Gebote, Gesetze und Rechtsordnungen – darum ging es in den Predigten der letzten Wochen. Darum wird es auch heute und immer wieder in den nächsten Wochen gehen, im Rahmen unserer Predigtserie durch das zweite Buch Mose.
Wenn wir so viele Gesetze hören und uns so viel über Gesetze Gedanken machen, kann die Frage aufkommen: Ist das nicht ein bisschen zu gesetzlich für uns Christen? Sollten wir nicht vielmehr auf Gottes Gnade bedacht sein? Ist letztendlich nicht die Gnade Gottes an die Stelle des Gesetzes Gottes getreten? Oder wie sollten wir über das Gesetz denken?
Letzte Woche hat Matthias Mockler in seiner Auslegung des einundzwanzigsten Kapitels aus dem Buch Exodus, dem zweiten Buch Mose, uns vor Augen geführt, wie gut – wirklich sehr, sehr gut – die Gesetze Gottes sind. Heute wollen wir daran anknüpfen. Dabei wollen wir sehen, wie eng Gottes Gesetz mit Gottes Gnade verbunden ist.
Konkret zeigt uns das Gesetz, dass wir Gottes Gnade brauchen – das haben wir gerade schon gehört. Wir brauchen sie in Eigentumsfragen, wir brauchen sie im Miteinander.
Vor allem aber wollen wir im zweiten Teil der Predigt bedenken: Gottes Gesetz offenbart uns Gottes Gnade. Das wird sichtbar in dem, der das Gesetz erfüllt hat, und es wird sichtbar im Gesetz selbst. Das wollen wir miteinander bedenken.
Damit wir nicht nur erkennen können, was hier im Text steht, sondern es wirklich verstehen und danach leben können, möchte ich Gott bitten, uns durch seinen Geist nicht nur die Ohren, sondern auch das Herz zu öffnen. So kann sein Wort uns wirklich verändern und uns immer mehr zu Menschen machen, die entsprechend der Gnade Gottes leben.
Ich bete mit uns: Himmlischer Vater, öffne du uns die Augen, dass wir die Wunder an deinem Gesetz sehen. So betete schon der Psalmist im Psalm 119, und so beten wir es auch. Öffne uns die Augen, dass wir deine herrlichen Wunder, ja dein ganzes Wesen erkennen, das sich in deinem Gesetz widerspiegelt.
So sprichst du zu uns: Mach du uns bereit, in aller Demut zu dir zu kommen und bei dir Hilfe und Rettung zu suchen und zu finden. Verändere du uns, indem wir mehr erfahren, wie du bist und was dir gefällt. So sollen wir mehr und mehr so leben, dass wir etwas von dir widerspiegeln und dich mit unserem ganzen Leben ehren.
Darum bitten wir und bitten dich, diese Predigt heute genau dazu zu gebrauchen. Das beten wir durch Jesus Christus, unseren Retter und Herrn. Amen.
Ich möchte mit uns diesen heutigen Predigttext Abschnitt für Abschnitt durchgehen. Einzelne Verse werde ich allerdings überspringen, damit die Predigt nicht zu lang wird.
Ich habe den Text so gruppiert, dass ich manchmal exemplarisch ein oder zwei Verse herausgreife, um einen etwas längeren Abschnitt zu betrachten. Das werdet ihr dann sehen. Wir werden den Großteil des Textes betrachten und dabei feststellen, dass sich dieser Text wirklich in zwei große Kategorien von Gesetzen, von Rechtsordnungen, aufteilt.
Die erste Hälfte des Predigttextes befasst sich mit Eigentumsfragen. Die zweite Hälfte regelt das Miteinander im Volk Gottes. Bei den Eigentumsfragen werden wir sehen, dass Gott immer auch gleich angibt, wie etwas bestraft werden soll, wenn die Gesetze übertreten werden.
Im zweiten Teil gibt es keine klaren Strafanordnungen mehr. Dort wird einfach beschrieben, wie wir wirklich leben sollen und was ein gottgefälliges Leben im Miteinander ausmacht.
So sehen wir im Gesetz, dass wir Gottes Gnade brauchen. Ich möchte uns einladen, anhand der guten Gesetze Gottes zu prüfen, ob beziehungsweise in welchen Bereichen wir Gesetzesbrecher sind.
Ich hoffe, dass das zwei Effekte hat: Zum einen, dass wir mehr Erkenntnis gewinnen und uns darüber freuen, dass wir Gnade brauchen und bei unserem Herrn Gnade finden. Zum anderen hoffe ich, dass wir erkennen, in welchen Bereichen unseres Lebens wir Veränderung brauchen.
Es geht also nicht nur um Gnade, sondern auch um Veränderung.
Der erste Abschnitt unseres Predigttextes umfasst die ersten siebzehn Verse aus dem zweiten Buch Mose, Kapitel 21, bis zum letzten Vers. In der Lutherbibel ist das so, manche andere Übersetzungen haben diesen Vers praktischerweise gleich in Kapitel 22 mit hineingenommen. In der vorliegenden Bibel, Kapitel 21, Vers 37, geht es um Eigentumsfragen.
Wir lesen hier zunächst in den ersten Versen, was geschehen soll, wenn Diebstahl vorgekommen ist. Es heißt: Wenn jemand ein Rind oder ein Schaf stiehlt und es schlachtet oder verkauft, soll er fünf Rinder für ein Rind und vier Schafe für ein Schaf wiedergeben. Wird ein Dieb beim Einbruch ergriffen und dabei so schwer geschlagen, dass er stirbt, liegt keine Blutschuld vor. War aber schon die Sonne aufgegangen, liegt Blutschuld vor.
Ein Dieb soll Ersatz leisten. Hat er das nicht, soll man ihn um den Wert des Gestohlenen verkaufen. Findet man bei ihm das Gestohlene lebendig – sei es Rind, Esel oder Schaf –, soll er es zweifach ersetzen.
Wir sehen hier Regelungen für das Leben im gelobten Land. Das klingt für uns zunächst etwas fern. Ich denke, keiner von uns ist sonderlich versucht, ein Rind, einen Esel oder ein Schaf zu stehlen. Wenn es dich doch direkt betrifft, dann höre ganz besonders gut zu.
Wir anderen sollten uns fragen: Worum geht es hier wirklich? Letztendlich gibt Gott, basierend auf den großen Prinzipien seines Gesetzes „Du sollst nicht stehlen“, eine konkrete Anwendung. Man kann es auch Präzedenzfälle nennen. Diese Präzedenzfälle helfen uns, noch besser zu verstehen, was es heißt, Eigentum zu achten und was eine angemessene Strafe ist. Darum geht es hier.
Wenn wir diese Präzedenzfälle lesen, dürfen wir uns fragen: Wie sieht es bei uns aus? Achten wir fremdes Eigentum? Dabei ist es vielleicht gut, einen Moment innezuhalten und zu sagen: Was hier beschrieben wird, klingt für uns vielleicht zunächst nach klassischem Ladendiebstahl oder Ähnlichem. Aber die meisten von uns haben wahrscheinlich öfter mit subtileren Eigentumsvergehen zu tun.
Zum Beispiel durch falsche Angaben bei der Steuererklärung, durch die wir dem Staat letztlich etwas wegnehmen, was wir ihm schulden. Oder durch falsche Angaben, um bestimmte Vorteile für uns zu erlangen. Vielleicht auch dadurch, dass wir Lizenzen für Netflix, Spotify, Sky oder DAZN kaufen und dann die Lizenz mit Freunden teilen, obwohl in den Nutzungsbedingungen klar steht, dass sie nur für einen Haushalt gedacht ist. Ich habe gehört, auch hier in der Gemeinde soll das vorkommen. Damit handeln wir eigentlich im Sinne von Diebstahl, weil wir etwas nehmen, was so nicht gedacht ist. Wenn wir den Vertrag unterschreiben, sei es auch nur mit einem kleinen Mausklick, erklären wir uns damit einverstanden, die Nutzungsbedingungen einzuhalten. Hier stehlen wir eine Lizenz.
Oder wir stehlen unserem Arbeitgeber die von ihm bezahlte Arbeitszeit, wenn wir während der Arbeitszeit am PC Dinge tun, die nichts mit unserer Arbeit zu tun haben. Das ist Diebstahl der bezahlten Zeit.
Ich könnte die Liste weiterführen. Ich kann mir vorstellen, dass viele von uns jetzt schon anfangen, sich überführt zu fühlen und anerkennen müssen, dass auch wir das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ gebrochen haben.
In den Versen 4 und 5 geht es weiter. Es wird deutlich, dass nicht nur Eigentumsdelikte, die direkter Diebstahl sind, für Gott ein Problem sind, sondern auch Vergehen, die durch Fahrlässigkeit entstanden sind. Dort heißt es: Wenn jemand in einem Acker oder Weinberg Schaden anrichtet, weil er sein Vieh auf das Feld eines anderen lässt abweiden, soll er den Schaden mit dem Besten seines Ackers und Weinbergs ersetzen.
Wenn ein Feuer ausbricht und er die Dornung ergreift, die verbrennt – sei es ein Gerbenhaufen, das noch stehende Getreide oder der Acker –, soll derjenige, der das Feuer entfacht hat, Ersatz leisten.
Auch hier sehen wir konkrete Bestimmungen für die damalige Situation. Doch das Prinzip ist leicht übertragbar: Wenn wir durch fahrlässiges Verhalten Schaden anrichten, sind wir dafür verantwortlich und sollen Wiedergutmachung leisten.
Matthias Mockler hatte letzte Woche in seinem Text schon ähnliche Vergehen angesprochen, vielleicht erinnert ihr euch, wenn ihr dabei wart. Er brachte das Beispiel eines Autofahrers, der während der Fahrt auf sein Handy schaut und einen Unfall verursacht. Das ist fahrlässig. Es war keine Absicht, niemand wollte Schaden zufügen. Doch es geschieht, weil wir sorglos handeln. Gott macht deutlich: Das braucht Wiedergutmachung.
In den Versen 6 bis 10 werden drei Fälle genannt, in denen ein Schaden entsteht, bei dem nicht einmal klar ist, wer genau verantwortlich ist. Ich lese aus Zeitgründen hier nur den letzten Fall in den Versen 9 und 10 vor:
Wenn jemand seinem Nächsten einen Esel, ein Rind, ein Schaf oder irgendein Stück Vieh in Obhut gibt – in unserem Fall zum Beispiel ein Fahrrad – und es stirbt, beschädigt wird oder gestohlen wird, ohne dass jemand es sieht, soll es unter ihnen vor dem Herrn durch einen Eid geklärt werden, ob er nicht etwa seine Hand an des Nächsten Habe gelegt hat.
Das E-Bike wurde nur schnell umgeparkt, aber du behauptest, es sei gestohlen. Der Besitzer soll es hinnehmen, sodass der andere keinen Ersatz leisten muss.
Wo nicht eindeutig klar ist, wer für den Schaden verantwortlich ist, spricht Gott direkt ein Urteil. In den ersten beiden Fällen heißt es nur: Kommt vor Gott und klärt die Sache. Im dritten Fall wird es etwas ausführlicher: Kommt vor Gott und legt einen Eid ab, ob ihr damit etwas zu tun habt.
Einem solchen Eid sollte Glauben geschenkt werden, wahrscheinlich deshalb, weil den Menschen klar war, dass wer im Namen des Herrn einen Eid ablegt und dabei die Unwahrheit sagt, den Namen des Herrn missbraucht. Wir haben darüber bei den Geboten nachgedacht. Das ist ein direkter Bruch eines der zehn Gebote.
Hier wird gesagt, dass diese Abschreckung so stark sein soll, dass man davon ausgeht, wer das tut, dem sollte man Glauben schenken. Denn wer dieses Gesetz bricht, wird noch schärfer bestraft als jemand, der „nur“ bei einem Eigentumsdelikt gelogen hat.
In unserem Kontext ist das vielleicht übertragbar auf eine Aussage unter Eid vor Gericht. So mancher Betrüger oder Kleinkriminelle überlegt sich sehr genau, ob er seine Lüge aufrechterhält, wenn er vor Gericht unter Eid aussagen muss.
Er ist verdächtigt, und nun könnte er eingestehen: „Okay, ich habe Schuld auf mich geladen.“ Er weiß, wenn er unter Eid eine Falschaussage macht, wird die Strafe viel höher ausfallen. Die abschreckende Wirkung ist klar. So mancher sagt dann lieber die Wahrheit und versucht, glimpflich davonzukommen.
Vor etwa zwei Wochen gab es einen sehr populären Fall von Wirtschaftskriminalität, bei dem jemand jahrelang beobachtet wurde. Nun stand er vor Gericht und es gab klare Aussagen, die deutlich machten, dass er wahrscheinlich gelogen hatte. Unter Eid wollte er dann lieber nicht mehr lügen, sagte die Wahrheit und fand eine Vereinbarung, bei der die Strafe nicht ganz so hoch ausfiel.
So ist es hier auch. Diese Eidesaussage vor Gott soll eine noch viel stärkere abschreckende Wirkung haben. Vor einem menschlichen Gericht ist nicht immer klar, ob die Wahrheit ans Licht kommt. Aber wie ist das vor Gott? Gott sieht alles, Gott weiß alles.
Wer nicht sicher ist, wer schuld ist, soll vor Gott kommen. Der Gott, der alles sieht, wird es regeln.
Die Verse 11 bis 14 behandeln weitere Eigentumsfragen, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte.
Zum Abschluss dieses Abschnitts kommen in den Versen 15 und 16 noch zwei Verse, die wir nicht unbedingt unter der Überschrift Eigentumsfragen erwarten würden. Ich lese sie vor:
„Wenn jemand eine Jungfrau beredet, die noch nicht verlobt ist, und ihr beiwohnt, soll er den Brautpreis für sie geben und sie zur Frau nehmen. Weigert sich aber ihr Vater, sie ihm zu geben, soll er Geld bezahlen, so viel eine Jungfrau als Brautpreis gebührt.“
Das klingt zunächst etwas deplatziert und gehört eigentlich in einen anderen Bereich, der später noch einmal aufgegriffen wird. Tatsächlich geht es hier aber auch um einen Raub, nämlich den Raub der Jungfräulichkeit.
Die Jungfräulichkeit darf einer Frau nicht einfach genommen werden. Sie steht nur dem rechtmäßigen Ehemann zu. Wer einer Frau die Jungfräulichkeit unrechtmäßig nimmt, muss damit rechnen, im schlimmsten Fall den vollen Brautpreis zu zahlen – so, als hätte er die Frau geheiratet, ohne sie tatsächlich zur Frau zu bekommen, weil der Vater vielleicht sagt: „Nein, das nicht.“
Heute ist das anders: Ein Brautpreis wird typischerweise nicht mehr bezahlt, und Väter haben auch nicht das letzte Wort bei der Heirat ihrer Töchter. Ich bin mir ziemlich sicher, meine Töchter werden ihre Wahl nicht letzten Endes von meiner Zustimmung abhängig machen. Hoffentlich fragen sie mich trotzdem.
Das Prinzip bleibt jedoch dasselbe: Sex gehört exklusiv in den Schutzraum der Ehe. Hier sind ganz direkt die Männer angesprochen. Sie dürfen keiner Frau, die sie nicht zuerst geheiratet haben, die Jungfräulichkeit rauben, selbst wenn die Frau zustimmt.
Das heißt: Männer haben dafür die Verantwortung. Sie können nicht einfach abwarten, ob die Frau irgendwann sagt „so weiter, aber hier nicht“, sondern müssen sagen: Hier ist eine gottgesetzte Grenze, die einzuhalten ist.
Ich kann mir vorstellen, dass diese Gebote und Regelungen uns zeigen, dass wir an vielen Stellen Gottes gute Gebote nicht gehalten, seine Gesetze übertreten und seine Rechtsordnung nicht geachtet haben.
Das sind nur einige wenige Beispiele, die wir gerade betrachtet haben. Aber es sollte eigentlich genügen, um uns von Sünde zu überführen.
In den Versen 17 und 19 befindet sich quasi ein Einschub zwischen den großen Teilen unseres Predigttextes. Dabei geht es um drei Bereiche, in denen Gott keine Wiedergutmachung anordnet.
Auf gut Deutsch: Es kann keine Wiedergutmachung geben bei so radikalen Fällen, wie wir sie hier sehen. Es heißt: „Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen.“ Wer einem Vieh beiwohnt, der soll des Todes sterben. Wer den Göttern opfert und nicht dem Herrn allein, der soll dem Bann verfallen.
Diese Vergehen sind also nicht Vergehen gegen irgendwelche anderen Menschen, sondern Vergehen direkt gegen Gott und seine Heiligkeit. Durch das Gesetz verdeutlicht Gott, dass Menschen, die so leben und sich vollkommen von ihm abwenden, sich finsteren Mächten und falschen Göttern zuwenden, keine Wiedergutmachung mehr möglich ist. Sie sollen sterben.
Ich möchte bewusst sagen: Manchmal kommen Menschen zu mir, die es mit Magie oder mit Götzendienst in radikaler Form zu tun hatten, und fragen: Ist denn für mich überhaupt noch Hoffnung? Nun, ich kann euch mit der Autorität von Gottes Wort sagen: Ja.
1. Petrus 4,1-3 macht sehr deutlich, dass Petrus den Leuten, denen er schreibt, sagt: Auch ihr wart, einige von euch waren solche Leute, aber jetzt seid ihr es nicht mehr – aufgrund der Gnade Gottes. Also lebt anders!
Aber das darf uns nicht dazu bringen zu sagen, diese Dinge sind ja auch nicht so wild. Gott macht deutlich: Wer so lebt und in einer solchen Sünde verharrt, der wird keine Gnade finden am Tag des Gerichts. Das sind Menschen, die von Gott komplett abgewichen sind und sich anderen Dingen hingegeben haben. Für sie gibt es keine Rettung, keine Wiedergutmachung möglich.
Das ist der erste Teil des Gesetzes, der uns überführen soll. Es handelt sich um den Abschnitt, in dem es um Eigentumsvergehen geht. Ab Vers 20 beginnt dann der zweite Teil. Dort geht es mehr um das Miteinander im gelobten Land.
Die Verse 20 bis 26 regeln durch ein Gesetz das Verhalten gegenüber besonders Schutzbedürftigen. Auch hier lese ich zunächst nur die ersten drei Verse, 20 bis 22:
„Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken, denn ihr seid auch Fremdlinge im Ägyptenland gewesen. Ihr sollt Witwen und Waisen nicht bedrücken. Wirst du sie bedrücken, werden sie zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören, spricht der Herr.“
Das macht Gott im weiteren Verlauf noch deutlicher: Er hat in besonderer Weise Acht auf die Armen und Schwachen. Sie soll man achten und nicht unterdrücken. Das sind die leichten Opfer in jeder Gesellschaft. Gott sagt, für diese Menschen tritt er ein. Wer sich mit ihnen anlegt, legt sich mit Gott an.
Gott vergleicht sich gewissermaßen mit dem großen Bruder auf dem Schulhof. Dort ist der kleine Bruder oder die kleine Schwester oft das beliebte Opfer für Mobbing. Jeder macht sich über sie lustig oder fügt ihnen Schaden zu. Dann kommt der große Bruder auf den Schulhof, der wirklich stark ist, und fragt: „Wer hat hier gerade meinem kleinen Bruder etwas getan?“ Alle verkriechen sich. Beim nächsten Mal wissen alle: „Boah, das ist der große Bruder, den behandeln wir besser gut.“
Gott sagt: Ich bin dieser große Bruder. Ich achte besonders auf die Schwachen. Tut ihnen nichts an, respektiert sie, achtet sie und behandelt sie gut. Gott macht deutlich: Mit mir ist nicht zu spaßen. Ich trete ein für Gerechtigkeit, besonders für die Schwachen und Schutzbedürftigen.
Dass mit Gott nicht zu spaßen ist und dass Gott zu fürchten ist, wird auch im nächsten Abschnitt deutlich, in den Versen 27 bis 30. Ich lese dazu die Verse 27 und 28:
„Gott sollst du nicht lästern, und einem Obersten in deinem Volk sollst du nicht fluchen. Den Ertrag deines Feldes und den Überfluss deines Weinbergs sollst du nicht zurückhalten. Deinen ersten Sohn sollst du mir geben.“
Auch das ist ganz schön herausfordernd, wenn wir es auf uns wirken lassen. Wie gehen wir mit den Obersten im Volk um? Ehren wir sie oder schimpfen wir schnell über sie? Ehren wir Gott, indem wir treu für sein Werk geben? Hier geht es um konkrete Anordnungen Gottes, was ihm zu geben ist.
Wir verstehen, dass Gott uns dazu aufruft, je nachdem wie Leute ihre Bibel auslegen, den Zehnten oder aus dem Überfluss, den Gott uns gegeben hat, in angemessener Weise mit frohem Herzen zu geben. Eine gute Frage für uns lautet: Wie sieht es bei uns aus? Sind wir darauf bedacht, Gott zu geben?
Ich erzähle immer mal wieder gerne das Beispiel von einem jungen Freund, den ich ein bisschen gementort habe, als ich selbst noch gar kein Pastor war – das ist viele Jahre her. An einem Samstag haben wir zusammen gearbeitet und dabei geredet. Er meinte: „Matthias, ich wollte mit dir mal über den Zehnten reden.“ Da dachte ich schon: „Jetzt das wieder!“ Ich hatte erwartet, dass er sagt: „Das ist aber krass, ich komme aus der Landeskirche, da gibt man irgendwie ein bisschen Kirchensteuer, aber der Zehnte – zehn Prozent – das ist heftig.“
Aber er kam mit einer ganz anderen Frage: „Habe ich das richtig verstanden, dass die Bibel sagt, alles, was wir haben, kommt von Gott? Also Gott gibt mir hundert Prozent?“ – „Ja, das stimmt.“ – „Okay, und dann sagt die Bibel, ich darf neunzig Prozent behalten?“ – „Ja.“ – „Wow, das ist ein guter Deal!“ Das hat mich überführt.
Gott sagt also deutlich, wie wir leben sollen: Ihn ehren und die Obersten, die durch ihn eingesetzt sind, ehren. Dann spricht er auch noch über die Nächsten- und Feindesliebe sowie über unser allgemeines Engagement für Gerechtigkeit. Das sind die ersten neun Verse aus Kapitel 23. Auch diese sind sehr herausfordernd.
Ich möchte euch ermutigen, diese Verse wirklich wie einen Spiegel zu sehen, den Gott euch vorhält. So könnt ihr schauen, wo es passt und wo vielleicht noch nicht. Wo braucht ihr Gottes Gnade, wo braucht ihr Veränderung?
Hier einige der Verse:
„Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten. Du sollst nicht einem Schuldigen Beistand leisten und kein falscher Zeuge sein. Du sollst der Menge nicht auf dem Weg zum Bösen folgen und nicht zu Antworten vor Gericht der Menge nachgeben und vom Rechten abweichen. Du sollst den Geringen nicht begünstigen in seiner Sache. Wenn du dem Rind oder Esel deines Feindes begegnest, die sich verirrt haben, so sollst du sie ihm wieder zuführen. Wenn du den Esel deines Widersachers unter seiner Last liegen siehst, so lass ihn ja nicht im Stich, sondern hilf mit ihm zusammen dem Tier auf. Du sollst das Recht deines Armen nicht beugen in seiner Sache. Halte dich fern von einer Sache, bei der Lüge im Spiel ist. Den Unschuldigen und den, der im Recht ist, sollst du nicht töten, denn ich lasse den Schuldigen nicht Recht haben. Du sollst dich nicht durch Geschenke bestechen lassen. Denn Geschenke machen den Sehenden blind und vertreten die Sache derer, die ihm recht sind. Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken, denn ihr wisst um das Herz der Fremdlinge, weil ihr auch Fremdlinge im Ägyptenland gewesen seid.“
Lass das noch einmal kurz zusammenfassen: Wir sollen keine Gerüchte verbreiten, schon gar nicht, wenn sie eventuell nicht der Wahrheit entsprechen. Wir sollen nicht einfach mitmachen bei dem, was die anderen tun, wenn es Gott verbietet. Wir sollen unseren Feinden helfen, wenn wir sehen, dass sie sonst Schaden erleiden würden. Wir sollen ihnen aktiv helfen.
Wir sollen uns fernhalten von aller Lüge und allem Unrecht. Wir sollen uns nicht bestechen und manipulieren lassen. Und wir sollen vor allem die Ausländer im Blick haben.
Wie sieht es bei dir aus? Passt das alles? Check, check, check, check, check.
Und nochmal: Das sind nur einige konkrete Anwendungen des göttlichen Gesetzes.
Nun, ich hoffe, keiner von uns sagt heute: „Bei mir passt alles, ich brauche keine Gnade, ich brauche keine Veränderung. Top, läuft.“ Dann höre, was der Apostel Paulus dir zu sagen hat.
Im Römerbrief, Kapitel 3, nach einer langen Ausführung, sagt er: „Wir wissen aber, was das Gesetz sagt. Das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind, damit allen der Mund gestoppt werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, weil kein Mensch durch die Werke des Gesetzes vor ihm gerecht sein kann. Denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“
Etwas später fährt er fort: „Denn es ist hier kein Unterschied, sie sind allesamt Sünder unter Mangel des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollen.“ Ich hoffe, wir erkennen an Gottes Gesetz, dass wir Gottes Gnade brauchen.
Wir haben das in der Hinführung zur Predigt schon gehört, wie das Gesetz uns letztendlich genau dahin bringen soll. Im Galaterbrief bringt Paulus das so wunderbar zum Ausdruck, wenn er sagt: „Was soll dann das Gesetz?“ und auf die Frage selbst antwortet: „So ist das Gesetz unser Zuchtmeister gewesen auf Christus hin, damit wir durch den Glauben gerecht würden.“
Ich hoffe, dass unser Predigttext heute und die Predigttexte in diesen Wochen genau das in uns bewirken. Mein Gebet ist, dass wir durch das Gesetz von unseren Sünden überführt werden, aber dass wir dann nicht dort stehenbleiben. Das Gesetz sollte uns in die Arme Jesu treiben.
Dazu hat Gott uns das Gesetz gegeben, damit wir noch klarer erkennen können, dass wir aus uns heraus vor Gott nicht bestehen können. So erkennen wir, dass wir einen Retter brauchen. Wir schauen auf Jesus, kommen voller Dankbarkeit zu ihm und finden Gnade da, wo wir Gnade brauchen.
So wie das Gesetz geschrieben ist, hat nur Jesus das erfüllt, was das Gesetz fordert. Ich habe vorhin vom Spiegel des Gesetzes gesprochen, in den wir hineinschauen können. Ich möchte sagen: Wenn du wirklich in diesen Spiegel des Gesetzes schaust und das Gesetz erkennst, dann hoffe ich, dass du auf der anderen Seite des Spiegels im Spiegelbild nicht dich selbst siehst.
Du siehst in diesem Spiegel alles, was nicht passt – die ganzen Diskrepanzen zwischen Gesetz und Ich. Das ist nicht identisch. Dann schaust du, was das Gesetz genau widerspiegelt. Da siehst du Jesus.
Das Gesetz zeigt uns, wie Jesus ist. Er allein war voller Gnade und Wahrheit. Das Gesetz zeigt sich in all dem, was er uns zeigt – in all dem, wie Jesus wirklich gelebt hat. Er ist doch derjenige, der sich der Schwachen und Hilfsbedürftigen annimmt.
Wenn wir ganz ehrlich sind und uns im Gesetz als Sünder erkennen, dann möchte ich dich fragen: Wer sind eigentlich die Schwachen und Hilfsbedürftigen? Irgendwelche anderen oder du?
Jesus sieht uns als die Schwachen und Hilfsbedürftigen. Er sieht in uns die, die Hilfe brauchen, weil sie zu Recht unter dem Gericht Gottes stünden. Und er kommt an unsere Seite. Er ist der große Bruder, der an unsere Seite tritt, um all das, was wir an Strafe – nicht ungerechterweise, sondern gerechterweise – verdient hätten, auf sich zu nehmen.
Das heißt, er erfüllt das Gesetz perfekt und nimmt dann die Strafanordnungen des Gesetzes auf sich. Wir haben in Kapitel 22, Verse 17 bis 19 drei Aussagen gefunden, in denen deutlich wird, dass die Todesstrafe die einzige Option ist bei bestimmten Vergehen – nämlich immer dann, wenn Menschen sich klar von Gott abwenden.
Ich habe gesagt, das sind Präzedenzfälle, das sind Beispiele. Wenn wir das weiterdenken, dann müssen wir feststellen: Wir alle haben uns von Gott abgewandt, wir alle haben Gott ignoriert und ihn nicht Gott sein lassen. Wir alle haben uns Götzen gemacht und unser Leben in Anbetung für diese Götzen gelebt.
Von daher haben wir alle die Todesstrafe verdient. Aber Jesus hat eben nicht nur das Gesetz für uns gehalten, er hat auch die gerechte Strafe des Gesetzes auf sich genommen. So ist er, nachdem er das perfekte Leben gelebt hat, das wir hätten leben sollen, ans Kreuz gegangen, um den Tod zu sterben, den wir verdient gehabt hätten.
Dann hat er den Tod überwunden, ist auferstanden und zeigt uns, dass er der lebendige Herr ist, zu dem wir kommen können, bei dem wir Gnade finden können – da, wo wir Gnade brauchen.
Wir werden das hier jeden Sonntag predigen, und ich möchte es auch heute sagen: Wenn du diese wunderbare Botschaft, diese Gnadenbotschaft von dem, der gekommen ist, um für dich so zu leben, wie du hättest leben sollen, und den Tod zu sterben, den du verdient gehabt hättest, noch nicht wirklich gehört und verstanden hast, wenn du sie noch nicht wirklich im Glauben angenommen hast, dann lass dich heute rufen.
Erkenne, wie gut Jesus ist. Erkenne, dass du nicht gut genug bist, aber er ist es. Deswegen wirst du aus dir heraus nie die Gerechtigkeit haben, die das Gesetz fordert. Aber Jesus hat sie, und sie wird dir zugerechnet, wenn du zu ihm fliehst.
Er wird sie dir schenken, er wird dir all dein Unrecht nehmen und es mit sich ans Kreuz nehmen. Er wird dir seine perfekte Gerechtigkeit schenken, so dass du wissen darfst: Wenn du zu Jesus kommst, findest du inmitten des Gesetzes Gnade.
Wenn du noch mehr nachdenken möchtest oder vielleicht sogar musst, lade ich dich ein: Am 29. Juni beginnt der nächste Christseinendeckenkurs. Das ist eine gute Gelegenheit, dich noch einmal tiefer mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Wer bist du? Wer ist Jesus? Warum ist Jesus gekommen? Was hat Jesus für dich getan? Und was fordert Jesus jetzt von dir?
Ein erster wichtiger Aspekt ist, dass das Gesetz uns letztendlich Gottes Gnade offenbart – und zwar in dem, der das Gesetz perfekt erfüllt hat, in Jesus Christus. Aber das Gesetz zeigt uns Gottes Gnade noch auf eine andere Weise. Gottes Gnade wird bereits im Gesetz sichtbar. Es ist mir wichtig, dass wir das klar verstehen: Gottes Gnade kam nicht erst mit Jesus Christus. Das war nicht ein zweiter Gedanke, nachdem Gott erkannt hat, dass der Weg des Gesetzes nicht funktioniert und er deshalb Gnade geben muss.
Gott war nicht ursprünglich nur ein Gott des Gesetzes, der später zu einem Gott der Gnade wurde. Nein, Gott war schon immer ein Gott der Gnade. Tatsächlich sehen wir im Gesetz, wie sich Gottes Gnade genau dort offenbart. Das macht unser Predigttext dieser Woche sehr deutlich, wenn wir nur genau genug hinschauen.
All die Gesetze, die wir hier lesen, sind Ausdruck davon, dass Gott gnädig mit seinem Volk ist. Er gibt uns diese Strafandrohungen zum einen, um Menschen davon abzuhalten, falsche Wege zu gehen. In seiner Gnade überlässt er uns nicht uns selbst, sondern warnt uns durch diese Strafandrohungen.
In seiner Gnade stellt er sich schützend vor Menschen, deren Eigentum in Gefahr ist und vielleicht nicht respektiert würde. Er schützt aber auch diejenigen, die eine Straftat begangen haben.
Ich weiß nicht, ob euch das am Anfang aufgefallen ist: Zum Beispiel bei dem Dieb – wenn es noch finster ist und er erschlagen wird, dann ist das Pech. Aber wenn die Sonne schon aufgegangen ist, hast du kein Recht mehr, den Dieb zu erschlagen. Dann stellt sich Gott schützend vor den Dieb.
Durch all diese Strafanordnungen gibt Gott klare Grenzen vor: Das ist die maximal erlaubte Strafe. Ich hoffe, dass wir die Strafandrohungen genau so lesen. Sie sind Präzedenzfälle, die nicht sagen: „Immer genau so“, sondern: „Maximal so“.
Das hat auch Matthias Mockler letzte Woche deutlich gemacht mit dem Beispiel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Das ist das Maximum. Jesus lehrt uns im Neuen Testament, dass es natürlich auch in Ordnung und eigentlich sogar angebracht ist, nicht so weit zu gehen. Aber das ist die Grenze.
Diese Grenze ist Ausdruck der Gnade Gottes. Er schützt die Menschen vor unverhältnismäßig großen Strafen und sorgt für ein gutes Miteinander unter den Menschen, indem er schwer beurteilbare Situationen regelt.
Gott könnte sich aus all dem heraushalten. Das wäre sein gutes Recht. Er könnte sagen: „Regelt das mit euch selbst!“ Was habe ich damit zu tun? Ich habe euch gemacht, damit ihr sündenfrei lebt. Dann bräuchten wir gar kein Gesetz. Ich habe euch gemacht, damit ihr euch an mir erfreut und tut, was ich sage. Jetzt geht eure eigenen Wege, wunderbar, weg aus meiner Gegenwart. Regelt die Dinge, schlagt euch die Köpfe ein – das ist nicht mehr mein Geschäft.
Das wäre sein gutes Recht gewesen. Aber seht ihr, dass Gott ein Gesetz gibt? Das ist Ausdruck seiner Menschenliebe, seiner Barmherzigkeit und seiner Gnade. Gott müsste das nicht machen. Er müsste uns auch keine Gesetze geben, die das Miteinander der Menschen regeln. Er müsste sich nicht für die Schwachen und Schutzbedürftigen einsetzen.
Das hätte er nicht nötig. Die sind ja auch alle Sünder. Er könnte sagen: „Wisst ihr was? Fahrt doch alle zur Hölle.“ Das wäre sein gutes Recht gewesen. Aber Gott ist ein Gott der Gnade.
In unserem Predigttext offenbart uns Gott das. Ich weiß nicht, ob ihr das mitbekommen habt, in den Versen 25 und 26 – Kapitel 22, Verse 25 und 26 – heißt es: „Wenn du den Mantel deines Nächsten zum Pfand nimmst, sollst du ihn wiedergeben, ehe die Sonne untergeht. Denn sein Mantel ist seine einzige Decke für seinen Leib. Worin soll er sonst schlafen?“
Das ist eine sehr praktische Anordnung. Für uns ist das nicht mehr sonderlich relevant. Wenn heute jemand sagt, du hast noch Schulden bei mir, gib mir deine Jacke, dann musst du sie ja nicht abends wiederbringen, weil du eine Bettdecke zu Hause hast.
Aber damals, wenn du keinen Mantel hattest, in dem hast du geschlafen und wurdest warm gehalten. In der Wüste wurde es nachts sehr kalt. Du musstest den Mantel abends zurückgeben. Am nächsten Morgen musstest du ihn vielleicht wieder abgeben, weil du die Schuld noch hattest. Aber über Nacht, wenn du ihn wirklich brauchst, bekommst du den Mantel.
So sorgt Gott auch für Menschen, die zu Recht noch etwas zu leisten haben. Und dann sagt er: „Wird er aber zu mir schreien, so werde ich ihn erhören.“ Also wenn du den Mantel nicht zurückgibst, wird derjenige zu Gott schreien. Gott wird diesen Schrei erhören. Und dann sagt er: „Denn ich bin gnädig.“
Seht ihr, das Gesetz ist Ausdruck von Gottes Gnade. Es spiegelt sein Wesen wider. Unser Gott ist heilig, er ist gerecht, aber er ist eben auch gnädig.
Und wenn wir das erkennen und sagen: „Okay, ich bin durch das Gesetz meiner Sünde überführt, ich weiß, ich brauche die Gnade, die ich nur in Jesus Christus finden kann“, und jetzt lese ich das Gesetz als ein Begnadigter. Ich bin aufgerufen, Jesus nachzufolgen, jetzt freigesetzt, für Gott zu leben. Ja, dann will ich nach dem Gesetz leben, denn das Gesetz zeigt mir, wie ein Leben voller Gnade aussieht.
Deswegen, ihr Lieben, lasst mich euch ermutigen. Ich spreche hier ganz bewusst zu den Christen unter uns, und ich denke, das ist die große Masse von allen, die hier sind: Lasst uns das Eigentum anderer respektieren und schützen, egal was andere tun. Lasst uns den anderen nicht in die Sünde folgen. Lasst uns um Wiedergutmachung bemüht sein, da wo wir schuldig geworden sind. Da, wo es uns zumindest möglich ist, sollten wir das tun.
Andererseits dürfen wir nie vergessen, dass wir so abhängig von Gottes Gnade sind. Deshalb sollen wir denen, die uns Schaden zugefügt haben, mit Gnade begegnen – gerade im Wissen um die viel größere Gnade, die wir schon empfangen haben. Und lasst uns auch in unserem Miteinander aufrichtig und gerecht sein. Dabei sollten wir vor allem auf die Schutzbedürftigen und Ausgegrenzten bedacht sein. Dazu ruft uns Gottes Wort hier auf.
Das beginnt vielleicht für dich damit, dass du überhaupt erst überlegst: Wer sind hier in der Gemeinde diejenigen, die Außenseiter oder Fremdlinge sind? Vielleicht sind es Leute, die sozial ein bisschen anders sind als der Mainstream. Vielleicht sind es Menschen, die nicht ganz den EQ haben, den wir im Durchschnitt der Gemeinde haben – wir sind ja eine hochgebildete Gemeinde hier. Vielleicht sind es Leute, die aus dem Ausland kommen und die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen. Deswegen sind sie ein bisschen fremd und tun sich schwerer, mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Vielleicht sind es Menschen, die fliehen mussten und ihr Heimatland verlassen haben, so wie es hier beschrieben wird: Fremdling. Vielleicht sind es Leute, die in der Gemeinde fremd sind, weil sie ganz neu im christlichen Glauben sind, neu hier in der Gemeinde, und noch nicht genau wissen, wie man hier im Umgang miteinander lebt.
Lass dich herausfordern und hab Acht auf diese Menschen. Das heißt nicht nur: „Ja, ich tue denen ja nichts“, aber ich ignoriere sie. Vielleicht ist es eine gute Gelegenheit, auch heute nach dem Gottesdienst und jede Woche nach dem Gottesdienst zu sagen: „Ich möchte gerade mal schauen, wo sind die, die eher alleine sind, oder wo sind die, die immer nur mit den gleichen zwei oder drei Leuten reden können, weil sonst keiner zu ihnen hingeht.“
Ich habe in den letzten Wochen Aufnahmegespräche geführt mit Geschwistern aus verschiedensten Ländern. In einem Gespräch mit einem Bruder aus dem Iran habe ich ihn gefragt, wie es denn aussieht, ob er schon viele Leute kennt. Er sagte: „Ach Matthias, es ist wirklich schwierig. Ich spreche nicht so gut Deutsch.“ Dabei sprach er eigentlich ziemlich gut Deutsch. „Ich habe so das Gefühl, die wollen auch nicht mit mir reden.“
Er ist nicht ganz so schick gekleidet wie die meisten von uns, er spricht die Sprache nicht so gut, er ist ein bisschen schüchtern – er ist ein Fremdling in unserer Mitte. Oh, lasst uns auf solche Menschen bedacht sein und das Gesetz Gottes erfüllen – und gerade dadurch Gnade üben!
Denn wenn nicht wir alle Gnade brauchen, zugleich brauchen wir das Gesetz, das uns unser gnädiger Gott gegeben hat. So leben wir eben nicht gnadenlos, sondern so, wie es Gott gefällt und sein Wesen widerspiegelt. Denn noch einmal: Unser Gott ist heilig, gerecht und gnädig.
Ich bete mit uns.
Himmlischer Vater, danke für Dein Wort, das uns manchmal trifft und überführt. Gleichzeitig erkennen wir darin auch Deine Gnade. Du lässt uns nicht einfach so stehen, und Du klopfst uns nicht nur auf die Schulter, um uns zu bestätigen.
Ja, Dein Wort ist oft sehr tröstlich. Auch dieses Wort tröstet uns, denn nachdem Du uns von unserer Sünde überführst, offenbarst Du Dich uns in Deiner großen Gnade. Danke, dass wir wissen dürfen, dass wir mit all unserer Schuld zu Dir kommen können.
Ja, wir wissen, wir haben Schuld in unserem Leben. Herr, vergib uns, vergib uns und hilf uns, auch unseren Schuldigern zu vergeben. Herr, wir brauchen Deine Gnade. Hilf uns als Begnadigte, nicht gnadenlos zu leben, sondern so, wie Jesus gelebt hat – voller Gnade und Wahrheit.
Herr, präge so unser Miteinander. Mach uns zu Menschen, die in dieser Welt leben wie helle Lichter, wie Salz, das sichtbar wird für die Menschen um uns herum. So sollen die Menschen unser Miteinander sehen, unser Leben in dieser Gesellschaft wahrnehmen und erkennen, dass wir Deine Jünger sind – zu Deiner Ehre. Amen!