Einführung in die messianischen Psalmen und Psalm 74
Für diejenigen, die heute zum ersten Mal dabei sind: Wir beschäftigen uns miteinander mit den Prophezeiungen aus dem Alten Testament in Bezug auf das erste Kommen von Jesus Christus. Es gibt über 300 erfüllte Prophezeiungen.
Seit längerer Zeit befassen wir uns mit den sogenannten messianischen Psalmen, also mit den Psalmen, die ausdrücklich auf Jesus Christus hinweisen. Dabei betrachten wir nicht alle Psalmenverse, in denen ein Hinweis auf Jesus Christus zu finden ist. Stattdessen haben wir ganz besonders jene Psalmen ausgewählt, die sehr umfangreich und schwerpunktmäßig auf Christus hinweisen.
Beim letzten Mal haben wir Psalm 72 betrachtet. Dabei haben wir gesehen, wie Jesus Christus insbesondere bei seinem zweiten Kommen als König beschrieben wird. Zugleich haben wir festgestellt, dass sich manches daraus bereits bei seinem ersten Kommen erfüllt hat.
Heute wollen wir uns Psalm 74 genauer anschauen. Das Thema lautet: Der Untergang des Tempels als Folge der Verwerfung des Messias.
Lesen wir Psalm 74 gemeinsam durch. Wer übernimmt das für uns? Danke, Eddie.
Psalm 74 – Klage über die Zerstörung des Heiligtums
Über die Schärfe deiner Weide? Gedenke an deine Gemeinde, die du vor Zeiten erworben hast und dir zum Erbteil erlöst hast, an das Werk Zion, auf dem du wohnst. Richte doch deine Schritte zu dem, was so lange Wüste liegt. Der Feind hat alles im Heiligtum verheert.
Deine Widersacher brüllen in deinem Hause und stellen ihre Zeichen darin auf. Hoch sieht man Äxte sich heben, wie im Dickicht des Waldes. Sie zerschlagen all sein Schnitzwerk mit Beilen und Hacken. Sie verbrennen dein Heiligtum, bis auf den Grund entweihen sie die Wohnung deines Namens.
Sie sprechen in ihrem Herzen: „Lasst uns sie ganz unterdrücken!“ Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Land. Unsere Zeichen sehen wir nicht mehr. Kein Prophet ist mehr da und keiner ist bei uns, der etwas weiß.
Ach Gott, wie lange soll der Widersacher noch schmähen und der Feind deinen Namen immerfort lästern? Warum ziehst du deine Hand zurück? Nimm deine Rechte aus dem Gewand und mach ein Ende!
Gott ist ja mein König von alters her, der alle Hilfe tut, die auf Erden geschieht. Du hast das Meer gespalten durch deine Kraft, zerschmettert die Köpfe der Drachen im Meer. Du hast dem Leviathan die Köpfe zerschlagen und ihn zum Braten gegeben, dem wilden Getier.
Du hast Quellen und Bäche hervorbrechen lassen und ließest starke Ströme versiegen. Dein ist der Tag und dein ist die Nacht. Du hast Gestirn und Sonne die Bahn gegeben. Du hast dem Land seine Grenze besetzt. Sommer und Winter hast du gemacht.
So gedenke doch, Herr, wie der Feind schmäht und ein törichtes Volk deinen Namen lästert. Gib deine Taube nicht den Tieren preis. Das Leben deiner Elenden vergiss nicht für immer. Gedenke an den Bund, denn die dunklen Winkel des Landes sind voll Frevel.
Lass den Geringen nicht beschämt davongehen. Lass die Armen deinen Namen wählen, o Herr. Mach dich auf, Gott, und führe deine Sache. Denk an die Schmach, die dir täglich um die Tore widerfährt. Vergiss nicht das Geschrei deiner Feinde. Das Toben deiner Widersacher wird je länger je größer.
Zerstörung des Tempels in Jerusalem auf dem Zionsberg.
Hintergrund und Autor des Psalms
Der Autor dieses Psalms ist Asaph. Wann hat Asaph gelebt? Wer war Asaph? Er war ein ganz besonderer Levit. Asaph war einer der drei Hauptdirigenten des levitischen Chors und Orchesters.
David organisierte die Musik neu im Hinblick auf den zukünftigen Tempel, den sein Sohn Salomo bauen sollte. Er plante, dass es insgesamt mehrere Tausend Musiker und Sänger geben sollte, die unter der Leitung von drei Dirigenten standen. Einer dieser Dirigenten war Asaph.
David richtete alles so ein, dass der Salomotempel nicht nur in seinen Ausmaßen und seiner Herrlichkeit die Stiftshütte übertreffen sollte, sondern auch im Gottesdienst und in der Musik. Asaph lebte also zur Zeit Davids, im elften Jahrhundert vor Christus. Er erlebte noch die Zeit vor dem Bau Salomos und dann auch den Salomotempel selbst.
Asaph schrieb diesen Psalm, ebenso wie den vorhergehenden Psalm, wie man in der Überschrift sieht, denn auch dieser stammt von Asaph. Einige weitere Psalmen wurden ebenfalls von ihm verfasst.
In diesem Psalm spricht Asaph über die Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Das ist besonders interessant als Prophetie, wenn man bedenkt, dass er zur Zeit lebte, als es noch gar keinen Tempel gab. Er erlebte den Beginn des Salomotempels, lebte aber Jahrhunderte vor dessen Zerstörung.
Außerdem lebte Asaph mehr als tausend Jahre vor der Zerstörung des zweiten Tempels zur Zeit Jesu.
Welcher Tempel ist gemeint? – Salomo- oder Zweiter Tempel?
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Beschreibt er hier prophetisch nicht den Untergang des Salomotempels durch die Babylonier im Jahr 586 vor Christus? Das war die Zeit, als die Juden in die Gefangenschaft nach Babylon deportiert wurden. Oder beschreibt er hier die Zerstörung des Tempels im Jahr 70 nach Christus durch die Römer?
Nun müssten wir aus dem Psalm selbst Argumente finden, warum es eben dieser Tempel und nicht jener ist. Hat gerade jemand etwas gefunden, das helfen könnte, zu identifizieren, welcher Tempel gemeint ist?
Gut, die Turteltaube ist ein Bild der Treue und der Anhänglichkeit. Turteltauben haben ja die Tendenz, lebenslang als Paare zusammenzubleiben. Darum wird zum Beispiel auch die Braut im Hohen Lied mit einer Taube verglichen, was ihre eheliche Treue ausdrückt. Hier wird es nun für das Volk Gottes gebraucht, das in diesem Psalm betet und beschreibt, wie der Feind alles zerstört hat. Das ist ja Vers 20.
Der Betende vergleicht sich mit einer Turteltaube. Vers 20 lautet: "Gib nicht dem Raubtier hin die Seele deiner Turteltaube, die Schar deiner Elenden vergiss nicht für immer." Es ist also gewissermaßen das treue Volk, das hier betet und mit der Turteltaube beschrieben wird.
Warum ist das hilfreich? Das ist ein schlagender Beweis. Wer war zum Beispiel Prophet damals? Jeremia, Hesekiel – der war in Babylon. Er wurde schon im Jahr 593 bei der zweiten Wegführung deportiert, aber der Salomotempel bestand noch einige Jahre danach. Erst im Jahr 586 wurde er zerstört.
Ezekiel war auch ein Prophet, der vor und nach der Zerstörung des Tempels Offenbarungen von Gott bekam. Jeremia hat vorausgesagt, wie lange die Zeit in Babylon dauern sollte. In Jeremia 27 heißt es, dass die Zeit Babylons 70 Jahre dauern wird. Tatsächlich wurde das babylonische Weltreich zur Weltmacht im Jahr 609, als die letzten Reste des assyrischen Heers geschlagen waren. Im Herbst des Jahres 539 eroberten die Perser und Meder Babylon – genau nach den 70 Jahren, die über Babylon bestimmt waren.
Jeremia hat vorausgesagt, dass das Volk danach wieder zurückkehren kann ins Land der Vorfahren. Man wusste also, was Gottes Plan war. Doch hier steht: "Kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, der weiß, bis wann." Aber Jeremia konnte sogar sagen, bis wann – diese 70 Jahre für Babylon – und dann konnten sie zurückkehren.
Gerade in der Folge der Rückkehr wurde der zweite Tempel gebaut, wie es in Esra 3 beschrieben ist. Sie legten zuerst den Grund des Tempelhauses, und im Jahr danach errichteten sie das Tempelhaus wieder.
Das macht schon mal deutlich, dass hier nicht die Zerstörung des Salomotempels gemeint ist.
Situation zur Zeit der Zerstörung im Jahr 70 n. Chr.
Und wie war es im Jahr siebzig? Gab es damals Propheten unter dem jüdischen Volk? Nur falsche? Johannes? Aber wo war Johannes bei der Zerstörung des Tempels? Wie war das? Nein? Er war ja… Er hat ja auf Patmos die Offenbarung geschrieben, um 95 nach Christus. Ach so, ja gut.
Natürlich gab es die Propheten des Neuen Testaments. Aber wo waren sie bei der Zerstörung des Tempels? Keiner war in Jerusalem. Alle gläubigen Juden sind im Jahr 68 geflohen, als die römische Armee ihre Lager um Jerusalem errichtet hatte. Denn der Herr Jesus hat in Lukas 21,20 gesagt: „Wenn ihr Jerusalem von Armeelagen umzingelt seht, so erkennt, dass eure Zerstörung nahe ist.“ Dann sollen diejenigen, die in Judäa und Jerusalem sind, auf die Berge fliehen.
So sind damals alle Judenchristen, also alle an den Messias Jesus glaubenden Juden, auf die Berge des Westjordanlandes geflohen. Sie überquerten den Jordan und gingen nach Pella. Dort wurden sie von König Agrippa II. aufgenommen. Das ist der Agrippa, vor dem Paulus in der Apostelgeschichte 26 seine Rede gehalten hatte. Er hatte Agrippa überzeugt, dass Christen keine staatsgefährdende Bewegung sind. Deshalb nahm Agrippa sie als friedliebende Bürger auf.
Dort überlebten sie den ganzen Krieg um Jerusalem. Aber keiner dieser Zeugen war mehr in Jerusalem. So ist es genau so gewesen, wie es geschrieben steht: „Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da und keiner bei uns, welcher weiß bis wann.“ Diese Einschränkung „bei uns“ ist interessant. Es heißt nicht einfach „kein Prophet“, sondern „kein Prophet bei uns“.
Jeremia war damals in Jerusalem. Er hat die ganze Zerstörung miterlebt und war beim Volk geblieben. Er war nicht feige geflohen. Aber im Jahr siebzig war die Lage genau so. Und das ist genau die Situation vom Jahr siebzig.
Endzeitliche Deutung und der dritte Tempel
Natürlich könnte jemand sagen, dass diese Prophetie sich auf die Endzeit bezieht und eine Verwüstung des dritten Tempels beschreibt. Nach der biblischen Prophetie soll kurz vor der Wiederkunft Jesu als König in Jerusalem ein dritter Tempel gebaut werden. Dort wird es Propheten geben, die in Jerusalem wirken.
Wir können gleich eine Bibelstelle aufschlagen: Der dritte Tempel wird zum Beispiel in Offenbarung 11 beschrieben. Wer Offenbarung 11,1-6 liest, findet dort die Zeitspanne von 42 Monaten, also dreieinhalb Jahren. Das entspricht den dreieinhalb Jahren der großen Drangsal vor der Wiederkunft Christi. Diese Zeit wird die schrecklichste der Weltgeschichte sein, der schlimmste Weltkrieg.
Jesus sagt in Matthäus 24, dass, wenn man in der Endzeit das Götzenbild auf dem heiligen Platz, also auf dem Tempelplatz, sieht, die gläubigen Juden auf die Berge fliehen sollen. Dann wird große Drangsal herrschen, wie sie seit Menschengedenken nicht gewesen ist und auch nie wieder sein wird. Jesus sagt weiter, dass, wenn diese Zeit nicht von Gott auf dreieinhalb Jahre begrenzt würde, kein Mensch überleben würde. So schrecklich wird diese Zeit sein.
Interessant ist, dass Jesus in Matthäus 24 zu den Juden in der Zukunft spricht. Er sagt: Wenn ihr den Gräuel, das Götzenbild, auf dem Tempelplatz seht, dann sollt ihr erkennen, dass ihr fliehen müsst. In Lukas 21 hingegen spricht Jesus zu den Gläubigen in der Zeit des ersten Jahrhunderts. Dort sagt er: Wenn ihr Jerusalem von Armeen umzingelt seht, dann sollt ihr erkennen, dass die Zerstörung nahe ist, und flieht auf die Berge.
Es gibt noch einen weiteren Unterschied: In Lukas 21 sagt Jesus ausdrücklich, dass alle, die aus Jerusalem und aus Judäa fliehen, das sollen. Dies geschah im Jahr 68. Für die Endzeit sagt Jesus jedoch, dass diejenigen in Judäa fliehen sollen, nicht aber diejenigen, die in Jerusalem sind. So wird in Jerusalem während der großen Drangsal ein kleiner Überrest von Treuen zurückbleiben.
Dieser Überrest wird hier beschrieben. Das sind zwei Personen aus diesem Überrest, wie in Offenbarung 11,3 erwähnt. Dort heißt es, sie werden 1260 Tage wirken, also ebenfalls dreieinhalb Jahre. Die Monate werden immer zu 30 Tagen gerechnet, daher ergeben sich Jahre von 360 Tagen.
Diese beiden werden als Zeugen Gottes in Jerusalem auftreten. Dort wird auch erwähnt, dass es Menschen geben wird, die im dritten Tempel anbeten, obwohl er entweiht ist. Das ist also ein anderer Tempel als der Tempel, der in Psalm 74 beschrieben wird.
Psalm 74,10 sagt: „Kein Prophet ist mehr da, und keiner bei uns, der weiß, bis wann.“ Die zwei Zeugen hingegen werden genau wissen, wie lange ihre Zeit dauert: 1260 Tage. Danach wird der Herr eingreifen.
Argumente gegen die Deutung auf den Salomontempel
Ja, und noch etwas hilft uns zu erkennen, dass hier nicht der Salomontempel gemeint sein kann. Warum sollte das beim Salomontempel nicht möglich sein?
Man denkt, dass hier der neue Bund gemeint ist. Aber das wirft natürlich die Frage auf: Ist wirklich der neue Bund gemeint, oder der alte Bund? Es ist noch nicht so klar, dass man mit Sicherheit sagen könnte, es müsse unbedingt der neue Bund sein. Es könnte auch der alte Bund sein, der Bund vom Sinai, oder der Bund mit Abraham, der bedingungslos war und bis in die Endzeit für Israel gültig bleibt.
Damals war das Volk ein wildes und hasserfülltes Kriegsvolk im Jahr 70, das Jerusalem zerstört hatte. Das muss ganz eindeutig sein. Bei den Propheten war das eindeutig, oder? Aber in jener Zeit gab es in Jerusalem keine Propheten. Ja, oder besser gesagt, für lange Zeit, "La Nezach" im Hebräischen, also auf Dauer verworfen. Das passt gut zu der langen Zeit, in der Israel auf der Wartebank saß – vom Jahr 70 bis heute, in der das Volk so lange zurückgestellt war.
Man könnte aber immer noch sagen: Ja, aber jetzt könnte man sich ja auch auf die babylonische Gefangenschaft beziehen. Es muss aber etwas Stärkeres, noch Eindeutigeres sein. Ich bin da derselben Meinung. Um jemanden, der sich nicht sicher ist, wirklich zu überzeugen, kann man immer noch einwenden: Ja gut, aber auch die Jahrzehnte der babylonischen Gefangenschaft waren eine lange Zeit, auf Dauer verworfen.
Wer hat Vers 2 gemacht? Also eins nach dem anderen. Jemand sagte Vers 4. Warum Vers 4? Die Babylonier hatten bestimmt auch ihre Feldzeichen, wie die Römer ihre Feldzeichen mit dem Adler und so hatten. Aber dieses hier? Nein, das gab es bei ihnen nicht.
Das Gräuelbild, von dem Jesus in Matthäus 24,14 spricht, bezieht sich auf das Götzenbild, das der Antichrist einmal im dritten Tempel aufstellen wird. Die Römer haben bei der Zerstörung im Jahr 70 kein Gräuelbild aufgestellt.
War der zweite Tempel nicht aus Stein gebaut? Und wurde er nicht in kleinen Stücken gehackt? Natürlich war der Tempel aus Stein gebaut. Aber die Säulenhallen waren alle mit Zedernholz reich ausgeschmückt und gebaut. Es gab viel Holz, auch die königliche Säulenhalle zum Beispiel hatte eine besonders prächtige Decke, die von vier Säulenreihen getragen wurde. Selbst im Tempelhaus selbst gab es Holzbalkenkonstruktionen.
Noch etwas, was wirklich eindeutig ist: Die Babylonier haben den Tempel verbrannt, die Römer haben ihn verbrannt? Nein, aber...
Vers 2 lautet: "Gedenke deiner Gemeinde, die du erworben hast vor Alters, erlöst als dein Erbteil." Das bezieht sich auf die Befreiung aus Ägypten. Also: Denk an dein Volk, das du aus Ägypten erworben hast.
Peter, entschuldige, du hast es erwähnt. Ich bin interessiert: Auf welchem Tempel hast du gewohnt? War das beim Salomontempel? War die Wolkensäule damals da? Sie ist dann weggegangen, und kam beim zweiten Tempel nie wieder zurück.
Man kann aber nicht sagen, dass Gott nicht in Jerusalem wohnte. Vom zweiten Tempel steht in Haggai, wir können kurz nachschlagen, es geht um den Wiederaufbau des Tempels. In Haggai 2,4 steht eine Verheißung Gottes, und in Vers 5 liest Peter: "Das Wort, welches ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist besteht in eurer Mitte, dürftet euch nicht fürchten."
Gott sagt also: Mein Geist besteht, wohnt in eurer Mitte. Die sichtbare Gegenwart Gottes war nicht mehr da beim zweiten Tempel zur Zeit Jesu – keine Wolke, keine Feuersäule –, aber der Geist Gottes war in einer ganz besonderen Weise gegenwärtig.
Bedeutung von „Gemeinde“ und Synagogen im Psalm 74
Ja, ein Punkt, der noch nicht erwähnt wurde, betrifft den Ausdruck „Gemeinde“, der im Alten Testament für das Volk Israel verwendet wird. Vor langer Zeit bedeutete dies, dass Gott dieses Volk, die Gemeinde Israels, errettet und aus Ägypten herausgeführt hat. Dieses Volk, das Gott sich aus Ägypten erworben hat, soll Gott angesichts der Zerstörungen im Blick behalten.
Hier wird erneut dazu aufgerufen, zu kommen – im Hinblick auf den Tempel, der so verwüstet worden ist, und auf sein zukünftiges Kommen. Ein weiterer Punkt, der bisher nicht genannt wurde, ist Vers 8. Wer liest Vers 8 vor?
Die „Versammlungsstätten Gottes im Land“ – was ist damit gemeint? Die Synagogen. Seit wann gibt es Synagogen? Zur Zeit des ersten Tempels, des salomonischen Tempels, gab es Synagogen noch nicht. Diese Einrichtung entstand erst nach der Rückkehr aus Babylon. Ein erster Schritt dazu waren die großen Volksversammlungen, wie sie zum Beispiel in Esra 8 beschrieben werden, wo Esra das Gesetz dem ganzen Volk vorlas.
Aus diesen Unterweisungen entstand später die Idee, im ganzen Land Synagogen einzurichten. Dort sollte man unterwiesen werden und die Bibel hören, damit sich eine Katastrophe wie die babylonische Gefangenschaft nicht wiederholt. Es war klar, warum das alles geschehen war: Weil das Volk Götzendienst betrieben und Gottes Wort verlassen hatte. Wenn man das Wort Gottes immer wieder hört, kann man bewahrt werden, damit eine solche Katastrophe nicht erneut eintritt.
Archäologisch kennt man Synagogen aus Ausgrabungen, die aus dem ersten Jahrhundert vor Christus und dem ersten Jahrhundert nach Christus stammen. Weiter zurück lässt sich das nicht genau datieren. Niemand kann genau sagen, wann die Synagogen entstanden sind, aber im ersten Jahrhundert vor Christus waren sie im Land Israel verbreitet.
So sehen wir auch beim Herrn Jesus, dass er regelmäßig in die Synagoge ging. In Lukas 4 steht: „Er ging am Sabbat nach seiner Gewohnheit in die Synagoge.“ Können wir das kurz nachschlagen? Die Synagoge wird im Alten Testament nirgends als Gebot Gottes erwähnt, aber wir lesen, dass der Herr Jesus regelmäßig in die Synagoge ging. Wer liest Lukas 4, Vers 15 vor?
Weiter heißt es, dass Jesus bei dieser Gelegenheit aus dem Propheten Jesaja vorlas. Das entsprach dem üblichen Ablauf: Zuerst wurde ein Abschnitt aus den fünf Büchern Mose vorgelesen, so dass man in einem Dreijahreszyklus alle fünf Bücher Mose durchging. Heute sind die Abschnitte größer, und weltweit liest man so, dass man einmal im Jahr durch alle fünf Bücher Mose kommt.
Nach der Lesung aus dem Gesetz war es möglich, dass jemand in der Synagoge eine Lesung aus den Propheten machte. Herr Jesus las aus Jesaja 61 vor. Er ging also regelmäßig in die Synagoge und besuchte in seinem öffentlichen Dienst viele Synagogen.
Eine besonders klare Stelle findet sich in Matthäus 4, Vers 23: Dort heißt es, dass Jesus das Evangelium des Reiches verkündete und jede Krankheit und jedes Gebrechen unter dem Volk heilte. Er besuchte also viele Synagogen im Land und predigte dort.
Man kann sagen, diese Einrichtung wurde vom Herrn selbst anerkannt, denn er ging nach seiner Gewohnheit in die Synagoge. Nebenbei lässt sich hier noch etwas Wichtiges lernen: Es gibt junge Leute, die denken, alles, was Gewohnheit ist, sei schlecht. Aber das stimmt nicht. Es gibt gute und schlechte Gewohnheiten. Der Herr hatte selbst Gewohnheiten, und es gibt gute Gewohnheiten. Jeden Sabbat ging er in die Synagoge. Es ist auch eine gottgemäße Gewohnheit, regelmäßig Gottesdienste zu besuchen.
So hat der Herr Jesus es gehalten, und er predigte in vielen Synagogen. Die Synagoge in Kapernaum, die mehrfach in den Evangelien erwähnt wird, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts ausgegraben. Man fand sogar die Fundamente aus dem ersten Jahrhundert, aus schwarzem Basaltstein. Das ist die Synagoge, in der der Herr Jesus gepredigt hat. Man kann sie also ganz konkret lokalisieren.
Auch in Gamla auf dem Golan wurde eine Synagoge aus dem ersten Jahrhundert entdeckt. Dort kann man sie besichtigen. Eine weitere Synagoge wurde auf Masada gefunden, der letzten Festung, die im Jahr 73 fiel, als die Römer das Land eroberten und alles zerstörten. Die Synagoge dort kann man ebenfalls besichtigen. Man kann sagen, das war die letzte Versammlungsstätte, die gefallen ist.
Das entspricht genau dem, was in Psalm 74, Vers 8 steht: „Verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Land.“ Somit ist klar, dass hier nicht die Zerstörung des Salomonischen Tempels gemeint ist, sondern die Zerstörung in der Zeit, als es bereits Synagogen gab.
Prophetische Kraft des Psalms und archäologische Funde
Betrachten wir die prophetische Kraft des Wortes Asaf, das aus der Anfangszeit des ersten Tempels stammt. Schon damals beschreibt es eine Zeit, in der es im ganzen Land Synagogen geben wird. Diese Synagogen werden später von Feinden zerstört werden.
Nebenbei sei erwähnt, dass man in der Synagoge auf Masada, die im Boden erhalten ist, eine Schriftrolle gefunden hat. Es handelt sich dabei um einen Rest aus Hesekiel, und zwar ausgerechnet Kapitel 37. Dieses Kapitel enthält die Prophetie, in der Israel mit ausgetrockneten Totengebeinen im Tal verglichen wird.
Diese Totengebeine sagen: „Wir haben keine Hoffnung mehr.“ Sie sind zerstreut unter den Völkern, und alle Hoffnung scheint verloren. Doch dann sagt das Kapitel: Nein, Gott wird diese Totengebeine beleben.
In der Vision rücken diese toten Gebeine zusammen. Fleisch, Sehnen und Muskeln wachsen darüber, schließlich wird die Haut darüber gelegt. In einer weiteren Phase kommt dann der Lebensodem in sie, und sie stehen als ein großes Heer auf.
Es geht also um das Kapitel, in dem Gott erklärt, dass er sein Volk aus allen Völkern sammeln und zurückbringen wird nach Israel. Ausgerechnet dieses Kapitel findet man dort im Synagogenboden bei der letzten Festung, die gefallen ist – in diesem Kampf damals um Jerusalem und das ganze Land im Jahr 73.
Damals war alles vorbei. Es ist also kein Zufall, dass Gott genau diese Hoffnungsschrift dort erhalten ließ, bis in die Zeit der Erfüllung. Heute ist dies geschehen, wie die Juden aus allen fünf Kontinenten zurückkehren in das Land ihrer Vorfahren.
Verbindung zu Daniel 9 und den drei Tempeln
Ja, also es ging darum, warum man sieht, dass der Tempel zur Zeit Jesu hier zerstört wird. Nun möchte ich noch Folgendes verknüpfen: Schlagen wir mal Daniel 9 auf. Wir greifen da schon ein bisschen vor, denn wir kommen später noch zu Daniel.
In Daniel 9 finden wir nämlich alle drei Tempel: den ersten, den zweiten und den Endzeit-Tempel, den dritten Tempel (Daniel 9). Das ist ein Kapitel aus der Zeit der babylonischen Gefangenschaft, und Daniel betet, weil er weiß, dass die siebzig Jahre, die Jeremia angekündigt hat, jetzt abgelaufen sind. Nun wird Gott für sein Volk eingreifen.
Da betet er, und jemand liest Kapitel 9, Vers 16. Jawohl, hier erwähnt er Jerusalem und den heiligen Berg, das ist der Tempelberg, der Berg Zion in Jerusalem. Und jetzt in Vers 17: Welches verwüstete Heiligtum meint er hier? Das war der Salomo-Tempel, ganz klar.
Nun bekommt er eine Prophetie von den siebzig Jahrwochen. Es wird ihm erklärt, dass in der Endzeit, nach der siebzigsten Jahrwoche, all das geschehen wird, was in Vers 24 steht. Liest das jemand? Jawohl, hier beschreibt er das tausendjährige Reich, das messianische Friedensreich, das nach siebzig prophetischen Jahrwochen kommen wird.
Da wird alles neu werden. Der Abfall des Volkes Israel wird dann zu Ende sein, es gibt eine Erneuerung, den Sünden wird ein Ende gemacht, die Ungerechtigkeit wird gesühnt. Eine ewige Gerechtigkeit wird weltweit eingeführt werden. Die Propheten werden versiegelt, das heißt, alles erfüllt sich, alles, was noch aussteht, wird dann bestätigt werden durch die Erfüllung. Und dann heißt es: „Und ein Allerheiligstes wird gesalbt werden.“ Das ist der Endzeit-Tempel, der dritte Tempel.
Interessant ist Folgendes: Der Salomo-Tempel wurde bei der Einweihung gesalbt. Der zweite Tempel wurde nie gesalbt, weil man nach der Rückkehr aus Babylon das Salböl von Mose nicht mehr hatte. Darum hat man auch die Hohenpriester nicht mehr gesalbt. Alle frühen Hohenpriester im Salomo-Tempel waren noch mit dem Ölgefäß von Mose gesalbt worden, als gesalbte Priester.
Im zweiten Tempel gab es keine gesalbten Priester mehr, und der Tempel selbst war nicht gesalbt. Hier wird gesagt, der Endzeit-Tempel wird gesalbt werden. Schon daran kann man erkennen, dass es unmöglich der zweite Tempel ist, sondern eben der Endzeit-Tempel.
Aber jetzt wird noch ein weiterer Tempel in diesem Kapitel erwähnt. Jemand liest bitte Vers 25 bis 26. Das reicht schon. Ja, wir werden das später ausführlicher anschauen, aber ich nehme schon mal vorweg – es schadet nicht, wenn man es zweimal hört.
Hier wird Daniel gesagt, wie man berechnen kann, wann der Messias kommt. Man muss sich vorstellen, diese Prophetie erhielt er, als Jerusalem noch in Staub und Asche lag durch die Zerstörung der Babylonier.
Dann wird gesagt: Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen – also von dem Moment an, wo ein Wort oder Erlass ausgeht, um Jerusalem neu zu bauen, von dort an kann man rechnen.
Dann steht: „Bis auf den Messias, den Fürsten, sind sieben Wochen oder Jahrwochen und zweiundsechzig Jahrwochen.“ Ich weiß, es gibt verschiedene Bibelübersetzungen, die hier „sieben Wochen Punkt“ haben. Ja, aber die neue Übersetzung hat das nicht, und das ist ein schwerer Fehler. Der hebräische Text ist klar: Es muss heißen, es sind sieben Wochen und 62 Wochen Punkt, das heißt also 69 Jahrwochen.
Ich werde gleich erklären, warum es aufgeteilt ist. Man kann also rechnen: Ausgangspunkt ist der Erlass, Jerusalem zu bauen, Endpunkt ist, dass der Messias als Fürst kommt. Dazwischen liegen 69 Jahrwochen, nämlich sieben und zweiundsechzig Jahrwochen.
Wir wissen, dass König Artaxerxes im Jahr 445 vor Christus Nehemia einen Erlass gab mit einem Empfehlungsbrief, dass er Jerusalem wieder bauen dürfe. Das wird in Nehemia 2 beschrieben. Das war also, wie wir genau wissen, im Monat Nisan, März, April 445 vor Christus.
Und wann ist Jesus Christus als Fürst gekommen? Es gab nur einen Tag in seinem Leben hier auf Erden, an dem er als Fürst aufgetreten ist: Am Palmsonntag. Da wurde er als König Messias gefeiert bei seinem Einzug nach Jerusalem. Und wir wissen auch genau aus den Evangelien, wann dieser Tag war: im Jahr 32, und zwar wieder im Monat Nisan, dem Passamonat, also auch März, April.
Nun muss ich kurz erklären: Diese 69 Jahrwochen – eine Jahrwoche dauert sieben Jahre. Wir haben ja schon aus der Offenbarung gesehen, dass es prophetische Jahre sind, die 360 Tage dauern. Diese dreieinhalb prophetischen Jahre in Offenbarung 11 waren ja Jahre von 360 Tagen, wie wir gesehen haben.
Gut, jetzt kann man rechnen: 69 mal sieben mal 360. Dann hat man die Anzahl Tage vom Erlass bis zum Kommen als Fürst. Das ergibt, man kann es im Taschenrechner zuhause nochmals nachprüfen, 173.880 Tage.
Genau diese Anzahl Tage kann man schön einpassen zwischen März/April 445 v. Chr. bis März/April 32 n. Chr. Es passt exakt hinein. Mit allen Verschiebungen, Schaltjahren usw., die in dieser Zeit berücksichtigt werden müssen, passt es exakt.
Da ist der Herr Jesus als Fürst gekommen.
Und jetzt die Frage: Warum ist es aufgeteilt in sieben und zweiundsechzig? Aus folgendem Grund: Es gab zwei Gelegenheiten, bei denen ein König einen Erlass gegeben hat, Jerusalem zu bauen.
Schon vor Artaxerxes hatte König Kyros von Persien im Jahr 539 vor Christus, gerade nach der Eroberung Babylons, den Juden die Erlaubnis gegeben, sie dürfen zurückkehren und den Tempel und die Stadt wiederbauen.
Nun war natürlich nicht klar, wovon man rechnen soll: ab Kyros 539 v. Chr. oder erst ab Artaxerxes bei Nehemia 445 v. Chr.
Die Antwort ist, dass es aufgeteilt ist in sieben und zweiundsechzig Jahrwochen. Diese sieben ersten Wochen, also 49 Jahre, beziehen sich auf den Wiederaufbau der Stadt. Darum steht weiter im Vers: „Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut werden, und zwar in Drangsal der Zeiten.“
Unter Nehemia wurde die Stadtmauer zuerst wieder gebaut, und als sie fertig war – das ging ziemlich schnell – begann man, die Häuser in der Stadt wieder aufzubauen.
Das war eine Zeit ständiger militärischer Bedrohung, wie man im Buch Nehemia nachlesen kann, und zwar im „Drangsal der Zeiten“.
Aber 49 Jahre nach diesem Erlass bei Nehemia war Jerusalem wieder eine vollkommene Stadt.
49 Jahre nach dem Erlass von Kyros war Jerusalem immer noch in Schutt und Asche. Man hatte nur den Tempel gebaut, aber nicht die Stadt und praktisch keine Häuser.
So war also bereits in alttestamentlicher Zeit klar: Aha, wir müssen natürlich nicht von Kyros anrechnen, sondern von Artaxerxes.
Sonst wäre diese Unsicherheit immer geblieben, und man hätte schließlich vom Ende her, als der Messias gekommen ist, zurückrechnen müssen: Aha, eigentlich passt Nehemia, bei Kyros passt es nicht mit der Zeit.
Nein, so war also bereits klar: 49 Jahre nach Kyros – nein, es kann nicht sein, die Stadt ist nicht wiederhergestellt.
Darum sieben Jahrwochen. Die Zahl sieben ist die Zahl der Vollkommenheit, da sollte die Stadt wieder vollkommen stehen.
Nach Nehemia 49 Jahre – tatsächlich ist das der Zeitpunkt, von dem aus wir rechnen müssen.
Dann kommen neben den sieben noch zweiundsechzig Jahrwochen, und am Ende, exakt am Ende, kam der Herr Jesus an Palmsonntag als Fürst nach Jerusalem.
Jetzt geht der Text weiter. Wir haben gelesen: „Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören.“
Halt, nein, ich muss natürlich vorher lesen, Vers 26: „Und nach den 62 Jahrwochen wird der Messias ausgerottet werden und nichts haben.“
Also die sieben Jahrwochen, dann folgen direkt die 62 Jahrwochen, und am Ende davon kam der Messias als Fürst.
Jetzt sagt der Text: „Und nach dieser Zeit, nach diesen 62 Jahrwochen, wird der Messias ausgerottet werden, ermordet werden, und er wird nichts haben.“
Er wird kein Königreich aufrichten.
Wir können rückblickend sagen: Tatsächlich, fünf Tage nach Palmsonntag war kein Freitag. Es wird nicht gesagt, wie lange, einfach und in der Folge – fünf Tage später wurde er ermordet.
Die Menge hat vor Pilatus geschrien, er solle gekreuzigt werden, und er hat kein Friedensreich zurückgelassen.
Er wird nichts haben.
Es ist wichtig, wenn man mit orthodoxen Juden spricht, denn bei ihnen kommt immer wieder das Argument: Wenn Jesus der Messias gewesen wäre, hätte es seit seinem Kommen Frieden gegeben.
Ich habe mal mit einem Orthodoxen gesprochen und mir Zeit genommen. Dann habe ich ihm gesagt: Wenn es Frieden gegeben hätte, dann wäre er nicht der Messias.
Wir haben die Stelle aufgeschlagen, in Daniel 9 steht es: „Der Messias wird ausgerottet werden und nichts haben.“
Er darf gar kein Friedensreich machen nach seinem Kommen, sonst wäre er nicht der Messias.
Das steht hier im Alten Testament, das musste so kommen.
Der Text sagt weiter: „Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören.“
Wieder wird nicht gesagt, wie viel später, aber das „und“ macht klar: In der Folge wird ein Volk kommen, das die Stadt Jerusalem wieder neu verwüsten und den Tempel, den zweiten Tempel, zerstören wird.
Das ist das römische Volk, die Römer, die im Jahr 70 Jerusalem und den Tempel in Staub und Asche gelegt haben.
Darum habe ich jetzt Psalm 74 als messianischen Psalm genommen, weil er ausführlich beschreibt, was in Daniel nur durch einen Satz teilweise beschrieben wird: „Und wird die Stadt und das Heiligtum zerstören.“
Jetzt haben wir einen ganzen Psalm, der nur über diese Zerstörung des Heiligtums spricht.
Pause und Fortsetzung
Ja, machen wir hier eine Pause von zwanzig Minuten, und dann gehen wir voll an Psalm 74 heran. So, jetzt sind alle da. Dann wollen wir weitermachen.
Ja, bitte. Jawohl, es gibt drei Tempel. Beim ersten Tempel ist klar, dass die Zerstörung beschrieben wird. Die Zerstörung des zweiten Tempels wird prophetisch im Alten Testament angekündigt und im Neuen Testament durch den Herrn bestätigt.
Vom dritten Tempel wird jedoch nie gesagt, dass er zerstört wird. Es wird nur erwähnt, dass er verunreinigt wird – verunreinigt durch den Antichristen. In Offenbarung 11 haben wir auch gelesen, wie Jerusalem zertreten wird, wie Jerusalem zerstört wird. Aber vom Tempel selbst wird nicht gesagt, dass er zerstört wird.
So wird der Herr Jesus wiederkommen und den Tempel neu weihen. In Daniel 12 steht, dass das Opfer, das während der großen Drangsalzeit ausfallen wird wegen der Verunreinigung durch das Götzenbild des Antichristen, nach 1290 Tagen wieder eingeführt wird.
Die Drangsal dauert 1260 Tage, wie in Offenbarung 11 beschrieben. Daniel 12 sagt, dass nach 1290 Tagen das beständige Opfer wieder eingeführt wird. Das bedeutet, 30 Tage nach der Drangsalzeit wird der Tempel bereits gereinigt sein und das Opfer wird wieder beginnen.
Dann wird der Herr Jesus die Ausführung der Pläne aus Hesekiel 40 bis 48 umsetzen. Der dritte Tempel, der verunreinigt war, wird neu geweiht und auf seine volle Größe ausgebaut – eineinhalb Kilometer mal eineinhalb Kilometer.
Dadurch wird übrigens Golgatha, der Golgatha-Felsen, in den äußeren Vorhof der Heiden hineinkommen. Das wird Zeugnis sein für das ganze Tausendjährige Reich, dass all diese Opfer im dritten Tempel nur symbolische Bedeutung haben.
Sie werden nur Erinnerung sein an das eine Opfer, das ein für allemal auf Golgatha dargebracht worden ist.
Ja gut, das ist das, was du wissen wolltest. Dann gehen wir zu Psalm 74.
Psalm 74 im Licht der Zerstörung des zweiten Tempels
Also, wenn jetzt klar ist, dass es hier um den zweiten Tempel geht, dann liest man den Text mit folgenden Augen:
Vers 1: Gott, warum hast du verworfen für immer oder auf Dauer, Lannäzach? Rauch dein Zorn wieder über die Herde deiner Weide, warum? Die Antwort haben wir in Daniel 9 gefunden. Warum? Weil der Messias ermordet worden ist. Darum heißt es ja, er wird ausgerottet werden, nichts haben, und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören. Das gibt die Antwort auf die Frage hier: Gott, warum hast du verworfen?
Dann Vers 2: Gedenke deiner Gemeinde. Wie gesagt, auch in den Büchern Mose wird das Volk Israel als die Gemeinde bezeichnet. Gedenke an eine Gemeinde, die du vor Alters erworben hast, nämlich damals unter Mose, erlöst als dein Erbteil. Also denke an dieses Volk, das du einmal aus Ägypten herausgeführt hast. Wie kannst du es jetzt so auf Dauer verwerfen? Wir müssen dabei bedenken: Ab dem Jahr siebzig bis in unsere Zeit war das jüdische Volk fast zweitausend Jahre unter den Völkern auf allen fünf Kontinenten zerstreut, ohne Heimat, ständig gehasst und von einem Ort zum anderen getrieben. Gedenke einer Gemeinde, die du damals erworben hast aus Ägypten, und weiter des Berges Zion, auf welchem du gewohnt hast. Also vergiss den Tempelberg nicht, wo eben Gott im Salomonstempel und durch seinen Geist auch im zweiten Tempel gewohnt hat.
Vers 3: Erhebe deine Tritte zu den immerwährenden Trümmern. Gott soll sich über diese Trümmer in Jerusalem erbarmen und hier eine Wende schaffen. Es ist schon interessant, wenn man nach Jerusalem geht und all die Trümmer vom zweiten Tempel sehen kann, wie sie da liegen. Man kann zum Beispiel bei der Südwestecke noch die originale Straße von vor zweitausend Jahren sehen, die wir wieder ausgegraben haben. Sie verlief entlang der Tempelmauer im Westen und ist nach unten massiv eingeschlagen durch riesige Steine, die die Römer ganz bewusst im Jahr siebzig von oben heruntergeschmissen haben. Sie haben die Steine abgebrochen. Es war nicht genug, dass der ganze Tempel verbrannt und verwüstet war, sie haben dann bewusst die Mauersteine abgebrochen und heruntergeschmissen. Also soll Gott sich jetzt wieder diesen Trümmern, in der heutigen Sprache diesen zweitausend Jahre alten Trümmern, wieder zuwenden.
Noch eine interessante Stelle zu diesen Trümmern, zu diesen Steinen in Jerusalem, findet sich in Psalm 102. Psalm 102, Vers 13 beziehungsweise je nach Bibelübersetzung Vers 14, lautet: Du wirst aufstehen, du wirst dich Zions erbarmen, denn es ist Zeit, ihn zu begnadigen, denn gekommen ist die bestimmte Zeit. Denn deine Knechte haben gefallen an seinen Steinen, sie haben Mitleid mit seinem Schutt. Da wird gebetet um die endzeitliche Wiederherstellung Zions, die Zeit nach dieser langen Zeit, in der Israel auf der Wartebank war, wo Gott diesem Volk wieder seine Gnade zuwendet. Und dann wird gesagt: Deine Knechte haben gefallen an seinen Steinen und haben Mitleid mit seinem Schutt. Wenn man sich wirklich für diese Steine in Jerusalem interessiert, ist es ja nicht einfach so, weil man Steine gern hat, sondern weil man weiß, was diese Steine bedeuten. Das sind die Steine des Tempels zur Zeit des Herrn Jesus, wo er selbst ein- und ausgegangen ist. So wird hier gesagt: Deine Knechte haben gefallen an seinen Steinen und haben Mitleid mit seinem Schutt.
Jetzt gehen wir zurück zu Psalm 74, Vers 3b: Alles im Heiligtum hat der Feind verderbt. Jetzt wird ganz detailliert beschrieben, wie die Römer den Tempel im Jahr siebzig verwüstet haben. Es brüllen deine Widersacher inmitten einer Versammlungsstätte. Da ist jetzt Versammlungsstätte in der Einzahl, gemeint ist eben der Tempel in Jerusalem, die wichtigste Versammlungsstätte. Sie haben ihre Zeichen als Zeichen gesetzt, und die sind ja gekommen mit dem römischen Adler, das war das Feldzeichen der Römer.
Weiter, Vers 5: Sie erscheinen wie einer, der die Axt emporhebt im Dickicht des Waldes. Jetzt muss man an die wunderbaren Zedernarbeiten an den Decken der verschiedenen Hallen denken, der Königin-Säulenhalle. Das war die Halle, in der der Herr Jesus zum Tod verurteilt wurde durch den Hohenpriester. Es war auch die Halle, wo der Herr Jesus am Anfang und am Ende seines Dienstes die Opfertierverkäufer aus dem Haus seines Vaters hinausjagte. Dann muss man auch an die Osthalle denken, das war die Säulenhalle Salomos, in der der Herr Jesus in Johannes 10 sagte: „Meine Schafe hören meine Stimme und sie folgen mir, und ich gebe ihnen ewiges Leben, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben.“ Später, ab dem Pfingsttag, versammelte sich die Gemeinde, diese Tausenden von Gläubigen, in der Säulenhalle Salomos einmütig jeden Tag. Die Apostel unterwiesen sie dort. Das war eine wunderbare Zedernholzdecke oben, gratis, sie mussten keine Miete bezahlen. Sie kamen jeden Tag dorthin. Die Halle war zweihundertfünfzig Meter lang – nicht schlecht, oder? Die Akustik war schön für den Gesang und so weiter.
Dann heißt es Vers 6: Und jetzt zerschlagen sie sein Schnitzwerk allzumal mit Beilen und mit Hämmern, sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt, zu Boden entweiht die Wohnung deines Namens. Es ist so. Wir haben einen Augenzeugenbericht über die Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch Josephus Flavius. Er war ein jüdischer Priester aus dem Stamm Levi, aus der Familie von Aaron. Er lebte im ersten Jahrhundert und konnte die ganze Zerstörung von der Burg Antonia aus beobachten. Später schrieb er im Alter ein Buch mit dem Titel Der jüdische Krieg. Ich lese einmal aus der Goldman-Taschen-Ausgabe, wie die Zerstörung des Tempels beschrieben wird. Dort haben wir wirklich die Illustration dieser Prophetie hier.
Aus dem sechsten Buch: Titus war nämlich kaum weggegangen. Titus, der römische General, war kaum weg, da wandten sich die Rebellen, das sind die Juden, nach kurzer Pause wieder gegen die Römer. Jetzt kam es zum Nahkampf zwischen der Tempelbesatzung und jenen Männern, die zum Löschen des Feuers im Innern des Tempelbezirks beordert waren. Als die römischen Soldaten den Juden, die sich absetzen wollten, nachdrängten, und zwar bis zum Tempelgebäude selbst, packte einer von ihnen ohne Befehl und ohne Rücksicht auf die Tragweite seines Handelns, wie von einer höheren Macht getrieben, eine Brandfackel. Er ließ sich von einem anderen in die Höhe heben und warf sie durch das goldene Fenster, wo von Norden her der Weg in die äußeren Tempelräume führt.
Als die Flammen empor schlugen, schrien die Juden furchtbar auf, was dieses Unheil verständlich macht. Jetzt gab es für sie keine Gefahr mehr, sondern sie eilten von überall herbei, um zu löschen, denn nun stand das Heiligtum vor dem Untergang, wovon sie bisher das Schlimmste hatten abwenden wollen. Etwas später ließen sich die Legionen weder durch freundliches Zureden noch durch Drohungen von ihrem mächtigen Vorwärtsdrang abhalten. Der Zorn lenkte und leitete sie alle. An den Toren war das Gedränge so entsetzlich, dass viele von ihren eigenen Kameraden zertrampelt wurden. Zahlreiche kamen auch auf den Ruinen der Hallen, die noch glühten und rauchten, zu stehen, und so ereilte sie das Schicksal nicht anders als die Unterlegenen.
Sobald sie nahe an den Tempel herangekommen waren, taten sie, als könnten sie die Befehle des Feldherrn nicht mehr vernehmen, und riefen den Leuten vor ihnen zu, sie sollten doch die Brandfackeln in den Tempel werfen. Die Rebellen hatten zudem keine Hoffnung mehr, über den Brand Herr zu werden. Denn allenthalben wurden sie getötet oder verjagt. Selbst viele Bürger, schwächliche Leute, die sich nicht verteidigen konnten, sanken unter den Schwerthieben der Feinde, wo sie diesen in den Weg kamen. Namentlich beim Altar lagen die Gefallenen zuhauf, die Straßen trieften von Blut, und die Leichen derer, die oben den Tod fanden, schlugen unten auf.
Während nun der Tempel in Asche sank, raubten die Soldaten alles, dessen sie habhaft werden konnten, und metzelten jeden Juden nieder, der ihnen in die Hände geriet. Es waren Tausende. Es gab kein Pardon für das Alter, keine Ehrfurcht vor der Würde. Kinder und Greise, Laien und Priester fielen den Schwerthieben der Feinde ohne Unterschied zum Opfer.
Der Krieg tobte unter allen Schichten des Volkes. Einerlei, ob man um Erbarmen flehte oder Widerstand leistete. Das Lodern der Flammen überall verband sich mit dem Stöhnen der Niedergeschlagenen. Man hätte glauben mögen, die ganze Stadt sei vom Brand erfasst, ob der Höhe des Berges und des Umfangs des brennenden Bauwerks. Entsetzlicher und eindringlicher in seiner Wirkung lässt sich nichts vorstellen als das Geschrei der Menge.
Etwas weiter heißt es: Und so legten sie an alles Feuer, was noch übrig war, nämlich an die Reste der Hallen und an alle Tore, mit Ausnahme von zweien, nämlich des östlichen und des südlichen. Doch wurden diese später auch noch vernichtet. Noch etwas später ließ man dann, wie Titus befohlen hatte, alle Mauern schleifen, also wirklich den Tempel bis auf den Grund verwüsten, genau wie es hier prophetisch beschrieben ist.
Psalm 74, Vers 8: Sie sprachen in ihrem Herzen: „Lasst uns sie niederzwingen allesamt, verbrannt haben sie alle Versammlungsstätten Gottes im Lande.“ Unsere Zeichen sehen wir nicht, sie haben ihre Zeichen aufgesetzt, ja, Adler zum Beispiel haben wir gesehen. Aber unsere Zeichen, das sind alle diejenigen, die für den jüdischen Glauben stehen, wie das Tempelhaus völlig zerstört, der Altar völlig verwüstet – all diese Zeichen des Glaubens wurden verwüstet. Unsere Zeichen sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr da und keiner bei uns, der weiß, bis wann.
Und jetzt kommt die große Frage: Bis wann, oh Gott, soll der Bedränger höhnen? Soll der Feind einen Namen verachten immerfort? Es war kein Prophet da, der sagen konnte, bis wann. Und in der ganzen Bibel wird nirgends gesagt, wie lange das dauern sollte – ab der Zerstörung des Tempels bis in die Endzeit, wenn das jüdische Volk zurückkehrt, den Staat wieder gründet, das Land aufbaut und den Tempel wiederbaut. Das wird nirgends spezifiziert.
Wir haben ja die schöne Zeitrechnung mit den neunundsechzig Jahrwochen. Die ging schön bis zum Kommen des Herrn Jesus, aber jetzt bleibt noch eine siebzigste Jahrwoche. In Daniel 9 sieht man, dass diese aber ganz versetzt ist ans Ende. Der Messias wird kommen als Fürst, aber danach wird er ermordet, er wird nichts haben. Ein Volk kommt, zerstört die Stadt und das Heiligtum, und dann steht es: Es wird bis ans Ende Krieg und Verwüstung geben über Jerusalem. Aber wann ist das Ende?
Wenn man dann weiterliest, steht am Ende plötzlich, dass einer kommen wird, der mit der Masse des jüdischen Volkes einen Bund schließt für sieben Jahre. Das sind die sieben Jahre unmittelbar vor der Wiederkunft Jesu. Die zweite Hälfte dieser sieben Jahre ist dann die große Drangsalzeit von dreieinhalb Jahren. Wir haben in der Zeitrechnung der Bibel einen Stopp zwischen der neunundsechzigsten und der siebzigsten Jahrwoche. Die Jahre werden nicht mehr durchgezählt, und es gibt keine Stelle, die sagt, wie lang dieser Unterbruch ist. Aber man sieht aus Daniel 9 schon alttestamentlich, dass dort ein Unterbruch liegt, dass Zeit dazwischen ist.
Zum Beispiel sieht man in Hosea 3, dass die Zeit der Staatenlosigkeit und der fehlenden Opfer dauern sollte. Hosea 3, Vers 4: Denn die Söhne Israels bleiben viele Tage ohne König und ohne Oberste, ohne Schlachtopfer und ohne Gedenkstein und ohne Ephod und Teraphim. Danach werden die Söhne Israels umkehren und den Herrn, ihren Gott, aufsuchen und dadurch ihren König. Sie werden sich ewig zum Herrn wenden und zu seiner Güte am Ende der Tage.
Also hier: Die Kinder Israel werden viele Tage ohne König und ohne Fürsten bleiben, das heißt ohne Staat. Und das waren wirklich viele Tage: Von 70 nach Christus, oder wann dann? 135 nach Christus versetzten die Römer einen zweiten endgültigen Todesschlag. 135 war endgültig der Judenstaat am Boden begraben. Von 135 bis 1948 waren es viele Tage, eine lange Zeit. Aber es wird nicht spezifiziert, nur „viele Tage ohne König und ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer“. Opfer darf man gemäß 5. Mose 12 nur im Tempel zu Jerusalem darbringen.
Weil die Juden ab dem Jahr 70 den Tempel verloren haben und erst 1967 durch den Sechstagekrieg den Tempelberg wieder zurückgewonnen haben, konnten sie nie mehr opfern. So sagt der Text: Sie werden viele Tage ohne Schlachtopfer sein, aber wichtig: nicht ewig. Viele Tage heißt viele Tage, lange Zeit. Ewig heißt ewig. Wenn in Matthäus 25 am Schluss von ewiger Pein und ewigem Leben die Rede ist, dann ist das ewig. Aber wenn es heißt viele Tage, dann sind das viele Tage.
Ich sage das nur, weil sich viele Christen über den Gedanken ärgern, dass die Opfer im dritten Tempel wiederkommen sollten. Die Bibel sagt: Viele Tage werden sie ohne Schlachtopfer sein. So haben wir eine Angabe, dass es eine lange Zeit sein wird, aber die wird nicht spezifiziert.
Das Interessante ist nun, dass genau diese Zeit der Gemeinde entspricht. Genau in diesem Zwischenraum zwischen der 69. und der 70. Jahrwoche fällt die Gemeinde. Die Gemeinde wurde nämlich 50 Tage nach der Auferstehung des Herrn Jesus durch die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingsten gegründet. Genau nach der 69. Jahrwoche beginnt die Gemeinde, und solange die Gemeinde hier auf Erden ist, laufen diese Jahrwochen nicht mehr weiter. Aber sobald die Gemeinde entrückt wird, dann kommt die 70. Jahrwoche, und dann läuft alles wieder nach dem alttestamentlichen Plan.
Das ist wirklich eine Einschiebung. Bemerkenswert ist, dass in Epheser 3 gesagt wird, dass der Leib Christi, die Gemeinde, ein Geheimnis war, das Gott in früheren Zeiten nicht geoffenbart hat, aber jetzt enthüllt hat. Die Gemeinde Gottes besteht aus allen wahren an Jesus Christus Gläubigen heute. Diese Gemeinde wird im Alten Testament nirgends direkt prophezeit. Es war ein Geheimnis. Gott hat dieses Geheimnis umgesetzt, genau in der Zwischenzeit zwischen der 69. und 70. Jahrwoche als eine Einschiebung. Aber das Alte Testament macht klar, dass es eine lange Zeit gibt.
Dass da eine Zeitlücke ist, in der ständig Jerusalem verwüstet wird, kann man sehen – und das ist auch so geschehen. Durch die Jahrhunderte ab dem Jahr 70 wurde Jerusalem immer wieder aufgebaut, zerstört, aufgebaut, zerstört, aufgebaut, zerstört. Das ging bis in den Ersten Weltkrieg. 1917 führten die Engländer dort einen furchtbaren Krieg gegen die Türken, gegen die Osmanen. Allein im Kampf um Jerusalem kamen etwa 20.000 türkische Soldaten ums Leben. Das haben wir alles vergessen, oder? Ein grausamer Krieg!
Aber das war noch nicht das Ende. Der Unabhängigkeitskrieg 1948 war ein unerbittlicher Kampf um Jerusalem, ebenso der Sechstagekrieg 1967. Diese Kette von Krieg und Verwüstung vom Jahr 70 bis in die Endzeit, wie Daniel 9 sagt, ist eine Tatsache. Genau in diese Zeit fällt die Gemeinde und die Verbreitung des Evangeliums in aller Welt auf allen fünf Kontinenten.
Darum kommen wir zurück zu Psalm 74, Vers 10: Bis wann, oh Gott, soll höhnen? Die Bibel gibt keine Zeitangabe, aber wir haben die Endzeitzeichen, die uns klar machen, dass wir jetzt am Ende dieses Einschubs sind. Ich habe das für mich so aufgearbeitet und komme auf etwa 150 erfüllte Endzeitprophezeiungen. Eine davon ist, dass die Juden aus allen fünf Kontinenten zurück in ihr Land gesammelt werden. Darum wissen wir, dass wir jetzt am Abschluss sind.
Vers 11: Sieh sie hervor aus deinem Gewand, mach ein Ende. Gott ist ja ein König von alters her, der Heilstaten vollbringt aus der Erde. Das jüdische Volk betet hier, warum greift Gott nicht ein in unser Schicksal, das wir erleiden. Aber es ist doch so: Gott ist unser König seit dem Auszug aus Ägypten. Da ist Gott der König Israels geworden.
Vers 13: Du hast aufgestört das Meer durch deine Macht, hast zerschmettert die Häupter der Wasserungeheuer auf dem Wasser, du hast zerschlagen die Köpfe des Leviathan, gabst ihn zur Speise den Haifischen des Meeres.
Da bin ich nicht ganz einverstanden mit der Übersetzung. Besser sollte es heißen: Du zerteiltest das Meer. Durch deine Macht haben das auch andere Übersetzungen in diesem Sinn. Zerteilen ist ein Bezug auf die Spaltung des Roten Meeres nach dem Auszug aus Ägypten. Gott wird daran erinnert: Du hast doch dieses Volk damals aus Ägypten errettet, wie wir schon in Vers 1 und 2 gesehen haben. Gedenke einer Gemeinde, die du vor Alters erworben hast, erlöst als dein Erbteil. Damals, als du sie aus Ägypten geführt hast, hast du das Meer gespalten.
Dann wird das Seeungeheuer erwähnt, der Leviathan. An verschiedenen Stellen wird Ägypten in der Bibel mit einem Seeungeheuer verglichen. Ich gebe nur eine Stelle stellvertretend für mehrere an: Hesekiel 29. Dort wird der Pharao, der Inbegriff von Ägypten, mit einem großen Seeungeheuer verglichen.
Wenn also steht: Du hast das Meer zerteilt und hast den Leviathan zerschmettert, bedeutet das, dass Gott Ägypten, das ägyptische Reich, damals zusammengeschlagen hat durch die Plagen über Ägypten.
Weiter, Vers 15: Du ließest Quelle und Bach hervorquellen, immer fließende Ströme trocknest du aus. Hier erinnert das an Gottes Fürsorge während der Wüstenwanderung, als er dem Volk Wasser aus dem Felsen gab, genau wie in 2. Mose 17 und nochmals in 4. Mose 20.
Vers 16: Dein ist der Tag, dein auch die Nacht, den Mond und die Sonne hast du bereitet, du hast alle Grenzen der Erde festgelegt, Sommer und Winter hast du geschaffen. Jetzt wird Gott vorgestellt nicht nur als der, der sein Volk damals nach dem Auszug aus Ägypten versorgt hat, sondern als der Gott, der über die ganze Welt herrscht – der Schöpfer, der Tag und Nacht eingerichtet hat, die Jahreszeiten und die Grenzen der Völker weltweit.
Vers 18: Denk daran, der Feind hat gehöhnt, Herr, und ein törichtes Volk hat deinen Namen verachtet. Jetzt kommt der Psalmist zurück auf das Volk, das den Tempel verwüstet hat, das römische Volk. Ein götzdienerisches Volk wird hier beschrieben als törichtes oder gemeines gottloses Volk.
Weiter: Gib nicht den Raubtieren hin die Seele deiner Zotteltaube, das Leben deiner Edelnden vergiss nicht für immer, schaue hin auf den Bund, denn die Schuttlinge des Landes sind voll von Städten der Gewalttaten. Lass den Unterdrückten nicht beschämt davongehen, den Edelnden und Armen lass seinen Namen loben.
Das betet nun der gläubige Teil des jüdischen Volkes, dass Gott sich ihres annimmt und an seine Bundesverheißungen erinnert, zum Beispiel an Abraham und auch an David, und sein Volk befreit.
Jetzt kommt ganz entscheidend Vers 22: Gedenke deiner Verhöhnung durch die Toren den ganzen Tag, vergiss nicht die Stimme deiner Widersacher, das ständig aufsteigende Geflüster derer, die sich gegen dich erheben. Hier wird Gott aufgerufen, er soll aufstehen. Eine ganz interessante Stelle. Es kommt noch mehrmals in der Bibel vor, dass Gott so aufgerufen wird, er soll aufstehen.
Zum Beispiel Psalm 68, Vers 1, ein messianischer Psalm, den wir noch nicht angeschaut haben. Psalm 68, Vers 2: Gott wird sich erheben, es werden sich zerstreuen seine Feinde, und die ihn hassen, werden fliehend vor seinem Angesicht sein. Gott wird sich erheben oder man kann es als Wunsch übersetzen: Möge Gott aufstehen.
Dann Psalm 57, Vers 5 beziehungsweise 6, Vers 11 oder Vers 12, der letzte Vers: Erhebe dich über den Himmel, oh Gott, über die ganze Erde, sei deine Herrlichkeit über die ganze Erde. Vielleicht gibt es noch mehr Beispiele.
Ein letztes Beispiel: Psalm 12, Vers 5 beziehungsweise 6: Wegen der gewalttätigen Behandlung der Elenden, wegen des Seufzens der Armen will ich nun aufstehen, spricht der Herr, ich will den Sicherheitsstellen gehen, gegen wen man schnaubt.
Das ist jetzt die Antwort auf das Gebet in Psalm 74. Vers 19: Gib nicht dem Raubtier hin die Seele deiner Turteltaube, die Schar deiner Elenden vergiss nicht. Vers 21: Lass nicht beschämt zurückkehren den Unterdrückten, lass den Elenden und Armen deinen Namen loben. Steh auf, oh Gott! Und Gott sagt hier: Wegen der gewalttätigen Behandlung der Elenden, wegen des Seufzens der Armen will ich nun aufstehen.
Wir lesen von dem Herrn Jesus, dass er nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt sich gesetzt hat zur Rechten Gottes. Zum Beispiel in Markus 16, Vers 19: Der Herr setzte sich auf den Thron Gottes im Himmel, als Mensch, als auferstandener Mensch, aber er hat nie aufgehört, Gott zu sein – als Gott und Mensch in einer Person.
Später in der Apostelgeschichte, wie die Gemeinde entstanden ist am Pfingsttag und dieses Zeugnis abgelegt hat. Aber dann wurde Widerstand wach, und es kam schließlich in Apostelgeschichte 7 zur Steinigung des Stephanus, nach etwa einem Jahr Zeugnis in Jerusalem.
Was lesen wir bei der Steinigung des Stephanus in Apostelgeschichte 7, Vers 56? Dort sieht Stephanus den Himmel geöffnet und sagt: „Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen.“ Der Herr war bereits aufgestanden, in dem Sinne bereit, wenn Israel Buße getan hätte auf die Predigt von Stephanus, die noch eine letzte Chance für eine nationale Wiederherstellung Israels war. Aber sie haben es nicht angenommen, und so hat der Herr sich wieder gesetzt.
In der Endzeit aber werden sie beten: Steh auf, oh Gott, führe deinen Rechtsstreit! So wird der Herr Jesus dann am Ende der großen Drangsalzeit, wenn Israel in die schrecklichste Bedrängnis kommt – nicht mal heute denkt man daran –, kommen. Israel ist eine unglaublich starke Armee, eine der stärksten der Welt, obwohl so ein kleines Volk. Aber in Daniel 12 wird gesagt im Blick auf die dreieinhalb Jahre Drangsal: Es wird gefragt, wie lange das alles dauern soll, und dann heißt es, bis die Kraft des heiligen Volkes am Boden zerschmettert ist.
Das heißt, Israel wird in der Drangsalzeit wirklich an den Punkt kommen, wo man sagen muss: Jetzt haben wir keine Kraft mehr, vollkommen am Boden zerschmettert. Dann wird der Herr Jesus aufstehen. Das wird die einzige Hoffnung sein.
Heute gibt es viele Israelis, die auf die Armee vertrauen. Sie denken: Wenn die uns angreifen, schlagen wir zurück, und da ist ja auch das atomare Potenzial im Gespräch. Sie vertrauen auf ihre eigene Kraft statt auf den Herrn. Aber Gott wird dieses Volk bis an den Punkt führen, an dem sie sehen, dass es keine andere Hoffnung gibt als nur den Herrn. Wenn ihre Kraft zerschmettert ist, wird er aufstehen und das wahrmachen, worum hier gebeten wird.
Zum Schluss noch eine Anmerkung: Wörtlich heißt es „Gedenke deiner Verhöhnung“, also gedenke daran, wie die Menschen durch ihre Lästerung dich angreifen. So wird er dann zugunsten seines Volkes eingreifen.
Das ist eigentlich wie bei der Gemeinde auch: Eigentlich wird nicht die Gemeinde angegriffen, sondern Gott selbst. Jeder Angriff auf die Gemeinde ist letztlich ein Angriff auf Gott. Darum gilt, was Gott von Israel sagt in Sacharja 2: Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an. Das ist genauso wahr für die Erlösten der Gemeinde. Wenn jemand ein Kind Gottes angreift, vergreift er sich am Augapfel Gottes.
Das sehen wir auch sehr schön bei Saul, der die Christen verfolgte. Aber der Herr sagt zu Saul: „Warum verfolgst du mich?“ Er war bedrängt. Jesaja 63, Vers 9: Der Herr fühlt in allem vollkommen mit, als wäre es sein Leiden, wenn wir leiden.
Noch eine Frage? Ja, genau, nur in Apostelgeschichte 7 in Verbindung mit Stephanus. Das war eine letzte Chance für eine vollständige Wiederherstellung Israels. Natürlich wusste Gott, dass es nicht dazu kommen würde, aber es war trotzdem die Verantwortung Israels, dass es keine Wiederherstellung gab. Es ist nicht so, dass es durch Gottes Vorwissen einfach so kommen musste, sondern Gott wusste, was sie in eigener Verantwortung tun würden und bot darum trotzdem die Möglichkeit der Wiederherstellung an. Sie lehnten ab.
Zum Schluss noch Jesaja 49, eine messianische Stelle über den Herrn Jesus, der enttäuscht ist, dass sein Dienst an Israel keine Wiederherstellung des Volkes gebracht hat.
Jesaja 49, Vers 4: „Umsonst habe ich mich abgemüht.“ Aber Gott sagt dann in Vers 5 und 6: „Und nun spricht der Herr, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht gebildet hat, um Jakob zu ihm zurückzubringen. Israel ist nicht gesammelt worden, aber ich bin geehrt in den Augen des Herrn, und mein Gott ist meine Stärke geworden. Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.“
Der Herr hätte gewünscht, dass Israel wiederhergestellt werden könnte. Aber Gott sagt zum Messias: Es ist zu gering, dass du nur dafür da bist, Israel wiederherzustellen. Ich habe dich zum Licht der Nationen gesetzt. Dadurch, dass Israel keine Wiederherstellung damals erfahren hat, kam das Evangelium in die ganze Welt. Es gab zweitausend Jahre Weltmission, und das ist die Erfüllung von Vers 6b: „Ich habe dich zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde.“
Jetzt sind wir in dieser Zeit angelangt, in der das Evangelium alle Nationen der Welt erreicht hat. Jesus sagt in seiner Endzeitrede in Matthäus 24, Vers 14: „Dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden allen Nationen zu einem Zeugnis.“ Wichtig: Es heißt nicht allen Menschen zu einem Zeugnis, nicht allen Stämmen, nicht allen Völkern. Griechisch Volk wäre Laos, aber hier steht ethnos – Nation, die größte soziale Einheit.
Die kleinste Einheit ist die Ehe, ein Mann und eine Frau; dann die Familie, die aus Ehepaar und Kindern besteht; dann der Stamm; dann das Volk. Indien ist eine Nation, die aus vielen Völkern besteht, ebenso Russland. Nation ist der Oberbegriff.
Im zwanzigsten Jahrhundert ist Realität geworden, dass nun alle Nationen erreicht sind. Der Herr sagt: „Und dieses Evangelium des Reiches wird gepredigt werden allen Nationen zu einem Zeugnis, und dann wird das Ende kommen.“ Das ist ergreifend.
Eine von diesen 150 Prophezeiungen der Endzeit ist erfüllt: Das Evangelium ist jetzt zu allen Nationen gekommen. Dann wird das Ende kommen.
Gut, dann wollen wir noch mit Gebet abschließen.