Haniel Hirndt heute mit einer Folge zur Frage, warum ich die herkömmliche, in Anführungs- und Schlussstrichen gesetzte evangelikale Evangeliumsverkündigung als unzureichend empfinde.
Denken Sie mal mit mir mit.
Wir beginnen in der Regel mit der Formel: Gott liebt Dich. Wie kommt diese Botschaft bei einem säkular denkenden Menschen an?
Ein säkularer Mensch sagt vielleicht: „Ich liebe mich selbst. Warum brauche ich jemanden anderen, der mich liebt?“ Selbstliebe meint, dass man gut auf sich achtet. Das sieht man auch an den Botschaften auf Plakatwänden. Dort heißt es: „Schau gut auf dich. Gönn dir etwas. Ruh dich aus. Nimm Rücksicht auf dich. Du bist das Zentrum deines Lebens. Für dich muss es zuerst stimmen.“
Das ist Selbstliebe. Diese Selbstliebe wird durch Werbung, Medien und vieles andere bereits stark beeinflusst und gefördert.
Das bedeutet: Für den säkularen Menschen steht die Selbstliebe im Mittelpunkt. Er empfindet sich nicht als bedürftig in dieser Hinsicht oder glaubt zumindest nicht, bedürftig zu sein. Selbst wenn er vereinzelt ist, sich im Stich gelassen fühlt oder von Bindungen losgelöst ist und das Schmerzen verursacht, sieht er die Liebe vor allem als Verwirklichung der Selbstliebe. Das ist für ihn das Zentrale.
Zweitens: ein Gott, der dich liebt. Wer ist Gott?
Gott wird oft als eine unpersönliche Kraft beschrieben, falls man ihn überhaupt als existent betrachtet. Er wird dargestellt als jemand, der weit entfernt ist, als etwas Übergeordnetes, vielleicht sogar als ein Teil der Natur. Man weiß es nicht genau. Auf jeden Fall hat Gott nichts mit meinem Alltag zu tun und, ganz wichtig, nichts mit meiner Lebensführung.
Das bedeutet, er greift ganz sicher nicht in meine Lebensführung ein. Ich bestimme selbst, was ich für richtig oder falsch halte. Er hat also eher eine entfernte, unpersönliche Stellung.
Hier liegt schon das Grundproblem: Ein Gott, der persönlich ist, steht von Anfang an in einer Beziehung zu uns. Wir sind ihm zur Rechenschaft verpflichtet – warum? Weil er uns geschaffen hat, weil wir ihm gehören und weil wir ihm gegenüber verantwortlich sind. Der Grund unseres Daseins besteht darin, zu seiner Ehre zu leben.
Das ist eine ganz andere Vorstellung von Gott. Eine transzendente, von außen kommende Perspektive, die für den säkularen Menschen meist höchst unangenehm und sehr fern ist. Dies müssen wir zuerst einmal herausstellen.
Wer ist denn dieser Gott? Er ist persönlich und unendlich. Er steht über uns und erhebt einen Totalanspruch auf unser Leben. Wir sind ihm zur Rechenschaft verpflichtet.
Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass er ein Gesetz bestimmt hat. Dabei handelt es sich nicht nur um Naturgesetze, die wir normalerweise nicht überschreiten können. Das ist das eine. Darüber hinaus hat er auch ein Moralgesetz festgelegt.
Das bedeutet: Er schaut nicht nur auf unser Äußeres, auf unsere Handlungen. Es geht noch weiter. Er sieht bis in unsere Motive, in unser Herz hinein. Er erkennt, was uns antreibt, was uns bewegt und was uns beschäftigt. Das ist die entscheidende Perspektive.
Es geht um unser Herz, um unsere innere Haltung und unseren Antrieb. Dieser Gott sagt, dass wir bis ins Mark korrupt sind. Das heißt nicht, dass wir völlig unfähig sind, zu erkennen, was richtig, gerecht und gut wäre. Vielmehr sind wir in unserem Antrieb auf uns selbst ausgerichtet und nicht mehr auf diesen transzendenten Gott als Gesetzgeber.
Dagegen lehnen wir uns auf. Wir sind rebellisch und wollen nicht, dass dieser über uns herrscht. Das ist das Problem. Und das erkennt der säkulare Mensch keinesfalls, wenn wir einfach sagen: „Gott liebt dich.“ Er antwortet: „Ich brauche niemanden, der mich liebt. Gott ist ja ewig fern. Ich liebe mich selbst, und für mich stimmt das.“
So kommen wir bei dem spätmodernen, säkularen Menschen mit dieser salbungsvollen, aber völlig anders dekodierten Botschaft nicht mehr an.
Die Leute haben kein Problem, und sie warten auch nicht auf unsere Botschaft. Sie reagieren auch nicht auf einen Gott, der dich liebt. Zuerst muss herausgearbeitet werden, wer dieser Gott ist und worin diese Liebe besteht. Das ist eine ganz andere Kategorie. Ich denke, hier haben wir einen gewaltigen Nachholbedarf.
Es ist wichtig, ganz klar herauszustellen: Was versteht ein säkularer Mensch unter einem liebenden Gott? Darum beginne ich ganz anders. Ich finde auch dieses Vierpunkteband mit seiner Auslegung nicht hilfreich, sondern viel zu stark säkularisiert.
Wir müssen zuerst wieder herausarbeiten, dass es einen unendlich persönlichen Gott gibt, der uns gemacht hat, dem wir zur Rechenschaft verpflichtet sind. Er ist der Gesetzgeber, der zum Schluss kommt, dass wir weder in unserem Sein noch in unseren Taten den Anforderungen seines Gesetzes entsprechen. Schon in unserem Sein und auch in unseren Taten erfüllen wir nicht, was sein Gesetz fordert. Grundsätzlich befinden wir uns in einem total unerlösten, rebellischen Zustand, aus dem wir uns niemals selbst herausbekommen können.
Nun weiß ich sehr wohl, dass man das nicht nur intellektuell durchsprechen kann. Aber es muss auch auf der Verstandesebene vermittelt werden. Das letzte Problem ist ja das Problem unseres Willens, unserer Rebellion. Hier muss – und das haben wir auch die Zusage –, wenn Gott an einem Menschen wirkt, der Heilige Geist diese Erkenntnis in ihm bewirken.
Ich glaube, es ist ganz wichtig, diesen Unterschied, diesen paradigmatischen, diesen grundsätzlichen Unterschied im Verständnis zu begreifen. Von dort aus müssen wir ganz neu mit der Botschaft an den säkularen Menschen herantreten.