Zum Inhalt

Gottes Gnade mit Füßen treten

Das Buch des Propheten Amos, Teil 2/11
21.03.2021Amos 2,9-3,2
SERIE - Teil 2 / 11Das Buch des Propheten Amos
Wie geht man mit Gottes gnadenvollem Handeln um? Wird seine Liebe wertgeschätzt oder sogar mit Füßen getreten? Die Predigt zeigt, wie Gott Israel durch große Taten beschenkte – Befreiung aus Ägypten, Land, Propheten – doch das Volk oft undankbar blieb. Zwei Lebensbeispiele zeigen, wie unterschiedlich Menschen auf Gottes Gnade reagieren. Was bedeutet es wirklich, dass Gnade verpflichtet? Bist du bereit, Gottes Gnade nicht als Selbstverständlichkeit zu sehen?

Herr Präsident! Ich freue mich, heute wieder bei Ihnen zu sein. Schön, dass Sie alle da sind.

Wir werden heute drei Vorträge hören. Nach jedem Vortrag werden wir gemeinsam ein Lied singen, um eine Pause einzulegen.

Einleitung mit einem alltäglichen Beispiel

Stellt euch folgendes Szenario vor: Euer Nachbar möchte in den Urlaub fahren, aber sein Auto ist kurzfristig kaputtgegangen. Er bittet euch, ob ihr irgendwie bei der Reparatur helfen könnt. Ihr stellt jedoch fest, dass nicht mehr viel zu machen ist und man das auf die Schnelle nicht hinbekommt.

Ohne dass er euch noch einmal darum bittet, bietet ihr eurem Nachbarn an, euer Auto zu benutzen. Ihr tankt es voll, macht es innen und außen gründlich sauber, füllt sämtliche Flüssigkeiten auf und übergebt ihm das Auto in einem absolut makellosen Zustand.

Zwei Wochen später ist er aus dem Urlaub zurück. Er gibt euch das Auto zurück, ohne sich zu bedanken. Ihr nehmt den Schlüssel entgegen und stellt fest: Er hat das Auto nicht getankt, obwohl ihr es vollgetankt übergeben habt. Das Auto ist außen völlig verschmutzt und hätte dringend eine Wäsche gebraucht. Innen ist es ebenfalls sehr schmutzig – hinten auf dem Sitz wurde Kohle ausgekippt, vorne hängt noch ein Stück Pizza am Armaturenbrett.

Wie fühlt man sich in so einer Situation? Wenn man eine so großzügige Geste macht, einem Nachbarn ungefragt sein Auto überlässt, nichts dafür verlangt und diese gute Tat überhaupt nicht gewürdigt wird? Wie fühlt man sich dann?

Thema und Leitfrage der Predigt

Das Thema meiner ersten Predigt heute Abend lautet: Gottes Gnade mit Füßen getreten.

Das Beispiel, das ich gerade erwähnt habe, war natürlich etwas übertrieben. Ich hoffe, dass ihr so etwas noch nicht erlebt habt.

Meine Frage ist: Kann es sein, dass wir manchmal mit Gottes Güte, mit Gottes Gnade und mit Gottes Liebe, die sich in unserem Leben zeigt, letztendlich so umgehen? Wir würden es vielleicht nicht so sagen, aber unser Verhalten zeigt es.

Genau das ist der erste Text, den wir uns heute anschauen wollen. Er stammt aus Amos 2,9 bis Kapitel 3,2.

Gottes missachtete Gnade im Alten Testament

Zunächst schauen wir uns Gottes missachtete Gnade an. In diesem Text, ab Vers 9 bis 12, finden wir eigentlich eine Aneinanderreihung von Gottes Gnadenbeweisen gegenüber seinem Volk. Gott zeigt auf: „Was habe ich euch alles getan? Wie gütig war ich euch?“ Traurigerweise wird das vom Volk überhaupt nicht geschätzt.

Wenn wir uns einmal den Vers anschauen, sehen wir, dass Gott sagt: „Ich habe, ich habe, ich habe, ich habe“, aber ihr … Das ist der Kontrast, den wir im Text haben. Gott zeigt sich als gütig, doch das Volk tritt Gottes Gnade und Güte mit Füßen.

Wir schauen uns jetzt aber einmal an, wie Gott das Volk zurück in die Vergangenheit führt. Wenn ihr euch noch an den Predigttext heute Morgen erinnert, war der achte Punkt das Gericht gegen Israel. Dort wurden die Sünden aufgezählt: Sie missachten das Gesetz.

Jetzt stellt Gott seine Güte in Kontrast zu dem ungehorsamen Israel.

Der herausragende Sieg über die Amoriter

Was hat Gott alles in der Vergangenheit getan? Zunächst einmal sehen wir in Vers 9, dass es einen herausragenden Sieg gab. Dort heißt es: "Dabei habe ich doch eueretwegen die Amoriter vernichtet. Sie waren so groß wie Zedern und so stark wie Eichen, aber ich habe sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet." Gott nimmt das Volk hier mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Es geht um die Eroberung des Landes Kanaan.

Die Amoriter sind ein Sammelbegriff für die Völker, die in Kanaan lebten. Sie waren groß und stark. Die Bibelkenner unter uns erinnern sich gut an das Buch Josua und das Buch Fünfte Mose. Ich möchte jetzt immer wieder mal die Ereignisse im Buch Amos mit der Bibel selbst erklären. Die Bibel legt sich selbst aus; wir versuchen, die Bibel mit der Bibel zu erklären.

Im Fünften Mose werden die Amoriter erwähnt. Dort heißt es: "Und ihr murtet in euren Zelten und sagtet: ‚Weil der Herr uns hasst, hat er uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt, um uns in die Hand der Amoriter zu geben, damit sie uns vernichten.‘" Weiter heißt es: "Über die Amoriter, ein Volk, größer und höher gewachsen als wir." Das zeigt, dass die Botschafter große Angst vor diesem Volk hatten. Der Großteil der Botschafter fürchtete sich vor ihnen.

Was Amos hier macht, ist, dass er das Bild von einer Eiche verwendet, um die Amoriter zu beschreiben. Sie waren groß wie Eichen – das sind Riesen. Aber Gott hat ihnen den Sieg geschenkt, und zwar einen vollständigen Sieg. Im Bild gesprochen: Wenn es Eichen sind, hat Gott sie mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Das heißt, Gott hat ihnen einen vollständigen Sieg geschenkt, keinen halben.

Das Volk Israel darf sich auf diesen Sieg eigentlich nichts einbilden. Schauen wir uns Jericho an: Mauern fallen doch nicht einfach um, wenn man in die Posaune bläst und herumgeht. Das war ein Sieg, den Gott geschenkt hat, ohne dass das Volk etwas getan hat. Da kann man sich nicht im Nachhinein auf die Schulter klopfen und sagen: "Wir haben die Amoriter besiegt." Es war Gott.

Gott hat den Sieg geschenkt. Zur Zeit von Amos erinnert Gott das Volk daran: Schaut mal, was ich in der Vergangenheit alles für euch getan habe.

Es geht weiter mit der sensationellen Befreiung. Am Anfang von Vers 10 heißt es: "Ich habe euch aus Ägypten befreit." Diese Aussage ist zwar sehr kurz gehalten, aber dahinter steckt der ultimative Gnadenbeweis Gottes im Alten Testament. Nicht umsonst wird im Neuen Testament das Bild von der Errettung aus Ägypten, aus der Sklaverei, für unsere Errettung verwendet.

So hat Gott uns herausgerissen aus der Sklaverei der Sünde, und Israel hat er aus der Sklaverei befreit. Gott macht ihnen zur Zeit von Amos deutlich: Ihr wart 430 Jahre lang in Gefangenschaft, ihr wart Sklaven, musstet hart arbeiten, hattet keine Perspektiven, wurdet gequält, geschlagen, gepeinigt, gewaltsam niedergedrückt. In eurem Leben war alles dunkel. Dann habe ich eingegriffen, weil ich es wollte, weil ich euer Elend gesehen habe. Ich habe euch herausgeführt aus der Weltmacht Ägypten. Das verdankt ihr alles nur mir.

Und was wäre die logische Konsequenz, wenn das Volk das begreift? Gott hat uns in die Freiheit geführt, aus der Sklaverei heraus. Die logische Konsequenz ist doch ein Leben im Gehorsam gegenüber diesem Gott aus Dankbarkeit.

Übrigens beginnen die Zehn Gebote nicht mit "Du sollst", sondern mit: "Ich bin der Gott, der dich herausgeführt hat." Und jetzt, aus Dankbarkeit, hältst du meine Gebote. Es geht nie darum, die Gebote zu halten, um gerettet zu werden, sondern weil du gerettet wurdest, jetzt bist du gehorsam.

Leider tritt das Volk zur Zeit von Amos diese Gnade Gottes mit Füßen.

Aber Amos macht weiter. Gott spricht durch Amos und weist auf die außergewöhnliche Fürsorge hin. Es heißt nicht nur, dass er sie aus Ägypten befreit hat, sondern auch: "Und euch vierzig Jahre lang durch die Wüste geführt."

Gott hat nicht gesagt: "So, jetzt hole ich euch aus Ägypten raus, und jetzt müsst ihr selbst klarkommen in der Wüste." Gott hat sie liebevoll geführt und sich um das Volk gesorgt.

Im Fünften Mose 8 heißt es: "Er hat euch durch die große und gefährliche Wüste geführt, wo giftige Schlangen und Skorpione hausen, wo alles ausgedörrt ist und nirgends ein Tropfen Wasser zu finden ist. Aber dann ließ er aus dem härtesten Felsen Wasser für euch hervorquellen. Er gab euch mitten in der Wüste Manna zu essen, von dem eure Vorfahren noch nichts wussten. Durch Gefahr und Mangel wollte er euch vor Augen führen, dass ihr ganz auf ihn angewiesen seid. Er wollte euch auf die Probe stellen, um euch am Ende mit Wohltaten zu überhäufen."

Und dann heißt es in Vers 17: "Vergesst das nicht und lasst euch nicht einfallen zu sagen, das alles haben wir uns selbst zu verdanken. Mit unserer Händearbeit haben wir uns diesen Wohlstand geschaffen."

Gottes Fürsorge war außergewöhnlich in der Wüste. Er hat sich so liebevoll um sein Volk gekümmert.

Amos macht weiter und sagt, dass Gott ihnen auch ein ausgezeichnetes Land geschenkt hat. Am Ende von Vers 10 heißt es: "Bis ihr das Land der Amoriter in Besitz nehmen konntet."

Das heißt, lange bevor Israel eigentlich im Land Kanaan war, hat Gott Abraham ein Versprechen gegeben. Gott hat Abraham gesagt: "Ich will dir einen großen Namen geben, ich will, dass du viele Nachkommen hast, und ich werde diesem Nachkommen ein Land geben."

Gott ist treu. Wir Menschen halten nicht immer unsere Versprechen. Ich kenne das aus der Kindererziehung: Ich verspreche meinen Kindern etwas und muss später feststellen, dass ich mich nicht daran gehalten habe. Gott hält sich immer an seine Versprechen und sagt: "Ihr werdet das Land bekommen." Er hat ihnen ein ausgezeichnetes Land geschenkt.

Auch hier möchte ich noch einmal ins Fünfte Buch Mose gehen, damit der Bibeltext noch klarer wird. Dort heißt es in Kapitel 8, Verse 7 bis 10: "Der Herr, euer Gott, wird euch in ein schönes und fruchtbares Land bringen. In der Ebene wie im Bergland gibt es Quellen und Bäche, die unerschöpflich aus der Tiefe hervorsprudeln. Es gibt Weizen und Gerste, Trauben, Feigen, Granatäpfel, Oliven und Honig. Ihr werdet euer Essen nicht sorgsam einteilen müssen, es wird euch an nichts fehlen. Das Land hat sogar eisenhaltiges Gestein, und in seinen Bergen könnt ihr Kupfer schürfen."

Wenn ich diesen Text lese, muss ich an eine Situation in unserer Zeit in Texas denken. Wir haben 2011 als Familie ein Jahr lang in Texas gelebt. Texas ist nicht schön, es ist Steppe, mehr nicht. Das Beste an Texas ist Barbecue oder gutes Rindfleisch. Aber sonst ist Texas Steppe. Viele sagen, es sieht aus wie in Kasachstan. Ich glaube, Kasachstan ist wahrscheinlich schöner als Texas.

Wir haben dort gelebt und sahen monatelang nur Steppe. Dann kam mein Schwiegervater, und wir flogen zusammen nach Kalifornien zu einer Konferenz für Prediger. Wir kamen abends an, und man konnte nicht viel vom Land sehen. Wir waren bei einer Familie aus der Gemeinde untergebracht. Morgens früh wachte ich auf und sah blauen Himmel im Garten, Orangenbäume – Kalifornien. Wenn man in Texas gelebt hat, weiß man das zu schätzen.

Daran muss ich denken, wenn ich diesen Text lese: ein wunderbares Land. Trauben, Feigen, Granatäpfel – Gott hat ihnen ein wunderbares Geschenk gemacht. Er hat ihnen nicht einfach irgendein Land gegeben, sondern ein ausgezeichnetes Land.

Gott sagt: "So gütig war ich zu euch." Und was macht ihr damit? Ihr tretet meine Gnade mit Füßen.

Eine weitere Gnade sind Prediger. Gott schickt Prediger, und das ist immer Gnade. Gott muss nicht reden. Es ist immer Gnade, wenn Gott sich entscheidet, zu uns zu reden.

Das wird als nächster Gnadenbeweis hier angeführt: In Vers 11 heißt es: "Als meine Zeugen habe ich aus eurer Mitte Propheten berufen und Männer, die sich mir geweiht haben. So ist es doch, ihr Leute von Israel, sagt der Herr."

Wir erfahren aus dem 1. Samuel Kapitel 3, dass das Wort Gottes selten war in dieser Zeit. Das ist eine bekannte Stelle, die wir auch in der Kinderstunde erzählen. Samuel wird in der Nacht gerufen und denkt, Eli ruft ihn. Ganz am Anfang von Kapitel 3 heißt es, dass das Wort Gottes selten war. Es ist das Ende der Richterzeit, und Gott hat in der Richterzeit weniger gesprochen, weil das Volk nicht hören wollte.

Deshalb steht am Anfang von 1. Samuel 3, dass das Wort Gottes selten war. Gottes Reden ist immer Gnade. Wenn Gott redet, muss er nicht reden.

Gott führt hier an, dass er Propheten geschickt hat, aber das Volk zu ihnen sagte, sie sollen nicht reden. In Vers 12 heißt es: "Aber meinen Geweihten habt ihr Wein zu trinken gegeben, und den Propheten habt ihr verboten, in meinem Namen zu reden."

Wer sind die Geweihten? Die Geweihten sind Nazireer. Simson war ein Nazireer, Samuel war ein Nazireer. Das ist noch einmal etwas anderes als ein Prophet: Männer, die sich Gott ganz geweiht haben. Diese Männer durften keinen Wein trinken, eine besondere Form des Dienstes für Gott.

Wenn hier steht, dass das Volk diesen Männern Wein zu trinken gab, dann haben sie sie vielleicht verführt oder gezwungen, Wein zu trinken. Auf jeden Fall haben sie sie mundtot gemacht. Sie wollen nicht hören, sie lehnen Gottes Gnade ab.

Schauen wir noch einmal im Überblick: Gott sagt, ich habe euch Erfolg geschenkt, einen herausragenden Sieg über die Amoriter. Ich habe euch errettet aus Ägypten, ich habe mich um euch gekümmert in der Wüste, ich habe euch reich beschenkt mit dem verheißenden Land, ich habe zu euch geredet durch die Propheten – aber ihr verachtet alles.

Jetzt möchte ich uns heute eine Frage stellen, auch dir persönlich. Diese Frage können wir nicht im Kollektiv beantworten, du musst sie heute Abend für dich beantworten: Gibt es Dinge in deinem Leben, bei denen du die Gnade Gottes mit Füßen trittst?

Vielleicht fragst du dich jetzt: Wie kann das praktisch aussehen? Ich möchte euch zwei Beispiele bringen.

Die eine Person ist Matthias. Sagen wir, Matthias ist 38 Jahre alt und lebt in Mannheim. Gottes Gnade hat sich in seinem Leben schon sehr früh gezeigt. Er ist in einem christlichen Elternhaus groß geworden.

Was gibt es Besseres, ganz ehrlich, als in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen? Wir hören oft Zeugnisse von Menschen, die eine dramatische Wende erlebt haben. Matthias hingegen wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Das ist spektakulär, denn die meisten Kinder in Deutschland wachsen nicht in einem christlichen Elternhaus auf. Das kann man sich nicht aussuchen.

Matthias wächst also in einem christlichen Elternhaus auf und kommt früh zum Glauben. Im Alter von zwölf Jahren bekehrt er sich ganz bewusst zu Jesus Christus. Auch das ist Gnade, denn in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen heißt nicht automatisch, zum Glauben zu kommen.

Was für ein Segen! Matthias erkennt, was Jesus für ihn getan hat, und lebt für den Herrn. Er lebt Gottes Gnade auch in anderen Bereichen seines Lebens. Trotz einer Lernschwäche schenkt Gott ihm Erfolg: Er schafft einen guten Realschulabschluss und macht noch sein Abitur.

Er weiß genau, dass Gott den Segen geschenkt hat. Er hat es sich nicht selbst erarbeitet. Er erfährt Gottes Leben, bekommt eine wunderbare Frau, die den Herrn liebt, heiratet und bekommt Kinder. Matthias weiß, das ist alles Gnade, das hat er sich nicht erarbeitet, das hat Gott geschenkt.

Matthias ist erstaunlich begabt. Gott segnet ihn in seinem Dienst und gebraucht ihn als Segen für die Gemeinde.

Dann beginnt das Leben von Matthias eine Wende zu nehmen – nicht von jetzt auf gleich, sondern allmählich. Der Job wird ihm immer wichtiger, die Anerkennung auf der Arbeit, er genießt seinen Status. Er kommt in die Gemeinde und denkt insgeheim: Die Gemeinde kann froh sein, mich als begabten jungen Mann zu haben.

Der Stolz breitet sich in seinem Herzen aus. Auf der Arbeit steht eine Beförderung an, und Matthias weiß, dass das noch mehr Zeit kosten wird – Zeit, die er nicht für die Familie und nicht für die Gemeinde hat. Geld wird ihm immer wichtiger, ebenso sein Status und seine Karriere.

Schritt für Schritt geht er in eine falsche Richtung. Am Ende ist seine Frau traurig und frustriert. Sie erlebt keine geistliche Führung mehr von ihrem Ehemann. Er kommt sonntags immer seltener in die Gemeinde, weil er auch sonntags arbeiten muss – angeblich fördert ihn der Job so.

Aus einem brennenden jungen Mann, der so viel Gnade erfahren hat, ist ein lauer Christ geworden. Das bedeutet heute, Gottes Gnade mit Füßen zu treten. Vielleicht kennst du das aus deinem Leben.

Stell dir heute Abend die Frage: Wo hat sich Gottes Gnade in meinem Leben schon überall gezeigt? Wenn du zu Hause bist, nimm dir ruhig Zeit, darüber nachzudenken.

Und die Frage ist: Wie gehst du damit um? Mit der Gnade Gottes in deinem Leben? Liebst du ihn von ganzem Herzen oder bist du lau geworden?

Ein anderes Beispiel ist Melissa – ein ganz anderes Leben. Melissa wurde von ihren Eltern nicht geplant, aber Gott wollte sie und schenkte ihr das Leben. Sie wächst in einer ziemlich kaputten Situation auf. Solche Schicksale gibt es in Deutschland viele.

Sie hat ihren Vater nie kennengelernt. Ihre Mutter war bei der Geburt erst siebzehn. Melissa hat große Probleme, sich selbst anzunehmen. Sie sucht Anerkennung bei den falschen Leuten und landet im Teenageralter voll in der Drogensucht. Sie hat noch nie etwas von Gott gehört.

Dann greift Gott in ihr Leben ein, dort, wo sie sich Stück für Stück kaputtmacht auf der Straße mit den falschen Leuten. Gott greift ein. Sie trifft Christen auf der Straße, die einen Straßeneinsatz machen, eine Gemeinde. Sie hört das Evangelium, hört die Worte von Jesus: "Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid."

Melissa findet auf der Straße zum Glauben, kommt in eine Gefährdetenhilfe, geht durch die Reha. Gott befreit sie von der Drogensucht. Sie kommt in die Gemeinde.

Dann wächst in ihr der Wunsch nach einem Partner. In der Gemeinde findet sie keinen. Sie klagt Gott ihre Not. Doch irgendwann zeigt ein nichtchristlicher Arbeitskollege Interesse an ihr. Der Wunsch wird so groß, dass er zu einem Götzen in ihrem Leben wird. Sie verkauft Jesus für eine Liebesbeziehung.

Judas hat Jesus für dreißig Silberlinge verkauft, sie verkauft Jesus für eine Liebesbeziehung und tritt Gottes Gnade mit Füßen.

Ich möchte dir heute Abend die Frage stellen: Wo trittst du Gottes Gnade mit Füßen? Vielleicht gerade jetzt. Vielleicht weißt du genau, was gemeint ist, wenn Gott dich darauf anspricht.

Leider können Menschen Gottes Gnade mit Füßen treten. Gott schenkt uns neues Leben, und wir liebäugeln immer noch mit Lieblingssünden in unserem Leben. Gott macht uns komplett neu, und wir fallen immer wieder zurück in unser altes Leben.

Gott beschenkt uns reich in Christus mit allen geistlichen Segnungen, und wir schätzen das nicht, sondern hängen unser Herz an materielle Dinge. Gott redet zu uns, und wir schalten auf Durchzug. Manchmal regen wir uns sogar auf, dass die Predigten so lange dauern – und treten Gottes Gnade mit Füßen.

Ich habe ein Beispiel vor Augen, ein reales Beispiel: Eine Frau wurde zweimal von Krebs geheilt. Sie war völlig auf dem Holzweg als Christ, voll in der Welt. Gott schenkte ihr den Krebs, sie kam zurück, tat Buße, Gott heilte sie.

Jetzt könnte sie umso mehr in Dankbarkeit leben. Gott schenkte ihr das Leben zurück. Sie ging wieder in die Welt. Gott schenkte ihr wieder den Krebs, sie kam zurück, Gott heilte sie wieder. Und jetzt ist sie wieder zurück.

Gottes Gnade kann mit Füßen getreten werden.

Ich möchte uns ermutigen, dass wir uns nicht so stark verletzen, dass wir Gottes Gnade in unserem Leben nie für selbstverständlich nehmen, sondern dankbar darauf reagieren.

Denn Gott nimmt es ernst, wenn wir seine Gnade mit Füßen treten.

Das bringt uns zum zweiten Punkt: Gottes Reaktion.

In Vers 13 heißt es: "Ich werde euch bestrafen, dass ihr ächzt und stöhnt wie ein überladener Erntewagen."

Das kennen wir vielleicht: Wenn wir zu viel in den Anhänger geladen haben, wird das Auto heruntergedrückt. Amos kommt von der Landwirtschaft und gebraucht hier das Bild eines Erntewagens.

Der Punkt ist: Es ist nur ein Bild. Gott sagt, er wird euch niederdrücken.

Wie wird das geschehen? In den Versen 14 bis 16 wird eine militärische Niederlage geschildert: "Auch der Schnellste kann nicht mehr entkommen, dem Stärksten nützt seine Kraft nichts, und dem Mutigsten sein Mut nicht. Die Bogenschützen werden überrannt, bevor sie einen Pfeil abschießen können, und die Besatzung der Streitwagen kann sich nicht mehr retten. Selbst der Tapferste der Tapferen wird an jenem Tag alles wegwerfen und um sein Leben laufen – das sage ich, der Herr."

Hier wird deutlich: Die militärische Niederlage wird verheerend sein. Ich denke, Gott spielt hier schon darauf an, dass die Assyrer kommen werden und das Volk Israel in die Gefangenschaft führen.

Die Logik ist: Selbst wenn der Tapferste wegläuft, werden alle anderen sowieso fliehen.

Das Prinzip, das wir daraus mitnehmen können, ist: Gott wird nicht zulassen, dass seine Gnade dauerhaft mit Füßen getreten wird.

Gott lässt sich nicht zum Hampelmann machen. Er schenkt gerne Gnade und ist schnell bereit, Gnade zu geben. Aber Gottes Gnade zu missbrauchen, seine Gnade mit Füßen zu treten, ist eine sehr ernste Sache für Gott, und er reagiert darauf.

Das bringt uns zum letzten Punkt dieses ersten Vortrags: das Fazit – Gnade verpflichtet.

Schauen wir in die Verse 1 bis 2, Kapitel 3: "Hört her, ihr Leute von Israel, ihr seid das Volk, das der Herr aus Ägypten herausgeführt hat. Er lässt euch sagen: Von allen Völkern der Erde habe ich euch allein ausgewählt. Deshalb wiegt eure Schuld so schwer, und ich muss euch dafür zur Rechenschaft ziehen."

Amos hält dem Volk zunächst die privilegierte Stellung vor und sagt: "Ihr seid ein ganz besonderes Volk. Gott hat euch erwählt von allen Völkern."

Das hat Gott nicht gemacht, weil Israel so wunderbar war. In 5. Mose 7 heißt es: "Denn ihr seid ein Volk, das ausschließlich dem Herrn gehört. Der Herr, euer Gott, hat euch unter allen Völkern der Erde ausgewählt und zu seinem Eigentum gemacht."

Das tat er nicht, damit keine Missverständnisse entstehen, weil ihr größer seid als die anderen Völker. Ihr seid vielmehr das kleinste unter allen.

Er tat es einzig deshalb, weil er euch liebte und das Versprechen halten wollte, das er euren Vorfahren gegeben hatte.

Gott sagt: Unsere Beziehung, liebes Volk Israel, ist nicht eine Beziehung wie jede andere Beziehung. Zu euch habe ich eine besondere Beziehung – nicht weil ihr besonders seid, sondern weil ich mich entschieden habe, dass ihr besonders seid in meinen Augen.

Deshalb wiegt eure Sünde so schwer.

Ich möchte das mit einem Beispiel illustrieren: Auf einer Jugendfreizeit erwischt der Jugendleiter zwei Jugendliche beim Betrinken. Es war Alkoholverbot. Beide halten sich nicht daran. Der eine ist Sohn des Diakons, der schon predigt, der andere ein Nichtchrist, ein Klassenkamerad.

Beide handeln falsch, das ist klar. Aber an wen wird der Jugendleiter die ernsteren Worte richten? Natürlich an den Sohn des Diakons. Der andere hat genauso falsch gehandelt, aber er hätte es besser wissen müssen. Von ihm kann man erwarten, dass er als Vorbild vorangeht.

Das ist, was Gott hier deutlich macht: Israel, von den Heiden abgesehen, hat eine besondere Beziehung. Es ist nicht so, dass in der Geschichte zwischen uns nichts passiert ist. Ich habe euch errettet, und gerade deshalb erwarte ich von euch, dass ihr jetzt auch entsprechend lebt.

Das ist das Fazit: Gnade verpflichtet.

Dieses Prinzip finden wir auch im Neuen Testament, in Titus 2, Verse 11 und 12: "Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben."

Auch im Neuen Testament gilt dieses Prinzip: Gnade verpflichtet.

Ihr Lieben, in Christus sind wir so gesegnet. Wir sind reingewaschen worden, geheiligt und gerechtfertigt. Das sind die Wahrheiten des Evangeliums, und sie gelten.

Gott hat uns zu seinen Kindern gemacht. Es gibt keine Verdammnis für die, die in Christus sind. So viel Gnade ist in unser Leben geflossen.

Gnade ist nie billige Gnade.

Deshalb möchte ich uns ermutigen, und auch herausfordern, aber vor allem ermutigen, die Gnade Gottes zu schätzen.

Gott, wenn du so viel in meinem Leben getan hast, dann will ich dich erst recht lieben. Dann will ich noch mehr für dich leben – nicht damit ich angenommen werde, sondern weil ich angenommen wurde von dir.

Ich will deine Gnade nicht für billig erachten, ich will deine Gnade nicht mit Füßen treten, ich will dankbar sein für deine Gnade und voll für dich leben.

Denn Gnade verpflichtet.

Amen.

Wir hören jetzt noch ein Lied und kommen dann gleich zum zweiten Vortrag.

Gottes Fürsorge in der Wüste

Aber Amos macht weiter: Gott spricht durch Amos und weist auf die außergewöhnliche Fürsorge hin. Es heißt dort nicht nur, dass er das Volk aus Ägypten befreit hat, sondern es wird weiter ausgeführt: „Und euch vierzig Jahre lang durch die Wüste geführt.“ Gott hat nicht gesagt: „So, jetzt hole ich euch aus Ägypten heraus, und jetzt müsst ihr selbst klarkommen in der Wüste.“

Gott hat sie liebevoll geführt und sich um das Volk gesorgt. Kommen wir zu einigen Versen aus 5. Mose 8. Dort heißt es: Er hat euch durch die große und gefährliche Wüste geführt, wo giftige Schlangen und Skorpione hausen, wo alles ausgedörrt ist und nirgends ein Tropfen Wasser zu finden ist. Doch dann ließ er aus dem härtesten Felsen Wasser für euch hervorsprudeln.

Er gab euch mitten in der Wüste Manna zu essen, von dem eure Vorfahren noch nichts wussten. Durch Gefahr und Mangel wollte er euch vor Augen führen, dass ihr ganz auf ihn angewiesen seid. Er wollte euch auf die Probe stellen, um euch am Ende mit Wohltaten zu überhäufen.

In Vers 17 heißt es: „Vergesst das nicht und lasst euch nicht einfallen zu sagen, das alles haben wir uns selbst zu verdanken. Mit unserer Händearbeit haben wir uns diesen Wohlstand geschaffen.“ Aus diesem Text wird deutlich, dass Gottes Fürsorge außergewöhnlich war. In der Wüste hat er sich so liebevoll um sein Volk gekümmert.

Das ausgezeichnete Land als Geschenk Gottes

Und Amos macht weiter und sagt, dass Gott euch auch ein ausgezeichnetes Land geschenkt hat. Am Ende von Vers 10 heißt es, dass ihr das Land der Amoriter in Besitz nehmen konntet. Das bedeutet, lange bevor Israel eigentlich im Land Kanaan war.

Das ist die Hintergrundgeschichte: Gott hat Abraham ein Versprechen gegeben. Er sagte zu Abraham: „Ich will dir einen großen Namen geben, ich will, dass du viele Nachkommen hast, und ich werde diesen Nachkommen ein Land geben.“

Gott ist treu, liebe Zuhörer. Wir Menschen halten nicht immer unsere Versprechen, oder? Ich kenne das aus der Kindererziehung. Da verspreche ich meinen Kindern etwas, und im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich mich nicht immer an mein Versprechen gehalten habe. Gott hält sich aber immer an seine Versprechen. Er sagt: Ihr werdet das Land bekommen, und er hat ihnen ein ausgezeichnetes Land geschenkt.

Auch jetzt möchte ich noch einmal mit uns in das fünfte Buch Mose gehen, damit der Bibeltext noch klarer wird. Dort heißt es, wie das Land beschrieben wird, in 5. Mose 8,7-10:

„Der Herr, euer Gott, wird euch in ein schönes und fruchtbares Land bringen. In der Ebene wie im Bergland gibt es dort Quellen und Bäche, die unerschöpflich aus der Tiefe hervorsprudeln. Es gibt Weizen und Gerste, Trauben, Feigen, Granatäpfel, Oliven und Honig. Ihr werdet euer Essen nicht sorgsam einteilen müssen, es wird euch an nichts fehlen. Das Land hat sogar eisenhaltiges Gestein, und in seinen Bergen könnt ihr Kupfer schürfen.“

Wenn ich diesen Text lese, muss ich mich an eine Situation in unserer Zeit in Texas erinnern. Wir haben 2011 als Familie ein Jahr lang in Texas gelebt. Texas ist nicht schön, Texas ist Steppe, mehr nicht. Das Beste an Texas ist Barbecue oder gutes Rindfleisch. Aber sonst ist Texas eine Steppe. Viele sagen, es sieht aus wie in Kasachstan, aber ich glaube, Kasachstan ist wahrscheinlich schöner als Texas.

Wir haben dort gelebt und dann sieht man monatelang nur Steppe. Dann kam mein Schwiegervater, und wir sind zusammen nach Kalifornien geflogen auf eine Konferenz für Prediger. Wir sind abends angekommen, und man konnte nicht viel von dem Land sehen, von Kalifornien. Wir waren bei einer Familie aus der Gemeinde untergebracht. Morgens früh wachte ich auf und sah blauen Himmel im Garten und Orangenbäume – Kalifornien.

Wenn man in Texas gelebt hat, dann weiß man das zu schätzen. Daran muss ich denken, wenn ich diesen Text sehe: ein wunderbares Land. Trauben, Feigen, Granatäpfel – Gott hat ihnen ein wunderbares Geschenk gemacht. Er hat ihnen nicht nur irgendein Land gegeben, sondern ein ausgezeichnetes Land.

Gott sagt: So gütig war ich zu euch. Und was macht ihr damit? Ihr tretet meine Gnade mit Füßen.

Die gesandten Prediger als weiterer Gnadenbeweis

Eine weitere Gnade sind die Prediger. Gott schickt Prediger, und das ist immer Gnade, wenn Gott Prediger sendet, denn Gott muss nicht reden. Er ist nicht verpflichtet, mit uns zu sprechen. Es ist immer Gnade, wenn Gott sich entscheidet, zu uns zu reden.

Dies wird als nächster Gnadenbeweis hier angeführt. In Vers 11 heißt es: „Als meine Zeugen habe ich aus eurer Mitte Propheten berufen und Männer, die sich mir geweiht haben; so ist es doch, ihr Leute von Israel, sagt der Herr.“

Wir erfahren aus dem Buch Samuel, Kapitel 3 – eine bekannte Stelle, die wir auch in der Kinderstunde den Kindern schon erzählen – von der Situation, in der Samuel in der Nacht gerufen wird und denkt, Eli ruft ihn. Ganz am Anfang von Kapitel 3 steht, dass das Wort Gottes in jener Zeit selten war. Es ist noch das Ende der Richterzeit, und Gott hat in dieser Zeit weniger gesprochen, weil das Volk nicht hören wollte. Deshalb heißt es zu Beginn von 1. Samuel 3, dass das Wort Gottes selten war.

Das bedeutet: Gottes Reden ist immer Gnade. Wenn Gott redet, muss er nicht reden. Genau das führt Gott hier an. Er sagt: „Ich habe euch doch Propheten geschickt, aber ihr habt zu ihnen gesagt, dass sie nicht reden sollen.“

In Vers 12 wird das noch deutlicher: „Aber meinen Geweihten habt ihr Wein zu trinken gegeben, und den Propheten habt ihr verboten, in meinem Namen zu reden.“

Wer sind die Geweihten? Die Geweihten sind Nazireer. Simson war ein Nazireer, Samuel war ein Nazireer. Das ist noch einmal etwas anderes als ein Prophet. Männer, die sich Gott ganz geweiht haben, durften keinen Wein trinken. Es war eine besondere Form des Dienstes für Gott.

Wenn hier steht, dass das Volk diesen Männern Wein zu trinken gegeben hat, dann haben sie sie vielleicht verführt oder gezwungen, Wein zu trinken. Sie haben sie auf jeden Fall mundtot gemacht. Sie wollten nicht hören und lehnten Gottes Gnade ab.

Zusammenfassung der Gnadenbeweise und die Ablehnung durch das Volk

Und wenn man sich das Ganze noch einmal im Überblick anschaut, sagt Gott: Ich habe euch Erfolg geschenkt – einen herausragenden Sieg über die Amoriter. Ich habe euch aus Ägypten errettet, mich in der Wüste um euch gekümmert und euch reich beschenkt mit dem verheißenden Land. Ich habe zu euch durch die Propheten gesprochen, doch ihr verachtet alles.

Heute möchte ich uns eine Frage stellen – auch dir persönlich. Diese Frage können wir nicht einfach im Kollektiv beantworten. Du musst sie heute Abend für dich persönlich beantworten: Gibt es Dinge in deinem Leben, bei denen du die Gnade Gottes mit Füßen trittst?

Vielleicht fragst du dich jetzt: „Andre, wie kann das denn praktisch bei uns aussehen?“ Ich möchte euch zwei Beispiele dazu geben.

Beispiele aus dem Leben: Matthias und Melissa

Matthias: Vom begabten Christen zum lauen Glauben

Ich habe zwei Personen, die ich euch vorstellen möchte. Die eine Person ist Matthias. Sagen wir mal, Matthias ist 38 Jahre alt und lebt in Mannheim. Gottes Gnade hat sich im Leben von Matthias schon sehr früh gezeigt. Er ist in einem christlichen Elternhaus großgeworden.

Und was gibt es Besseres, ganz ehrlich, als in einem christlichen Elternhaus aufzuwachsen? Wir denken manchmal – und ich bekomme das auch immer mit, wenn Menschen ihr Zeugnis erzählen – sie sagen: „Mein Zeugnis ist nicht so spektakulär, ich hatte kein ganz schlimmes Leben und dann die 180-Grad-Wende.“ Aber ich sage: Das ist spektakulär! Denn die meisten Kinder in Deutschland wachsen nicht in einem christlichen Elternhaus auf. Und wir können es uns nicht aussuchen, oder? Das ist Gnade.

Wenn jemand in einem christlichen Elternhaus aufwächst, ist das schon ein großer Segen. So ist es bei Matthias: Er wächst in einem christlichen Elternhaus auf und kommt früh zum Glauben. Im Alter von zwölf Jahren bekehrt er sich ganz bewusst zu Jesus Christus. Auch das ist Gnade. Denn nur weil jemand in einem christlichen Elternhaus aufwächst, heißt das nicht automatisch, dass er auch zum Glauben kommt. Das wissen wir alle. Es ist kein Automatismus.

Was für ein Segen! Matthias erkennt, was Jesus für ihn getan hat, und er lebt für den Herrn. Er lebt Gottes Gnade aber auch in anderen Bereichen seines Lebens. Gott schenkt ihm trotz seiner Lernschwäche Erfolg. Er schafft einen guten Realschulabschluss und macht noch sein Abitur.

Er weiß genau: Gott hat ihm den Segen geschenkt. Das hat er sich nicht selbst zu verschreiben. Er erfährt Gottes Leben. Er bekommt eine wunderbare Frau, die den Herrn liebt. Er heiratet, sie bekommen Kinder. Matthias weiß: Das ist alles Gnade. Das hat er sich nicht erarbeitet, das hat Gott geschenkt.

Matthias ist erstaunlich begabt. Gott segnet ihn in seinem Dienst und gebraucht Matthias als Segen für die Gemeinde. Doch dann beginnt das Leben von Matthias eine Wende zu nehmen – nicht von jetzt auf gleich, sondern allmählich.

Der Job wird ihm immer wichtiger, die Anerkennung auf der Arbeit. Er genießt seinen Status. Er kommt in die Gemeinde und denkt sich insgeheim: Die Gemeinde kann froh sein, mich als begabten jungen Mann zu haben. Der Stolz fängt an, in seinem Herzen sich breitzumachen.

Auf der Arbeit steht die nächste Beförderung an. Matthias weiß, es wird noch mehr Zeit kosten – Zeit, die er nicht für die Familie hat, Zeit, die er nicht für die Gemeinde hat. Geld wird ihm immer wichtiger, ebenso sein Status und seine Karriere. Schritt für Schritt geht er in eine falsche Richtung.

Am Ende ist seine Frau völlig traurig und frustriert. Sie erlebt keine geistliche Führung mehr von ihrem Ehemann. Er kommt sonntags nicht mehr immer mit in die Gemeinde, weil er auch sonntags arbeiten muss. Sein Job fördert ihn angeblich so sehr.

Aus einem brennenden jungen Mann, der so viel Gnade erfahren hat, ist ein lauer Christ geworden. Das bedeutet heute, Gottes Gnade mit Füßen zu treten. Vielleicht kennst du das aus deinem Leben.

Stell dir heute Abend die Frage: Wo hat sich Gottes Gnade in deinem Leben schon überall gezeigt? Vielleicht nimmst du dir heute Abend zu Hause mal in Ruhe Zeit, um darüber nachzudenken: Wo hat sich Gottes Gnade in meinem Leben überall gezeigt?

Und die Frage ist: Wie gehst du damit um? Mit der Gnade Gottes in deinem Leben – wie gehst du damit um? Liebst du ihn von ganzem Herzen oder bist du lau geworden?

Melissa: Vom kaputten Schicksal zur verfehlten Nachfolge

Ein weiteres Beispiel, das ich euch mitgeben möchte, ist Melissa – ein ganz anderes, sehr eindrückliches Beispiel. Melissa wurde von ihren Eltern nicht geplant, aber Gott wollte sie und schenkte ihr das Leben. Dennoch wächst sie in einer ziemlich schwierigen Situation auf. Solche Schicksale gibt es auch in Deutschland sehr viele.

Melissa hat ihren Vater nie kennengelernt, und ihre Mutter war bei der Geburt erst siebzehn Jahre alt. Melissa hat große Probleme, sich selbst anzunehmen. Sie sucht Anerkennung bei den falschen Leuten und gerät im Teenageralter in die Drogensucht. Sie ist völlig verloren und hat noch nie etwas von Gott gehört.

Doch dann greift Gott in ihr Leben ein. Gerade dort, wo sie sich Stück für Stück auf der Straße mit den falschen Leuten kaputtmacht, begegnet sie Christen, die einen Straßeneinsatz machen und aus einer Gemeinde kommen. Melissa hört das Evangelium und die Worte von Jesus: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.“ So findet sie auf der Straße zum Glauben.

Sie kommt in eine Gefährdetenhilfe, macht eine Reha durch, und Gott befreit sie von der Drogensucht. Danach wird sie Teil der Gemeinde. Doch mit der Zeit wächst der Wunsch nach einem Partner immer mehr. In der Gemeinde findet sie niemanden, der diesen Wunsch erfüllt. Sie klagt Gott ihre Not.

Schließlich zeigt ein nichtchristlicher Arbeitskollege Interesse an ihr. Der Wunsch nach einer Beziehung wird so groß, dass er zu einem Götzen in ihrem Leben wird. Sie verkauft Jesus für diese Liebesbeziehung. So wie Judas Jesus für dreißig Silberlinge verkauft hat, tritt sie Gottes Gnade mit Füßen.

Ich möchte heute Abend die Frage stellen: Wo trittst du Gottes Gnade mit Füßen? Vielleicht gerade jetzt. Vielleicht weißt du genau, was gemeint ist, wenn Gott dich darauf anspricht. Leider können wir Gottes Gnade mit Füßen treten. Gott hat uns neues Leben geschenkt, und doch liebäugeln wir immer noch mit Lieblingssünden in unserem Leben. Er hat unser Leben komplett neu gemacht, und trotzdem fallen wir immer wieder zurück in unser altes Leben.

Gott beschenkt uns in Christus so reich mit allen geistlichen Segnungen, und wir schätzen das nicht. Stattdessen hängen wir unser Herz an materielle Dinge. Gott spricht zu uns, aber wir schalten oft auf Durchzug. Manchmal regen wir uns sogar darüber auf, dass Predigten so lange dauern – und treten damit Gottes Gnade mit Füßen.

Ich habe ein Beispiel vor Augen, das real ist: Eine Frau, die zweimal von Krebs geheilt wurde. Sie war als Christin völlig auf dem Holzweg und mitten in der Welt. Ich möchte wirklich sagen: Gott schenkt ihr den Krebs, sie kommt zurück, tut Buße, und Gott heilt sie.

Jetzt könnte sie doch umso mehr in Dankbarkeit leben, denn Gott hat ihr das Leben zurückgeschenkt. Doch sie geht wieder in die Welt. Gott schenkt ihr erneut den Krebs, sie kommt wieder zurück, und Gott heilt sie erneut. Doch jetzt ist sie wieder zurück im alten Leben.

Gottes Gnade kann mit Füßen getreten werden.

Gottes Reaktion auf die Missachtung seiner Gnade

Ich möchte uns ermutigen, dass wir Gottes Gnade in unserem Leben nie für selbstverständlich nehmen, sondern dankbar darauf reagieren. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir uns nicht so stark verletzen sollten, dass wir diese Gnade missachten.

Denn Gott nimmt es ernst, wenn wir seine Gnade mit Füßen treten. Das ist der zweite Punkt, der Gottes Reaktion beschreibt. In Vers 13 heißt es: „Ich werde euch bestrafen, dass ihr ächzt und stöhnt wie ein überladener Erntewagen.“

Dieses Bild kennen wir vielleicht: Wenn wir zu viel in einen Anhänger geladen haben, wird das Auto nach unten gedrückt. Amos kommt aus der Landwirtschaft und verwendet hier ein Bild von einem Erntewagen. Der Punkt ist: Es ist nur ein Bild. Gott sagt, er wird euch niederdrücken.

Wie wird das geschehen? In den Versen 14 bis 16 wird eine militärische Niederlage geschildert. Dort heißt es: Auch der Schnellste kann nicht mehr entkommen, dem Stärksten nützt seine Kraft nichts, und dem Mutigsten hilft sein Mut nicht. Die Bogenschützen werden überrannt, bevor sie einen Pfeil abschießen können, und die Besatzung der Streitwagen kann sich nicht mehr retten. Selbst der Tapferste der Tapferen wird an jenem Tag alles wegwerfen und um sein Leben laufen – das sagt der Herr.

Was hier deutlich wird, ist, dass die militärische Niederlage verheerend sein wird. Ich denke, Gott spielt hier schon darauf an, dass die Assyrer kommen werden und das Volk Israel in die Gefangenschaft führen.

Die Logik dahinter ist: Selbst wenn der Tapferste wegläuft, tun es alle anderen sowieso. Das Volk wird überrannt werden.

Als Prinzip können wir daraus mitnehmen: Gott wird es nicht zulassen, dass seine Gnade dauerhaft mit Füßen getreten wird.

Ihr Lieben, ich möchte es jetzt so formulieren: Gott lässt sich nicht zum Hampelmann machen. Er schenkt gerne Gnade und ist schnell bereit, sie zu geben. Aber Gottes Gnade zu missbrauchen, sie mit Füßen zu treten, ist eine sehr ernste Sache für Gott – und er reagiert darauf.

Fazit: Gnade verpflichtet

Und das bringt uns zum letzten Punkt dieses ersten Vortrags: das Fazit „Gnade verpflichtet“.

Gnade verpflichtet. Schaut mal in die Verse 1 bis 2 im dritten Kapitel. Dort heißt es: „Hört her, ihr Leute von Israel, ihr seid das Volk, das der Herr aus Ägypten herausgeführt hat. Er lässt euch sagen: Von allen Völkern der Erde habe ich euch allein ausgewählt. Deshalb wiegt eure Schuld so schwer, und ich muss euch dafür zur Rechenschaft ziehen.“

Amos hält dem Volk hier zunächst einmal die privilegierte Stellung vor und sagt: Ihr seid ein ganz besonderes Volk, Gott hat euch erwählt von allen Völkern. Und das hat Gott ja nicht gemacht, weil Israel so wunderbar war, weil Israel so toll war. Im 5. Buch Mose, Kapitel 7, heißt es: „Denn ihr seid ein Volk, das ausschließlich dem Herrn gehört. Der Herr, euer Gott, hat euch unter allen Völkern der Erde ausgewählt und zu seinem Eigentum gemacht.“

Das tat er nicht etwa – also damit keine Missverständnisse entstehen – weil ihr größer seid als die anderen Völker. Ihr seid vielmehr das kleinste unter allen. Nein, er tat es einzig deshalb, weil er euch liebte und das Versprechen halten wollte, das er euren Vorfahren gegeben hatte.

Gott sagt: Unsere Beziehung, liebes Volk Israel, ist nicht eine Beziehung wie jede andere Beziehung. Zu euch habe ich eine besondere Beziehung, nicht weil ihr besonders seid, sondern weil ich mich entschieden habe, dass ihr besonders seid in meinen Augen. Und deswegen wiegt eure Sünde so schwer.

Ich möchte das mal mit einem Beispiel illustrieren. Auf einer Jugendfreizeit – ich hoffe nicht, dass das ein wahres Beispiel ist, es ist jetzt ein erfundenes Beispiel, das aber einen Sachverhalt deutlich machen möchte – erwischt der Jugendleiter zwei Jugendliche dabei, wie sie sich betrinken. Es war klar Alkoholverbot auf der Freizeit, und sie halten sich beide nicht daran. Er erwischt sie gerade beim Trinken.

Der eine ist der Sohn vom Diakon, der schon in der Gemeinde predigt. Der andere ist ein Nichtchrist, ein Klassenkamerat, der einfach mal mitgekommen ist zur Jugendfreizeit. Wir sind uns einig: Beide handeln falsch, völlig klar. Aber an welche Person wird der Jugendleiter die ernsteren Worte richten? Natürlich an den Sohn des Diakons. Der andere hat genauso falsch gehandelt, versteht mich nicht falsch, aber er hätte es besser wissen müssen. Von ihm kann man erwarten, dass er als Vorbild vorangeht, wenn er am Wort dient, am Sonntagmorgen.

Und das ist das, was Gott hier deutlich macht: Israel. Von den Heiden natürlich ist es auch falsch, aber wir haben eine besondere Beziehung. Es ist doch nicht so, dass in der Geschichte zwischen uns nichts gelaufen ist. Ich habe euch errettet, und gerade deswegen erwarte ich von euch, dass ihr jetzt auch entsprechend so lebt.

Und das ist das Fazit: Gnade verpflichtet.

Und, ihr Lieben, dieses Prinzip finden wir auch im Neuen Testament, in Titus 2. Dort heißt es in den Versen 11 und 12: „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben.“

Also hier sehen wir es auch im Neuen Testament: Dieses Prinzip „Gnade verpflichtet“ gilt.

Ihr Lieben, in Christus sind wir so gesegnet. Wir sind reingewaschen worden, wir sind geheiligt worden, wir sind gerechtfertigt worden. Das sind die Wahrheiten des Evangeliums, und diese Wahrheiten gelten. Gott hat uns zu seinen Kindern gemacht. Es gibt keine Verdammnis für die, die in Christus sind.

Da ist so viel Gnade geflossen in unser Leben, und Gnade ist nie billige Gnade. Gnade ist nie billige Gnade.

Deswegen möchte ich uns wirklich ermutigen – auch nicht nur herausfordern, das auch, aber vor allem ermutigen – die Gnade Gottes zu schätzen. Und dass wir mit Liebe reagieren: Gott, wenn du so viel in meinem Leben getan hast, dann will ich dich erst recht lieben. Dann will ich noch mehr für dich leben. Nicht damit ich angenommen werde, sondern weil ich angenommen wurde von dir.

Ich will deine Gnade nicht für billig erachten, ich will deine Gnade nicht mit Füßen treten. Ich will dankbar sein für deine Gnade und voll für dich leben. Denn Gnade verpflichtet. Amen.

Wir hören jetzt noch ein Lied und kommen dann gleich zum zweiten Vortrag. Bitte.