jesu Christi, und unten stehen wir Menschen. Wir sind alle gleich, der Boden ist eben.
Wir sind vom gleichen Holz geschnitzt und fähig, die schlimmsten Sünden zu tun. Wenn der Herr Jesus uns nicht halten und in unserem Leben nicht gegenwärtig sein würde, wären wir verloren.
Gottes Erwählung der Armen im Glauben
Vers 5
Hört, meine geliebten Brüder! Achtet darauf, wie hier Jakobus spricht. Zum dritten Mal – und nur dreimal – sagt er: „Meine geliebten Brüder“.
Das finden wir bereits in Vers 16, den wir gestern gelesen haben: „Lasst euch nicht irreführen, meine geliebten Brüder“. Auch in Vers 19, den wir heute am Anfang gelesen haben, heißt es: „Darum, meine geliebten Brüder“. Und jetzt noch einmal in Kapitel 2, Vers 5: „Meine geliebten Brüder, hört!“
Er sagt: Hat Gott nicht gerade die Armen dieser Welt erwählt, damit sie reich im Glauben und Erben des Königreiches sind? Damit zeigt er seine Liebe zu diesen Geschwistern und sagt zugleich: So dürft ihr nicht vorgehen! Gott hat die Armen erwählt.
Was heißt das? Sind damit alle Armen der Welt gemeint? Nein, es geht hier um die Glaubenden. Er meint die Armen, die reich sind im Glauben. Das heißt: Das, was vor der Welt töricht erscheint, das, was wenig gilt in den Augen der Welt, hat Gott erwählt.
Wie hat er das erwählt? Nun, in Christus. Viele Gläubige kamen zum Glauben, viele Arme kamen zum Glauben. Sie traten in Christus ein, und in Christus ist man wertvoll.
Das Wort „erwählt“ bedeutet „wertvoll“. Meine Frau ist meine Erwählte, weil sie mir wertvoll ist. Wie wurde sie meine Erwählte? Sie hat „Ja“ gesagt. Jetzt ist sie mir viel wertvoller als andere Frauen. Früher war das nicht so. Hätte sie „Nein“ gesagt, wäre das auch nicht so. Aber sie hat „Ja“ gesagt.
Wenn ein Mensch zu Christus „Ja“ sagt, wird er kostbar in Christus. Man kann sagen, er ist ein Erwählter in Christus. Gott hat in Christus die ganze Gemeinde erwählt, kostbar gemacht und schön gemacht. Von Ewigkeit her hat er sie gewollt – die ganze Gemeinde.
Wie man hineinkommt, steht ja in der Bibel: durch Glauben. Aber wenn jemand in Christus ist, gilt er als erwählt, das heißt als kostbar.
Gott hat das Arme, das Törichte der Welt erwählt (1. Korinther 1,27): „Das Törichte der Welt hat Gott erwählt, damit er die Weisen zu Schanden mache; das Schwache der Welt hat Gott erwählt, damit er das Starke zu Schanden mache; und das von Geburt Niedrige der Welt und das Verachtete hat sich Gott erwählt – das, was nichts ist oder wenig gilt –, damit er das, was etwas ist, zunichte mache, damit kein Fleisch sich vor ihm rühme.“
Wir brauchen uns nicht zu rühmen: „Ah, wir sind besonders!“ Nein, wir sind nicht besonders. Alles, was wir sind, sind wir wegen Christus.
Dann sollen wir auch die anderen Geschwister, die arm sind und niedriger gestellt, entsprechend behandeln.
Ich habe mich so gefreut: Wir waren in Rumänien zu einer Brüderschulung. Dort waren fünf Zigeunerbrüder, die von weit her kamen. Man hatte ihnen das Geld gegeben, denn sie hätten es gar nicht gehabt, um zur Schulung zu kommen. Es waren Brüder, die in Gemeinden am Wort dienten.
Dann sollte jemand eine Einleitung machen. Wir hatten einen ganzen Tag vor uns. Einer hielt eine Andacht als Einleitung. Plötzlich stand ein Zigeuner auf – er wurde sogar gefragt!
Da stand der Zigeuner vor uns, und hier saßen Schweizer, Deutsche, Rumänen; Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, mit verschiedenen Sprachen und aus verschiedenen Ländern.
Und dieser Zigeuner belehrte uns über das Wort Gottes. Das war so schön und gut, was er sagte.
Da dachte ich: Das ist Gemeinde Jesu, das ist Gemeinde Jesu! Da sitzen wir, und lasst uns von den Zigeunern den Herrn Jesus groß machen. So schön!
Das Törichte der Welt hat Gott erwählt.
Gottes Souveränität in der Erhöhung und Erniedrigung
1. Samuel 2,7: Der Herr macht arm und macht reich. Wenn jemand arm ist, macht der Herr ihn arm. Wenn jemand reich ist, macht der Herr ihn reich.
1. Samuel 2,7: Der Herr erniedrigt und der Herr erhöht. Er hebt den Geringen aus dem Staub empor, aus dem Kot erhöht er den Armen, um sie bei Edlen sitzen zu lassen. Den Thron der Herrlichkeit gibt er ihnen als Erbteil. Denn des Herrn sind die Säulen der Erde, und auf ihnen hat er den Erdkreis gestellt.
1. Samuel 2,7-8: Nun kehren wir zurück zu Jakobus. Hier noch Vers 5: Hat nicht Gott die Armen dieser Welt erwählt, als Reiche im Glauben und als Erben des Königreiches, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? Es kommt nicht darauf an, was wir können oder welchen gesellschaftlichen Stand und welche Herkunft wir haben, sondern darauf, ob wir den Herrn lieben oder nicht.
Man kann das Reich Gottes nur annehmen, wenn man nichts hat, mit leeren Händen kommt. Dann macht er uns reich, und wir werden Erben des Königreiches, das Gott denen verheißen hat, die ihn lieben.
Vers 6 enthält einen Tadel: Ihr habt den Armen verachtet oder verunehrt. Es ist beschämend, wenn der Apostel Jakobus so etwas sagt. Unterdrücken nicht die Reichen euch? Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken? Und ziehen nicht sie euch vor die Gerichte? Bedenken wir, dass dieser Brief an Judenchristen geschrieben wurde. Viele Juden waren sehr reich, und die Juden, die nicht an Christus glaubten, verfolgten die jüdischen Christen und zogen sie vor die Gerichte.
In Palästina war das eine schwierige Zeit, in die dieser Brief hineingeschrieben ist, in den 60er Jahren des ersten Jahrhunderts. Die Juden gingen in großer Erbitterung gegen die jüdischen Christen vor.
Sind es nicht sie, die den edlen Namen lästern? Den Namen, der auf euch ausgerufen wurde – Jesus Christus? Sind es nicht die reichen Juden, die den Herrn Jesus so verachten?
Wenn ihr tatsächlich das königliche Gesetz ausführt, das in der Schrift steht: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, dann tut ihr wohl.
Das königliche Gesetz ist nicht das mosaische Gesetz. Es ist das Gesetz des Königs Jesus Christus, das Evangelium. Wenn jemand das königliche Gesetz erfüllt, so wie es geschrieben steht – „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ –, dann tut er Recht.
Das Evangelium steht nicht im Gegensatz zu dem, was im Alten Testament steht: „Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst.“ Das Evangelium hat die gleiche Grundforderung wie das Gesetz. Es fordert, Gott von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deiner Kraft zu lieben und deinen Nächsten wie dich selbst.
Das war schon im Garten Eden so. Was hat Gott gesagt? Adam, du kannst wählen, wen du liebst. Wenn du mich liebst, dann hörst du auf mich. Wenn du dich selbst, deinen Bauch oder etwas anderes mehr liebst, dann hörst du nicht auf mich und isst vom Baum.
Adam hat gewählt, aber Gott hat ihm das Liebesgebot vorangestellt: Wen liebst du mehr? Es ist eine Frage der Liebe – das war damals im Garten Eden.
Dann kam das Gesetz unter Mose. Das wichtigste Gebot im Gesetz – die Jünger fragten den Herrn Jesus danach, die Schriftgelehrten fragten: Was ist das höchste Gebot? Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das erste Gebot.
Und was ist das erste Gebot? Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Das andere ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Wenn sie die Zehn Gebote kennen, wissen sie, dass das erste Gebot lautet: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Das ist negativ formuliert, aber ich könnte genauso sagen: Du sollst mich lieben von ganzem Herzen.
Wenn ich zu meiner Frau sage: „Du sollst keine anderen Männer neben mir haben“, ist das dasselbe wie zu sagen: „Du sollst mich lieben von ganzem Herzen.“ Es ist genau dasselbe. Das eine ist negativ formuliert, das andere positiv.
Er zitierte das aus 5. Mose 6,5-6: „Höre, Israel, der Herr, dein Gott, ist ein einiger Gott, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben.“ Das andere ist ihm gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Die Zehn Gebote: Die ersten fünf betonen die Beziehung zu Gott, die letzten fünf die Beziehung untereinander. Das eine heißt: Du sollst Gott von ganzem Herzen lieben, das andere heißt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Wenn man den Nächsten liebt wie sich selbst, tut man ihm nichts Stehlen, nichts Betrügen, nicht Belügen und nimmt ihm nichts weg. Man nimmt ihm nicht die Frau weg und treibt keine Unzucht.
Die Liebe ist die Summe des Gesetzes. In Römer 13,10 heißt es: „So ist also die Liebe die Erfüllung des Gesetzes, denn alle Gebote werden in einem zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
So ist die Liebe die Summe. So war es im Gesetz, und so ist es auch im Evangelium. Die eigentliche Forderung des Gesetzes war die Liebe, und die eigentliche Forderung im Evangelium ist die Liebe.
Der Herr sagt den Jüngern: „Ein neues Gebot gebe ich euch.“ Aber es ist eigentlich kein neues Gebot, es ist gleich wie das alte: „Liebet einander!“ Dann kommt auch die Liebe zu den anderen, die Liebe unter Christen, und dann auch die Liebe zum Nächsten, die Liebe zu anderen Menschen.
Liebe ist also die Zusammenfassung. Es steht nicht, dass wir uns selbst lieben sollen. Heute gibt es eine moderne Theorie: Man soll sich selbst lieben. Nein, man soll sich akzeptieren. Man soll akzeptieren, was Gott einem gegeben hat, und dazu Ja sagen. Aber akzeptieren heißt nicht lieben. Annehmen heißt nicht lieben.
Selbstliebe bedeutet, in sich selbst verliebt zu sein, sein Ego, sein Ich zu lieben. Das sollen wir aber nicht. Wir sollen vielmehr den anderen lieben.
„Wir sollen uns selbst verleugnen“, sagte der Herr Jesus. „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“
Aber wenn ihr die Person anseht, Vers 9, dann begeht ihr Sünde und werdet als Übertreter erwiesen.
Soweit dieser Gedanke zum Anschauen der Person. Wir wollen heute Nachmittag hier weitermachen und gerade bei diesem Gedanken unter anderem das zweite Kapitel weiter betrachten.