Ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir haben heute Morgen ein ermutigendes Thema vor uns. Nachdem ich alle, die hier anwesend sind, begrüßt habe, möchte ich auch diejenigen willkommen heißen, die über den Livestream zugeschaltet sind.
Außerdem möchte ich auf das Skript hinweisen, das unbedingt beim heutigen Studium mitverwendet werden sollte. Dieses Skript findet man unterhalb des Bildes von mir, rechts, als Link zum Anklicken. Es kann ausgedruckt werden und umfasst nur eine A4-Seite.
Das Thema ist sehr ermutigend: Ezra, der Schriftgelehrte, ist ein ermutigendes Beispiel für uns heute. Ich habe das Thema bereits in der Einladung mit ein paar Sätzen umschrieben und lese es nun nochmals vor.
Ezra war ein Mann, der sich in seinem Innersten vorgenommen hatte, das Wort Gottes zu studieren, in sein tägliches Leben zu übertragen und andere darin zu unterweisen. Wir werden gleich das Lebensmotto von Ezra betrachten, das in Esra 7,10 beschrieben wird.
Seine Hingabe, Gradlinigkeit und vertrauensvolle Ausrichtung auf den Herrn wurde Israel vor über zweitausendvierhundert Jahren zum riesigen Segen. Auch heute, so viele Jahre danach, werden wir durch sein Vorbild ermutigt und angespornt, mit Ernsthaftigkeit und Liebe alles für den Herrn und seine Sache zu geben.
Wir schlagen auf bei Ezra 7, dort beginnt die biblische Geschichte über diesen besonderen Mann. In vergangenen Bibelstudientagen haben wir alle Bibelbücher zumindest in der Übersicht betrachtet, auch das Buch Ezra. Heute geht es jedoch nicht darum, das Buch Ezra im Detail zu erklären, sondern um das Leben von Ezra.
Ein paar Hinweise zum Buch selbst sind trotzdem nötig, damit man die Ereignisse zeitlich einordnen kann. Ezra 1 beginnt im ersten Jahr des Königs Chores von Persien, also im Jahr 539, genauer gesagt im Herbst 539. Zu dieser Zeit hatten die Perser und Meder das Babylonische Reich erobert. In der Folge dieses Herbstereignisses gab König Chores, wie in Ezra 1 beschrieben, einen Erlass heraus.
Dieser Erlass erlaubte allen deportierten Juden, nach Hause zurückzukehren, zurück nach Jerusalem. Er sagte nicht nur, dass sie dürfen, sondern auch, dass sie die Stadt Jerusalem und den Tempel wieder aufbauen sollen. Über 40.000 Juden gingen mit ihren Frauen und Kindern zurück. Man kann eine Hochrechnung machen: etwa 200.000 Menschen machten Alija. Alija ist der heutige Ausdruck für die Einwanderung nach Israel aus der Zerstreuung.
Es gab also eine riesige Heimkehrwelle, damals unter der Führung von Serubbabel und dem Hohenpriester Jeshua. Sie gingen zurück und bauten den Tempel. Chores hatte nicht nur die Erlaubnis gegeben, sondern auch den Befehl, die Stadt Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen.
Ezra beschreibt, wie das geschehen ist und wie es schließlich auch vollendet wurde. Das ist das Thema von Ezra Kapitel 1 bis 6. Dass Chores auch verlangte, dass die Stadt wieder aufgebaut wurde, liest man in Jesaja 44 am Schluss des Kapitels in der Prophetie.
Nun sehen wir, wie Kapitel 7 eine neue Zeit einleitet. Ich lese Vers 1: „Nach diesen Begebenheiten, unter der Regierung Atasastas, des Königs von Persien, zog Ezra, der Sohn Zerajas, des Sohnes Asarjas, des Sohnes Hilkias, des Sohnes Saloms, des Sohnes Zadoks, des Sohnes Ahitubs, des Sohnes Amarjas, des Sohnes Asarjas, des Sohnes Meraiots, des Sohnes Serachjas, des Sohnes Ussis, des Sohnes Bukis, des Sohnes Abischuas, des Sohnes Binehas, des Sohnes Eliasas, des Sohnes Aarons, des Hauptpriesters, herauf.“
Dieser Ezra zog von Babel herauf. Er war ein kundiger Schriftgelehrter im Gesetz Moses, das der Herr, der Gott Israels, gegeben hatte. Weil die Hand des Herrn, seines Gottes, über ihm war, gab ihm der König all sein Begehr.
Hier haben wir eine Datierung: Unter der Regierung von Atasasta ist Ataxerxes I., der Langhand, gemeint. Das wird auch in Elberfelder Bibel in der Fußnote erklärt. Er regierte ab 465 v. Chr. Somit befinden wir uns hier viel, viel später als das, was in Esra Kapitel 1 bis 6 berichtet wird. Es sind viele Jahrzehnte vergangen, denn zwischen den Kapiteln liegt eine zeitliche Lücke von 58 Jahren.
Doch es gibt keine Löcher in der Bibel. Dieses scheinbare Loch wird durch das Buch Esther ausgefüllt. Die Geschichte Esthers fällt genau in diese Zeit dazwischen.
Nun fällt auf, dass bei Esra zuerst dieses lange Geschlechtsregister aufgezählt wird. Warum ist das wichtig? Das ist sehr bedeutsam als Nachweis, dass er zum auserwählten Volk Gottes gehört.
Wenn wir kurz in Esra 2 nachschlagen, sehen wir, dass dort ganz genau verzeichnet wird, wer alles aus der Gefangenschaft zurückkehrte. Es wird genau angegeben, was ihre Abstammung betrifft. Das war sehr wichtig, denn es gab auch solche, die damit Probleme hatten.
In Esra 2, Vers 59 und 62 heißt es: „Diese sind es, die aus Telmelach, Telharscha, Cherub, Adan immer hinaufzogen, aber sie konnten ihr Vaterhaus und ihre Abkunft nicht angeben, ob sie aus Israel wären, die Söhne Delajas, die Söhne Tobias, die Söhne Nekodas, 652 an der Zahl.“
Diese suchten ihr Geschlechtsregisterverzeichnis, aber es wurde nicht gefunden. Deshalb wurden sie vom Priestertum als unrein ausgeschlossen. Der Tirsata, das ist der Titel des Statthalters, sagte zu ihnen, dass sie vom Hochheiligen nicht essen dürften, bis ein Priester für die Urim und die Tumim aufstünde.
Es gab also solche, die, obwohl sie zurückkehrten, nicht belegen konnten, dass sie wirklich Israeliten waren. Gentests gab es damals natürlich nicht. Alle anderen konnten ihre Abkunft belegen, aber ein Teil eben nicht.
Dazu lesen wir etwas aus 1. Chronik 9. In den Kapiteln 1 bis 9 von 1. Chronik finden wir ausführliche Angaben zu Abstammung und Geschlechtsregistern. Manche mögen das als langweilig empfinden. Doch in Gottes Wort ist nichts langweilig oder unnötig. Alles hat seine besondere Bedeutung.
Nebenbei bemerkt: Wer hat 1. und 2. Chronik geschrieben? In der rabbinischen Literatur, genauer im Talmud, Traktat Baba Batra 15, werden wichtige Informationen über Bibelschreiber überliefert. Bibelbücher konnten nur dann als Gottes Wort anerkannt werden, wenn sie von beglaubigten Propheten verfasst wurden, die den biblischen Prophetentest bestanden hatten. Dort wird berichtet, dass Esra die Bücher der Chronik geschrieben hat. Die Vollendung wird Nehemia zugeschrieben, einem weiteren Bibelschreiber.
Diese Geschlechtsregister hat also Esra aufgeschrieben. In 1. Chronik 9,1 heißt es: „Und ganz Israel wurde in Geschlechtsverzeichnis verzeichnet, und siehe, sie sind aufgeschrieben im Buch der Könige von Israel. Und Juda wurde wegen seiner Untreue nach Babel weggeführt.“
Im Normalfall konnte jeder Israelit mit einem Geschlechtsregister nachweisen, aus welchem Stamm und aus welcher Linie er stammte. Das war wichtig, um zu belegen: Ich gehöre zum Volk Gottes.
Neutestamentlich übertragen bedeutet das Folgendes: Wenn jemand sagt, er sei gläubig, man aber nichts davon sieht – weder in seinem Leben noch in seiner Haltung oder Liebe zum Herrn und zu seinem Wort –, dann entspricht das jemandem, der damals nicht nachweisen konnte, dass er zum Volk Gottes gehörte.
Zum irdischen Volk Gottes gehört man durch natürliche Geburt. Zum himmlischen Volk Gottes gehört man durch die Wiedergeburt. Diese Neugeburt, wie Johannes 3 erklärt, geschieht durch den Glauben an den Sohn Gottes. So erhält man ewiges Leben. Wer dieses ewige Leben hat, ist ein Wiedergeborener, der Leben aus Gott hat.
Esra kam ebenfalls aus Babel zurück, Jahrzehnte nach der ersten Alija unter Esra I. Er kam mit vielen anderen, wie wir noch sehen werden.
Das Erste, was Esra tut, ist, seinen Beleg zu geben, dass er zum Volk Gottes gehört – und zwar aus einer besonderen Linie. Er nennt zahlreiche Generationen bis zurück auf Aaron, den Hohen Priester. Dabei gibt er nicht alle Generationen an. So lässt er zum Beispiel sechs Generationen zwischen Azaria und Merayot aus. Das ist ganz üblich. Auch im Matthäusevangelium, Kapitel 1, das Geschlechtsregister von Joseph, werden gewisse Generationen ausgelassen. Doch Esra hat dies ganz bewusst getan, denn es war nicht notwendig, alle Generationen anzugeben. Die Linie musste jedoch klar erkennbar sein. Deshalb hat er eine Auswahl getroffen.
Wichtige Namen hat er jedoch verzeichnet. Zum Beispiel sagt er, dass Esra der Sohn Serajas war – das war aber nicht sein direkter Vater. Seraja wird in 2. Könige 25,18-21 erwähnt. Dort erfahren wir, dass er ein Hoher Priester im Salomonischen Tempel war, zur Zeit des letzten Königs von Juda, Zedekia. Dort wird auch beschrieben, wie Seraja von den Babyloniern ermordet wurde. Esra nennt Seraja als besondere Person, aber nicht als direkten Vater, da bereits einige Generationen ausgelassen wurden.
Mehr Details findet man in 1. Chronik 5,29-40. Dort gibt derselbe Esra die hohe priesterliche Linie ausführlicher an. Esra selbst war zwar kein Hoher Priester, aber er stammte aus diesem hohen priesterlichen Geschlecht. Bei den Hohen Priestern gab es oft mehrere Söhne, doch nur einer konnte Hoher Priester werden. Die Linie führte Esra nicht über sich selbst weiter, sondern an ihm vorbei.
Der erste Hohe Priester im Zweiten Tempel nach der babylonischen Gefangenschaft war Jeschua, auch Jehoshua genannt, der Sohn Jotzadaks. Er erscheint im Buch Nehemia, sowie in den Propheten Haggai und Sacharja. Jeschua war ebenfalls ein Nachkomme von Seraja und wurde Hoher Priester.
Wir sehen also, dass Esra aus einer ganz besonderen priesterlichen Linie stammt, die bis zurück zu Zadok reicht – dem treuen Priester zur Zeit von David und Salomo (Vers 2, Zadok).
Was ich noch erwähnen möchte, ist Seraja. Von ihm heißt es in Vers 1, dass er der Sohn Asajas und der Sohn Hilkias war. Hilkias war der Hohe Priester zur Zeit des Königs Josia. Dieser Mann spielte eine wichtige Rolle in der letzten Erweckungsgeschichte Judas, bevor der Niedergang und der Untergang folgten.
Hilkias entdeckte das fünfte Buch Mose im Tempel, als dieser aufgeräumt und repariert wurde. Er übergab dieses Buch dem Schreiber Schafan, einem gottesfürchtigen Mann, der in der Lage war, das originale fünfte Buch Mose noch in der alten Schrift – die damals schon etwa tausend Jahre alt war – zu lesen. Schafan las das Buch vor König Josia vor. Der König war entsetzt darüber, wie Israel das Wort Gottes nicht eingehalten hatte, und löste daraufhin eine umfassende Reformation aus.
Auch Hilkias ist deshalb besonders wichtig und wird hier erwähnt.
Nun wollen wir eine Übertragung für uns machen. Haben wir das nicht schon getan? Zum Volk Gottes zu gehören bedeutet, dass man dies auch nachweisen können muss. Wir sind nicht mehr im Geschlechtsregister oder Verzeichnis eingetragen, sondern zeigen uns durch die Früchte in unserem Leben. Diese Früchte machen deutlich: Da ist eine Wiedergeburt vorhanden.
Der erste Johannesbrief gibt zum Beispiel eine ganze Reihe von Punkten an, anhand derer man selbst erkennen kann, dass man wiedergeboren ist.
Nun schlagen wir den ersten Petrusbrief auf, Kapitel 2. Dort erklärt Petrus den Erlösten in diesem Rundschreiben, in Vers 4. Er spricht über den Herrn, der gütig ist, und sagt in Vers 4: „Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt und kostbar, werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, eine heilige Priesterschaft, um geistliche Schlachtopfer zu bringen, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus.“
Ich habe hier die Elberfelder Übersetzung ein wenig angepasst: „ein geistliches Haus, eine heilige Priesterschaft, um geistliche Schlachtopfer zu bringen.“
Die Gläubigen werden hier als eine heilige Priesterschaft bezeichnet, die anbetet. Dabei handelt es sich nicht um wörtliche Tieropfer, wie im Alten Testament, sondern um geistliche Schlachtopfer. Das bedeutet, wir kommen in der Anbetung persönlich und miteinander vor den Vater und preisen ihn für das, was wir in dem Herrn Jesus gefunden haben – geistliche Schlachtopfer.
Wir sprechen über das, was der Herr Jesus auf Golgatha vollbracht hat. Diese Gläubigen sind Priester, und sie werden auch als eine königliche Priesterschaft bezeichnet, wie es in Vers 9 heißt.
Auf dem Blatt habe ich außerdem Offenbarung 1, Vers 5 hinzugefügt. Das ist die wunderbare Stelle, wo es heißt: „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut.“ Danach heißt es: „Und hat uns gemacht zu einem Priestertum und zu einem Königtum.“ Der gleiche Gedanke wird in Offenbarung Kapitel 5, Vers 9 bis 10 wiederholt.
Das Neue Testament lehrt also, dass alle Wiedergeborenen, die zum himmlischen Volk Gottes gehören, Priester sind. Hier sehen wir bereits eine schöne Parallele zu Esra.
Weiter wird über Esra in Vers 6 berichtet: „Dieser Esra zog herauf von Babel. Er war ein kundiger Schriftgelehrter im Gesetz Mose, das der Herr, der Gott Israels, gegeben hatte.“
Der Name Esra bedeutet „Hilfe“. Gott wird im Psalm 72 ebenfalls als Hilfe bezeichnet. Esra heißt also „Hilfe“, was bedeutet, dass Gott seine Hilfe war. Allerdings ist Gott nicht direkt im Namen enthalten; es bedeutet wirklich einfach „Hilfe“.
Daher können wir einerseits daran denken, dass Gott seine Hilfe war, und andererseits, dass Esra selbst eine Hilfe für das Volk Gottes war. Dies wird gleich in Vers 6 ausgedrückt: „Dieser Esra zog herauf von Babel, und er war ein kundiger Schriftgelehrter im Gesetz Mose, das der Herr, der Gott Israels, gegeben hatte. Weil die Hand des Herrn, seines Gottes, über ihm war, gab ihm der König all sein Begehr.“
Wir sehen also, dass Esra immer wieder die Hilfe Gottes in seinem Leben erlebte. Gerade im Zusammenhang mit der Rückkehr hat Gott bewirkt, dass der Herrscher des damaligen Weltreiches, des medopersischen Weltreiches, Esra gegenüber sehr positiv eingestellt war.
Das erinnert uns an Sprüche 21,1, eine wichtige Stelle, gerade wenn wir über Staatsführung, Politik oder Weltereignisse nachdenken. Dort heißt es: „Wasserbächen gleicht das Herz eines Königs; in der Hand des Herrn, wohin immer er will, neigt er es.“
Man kann sich das vorstellen wie die alten Kanalsysteme im Wallis, mit denen Wasser gelenkt und umgeleitet wurde. So wie der Bauer das Wasser kanalisiert, lenkt Gott die Herzen der Könige. Manchmal denken wir, das sei nicht möglich oder könne sich nicht ändern. Doch Gott kann Menschenherzen lenken, wenn es seinem Plan entspricht und wir ihn darum bitten.
So hat Esra das erlebt: „Weil die Hand des Herrn, seines Gottes, über ihm war, gab ihm der König all sein Begehr.“ Es ist sehr schön, dass Esra über die Hand Gottes spricht, die über ihm war.
Ich habe im Skript einige weitere Stellen zu „der Hand Gottes“ hinzugefügt. Es zeigt sich, dass dieser Ausdruck typisch für das Buch Esra ist. Man sieht Esras königliche Aufträge, dann folgen einige Unterpunkte, darunter „Handeln nach seinem Gutdünken“ und „die gute Hand Gottes im Leben Esras“.
Beispiele sind Esra 7,6; 9,8; 28,18; 22,31. Ständig spricht Esra über die gute Hand Gottes oder die Hand Gottes, die mit ihm war bzw. über ihm war.
Später werden wir sehen, dass Esra in weiteren Jahren mit Nehemia zusammen diente. Nehemia, der Autor des Buches Nehemia, übernimmt diesen Ausdruck ebenfalls, der sonst im Alten Testament nicht typisch ist.
In Nehemia 1,10, 2,8 und 2,18 beginnt er auch so zu sprechen. Das zeigt, dass wenn man eine bestimmte Art des Sprechens oder wichtige Themen hat, diese auch andere beeinflussen können und ihnen ebenso wichtig werden.
Das war zwischen Esra und Nehemia ein sehr schönes Beispiel.
Und nun zur Beschreibung von Esra als kundigem Schriftgelehrten in Vers 6. Das bedeutet, er kannte die Bibel wirklich gründlich. Doch das kam nicht automatisch zustande. Vielmehr zeigt sich sein Lebensmotto in Vers 10: Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz des Herrn zu erforschen und zu tun sowie in Israel Satzung und Recht zu lehren.
Das war also keine bloße Freizeitbeschäftigung, kein hobbymäßiges Bibelstudium. Vielmehr hatte er sein Herz darauf ausgerichtet. Im übertragenen Sinn meint das Herz das Zentrum unserer Persönlichkeit, das, was unser Ich im Innersten ausmacht. Esra hatte sein ganzes Leben darauf ausgerichtet, die Bibel zu erforschen. Nur so gelingt es wirklich, sonst funktioniert das nicht. Und genau das tat er.
Für ihn war es wichtig, das Gesetz des Herrn zu erforschen – aber nicht nur theoretisch. Zweiter Punkt: Er wollte es auch tun. Ihm lag sehr daran, das Gesetz wirklich im Leben umzusetzen. Drittens hatte er das Herzensanliegen, dieses Wissen auch anderen weiterzugeben und in Israel Satzung und Recht zu lehren.
Schauen wir genauer hin: Er wird genannt ein kundiger Schriftgelehrter im Gesetz Moses, das der Herr, der Gott Israels, gegeben hatte. Einige Verse später, in Vers 11, wird ein Brief von König Artaxerxes zitiert. Dort heißt es: „Und dies ist die Abschrift des Briefes, den der König Artaxerxes Esra, dem Priester, dem Schriftgelehrten, gab, dem Schriftgelehrten in den Worten der Gebote des Herrn und seinen Satzungen für Israel.“
Dieser Titel ist bemerkenswert: Der Priester, der Schriftgelehrte, der Schriftgelehrte in den Worten der Gebote des Herrn und seiner Satzungen für Israel. Und dann schreibt der König selbst im Brief, beginnend in Vers 12: „Da saß der König der Könige an Esra, den Priester, den vollkommenen Schriftgelehrten im Gesetz des Gottes des Himmels.“
Ein heidnischer persischer König sagt das über Esra in dieser Weise. Er nennt ihn einen vollkommenen Schriftgelehrten. Das bedeutet, Esra hat mit seiner Bibelkenntnis wirklich überzeugt. Doch das war ihm nicht einfach in die Wiege gelegt. Es erforderte Anstrengung, wie es in den Sprüchen heißt: „Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht.“
Ohne Anstrengung und Zeitinvestition – man sagt ja, Zeit ist Geld – kaufe Wahrheit. Esra hat Energie eingesetzt, um das Wort zu studieren, und deshalb erhält er dieses Zeugnis. Aber er war nicht einfach ein Schriftgelehrter, sondern der König nennt ihn in den Worten einen vollkommenen Schriftgelehrten im Gesetz des Gottes des Himmels.
In Vers 11 wird noch weiter ausgeführt, dass er ein Schriftgelehrter in den Worten der Gebote des Herrn und seinen Satzungen war. Was ist der Unterschied zwischen Geboten und Satzungen? Das hebräische Wort für Gebote (mit Zawort) meint Befehle. Ziwa bedeutet „befehlen“, also eher Befehl. Ziwa und Zawort bedeuten Gebot beziehungsweise Gebote. Diese Gebote sind wirklich Befehle, das, was Gott in seinem Wort ausdrücklich befiehlt.
Es lohnt sich zum Beispiel beim Lesen der Briefe im Neuen Testament, die direkten Befehle speziell zu kennzeichnen. Dort findet man Hunderte von neutestamentlichen, konkreten Geboten, die Gott ausdrücklich so sagt und nicht anders.
Dann gibt es noch die Satzungen. Das hebräische Wort für Satzung bedeutet eigentlich „Eingegrabenes“. Es bezeichnet Grundsätze, die Gott festgelegt hat und die einfach so sind, weil Gott es so gewollt hat. Man kann sich fragen, warum nicht anders? Es sind Satzungen. Gott legt fest, wie es sein soll, und das gilt.
Esra hat also beides gelehrt: die Gebote des Herrn und seine Satzungen für Israel.
Im Zusammenhang mit dem Lebensmotto von Esra, das in Esra 7,10 zu finden ist, sei noch ein Hinweis gegeben. Schlagen wir Jesaja 52,13 auf. Dort beginnt die wunderbare Prophetie über den leidenden Messias. Gott spricht: „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln. Er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein.“
Gott weist hier auf seinen Sohn hin, der die Gestalt eines Knechts angenommen hat – „siehe, mein Knecht“. Er fordert uns auf, ihn zu betrachten. Es wird gesagt, dass er „einsichtig handeln“ wird. Dies ist eine Zusammenfassung des gesamten Lebens des Herrn Jesus.
Das Wort „einsichtig handeln“ heißt auf Hebräisch „hiskil“. „Hiskil“ hat drei grundlegende Bedeutungen, die ich hier aufgeschrieben habe: Erstens „verständig sein“, zweitens „verständig handeln“ und drittens „verständig machen“.
Man kann also übersetzen: „Siehe, mein Knecht wird verständig sein.“ Aber auch: „Siehe, mein Knecht wird verständig handeln.“ Oder: „Siehe, mein Knecht wird verständig machen.“ All dies hat der Herr Jesus in seinem Leben ausgeführt.
Er war verständig. Schon mit zwölf Jahren staunten die Schriftgelehrten in Jerusalem. Jesus, der Zwölfjährige, war im Tempel inmitten der Schriftgelehrten. Lukas 2 berichtet, dass sie ihn befragten – was ungewöhnlich ist.
Er war am Passahfest dort, und am Passahfest konnte man sich auf dem „Cheil“ versammeln, das ist eine Terrasse. Wenn man heute den Tempelplatz besucht, mit der Al-Aqsa-Moschee im Rücken, geht man in Richtung Felsendom. Dieser steht genau dort, wo früher das Tempelhaus war.
Es gibt dort eine Treppe, die hinaufführt. Wenn man diese Treppe hinaufgeht, befindet man sich auf dem Niveau des Cheil. Gerade wenn man sich links hält, entsprechen die Quadratmeter dort der Terrasse, wo an Festtagen, am Sabbat oder zu Festen wie Passah, Wochenfest oder Sukkot (Laubhüttenfest) die großen Lehrer Israels vom Sanhedrin zusammenkamen.
Sie beantworteten dort Fragen des Volkes. Jeder durfte biblische Fragen stellen. Doch Lukas 2 berichtet, dass diese Lehrer den zwölfjährigen Jesus befragten. Das war ungewöhnlich.
Jesus überzeugte sie so sehr, dass sie aus seinen Fragen erkannten: Wie ist das möglich? Keiner stellt solche Fragen. Daraufhin begannen sie, ihn zu befragen. Dabei stellten sie fest, dass niemand solche Antworten geben kann. Sie waren außer sich vor Staunen.
Der Herr Jesus war als Mensch verständig. Er studierte das Wort Gottes, lebte danach und unterwies andere. Dies finden wir im Kern auch bei Esra wieder.
Jetzt wenden wir uns weiter dem Brief von Artaxerxes zu. Es handelt sich dabei um einen Empfehlungsbrief, der es Esra ermöglichte, ins Land seiner Vorfahren zurückzukehren. Der König gibt darin ganz bestimmte Anweisungen, die bemerkenswert sind. Esra zitiert hier wörtlich aus diesem Dokument des Königs.
Ab Esra 7,12 wechselt in der hebräischen Bibel die Sprache. Was wir bisher betrachtet haben, nämlich Esra 7,1-11, ist in Hebräisch verfasst. Ab Vers 12 wird der Text jedoch in Aramäisch geschrieben, und zwar in genau dem Dialekt jener Zeit. Esra gibt also den Brief des Königs wortwörtlich wieder. Dieser aramäische Abschnitt erstreckt sich bis Vers 26. Ab Vers 27 wechselt Esra in seinem Gebet wieder zurück ins Hebräische.
Einen solchen Sprachwechsel findet man auch schon früher im Buch Esra, nämlich in Esra 4,8. Dort wird ebenfalls ein Brief zitiert, ein Originaldokument, das auf Aramäisch verfasst ist. Danach bleibt das Buch Esra bis Kapitel 6, Vers 18 in Aramäisch und wechselt dann erneut ins Hebräische.
Wenn man die hebräischen und aramäischen Teile von Esra zusammenstellt, erkennt man dieses Muster deutlich. Außerdem gibt es noch einen Vers im Buch Jeremia, den ich ebenfalls erwähnen möchte: Jeremia 10,11. Diesen Vers hat Jeremia auf Aramäisch niedergeschrieben. Er gab ihn den Juden mit, als sie in die babylonische Gefangenschaft gingen. Damals war Aramäisch die Verständigungssprache, nicht Englisch, wie heute. So konnten sie gleich einen Satz auf Aramäisch sprechen, bevor sie die Sprache vollständig gelernt hatten.
Dort heißt es: „So sollt ihr zu ihnen sprechen: Die Götter, die den Himmel und die Erde nicht gemacht haben, diese werden von der Erde und unter diesem Himmel verschwinden.“ Die Juden sollten also, als sie nach Babylon kamen, wo Marduk, der Stadtgott von Babylon, und viele andere babylonische Götter verehrt wurden, gleich erklären, dass eine Zeit kommen wird, in der all diese Götter verschwinden.
Deshalb ist dieser Vers auf Aramäisch verfasst.
Weiterhin ist zu sagen, dass im Buch Daniel von Kapitel 2, Vers 4 bis zum Ende von Kapitel 7 ebenfalls Aramäisch verwendet wird. Genauer gesagt ab der Stelle, wo die Beamten des Königs Nebukadnezar ansprechen, und es heißt dort auf Aramäisch. Danach folgt ein Wechsel der Sprache.
In diesen Kapiteln finden sich Prophezeiungen, die nicht nur für Israel, sondern auch für die Heidenvölker von Bedeutung sind. Daher ist dieser Abschnitt in Aramäisch verfasst, damit die Heiden damals diese prophetischen Aussagen über die Weltreiche verstehen konnten.
Das zeigt, wie wichtig biblische Prophetie ist. Sie ist nicht nur ein Thema für Gläubige, sondern von großer Bedeutung für die Verkündigung des Evangeliums. Außerdem unterstreicht es die Glaubwürdigkeit der Bibel, denn nur Gott kann durch die Bibel die Zukunft fehlerfrei voraussagen.
Also, das war ein kleiner Exkurs zum Aramäischen. Ab jetzt lese ich aus dem Brief:
Ezra 7,12: „Da saß der König der Könige an Ezra, den Priester, den vollkommenen Schriftgelehrten im Gesetz des Gottes des Himmels.“
Nun: Von mir wird Befehl gegeben, dass jeder in meinem Reich vom Volk Israel und seinen Priestern und den Leviten, der bereitwillig ist, nach Jerusalem zu ziehen, mit dir ziehen mag. Denn du wirst vom König und seinen sieben Räten gesandt.
Also: Unter dem König gab es nicht sieben Bundesräte, aber sieben Räte, die sich einbrachten. Sie haben Ezra gesandt, um eine Untersuchung über Juda und Jerusalem anzustellen, nach dem Gesetz deines Gottes, das in deiner Hand ist. Das ist ja unglaublich!
Gott hat das Herz von Artaxerxes und den sieben Räten so gelenkt, dass Ezra zurückkehren soll. Er soll bei den bereits zurückgekehrten in Juda und Jerusalem anhand der Bibel untersuchen: Wie steht es eigentlich? Wird das Gesetz umgesetzt oder nicht? Er sollte also eine Analyse durchführen.
Das ist etwas Ähnliches wie Offenbarung 2 und 3. Dort sagt Jesus, dass er inmitten der sieben goldenen Leuchter wandelt, den sieben Gemeinden. Er betrachtet jede Gemeinde – Ephesus, Smyrna, Pergamos, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea – und beurteilt sie mit seinen Augen, die in Kapitel 1 der Offenbarung als Augen von Feuerflammen beschrieben werden.
Dem Herrn Jesus entgeht nichts in einer Gemeinde, was nicht stimmt. Aber wo es möglich ist, sagt er immer zuerst das Gute, das er sieht, und dann korrigiert er das, was nicht gut ist.
Ezra sollte also anhand der Bibel beurteilen, wie es um die geistliche Situation im Volk Gottes steht. Das war sein Auftrag.
Ich habe hier auf dem Blatt zusammengestellt: Esras königliche Aufträge.
Untersuchung Judas und Jerusalems anhand der Bibel (7,14). Er bekam den Auftrag, einen riesigen Gold- und Silbertransport durchzuführen. Der persische König sagt, dieses Gold soll für den Tempeldienst in Jerusalem eingesetzt werden. Unglaublich!
Woran liegt das, dass er ein solches Interesse hatte? Er wollte, dass man in Israel – damals eine Provinz im medopersischen Weltreich – für ihn betet. Das war ihm so viel wert, dass er einen enormen finanziellen Einsatz für die Juden leistete.
Es war ihm ein großes Anliegen, dass sie zu dem Gott des Himmels beten, den er übrigens auch nennt – den Gott Jerusalems (Vers 19). Er hebt den Namen Gottes in seiner Bibel besonders hervor: den Gott Jerusalems.
Er wollte, dass der Gott des Himmels, das heißt der Gott, der über alles regiert – nicht nur über Jerusalem –, die Stadt Jerusalem ganz besonders am Herzen hat. Darum nennt er ihn auch den Gott Jerusalems (Vers 12).
Dann wird Ezra weiter aufgetragen, Opfertiere für die Anbetung zu kaufen. Außerdem soll er Tempelgeräte mitnehmen und nach Jerusalem bringen (Transport, 7,19). Schließlich soll er Richter einsetzen, also Männer, die nach der Bibel Recht sprechen im Volk Israel und erklären, was Gottes Wille nach der Bibel ist.
Und schlussendlich bekam er auch noch den Auftrag (Vers 25): „Du aber, Ezra, bestelle nach der Weisheit deines Gottes, die bei dir ist, Richter und Rechtspfleger, die das ganze Volk richten sollen, das jenseits des Stromes ist“ – das heißt jenseits des Euphrat –, „alle, die die Gesetze deines Gottes kennen, und dem, der sie nicht kennt, sollt ihr sie kundtun.“
Er hat also per königlichem Dekret den Auftrag erhalten, das Gesetz zu lehren – und zwar für solche, die die Bibel kennen, und für solche, die sie nicht kennen.
All diese Aufträge hat Ezra treu erfüllt.
Nun noch eine besondere Perle in Ezra 7, Vers 28: In diesem Brief schreibt der König: „Und was dir und deinen Brüdern gut erscheint, mit dem übrigen Silber und Gold zu tun, das mögt ihr nach dem Willen eures Gottes tun.“
Er gab also ganz viel Gold und Silber für den Gottesdienst. Aber er dachte wohl, dass es mehr ist, als sie brauchen. Was sollte mit dem Rest geschehen? Da sagt er: Da könnt ihr machen, was ihr wollt. Aber – und das ist wichtig – „das mögt ihr nach dem Willen eures Gottes tun.“
Haben wir uns gemerkt: Das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Er sagt: „Was dir und deinen Brüdern gut erscheint, mit dem übrigen Silber und Gold zu tun, das mögt ihr tun.“ Aber er fügt hinzu: „Nach dem Willen eures Gottes.“
Ja, was jetzt? Gemäß dem Willen Gottes oder das, was er für gut findet? Wir denken, das ist irgendwie ein Gegensatz. Eigentlich sollte es kein Gegensatz sein.
Schauen wir mal in Apostelgeschichte 15. Dort ging es um eine Lehrfrage, die unbedingt entschieden werden musste: Was ist richtig, was ist Wahrheit? Es war eine lange Auseinandersetzung mit Zwiespalt, massivem Wortwechsel, sogar Streit, bis die Frage geklärt war.
Als sie geklärt war, wurde das in einem Brief festgehalten. Dort steht in Apostelgeschichte 15, Vers 28: „Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut erschienen, keine größere Last auf euch zu legen als diese notwendigen Dinge.“
Die Apostel zusammen mit den Ältesten von Jerusalem kamen wirklich zur einmütigen Übereinstimmung, was Gott will. Es wird hier gesagt: Es hat dem Heiligen Geist gut gefallen. Aber es heißt auch „und uns!“ Das heißt, der Wille Gottes entsprach genau auch dem Willen dieser Brüder.
Das ist doch wunderschön!
Dazu noch eine Stelle aus 1. Chronik 13, Vers 2. Das hat auch Ezra einmal geschrieben. Dort beschreibt Ezra den König David und sagt: „Und David sprach zu der ganzen Versammlung Israels: Wenn ihr es für gut haltet und wenn es von dem Herrn, unserem Gott, ist, so lasst uns überall umhersenden zu unseren übrigen Brüdern in allen Landen Israels und mit ihnen …“
Also: „Wenn ihr es für gut haltet“ und zweitens „wenn es vom Herrn ist.“
Auch hier zeigt sich die Übereinstimmung: Der Wille des Menschen entspricht dem, was der Wille Gottes ist. Aber das braucht Hingabe und Liebe zum Herrn.
Und jetzt noch eine Stelle aus 1. Korinther 7, dem Kapitel über Heiraten, Ehelosigkeit, Ehescheidung, Witwenschaft und Wiederheirat. Die Korinther hatten viele Fragen, ganz konkrete Fragen. Sie haben dem Apostel Paulus einen Brief geschrieben. Er sagt in Kapitel 7: „Was aber das betrifft, wovon ihr mir geschrieben habt.“ Und er gibt Antworten auf diese konkreten Fragen.
Ganz am Schluss, in Vers 39, wird ein Thema behandelt: Eine Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt. Natürlich gilt das auch umgekehrt, wie es in Römer 7 heißt – die Ehe gilt bis zum Tod. Eine Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt. Wenn aber der Mann entschlafen ist, so ist sie frei, sich zu verheiraten, mit wem sie will.
Hier wird klargemacht: Wenn ein Ehepartner stirbt, dann ist die Ehe vor Gott beendet. Grundsätzlich ist dann eine Wiederverheiratung möglich.
Ich habe gerade hinter mir ein Wochenende mit Witwen – oder besser gesagt, mit Witwern. Man hat ja im Allgemeinen viel mehr zu tun mit Witwen, also Frauen, die ihren Mann verloren haben. Es gibt weniger Männer, die alleine sind, weil die Frau gestorben ist. Aber ich wurde in Bordeaux von einem älteren Bruder abgeholt, der seit zehn Jahren verfrüht, würde ich sagen, Witwer geworden ist. Er hat mir die ganze Zeit von seiner Frau erzählt und mir ihre wunderbaren Bilder an der Wand gezeigt. Das hat mich sehr interessiert. Es war nicht so, dass ich einfach nur zuhören musste. Es war der erste Abend mit einem Witwer zusammen, und er erzählte mir aus seinem Leben.
Dann haben wir von Bordeaux nach La Rochelle zwei Stunden Autofahrt gemacht. Er erzählte und erzählte, sodass mir nie langweilig wurde. Was erzählte er mir? Ja, über ganz vieles, aber ständig darüber. Da sieht man, wie schwer das ist.
In La Rochelle wurde ich bei einem alten Freund einquartiert, den ich seit Jahrzehnten kenne. Er hat ebenfalls vorzeitig seine Frau verloren. Er kochte fast so gut wie seine Frau – das will in Frankreich etwas heißen. Ich habe ihn sehr gelobt, aber ich habe auch miterlebt, was das für ein Leiden ist, und das seit Jahren.
Das Wort Gottes sagt grundsätzlich: Man ist dann frei. Das heißt, von der Witwe heißt es, sie sei frei, sich zu verheiraten, mit wem sie will. Man könnte denken, es sei egal mit wem, aber so ist es nicht. Es heißt nämlich nur: „im Herrn“.
Das ist kein Problem. Der Herr muss den Weg führen, der Herr muss den Weg zeigen. Aber das sollte auch dementsprechend dem entsprechen, was man selbst von Herzen wünscht und was einem Freude macht.
Ich weiß, in unserer Verwandtschaft war einmal eine junge Frau, die verlobt war. Die Brüder haben gemerkt, es geht ihr gar nicht gut. Sie haben sie richtiggestellt und aus ihr herausgeholt, bis sie gemerkt haben, dass es eine Fehlentscheidung war. Sie war so unglücklich, und das kann nicht der Weg sein.
Hier wird also klargemacht: „mit wem sie will“ – im Herrn.
Ich kann mich erinnern, als Teenager, als junger Teenager, habe ich mir Gedanken übers Heiraten gemacht. Dann wurde mir gesagt: „Tja, was ist, wenn der Herr von mir verlangt, eine Frau zu heiraten, die ich überhaupt nicht möchte?“ Man sagte mir, ich müsse gehorsam sein und tun, was der Herr will.
Das waren solche komischen Kämpfe im Glaubensleben, bis mir klar wurde: Es ist vollkommen falsch. Vor so etwas muss man nie Angst haben. Der Weg, den der Herr einem zeigt, entspricht auch dem, wozu man natürlicherweise Freude hat.
Wenn diese natürliche Freude nicht dabei ist, dann muss man Leute warnen – dann stimmt etwas nicht. Es muss eine Übereinstimmung sein: „An wen sie will“ – nur im Herrn, aber auch eine Übereinstimmung mit dem Herrn und seiner Führung.
Das war jetzt nur ein kleiner Exkurs aus einem Satz in dem Brief von Paulus.
Jetzt machen wir eine Pause. Eine Viertelstunde.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
Noch mehr Inhalte von Roger Liebi gibt es auf seiner Webseite unter rogerliebi.ch