Fortsetzung der Vision und das Gericht Gottes
Wir sind vor der Pause bei Habakuk 2,3 stehen geblieben. Dort geht es um die Endzeit, das Endziel der Vision Habakuks. Diese Endzeit ist als festgesetzte und bestimmte Zeit von Gott in seinem Ratschluss unabänderlich vorgesehen.
Nun folgt Vers 4: „Siehe, aufgeblasen“ – zugleich kann man auch „vermesssen“ oder „übermütig“ übersetzen. Nicht aufrichtig ist seine Seele in ihm. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.
Dazu kommt: „Der Wein ist treulos, der übermütige Mann bleibt nicht, der seinen Schlund weit öffnet, gleich dem Scheol. Er ist wieder tot, ja, er wird nicht satt, und er sammelt zu sich die Nationen, ja, er bringt zusammen alle Völker.“ Bis hierhin.
Nun folgt eine etwas geheimnisvolle Bemerkung in Vers 4: „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist seine Seele in ihm.“ Das bezieht sich auf den Feind, den Gottlosen. Gott zeigt, dass er ganz genau weiß, wie die Babylonier selbst schuldbeladen vor ihm stehen. Trotzdem hat er sie als Zuchtrute für sein Volk Israel benutzt.
Er ist sich aber voll bewusst, wie es um die Babylonier steht – um diesen Hochmut, diese Aufgeblasenheit. Diesen Hochmut findet man schon ganz eindrücklich bei Nebukadnezar. Man denke nur an Daniel 3 mit der goldenen Statue. Aber auch Daniel 4 behandelt diesen Hochmut Nebukadnezars, der dazu führt, dass er für sieben Jahre wahnsinnig wird und wie ein Tier leben muss.
Übrigens gibt es in der Archäologie genau eine Zeitspanne von sieben Jahren, über die man nichts weiß bezüglich Nebukadnezars Regierungszeit. Es gibt keine Spur davon, was in dieser Zeit geschah. Diese Lücke passt gut zu den sieben Jahren Wahnsinn, die in der Bibel beschrieben werden.
Gott widersteht dem Hochmütigen.
Dann kommt Daniel 5: Der Enkel von Nebukadnezar, Belsazar, feiert noch in seinem Hochmut eine letzte Party mit Wein und Alkohol. Dabei gerät er so außer sich, dass er im Rausch nach den gestohlenen Tempelschätzen aus Jerusalem verlangt, die aus dem Marduk-Tempel gebracht werden sollten. Dabei hat er den Gott Israels geschmäht und die Götter Babylons geehrt.
Darauf bezieht sich das „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist seine Seele in ihm.“ Auch Vers 5 ergänzt: „Der Wein ist treulos, der übermütige Mann bleibt nicht.“
Dies hat sich eindrücklich gezeigt: Bei Belsazar kam noch in derselben Nacht seiner letzten Party das Ende. Die Perser unter Kyros zogen nach Babylon ein. Sie hatten bereits ein geheimes Abkommen mit den babylonischen Priestern getroffen. Die Stadt wurde praktisch kampflos erobert, doch Belsazar wurde durch einen Schwertstreich in derselben Partynacht beseitigt.
Der Wein ist treulos, der übermütige Mann bleibt nicht.
Gottes Gericht und das Prinzip der göttlichen Gerechtigkeit
Aber dazwischen steht dieser Vers: Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.
Im Weiteren wird gezeigt, dass Gott auch die Babylonier bestrafen wird. So wie er Belsazar in jener Nacht bestraft hat, soll auch das ganze babylonische Reich unter das Gericht Gottes kommen. Das ist tatsächlich geschehen: Die Perser eroberten Babylon.
Doch auch die Perser waren Menschen, die sich schwer gegen Gott versündigt und verschuldet hatten. Deshalb benutzte Gott später die Griechen unter Alexander dem Großen, um die Perser zu bestrafen. Die Griechen erwiesen sich ebenfalls als so unwürdig, dass Gott sie schließlich durch die Römer bestrafen musste.
So geht es immer weiter: Gott benutzt ein Volk, um ein anderes zu bestrafen. Dass er dieses Volk als Vollstrecker der Strafe einsetzt, bedeutet jedoch keineswegs, dass die bestrafende Nation eine weiße Weste hat. Sie kann sogar noch schlimmer sein als die bestrafte Nation.
Auch diese Nationen werden selbst im Plan Gottes einmal bestraft werden. So ist es wie ein Dominoeffekt. Die Frage nach Gerechtigkeit wird immer weiter verschoben. Wann wird dann die endgültige Antwort kommen?
Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben. Man muss glauben, dass Gott eines Tages alles zur Vollendung führen und alle Fragen nach Gerechtigkeit beantworten wird. Der Gläubige muss einfach in diesem Glauben durchs Leben gehen. So kann er in seinem Leben die Gerechtigkeit Gottes ausleben – trotz einer ungerechten Welt.
Die Römer wurden später durch die Barbaren bestraft, die das Weströmische Reich zerstörten. Später gebrauchte Gott die Muslime, die Türken, um das Oströmische Reich zu vernichten. So setzte sich das fort in der Geschichte bis ins zwanzigste Jahrhundert, als Gott die Alliierten benutzte, um das Nazireich zu bestrafen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Alliierten eine weiße Weste gehabt hätten. So hat Gott ein Volk nach dem anderen benutzt. Das geht bis in unsere Zeit und hilft uns zu verstehen, warum Gott Kriege zulässt: Sie haben immer auch eine züchtigende Funktion.
Manche fragen sich: Geht es den Amerikanern besser, wenn sie Krieg führen und Saddam Hussein absetzen? Die Antwort bleibt: Auch die bestrafende Nation hat keine weiße Weste. Die Antwort auf die Frage nach Gerechtigkeit wird immer weiter hinausgeschoben – erst wenn der Herr Jesus wiederkommt.
In Macht und Herrlichkeit wird er als Richter der Welt alles klar machen. Dann wird deutlich werden, dass Gott das letzte Wort hat. Bis dahin muss der Gläubige aushalten, warten und vertrauen.
So ist dieser Vers ganz zentral: Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.
Die Bedeutung von Habakuk 2,4 im Neuen Testament und der Reformation
Dieser Vers wird im Neuen Testament besonders wichtig, und zwar im Römerbrief, genauer in Römer 1, Vers 17.
Der Römerbrief behandelt die Frage: Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott? Diese Frage beschäftigt bereits das Buch Hiob. Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott? Der Römerbrief zeigt, dass dies möglich ist durch das Erlösungswerk des Herrn Jesus Christus. Er ist für unsere Sünden gestorben und hat unsere Schuld auf sich genommen. Deshalb kann Gott jeden, der an Jesus Christus glaubt, gerecht sprechen und rechtfertigen.
Gott kann jemanden als gerecht erklären, weil Christus alles getan hat, um alle Schuld zu entfernen. Das ist das große Thema des Römerbriefes und eine ganz fundamental neue Botschaft. So etwas kannte man im Judentum nicht. Im Judentum ging man weiterhin davon aus, dass der Mensch sich für das Gute oder das Böse entscheiden muss. Allerdings wurde im offiziellen Judentum bis heute bestritten, dass der Mensch grundsätzlich sündig vor Gott ist.
Auch die Vorstellung einer sündigen Natur, die von Adam geerbt wurde, wie es im Römerbrief ausgeführt wird (Römer 5,12), wird im orthodoxen Judentum abgelehnt. Dort sagt man, der Mensch habe zwei Triebe – einen guten und einen bösen – und müsse sich für die eine oder andere Richtung entscheiden. Man glaubt, dass man durch gutes Tun Gott näherkommen kann.
Mit dem Neuen Testament wird diese Sicht endgültig überwunden. Seit der Herr Jesus Christus, der Messias, gekommen ist, wird klargemacht: Nein, der Mensch konnte das Gesetz nicht halten. Er braucht den Erlöser. Jesus Christus hat alles getan, sodass wir allein durch den Glauben gerechtfertigt werden.
Um dies im Römerbrief darzulegen, wird auf Habakuk 2 zurückgegriffen, um zu zeigen, dass diese Botschaft bereits im Alten Testament verankert ist. Es ist keine Neuerfindung von Paulus. Das steht schon in Habakuk 2.
Ich lese jetzt Römer 1, Vers 16: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist Gottes Kraft zum Heil jeden Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen. Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart, aus Glauben zu glauben, wie geschrieben steht: Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“
Hier wird deutlich, dass der Mensch gerecht werden kann. Die Gerechtigkeit hängt mit dem Glauben zusammen. Der Gerechte wird aus Glauben leben, nicht aus Werken. So wird gezeigt, dass Gott gerecht ist. Gottes Gerechtigkeit ist das große Thema im Römerbrief und die Frage, wie der Mensch gerecht werden kann.
Dabei wird auf Habakuk 2, Vers 4 zurückgegriffen, mit der Betonung: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ Derselbe Vers wird auch in Galater 3, Vers 11 und Hebräer 10, Vers 38 aufgenommen. Ich habe das in Fußnote 18 bei Habakuk 2, Vers 4 vermerkt.
Interessant ist, dass man im Habakuk-Kommentar aus Qumran nicht auf den Gedanken der Gerechtigkeit durch Glauben aufgrund von Habakuk 2, Vers 4 kommt. Dort bleibt man bei der Meinung, dass die Werke und das Verdienst des Menschen entscheidend sind. Dabei steht es doch schon in Habakuk 2, Vers 4.
So wird deutlich, dass dieses kleine Buch aus dem Alten Testament fundamental wichtig für die Botschaft des Evangeliums ist. Paulus will das Evangelium im Römerbrief umfassend darstellen. Er sagt, er wollte schon immer nach Rom kommen, war aber verhindert. Nun möchte er das Evangelium den Gläubigen in Rom in Form eines Briefes darlegen.
Im Römerbrief finden wir eine systematische Darstellung der Frage: Wie kann der Mensch vor Gott gerecht sein? Nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben an Jesus Christus. Dies wird auf Habakuk 2, Vers 4 aufgebaut.
Doch wir wissen, was im Christentum geschehen ist: Schon bald verdunkelten Wolken dieses klare Licht des Römerbriefes. Ausgerechnet in Rom, wohin der Römerbrief gesandt wurde, begann man zu lehren, dass der Mensch gute Werke tun müsse – sein ganzes Leben lang – um sich Gott langsam zu nähern.
Man lehrte nicht mehr, dass der Mensch in einem juristischen Akt von Gott gerechtgesprochen wird. Die Rechtfertigungslehre des Römerbriefes, wonach der Mensch, der sich bekehrt hat, als gerecht erklärt wird, wurde verworfen. Stattdessen galt: Nicht durch Glauben, sondern durch Werke, das ganze Leben hindurch.
Übrigens steht in Römer 5, Vers 1: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“ Das Wort „gerechtfertigt worden“ ist im Griechischen ein Aorist. Das bedeutet eine abgeschlossene, punktuelle Handlung in der Vergangenheit, keinen Prozess. Wäre es ein Prozess, müsste eine andere grammatische Form verwendet werden.
Diese abgeschlossene Handlung zeigt, dass Gott Menschen, die glauben, punktuell gerechtgesprochen hat. Mit der griechischen Grammatik lässt sich die Lehre der römisch-katholischen Kirche fundamental widerlegen.
Es ist bemerkenswert, dass der Römerbrief nicht nach Korinth oder Ephesus geschickt wurde, sondern nach Rom. Gerade von Rom aus wurde aber über Jahrhunderte hinweg die Botschaft verdunkelt. Die Menschen blieben in Unwissenheit hinsichtlich des Heils und der Sicherheit des Heils.
Martin Luther und die Wiederentdeckung der Rechtfertigung durch Glauben
In einer Turmstube fragte sich ein Augustinermönch: Wie kann ich einen gnädigen Gott haben? Er hatte sich selbst viel geschunden und geplagt, weil er dem gerechten Gott entsprechen wollte. Doch er sah, dass sein Leben nicht dem eines gerechten Gottes entsprach. Gottes Zorn lastete auf ihm. Wie kann ich einen gnädigen Gott haben?
Plötzlich erlebte dieser Mönch das sogenannte Turmerlebnis, und zwar beim Lesen von Römer 1,17: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“ Nicht durch das, was ich leiste. Der Gerechte, der Mensch, kann vor Gott gerecht sein – aber nur aus Glauben. Diese Erkenntnis schlug ein wie ein Blitz!
So begann dieser Mönch, Martin, über die Gnade Gottes zu sprechen. Er hielt Vorlesungen als katholischer Professor für Theologie, zum Beispiel über den Galaterbrief und die Psalmen. Als er immer mehr Missstände sah, wollte er öffentlich mit den Studenten darüber sprechen. Er schlug 95 Thesen an eine öffentliche Tür.
Doch es kam ganz anders, als er gedacht hatte. Er wollte eine Diskussion anregen, etwa darüber, ob das Messopfer biblisch sei oder nicht. Diese Thesen wurden kopiert und verbreiteten sich in ganz Europa – schon damals ein Problem. So entstand die Reformation.
Dieser Mönch Martin Luther wurde mit dem Bann aus Rom belegt, ausgeschlossen und exkommuniziert. Noch vor dem Reichstag, als der Adel Europas versammelt war, sagte er: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Wenn ich irre, dann beweist es mir aufgrund der Heiligen Schrift, aber nicht aufgrund der Entscheidungen der Konzile. Nur aufgrund der Heiligen Schrift. Ich bin bereit, mich korrigieren zu lassen, wenn ihr das mit der Bibel könnt.“
Er hielt an diesem Vers fest: „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“ Das veränderte Europa vollkommen. Tausende Nonnen und Mönche traten aus den Klöstern aus, weil sie die Gnade Gottes neu entdeckt hatten. Dieser Augustinermönch war schon beeinflusst von der Gnadenlehre Augustins, die er aus der Bibel gefunden hatte.
So entstand eine der größten Erweckungsbewegungen der vergangenen 2000 Jahre: die Reformation. Die Bibel wurde neu entdeckt und in die Volkssprachen übersetzt. Die Menschen sollten die Bibel selbst lesen. Dort steht: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ Dieser kleine Satz aus Habakuk 2,4 brachte die evangelische Freiheit.
Wir dürfen in Europa nun frei die Gnade Gottes verkündigen und unseren Glauben frei ausleben. All das ist durch diesen Vers möglich geworden. Darum können wir uns heute so frei versammeln. In früheren Zeiten wären wir alle eingesperrt worden, wenn wir so einen Wittenberger Tag gemacht hätten – so unabhängig, ja? Und dann noch einer, der gar kein Priester ist – das wäre das Allerschlimmste gewesen. Wir wären ins Gefängnis gekommen oder sogar getötet worden.
Doch Habakuk 2,4 brachte diesen Durchbruch, und wir sehen seine Wirkung bis heute. Wir sind daran gewöhnt, diese Freiheit zu haben. Doch all das geht zurück auf die Explosion, die Habakuk 2,4 ausgelöst hat.
Aus dieser Erweckungsbewegung entstand später auch die Missionsbewegung ab dem 19. Jahrhundert. Das Evangelium wurde in alle Kontinente gebracht: nach Afrika, nach Schwarzafrika, zu den Indianern in Süd-, Mittel- und Nordamerika, nach Asien – in die hinduistische, buddhistische und taoistische Welt hinein.
Habakuk 2,4 lautet: „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ Es ist beeindruckend, wie ein kleines Buch, das viele Bibelleser wegen seiner Kleinheit und scheinbaren Nebensächlichkeit übergehen, so viel bewirken kann. Daher kommt all das.
Die sprachliche und theologische Tiefe von Habakuk 2,4
Nun, unter Seite eins, unter charakteristische Ausdrücke und Besonderheiten, sind wir bereits. Auf Seite zwei finden wir folgenden Satz vor uns: Der Gerechte wird aus Glauben leben.
Dieser Satz wird dreimal im Neuen Testament zitiert: in Römer 1, Vers 17, in Galater 3, Vers 11 und in Hebräer 10, Vers 38. Jedes Mal liegt jedoch die Betonung etwas anders.
Im Römerbrief geht es um die Gerechtigkeit Gottes. Die Frage lautet: Wie kann der sündige Mensch vor Gott gerecht sein? Die Antwort lautet: Der Gerechte wird aus Glauben leben.
Im Galaterbrief geht es darum, dass die Galater durch Gesetzeswerke von Gott angenommen werden wollten. Paulus sagt jedoch Nein, es geht nicht durch Werke, sondern nur durch Glauben. Dabei zitiert er Habakuk 2, Vers 4: Der Gerechte wird aus Glauben leben.
In Hebräer 10, Vers 38 wird dieser Vers nochmals aufgegriffen. Dort wird gewarnt: Wer sich frustriert von Gott zurückzieht, an den wird Gott keinen Gefallen haben. Aber der Gerechte wird aus Glauben leben.
Im Anschluss daran wird in Hebräer 11 das Leben der Glaubenshelden und -heldinnen im Alten Testament anschaulich dargestellt. Hier liegt die Betonung auf dem Leben mit Gott: Der Gerechte wird aus Glauben leben.
Ich erinnere mich noch, dass ich vor vielen Jahren gefragt wurde, wie das eigentlich im Hebräischen lautet. Die Akzente liegen auf den drei Begriffen: der Gerechte, der „Aber“ und „wird aus Glauben leben“. Auf Seite zwei sieht man das oben. Das erste Wort heißt „wezerdik“, was „der Gerechte“ bedeutet. Das „we“ ist das „Aber“ und wird einfach vorne angehängt. Das ist ein eigenständiges Wort auf Hebräisch.
Das zweite Wort „beemunato“ bedeutet „durch seinen Glauben“. Das dritte Wort „jichjä“ heißt „wird leben“. So besteht der Satz wirklich aus drei Wörtern.
Im Neuen Testament wird dieser Satz dreimal zitiert, und jedes Mal wird der Akzent auf ein anderes Wort gelegt: Im Römerbrief auf „wezerdik“ – der Gerechte, im Galaterbrief auf „beemunato“ – durch seinen Glauben, und im Hebräerbrief auf „jichjä“ – wird leben.
Das zeigt etwas von dem Reichtum des Wortes Gottes. Man kann auf jedem Wort herumdrücken, und es kommt immer noch mehr zum Vorschein. Jedem Wort hat Gott einen Reichtum hineingelegt. Das gilt nicht nur für Habakuk 2, Vers 4, sondern für die ganze Bibel.
Unser Leben reicht nie aus, um diesen Reichtum vollständig auszuschöpfen. Aber wir machen einfach vorwärts, solange wir leben.
Schon der heilige Sänger des Psalm 119 sagte: „Nur ein Ende habe ich gesehen von aller Vollkommenheit; sehr ausgedehnt ist dein Gebot.“
Wenn man diese drei Briefe betrachtet, die sich mit Habakuk 2, Vers 4 beschäftigen, fällt noch etwas auf: Alle diese Briefe setzen sich mit der Gegenüberstellung von Gesetz und Gnade auseinander – allerdings mit unterschiedlichem Akzent.
Im Römerbrief wird die Notwendigkeit des Glaubens gezeigt. Der Mensch geht verloren, wenn er nicht glaubt. Gottes Zorn steht über der ganzen Menschheit, und der Mensch kann nur durch den Glauben an das Erlösungswerk des Herrn Jesus gerettet werden. Jesus hat den Zorn Gottes für uns getragen.
Im Galaterbrief geht es um die Ausschließlichkeit des Glaubens. Es gibt keine andere Möglichkeit, gerettet zu werden, als nur durch Glauben. Werke funktionieren überhaupt nicht. Es wird die Ausschließlichkeit des Glaubens betont.
Im Hebräerbrief wird gezeigt, dass das, was Christus gebracht hat, über dem steht, was im Gesetz steht. Das Gesetz ist zwar Gottes Wort, hundertprozentig, aber es hat in Bildern mit den Opfern usw. angedeutet, dass einmal das wahre Opfer kommen wird, wenn der Messias kommt.
Diese Opfer waren, so erklärt der Hebräerbrief, nur Schatten – die Ankündigung. Sie sind noch nicht die Realität. All diese Schatten weisen auf die Wirklichkeit hin, auf den „Körper“, das, was Jesus Christus durch seine Erlösung gebracht hat.
So wird gezeigt, dass das, was Christus gebracht hat, überlegen ist gegenüber den Bildern, die Gott im Alten Testament gegeben hat. Die Bilder sind nur Bilder, noch nicht die Erfüllung. Wir müssen die Erfüllung haben, vom Schatten zur Wirklichkeit gelangen.
Zusammengefasst: Im Römerbrief wird die Notwendigkeit des Glaubens betont, im Galaterbrief die Ausschließlichkeit des Glaubens und im Hebräerbrief die Überlegenheit des Glaubens.
Jedes Mal spielt in diesen Briefen das Wort aus Habakuk 2, Vers 4 eine ganz wichtige Rolle.
Die Wiederkunft Christi und das Gericht über die Feinde Gottes
Ja, jetzt gehen wir weiter im Bibeltext. Wenn wir schon Hebräer 10 erwähnt haben, dann sollten wir das mal ganz kurz aufschlagen. Hebräer 10,37 erklärt: „Denn noch ein ganz kleines Weilchen, so wird der Kommende kommen und nicht auf sich warten lassen. Der Gerechte aber wird aus Glauben leben.“
Dieser Satz „Der Kommende wird kommen und nicht verziehen“ kommt uns doch irgendwie bekannt vor, hoffe ich. Es ist ein Zitat aus Habakuk 2. Dort lesen wir in Vers 3: „Denn die Vision bezieht sich noch auf die festgesetzte Zeit und schnaubt auf die Endzeit hin und täuscht nicht.“ Im Hebräischen ist das Wort für Vision männlich. Die Vision geht auf das Ende hin, und man könnte es männlich übersetzen: „Wenn er zögert, so warte auf ihn, denn kommend wird er kommen und sich nicht verspäten.“
Der Hebräerbrief übernimmt diesen Gedanken und bezieht ihn direkt auf Christus: „Der Kommende wird kommen und nicht verziehen.“ Das ist ein Volltreffer, denn der Inhalt dieser Vision ist Jesus Christus. Man kann also sagen: Die Vision wird kommen, sie wird nicht versagen, sie wird in Erfüllung gehen. Sie ist gleichbedeutend mit Jesus Christus. Er wird wirklich kommen und sich nicht verspäten.
Jetzt gehen wir aber schön weiter im Bibeltext. Wir haben gesehen in Kapitel 2, Vers 5, dass Gott ankündigt, das Gericht auch über die Babylonier zu bringen – über dieses Volk, das so brutal Nationen und Völker zusammengesammelt hat. In Vers 6 heißt es: „Werden diese alle etwa nicht über ihn einen Spruch anheben, ja, ein Spottlied, ein Rätsel auf ihn?“
Jetzt kommt etwas, was ich überschrieben habe mit „Spruch, Spott, Lied, Rätsel“. Es folgt ein Gedicht mit fünf Strophen. Dieses Gedicht ist ein Spottlied über die Feinde Gottes. Es richtet sich gegen all diese Nationen, die Gott zwar im Lauf der Geschichte benutzt hat, um andere Völker zu strafen. Doch sie haben sich selbst vor Gott verschuldet und müssen deshalb unter sein Gericht kommen – wegen Hochmut, Stolz und Rebellion gegen Gott.
So ist dieses Gedicht ein Spottlied auf die Feinde Gottes. Aber wir werden gleich sehen, dass etwas Geheimnisvolles darin steckt. Darum wird es ein Rätsel genannt. Es ist also etwas Rätselhaftes darin, nämlich die Frage: Auf wen bezieht sich das alles?
Zunächst bezieht es sich ganz klar auf die Babylonier. Später wird es sich auf die Perser beziehen, die die Babylonier gestraft haben. Dann auf die Griechen, die die Perser bestraft haben, anschließend auf die Römer, die die Griechen bestraften. Danach auf die Barbaren, die die Römer bestraften, und auf die Türken, die ebenfalls die Römer bestraften – und so weiter bis heute.
Wann ist es fertig? Dann, wenn der Herr Jesus kommen wird – als König über alle Könige und als Richter der Welt.
Das Spottlied über die Babylonier und die göttliche Gerechtigkeit
Ja, jetzt wollen wir uns dieses Gedicht gemeinsam anschauen. Ich lese die erste Strophe vor, in Vers 6c: „Wehe dem, der aufhäuft, was ihm nicht gehört, bis wann, und sich Pfandlast aufladet. Werden nicht plötzlich sich erheben, die dich beißen, und aufwachen, die dich wegscheuchen? Und so wirst du ihnen zur Beute werden, denn du, du hast viele Nationen beraubt. Es werden dich berauben alle übrig gebliebenen Völker wegen der Blutschuld an Menschen und wegen der Gewalttat an Land, Stadt und allen ihren Bewohnern.“
Ich habe versucht, das drucktechnisch zu verdeutlichen: Jede Strophe beginnt mit „Wehe“, „Wehidim“. Wir finden immer wieder, dass sich jede Strophe über drei Bibelverse verteilt. Im dritten Vers steht dann ein „Denn“, ein begründetes „Denn“. Ich habe das ebenfalls so gezeigt. In der zweiten Strophe ist das so, in der dritten Strophe ebenso, in der vierten Strophe ebenfalls. Aber in der fünften Strophe wird alles gedreht. Dort beginnt es nicht mit „Wehe“, sondern erst im zweiten Vers. Der Bibelvers beginnt mit „Wehe“, und am Schluss steht nicht „Denn“, sondern „Aber“ – das göttliche „Aber“ am Ende der Geschichte.
Damit sind wir dann in der Endzeit angelangt. Dort wird alles gedreht, dort kommt die Wende. Das wird also auch sprachlich verdeutlicht. Die erste Strophe zeigt die Babylonier, die so viel gestohlen und geraubt haben durch ihre Kriege. Sie werden selbst auch wieder durch andere Völker bestraft werden. Aber auch hier sehen wir die Frage: „Bis wann?“ Habakuk hat ja schon am Anfang des Buches gefragt: „Wann, bis wann?“ Auch hier wieder: Wie lange geht das mit den Babyloniern?
Nun, die Babylonier hatten exakt siebzig Jahre Weltherrschaft. Das hatte schon Jeremia vorausgesagt, in Jeremia 27 und 29. Die Zeit Babels wird siebzig Jahre dauern, und so lange werden die Völker rund um Israel den Babyloniern dienen. Dann kommt ihre Zeit. Tatsächlich haben die Babylonier im Jahr 609 v. Chr. endgültig das assyrische Reich besiegt. Da hörten die letzten Kriege auf. Ninive war schon drei Jahre zuvor gefallen. Dann waren sie wirklich die Nummer eins in dieser Welt. Im Herbst 539 v. Chr. eroberten die Perser die Stadt Babylon. Nun war es vorbei. Siebzig Jahre – bis wann kann der so handeln? Gott hat immer eine ganz bestimmte Zeit.
Vers 7: „Werden nicht plötzlich sich erheben, die dich beißen, und aufwachen, die dich wegscheuchen?“ Das ist ein Wortspiel im Hebräischen, wie ich in der Fußnote erklärt habe. Das Verb „beißen“ bedeutet im Hebräischen zugleich „Wucherzins einfordern“. Ich weiß, wie gesagt, von Babylon, wie sie aufhäufen und sich Pfandlast aufladen. Aber der Tag wird kommen, an dem andere ihnen Wucherzins auflegen. Sie beißen.
Wucherzins ist etwas sehr Böses, ja, das beißt. Es ist nicht dasselbe wie der normale Zins. Die Banken haben ein Recht, Zinsen einzufordern, weil das etwas ausgleichen soll, was die Entwertung des Geldes bewirkt. Darum ist das eine gerechte Sache. Aber Wucher ist das, wenn man den Armen Geld gibt, und sie nicht aus ihrer Armut herauskommen, sondern sich durch übermäßigen Zins noch mehr verschulden. Das beißt.
„Werden sich plötzlich erheben, die dich beißen, und aufwachen, die dich wegscheuchen, und so wirst du ihnen zur Beute werden.“ Die Begründung lautet: „Du, du hast viele Nationen beraubt. Es werden dich berauben alle übrig gebliebenen Völker wegen der Blutschuld an Menschen und wegen der Gewalttat an Land, Stadt und allen ihren Bewohnern.“ Diese Formulierung kommt dann wörtlich nochmals in 2,17 am Schluss vor, aber das ist schon vorgegriffen.
Die weiteren Strophen des Spottliedes
Jetzt kommen wir zur zweiten Strophe:
Wehe dem, der ungerecht bösen Gewinn macht für sein Haus, um sein Nest auf die Höhe zu setzen und sich zu retten aus der Hand des Bösen. Du hast Schande für dein Haus beratschlagt, um viele Völker zu vernichten, und so sündigst du mit deiner Seele. Denn der Stein schreit aus der Mauer, und der Verbindungssparren antwortet ihm aus dem Holzwerk.
Hier wird gezeigt, wie die Babylonier unter Nebukadnezar für ihre Zwecke stahlen. Das ist sein Haus, und er hat schlimme Dinge getan, beratschlagt und Völkermord begangen, um viele Völker zu vernichten. Das sieht Gott. All die Völkermorde sieht er, und er bezeichnet das als Sündigen mit der Seele.
Dann wird erklärt, wie selbst die Steine in der Mauer und die Holzwerke Zeugen all dieser Ungerechtigkeit sind. Sie treten gewissermaßen als Zeugen gegen das auf, was sich die Babylonier ungerecht angeeignet haben. Das ist sehr poetisch ausgedrückt. All dieses Materielle ist ein Zeugnis gegen sie.
Die dritte Strophe lautet:
Wehe dem, der Städte baut mit Blutschuld und Städte gründet mit Ungerechtigkeit.
Das können wir bis in die modernste Geschichte hinein nachvollziehen. Man denkt zum Beispiel an die Sowjetunion und ihre Jahrzehnte der Gewaltherrschaft, was sie angerichtet haben und welche Städte sie mit Blutschuld aufgebaut haben. Wehe dem, der Städte baut mit Blutschuld und Städte gründet mit Ungerechtigkeit.
Siehe, kommt es nicht vom Herrn der Heerscharen, dass Völker sich abmühen fürs Feuer und Völker sich für Leeres ermüden?
Hier wird deutlich gemacht, dass zwar viel gehandelt wird, aber schlussendlich doch alles vergeblich ist. Man denkt zum Beispiel an die Sowjetunion, die sich vieles angehäuft hat, doch am Ende bricht alles krachend und tosend zusammen. Aber das kommt vom Herrn der Heerscharen.
Dieser Name ist wichtig: Jahwe der Heerscharen. Heerscharen ist das Wort für kriegerische Truppen. In der Bibel wird das Wort Heerscharen für die Sternenheere des Weltalls verwendet. Der Herr der Heerscharen ist der Herr, der das ganze Weltall mit allen Sternen, Galaxien, Galaxienhaufen und Supergalaxienhaufen in seiner Hand hält.
Das Wort Heerscharen wird auch für die Engel gebraucht, die hierarchisch strukturiert sind, wie das Weltall. Gott ist der Herr über alle Engelmächte.
Außerdem wird das Wort Heerscharen in der Bibel für das Heer Israels und auch für die Heere aller Völker der Welt verwendet. Gott ist also der Gott, der alle Armeen dieser Welt und auch die Armee Israels in besonderer Weise in seiner Hand hält.
Siehe, kommt es nicht vom Herrn der Heerscharen, dass Völker sich abmühen fürs Feuer und Völkerschaften sich für Leeres ermüden?
Dann folgt die Begründung:
Denn die Erde wird erfüllt werden davon, dass man die Herrlichkeit des Herrn erkennt, wie das Wasser das Meeresbecken zudeckt.
Hier wird darauf hingewiesen, dass eines Tages, im tausendjährigen Reich, Gott auf dieser Erde als König anerkannt werden wird. Überall auf der Erde wird man den Gott der Bibel, den Herrn der Heerscharen, kennen. Das ist heute noch nicht so.
Doch Jeremia 31 sagt, dass es kommen wird: Im tausendjährigen Reich wird niemand mehr zu seinem Mitbürger sagen müssen: Erkenne den Herrn! Denn sie werden alle von ihm gelehrt sein. Das ist eine Aussicht, die sich der Mensch heute kaum vorstellen kann.
Überall wird man den Herrn kennen – in Indien, in China, in Europa, überall. Alle Götzen werden verschwinden, heißt es in Jeremia 10 für diese Zeit. Alle Götzen werden unter dem Himmel verschwinden und die Erde wird erfüllt sein von der Herrlichkeit des Herrn.
Das ist eine Anspielung auf ein früheres Prophetenwort aus Jesaja. Jesaja schrieb etwa hundert Jahre vor Habakuk. Schlagen wir Jesaja 11 auf: Dort wird über die Herrschaft des Messias, Jesus, im tausendjährigen Reich gesprochen, wo der Wolf beim Lamm lagern wird, der Leopard beim Böcklein, das Kalb zusammen mit dem Löwen usw.
In Vers 9 heißt es:
Man wird nicht übeltun noch verderbt handeln auf dem ganzen heiligen Gebirge, denn die Erde wird voll sein der Erkenntnis des Herrn, gleich wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.
Ein drastisches Bild: Die Wassermassen der Ozeane bedecken vollständig die Meeresbecken.
Die vierte Strophe lautet:
Wehe dem, der seinem Nächsten zu trinken gibt, indem du deinen brennenden Zorn beimischst und ihn sogar betrunken machst, um seine Blöße anzuschauen.
Hier wird auf eine schlimme Perversion hingewiesen, im Zusammenhang mit Alkohol und böser Lust.
Du hast dich mit Schande gesättigt anstatt mit Ehre. Trinke auch du und entblöße dein Unbeschnittensein! Es wird sich zu dir wenden der Becher aus der Rechten des Herrn und Erbrechen von Schande über deine Herrlichkeit.
Bis hierhin ist klar: Das Gericht wird auch über Babylon und alle späteren Nationen kommen. Hier wird auf den Becher des Herrn angespielt. Es gibt viele Bibelstellen, die über diesen Zornbecher Gottes sprechen.
In Jeremia und Hesekiel zum Beispiel finden wir dieses Bild: Gott gibt einer Nation den bitteren Weinkelch. Die müssen trinken, und das bedeutet, dass das Gericht Gottes vollständig in sie hineinbricht.
Dieses Bild finden wir später wieder in Johannes 18, als Jesus gefangen genommen wird und den Jüngern erklärt: „Soll ich nicht den Kelch aus der Hand meines Vaters nehmen?“ Er war bereit, den Zorn Gottes vollkommen auf sich zu nehmen, als Opfer auf Golgatha.
Aber die Menschen, die das Opfer des Herrn Jesus nicht annehmen, müssen selbst den Zornbecher Gottes trinken. Darum heißt es hier: Es wird sich zu dir wenden der Becher aus der Rechten des Herrn.
Dann wird hier auf übermäßigen Alkoholgenuss angespielt, der bis zum Erbrechen führt – Erbrechen von Schande über deine Herrlichkeit.
In vielen Bibelübersetzungen steht dort einfach „Schande über deine Herrlichkeit“. In der Fußnote 24 habe ich erklärt, dass hier das hebräische Wort „Kikalon“ steht, anstatt des erwarteten „Kilkalon“. „Kilkalon“ bedeutet Schande.
Aber „Kikalon“ klingt auf Hebräisch wie zwei Wörter: „Ki Kalon“, was „Erbrechen der Schande“ bedeutet. Das ist wieder ein poetisches Wortspiel.
Durch diese kleine Änderung, nicht „Kilkalon“, sondern „Kikalon“, habe ich versucht, das im Deutschen mit „Erbrechen von Schande über deine Herrlichkeit“ auszudrücken.
Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken und die Verwüstung unter den Tieren, die sie in Schrecken versetzt hat, wegen der Blutschuld an Menschen und wegen der Gewalttat an Land, Stadt und allen ihren Bewohnern.
Ich habe gesagt, die Babylonier kamen gegen Israel vom Norden her, vom Libanon her. Der Libanon bildete die Nordgrenze Israels. Hier wird auf ökologische Zerstörung angespielt, zum Beispiel Abholzen im Libanon, was die Tiere dort in Schrecken versetzte.
Es ist nicht erst in moderner Zeit so, dass Kriege die Umwelt bewusst zerstören, sondern das gab es schon früher, und hier wird das erwähnt.
Die fünfte Strophe dreht alles um:
Was nützt eine Götzenskulptur, dass ein Bildner sie gestaltet hat, und ein gegossenes Bild – ein Lehrer der Lüge –, dass der Bildner seines Gebildes darauf vertraut, indem er stumme, nichtige Götzen anfertigt?
Babylon war die Stadt der Götzen. Die Stadt war förmlich vom Götzendienst geprägt.
Wenn man zur Zeit Daniels nach Babylon gekommen wäre, hätte man durch das Haupttor eintreten müssen. Das kann man heute noch nachvollziehen, wenn man nach Berlin geht.
Die Deutschen haben das originale Tor von Babylon ausgegraben, es um 1930 nach Deutschland gebracht und wieder aufgebaut. Allerdings handelt es sich dabei um das kleinere Vortor. Dahinter gibt es noch das größere Haupttor, das noch größer ist. Um das im Pergamermuseum auszustellen, müsste man um- oder höher bauen.
Dieses Tor vermittelt einen künstlerisch gewaltigen Eindruck, wie es gebaut ist.
Darauf sind die Göttin Ishtar und der Stier Marduk abgebildet. Babylon ist eine Stadt der Götzen. Schon beim Betrachten des Tores begegnen einem diese scheußlichen Götzen.
Ishtar wird dort als Drache dargestellt, und Marduk als Stier, der verehrt wurde.
Was nützt eine Götzenskulptur, die ihr Bildner gestaltet hat? Ein gegossenes Bild ist nur ein Lehrer der Lüge. Der Bildner seines Gebildes vertraut darauf.
Die Menschen vertrauen im Götzendienst auf solche Skulpturen. Unglaublich, bis hin zum Marienkult.
Ich habe das ganz schlimm erlebt: Im Libanon besuchte ich eine Verehrungsstätte der Maria mit einem riesigen Marienbild. Dort sah ich Menschen, die weinten und ihre Tränen über dieses Götzenbild fließen ließen.
So etwas habe ich in Europa nie so krass erlebt wie im Nahen Osten.
Bis in unsere heutige Zeit vertrauen Menschen auf solche Bilder, in denen stumme, nichtige Götzen dargestellt sind.
Der Götzendiener würde natürlich sagen: Halt, das ist nicht einfach tot.
Das führt uns zum nächsten Vers:
Wehe dem, der zum Holz spricht: Erwache! Wach auf zum lautlosen Stein!
Im Hinduismus sagt man, wenn ein Götzenbild gemacht ist, ist das an sich noch nichts. Ein hinduistischer Priester muss in einem Ritual das Leben in das Götzenbild hineinbringen. Dann sagt man, das Götzenbild lebt.
Im alten Ägypten nannte man das Ritual „Mundöffnung“. Es wurde täglich wiederholt, um die Götzenbilder durch ein okkultes Ritual zu beleben – so glaubten sie.
Die Bibel sagt, das stimmt nicht.
Wehe dem, der sagt: Erwache! Wach auf zum lautlosen Stein!
Dann fragt der Prophet ironisch: Lehre dieser tote Götze? Siehe, er ist überzogen mit Gold und Silber, und kein Geist ist in seinem Innern.
Das stimmt gar nicht – es ist nur Materie.
Jetzt kommt das göttliche Aber:
Der Herr ist im Tempel seiner Heiligkeit. Schweige vor ihm, ganze Erde!
Gott ist im Himmel, in seinem Tempel. Das Wort „Heichal“ bedeutet gleichzeitig Palast.
Gott ist der König im Himmel, auch durch all die Zeiten hindurch, in denen man meinte, Gott greife nicht direkt ein und Völker bestrafen einander.
Nein, Gott ist da – in seinem heiligen Palast, in seinem heiligen Tempel, und die ganze Erde hat nur zu schweigen.
Wie in Hiob 9, wo es heißt: „Auf tausend wirst du Gott nicht eines antworten können.“
Wenn der Richter uns fragt, können wir nichts antworten.
Das Gebet Habakuks und die Vision der Wiederkunft Christi
Und jetzt folgt auf diesem Höhepunkt des Gedichts ein Psalmgedicht: Kapitel 3, Vers 1. Es ist ein Gebet von Habakuk, dem Propheten, nach der Weise von Shigyonot.
Shigyonot bedeutet, dass es ein bewegter, unruhiger, aufgeregter Rhythmus ist. Das heißt nicht, dass es Rockmusik ist. Rockmusik hätte nämlich einen eisernen, immer gleichbleibenden Grundschlag, aber so etwas praktizierte man im alten Israel nicht. Dort war der Rhythmus bestimmt von dem variablen Grundrhythmus des Satzbaus beim Singen. Es handelt sich also um ein unruhiges, aufgeregtes Lied.
„Herr, ich habe deine Botschaft gehört.“ Es geht um die Botschaft, dass Gott als Richter kommen wird. Habakuk fürchtet sich davor und bittet: „Herr, dein Werk inmitten der Jahre belebe es, inmitten der Jahre tue es kund.“ Habakuk ist entsetzt über die Botschaft, dass Gott als Richter kommen wird, und bittet darum, dass Gott nicht erst in der Endzeit, sondern bereits inmitten der Jahre sein Werk belebt.
In Hesekiel 38,8 wird die Endzeit als „am Ende der Jahre“ bezeichnet. Hier aber heißt es „inmitten der Jahre“. Das bedeutet: In der Zeit vor der Endzeit soll Gott sein gnädiges Werk tun und beleben, damit Menschen umkehren, bevor es zu spät ist. „Dein Werk inmitten der Jahre belebe es, inmitten der Jahre tue es kund im Zorngedenken des Erbarmens.“
Nun sieht Habakuk, wie der Herr Jesus wiederkommt, und zwar von Süden her. „Gott kommt von Teman her, ja, der Heilige vom Gebirge Paran her.“ Eine Fußnote erklärt, dass Teman ein Ort in Südjordanien ist. Ich habe verschiedene Stellen im Alten Testament aufgeführt, wo Teman vorkommt. Das Gebirge Paran ist das Gebirge in der Negevwüste, das parallel zu dem Gebirge in Südjordanien verläuft. Von dort sieht Habakuk Gott kommen.
Ich erinnere an den Bibelstudientag über Obadja, bei dem es um das Endzeitgericht über Edom geht. Dort habe ich erklärt, wie das eine ganz wichtige Rolle spielen wird im Zusammenhang mit der Wiederkunft Christi. Gott wird ein spezielles Gericht in Südjordanien halten. Das ist zu unterscheiden von seinem Kommen in Harmagedon, das in Nordisrael stattfindet, und von seinem Kommen auf dem Ölberg bei Jerusalem (Sacharja 14). Auch ist es zu unterscheiden von seinem Kommen in Ägypten (Jesaja 19,1), wo der Herr auf einer Wolke nach Ägypten kommt.
Jesus Christus wird in verschiedenen Phasen als Richter der Welt erscheinen. Der Prophet sieht ihn, wie er von Teman herkommt, wo Südjordanien vollkommen vernichtet wird, so dass man es nicht mehr bewohnen kann: „Gott kommt von Teman her, ja, der Heilige vom Gebirge Paran her.“
Dann folgt „Sela“. Sela bedeutet, dass der Chor im Tempel schweigt und die Instrumente ein Zwischenspiel beginnen. Der Himmel ist bedeckt von seiner Pracht; es geht um die Wiederkunft Christi. Von seinem Lob ist die Erde erfüllt, und ein Glanz, wie Licht, entsteht. Strahlen hat er an seinen Seiten; dort ist die Hülle seiner Macht.
Vor ihm her geht die Seuche, und Fieber und Glut gehen aus seinen Füßen nach. Er steht hin, und die Erde schwankt. Er schaut hin und lässt die Nationen aufspringen – es ist ein schreckliches Erdbeben. Es zerbersten die Berge der Vorzeit, und die Hügel der Urzeit sinken nieder.
Eine Fußnote verweist hier auf Micha 1,4, Nahum 1,5, Sacharja 14,4 und 10. Dort wird beschrieben, wie sich in der Endzeit geologisch die Oberfläche der Erde verändern wird. Berge werden abgesenkt, neue Täler gebildet, wenn der Herr Jesus wiederkommt. „Es zerbersten die Berge der Vorzeit, es sinken nieder die Hügel der Urzeit, die Wege von alter Zeit her sind sein.“
Das ist etwas kompliziert formuliert. Die Wege, so wie Gott früher im Alten Testament aktiv eingegriffen hat – etwa in der Sintflut –, sind jetzt wieder da. Dort greift Gott wieder direkt ein.
„Unter Angst sah ich die Zelte Kuschans; sie zitterten.“ Kuschans ist hier ein verlängerter Name für Kusch, das heißt Schwarzafrika, Sudan, Äthiopien, also auf der afrikanischen Seite des Roten Meeres. Der Herr kommt von Teman her, das ist beim Roten Meer. Die Zeltbehänge des Landes Midian zittern.
Auf der anderen Seite, an der arabischen Küste des Roten Meeres, ist der Herr gegen die Ströme erzürnt. „Ist etwa dein Zorn gegen die Ströme, etwa gegen das Meer gerichtet? Ein Grimm, dass du reitest auf deinen Pferden mitsamt deinem Wagen der Rettung.“
In Offenbarung 19,11 wird gezeigt, wie der Herr Jesus auf einem weißen Pferd kommen wird. Das ist ein Engel, ein Cherub. Nach Psalm 19 wird er auf einem Cherub kommen, in Gestalt eines Pferdes. Die Gläubigen, die Heere im Himmel, werden ihm folgen, ebenfalls auf weißen Pferden. Die Gläubigen der Gemeinde werden mit ihm kommen, ebenso die Gläubigen aus dem Alten Testament. Auf dem Wagen sind die Engel. Das kann man nachlesen in Psalm 68,17, wo von unzähligen Wagen der Engel gesprochen wird.
„Blank entblößt ist ein Bogen, Schwüre, Ruten des Wortes, Sela.“ Das kommt wie ein Zwischenspiel; man kann im Tempel nachdenken, was da gesungen wurde. Die Seitenspiele füllen diese Pause aus, und dann kommt: „Mit Strömen spaltest du die Erde.“
Durch die neu entstandenen Täler fließen neue Ströme hindurch. Die Berge beben, ein Regensturm fährt dahin, die Meerestiefe erhebt ihre Stimme, in die Höhe erhebt sie ihre Hände. Die Hände sind hier die Wogen, die Wellen der Meere und Ozeane, die toben werden. Es wird schreckliche Tsunamis geben.
Sonne und Mond treten in die Wohnung, das heißt, sie verdunkeln sich beim Licht von Pfeilen, die dahinfliegen, und beim Blitzglanz deines Speers. Blitze werden ausgehen vom Herrn, wenn er mit seinem Heer kommt, und diese Blitze werden heller sein als das Sonnenlicht. Darum tritt Sonne vor dem Mond zurück.
„Mit Zorn durchschreitest du die Erde, im Zorn stampfst du die Nationen nieder.“ Du bist ausgezogen zur Rettung deines Volkes. Es geht um den gläubigen Überrest aus Israel, der nach der Drangsal umkehren wird. „Zur Rettung deines Gesalbten zerschmettertest du den Kopf vom Haus des Gesetzlosen, indem du den Grund entblößt bis zum Hals, Sela.“
„Du hast mit Bord und seinen Stäben den Kopf seiner Fürsten zerbrochen, die heranstürmten, um mich zu zerstreuen.“ Hier spricht der Prophet für Jerusalem, das in der Drangsalzeit vom König des Nordens schrecklich bedrängt wird. Man lese Micha 4 am Schluss und Micha 5. Diese Truppe stürmt heran, aber der Herr Jesus wird den Überrest aus Jerusalem befreien.
Darum heißt es weiter: „Ihr Jubelgeschrei war also von den Feinden, ihr Jubelgeschrei war gleichsam zu fressenden Sanftmütigen im Versteck.“ So kommen die Feinde aus dem Norden, Syrien und alle seine Verbündeten, der König des Nordens aus Daniel 11,40 und folgende.
Der Sanftmütige ist im Alten Testament der treue, demütige Gläubige, der auf Gott vertraut. In Matthäus 5,5, in der Bergpredigt, sagt der Herr Jesus: „Glückselig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land ererben.“ Nicht die islamischen Heere, die kommen werden, sondern die Sanftmütigen werden das Land erben.
„Du betratest das Meer mit deinen Pferden auf den Schwall großer Wasser.“ Ich hörte es, und so zitterte mein Leib. Bei dem Laut bebten meine Lippen. Habakuk beschreibt, wie er erschüttert war während der Vision. Es drang Knochenfraß in seine Knochen; richtig weiche Knie bekam er, als ob die Knochen ihn nicht mehr tragen könnten. „Wo ich stand, da zitterte ich.“
Er sagt weiter: „Ich werde ruhen am Tag der Drangsal, wenn hinaufzieht gegen das Volk, der auf es eindringen wird.“ Habakuk weiß, dass er persönlich in der Drangsalzeit ruhen wird, denn die alttestamentlichen Gläubigen werden auch mit dem Herrn kommen. Sie werden keine Angst mehr haben, wenn er mit allen Heiligen kommt (Sacharja 14).
Denn „der Feigenbaum wird nicht blühen, und kein Ertrag wird an den Weinstöcken sein, es trügt das Erzeugnis des Olivenbaums, und die Getreidefelder erzeugen keine Speise, abgeschnitten ist aus der Hürde das Kleinvieh, und keine Rinder sind in den Ställen.“
Das geht ganz eindrücklich parallel mit Joel 1 und 2, wo beschrieben wird, wie Israel in der Drangsalzeit völlig vertrocknet durch eine dreieinhalbjährige Trockenzeit, die auch in Offenbarung 11 erwähnt wird. Alles wird kaputtgehen.
Schließlich sagt der Prophet, der so unruhige Fragen am Anfang hatte: „Ich aber will mich freuen im Herrn, ich will jubeln in dem Gott meiner Rettung, der Herr ist meine Kraft.“
„Er macht meine Füße wie die Hirschkühe, und auf den Höhen lässt er mich einherschreiten.“ Herr Jesus wird mit allen Erlösten kommen, auf den Ölberg und so weiter. Die Gläubigen im Alten und im Neuen Testament werden ihn begleiten.
Dann folgt noch die Erklärung für den Dirigenten mit dem Seitenspiel. Es war bestimmt für den Dirigenten des professionellen Chors im Tempel. Habakuk selbst war ein Musiker und sagt, dass das mit seinem Seitenspiel aufgeführt werden soll.
Dieser Ausblick auf das Ende zeigt: Dann werden alle Fragen beantwortet sein, und der Gläubige wird sehen, dass Gott das letzte Wort haben wird. So wie Händel das in seinem Oratorium „Messias“ vertont hat: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Der Vers sagt weiter: „Und als der Letzte wird er auf der Erde stehen, er wird das letzte Wort sprechen, und niemand wird ihn und sein Reich ablösen.“ Er wird das letzte Wort sprechen, und die Gläubigen können völlig zur Ruhe kommen.
Aber so weit sind wir noch nicht. Die Fragen sind noch offen, wenn man in die Welt hinausschaut. Das Buch Habakuk hilft uns, als Gläubige durch Glauben zu leben – nicht halbtot herumzuliegen, deprimiert, frustriert oder ausgelöscht.
Mit dem Herrn leben in dieser Zeit bedeutet: Wir wissen, er kommt, und er wird das letzte Wort haben. Aber jetzt können wir die Menschen noch zur Umkehr rufen. Er hat nicht verzogen, er verzieht nicht, aber er gibt jetzt noch Gnade, damit Menschen zur Bekehrung kommen.
Schlussgebet
Ja, jetzt wollen wir endgültig schließen. Ich möchte noch zum Schluss beten.
Herr Jesus Christus, wir danken dir für dein wunderbares Wort, in dem wir dich immer wieder neu entdecken dürfen – in deiner Größe, in deiner Herrlichkeit und in deiner Macht. Danke, dass wir, so sehr wir dein Eigentum sind, durch den Glauben allein in dir Zuflucht finden dürfen.
Danke dafür, dass du die Last unserer persönlichen Schuld vollkommen abgenommen hast. Du hast uns Frieden gegeben und gibst uns auch durch dein Wort Ruhe in all unseren aufgeregten Fragen. Wir dürfen wissen: Du kennst die Antwort und wirst am Ende alles klären – sichtbar für die ganze Welt.
So möchten wir dir Ehre und Herrlichkeit geben. Wir danken dir auch, dass du uns durch diesen Tag geleitet hast. Wir danken dir für alle Gemeinschaft, alle Gespräche und für allen Segen, den du uns gegeben hast.
Wir möchten uns dir weiterhin anvertrauen auf unserem Weg, bis du kommst. Hilf uns, diese Zeit wirklich nicht mehr für uns selbst zu leben, sondern für dich, der du alles für uns gegeben hast und für uns am Kreuz von Golgatha gestorben bist. Amen.