Einführung in das Thema und Überblick über die Gliederung
Vorab haben alle das Blatt erhalten. Wer es noch nicht hat, soll bitte die Hand heben. Es ist absolut notwendig, das Blatt zu haben, denn es sind sehr viele Bibelstellen darauf vermerkt. Ohne das Blatt kommt man nicht mit.
Das Thema heute Morgen lautet: Der Ausländer in Gottes Heilsplan. Wir wollen versuchen, den Ausländer mit den Augen des Heiligen Geistes zu sehen, also so, wie er in den Augen Gottes ist.
Dabei beginnen wir mit dem großen Thema der Ausländer in der Tora, im Gesetz Mose. Dort werden wir verschiedene Unterthemen behandeln.
Unter einem zweiten großen Punkt folgt das Thema Mission im Alten und im Neuen Testament.
Abschließend betrachten wir noch unter einem dritten Haupttitel den Ausländer im Neuen Testament.
Der Ausländer im Alten Testament: Grundsatzlehre und Rechte
Wir beginnen also mit dem ersten Punkt, und zwar mit der Grundsatzlehre, die wir in der Tora zum Thema Ausländer finden können. Das erste Buch der Bibel beginnt mit dem Menschen, der im paradiesischen Eden in Gemeinschaft mit Gott zu Hause war (1. Mose 1-2).
Dann folgt der große Bruch: Durch den Sündenfall entstand ein totaler Bruch. Der Mensch wurde aus seiner Heimat vertrieben (1. Mose 3,24) und wurde so zum Ausländer. In diesem Sinn sind alle Menschen Ausländer. In Epheser 4,18 werden die Heidenvölker allgemein beschrieben und mit dem Ausdruck „entfremdet dem Leben Gottes“ bezeichnet. Der Mensch ist seit dem Sündenfall ein Ausländer in Bezug auf Gott.
Ich möchte auch noch 1. Mose 3, Vers 24 lesen, ab Vers 23:
„Und der Herrgott schickte ihn aus dem Garten Eden hinaus, um den Erdboden zu bebauen, davon er genommen war. Und er trieb den Menschen aus und ließ Lagen gegen Osten vom Garten Eden die Cherubim und die Flammen des kreisenden Schwertes um den Weg zum Baum des Lebens zu bewahren.“
Der Mensch ist entfremdet und kann nicht aus eigener Kraft zurückkehren.
Wenn wir das erste Buch Mose unter die Lupe nehmen, sehen wir, wie bereits bemerkt, dass es mit dem Menschen beginnt, der im paradiesischen Eden in Gemeinschaft mit Gott zu Hause war (1. Mose 1-2). Dieses Buch endet jedoch mit Israel im Ausland, in Ägypten (1. Mose 50,26). Ich lese:
„Und Joseph starb hundertzehn Jahre alt, und sie balsamierten ihn ein, und man legte ihn in eine Lade in Ägypten.“
So beginnt also das erste Bibelbuch mit dem Menschen, der das Leben von Gott eingehaucht bekommen hat, in der Weite des Gartens Edens, in Gemeinschaft mit Gott, und es endet mit einer Leiche in der Enge des Sarges im Ausland. Das ist eindrücklich. Der Wendepunkt dazu war der Sündenfall (1. Mose 3) – Rebellion gegen Gott, Bruch mit Gott.
Wenn wir in der Bibel weitergehen, kommen wir zum zweiten Buch Mose. Dieses Buch beginnt mit Israel im Ausland, in Ägypten, und endet mit einem erlösten, nach Hause zurückgekehrten Volk in Gemeinschaft mit Gott. Das letzte Kapitel von 2. Mose beschreibt die vollendete Stiftshütte, die Schechina, das Zeichen der Gegenwart Gottes, die geheimnisvolle Wolken- und Feuersäule. Ich lese 2. Mose 40,34:
„Und die Wolke bedeckte das Zelt der Zusammenkunft, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte die Wohnung.“
Wir haben hier ein zurückgekehrtes Volk, wörtlich nach Hause, zum Haus Gottes, ein zurückgekehrtes Volk in Gemeinschaft mit Gott. Der Wendepunkt im zweiten Buch Mose ist 2. Mose 12, die Erlösung durch das Blut des Lammes. Das ist gewissermaßen das Gegenstück zu 1. Mose 3, das den Menschen in die Entfremdung gebracht hat.
Aus diesen Beobachtungen schließen wir: Israel weiß von Ägypten her, was es heißt, ein Fremdling, ein Ausländer zu sein. An diese Tatsache knüpft die Bibel viele grundlegende Belehrungen über die Rechte der Ausländer an.
Wir schlagen auf 2. Mose 22,21 auf und beginnen mit unserer Betrachtung der Rechte des Ausländers in Israel:
„Und den Fremdling sollst du nicht bedrängen und ihn nicht bedrücken, denn Fremdlinge seid ihr im Land Ägypten gewesen.“
Der Fremde darf nicht bedrängt oder unterdrückt werden. Das Ganze wird begründet und verständlich gemacht: Ihr seid ja selbst auch Fremdlinge in einem anderen Land gewesen. Ihr wisst, was es bedeutet.
In 2. Mose 23,9 heißt es:
„Und den Fremdling sollst du nicht bedrücken, ihr selbst wisst ja, wie es dem Fremdling zumute ist. Denn Fremdlinge seid ihr im Land Ägypten gewesen.“
Hier wird sogar noch darauf hingewiesen, wie das seelische Empfinden des Ausländers ist. Ihr wisst ja, wie es einem Ausländer zumute ist, und das soll euch dazu führen, richtig gegenüber Ausländern zu handeln.
In 3. Mose 19,33 heißt es:
„Und wenn ein Fremdling bei dir weilt in eurem Land, so sollt ihr ihn nicht bedrücken.“
5. Mose 24,14 sagt:
„Du sollst nicht bedrücken den dürftigen und armen Mietling von deinen Brüdern oder von deinen Fremdlingen, die in deinem Land, in deinen Toren sind.“
Erstens: Der Fremde darf nicht bedrängt oder unterdrückt werden.
Zweitens: Der Fremde soll sich von seiner Arbeit erholen können.
2. Mose 23,12:
„Sechs Tage sollst du deine Arbeiten tun, aber am siebten Tag sollst du ruhen, damit dein Ochse und dein Esel raste und der Sohn deiner Magd und der Fremdling sich erhole.“
Entsprechend 5. Mose 5,14: Der Fremdling soll sich von seiner Arbeit erholen können.
Drittens: In 3. Mose 19,10 wird dem Fremdling im Weinberg eine Nachlese ermöglicht. Ich lese:
„Und in deinem Weinberg sollst du nicht nachlesen. Und die abgefallenen Beeren deines Weinberges sollst du nicht auflesen; für den Armen und für den Fremdling sollst du sie lassen. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Da sehen wir, dass Gott eine Sozialversicherung in Israel eingerichtet hat, die gerade auch für den Fremdling eine Sicherheit für die Ernährung sein soll. Vergleiche auch 5. Mose 24,21.
In 3. Mose 19,34 heißt es:
„Der Fremde soll wie der Eingeborene sein, wie ein Eingeborener unter euch soll euch der Fremdling sein, der bei euch weilt, und du sollst ihn lieben wie dich selbst, denn Fremdlinge seid ihr gewesen im Land Ägypten. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Der Fremdling soll also nicht ein Mensch zweiter Klasse sein. Man soll ihn lieben wie sich selbst. Wieder wird der Vergleich gezogen: Ihr wisst ja, was es heißt, ein Fremdling zu sein in Ägypten.
In 5. Mose 10,19 wird diese Liebe zum Fremdling erneut betont: Man soll den Fremden lieben wie sich selbst.
3. Mose 23,22 enthält ein weiteres Element der Sozialversicherung:
„Und wenn ihr die Ernte eures Landes erntet, sollst du den Rand deines Feldes nicht gänzlich abernten und sollst keine Nachlese deiner Ernte halten; für den Armen und für den Fremdling sollst du sie lassen. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Diese Anweisung steht im Zusammenhang mit dem Pfingstfest, dem Fest der Wochen, das den Beginn der Weizenernte markierte. Hier geht es darum, dass der Fremdling auch beim Getreide seine Nahrung sichern kann.
Eine Illustration dazu gibt uns das Buch Ruth. Ruth, als Ausländerin aus Moab (heutiges Jordanien), kam nach Israel und konnte sich auf dem Feld des Boas ernähren, indem sie Getreide auflas – sowohl bei der Gerstenernte ab der Passawoche als auch bei der Weizenernte danach. Beides findet man im Buch Ruth.
Ein wichtiger Grundsatz steht in 3. Mose 24,22:
„Einerlei Recht sollt ihr haben; wie der Fremdling, so soll der Eingeborene sein. Denn ich bin der Herr, euer Gott.“
Vergleiche auch 4. Mose 15,16. Der Fremde ist also vor dem Gesetz genau gleich zu behandeln wie der eingeborene Israelit. Es gibt keine Doppelmoral für Eingeborene und Ausländer.
In 3. Mose 25,23 wird das Selbstbild vermittelt, das die Israeliten haben sollten:
„Und das Land soll nicht für immer verkauft werden, denn mein ist das Land, denn Fremdlinge und Beisassen seid ihr bei mir.“
Die Israeliten werden also selbst als Fremde im Land der Verheißung gesehen. Gott gehört das Land, und sie sollen sich bewusst sein, dass es nicht einfach ihr Eigentum ist, unabhängig von Gott. Sie dürfen es aus seiner Hand genießen. Unser Land ist Gottes Land.
4. Mose 14,15 zeigt, wie auch Fremde dem Herrn Opfer bringen konnten. Sie hatten also die Möglichkeit, am Gottesdienst Israels teilzunehmen.
In 4. Mose 15,26 heißt es:
„Auch der Fremde kann Vergebung von Gott erlangen, so wie Israel, und es wird der ganzen Gemeinde der Kinder Israel vergeben werden.“
Es geht hier um Opfer im Zusammenhang mit dem Fremdling, der in ihrer Mitte weilt. Denn von dem ganzen Volk ist es geschehen aus Versehen. Die Opfer konnten also nicht nur Vergebung für Israel bewirken, sondern auch für die Fremdlinge unter ihnen.
4. Mose 35,15 enthält eine Schutzanordnung im Zusammenhang mit Haftpflicht:
„Den Kindern Israel und dem Fremdling und den Beisassen in ihrer Mitte sollen diese sechs Städte zur Zuflucht sein, dass dahin fliehe ein jeder, der einen Menschen aus Versehen erschlagen hat.“
Auf Mord stand die Todesstrafe. Bei einem Unfall oder unabsichtlichem Vorkommnis stand der Totschläger jedoch in Gefahr, als Mörder behandelt zu werden. Deshalb hat Gott im Gesetz Mose sechs Zufluchtsstädte bestimmt, die so verteilt waren, dass man von allen Gebieten aus schnell eine erreichen konnte. Dort konnte der Totschläger Schutz vor Rache finden, bis die Sache vor Gericht geklärt war. Auch der Fremde hatte also diese Sicherheit bei Haftpflicht.
5. Mose 1,16 zeigt, dass wir hier nicht thematisch, sondern nach Bibelstellen geordnet vorgehen. Wir haben bereits gesehen, dass der Fremde vor dem Gesetz die gleichen Rechte hat. Hier wird betont:
„Und ich gebot euren Richtern in selbiger Zeit und sprach: Hört die Streitsache zwischen euren Brüdern und richtet in Gerechtigkeit zwischen einem Mann und seinem Bruder und dem Fremdling bei ihm. Ihr sollt nicht die Person ansehen im Gericht, denn klein wie den Großen sollt ihr hören. Ihr sollt euch vor niemand fürchten, denn das Gericht ist Gottes.“
Auch der Fremdling muss also genau angehört werden vor Gericht. Darauf hat er ein Recht.
In 5. Mose 10,18 heißt es über Gott:
„Der Recht schafft der Weise und der Witwe und den Fremdling liebt, so dass er ihm Brot und Kleider gibt.“
Ihr solltet den Fremdling lieben, denn ihr seid Fremdlinge gewesen im Land Ägypten. Gott liebt den Fremdling und gibt ihm Brot und Kleider.
Dazu noch eine Stelle aus Psalm 146,9:
„Der Herr bewahrt die Fremdlinge, die Weise und die Witwe hält er aufrecht, aber er krümmt den Weg der Gesetzlosen.“
In 5. Mose 14,21 wird erklärt, dass der Fremde im Gegensatz zu einem Israeliten Aas essen darf. Das heißt, gewisse Rechtsbestimmungen der Tora galten nur für Israeliten, „nicht aber für die Fremdlinge unter ihnen“. Das zeigt, dass es schon einen Unterschied gab, ob man Israelit oder Ausländer war. Man war also zu weniger verpflichtet.
5. Mose 14,28-29 sagt:
„Am Ende von drei Jahren sollst du allen Zehnten deines Ertrages in jenem Jahr aussondern und ihn in deinen Toren niederlegen; und der Levit, denn er hat keinen Teil noch Erbe mit dir, und der Fremdling und die Weise und die Witwe, die in deinen Toren sind, sollen kommen und essen und sich sättigen, damit der Herr, dein Gott, dich segne in allem Werk deiner Hand, das du tust.“
Der Fremde darf also zusammen mit den Leviten, Witwen und Waisen von der speziellen Sozialeinrichtung des Dreijahreszehnten profitieren.
Das Abgabesystem nach dem Gesetz ist kompliziert. Es gab nicht nur einfach den Zehnten. Wenn man alle Abgaben zusammenrechnet, die verschiedenen Zehnten und weitere Abgaben, bedeutete das für die ländliche Bevölkerung im Durchschnitt vielleicht 40 Prozent. Das kommt eher in die Region unserer heutigen Steuerbelastung plus Vorsorge und weiteren Sozialeinrichtungsbelastungen.
Hier sieht man übrigens auch, wenn manchmal vom Alten auf das Neue Testament übertragen wird und gesagt wird, Christen geben den Zehnten, dass es im Alten Testament nicht einfach nur den Zehnten gab, sondern mehrere Zehnten und viele weitere Abgabepflichten. So musste man am Ende etwa 40 Prozent des Jahreseinkommens abgeben.
Paulus spricht nicht über den Zehnten, sondern sagt im Blick auf Unterstützung der Mission und der Armen in 2. Korinther 9:
„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“, ohne eine spezielle prozentuale Bestimmung zu geben. Es soll im Herzen durch Gottes Geist gewirkt werden.
In 5. Mose 16,11, in Verbindung mit dem Pfingstfest, dem größten Fest, heißt es:
„Und du sollst dich vor dem Herrn, deinem Gott, freuen, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Knecht und deine Magd und der Levit, der in deinen Toren ist, und der Fremdling und die Weise und die Witwe, die in deiner Mitte sind, an dem Ort, den der Herr, dein Gott, erwählen wird, um seinen Namen da selbst wohnen zu lassen.“
Der Fremde darf sich also beim Pfingstfest in Jerusalem mitfreuen. Gleiches gilt für 5. Mose 16,14 beim Laubhüttenfest.
5. Mose 23,7 sagt:
„Die Edomiter sollst du nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder; den Ägypter sollst du nicht verabscheuen, denn du bist ein Fremdling in seinem Land gewesen.“
Israeliten durften Ägypter nicht verabscheuen. Man könnte einem Fremdling zwar seine Sozialversicherung gewähren und ihn vor Gericht rechtlich behandeln, aber trotzdem verabscheuen. Das Problem kennen wir in unserer Gesellschaft. Hier wird jedoch ausdrücklich angeordnet, dass das nicht erlaubt ist.
5. Mose 24,19 enthält nochmals eine Versicherungseinrichtung:
„Wenn du deine Ernte auf deinem Feld hältst und eine Gabe auf dem Feld vergisst, so sollst du nicht umkehren, um sie zu holen. Für den Fremdling, für die Weise und für die Witwe soll sie sein, damit der Herr, dein Gott, dich segne in allem Werk deiner Hände.“
In 5. Mose 24,17 heißt es:
„Das Recht des Fremdling darf nicht gebeugt werden.“
Und in 5. Mose 27,19 lesen wir:
„Verflucht sei, wer das Recht des Fremdlings, der Weise und der Witwe beugt!“
Und das ganze Volk sagte Amen.
Israel musste sich also verpflichten, im Fall von Unrecht vor Gericht gegenüber einem Ausländer einen Fluch Gottes über sich zu bringen. Das Amen bestätigte dies.
5. Mose 24,20 fordert, dass die Olivennachlese unter anderem den Fremdlingen ermöglicht wird.
5. Mose 26,11 sagt, dass der Fremde sich beim Erntedank der Erstlingsfrüchte mitfreuen soll.
In 5. Mose 28,43 wird gewarnt:
„Sollte Israel als Nation ungehorsam sein, dann würde der Fremde politisch über sie hinauswachsen. Der Fremdling, der in deiner Mitte ist, wird höher und höher über dich emporkommen, und du wirst tiefer und tiefer hinabsinken. Er wird dir leihen, du aber wirst ihm nicht leihen. Er wird zum Haupt, du aber wirst zum Schwanz werden.“
Die Verhältnisse im Land sollen umgekehrt werden: Der Fremdling soll schließlich bestimmen, im Gegensatz zu den Eingeborenen.
Eine ganz wichtige Sache, nun nicht aus dem Gesetz, sondern im Blick auf die Zukunft, steht in Hesekiel 47,22. Dort wird über die Einbürgerung von Fremden gesprochen. In diesem Kapitel geht es in der zweiten Hälfte um die neue Landverteilung Israels im Tausendjährigen Reich. Israel wird zugesprochen, das Land Israel von heute zusammen mit großen Teilen aus dem Libanon, Syrien und Jordanien – ein Großisrael für die Zukunft.
Ich lese Vers 21:
„Und dieses Land sollt ihr unter euch verteilen nach den Stämmen Israels. Und es soll geschehen, euch und den Fremdlingen, die in eurer Mitte weilen, welche Kinder in eurer Mitte gezeugt haben, sollt ihr es als Erbteil verlosen, und sie sollen euch sein wie Eingeborene unter den Kindern Israel. Mit euch sollen sie um ein Erbteil losen inmitten der Stämme Israels. Es soll geschehen, in dem Stamm, bei welchem der Fremdling weilt, dort sollt ihr ihm sein Erbteil geben, spricht der Herr, der Ewige.“
Auch die Fremdlinge, die bereits Nachkommen in dem Land Israel gezeugt haben, sollen dann die gleiche Stellung bekommen wie die Eingeborenen – also eine totale Einbürgerung mit Recht auf Grundbesitz.
Pflichten der Ausländer in Israel
Jetzt haben wir über die Rechte der Ausländer gesprochen. Das hören alle Menschen sehr gerne, und manchmal wird den Schülern in den Schulen beigebracht, welche Rechte sie ab sechzehn Jahren haben.
Doch wenn die Kinder nach Hause kommen, erzählen sie nur von ihren Rechten. Von Pflichten haben sie keine Ahnung.
Pflichten der Ausländer in Israel
Der Fremde musste sich der göttlichen Ordnung in Israel unterwerfen. Er musste sich beschneiden lassen (2. Mose 12,19.43.48.49). Außerdem war er verpflichtet, den Sabbat einzuhalten (2. Mose 20,10).
Er musste am Bußtag, am Jom Kippur, fasten (3. Mose 16,29). Das bedeutete, auch Buße für seine persönliche Schuld zu tun. Zudem musste er Opfer zum Tempel bringen (3. Mose 17,8-9).
Es war ihm verboten, Blut zu essen; der Genuss von Blut war nach 3. Mose 17,12-13 untersagt. Auch er musste sich rituell immer wieder reinigen, zum Beispiel in einem Ritualbad (3. Mose 17,15).
Der Fremdling durfte keine Gräuel begehen. „Gräuel“ kann Götzendienst, Homosexualität oder sonstige Perversionen bedeuten (3. Mose 24,16). Für Gotteslästerung galt für ihn die Todesstrafe, ebenso bei vorsätzlicher Sünde (4. Mose 15,30). Das Gleiche galt natürlich auch für die Israeliten.
Darüber hinaus gab es auch die Todesstrafe bei Kinderopferung (3. Mose 20,2). Diese Regelung ist übrigens im Zusammenhang mit dem Problem der Abtreibung eine bedenkenswerte Vorschrift.
Vor kurzem habe ich einen Artikel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Internet gelesen. Dort steht, dass die weltweite Abtreibungsrate jährlich 40 bis 50 Millionen beträgt. Das ist keine übertriebene Zahl von Abtreibungsgegnern, sondern eine offizielle Angabe der WHO.
Man geht davon aus, dass es weltweit 210 Millionen Schwangerschaften pro Jahr gibt. Das bedeutet, dass etwa ein Viertel aller Schwangerschaften weltweit mit der Tötung der Kinder endet.
Nur einwandfreie Opfer durfte der Fremdling bringen (3. Mose 22,18). Weiterhin war das Gesetz der Reinigung durch die Asche der roten Kuh auch für ihn vorgeschrieben (4. Mose 19,10).
Ganz wichtig ist auch folgender Abschnitt, den wir aufschlagen wollen: 5. Mose 29,11. Ich lese ab Vers 10:
"Ihr steht heute allesamt vor dem Herrn, eurem Gott, eure Häupter, eure Stämme, eure Ältesten und Vorsteher, alle Männer von Israel, eure Kinder, eure Frauen und dein Fremdling, der inmitten deiner Lager ist, von deinem Holzhauer bis zu deinem Wasserschöpfer, damit du in den Bund des Herrn, deines Gottes, eintretest und in seinen Eidschwur, den der Herr, dein Gott, heute mit dir macht, damit er dich heute als sein Volk bestätige."
Hier geht es um die Abschiedsrede von Mose am Ende der vierzigjährigen Wüstenwanderung, vor dem Eintritt ins verheißene Land.
Dabei wird gewissermaßen der Bund vom Sinai, den die Elterngeneration mit Gott geschlossen hatte (2. Mose 19), erneuert. Diese Elterngeneration war in den vierzig Jahren gestorben, und nun wird der Bund mit der zweiten Generation erneuert.
Es wird ausdrücklich gesagt, dass alle Fremdlinge, die unter Israel lebten, mit in diesen Bund eintreten mussten.
Weiter mussten sie beim Verlesen des Gesetzes zuhören (5. Mose 31,12). Ab Vers 9 heißt es:
"Und Mose schrieb dieses Gesetz nieder und gab es den Priestern, den Söhnen Levis, welche die Lade des Bundes des Herrn trugen, und allen Ältesten von Israel. Und Mose gebot ihnen und sprach: Am Ende von sieben Jahren, zur Zeit des Erlassjahres, am Fest der Laubhütten, wenn ganz Israel kommt, um vor dem Herrn, deinem Gott, zu erscheinen, an dem Ort, den er erwählen wird, sollst du dieses Gesetz vor dem ganzen Israel lesen, vor ihren Ohren. Versammle das Volk, die Männer und die Frauen und die Kindlein – nicht nur die Kinder, sondern auch die Kindlein – und deinen Fremdling, der in deinen Toren ist, damit sie hören, lernen, den Herrn, euren Gott, fürchten und darauf achten, alle Worte dieses Gesetzes zu tun."
Das galt also auch für den Fremdling. Er musste ebenfalls in der Bibel unterrichtet werden und wissen, was Gott von den Menschen nach dem Gesetz verlangt.
Das waren also die Pflichten des Ausländers in Israel. Es gab keinen separaten Religionsunterricht für ihn.
Beispiel einer Ausländerin, die Gott sucht: Ruth
Nun haben wir in den späteren Schriften eine Ausländerin als Beispiel, die den wahren Gott suchte: Ruth. In Ruth 2,10 lesen wir ein wunderbares Beispiel. Sie bezeichnet sich als Fremde, die nach Israel gekommen ist. Gegenüber Boas sagt sie: „Da fiel sie auf ihr Angesicht und beugte sich zur Erde nieder und sprach zu ihm: Warum habe ich Gnade gefunden in deinen Augen, dass du mich beachtest? Da ich doch eine Fremde bin.“
Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie Boas sich gegenüber einer Ausländerin verhielt. Ihr Wunsch im Blick auf Gott wird in Kapitel 1,16 beschrieben. Ihre Schwiegermutter wollte sie in Moab, im Land Jordan, zum Bleiben bewegen. Doch Ruth wollte unbedingt nach Israel gehen. Sie sprach: „Dringe nicht in mich, dich zu verlassen und von dir umzukehren! Denn wohin du gehst, will ich gehen, und wo du weilst, will ich weilen. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, will ich sterben, und dort will ich begraben werden. So soll der Herr tun und so hinzufügen, nur der Tod soll scheiden zwischen mir und dir.“
Im Gegensatz dazu wird in Hesekiel 44,9 von dem Fremden gesprochen, der sich Gott nicht unterstellen will. Dort heißt es: „So spricht der Herr, der Ewige: Kein Sohn der Fremde, unbeschnitten am Herzen und unbeschnitten am Fleisch, von allen Söhnen der Fremde, die inmitten der Kinder Israel sind, soll in mein Heiligtum kommen.“
Im Blick auf jemanden, der sich diesen Gesetzen für den Fremdling in Israel nicht anschließen will, gibt es also einen Ausschluss vom Gottesdienst.
Negative und positive Bilder des Ausländers im Alten Testament
Im Psalm 144 finden wir ein negatives Bild des Ausländers, der als Gefahr dargestellt wird.
In Vers 7 betet David: "Strecke deine Hände aus von der Höhe, reiße mich und errette mich aus großen Wassern, aus der Hand der Söhne der Fremden."
Auch in Vers 11 heißt es: "Reiße mich und errette mich aus der Hand der Söhne der Fremden, deren Mund Eitelkeit redet und deren Rechte eine Rechte der Lüge ist."
Es gibt also zwei Seiten: Zum einen den Ausländer, der Gott sucht, sich Gott unterstellen will und sich auch in Israel einfügen möchte. Zum anderen gibt es den Fremden, der als Gefahr gesehen wird – entweder als potenzielle oder als tatsächliche direkte Bedrohung.
Die Fremdingschaft der Patriarchen und Mose
Ein weiterer Punkt knüpft an das an, was wir am Anfang besprochen haben: die Fremdingschaft der Patriarchen und des Gesetzgebers Mose.
Schon lange vor dem Aufenthalt Israels in Ägypten waren die Stammväter Abraham, Isaak und Jakob Fremde im Land Kanaan. Dies wird in 2. Mose 6,4 besonders betont.
Mose selbst lebte, bevor er zum Volksführer wurde, vierzig Jahre lang als Hirte in der Wüste von Midian. In 2. Mose 2,22 und 18,3 wird beschrieben, wie Mose dort als Fremdling lebte.
Sowohl die Patriarchen als auch Mose kannten also das Leben als Fremdling über viele Jahre hinweg. Den Nachkommen dieser Stammväter gab Gott dann die Gesetze mit Blick auf ein gerechtes Verhalten gegenüber Fremdlingen.
Grenzen der Übertragung alttestamentlicher Gesetze auf heutige Staaten
Nun wird uns natürlich deutlich, dass wir all diese Anordnungen nicht eins zu eins auf die Schweiz übertragen können. Und zwar deshalb, weil Israel unter dem Gesetz vom Sinai eine Theokratie war, eine Gottesherrschaft. Die Schweiz ist keine Gottesherrschaft.
Die Schweiz hat zwar christliche Wurzeln, aber sie war nie im eigentlichen Sinn ein von Gott regiertes Land und Volk. Gleiches gilt für Deutschland. Würde man alles eins zu eins übertragen, müsste man zum Beispiel auch die gesamte Wirtschaftsform verändern. Denn die Wirtschaftsform Israels war ein Kapitalismus, der jedem Kapitalismus bei uns hoch überlegen war. Gleichzeitig war es ein Sozialstaat, der jeden Sozialismus in den Schatten stellt.
Jeder Israelit hatte vom Gesetz her ein Recht auf Grund und Boden. Gott wollte also das Privateigentum. Wenn die Kommunisten sagen, Eigentum sei Diebstahl, dann ist das eine Lüge. Gott will den Privatbesitz und schützt ihn. Deshalb wird in den Zehn Geboten gewarnt: Du sollst nicht stehlen. Gott schützt das Eigentum und will es.
Es war allerdings so, dass jemand, der durch Krankheit oder Schicksalsschläge verarmte, sein Land an jemand anderen verkaufen konnte. Doch nur unter der Bedingung, dass im Erlassjahr, also alle fünfzig Jahre, der verlorene oder verkaufte Besitz an die ursprüngliche Familie zurückgegeben werden musste. Dadurch war es unmöglich, dass sich Großgrundbesitzer beliebig vergrößerten, während die Massen verarmten und zu einem Proletariat wurden.
Die Großgrundbesitzer waren also klar eingeschränkt und kamen spätestens nach 50 Jahren wieder auf das normale Niveau zurück. So war all dieser Exzess des Kapitalismus bei uns, bei dem einige wenige fast alles besitzen, nach dieser Gesetzgebung gar nicht möglich.
Es war auch nicht möglich, dass ein Proletariat entstand, denn die Familien waren so geschützt, dass sie immer wieder zu ihrem Grundbesitz zurückkehren konnten.
Es gab weitere Anweisungen: In Israel war es verboten, Zinsen zu nehmen. Nicht nur Wucher war verboten, sondern auch Zinsen. Geld musste zinsfrei verliehen werden.
Sollen wir das auf die Schweiz übertragen? Gezwungenermaßen sind wir heute fast so weit, weil die Zinssätze so niedrig sind. Aber man muss sagen, das ist ein ganzes Paket. Das Gesetz vom Sinai für Israel, für diese Gottesherrschaft, umfasst alle Gebiete, also die Wirtschaft, das soziale Leben, die Politik und so weiter.
Nur Israel ist das auserwählte Volk, und nur mit Israel hat Gott diesen Bund geschlossen. Andere Nationen, die im Lauf der vergangenen zweitausend Jahre unter den Einfluss der Bibel gekommen sind, hatten die Möglichkeit, ihre Gesetze nach Grundprinzipien zu regeln, nach den Prinzipien der Gerechtigkeit, die Gott in seinem Wort zeigt – oder eben nicht zu regeln.
Gerade heute, wo es zu so gewaltigen Völkerwanderungen nach Europa gekommen ist, sind all diese Gesetze über die Rechte und auch die Pflichten des Ausländers wichtige Dinge, die es zu bedenken gilt.
Wir sehen, vielleicht schon beim bloßen Durchlesen, in welchen Bereichen zum Beispiel unsere Gesetzgebung völlig versagt hat. Sehr oft werden nur die Rechte betont, aber die Pflichten überhaupt nicht. Doch Gott will immer beides.
Jetzt ist elf Uhr. Wir machen eine Pause bis Viertel nach und dann gehen wir zum Rest.
Nachtrag: Vergleich mit europäischem Recht und aktuelle Herausforderungen
Noch ein kurzer Nachtrag. Wir haben gesehen, wie das Schweizer Recht oder das deutsche Recht in verschiedenen Punkten mit biblischer Rechtsprechung übereinstimmt, besonders was das Recht vor Gericht betrifft. Auch bei uns gibt es nicht zwei verschiedene Arten von Rechtsprechung.
Aber gerade im Bereich der Pflichten mangelt es bei uns ganz gewaltig. Wenn man bedenkt: In Europa gibt es heute etwa 40 Millionen Muslime. Aus der muslimischen Welt wird auch ermutigt, nach Europa zu gehen und Mischehen einzugehen. Nach muslimischem Recht sind dann die Kinder sofort Muslime, und die Frauen konvertieren oft nach einigen Jahren. Umgekehrt ist es aber verboten: Zum Beispiel darf ein türkisches Mädchen keinen Nichtmuslim heiraten, denn nach islamischem Recht wäre diese Ehe nicht rechtsgültig. Auf diese Weise, so sagt man, kann der Dschihad, also der Kampf zur Verbreitung des Islams, auch ausgelebt werden.
Ich empfehle das Buch von Udo Ulfkotte „Krieg in unseren Städten“. Er ist Hochschuldozent aus Deutschland für Terrorabwehr und zeigt darin die ganzen Netzwerke in den deutschen Großstädten auf. Er nennt genau die Namen der verschiedenen Vereine und Organisationen und zeigt, wie sie verknüpft sind. Außerdem nennt er ganz bestimmte Namen und Adressen. Das kann man alles so machen, aber das deutsche Recht greift so wenig in dieser Problematik ein, obwohl es sich um ein Terrornetzwerk handelt. Man kann nichts dagegen tun.
Ulfkotte, als Spezialist mit Zugang zu geheimen Dokumenten, kann wenigstens sagen: Wir wissen alles über euch, nur man kann nichts machen. Sehr eindrücklich. Wenn man bedenkt, gerade diesen Punkt, den wir hatten, dass der Ausländer immer mehr Einfluss gewinnt, während der Eingeborene immer tiefer sinkt (vgl. 5. Mose 28), dann, wenn Israel sich vom Wort Gottes abwendet, ist das natürlich ganz eindrücklich in unserer Situation. Ein ehemals sogenannt christliches Europa, in dem auch christliche, biblische Grundsätze gegolten haben, ist heute so verändert, dass wir von einem nachchristlichen Europa sprechen müssen. Dort sind ganz bewusst all diese moralischen Barrieren, die die Bibel geliefert hatte, über Bord geworfen worden.
Man kann doch eine Parallele ziehen, wie Gott quasi die islamische Gefahr als ein Gericht, als eine Geißel für Europa benutzt. Udo Ulfkotte schreibt, dass es in den vergangenen Jahren in Deutschland ein geheimes Abkommen mit den Islamisten gab: Ihr macht keine Terroranschläge, und wir lassen euch gewähren. So ist in Europa bisher auch nicht viel geschehen.
Seit dem 11. September 2001 war Europa zwar erschüttert, doch danach hat man sich zurückgelehnt und gesagt: Das ist nur Amerika, die sind mit Israel zusammen, das hat mit uns nichts zu tun. Ulfkotte schreibt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist. Spätestens seit Djerba, diesem Attentat in Nordafrika, bei dem deutsche Touristen getötet wurden, muss man sagen: Diese Zeit des geheimen Abkommens ist vorbei, das kommt alles noch.
Wenn wir zurückschauen: Als der Islam im siebten Jahrhundert entstanden war, war das eine schreckliche Geißel Gottes gegen ein völlig verkommenes Christentum. Große ehemals christliche Gebiete wurden durch den Islam ausgelöscht, zumindest was ihr Zeugnis betrifft, falls es überhaupt noch eines gab.
Das Gleiche sehen wir später: In der Zeit der Reformation war der Islam wieder eine Bedrohung für Europa. Auch das war eine Geißel Gottes, aber damals zugunsten der Evangelischen. Denn der Kaiser wurde damals daran gehindert, seine Konzentration auf die Reformation zu richten, weil die türkische Gefahr viel größer war. So konnte sich die Reformation in Europa über längere Zeit wunderbar entwickeln. Die islamische Gefahr war gewissermaßen eine Geißel für ein antievangelisches Europa.
Heute ist die Situation so, dass Europa sich entchristianisiert hat, und Gott benutzt das wieder als Plage. Genau nach dem Prinzip von 5. Mose 28 kann der Ausländer schließlich zur Gefahr werden.
Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Wir werden auch ganz positive Seiten unserer heutigen Situation sehen.
Die Entstehung der Völker und Sprachen aus biblischer Sicht
Aber zuvor gehen wir zu Punkt 1,5: die Entstehung der verschiedenen Völker und Sprachen. Das ist eine große Frage: Woher kommen die Völker und Sprachen?
Diese Frage hat im alten Griechenland sogar wesentlich die Philosophie ins Leben gerufen. Man hat sich gefragt, warum es so verschiedene Stämme und Barbaren gibt und warum es so viele verschiedene Sprachen gibt. Das hat zum Nachdenken angeregt und war eine wichtige Motivation für die Entstehung der griechischen Philosophie.
Der Mensch kann diese Frage jedoch nicht ohne göttliche Offenbarung beantworten. Die Bibel zeigt uns, dass sich nach der Sintflut die Urgesellschaft, die Nachkommen Noahs, im Südirak versammelten. Sie wollten einen Machtblock bilden in Rebellion gegen Gott. Der Turm von Babel war ihr Wahrzeichen (1. Mose 11). Gott hat dieses Unterfangen durch das Gericht der Sprachenverwirrung beendet.
Gott hat also diese Ursippen in Babel aufgespalten in verschiedene Sprachgruppen, sodass sie nicht mehr zusammenbleiben konnten, sondern sich aufteilen mussten. So entstanden gewaltige Völkerwanderungsbewegungen – die ersten nachsintflutlichen Völkerwanderungen. Das alles wird uns in 1. Mose 10 und 11 beschrieben.
In 1. Mose 11 wird die Geschichte vom Turmbau berichtet (Verse 1 bis 9), und Kapitel 10 ist die sogenannte Völkertafel. Dort werden Noah und seine Söhne aufgeführt sowie deren Nachkommen mit insgesamt siebzig Namen. Von all diesen Vorfahren her hat sich schließlich die ganze Erde, alle fünf Kontinente, bevölkert.
Wichtig ist auch, was Paulus in Apostelgeschichte 17,26 klarmacht, wie Gott die Hand auch in den Völkerwanderungen hatte. Ich lese Apostelgeschichte 17,25-27: „Über Gott, den Herrn des Himmels und der Erde, wird er nicht von Menschenhänden bedient, als ob er etwas bräuchte, da er selbst allen Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Blut jede Nation der Menschen gemacht, um auf dem ganzen Erdboden zu wohnen, in dem er verordnete Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmt hat, damit sie Gott suchen, ob sie ihn wohl tastend fühlen und finden möchten, obgleich er nicht fern ist von einem jeden von uns.“
Hier wird gezeigt, dass Gott die Völkerwanderung geführt hat, damit die Menschen auf dem ganzen Erdboden wohnen. Sie wollten sich an einem Ort konzentrieren – die ganze Weltgemeinschaft. Aber Gott wollte die Zerstreuung. Er wollte die Aufsplitterung in Völker, verschiedene Sprachen und Kulturen, indem er verordnete Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmte.
Auch im Verlauf der Geschichte waren die entstandenen Grenzverläufe nicht einfach das Zufallsprodukt der Geschichte, sondern Gottes aktive Leitung war mit darin. Das ist ganz wichtig.
In den fordernden Zeiten kann man zunächst einmal die verschiedenen Perioden der Jahreszeiten sehen, Regenzeiten, Trockenzeiten, und dann natürlich auch verschiedene Perioden im Ablauf der Völkergeschichte – alles in Gottes Hand.
So kann man also sagen: 1. Mose 10, die Völkertafel, ist Gottes Dokument für die Weltmission. Gerade bevor am Schluss von 1. Mose 11 die Bibel auf Abraham zu sprechen kommt, den Stammvater Israels, steht dieses Dokument mit den siebzig Namen. Dieses Dokument will deutlich machen: Gott hat die Völker dieser Welt nie vergessen.
Wenn er Israel auserwählt hat, dann nicht, weil die anderen Völker nichts bedeuten würden. Israel war auserwählt, um schließlich ein Segen für alle Völker zu werden (1. Mose 12,3): „Und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“
Das geschieht dadurch, dass schließlich der Messias aus dem auserwählten Volk kommen sollte. Er sollte ein Licht sein für alle Völker. Jesaja 49,6 sagt: „Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Vertriebenen Israels zurückzubringen. Ich habe dich gesetzt zum Licht der Nationen, damit du mein Heil seist bis an die Enden der Erde.“
Das ist Gottes messianisches Programm durch das auserwählte Volk hindurch. Darum: Ich liebe die Völkertafel, ich liebe 1. Mose 10. Es ist Gottes Dokument: Die Völker der Welt sind in meinem Herzen eingeschrieben. Sie sind nicht vergessen, auch wenn Gott sie für lange Perioden ihre eigenen Wege gehen ließ.
Was wir weiter aus 1. Mose 11 sehen, ist: Gott ist der Urheber der Sprachen. Die Evolutionisten wollen uns weismachen, dass die Sprachen aus irgendwelchen Grund- und Urlauten entstanden seien. Aber sie können nicht erklären, warum die ältesten Sprachen, die wir überhaupt kennen, derart hochkomplex sind und weshalb sie im Lauf der Zeit diese Komplexität in der Formenlehre verlieren – zum Beispiel Babylonisch, Akkadisch.
Diese Sprachen können wir bis vor 4500 Jahren zurückverfolgen, nach der offiziellen Zeitrechnung. Als ich Altbabylonisch gelernt habe, musste ich für ein Verb gegen tausend Formen auswendig lernen. Im Französischen gibt es vierzig Formen, der Rest wird mit „haben“ und „sein“ umschrieben. Im Schweizerdeutschen sind es weniger als dreißig Formen, im Englischen fünf Formen, die man mit „to have“ und „to be“ kombinieren kann. Das ist doch eindrücklich.
Man kann auch zeigen, dass im Babylonischen über die Jahrtausende hinweg die Formen verloren gegangen sind, nicht aber aufgebaut wurden. Babylonisch kann man bis ins Jahr 70 nach Christus verfolgen. Wie sollen die Sprachen also entstanden sein?
Ich habe das in meinem Buch „Entstehung und Entwicklung der Sprachen“ gezeigt, das wahrscheinlich auf dem Büchertisch auch zu finden ist. Das ist ein Tiefschlag für die Evolutionslehre, denn es zeigt uns: Wir Menschen sind nicht die Erfinder unserer eigenen Sprache.
Noch etwas: Im 19. Jahrhundert, als man die eingeborenen Völker noch nicht so kannte, dachte man, in Afrika spreche man ganz primitive Sprachen oder überhaupt in der sogenannten „Dritten Welt“. Die Erforschung der eingeborenen Sprachen zeigte jedoch, dass viele dieser Sprachen sogar komplexer sind als unsere europäischen Sprachen.
Warum haben diese Völker so komplexe, wunderbar und logisch konzipierte Sprachen? Und sie wissen Dinge, von denen sie gar nicht wissen, dass sie sie wissen? Das haben sie nicht selbst gemacht. Also: Gott ist der Urheber der Sprachen.
Das wird uns in 1. Mose 11 bezeugt, und das können wir nachvollziehen, wenn wir die Sprachen der Welt studieren.
Der Messias aus Israel sollte, wie gesagt, die Quelle des Segens für alle diese Völker und Sprachen werden (1. Mose 12,3; 22,18). Gott hat ein Programm zur Rettung der Menschen aus allen Völkern, Stämmen und Sprachen.
Dazu möchte ich aus Offenbarung 5 lesen. Die 24 Ältesten sind Priester und Priesterkönige. Sie repräsentieren alle Erlösten im Himmel und sind Priester Gottes. Offenbarung 5,9 sagt: „Und sie singen ein neues Lied: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen, denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation. Und du hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen.“
Darum: Die 24 Ältesten tragen goldene Kronen und weiße Priestergewänder. Sie sind Priester und Könige und repräsentieren alle Erlösten. Aus jedem Stamm, jeder Sprache, jedem Volk und jeder Nation – wichtig: Es heißt nicht alle Stämme, Sprachen, Völker und Nationen. Es gibt keine Allversöhnung. Aber aus jedem Stamm und jeder Sprache gibt es Erlöste, die wir in der Ewigkeit einmal sehen werden.
Das entspricht Gottes Grundabsicht (1. Timotheus 2,4): Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Das ist Gottes Liebeswille.
1. Petrus 3,9 kehrt das um: Er will nicht, dass irgendjemand verloren geht, sondern dass alle zur Buße kommen.
Gott hat also die ganze Welt im Blick, wenn es um sein Heil geht – obwohl nur der gerettet wird, der das Opfer Christi in Anspruch nimmt und seine Schuld vor Gott bekennt und bereut.
Bedeutung des Sprachenredens in der Apostelgeschichte
Nun sehen wir vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Sprachenredens in der Zeit der Apostel. In Apostelgeschichte 2, am Pfingsttag, konnten die Jünger Jesu alle möglichen damals gesprochenen antiken Sprachen und Dialekte sprechen. Es waren also nicht nur Sprachen, sondern sogar Dialekte, das heißt, sie konnten sogar den richtigen Klang wiedergeben.
Es ist so: Wenn jemand eine Fremdsprache spricht, staunen wir bereits über jeden Ausländer, der die Schriftsprache gut und fließend beherrscht. Aber wenn er dann noch einen Dialekt wie zum Beispiel Züridütsch sprechen kann, ist das erst recht beeindruckend. Das ist besonders schwierig, weil es wirklich darauf ankommt, den richtigen Klang zu treffen. Genau das haben die Jünger gemacht – sie sprachen sogar in den richtigen Dialekten. Es war also kein unartikuliertes Lallen oder Babbeln.
Auch in Apostelgeschichte 10 und 19 finden wir das Sprachenreden wieder. In 1. Korinther 14,21 wird erklärt, was Gott damit wollte: „Es steht in dem Gesetz geschrieben“ – und nun folgt ein Zitat aus Jesaja 28,11: „Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden.“ Und weiter heißt es: „Und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.“ Gott hatte also schon im Alten Testament vorhergesagt, dass er einmal zu Israel in anderen Sprachen sprechen würde.
Das geschah am Pfingsttag in Apostelgeschichte 2. Zu diesem Zeitpunkt kamen Juden aus dem ganzen Land und viele aus dem Ausland nach Jerusalem zum vorgeschriebenen Tempelfest. Dort wurden sie durch die vielen verschiedenen Sprachen überrascht.
Paulus erklärt in Vers 22: „Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen, die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden.“ Das war also ein Zeichen für das ungläubige Israel. Es sollte ihnen deutlich machen, dass Gott nun aufhören wird, nur durch eine Sprache, nämlich Hebräisch, zu diesem einen Volk zu sprechen.
Gott hat nun ein Programm, um durch alle möglichen Sprachen die ganze Welt zu erreichen. Doch es wird hier betont, dass es ein Zeichen ist. Gott wollte nicht auf diesem Weg die ganze Menschheit erreichen. Sonst hätte man die ganze Mühe durch Wycliffe, Bibelübersetzungen und ähnliche Arbeiten sich sparen können. Denn wenn man einfach übernatürlich jede Sprache sprechen könnte und dann eine neue Bibelübersetzung in der richtigen Sprache fehlerfrei und grammatikalisch perfekt anfertigen könnte – Gott kann das ja –, so ist es nicht gegangen.
Stattdessen muss eine Bibelübersetzung in jahrelanger, mühsamer Arbeit und Aufopferung hergestellt werden. Damals war das ein Zeichen dafür, dass Gott nun alle Sprachen erreichen will. Dieses Programm heißt: „Gottes Wort in allen Sprachen“. Man könnte ja sagen: „Die sollen doch Englisch oder Französisch lernen.“ Aber warum dann dieser Aufwand, alle möglichen kleinen Sprachen zu übersetzen, zum Beispiel von Stämmen mit nur zweihundert Menschen?
Die Antwort lautet: Gott will sein Wort den Menschen in der Sprache ihres Herzens bringen. So haben wir biblisch verankert das Programm für die Bibelübersetzungsarbeit.
Bedenken wir: Um 1800 war die Bibel in etwa siebzig Sprachen übersetzt. Dann kam die Zeit der großen Erweckung in Nordeuropa und Nordamerika. 1830 gab es Bibelübersetzungen in etwa 157 Sprachen. Das bedeutet, dass in diesen dreißig Jahren, in denen man die Weltmission wieder neu aus der Bibel entdeckte, mehr geleistet wurde als in den 1800 Jahren zuvor.
Heute, und das ist trotz allem Niedergang in der Christenheit erfreulich, ist die Bibel zumindest teilweise in etwa 2300 Sprachen übersetzt. Es gibt außerdem Botschaften des Evangeliums auf Kassetten in über 5000 Sprachen und Dialekten. Das ist großartig und entspricht genau diesem Programm: „Gottes Wort in allen Sprachen“.
Also war das Sprachenreden nur ein Zeichen. Deshalb müssen wir heute mit viel Anstrengung die Sprachen der Ausländer lernen. Wir können nicht einfach auf ein Wunder warten, sondern müssen die Sprachen selbst erlernen.
Mission im Alten und Neuen Testament
Nun ein Wort zur Mission im Alten und im Neuen Testament. Manche mögen sagen, Mission gebe es nur im Neuen Testament, nicht aber im Alten. Das ist jedoch falsch. Es handelt sich um unterschiedliche Arten von Mission. Im Alten Testament könnte man von einer zentripetalen Mission sprechen, im Neuen Testament dagegen von einer zentrifugalen Mission.
Ich erkläre das an einem Bild: Wenn man an einem Seil einen Stein um sich herum schwingt, spürt man eine Kraft, die den Stein nach außen ziehen möchte. Lässt man ihn los, fliegt er tatsächlich davon. Diese Kraft nennt man Fliehkraft, die sogenannte zentrifugale Kraft, also die Kraft nach außen. In der Physik lernt man jedoch, dass auch eine Kraft zum Zentrum hin wirkt, die eigentliche Kraft ist, während die Fliehkraft eine Scheinkraft ist.
Lassen wir das so stehen: Die Kraft, die zum Zentrum zieht, entspricht der alttestamentlichen Mission. Sie sagt: Die Völker sollen nach Jerusalem kommen und den Gott des Himmels kennenlernen. Die neutestamentliche Mission dagegen lautet: Geht zu allen Völkern!
Schauen wir uns das genauer an: In 1. Könige 8, bei der Einweihung des salomonischen Tempels, betet König Salomo im Gebet, Vers 41: „Auch auf den Fremden, der nicht von deinem Volk Israel ist, wenn er aus fernem Land um deines Namens willen kommt – denn sie werden hören von deinem großen Namen, deiner starken Hand und deinem ausgestreckten Arm – und er betet gegen dieses Haus hin, so höre du im Himmel, der Städte deiner Wohnung, und tue nach allem, um was der Fremde zu dir rufen wird, damit alle Völker der Erde deinen Namen erkennen, damit sie dich fürchten wie dein Volk Israel und damit sie erkennen, dass dieses Haus, das ich gebaut habe, nach deinem Namen genannt wird.“
Der Tempel in Jerusalem, dieser eine Tempel als Zeugnis dafür, dass es nur einen Gott gibt, sollte ein Zeugnis für die Völker bis in die Ferne sein. Die Königin von Saba, die aus dem Jemen kam, also ganz unten aus der arabischen Halbinsel, ist ein Paradebeispiel einer Fremden, die von Gottes Namen in Jerusalem gehört hatte. Sie kam zum Salomontempel und konnte dort alle ihre Fragen klären.
In Apostelgeschichte 8,26-40 lesen wir die Geschichte des Finanzministers aus Äthiopien. Er war nach Jerusalem gekommen, um dort den wahren Gott anzubeten. Hier finden wir eine leichte Überschneidung mit der bereits begonnenen neutestamentlichen Mission in Apostelgeschichte 2. Noch immer handelt es sich um die zentripetale Mission: Jemand kommt nach Jerusalem, um den wahren Gott kennenzulernen. Danach ging er mit einer Bibelhandschrift zurück in seine Heimat.
Gerade vor zweitausend Jahren kamen viele Heiden nach Jerusalem, um dort den wahren Gott kennenzulernen. In der ganzen alten Welt war das Wunder des Tempels bekannt, und viele kamen aus dem Ausland.
Ich möchte noch auf Johannes 12 verweisen, wo es um Griechen geht, die zum Fest nach Jerusalem gekommen sind und schließlich Jesus begegneten (Johannes 12,20 und folgende). Das ist die zentripetale Mission: Gott lädt die Menschen ein, zu kommen.
Das möchte ich noch mit Jesaja 45, Vers 21 unterstreichen: „Tut kund und bringt herbei! Ja, beraten mögen sie sich miteinander: Wer hat dieses von alters her hören lassen? Vorlängst ist es verkündet – nicht ich, der Herr?“
Hier zeigt Gott den heidnischen Völkern, dass sie von Prophetie keine Ahnung haben. Bei ihnen gibt es keine echte Prophetie, keine neuen Religionen mit echter Prophetie. „Kontrolliert mal, wer hat früher das vorausgesagt, und dann ist es genau so in Erfüllung gegangen. Das gibt es nur bei mir, nicht bei anderen Göttern. Ich bin der Herr, und es gibt keinen Gott außer mir. Ein gerechter und rettender Gott ist keiner außer mir. Wendet euch zu mir und werdet gerettet, alle Enden der Erde! Denn ich bin Gott und keiner sonst. Kommt, wendet euch zu mir!“
Das ist die zentripetale Mission des Alten Testaments.
In Verbindung mit dem Volk Israel müssen wir noch bedenken: Israel war lange Zeit in Ägypten. Dort hatten sie die Möglichkeit, ein Zeugnis für den einen wahren Gott unter den ägyptischen Göttern zu sein. Später wurden die zehn Stämme Israels nach Assyrien deportiert, bis nach Zentralasien. Auch dort konnten sie den Glauben an den einen Gott der Bibel weitergeben.
Etwas später kam die babylonische Gefangenschaft. Die Juden wurden nach Babylon gebracht, manche kehrten nach einigen Jahrzehnten zurück, viele blieben aber. Die Juden breiteten sich im gesamten persischen Reich aus, so gelangte die Botschaft vom einen wahren Gott bis in viele zentralasiatische Gebiete.
Man kann auch annehmen, dass zum Beispiel Länder wie Thailand bereits Kontakt mit der Botschaft des Gottes der Bibel hatten, bis nach Indien. Zur Zeit des Kommens Jesu gab es viele Juden, die im gesamten Mittelmeerraum Handel trieben. Überall gab es Synagogen, wie wir in der Apostelgeschichte sehen. Das Wissen um den einen Gott war weit verbreitet. Ab dem dritten Jahrhundert vor Christus gab es sogar eine Übersetzung des Alten Testaments in die Weltsprache Griechisch.
Das sind also auch schon zentrifugale Wirkungen der Mission im Alten Testament, obwohl dort das Zentripetale, also das Zentrale, im Vordergrund stehen sollte.
Im Neuen Testament wird das nun völlig geändert. Ich lese den Missionsauftrag des Auferstandenen in Matthäus 28 und verweise auf die parallelen Aufträge in Markus 16, Lukas 24, Johannes 20 sowie Apostelgeschichte 1,8:
Matthäus 28,18: „Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“
Ein klarer Auftrag: Geht hin und macht alle Nationen zu Jüngern!
Das Missionsdokument des Alten Testaments ist nicht untergegangen oder bedeutungslos geworden. Gott hat diesen Plan, alle Völker zu erreichen.
Heute gleicht die Evangelisationssituation in Europa wieder mehr und mehr der zentripetalen Mission. Millionen Menschen aus aller Welt kommen zu uns, ausgerechnet zu uns. Sie gehen nicht nach China, wo es viele Christen gibt, oder in die islamische Welt. Warum wandern sie nicht dorthin aus? All diese Menschen aus der Dritten Welt, die etwas suchen oder Sicherheit suchen, kommen nach Europa.
Wir können ihnen hier das Evangelium weitergeben. Sie sind unsere Nachbarn geworden. Wir müssen nicht nach Saudi-Arabien, in den Libanon oder nach Jordanien ausziehen, denn die Menschen kommen zu uns.
Die heutige Situation ist für uns als bibeltreue Christen eine besondere Chance für die Mission. Wir sollten in den Ausländern, gerade in denen, die Gott in seiner Souveränität zu uns führt, eine von Gott gegebene Gelegenheit sehen, Menschen zu erreichen.
Es ist bekannt, dass sich zum Beispiel Muslime hier viel einfacher bekehren als in ihrem Umfeld, wo sie oft mit dem Tod rechnen müssen, wenn sie zum Glauben kommen. Bei uns haben sie mehr Sicherheit. Deshalb ist es eine von Gott gegebene Chance, die frohe Botschaft von diesem Gott der Liebe zu bringen, der in seinem Sohn das Problem unserer Schuld gelöst hat.
Der Ausländer im Neuen Testament: Gastfreundschaft und Beispiele
Nun wenden wir uns dem letzten Hauptpunkt zu: Die Ausländer im Neuen Testament.
Hebräer 13, Vers 1: „Die Bruderliebe bleibe, der Gastfreundschaft vergesst nicht, denn durch dieselbe haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ Hier finden wir das Wort Gastfreundschaft, im Griechischen Philoxenia. Es bedeutet wörtlich „Liebe zu Fremden“. Die Xenia bezeichnet einfach die Ausländerin, die Fremde – dieser Mädchenname Philoxenia bedeutet Liebe zu Fremden.
Im Altgriechischen hat dieses Wort eine allgemeinere Bedeutung bekommen: Gastfreundschaft. Das heißt, es bezieht sich nicht unbedingt nur auf Fremde, sondern auch auf Bekannte. So zum Beispiel in 1. Petrus 4, Vers 9: „Seid gastfrei gegeneinander, ohne Murren.“ Hier geht es also nicht speziell um Fremde, obwohl das Wort in seiner ursprünglichen Bedeutung „Liebe zu Fremden“ bedeutet.
In Hebräer 13 klingt die Etymologie, die Wortherkunft, jedoch ganz klar durch. Dort heißt es: Vergesst die Philoxenia nicht, denn durch dieselbe haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Das spielt an auf 1. Mose 18, wo Abraham drei Fremde aufgenommen hatte. Dabei waren zwei Engel, und einer war der Herr in Menschengestalt. In 1. Mose 19 gingen diese zwei Engel – der Herr nicht – zu Lot nach Sodom. Lot nahm diese Fremden auf, setzte sich für sie ein und schützte ihre Rechte. Das war Philoxenia – Liebe zu Fremden.
An dieser Stelle steht also ganz klar die Fremde im Vordergrund. Es ist ein neutestamentliches Gebot, die Gastfreundschaft, die Philoxenia, nicht zu vergessen – also die Liebe zu Fremden nicht zu vernachlässigen.
Ein weiterer Punkt ist Johannes 4, das wunderbare Gespräch des Herrn mit der samaritanischen Frau. Dort wird betont, dass Juden und Samariter keinen Verkehr miteinander pflegten. Das hatte seine Gründe. Doch der Herr spricht trotzdem mit dieser Frau – und zwar so, dass sie merkt: Ich bin etwas wert. Ich habe eine Existenzberechtigung, denn ich kann diesem Fremden etwas bieten.
Johannes 4, Vers 7: „Es kommt eine Frau aus Samaria, Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!“ Seine Jünger waren weggegangen, um Speise zu kaufen. Die samaritanische Frau antwortet: „Wie bittest du, der du ein Jude bist, von mir zu trinken, die ich eine samaritanische Frau bin? Denn die Juden verkehren nicht mit den Samaritern.“
Der Herr zeigt in diesem Beispiel, wie wir mit Fremden umgehen sollen. Und hier sogar mit jemandem, der wirklich in der Sünde gelebt hatte: Sie war fünfmal verheiratet und lebte im Konkubinat mit dem sechsten Mann. Doch der Herr geht behutsam an sie heran. Er nimmt den heiklen Punkt nicht gleich vorweg, sondern gibt ihr zuerst eine Sicherheit, dass sie geachtet ist. Erst später spricht er ihre Probleme an – und zwar so fein, dass er sagt: „Rufe deinen Mann und komm her!“ Sie antwortet: „Ich habe keinen Mann.“ Der Herr hat uns so wunderbar ein Beispiel gegeben, wie der Umgang mit einer Fremden sein soll, wie ein Mann mit einer fremden Frau umgehen kann und auch, wie man mit einer moralisch tief gefallenen Frau umgeht. Daraus können wir viel lernen.
In Lukas 4, Vers 25, befindet sich der Herr Jesus in der Synagoge in Nazareth. Nach der Toralesung durch den Chasan, den Vorsänger, kam die Prophetenlesung. Dort konnte ein Mann aus der Synagoge die Lesung vornehmen. Jesus las vor aus Jesaja 61 und sagte: „Das ist heute erfüllt.“ Alle staunten über diese Worte der Gnade.
Schließlich predigte der Herr über diese Stelle. Lukas 4, Vers 24: „Er sprach aber: Wahrlich, ich sage euch, dass kein Prophet in seinem Vaterland angenehm ist.“ Dann nennt er Beispiele: „Viele Witwen waren in den Tagen Elias in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen war, sodass eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Und zu keiner von ihnen wurde Elias gesandt, als nur nach Sarepta in Sidon, zu einer Frau, einer Witwe. Und viele Aussätzige waren zur Zeit Elisas, des Propheten in Israel, und keiner von ihnen wurde gereinigt, als nur Naaman, der Syrer.“
Der Herr bringt zwei Beispiele aus dem Alten Testament, die zeigen, wie Gottes Gnade die Grenzen Israels sprengte. Im einen Fall geht es um eine Libanesin, die Witwe in Sarepta in Sidon, im anderen um Naaman, den syrischen General.
Die Reaktion der Zuhörer in der Synagoge war Wut. Sie wollten Jesus töten, als sie dies hörten. Doch hier zeigt er den Grundsatz: Er ist als Messias gekommen, und die Gnade, die er bringt, sprengt die Grenzen Israels – nach dem alttestamentlichen Beispiel von Elija und Elisa.
Was die Hörer in der Synagoge kennzeichnete, war der sogenannte Jonah-Komplex. Jona sollte in den Nordirak nach Assyrien, nach Ninive, gehen, um Gottes Botschaft zu bringen. Doch er wollte nicht, dass die Fremden Gnade empfangen, und floh deshalb nach Spanien. Sein Auftrag war im Osten, aber er floh in den Westen. Gott brachte ihn schließlich dazu, doch nach Ninive zu gehen. Als er sah, dass Gott sich über die Ausländer erbarmt, war er bitterböse. Gott zeigt, dass er gnädig ist – eben auch gegenüber Fremden.
Dieses Problem, der Jonah-Komplex, war auch in Nazareth vorhanden. Und diesen tragen wir manchmal auch heute mit uns herum: Wir wollen möglichst nur mit den Leuten zu tun haben, mit denen wir vertraut sind, nicht über unseren Kreis hinaus.
In Lukas 17, Verse 1-19 wird die Geschichte der zehn Aussätzigen erzählt, die geheilt wurden. Nur einer kommt zurück, um zu danken – und das war ausgerechnet ein Samaritaner. Im Lukas-Evangelium wird immer wieder betont, wie die Gnade über die Grenzen Israels hinausgeht. Diese Geschichte findet sich nur dort.
In 1. Timotheus 5, Vers 10 werden die Voraussetzungen genannt, um als Witwe in den Genuss der Sozialkasse der Gemeinde zu kommen. Interessant ist, dass es im Neuen Testament eine Einrichtung der Sozialkasse für Witwen gibt.
Wann hat man Anspruch auf diese „Rente“? Wir lesen in 1. Timotheus 5, Vers 10: Eine Witwe wird verzeichnet, wenn sie mindestens sechzig Jahre alt ist, eines Mannes Frau war und ein Zeugnis in guten Werken hat. Dazu gehört, wenn sie Kinder aufgezogen hat, Fremde beherbergt hat, den Heiligen die Füße gewaschen hat, bedrängten Menschen geholfen hat und jedem guten Werk nachgegangen ist. Jüngere Witwen sollen hingegen abgewiesen werden.
Man kommt also nicht automatisch in den Genuss dieser Sozialversicherung. Es müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein – das Alter, aber auch das frühere Leben. Unter anderem heißt es: Wenn sie Fremde beherbergt hat, also wenn sie Liebe zu Fremden gelebt hat, dann hat sie Anspruch. Die anderen sollen natürlich nicht verhungern. Die Gemeinde hat auch eine Aufgabe, sich um diejenigen zu kümmern, die in Not sind.
„Des Wohltuns und des Mitteilens vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen“ (Hebräer 13, Vers 15). Das Wohltun meint die Unterstützung von Armen, das Mitteilen bezieht sich mehr auf Mission und ähnliches. Dabei kann man jedoch nicht sagen, man habe einen Anspruch darauf. Man kann nicht einfach sagen: „Ich brauche Unterstützung, aber ich bin nicht auf eure Nächstenliebe angewiesen, sondern habe einen Anspruch.“ Das gilt nur, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Das ist die biblische Sicht. Übrigens wäre das auch die Lösung für die heutigen Probleme unseres Sozialstaates, zum Beispiel in Deutschland. Dort weiß man oft nicht mehr, woher das Geld kommen soll. Der Sozialstaat gibt einfach Geld ohne Vorbedingungen. Es kommt nicht darauf an, wie jemand gelebt hat oder was er getan hat – jeder hat Rechte und Ansprüche.
Die biblischen, göttlichen Linien sind ganz anders: Um ein Recht in der Sozialversicherung geltend zu machen, muss auch ein bestimmtes Leben gelebt worden sein. Andernfalls ist die Hilfe reine Nächstenliebe – aus reiner Nächstenliebe, meine ich.
Das Problem des Volkscharakters und der Umgang damit
Ja, und dann noch ein letzter Punkt: das Problem des Volkscharakters. Gibt es das wirklich?
Paulus gibt in Titus 1 Anweisungen für Älteste in den Gemeinden, die Titus in seinem Auftrag einsetzen musste. In Vers 12 wird erklärt: „Es hat einer aus ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt: Kreter sind immer Lügner, böse Tiere, faule Bäuche.“ Dieses Zeugnis ist wahr. Um dieser Ursache willen soll Titus sie streng zurechtweisen, damit sie im Glauben gesund sind und nicht achten usw.
Paulus sagt also zu Titus, dass es notwendig ist, Älteste in den verschiedenen Gemeinden zu haben. Es braucht eine Autorität in den örtlichen Gemeinden. Eine Gemeinde ist zwar auch eine Gemeinde ohne Älteste, aber auf der ersten Missionsreise (Apostelgeschichte 13) hat Paulus verschiedene Gemeinden gegründet. Erst als er sie zum zweiten Mal besuchte, hat er zusammen mit Barnabas Älteste eingesetzt. Übrigens hat das nicht die Gemeinde selbst gemacht, sondern die apostolische Autorität von Paulus und Barnabas. Und hier handelt Titus im Auftrag des Apostels Paulus.
Auf der Insel Kreta war es besonders wichtig, Älteste einzusetzen, denn es gab ein Problem mit dem Volkscharakter. Die Menschen mussten gut geführt werden. Paulus sagt: „Es hat einer aus ihnen, ihr eigener Prophet, gesagt.“ Dabei zitiert er Epimenides, einen antiken Schreiber aus der Zeit um 600 vor Christus. Epimenides schrieb tatsächlich in seinen Werken: „Kreter sind immer Lügner, böse, wilde Tiere, faule Bäuche.“ Paulus bestätigt: Dieses Zeugnis ist wahr. Die Leute auf Kreta sind schwierige Menschen. Deshalb ist es wichtig, dass die Gemeinde klare Führung durch Älteste hat, damit es nicht aus dem Ruder läuft.
Es ist also so, dass jedes Volk seine Eigenarten hat. Die Schweizer suchen beispielsweise im Zug das leere Abteil, während die Italiener sofort den Kontakt suchen. Das hängt mit dem Volkscharakter zusammen. Es gibt Völker, die sehr emotional sind, und andere, die eher zurückhaltend oder „trockene Klötze“ sind. Jedes Volk hat seinen eigenen Charakter, und das müssen wir als Tatsache anerkennen.
Der Titusbrief zeigt uns aber auch, dass wir mit diesen Eigenheiten arbeiten und umgehen müssen. Paulus hat die Missionsarbeit auf Kreta nicht gemieden, weil er sich des Volkscharakters bewusst war. Er ist hingegangen und wollte damit zur Ehre Gottes arbeiten.
So haben wir eine Übersicht über biblische Leitlinien im Alten und Neuen Testament zum Thema Ausländer. Ich denke, all diese vielen Stellen und der rote Faden helfen uns, unsere heutige Situation aus Gottes Hand zu nehmen, damit zu arbeiten und die Probleme anzugehen. Dabei sollten wir auch die Chancen sehen: Es ist nicht nur ein Problem, sondern eine Gelegenheit, unseren Nachbarn, der das Evangelium noch nicht kennt, zu erreichen. Er ist da, um es von uns zu hören.