Heute Morgen beschäftigen wir uns mit dem Thema: die Bedeutung des Alten Testaments für Christen. Dabei liegt der Schwerpunkt besonders auf den Aspekten der Typologie und der Allegorie im Alten Testament.
Diese Begriffe mögen für manche zunächst fremd oder kompliziert erscheinen, doch keine Sorge – alles wird verständlich erklärt.
Die Inspiration und Bedeutung der Schrift
Einige Punkte als Einleitung: Was bedeutet das Alte Testament?
2. Timotheus 3,16 bezeugt als klassische Inspirationsstelle im Neuen Testament: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben, nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt.“
Als Erstes erfahren wir daraus, dass das Alte Testament – wie die ganze Bibel – mit „alle Schrift“ gemeint ist. Hier sind sowohl alttestamentliche als auch neutestamentliche Offenbarung eingeschlossen. Das Alte Testament gehört also mit zu Gottes inspirierter Offenbarung an uns Menschen.
Wichtig ist, dass diese Stelle nicht sagt, was auch korrekt wäre, dass die Bibelschreiber inspiriert waren. Stattdessen wird hier betont, dass das Geschriebene selbst inspiriert ist. Das geht noch weiter: Wenn die Bibelschreiber inspiriert waren, ist das eine Sache. Doch jemand könnte behaupten, dass sie bei der Abfassung eigene Gedanken hineingebracht hätten. Diese Stelle sagt jedoch ausdrücklich, dass das, was geschrieben steht, wortwörtlich von Gott eingegeben, von Gott inspiriert ist.
Ein zweiter Punkt ist, dass nicht nur das Neue Testament, sondern die ganze Schrift gemeint ist. Sie ist nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung und zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, um den Menschen Gottes vollkommen auszurüsten.
Wir brauchen also die ganze Schrift, um Gottes Lehre kennenzulernen und zur Überführung. Überführung bedeutet, wenn wir etwas Unrechtes tun, es aber nicht zugeben oder uns dessen nicht bewusst sind, dann braucht es Überführung. Das ist nicht dasselbe wie Zurechtweisung. Zurechtweisung korrigiert uns da, wo wir wissen, dass wir falsch liegen. Das ist eine feine Nuance.
Die Schrift dient sowohl zur Überführung als auch zur Zurechtweisung und dann zur Unterweisung. Unterweisung ist etwas Positives: Wir werden weitergeführt und lernen von Gott, was wirklich Gerechtigkeit ist.
Letztlich dient alles dazu, dass der Mensch Gottes – ein neutestamentlicher Begriff, der bereits im Alten Testament wurzelt – ausgerüstet ist für jedes gute Werk. Dazu braucht es sowohl das Alte als auch das Neue Testament.
Die Einheit von alttestamentlicher und neutestamentlicher Offenbarung
Warum behaupte ich, dass hier beide Testamente gemeint sind? Ich lese ab Vers 14: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast, und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die Heiligen Schriften kennst, die vermögen, dich weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist.“
In Vers 15 wird gesagt, dass Timotheus vom Säuglingsalter an die Heiligen Schriften kennt. Das griechische Wort „πρόφορος“ meint den Säugling, also jemanden, der bis etwa zum vierten Lebensjahr gesäugt wurde. Somit hat Timotheus von Kindesbeinen an die Heilige Schrift schon gehört, und zwar von seiner Mutter und seiner Großmutter. Er war im Judentum aufgewachsen, weshalb klar ist, dass hier das Alte Testament gemeint ist.
Aber in Vers 14 sagt der Apostel Paulus: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem beziehungsweise von welchen Personen du gelernt hast.“ Dieser Vers besagt, dass Timotheus von verschiedenen Personen gelernt hat – von Paulus und von anderen neutestamentlichen Aposteln beziehungsweise Propheten.
Damit haben wir in Vers 14 die neutestamentliche Offenbarung, und in Vers 15 das Alte Testament. Das wird dann in Vers 16 zusammengefasst mit „aller Schrift“, die von Gott eingegeben ist.
Hier wird nun erklärt, dass die Schrift weise macht zur Rettung (Vers 15) – das Alte Testament. Es zeigt also, wie der Mensch in schwierigen Situationen und Versuchungen von Gott daraus gerettet werden kann.
Es geht hier nicht um das Heil, das ewige Heil, denn das hat Timotheus bereits. Vielmehr wird ihm gesagt: Die Schrift macht dich weise zur Rettung durch den Glauben. Timotheus kam immer wieder in Versuchungen und Schwierigkeiten, und gerade das Alte Testament kann helfen, daraus gerettet zu werden – durch den Glauben, der in Christus ist.
Die Offenbarung Jesu Christi im Alten Testament
Weiter ein vierter Punkt: Das Alte Testament offenbart Jesus Christus.
Der Auferstandene begegnet den Emmaus-Jüngern in Lukas 24. Dort lese ich ab Vers 25: „Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen und Trägen Herzens! Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen, um alles zu erfüllen, was die Propheten geredet haben?“
Von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf. Das war ein wunderbarer Unterricht von etwa zwei Stunden, so lange dauert der Weg von Jerusalem nach Emmaus.
Sie erhielten eine Übersicht über das ganze Alte Testament: Mose, die Propheten und schließlich alle Schriften, die das betrafen, was Jesus erfüllte.
Im gleichen Kapitel, Vers 44, steht: Der Auferstandene, in der Mitte der elf Apostel, spricht: „Dies sind die Worte, die ich zu euch redete, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was über mich geschrieben steht im Gesetz Mose, den Propheten und den Psalmen.“
Dann öffnete er ihnen das Verständnis, um die Schriften zu verstehen.
Im Gesetz Mose, das ist in der hebräischen Bibel der erste Teil. Die Propheten sind der zweite Teil, beginnend mit Josua, Richter und so weiter, mit den großen und kleinen Propheten. Die Psalmen bilden den dritten Teil. Die hebräische Bibel hat eine andere Anordnung als unsere deutsche Bibel. Die Psalmen stehen jeweils an der Spitze dieses dritten Teils.
Kurz gesagt: Im gesamten Alten Testament wird auf Jesus Christus hingewiesen, und all dies wurde in seinem ersten Kommen erfüllt.
In Johannes 5,39 richtet sich der Herr an die Pharisäer, die führenden Schriftgelehrten, und sagt: „Ihr erforscht die Schriften, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben; und sie sind es, die von mir zeugen.“
Im gleichen Kapitel, Verse 45 bis 46, sagt Jesus weiter: „Meint nicht, dass ich euch beim Vater verklagen werde. Da ist einer, der euch verklagt: Mose, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt. Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr auch mir glauben; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“
Jesus Christus findet sich im Gesetz Mose, in seinen Schriften – den fünf Büchern, die am Anfang der Bibel stehen. Sie weisen auf Jesus Christus hin und sind in völliger Übereinstimmung mit ihm.
Wenn man seinen Schriften nicht glaubt, also dem Pentateuch, den fünf Büchern Mose, dann glaubt man auch nicht an Jesus Christus. Wenn man Jesus Christus glaubt, glaubt man auch den fünf Büchern Mose.
Das Gesetz als Schatten der zukünftigen Güter
Und noch weiter heißt es in Hebräer 10: „Denn das Gesetz hat nur einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht aber das Ebenbild selbst. Daher kann es durch dieselben Schlachtopfer, die alljährlich ununterbrochen dargebracht werden, die Hinzutretenden nicht vollkommen machen.“
Hier wird erklärt, dass das Gesetz, die Tora, einen Schatten der zukünftigen Güter hat. Die zukünftigen Güter im Hebräerbrief bezeichnen all die Segnungen, die der Messias einmal einführen sollte. Das Gesetz weist also in Schattenbildern auf das hin, was in Christus konkret kommen sollte.
Dazu noch Kolosser 2, Vers 17: Der Apostel Paulus erklärt, dass Christen nicht verurteilt werden können, wenn sie zum Beispiel den Sabbat nicht einhalten. Das Sabbatgebot wurde Israel gegeben und nicht der Gemeinde. In diesem Zusammenhang sagt er: „So richte euch nun niemand in Bezug auf Speise oder Trank oder im Hinblick auf ein Fest oder auf Neumonde oder auf Sabbate, die ein Schatten der zukünftigen Dinge sind; der Körper aber ist Christus.“
Alle diese Dinge, die im Gesetz Mose angeordnet sind – in Bezug auf Speise, Trank, verschiedene jüdische Feste, das Neumondfest und die Sabbate – sind alle ein Schatten der zukünftigen Dinge. So wie ein Schatten einen Hinweis auf den Körper gibt, der den Schatten wirft, so weist das Alte Testament auf Jesus Christus und das, was er bringen sollte, hin.
Der Körper, der den Schatten wirft, also die dreidimensionale Realität, findet sich im Neuen Testament in Christus erfüllt. Bereits das Alte Testament mit all seinen Einrichtungen weist in allen Details auf Jesus Christus und das, was er bringen sollte, hin.
Nun ist uns natürlich klar: Ein Schatten ist nicht dasselbe wie der Körper. Der Schatten hat nur zwei Dimensionen, der Körper hat drei Dimensionen. Je nach Lichteinfall ist der Schatten etwas verzogen, und es ist nicht immer möglich, vom Schatten auf den Körper zu schließen, wenn man den Körper nicht kennt. Aber wenn man den Körper kennt, kann man Rückschlüsse auf den Schatten ziehen.
So ist das Verhältnis von Altem und Neuem Testament: Im Alten Testament haben wir die Schattenbilder, im Neuen Testament die Erfüllung. Wenn wir die Erfüllung in Christus haben, also neutestamentlich, können wir diese Vorausdeutungen verstehen.
Augustinus hat gesagt: „Das Neue Testament ist im Alten verhüllt, und das Alte Testament ist im Neuen enthüllt.“ Das zeigt wunderbar die Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament.
Wir haben also einerseits ganz direkte Prophezeiungen, auf die Jesus Christus in Lukas 24 hingewiesen hat, und andererseits eine Unzahl von Schattenbildern. All das gehört nun hier zu Punkt vier.
Das Alte Testament als Belehrung für Christen
Punkt fünf
Das Alte Testament ist ausdrücklich für Christen geschrieben worden. In Römer 15,4 heißt es zunächst: „Denn alles, was zuvor geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben.“ Deutlicher könnte man es kaum sagen. Alles, was vorher, das heißt im Alten Testament, aufgeschrieben wurde, ist zu unserer Belehrung geschrieben. Paulus richtet sich hier an die neutestamentlichen Gläubigen, die Christen.
Es bewirkt Ausharren, also die Fähigkeit, auszuhalten und warten zu können, und es ermutigt. So können wir wirklich in der Hoffnung des Glaubens leben – das sagt dieser Vers.
Dann in 1. Korinther 10,11 berichtet Paulus über die Zeit nach dem Auszug aus Ägypten, über die Schechina, über das Rote Meer, durch das Israel hindurchgezogen ist. Er spricht über das Manna, über das Wasser aus dem Felsen, über den Fels selbst und was sonst in der Wüste geschehen ist. Schließlich sagt er in Vers 11: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche das Ende der Zeitalter gekommen ist.“
Hier wird wieder ausdrücklich gesagt: All diese Dinge in Verbindung mit Israel sind für uns geschrieben worden, für die Christen. Das geht also sehr, sehr weit. Das Alte Testament ist für die Christen geschrieben worden. Das heißt nicht, dass es nicht auch für Israel aufgeschrieben wurde, aber es ist ausdrücklich für die Christen geschrieben worden, zu unserer Belehrung.
Im gleichen Kapitel, als nächster Punkt, heißt es in 1. Korinther 10,6: Nachdem diese Einzelheiten aus der Zeit nach dem Exodus aus Ägypten berichtet worden sind, steht dort: „Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, dass wir nicht nach bösen Dingen gelüsten, gleich wie auch jene gelüsteten.“
Hier wird also gesagt, dass das, was Israel in der Wüste erlebt hat, sie für uns erlebt haben. Es heißt nun nicht, es sei für uns aufgeschrieben, sondern die Dinge haben sich für uns ereignet. Das sind zwei verschiedene Dinge, und beide sind wahr. Das, was aufgeschrieben worden ist, ist für uns aufgeschrieben, aber auch das, was sich damals ereignet hat, hat sich für uns ereignet, damit wir aus diesen Dingen konkret für unser Leben Lektionen ziehen.
Die Befreiung vom Gesetz des Sinai für Christen
Jetzt haben wir aber einen Konflikt. Es ist eine Tatsache: Christen stehen nicht unter dem Gesetz vom Sinai.
Das Gesetz vom Sinai, beschrieben ab 2. Mose 19, legt dar, wie Israel als Nation einen Bund mit Gott einging. Zuerst erhielten sie die zehn Gebote mündlich und dann schriftlich. Darauf folgten Hunderte weiterer Gebote, die in den Büchern Zweite, Dritte, Vierte und Fünfte Mose aufgeschrieben sind. Zusammen bilden diese das Gesetz vom Sinai.
Dieser Bund wurde jedoch mit dem Volk Israel geschlossen, nicht mit allen Völkern.
In Galater 4, Vers 4-5 wird erklärt: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz, damit er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen.“ Hier wird ausdrücklich gesagt, dass der Messias als Jude unter dem Gesetz von Sinai stand. Er kam, um die Juden, die an ihn glauben würden, vom Gesetz loszukaufen.
Das bedeutet, dass Juden, die zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, nicht mehr in diesem Bund vom Sinai eingeschlossen sind. Auch heute noch gilt: Ein Jude muss sich beschneiden lassen, den Sabbat beobachten und alle Gebote einhalten, solange er nicht Christ geworden ist. Das Gesetz ist nie aufgehoben worden. Aber die Juden, die zum Glauben an den Messias gekommen sind, sind aus diesem Bündnispaket losgekauft.
Weiter lesen wir in Römer 7,1-6, wo das Bündnis vom Sinai mit einem Ehebund verglichen wird. Es wird erklärt: Solange der Ehepartner lebt, ist die Ehefrau an ihren Mann gebunden. Erst mit dem Tod wird diese Bindung aufgehoben. Wenn nun der Tod des Ehemannes eingetreten ist, ist die Frau frei, sich neu zu verheiraten.
Diese Erklärung wird übertragen auf die Gläubigen: Als jüdische Gläubige wart ihr in diesem Bündnis drin, und daraus kommt man nur durch den Tod heraus. Da ihr aber an Jesus Christus geglaubt habt und sein Tod euch von Gott zugerechnet wird, seid ihr in Gottes Augen gestorben. So seid ihr durch den Tod Christi vom Gesetz freigemacht.
Das bedeutet jedoch nicht, dass ihr gesetzlos geworden seid. Diese Verse erklären, dass ihr jetzt mit dem Auferstandenen verbunden seid. Deshalb steht ihr nicht mehr unter dem Gesetz von Sinai, sondern unter der Herrschaft von Christus, dem Messias.
In Galater 6, Vers 2 werden seine Gebote genannt: „das Gesetz des Christus“, „das Gesetz des Messias“. In der rabbinischen Literatur, zum Beispiel im Midrasch zum Buch Prediger (Midrasch Kohelet), wird erklärt, dass der Messias ein neues Gesetz, eine neue Tora, bringen wird. Diese neue Tora ist so erhaben, dass man die jetzige Tora, die wir lernen, nicht mit der Tora vergleichen kann, die der Messias bringt.
In diesem neuen Gesetz sind alle neutestamentlichen Gebote enthalten, die in ihrer moralischen Bedeutung über die Gebote vom Sinai hinausgehen. Zum Beispiel sagte das Gesetz nur: „Du sollst nicht Ehe brechen.“ Aber das Neue Testament sagt in Epheser 5, dass die Männer ihre Frauen so lieben sollen, dass sie bereit sind, ihr Leben für sie hinzugeben. Das ist mehr als nur keinen Ehebruch zu begehen. Das ist das Gesetz des Christus, das darüber hinausgeht.
Alle Gebote, die im Neuen Testament nicht mehr zu finden sind, wie das Sabbatgebot, die Speisegebote oder die Opfergebote, gehören alle zu dem Bündnispaket vom Sinai. Christen sind diesem Bündnis nicht mehr unterstellt – das gilt für jüdische Christen ebenso wie für diejenigen ohne jüdische Vorfahren. Diese waren auch nie unter das Gesetz gestellt und mussten daher nicht von ihm befreit werden.
Römer 10, Vers 4 erklärt abschließend: „Christus ist des Gesetzes Ende.“
Die Funktion des Gesetzes heute
Jetzt kann man sich fragen: Was soll das Gesetz heute noch? In 1. Timotheus 1,8-11 wird erklärt, dass das Gesetz nicht für Gerechte bestimmt ist, also für Menschen, die durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt worden sind. Es ist vielmehr für Sünder gedacht, denn anhand dieser Gebote kann man Menschen zeigen, dass sie Sünder sind.
Das glaubt uns in unserer Gesellschaft kaum jemand. In Afrika ist das zum Beispiel ganz anders. Dort ist es traditionell klar, dass Menschen vor dem Schöpfergott schuldig sind. Dieses Bewusstsein ist dort tief verankert. In unserer Gesellschaft hingegen ist das nicht mehr so, weil man versucht hat, den Schöpfergott wegzudiskutieren.
Deshalb müssen wir zuerst eine Grundlage schaffen, damit Menschen sich bewusst werden: Ich bin schuldig. Dafür muss man ihnen die Gebote vom Sinai zeigen, also Gottes Rechtsanforderungen. Das Gesetz hat also immer noch Gültigkeit, um Menschen zu überführen, dass sie Sünder sind und einen Erlöser brauchen.
Das war ja die Funktion des Gesetzes vom Sinai. Bis Christus kam, sollte damit dem Volk Israel die Notwendigkeit klar gemacht werden: Ihr braucht einen Erlöser. Und dann kam der Erlöser.
Weiter heißt es im Neuen Testament, in Römer 7,14: Das Gesetz ist geistlich, also durchdrungen von der Weisheit des Geistes Gottes. Außerdem wird in Römer 7,12 gesagt: Das Gesetz ist heilig, gerecht und gut.
Das Gesetz vom Sinai ist ein wunderbares Gesetz. Es ist heilig, gerecht und gut. Aber wir müssen es für die richtigen Leute anwenden.
Die Notwendigkeit von altem und neuem Testament für den ganzen Ratschluss Gottes
Ohne Altes und Neues Testament könnten wir nie den ganzen Ratschluss Gottes kennenlernen.
Der Apostel Paulus hielt eine Ansprache an die Ältesten von Ephesus und erklärte nach den Jahren seines Missionsdienstes in dieser Stadt: „Denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“ (Apostelgeschichte).
Wenn wir nur das Neue Testament hätten, was wüssten wir über die Schöpfung? Natürlich wird die Schöpfung im Neuen Testament erwähnt, aber sie wird uns nicht detailliert berichtet. Erste Mose Kapitel 1 und 2 erklären uns jedoch vieles darüber.
Wenn wir den ganzen Ratschluss von Anfang der Heilszeit an verstehen wollen, brauchen wir das Alte Testament. So verhält es sich mit der gesamten weiteren Heilsgeschichte: Im Neuen Testament wird immer wieder darauf angespielt, aber ohne das Alte Testament könnten wir sie nicht kennen.
Um den ganzen Ratschluss Gottes zu kennen, brauchen wir also Altes und Neues Testament.
Weiter sagt Paulus in Vers 26: „Deshalb bezeuge ich euch an dem heutigen Tag, dass ich rein bin von dem Blut aller, denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen.“ Paulus erklärt, dass er keine Blutschuld trägt, weil er den ganzen Ratschluss verkündet hat – vom Anfang bis zur Wiederkunft Christi, dem tausendjährigen Reich, dem neuen Himmel und der neuen Erde.
Hätte Paulus das nicht getan, hätte er dadurch Blutschuld auf sich geladen. Dies ist eine Anspielung auf Ezechiel 3, wo Gott sagt: „Wenn ich zu dem Gesetzlosen spreche: ‚Du sollst gewisslich sterben‘, und du warnst ihn nicht, dann werde ich sein Blut von dir fordern.“ Dieses Prinzip wird hier auch auf die Gemeinde angewendet.
Wenn also in der Gemeinde nicht der ganze Ratschluss Gottes verkündigt wird, machen sich die Verkündiger schuldig vor Gott – sie tragen Blutschuld. Wie könnten wir dieser Blutschuld entgehen, wenn wir nicht das Alte Testament hätten?
Es zeigt auch, wie wichtig es ist, über das ganze Alte Testament und das Neue zu predigen. So haben wir den ganzen Ratschluss Gottes.
Die Typologie und Allegorie als Schlüssel zum Verständnis des Alten Testaments
Nun haben wir natürlich vielleicht ein Problem: Ja gut, wenn wir nicht mehr oder nicht unter dem Gesetz von Sinai stehen, was sollen dann all diese Gebote? Was können wir daraus entnehmen? Das wirkt ja irgendwie herausgeschnitten. Gerade das Thema der Typologie und der Allegorie hilft uns hier weiter.
Jetzt kommen einige schwierige Ausdrücke, die wir aber gemeinsam klären. Typologie heißt auf Deutsch die Lehre der Vorbilder. Dabei können wir zwei Arten von Typologie unterscheiden: die horizontale Typologie und die vertikale Typologie.
Die horizontale Typologie bezieht sich auf geschichtliche Fakten, Personen, Ereignisse und Einrichtungen, die Vorausdarstellungen von zukünftigen Ereignissen sind. Das lässt sich am besten anhand eines Beispiels zeigen.
Nehmen wir Joseph. Joseph wurde von seinen Brüdern gehasst und abgelehnt. Hier sehen wir eine Parallele zu Jesus Christus, der später von seinem Volk, von der Masse des Volkes, gehasst und abgelehnt wurde. Joseph wurde an Heiden verkauft, und so wurde Jesus Christus analog den Römern übergeben. Joseph kam ins Gefängnis, Jesus Christus ging in den Tod. Joseph kam aus dem Gefängnis heraus und wurde zum Herrscher über Ägypten. Jesus Christus ist von den Toten auferstanden und wurde Herrscher von Millionen Heiden, Nichtjuden auf der ganzen Welt.
Aber die Masse des jüdischen Volkes hat ihn nicht erkannt, während Millionen Heiden ihn erkannt haben. So war es auch bei Joseph: Ägypten hat Josephs Herrschaft anerkannt, aber seine Brüder hatten keine Beziehung zu ihm. Doch der Tag kam, an dem die Brüder Josephs in große Drangsal gerieten. In dieser Notzeit offenbarte sich Joseph ihnen schließlich offen.
So wird es auch mit dem Volk Israel kommen: Sie werden in die große Drangsal hineinkommen, wie es die Prophetie sagt. In dieser Zeit werden sie den Messias, Jesus, erkennen. Er wird wiederkommen und sich ihnen offenbaren. Sacharja 12,10 sagt: „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben.“
Wir sehen also, wie alttestamentliche Personen, geschichtliche Fakten und Ereignisse Vorausdarstellungen von zukünftigen Ereignissen sind. So wird zum Beispiel in Römer 5,14 gesagt, dass Adam ein Typos, ein Vorbild von Christus sei. Er ist eine solche Vorausdarstellung.
Oder in 1. Korinther 10,6 und 12 lesen wir von den Ereignissen auf der Wüstenreise: „Diese Dinge aber sind als Vorbilder (typoi, im Griechischen) für uns geschehen, damit wir nicht nach bösen Dingen gelüsten, gleich wie auch jene gelüsteten.“ Die Ereignisse haben also einen Sinn als Vorausdarstellungen für die Christen.
In Vers 11 heißt es weiter: „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Typen (wieder typoi) und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung.“ Also sind das alles Vorausdarstellungen, die für die Christen Bedeutung haben.
Das Wort „typos“ auf Griechisch, das wir jetzt dreimal im Neuen Testament gefunden haben – Römer 5,14, 1. Korinther 10,6 und 12 – bedeutet Abbild, Umriss, Muster, Form oder auch hohle Form.
Gerade in Römer 5,12 wird erklärt: Die Sünde ist durch einen Menschen in die Welt gekommen. Aber die Lösung des Sündenproblems ist auch durch einen Menschen gekommen. Es wird verglichen: So wie durch Adam alle Menschen in die Stellung der Sünde gekommen sind, so werden alle, die an Christus glauben, durch ihn in die Stellung der Gerechten versetzt.
Adam steht gewissermaßen als Haupt der Menschheit, und Christus steht als Haupt all der erlösten Menschen. So ist Adam eine Vorausdarstellung, aber hier mit umgekehrten Vorzeichen.
Darum ist es interessant, dass „typos“ auch „hohle Form“ bedeuten kann. Die hohle Form ist spiegelverkehrt gegenüber der Abbildung, die man aus der hohlen Form macht. So ist Adam gewissermaßen ein Negativ von dem Positiv in Christus. Typen können manchmal eben gerade den Gegensatz im Vergleich deutlich machen.
Weiter gibt es neben dieser horizontalen Typologie auch die vertikale Typologie. Irdische Dinge sind eine Abbildung von himmlischen Vorlagen.
In 2. Mose 25,9; 40,26-30 und 27,8 wurde Mose gesagt, er solle die Stiftshütte, den transportablen Tempel, genau so bauen, wie die Vorlage, die ihm auf dem Berg gezeigt worden war. Diese Vorlage war der Tempel Gottes im Himmel.
Offenbarung 11,19 spricht ausdrücklich über den Tempel Gottes im Himmel. Die Stiftshütte war also ein Abbild, eine Kopie eines himmlischen Originals.
Das wird auch im Neuen Testament wiederholt, in Apostelgeschichte 7,44 sowie in Hebräer 8,4-5 und 9,23-24. Der Tempel auf Erden ist ein Abbild eines Originals im Himmel.
So wird das Abbild in Hebräer 8 wieder „typos“ genannt, also ein Abbild von einer himmlischen Vorlage. Darum spricht man hier von vertikaler Typologie: irdische Dinge, die Abbilder von himmlischen Vorlagen sind.
Es gibt übrigens noch mehr Beispiele: Im Himmel gibt es ein himmlisches Jerusalem, davon ist das irdische Jerusalem ein Abbild. In Hebräer 11 wird von einem himmlischen Vaterland gesprochen. Das Land Israel als Vaterland für das auserwählte Volk war in diesem Sinn eine Abbildung dieses himmlischen Originals.
Vielleicht kennen einige das aus der Philosophie: Plato hat die Typenlehre entwickelt und gesagt, alle Dinge, die es auf Erden gibt, seien eigentlich nur Abbilder von Ideen im Himmel. Diese Idee hat das Abendland über tausend Jahre im Bann gehalten.
Doch wir erkennen auch, dass gewisse Aspekte dieser Ideenlehre von Plato richtig sind. Woher hatte er das? Man könnte meinen, Plato war ein Auserwählter, ein Sprachrohr Gottes in der Heidenwelt. Das war er jedoch nicht, denn Plato war pädophil und lebte in der Sünde.
Woher kommt diese Idee trotzdem? Auch durch teuflische Inspiration kann man Dinge wissen, die stimmen, nur sind sie dann oft pervertiert. Platons ganze Philosophie ist letztlich falsch und hat das Abendland, wie gesagt, in Bann gehalten.
Das wäre ein Thema für einen anderen Bibelstudientag: die Entwicklung des Denkens im Vergleich zur Bibel, die sehr viel Schaden angerichtet hat. Aber es ist nicht alles falsch; da sind Realitäten dabei. Das kommt daher, dass Satan Zugang zum Himmel hat (vgl. Hiob 1 und 2). Er weiß um diese himmlischen Vorlagen und die irdischen Abbilder und konnte diese Idee weitergeben.
Überhaupt findet man in der Heidenwelt weltweit Tempel mit Allerheiligstem und Heiligem, genau wie im jüdischen Tempel. Dazu gehören Opfer und das Waschbecken vor dem Tempelhaus. Das Ganze ist durch eine Mauer eingezäunt – das stimmt genau mit dem biblischen Tempel überein.
Das kommt alles durch dämonische Inspiration. Übrigens hat man bei den Hethitern eine Tafel gefunden, auf der ein Gott einem Hethiter erscheint und ihm Anweisungen gibt, wie er Tempelgeräte bauen muss. Das ist absolut parallel zu dem, was Mose erlebt hatte, aber eben eine teuflische Perversion.
Der Begriff Antitypos und seine Bedeutung
Dritter Punkt
Der Begriff Antitypos, das heißt Gegenbild, bezeichnet in Hebräer 9,22 ein Bild, das dem Typos, also dem Vorbild, entspricht beziehungsweise mit ihm korrespondiert. So wird der Tempel auf der Erde in Hebräer 8 als Typos bezeichnet, während der Tempel im Himmel als Antitypos, also Gegenbild, genannt wird. Es handelt sich also um zwei Bilder, die miteinander in Beziehung stehen. Beide sind jedoch nur Bilder.
Worauf weisen sie hin? Beide deuten auf Jesus Christus hin. Er sagte ja zu den Juden in Johannes 2: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Somit weist der Tempel auf Jesus Christus hin.
In 1. Korinther 3,16 heißt es: „Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?“ Auch hier wird der Tempel als Bild verwendet, diesmal für die Gemeinde. Wir haben also ein Bild, ein Abbild auf Erden, und eine sinnbildliche Bedeutung: Christus und seine Gemeinde. So gibt es den Antitypos, den Typos und schließlich die Erfüllung.
Das Neue Testament bezeichnet alttestamentliche Typen wiederholt als Schatten, griechisch Skia. Dies finden wir zum Beispiel in Kolosser 2,16, aber auch in Hebräer 10,1 und nochmals in Hebräer 8,5. Dieser treffende Begriff bringt zum Ausdruck, dass der Typos nicht die Realität ist, also nicht der Körper, der den Schatten wirft, sondern nur eine umrissartige Abbildung. Zudem hat diese Abbildung eine Dimension weniger als die Vorlage.
Ich habe bereits ausgeführt, dass die Bilder im Alten Testament nicht die Wirklichkeit sind, aber dennoch auf die Wirklichkeit hinweisen. Warum brauchen wir dann diese Bilder? Hätten wir nur das Neue Testament, in dem die Realität beschrieben wird, wäre das Ganze noch viel schwieriger zu verstehen. Wir haben ja gerade Mühe, viele Dinge im Neuen Testament zu erfassen und zu verstehen, was sie wirklich für uns bedeuten.
Das Alte Testament ist somit das Bilderbuch zum Neuen Testament. Anhand dieser konkreten Bilder im Alten Testament können wir das, was in Christus Wirklichkeit geworden ist, viel besser verstehen. Gleich werden wir sehen, dass das Thema zunächst etwas abstrakt und trocken erscheint. Sobald wir aber konkret herangehen, merken wir, wie diese Bilder unser Herz auf eine sehr starke Weise ansprechen.
Darum: Wenn Christen das Alte Testament nicht als Bilderbuch für das Neue Testament brauchen, erleiden sie einen großen Verlust im Glauben. Das verursacht einen erheblichen Schaden für das Glaubensleben.
Die Bedeutung von Allegorie und Zeichen
Aber warum betrachten wir das Thema so abstrakt und theoretisch? Der Grund dafür wird gleich deutlich. Es gibt viele bibeltreue Christen, die sagen, dass man die Typologie vergessen könne, weil sie nur Fantasie sei. Sie akzeptieren sie nur in sehr begrenztem Maße. Doch das Alte Testament wird in vielen Details auf Christus hin ausgelegt. Das ist nicht ohne Grund so.
Wir wollen nun ganz gründlich widerlegen, dass das nicht möglich sei, indem wir zeigen, was das Neue Testament zu diesem Thema lehrt. Ein weiterer Begriff, der uns dabei hilft, ist Semejon. Das ist griechisch und bedeutet Zeichen oder Vorzeichen.
Der Herr Jesus sagte in Matthäus 12,39-40: „Ich gebe euch das Zeichen des Jonas. Denn gleichwie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.“ Die Geschichte von Jonas war also eine Vorausdarstellung auf Jesus Christus. Dieses wird als das Zeichen bezeichnet, und eben Semejon heißt Zeichen oder Vorzeichen.
Es ist ein Hinweis auf die Totenauferstehung Christi. In der Offenbarung des Johannes wird das Mitteilen durch Symbolsprache mit dem verwandten Tätigkeitswort „semaino“ bezeichnet. Offenbarung 1,1 lautet: „Ich lese Offenbarung Jesu Christi, welche Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss, und durch seinen Engel sendend hatte er seinem Knecht Johannes gezeigt.“ Das Wort „gezeigt“ ist „semaino“ und bedeutet, dass etwas durch Zeichen kundgetan wird.
Die ganze Symbolsprache der Offenbarung ist also eine typologische Sprache, weil sie mit Bildern auf zukünftige Ereignisse hinweist. Der Ausdruck Semejon, Zeichen oder Vorzeichen, entspricht bei den Rabbinern in ihren Schriften dem hebräischen Wort Seiman. Dieses haben sie aus dem Griechischen übernommen; es ist ein Fremdwort im Hebräischen. Seiman oder Seimana bedeutet Vorzeichen für ein kommendes Ereignis. Auch die Rabbiner verstanden also, dass es solche Zeichen gibt.
Im Alten Testament findet man die Begriffe Ot, Zeichen, und Mophet, Wunder. Wenn über Zeichen und Wunder im Land Ägypten gesprochen wird, etwa die zehn Plagen, dann werden diese als Ot und Mophet bezeichnet. Das bedeutet, dass diese Ereignisse eine prophetische, in die Zukunft weisende Bedeutung haben.
Das sehen wir auch sofort in der Offenbarung, wo genau diese Bilder wieder aufgenommen werden: Heuschrecken, Plagen, Hagel oder Wasser, das zu Blut wird. Dort wird ganz klar gezeigt, dass dies Vorausweisungen auf zukünftige Ereignisse sind.
Vielleicht, bevor wir in die Pause gehen: Wenn im Neuen Testament die Wunder des Herrn Jesus und der Apostel genannt werden, „Zeichen und Wunder“, muss man bedenken, dass diese Ereignisse eine prophetische Aussage enthalten. Darauf werden wir später noch zurückkommen.
Jetzt machen wir eine Viertelstunde Pause. Danach fahren wir fort.
Nun möchte ich einen Überblick geben über das Thema Typologie und Allegorie im Lauf der Kirchengeschichte, also wie dieses Thema im Laufe der Zeit aufgefasst und angewendet worden ist.
Die Allegorie als bildliche Darstellung
Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den ich bisher vergessen habe: Was ist eigentlich eine Allegorie?
Eine Allegorie ist eine Darstellung, die in allen Einzelheiten einen bildlichen Sinn hat. Den Begriff „Allegorie“ entnimmt man aus Galater 4, wo Paulus die Geschichte von Sara und Hagar als Allegorie bezeichnet.
In Galater 4,24 heißt es in Verbindung mit dieser Geschichte, dass sie einen bildlichen Sinn hat. Paulus verwendet dort das Wort „allegoreo“, was so viel bedeutet wie „allegorisch reden“ oder „bildlich sprechen“, also wörtlich anders sprechen.
Das bedeutet, dass die Geschichte von Sara und Hagar neben dem wörtlichen Sinn noch eine weitere Bedeutungsebene hat.
In der Bibel ist die Allegorie meist ein Unterbegriff, der zur Typologie gehört. Dies werden wir im Verlauf des Vortrags noch näher erläutern.
Die Geschichte der Typologie und Allegorie in der Auslegung
Also nun zur Geschichte der Typologie und Allegorie: Das Alte Testament kennt bereits die bildliche Rede in Form von Rätseln, Bildwörtern, Gleichnissen und Allegorien.
Ich habe unten in der Fußnote einige Beispiele angeführt, etwa Hesekiel 16, 17, 19, 23, 31, 34 und so weiter. Auch die Visionen im Buch Daniel sind allegorische Visionen. Zum Beispiel das Standbild in Daniel 2 oder die vier Tiere im Traum Daniels, Daniel 7 und weitere. Solche allegorischen, also bildlichen Texte werden bereits im Alten Testament ausgelegt.
Die Herausführung Israels aus Ägypten mitsamt dem Wüstenzug und der Landnahme wird von den Propheten bereits als Vorausabbildung, als Refiguration des Kommenden dargestellt. In Hosea 2,14 geht es um Israel in der Endzeit. Dort wird davon gesprochen, wie Gott Israel in die Wüste führt. Die Wüstenreise am Anfang wird als Bild für die letzte Zeit aufgegriffen. Ebenso wird der Auszug aus Ägypten zum Vorgeschmack für die endzeitliche Befreiung Israels.
Gerade in Jesaja 10,24 und den folgenden Versen wird die Parallele gezogen: Wie Gott Israel damals aus Ägypten befreit hat, so wird er in der Endzeit Israel von all seinen Feinden befreien. Bereits innerhalb des Alten Testaments wird also eine Geschichte als Vorabbildung des Zukünftigen genommen.
Man findet das auch sehr oft bei Jesaja, wo die Wegführung, die Zerstreuung unter den Völkern und die Rückführung mit der Befreiung aus Ägypten verglichen werden. Und schon im Alten Testament finden wir das Phänomen der vertikalen Typologie: So wird in 2. Mose 25 und 26 gesagt, dass die Stiftshütte und ihre Geräte Abbilder eines himmlischen Originals sind.
Dieses ganze Thema ist also schon im Alten Testament verankert.
Im sogenannten hellenistischen Judentum, das durch die griechische Sprache geprägt ist, deuteten bereits Philo und Aristobulus das Alte Testament auf allegorische Weise. Auch die Schriftgelehrten im Land Israel, die Rabbiner, wandten diese Methode an. Das war um die Zeit Jesu und etwas davor, also im ersten und zweiten Jahrhundert.
Nun kommen wir zum Neuen Testament. Dort können wir sagen, dass die Auslegung des Alten Testaments vom Typologischen geprägt ist. Das werden wir noch anhand von Beispielen sehen.
Die Typologie im frühen Christentum und bei Origenes
Jetzt wenden wir uns dem frühen Christentum im zweiten Jahrhundert zu. In diesem Zeitraum finden wir in Schriften wie dem sogenannten Barnabasbrief sowie bei Tryphon und Irenäus Beispiele dafür, wie die Typologie bei der Auslegung angewendet wurde.
Zum Beispiel behauptete Justin im zweiten Jahrhundert gegenüber dem Juden Tryphon, dass er nachweisen könne, dass alle übrigen Anordnungen des Mose Vorbilder, Symbole und Hinweise auf Christus seien. Dies sagt er in seinem Dialog mit Tryphon.
Auch Irenäus, ein Märtyrer aus dem zweiten Jahrhundert, lehrte, dass das Alte Testament im Voraus die Bilder dessen zeige, was in der Kirche sein solle.
Wir gehen nun weiter und kommen zu Origenes, der von 185 bis 254 lebte. Er lenkte die allegorische Auslegung in Verbindung mit seinem Mystizismus in eine ganz neue Richtung. Diese Richtung entfernte sich deutlich vom neutestamentlichen Vorbild.
Bei Origenes ist die wörtliche Bedeutung des Alten Testaments überhaupt nicht mehr wichtig. Zum Beispiel sagte Origenes, es sei nicht wesentlich, ob wir glauben, dass die Welt tatsächlich an sechs Tagen erschaffen worden sei. Für ihn war es auch belanglos, ob das erste Menschenpaar wirklich von einer sprechenden Schlange verführt worden sei, ob jemand seine Schwester geheiratet habe und so weiter.
Der wörtliche Sinn ist nicht wichtig; wichtig ist nur die tiefere Bedeutung darin. Hier zeigt sich eine ganz klare Abweichung vom Neuen Testament. Denn das Neue Testament misst der wörtlichen Bedeutung des Alten Testaments fundamentales Gewicht bei.
Die Typologie im Mittelalter und die Folgen
Nun gehen wir weiter bis ins Mittelalter. Die Typologie und Allegorie verkam zu einem Tummelfeld für die wildesten Phantasien. Hilarius, Ambrosius, Augustin und Hieronymus standen unter dem alexandrinischen Einfluss von Origenes. Dieser hat also viel Schaden angerichtet, der bis heute nachwirkt.
Origenes war zum Beispiel auch der erste Alversöhner, den wir so ganz klar greifen können. Die Alversöhnung hat ihre Bedeutung bis in unsere Zeit hinein. Auch den Mystizismus, den er ins Christentum einbrachte, finden wir heute wieder, und zwar ganz ausgeprägt.
Die Auslegungen bis ins Mittelalter sind oft von Willkür gekennzeichnet. Dennoch haben sie die Auslegung nachhaltig geprägt. Ein Beispiel: Augustin legt die Speisung der Fünftausend allegorisch aus. Er sagt, die fünf Brote, die der Junge brachte, seien ein Bild von den fünf Büchern Mose.
Doch wie kommt er auf die Beziehung zwischen fünf Broten und den fünf Büchern Mose? Er erklärt weiter, dass die Brote aus Gerste seien. Gerste sei äußerlich rau, so wie das Alte Testament eine äußerlich raue Hülle habe. Wenn man aber die Gerste isst, sei sie innerlich doch wunderbar im Geschmack. So sei es auch mit den fünf Büchern Mose.
Weiter legt er die zwei Fische auf die zwei Ämter aus: Christus sei König und Priester. Doch wie kommt die Beziehung zwischen Fisch, Königtum und Priestertum zustande? Man merkt, dass hier ein Sprung gemacht wird.
So funktioniert die typologische Auslegung im Neuen Testament nicht. Sie ist wirklich zu einem Tummelfeld für Phantasie geworden.
Die Rückkehr zum wörtlichen Sinn in der Reformation
Wir kommen nun zur Reformation. Die Reformatoren haben die Bibel ganz neu entdeckt. Deshalb finden wir dort eine Rückkehr zum wörtlichen Sinn der Bibel.
Die Reformatoren haben den Kampf gegen Phantastereien aufgenommen. Gott hat uns ein Wort gegeben, und allein das Wort Gottes ist der Maßstab. Das haben die Reformatoren erkannt: sola scriptura – allein die Schrift. Wir brauchen keine Konzilien, wir brauchen keine Päpste, die uns sagen, was Recht und Unrecht ist. Wir haben die Bibel allein.
Darum ist auch der wörtliche Sinn der Schrift wieder ganz wichtig geworden. Luther war jedoch fest überzeugt, dass die ganze Schrift von heimlichen Hinweisen auf Christus erfüllt sei. Hier sehen wir, dass er die Typologie nicht abgelehnt hat. Neben der Rückkehr zum wörtlichen Sinn wurde der Typologie also auch eine Berechtigung eingeräumt.
Der Rationalismus und die Ablehnung der Typologie
Nach dem Mittelalter kam der Rationalismus, auch Aufklärung genannt. Der Begriff „Rationalismus“ leitet sich vom lateinischen Wort „Ratio“ ab, was „Verstand“ bedeutet.
Die rationalistischen Philosophen wollten uns lehren, dass wir alles nur anhand des Verstandes prüfen sollten. Die menschliche Ratio ist für sie die letzte Instanz der Beurteilung. Was nicht in unseren Verstand passt, das existiert für sie auch nicht.
Daher setzte der Rationalismus der Typologie ein Ende. Später werden wir noch deutlicher sehen, warum die Typologie im Rationalismus absolut keinen Platz hat.
Der Rationalismus lehnte zum Beispiel auch echte Prophetie ab. Sie behaupteten, dass es so etwas nicht gibt. Zwar sagten sie nicht, dass Gott nicht existiert, aber sie meinten, Gott interessiere sich nicht für uns. Er wirke nicht in die Weltgeschichte hinein.
Deshalb hielten sie es für Phantasterei, wenn man behauptet, Gott hätte in der Bibel die Zukunft vorausgesagt. Daraus folgt, dass man auch nicht glauben kann, dass Geschichten im Alten Testament eine prophetische Bedeutung haben.
So versuchte man, die Typologie endgültig auszuradieren.
Die Wiederentdeckung der Typologie im 19. und 20. Jahrhundert
Wir kommen zum neunzehnten Jahrhundert, zur Erweckungszeit in Nordamerika und in verschiedenen reformierten Ländern Europas. In dieser Zeit hat die Brüderbewegung der Typologie ein neues Ansehen verliehen; man hat sie neu entdeckt.
Dabei hat man sich jedoch ganz klar von den Auswüchsen im Altertum, etwa bei Augustin, Origenes und im Mittelalter, distanziert. Im Bereich der evangelikalen Gemeinden, die ebenfalls aus der Erweckungsbewegung des neunzehnten Jahrhunderts hervorgegangen sind, hat die Typologie im Allgemeinen jedoch keine große Bedeutung erlangt.
Es hat sich vielmehr die Behauptung beziehungsweise das Axiom herausgebildet, dass Typologie nur in Bezug auf die alttestamentlichen Stellen gilt, die im Neuen Testament ausdrücklich so gedeutet werden. Wenn das Neue Testament nicht klar sagt, dass eine Geschichte einen Hinweis auf Christus enthält, dann darf man sie auch nicht so verstehen. Eine weitergehende Auslegung würde zu weit gehen.
Im zwanzigsten Jahrhundert ist jedoch etwas Interessantes geschehen, und zwar im Lager der liberalen Theologie. Diese entdeckten plötzlich neu die Typologie und die Allegorie. Theologen wie Goppelt, Eichrott, von Rath und Stuhlmacher versuchten, die Typologie als Auslegungsmethode wieder zu rehabilitieren.
Dabei fällt auf, dass eine große Ähnlichkeit zu Origenes besteht. Die liberale Theologie verachtet das Alte Testament als historisches Dokument. Sie verspottet Christen, die glauben, dass der Schöpfungsbericht wörtlich zu nehmen sei, so wie er da steht. Für sie hat das Historische eigentlich keine Bedeutung.
Stattdessen suchen sie gewissermaßen einfach nach der Bildersprache im Alten Testament. Interessant ist, dass während bibeltreue Evangelikale oft sehr zurückhaltend gegenüber dieser Auslegung sind, die Liberalen diese Methode bereits wiederentdeckt haben – wenn auch in Anführungsstrichen. Das ist eine merkwürdige Entwicklung.
Nun versuche ich, das Axiom zu widerlegen, dass man nur die Stellen so auslegen darf, die im Neuen Testament ausdrücklich so erklärt werden. Ein konkretes Beispiel dafür finden wir in 1. Korinther 9,9.
Beispiel für typologische Auslegung im Neuen Testament
Paulus behandelt in diesem Kapitel die Frage, ob ein Missionar Unterstützung annehmen darf. Hintergrund ist, dass die Korinther behaupteten, Paulus sei auf Geld aus. Glücklicherweise hat er von den Korinthern von Anfang an nichts angenommen.
In diesem Kapitel erklärt Paulus nun die biblischen Gründe, warum Missionare unterstützt werden dürfen. Er erwähnt in Vers 8: „Rede ich etwa nach Menschenweise?“ und fährt fort: „Oder sagt nicht auch das Gesetz dieses? Denn in dem Gesetz Moses steht geschrieben: ‚Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.‘ Ist Gott etwa für die Ochsen besorgt? Oder spricht er nicht durchaus um unseretwillen? Denn es ist um unseretwillen geschrieben, damit der Pflügende auf Hoffnung pflügen und der Dreschende auf Hoffnung dreschen soll, um dessen Teilhaftigkeit zu werden.“
Paulus nimmt also ein Gebot aus 5. Mose 25,4 heraus, wo steht, dass einem Ochsen, der in der Tenne so rundherumgehen muss, um das Geerntete zu dreschen, nicht das Maul verbunden werden darf. Weil er schon so mühsame Arbeit leistet, darf er zwischendurch von den Körnern fressen. Paulus sagt nun, dieses Gebot sei eigentlich wegen uns geschrieben worden. Er überträgt es auf den Missionar: Der Missionar hat ein Recht, von der Arbeit, die er tut, zu leben.
Der Ochse wird gewissermaßen zum Bild für den Missionar, und die Körner sind ein Bild für seinen Lebensunterhalt. Paulus betont ganz klar, dass dieses Gebot für uns Christen geschrieben wurde. Es geht nicht darum, dass wir unter die alttestamentlichen Gesetze gestellt werden, sondern das Prinzip dahinter, das göttliche bleibende Prinzip, wird herausgearbeitet.
Wenn wir nun 5. Mose 25 genauer betrachten, finden wir dort noch viele andere Gebote. Zum Beispiel in Vers 13: „Du sollst nicht zweierlei Gewichtssteine in deinem Beutel haben, einen großen und einen kleinen“ und so weiter. Haben all diese Gebote keine Bedeutung, nur weil sie im Neuen Testament nicht erwähnt werden? Das kann man uns kaum glaubhaft machen.
Wenn 1. Korinther 9 eine Abhandlung über 5. Mose 25 wäre, könnte man sagen, dass nur dieses Gebot eine neutestamentliche Bedeutung hat, aber das ist nicht der Fall. Paulus zieht diesen Vers in einem ganz anderen Zusammenhang heraus, nämlich der Unterstützung von Missionaren. Er erklärt, dass das Prinzip, das im Gesetz steht, für Christen eine bildliche Bedeutung hat und für uns geschrieben wurde.
Das können wir übrigens auf das ganze Neue Testament anwenden. Wenn das Neue Testament eine vollständige Auslegung des Alten Testaments wäre, eine Vers-für-Vers-Auslegung, dann könnten wir glauben, dass nur die Dinge, die im Neuen Testament typologisch ausgelegt werden, so ausgelegt werden dürfen. Aber jeder weiß, dass das nicht der Fall ist.
Aus dem, was das Neue Testament herausnimmt, erkennen wir jedoch, wie wir grundsätzlich an das Alte Testament herangehen sollen. So können wir uns plötzlich die Frage stellen: „Du sollst nicht zweierlei Gewichtssteine in einem Beutel haben.“ Was könnte das für uns bedeuten, wenn Gott auch das für uns geschrieben hat?
Wörtlich bedeutet es, dass man Gewichtsteine mit einem bestimmten Gewicht hat, die stimmen, und einen zweiten, der zu leicht ist, für das gleiche Gewicht. Betrüger handelten so auf dem Markt: Sie legten den leichten Stein auf die Waage und forderten dafür Gemüse. Wenn dann die Kontrolle kam, zeigten sie den richtigen Stein vor. Einen brauchten sie für die Kontrolle, einen für den Verkauf.
Das ist Doppelmoral: zwei verschiedene Maßstäbe. Dort, wo es einem passt, nimmt man den leichten Stein, und dort, wo es einem passt, den schweren. Genau das ist wichtig: dass wir keine Doppelmoral haben.
Zum Beispiel heißt es in 1. Timotheus 5, wo Paulus über Älteste spricht, die falsch handeln und sündigen: „Diese müssen überführt werden“ (Vers 20). Und in Vers 21 sagt Paulus: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus und den auserwählten Engeln, dass du diese Dinge ohne Vorurteil beobachtest, indem du nichts nach Gunst tust.“
Das bedeutet, dass man bei denen, die einem nicht passen, sehr streng ist, während man bei guten Freunden eher nachsichtig ist und ein Auge zudrückt. Das ist Doppelmoral. Im Neuen Testament wird jedoch klar gesagt, dass wir ohne Vorurteil und ohne nach Gunst zu handeln, diese Dinge ernstlich beachten sollen – vor Gott, Christus Jesus und den Engeln bezeugt.
So hat auch das Gebot „Du sollst nicht zweierlei Gewichtssteine haben“ eine übertragene Bedeutung für uns. Das Alte Testament wird dadurch zu einer Fundgrube von Illustrationen.
Diese Doppelmoral wird durch das Bild der verschiedenen Gewichtssteine verständlich. Das geht viel tiefer und wir begreifen es besser, weil wir es fassen können.
Weitere Beispiele für typologische Auslegung
Ein weiteres Beispiel findet sich in Hebräer 9,1-5. Stellen wir uns vor, wir lesen diese Verse zum ersten Mal in unserem Leben. Für manche von uns ist es vielleicht tatsächlich das erste Mal. So haben wir die tolle Chance, ganz unvoreingenommen einen Blick darauf zu werfen.
Hier wird die Stiftshütte kurz beschrieben. Es heißt, dass der erste Bund Satzungen des Dienstes und des Heiligtums hatte, das weltlich war, denn eine Hütte wurde zugerichtet. Die vordere Hütte wird als „das Heilige“ bezeichnet. Darin befanden sich sowohl der Leuchter als auch der Tisch und die Darstellung der Brote.
Hinter dem zweiten Vorhang befand sich eine weitere Hütte, die „das Allerheiligste“ genannt wird. Diese hatte ein goldenes Rauchfass und die Lade des Bundes, die überall mit Gold überdeckt war. In der Lade befanden sich ein goldener Krug mit Manna, der Stab Aarons, der gesprosst hatte, sowie die Tafeln des Bundes. Über der Lade waren die Cherubim der Herrlichkeit, die den Versöhnungsdeckel überschatteten. Über diese Dinge wird hier nicht im Einzelnen gesprochen.
Jetzt wird schön erklärt: Die Stiftshütte hatte den vorderen Teil, das Heilige, und dahinter das Allerheiligste. Im Heiligen gab es die Menorah, den goldenen Leuchter, den Schaubrottisch, den Räucheraltar und die Bundeslade. Im Allerheiligsten befanden sich der Krug mit Manna, der Stab Aarons und die Tafeln des Gesetzes, die zehn Gebote.
Man erwartet nun eine Auslegung, was das alles zu bedeuten hat. Doch der Schreiber sagt, darüber wollen wir jetzt nicht im Detail sprechen.
Man kann sich fragen, wo im Neuen Testament diese Details erklärt werden. Zum Beispiel wird in Römer 3 der Versöhnungsdeckel erwähnt und mit Christus verglichen. Gott hat Christus als Sühnedeckel dargestellt – das gleiche Wort wie hier. Es gibt noch andere Stellen, die ähnliche Dinge erwähnen. Aber es gibt keine Stelle, die beispielsweise den Schaubrottisch erklärt. Was bedeuten die zwölf Brote? Das wird im Neuen Testament nicht erläutert. Auch die Bedeutung des Stabs Aarons, der gesprosst hatte, wird nirgends erklärt.
Hier wird ausdrücklich gesagt: Jetzt gehen wir nicht darauf ein, das ist nicht das Thema in Hebräer 9.
Was bedeutet also Hebräer 9,5? Der Vers gibt einen Hinweis: Im Alten Testament gibt es noch vieles zu entdecken, das im Neuen Testament nicht ausgelegt worden ist. Nun seid ihr selbst gefragt, darüber nachzudenken, was zum Beispiel der Schaubrottisch bedeutet.
Der Tisch hatte eine Leiste rundherum, eine Handbreit hoch, auf der die zwölf Brote standen. Die zwölf Brote entsprechen den zwölf Stämmen Israels. Die Leiste schützte die Brote davor, herunterzufallen. Wenn wir das gesamte Alte Testament auf Christus hin auslegen, wird deutlich: Der Tisch trägt die Brote in der Gegenwart Gottes. Es sind Schaubrote, auf die Gott ständig schaut.
Der Tisch erinnert gewissermaßen Gott an die zwölf Stämme Israels, an sein Volk. Der Herr Jesus ist der, der das Volk Gottes trägt, der uns als Gläubige durchs Leben trägt. Er hat gesagt in Johannes 10,27: „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben.“
Diese Erklärung findet sich im Neuen Testament zwar nicht direkt, aber mit dessen Hilfe können wir die Symbolik deuten. Das ist etwas, das uns zutiefst anspricht.
Wenn wir uns die zwölf Brote im Allerheiligsten vorstellen, erkennen wir: Gott vergisst uns nie, er vergisst sein Volk nicht. Wir haben die Sicherung in der Hand des Erlösers: Niemand wird sie aus meiner Hand rauben. So merken wir, wie diese Bilder wirklich zu Herzen gehen. Würden wir sie vernachlässigen, würden wir einen großen Verlust im Glauben erleiden.
Ein weiteres Beispiel findet sich in Hebräer 5,14. Dort geht es um Melchisedek, diesen geheimnisvollen König von Salem, Jerusalem, der in 1. Mose 14 erwähnt wird. Er begegnete Abraham nach der Schlacht der Könige und stärkte ihn mit Brot und Wein.
Was heißt es hier von Melchisedek? In Vers 11 heißt es: „Über welchen wir viel zu sagen haben und was mit Worten schwer auszulegen ist, weil ihr im Hören träge geworden seid. Denn da ihr der Zeit nach Lehrer sein solltet, bedürft ihr wiederum, dass man euch lehre, welches die Elemente des Anfangs der Aussprüche Gottes sind. Und ihr seid solche geworden, die der Milch bedürfen und nicht der festen Speise.“
Denn jeder, der Milch teilhaftig wird, ist unerfahren im Wort der Gerechtigkeit, weil er ein Unmündiger ist. Die feste Speise aber ist für Erwachsene, die durch Gewohnheit geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten und Bösen.
Hier wird erklärt, dass es über Melchisedek sehr viel zu berichten gibt, aber es ist eine schwierige Sache. Wenn man im Zuhören träge ist, ist das erst recht mühsam.
Der Schreiber sagt: Eigentlich, wenn man betrachtet, seit wann ihr bekehrt seid, müsstet ihr bereits fähig sein, andere zu belehren. Aber ihr seid immer noch wie Babys, die Muttermilch brauchen. Man kann euch noch keine fortgeschrittene biblische Nahrung geben, keine feste Speise für Erwachsene. Ihr seid noch Babys.
Das sagt der Hebräerbrief, nicht wir. Wenn ihr im Glauben Fortschritte macht, werdet ihr fähig sein, die Auslegung über Melchisedek zu verstehen.
In Hebräer 7 geht der Schreiber dann tatsächlich kurz auf Melchisedek ein. Er sagt, dass viel über ihn zu sagen ist. Das zeigt, dass wir nicht erwarten sollten, dass im Hebräerbrief alles über die typologische Bedeutung von Melchisedek berichtet wird. Aber wir finden hier Prinzipien, wie wir an solche Themen herangehen sollen.
Die Auslegung von Melchisedek als Beispiel
Jetzt wollen wir das gleich einmal genauer betrachten, Hebräer 7, Vers 1. Denn dieser Melchisedek, König von Salem, Priester Gottes des Höchsten, der Abraham entgegenging, als dieser von der Schlacht der Könige zurückkehrte, und ihn segnete, welchem auch Abraham den Zehnten von allem zuteilte – der erstlich verdolmetscht „König der Gerechtigkeit“ heißt, sodann aber auch „König von Salem“, das ist „König des Friedens“ –, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habend, aber dem Sohn Gottes verglichen, bleibt Priester auf immer da.
Wir haben hier ein schönes Beispiel aus dem Neuen Testament, wie man predigen soll. Sie können das nachlesen in 1. Mose 14, der Geschichte von Melchisedek. Dort finden wir gewissermaßen den Predigttext, 1. Mose 14, Verse 17-24.
Nun wird hier ganz kurz das, was in diesen Versen gesagt wird, nochmals zusammengefasst. Zur Predigt gehört manchmal einfach die Erklärung, was überhaupt da steht – kurz und prägnant zusammengefasst. Dann folgt die Erklärung. Der Schreiber übersetzt die Namen: Melchisedek bedeutet auf Hebräisch „König der Gerechtigkeit“. Aber er wird dort in 1. Mose auch „König von Salem“ genannt, was auf Deutsch „König des Friedens“ bedeutet. „Salem“ ist eine Kurzform von Jerusalem und bedeutet „Frieden“. Somit ist Melchisedek „König des Friedens“.
Er übersetzt also die Namen. Daraus lernen wir bereits, dass die Namensbedeutungen im Alten Testament einen Sinn für die typologische Auslegung haben.
Weiter erklärt er: In der Geschichte wird kein Vater und keine Mutter erwähnt. Das heißt nicht, dass Melchisedek keinen Vater oder keine Mutter gehabt hätte, aber im Text wird dies nicht erwähnt. Es gibt auch kein Geschlechtsregister. Von Abraham haben wir das Geschlechtsregister bis zurück auf Adam. Melchisedek erscheint plötzlich in der Geschichte, ohne dass etwas über Vater, Mutter oder Geschlechtsregister gesagt wird. Weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens sind erwähnt. Seine Geburt wird nicht beschrieben, obwohl er einmal geboren worden sein muss. Sein Tod wird ebenfalls nicht erwähnt, obwohl er auch einmal gestorben sein muss, sonst würde er heute noch leben.
Jetzt sagt der Schreiber, damit wird Melchisedek dem Sohn Gottes verglichen oder man kann auch sagen, er wird ähnlich gemacht. Nämlich dem ewigen Sohn Gottes, ohne Anfang und ohne Ende.
Wir lernen noch etwas: Nicht nur das, was geschehen ist, hat eine typologische Bedeutung, sondern auch die Art und Weise, wie etwas vom Heiligen Geist inspiriert beschrieben ist. Der Schreiber erklärt, dass auch das, was nicht steht, eine Bedeutung hat.
Wir können so weit gehen, uns zu fragen: Warum hat der Heilige Geist das so beschrieben, dass kein Geschlechtsregister da ist, kein Vater und keine Mutter erwähnt werden, sondern einfach nur, dass Melchisedek lebt? Weil er ein Vorgeschmack ist auf den ewigen Sohn Gottes, der keinen Anfang und kein Ende hat.
Jesus Christus ist nämlich nicht nur Sohn Gottes, weil er von Maria geboren wurde, gezeugt vom Heiligen Geist, sondern er war von Ewigkeit her schon Sohn Gottes – in seiner Beziehung der Liebe zum ewigen Vater.
Melchisedek ist also durch die Beschreibung im Alten Testament so ähnlich gemacht worden, dass er ein Bild für Jesus Christus, den Sohn Gottes, ist, der von Ewigkeit zu Ewigkeit existiert.
Dann geht der Schreiber weiter mit der Auslegung. Er erklärt, was es bedeutet, dass Abraham den Zehnten gab, und so weiter. Aber der Schreiber erklärt nichts über die Bedeutung der Schlacht der Könige. Er erklärt auch nichts darüber, was Brot und Wein bedeuten, die Melchisedek Abraham gebracht hat. Es gäbe also noch mehr zu entdecken.
Das Neue Testament zeigt, dass es noch mehr zu finden gäbe. Es ist nicht alles hier gesagt. Ein Hindernis kann der schwache geistliche Entwicklungszustand der Zuhörer sein. Das machte es unmöglich, breite Ausführungen darüber zu machen.
Darum, wenn jemand sagt: „Mit der Typologie muss man ganz, ganz vorsichtig sein. Das ist gefährlich, und man darf nicht einfach auslegen, was im Neuen Testament nicht erwähnt wird“, dann muss man sich fragen: Oder hängt das mit dem geistlichen Zustand zusammen? Das ist eine Möglichkeit.
Es ist natürlich auch ein Problem, wenn man eine Bibelschule besucht und dort ernstlich vor typologischer Auslegung gewarnt wird. Dann ist man geprägt, und es ist klar, dass man in der Gemeinde nicht weiter darüber spricht. So gibt eine Generation etwas an die nächste weiter oder enthält etwas vor ihr zurück.
Ich habe das mal ganz konkret erlebt. Ich war Gastdozent an einer theologischen Hochschule in Deutschland und habe über die Bedeutung der roten Kuh gesprochen, 4. Mose 19. Ich erklärte auch den jüdischen Hintergrund und was das im Licht des Neuen Testaments in Bezug auf Christus bedeutet.
Im Nachhinein habe ich erfahren, dass das einen Wirbel ausgelöst hat. Dabei will ich nie Wirbel auslösen – das wäre mir zuwider –, aber es hat ihn ausgelöst.
Warum? Darf man so etwas überhaupt? Das Alte Testament typologisch so auslegen, wenn das im Neuen Testament nicht ausführlich erklärt wird?
Nein, es wird nicht ausführlich erklärt, aber es wird sehr wohl angedeutet. Zum Beispiel Hebräer 9, Vers 13: „Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, das ist die rote Kuh, auf die Unreinen gesprengt wird zur Reinigkeit des Fleisches, wie viel mehr wird das Blut Christi, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat, euer Gewissen reinigen!“
Hier wird also gerade die rote Kuh, das Opfer, in Verbindung gebracht mit dem Opfer Christi. Es wird gezeigt, wie viel erhabener das Opfer Christi ist.
Da haben wir die hohle Form: das Negative im Alten Testament und das Positive, die Erfüllung in Christus.
Es gibt so viel zu entdecken, und das macht das Alte Testament zu einer Fundgrube. So können wir morgens in der Andacht immer wieder neu entdecken, welche Hinweise auf Christus dort verborgen sind.
Aber eben nicht, indem wir Phantasien entwickeln, sondern indem wir zuerst fragen: Was ist der wörtliche Sinn? Und dann fragen wir uns: Was will der Heilige Geist damit in Bezug auf Christus zum Ausdruck bringen?
Weitere Auslegung der Stiftshütte und ihre Bedeutung
Wenn wir gerade noch in Hebräer 9 sind, haben wir die Verse 1 bis 5 gelesen. Dort wird die Stiftshütte beschrieben, allerdings geht es nicht um alle Details.
Nun lese ich ein bisschen weiter, in Vers 6: Da dieses also eingerichtet ist, gehen die Priester allezeit in die vordere Hütte, das Heilige, hinein und vollbringen dort ihren Dienst. In die zweite Hütte aber, das Allerheiligste, geht einmal im Jahr allein der Hohepriester. Und zwar nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die Verirrungen des Volkes darbringt. Es geht hier um Jom Kippur, den großen Versöhnungstag.
Was sagt Vers 8? Hier zeigt der Heilige Geist an, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht geoffenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat. Diese vordere Hütte ist ein Gleichnis für die gegenwärtige Zeit.
Der Schreiber erklärt, dass diese Einrichtung der Stiftshütte so von Gott gewollt ist, dass man sagen kann: Der Heilige Geist hat mit diesen Dingen etwas angezeigt. Der Heilige Geist spricht also durch diese Dinge zu uns. Und es wird hier auch erklärt, dass die Stiftshütte ein Gleichnis ist. Wir haben es also mit Gleichnissprache zu tun.
Ich möchte noch ein Beispiel geben: Apostelgeschichte 26. Paulus spricht hier vor König Agrippa, einem ungläubigen König, und muss sich verteidigen. Er will zeigen, dass er kein Irrlehrer ist. In Vers 22 sagt Paulus: „Da mir nun der Beistand von Gott zuteil wurde, stehe ich bis zu diesem Tag bezeugend sowohl Kleinen als auch Großen, indem ich nichts sage außer dem, was auch die Propheten und Mose gesagt haben, dass es geschehen werde, nämlich dass der Christus leiden sollte, dass er als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen.“
Paulus sagt mit Selbstverständlichkeit, dass Mose davon gesprochen hat, dass Christus leiden muss und dass er als Erster durch die Auferstehung Licht verkündigen würde. Wo steht das in den Büchern Mose? Man kann das ganze Alte Testament von vorne bis hinten durchlesen – man findet nichts. Und auch rückwärts auf Hebräisch findet man nichts.
Woher kommt diese Behauptung? Paulus sagt das gegenüber König Agrippa, der das Judentum natürlich bestens kannte: Mose hat das gesagt.
Bleiben wir in 2. Mose, bei der Beschreibung des Leuchters. Der siebenarmige Leuchter hatte siebenmal Öl. Christus heißt „der Gesalbte“. Die Könige und Priester wurden mit Olivenöl gesalbt. Christus ist der Gesalbte, mit siebenfachem Öl.
Da Christus leiden sollte, durfte der siebenarmige Leuchter nicht gegossen werden, sondern musste in Schmiedearbeit, in getriebener Arbeit hergestellt werden. Jeder Hammerschlag des Schmieds wies darauf hin, dass Christus leiden wird.
Es wurden 22 Mandelblüten angebracht. Der Mandelbaum ist der Baum, der Ende Januar, Anfang Februar durch seine weißen Blüten als erster Baum in Israel das neue Leben des Frühlings ankündigt.
Also sollte Christus als Erster durch Totenauferstehung Licht verkündigen. Wir haben das siebenfache göttliche Licht in den Öllampen des Leuchters. Jedes Element finden wir in der Bildersprache der Menorah.
Mose sagt nicht ausdrücklich, dass Christus leiden muss. Aber wenn man ein bisschen Phantasie hat, kann man das dort hineinlesen. Paulus sagt jedoch nicht „wenn man es hineinliest“, sondern: Mose hat gesagt, dass Christus leiden sollte und so weiter.
Das zeigt, wie selbstverständlich die typologische Auslegung ist. Gerade gegenüber Agrippa, der im Judentum aufgewachsen ist, benutzt Paulus die Typologie missionarisch.
Darum können wir auch verstehen: Im 19. Jahrhundert hat die Typologie wieder neue Bedeutung bekommen, gerade für die Judenmission. Ab dem 19. Jahrhundert sind so viele Juden zum Glauben gekommen wie nie mehr seit dem ersten Jahrhundert.
Das hat seinen guten Grund. Man hat wieder gelernt, wie man Juden das Evangelium bringt. Es trifft ihre Herzen, wenn man ihnen anhand von Passah, Jom Kippur und anderen Festen erklären kann, was das alles in Bezug auf den leidenden Christus bedeutet. Das ist überwältigend.
Ich kenne selbst einen ehemals orthodoxen Juden, der Medizin in Zürich studiert hat. Er wurde mit der Stiftshütte, mit dem Modell von Paul Kiene in Winterthur, konfrontiert. Dadurch ist er zum Glauben gekommen.
Er hat anhand der Stiftshütte gelernt, was Erlösung durch Stellvertretung bedeutet. Dann war der Weg offen für seine Bekehrung. Er wurde von seiner Verwandtschaft ausgestoßen, war aber bereit, den Preis zu bezahlen.
Denn er hat den Reichtum in Christus entdeckt – über die Bibel, die er von Kind auf von zuhause mitbekommen hatte. Das ist eine sehr wichtige Sache, gerade auch für die Judenmission.
Die Bedeutung der Typologie in der biblischen Lehre
Nun zur Bedeutung der Typologie in der biblischen Lehre.
Ein paar Punkte:
Im Neuen Testament wird durch die Typologie der Christusglaube mit alttestamentlichen Sachverhalten und Personen verknüpft. Plötzlich bekommt das Alte Testament Inhalt durch die Erfüllung in Christus.
Weiterhin wird durch die Typologie Gottes Heilsplan herausgearbeitet, der von Anfang an kontinuierlich auf die Vollendung hinsteuert. Dies wurde neu entdeckt, insbesondere für die Mission unter eingeborenen Stämmen. Man hat herausgefunden, dass es nie dieselben Folgen hat, wenn man einfach mit dem Neuen Testament beginnt, wie wenn man zu einem eingeborenen Stamm kommt und bei der Schöpfung, dem Sündenfall, Kain und Abel, der Sintflut usw. beginnt und all diese Parallelen herausarbeitet, ohne gleich zu sagen, was das alles bedeutet.
Die Rettung durch die Arche, die Rettung durch das Blut des Lammes in Ägypten – all das wird so eingeprägt. Diese Prinzipien zeigen, wie Gott in der Heilsgeschichte gewirkt hat. Dann kommt man auf die Erfüllung in Christus und plötzlich „bricht der Stamm durch“. Oft kommen viele Menschen am gleichen Abend zum Glauben. Das ist ganz eindrücklich, denn diese heilsgeschichtliche Kontinuität ist absolut durchschlagend.
Und warum eigentlich nur für Eingeborene? Warum nicht auch in den evangelistischen Hauskreisen bei uns? Einfach zu zeigen, was die Bibel sagt, und den ganzen Heilsplan Gottes von Anfang bis Ende auszuarbeiten – das ist überwältigend. So wird deutlich, wie sich alles auf den Herrn Jesus Christus konzentriert.
Dritter Punkt:
Die Typologie verdeutlicht die strukturelle Parallelität zwischen alttestamentlichen und neutestamentlichen Glaubensaussagen. Es ist plötzlich kein Gegensatz mehr, sondern es wird sichtbar, wie alttestamentliche Gebote, etwa der Ochse, der da drischt, neutestamentliche Aktualität gewinnen.
Nächster Punkt:
In der typologischen Auslegung bemüht man sich darum, die Verklammerung von Altem und Neuem Testament zu verdeutlichen. Plötzlich merkt man, wie beides unzertrennlich zusammengehört. Die Typologie beruht auf der Tiefe und dem Reichtum des Bibeltextes. Kein Text, so belanglos er auch scheinen mag, darf der interpretatorischen Anstrengung für unwürdig gehalten werden.
Man fragt sich plötzlich: Was bedeuten die Namen? Das hat alles Bedeutung. Warum ist es so und so dargestellt?
Ein letzter Punkt:
Im Gegensatz zu dem Programm, die Bibel genau wie jedes andere Buch auszulegen, geht die Typologie von der Besonderheit einer genuin, also wirklich christlichen Auslegung der Schrift aus.
Natürlich ist die Bibel in Sprachen geschrieben worden, die von Menschen gesprochen wurden. Aber man kann nicht sagen, die Bibel sei wie jedes andere Buch, denn sie ist Gottes Offenbarung.
Wenn wir das sehen, verstehen wir, dass Gott Dinge ganz bewusst hineingelegt hat. In seiner Allwissenheit hat er dies im Blick auf das Kommen des Erlösers getan.
Es wird uns plötzlich auch klar, dass Gott die ganze Geschichte in seiner Hand hält. Er hat die Geschichte so geführt und geleitet, dass die Geschichte Josefs zu einem Hinweis auf Christus wird.
Das betrifft nicht nur Josef. Wir können bei Kain und Abel beginnen, bei Adam und Eva – alles hat voraus Bedeutung auf Christus hin.
Aber das ist nun wirklich christliche Auslegung, wenn wir davon ausgehen, dass die Schrift Gottes Wort ist.
Beispiele für typologische Auslegung im ersten Buch Mose
Zum Schluss habe ich eine Liste zusammengestellt mit Beispielen, wie im Neuen Testament das erste Buch Mose typologisch ausgelegt wird.
Der erste Schöpfungstag wird in 2. Korinther 4,6 mit der Bekehrung verglichen. Der Gott, der aus der Finsternis Licht leuchten ließ, ist es, der in unsere Herzen hineingeleuchtet hat, um den Lichtglanz des Evangeliums zu erkennen. Das heißt also, die erste Schöpfung ist ein Bild der Neuschöpfung. Unser Zustand war so wie in 1. Mose 1,2: wüst und leer und Finsternis über dem Abgrund. Das ist die Beschreibung des verlorenen Menschen. Dann kommt das Licht des Evangeliums hinein.
Der Sabbat der Schöpfung wird in Hebräer 4 mit der himmlischen Sabbatruhe verglichen, die noch auf uns wartet. Der Garten Eden wird zum Bild für das himmlische Paradies im Neuen Testament. Der Baum des Lebens wird im Neuen Testament wieder aufgenommen in der Offenbarung. Quelle und Strom im Garten Eden werden ebenfalls im Blick auf das neue Jerusalem wieder aufgegriffen.
Mann und Frau sind ein Fleisch in der Ehe nach 1. Mose 2. Das wird in Epheser 5 aufgenommen, um zu zeigen, wie Christus und seine Gemeinde – er der Mann, sie die Frau – eine vollkommene Einheit bilden.
Eva, die durch die Schlange verführt wurde, wird in 2. Korinther 11 zum Bild für die Braut Christi, die in Gefahr ist, ihrem Bräutigam untreu zu werden. Sie könnte durch Verführung einen anderen Geist empfangen, einen anderen Jesus, ein anderes Evangelium.
Adam als Haupt der Sünder wird in Römer 5,12 zum Gegensatz zu Jesus, dem Haupt der Gerechtfertigten.
Die Sintflut wird in 1. Petrus 3,21 aufgenommen. Es wird gesagt, sie ist ein anderes Bild für dasselbe wie die Taufe. Beide sprechen vom Tod und der Auferstehung Christi. Das Untertauchen bei der Taufe bedeutet, mit Christus mitgestorben zu sein, das Auftauchen, mit ihm auferweckt zu werden.
Interessant ist die Arche, die durch das Wasser hindurchging und durch das Gericht Gottes landete auf dem Ararat. Der Tag der Landung entspricht genau dem Auferstehungstag Christi.
Babylon wird im Neuen Testament zum Bild für die falsche Kirche, die Hure Babylon.
Melchisedek wird zum Bild für den ewigen Sohn Gottes. Das irdische Salem ist ein Bild des himmlischen Jerusalems.
Hagar und Sara werden in Galater 4 erklärt. Hagar bedeutet den Bund vom Sinai, einen Bund der Knechtschaft. Sara ist ein Bild der Freiheit, denn sie war keine Sklavin, sondern eine Freie. So haben wir hier zwei Systeme: den alten Bund und den neuen Bund. Wir Gläubige heute gehören nicht mehr zum Hagar-Bund, sondern zum Sara-Bund. Wir sind frei.
Aber so wie damals Ismael Isaak verfolgte, so ist es auch heute noch so, dass diejenigen, die unter der Knechtschaft sind, Hass auf die haben, die die Freiheit im Messias gefunden haben.
Sodom und Gomorra werden in 2. Petrus und im Judasbrief als Vorschattung auf die Höllenstrafe gedeutet.
Die Opferung Isaaks wird in Römer 8,22 auf die Opferung des Sohnes Gottes gedeutet. Dabei wird der Wortlaut der Septuaginta in 1. Mose 22,16 übernommen. Gott sagt zu Abraham: „Du hast deinen Sohn nicht verschont.“ Wörtlich und in Römer 8: „Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont.“ Das ist eine direkte Anspielung.
Dann haben wir schon gesehen die Josefsgeschichte, den verworfenen und verherrlichten Christus. Stephanus nimmt das auf und erzählt vor dem Sanhedrin diese Geschichte, ohne sie zu interpretieren. Die Zuhörer sollten selbst die Parallele merken, wie sie Christus verworfen haben. Viele andere Geschichten bringt er einfach so als Geschichte, damit sie selbst erkennen, was sie getan haben. Am Schluss bringt er es auf den Punkt: „Ihr habt den Gerechten verleugnet und verworfen.“
Wir sind am Schluss. Ich hoffe, dass, auch wenn einiges ein bisschen strohend war, das eine Anregung ist, das Alte Testament ganz neu zu entdecken im Licht des Neuen.
