
Wir haben uns in den vorigen beiden Beiträgen mit der Problematik der klassisch evangelikalen Evangeliumsverkündigung auseinandergesetzt. Dabei begannen wir mit der Fehlinterpretation eines persönlichen und endlichen Gottes sowie der falschen Deutung des Liebesbegriffs.
Anschließend wandten wir uns dem Problem der Fehler und der Erfüllungshemmung zu. Außerdem haben wir festgestellt, dass das Wort der Entscheidung häufig mit Kaufentscheidungen und Produktentscheidungen in Verbindung gebracht wird.
Dies macht es sehr problematisch, da säkulare Menschen diesen Begriff anders programmieren oder definieren.
Wie können wir also in einer Zeit, die ich als nachsäkular bezeichnen würde, Menschen erreichen? Das bedeutet, dass die Religiosität wieder zunimmt, besonders durch den Druck, der von Muslimen ausgeht. Eine neue Epoche steht uns bevor.
Der Säkularismus ist zwar noch sehr stark ausgeprägt und nimmt in unserer säkularen Blase in Europa, Nordamerika und vielleicht auch an einigen Orten in Asien weiter zu. Dennoch befindet sich diese Zeit bereits im Wandel.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie wir in einer neuartigen und nachsäkularen Zeit Menschen ansprechen können, die eigentlich keine Probleme damit haben. Viele von ihnen glauben, alle ihre Probleme selbst lösen zu können, sich selbst erlösen und sich selbst rechtfertigen zu können.
Vier Schritte dazu, vier Hilfestellungen – keine Methoden.
Das Erste ist: Ich gehe von Anfang an in eine betende Haltung. Beten heißt, Antwort geben auf den Schöpfer, der uns gemacht hat. Er möchte, dass allen Menschen das Evangelium verkündet wird und dass alle Menschen mit dieser Botschaft in Kontakt kommen. Es ist seine Botschaft. Wir sind seine Zeugen, seine Boten und stehen in einer kaum zu überbietenden Abhängigkeit von ihm.
Darum ist diese betende Haltung, mit dem Ziel, Anwärter zu gewinnen, die sich wirklich freuen können, in Ewigkeit mit ihm dieses Anliegen Gottes zu teilen und darauf zu antworten, das Gebet der Anfang. Aus diesem Gebet heraus, das ich täglich mit mir trage – leider nicht jeden Tag gleich engagiert – gibt Gott Momente der Beziehung.
Beziehung im Sinne von Gastfreundschaft. Lassen wir auch die Menschen an uns heran? Lassen wir sie unter unsere Kulissen sehen? Oder sind wir nur diese vielbeschäftigten, glücklichen Christen, die sich in unserer Subkultur bewegen, mit unseren Freunden ganz zufrieden sind, mit unseren kaufentscheidenden und bereits ausgebuchten Ferien? Das ist die Frage.
Nehmen wir Menschen wirklich wahr in unserer Umgebung? Nicht nur dann, wenn es ihnen gut geht, sondern auch, wenn es ihnen schlecht geht? Laden wir sie zu uns ein? Können sie an unserem Leben teilnehmen und auch mal etwas anderes erleben? Das Problem ist natürlich: Wenn sie bei uns das Gleiche erleben wie sonst – weil wir uns schon säkular angepasst haben –, dann wird es schwierig, ihnen überhaupt darzustellen, was bei einem Problem vorliegt. Denn es gibt ja gar kein Problem, weder bei uns Christen noch bei den Nichtchristen.
Also: Gebet, Gastfreundschaft im Sinne von Beziehung, Kontakt, Begegnung. Und dann das Dritte, und das finde ich das Heikle bei Francis Schäffer: Ich nenne es den Druckpunkt der Wirklichkeit führen. Kein Mensch, der sich selbst oder eine andere geschaffene Dimension seiner Schöpfung als Götze gesetzt hat, kann den wahren Gott, der ihn gemacht hat und dem er zur Rechenschaft verpflichtet ist, niederdrücken oder niederhalten.
Kein einziger Mensch kann in dieser Wirklichkeit, die auch Gott geschaffen hat, wirklich geradlinig leben. In der Regel gibt es mehrere oder sogar viele Bereiche, in denen er sich selbst anlügt. Seine Behauptungen sind oft weder in sich konsistent noch nach außen hin kohärent.
Es ist wichtig, diese Bereiche sanftmütig, das heißt klar und liebevoll, anzusprechen. Ohne Wahrheit in diesem dritten Schritt kommen wir nicht weiter. Andernfalls bleiben wir in dem unverbindlichen, relativistischen Korsett unserer säkularen Nachbarn gefangen.
Es gilt, an diesem Druckpunkt der Wirklichkeit durchzudringen. Den Menschen damit zu konfrontieren, die Selbstrechtfertigung – das Feigenblatt, wie es schon Augustinus nennt – wegzunehmen. Wenn er es will, kann durch den Heiligen Geist gewirkt werden, ihm eine ganz klare Alternative aufzuzeigen. Diese Alternative ist im Sinne einer ganz anderen Botschaft des Evangeliums.
Dann kann man ihn fragen, ob er hier weitergehen möchte. Am Schluss habe ich ja schon gesagt: Es ist nicht ein Problem des Wissens, sondern des Wollens. Es ist kein metaphysisches Problem, sondern ein ethisches.
Also diese vier Schritte schlage ich vor. Ich ringe selbst damit, weil ich oft nicht über den zweiten Schritt hinauskomme. Trotzdem glaube ich, dass das ein möglicher Weg sein könnte: Gebet, Gastfreundschaft, Druckpunkt der Wirklichkeit und die Darstellung des Evangeliums.
Was mir in letzter Zeit besonders klar geworden ist, ist, dass wir, um das Evangelium am Ende auch wirklich darstellen zu können, auf säkularen Positionen fit sein müssen. Wir müssen dieses System als Glaubenssystem erkennen, definieren und auch die Unterschiede in den Hauptbegriffen benennen können. Andernfalls gehen wir wie Spieler auf ein Spielfeld, die überhaupt nicht vorbereitet und ausgerüstet sind für die Aufgabe, die vor uns liegt.
Hier erwartet uns eine wirklich große Herausforderung. Ich bin erschrocken darüber, wie wenig sich die Gemeinden bis heute darüber Gedanken gemacht haben. Diese Aufgabe ist besonders wichtig für die Heranwachsenden und die neuen Generationen.