Einführung in die Predigtserie und Lesung des Textes
Wir fahren heute Nachmittag mit unserer Serie über den Kolosserbrief weiter. Wir kommen zu Kapitel 2, ab Vers 1. Ich lese einmal die Verse 1 bis 15 vor. Das Wort Gottes ist das Wichtigste. Danach schauen wir uns die Verse einzeln an.
Ich möchte, dass ihr wisst, welchen großen Kampf ich um euch und die in Laodizea habe. Viele haben mein Angesicht im Fleisch nicht gesehen. Dennoch sollen ihre Herzen getröstet werden, vereinigt in Liebe und zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses.
Es geht um die Erkenntnis des Geheimnisses Gottes und des Vaters sowie des Christus. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.
Dies sage ich, damit euch niemand durch überredende Worte verführe. Denn wenn ich auch dem Fleisch nach abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch. Ich freue mich, wenn ich eure Ordnung sehe und die Festigkeit eures Glaubens an Christus.
Wie ihr nun den Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm. Seid gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt im Glauben, so wie ihr gelehrt worden seid. Seid überströmend darin mit Danksagung.
Gebt Acht, dass nicht jemand euch als Beute wegführt durch Philosophie und eitlen Betrug nach der Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt und nicht nach Christus.
Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig. Und ihr seid in ihm vollendet, der das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt ist.
Ihr seid auch beschnitten worden, und zwar mit einer nicht mit Händen geschehenen Beschneidung. Diese besteht im Ausziehen des Leibes der Sünden des Fleisches, in der Beschneidung des Christus.
Mit ihm seid ihr begraben in der Taufe. Dabei seid ihr auch mit auferweckt worden durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat.
Euch hat er, als ihr tot wart in den Vergehungen und der Vorhaut eures Fleisches, mit ihm mitlebendig gemacht. Er hat uns alle Vergehungen vergeben, als er die uns entgegenstehende Handschrift auslöschte.
Diese Handschrift war in Satzungen, die gegen uns waren. Er hat sie aus der Mitte weggenommen und an das Kreuz genagelt.
Als er die Fürstentümer und die Gewalten ausgezogen hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau. Durch dasselbe hielt er über sie einen Triumph.
(Kolosser 2,1-15)Historischer Kontext und Hintergrund des Kolosserbriefes
Zunächst haben wir bereits gesehen, dass der Kolosserbrief von Paulus aus der Gefangenschaft in Rom geschrieben wurde. Dies geschah am Ende der zwei Jahre, die am Schluss der Apostelgeschichte beschrieben werden.
Diese Zeit war kurz bevor Paulus schließlich wieder freigelassen wurde, weil die Ankläger aus Israel nicht vor dem höchsten kaiserlichen Gericht erschienen waren. Von diesen zwei vollen Jahren spricht der Schluss von Apostelgeschichte 28, dem Ende des Buches.
In dieser Schlusszeit seiner Gefangenschaft hat Paulus erfahren, dass die Kolosser Besuch von Irrlehren hatten. Deshalb musste er diesen Brief schreiben, um sie zu warnen.
Es handelte sich um eine Irrlehre, die eine Mischung aus jüdischer Gesetzlichkeit und gnostischer Philosophie war – also eine ganz eigenartige Kombination.
Paulus’ Umgang mit der Irrlehre und die Betonung der Wahrheit
Und wie macht das der Apostel Paulus? Er schreibt eigentlich mehr über die Wahrheit als über den Irrtum.
So stellt er im ersten Kapitel, wie wir gesehen haben, die überwältigende Herrlichkeit, Majestät und Größe des Sohnes Gottes vor. Das ist genau so wie bei Kleinkindern: Wenn man sie in einer Situation erwischt, in der sie etwas ganz Gefährliches in der Hand haben, muss man sehr beherrscht reagieren. Wenn man plötzlich außer sich gerät und die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, kann gerade etwas passieren.
Wie bringt man sie davon weg? Man muss ihnen etwas Besseres geben. Dann lassen sie das Gefährliche los und nehmen das Bessere an.
Genauso geht der Apostel Paulus vor. Er zeigt, was wir in Christus haben. Es braucht keine Stufenentwicklung, bei der man langsam immer höher kommt. Er zeigt, dass Jesus das Höchste ist, was es gibt, und dass ihr in ihm vollendet seid.
Das sagt er in Kapitel zwei, Vers zehn: „Und ihr seid vollendet in ihm.“ Das bedeutet, dass ihr keine weitere Entwicklung, keine zweite oder dritte Erfahrung braucht. Nein, ihr habt bereits durch den Glauben alles bekommen.
So geht ihr auf ganz wunderbare Art und Weise vor.
Aufbau und Gliederung des Kolosserbriefes
Ich habe den Plan für den Aufbau des Kolosserbriefes noch einmal auf dem Skript aufgeführt. Diejenigen, die über den Livestream zugeschaltet sind, können das links unter meinem Tisch anklicken, herunterladen und ausdrucken. So seid ihr voll dabei – und das ganz ohne Maske und ohne Beschränkungen, wie wir sie in der Schweiz haben. Für die aus Deutschland sind wir also völlig frei.
Ich erkläre noch einmal ganz kurz: Der Kolosserbrief besteht aus zwei Teilen. Kapitel 1 bis 2 bilden den ersten Teil, Kapitel 3 bis 4 den zweiten.
Im ersten Teil geht es um die Lehre von der Erhabenheit des Sohnes Gottes. Nach der wunderbaren Begrüßung, die mehr ist als nur ein einfaches Hallo, hat das, was dort gesagt wird, Bedeutung für das ganze Leben. Danach folgt ein Gebet, in dem Paulus für die Kolosser dankt. Bevor er nämlich sagt, dass die Kolosser in Gefahr sind, drückt er erst seine Dankbarkeit für all das aus, wofür er dankbar sein kann.
Dann folgt ein weiteres Gebet. Der Dank ist also in ein Gebet hineingefasst, gefolgt von der Bitte um geistliches Wachstum der Kolosser. Er sagt nicht, dass es um Korrektur geht, sondern um ein geistliches, gesundes Wachstum – eben in die richtige Richtung, nicht in die falsche.
Anschließend spricht Paulus über die Erhabenheit Christi als Gott und Mensch. Daran fügt er eine Beschreibung seines Dienstes als Apostel an. Dabei entfaltet er eines der acht Geheimnisse aus den Paulusbriefen. Es gibt acht Geheimnisse, und hier erläutert er das Geheimnis „Christus in euch“. Dieses Thema haben wir beim letzten Mal behandelt.
Die Beschreibung seines Dienstes führt vom Schluss von Kapitel 1 direkt in Kapitel 2 über. Man muss immer bedenken, dass es im Grundtext keine Kapiteleinteilung und auch keine Verseinteilung gab. Diese wurden erst im Mittelalter hinzugefügt. Sie sind zwar eine gute Hilfe zur Orientierung, bergen aber die Gefahr, dass man nur noch in Kapiteln denkt und den Übergang von einem Kapitel zum nächsten nicht mehr wahrnimmt.
Daher ist es wichtig zu wissen: Am Ende von Kapitel 1 spricht Paulus über seinen Dienst in Verbindung mit den Geheimnissen Gottes, die er verkündigen soll. Das setzt sich in Kapitel 2 fort, wo er sagt, dass es für ihn als Apostel ein richtiger Kampf ist.
Dabei geht es ihm nicht einfach um die Gläubigen pauschal, sondern um jeden Einzelnen. Sein Anliegen ist, dass jeder diese Geheimnisse Gottes kennenlernt und darin verwurzelt wird. Denn die Kenntnis der Geheimnisse Gottes ist ein Schutz für ihr Leben.
Beginn des Kampfes für die gesunde Lehre
Und darum beginnt es dann in Vers 1, denn ich will, dass ihr wisst, welchen großen Kampf ich um euch und die in Laodizea habe – und so viele, die mein Angesicht im Fleisch nicht gesehen haben.
Also kämpft er nicht nur für die Gläubigen in Kolossä, sondern er spricht auch von denen in Laodizea und an anderen Orten. Dabei ist er sehr taktvoll. Der Apostel Paulus sagt nicht: „Ihr seid meine Problemkinder in Kolossä.“ Stattdessen sagt er: „Nein, ich habe ein riesiges Anliegen für die Gläubigen bei euch und auch anderswo.“ Es ist ein Kampf darum, dass sie in der Wahrheit verwurzelt werden.
Dann fügt Paulus in den weiteren Versen, Kapitel 2, Verse 4 bis 23 – so steht es im Skript – eine Widerlegung der Irrlehre in Kolossä an. Das zieht sich bis zum Schluss von Kapitel 2. So weit kommen wir heute natürlich nicht.
Nochmals zur Übersicht: Danach folgt der zweite Teil, Kapitel 3 und 4. Dieser ist überschrieben mit „Praktische Konsequenzen der Lehre“. Immer steht am Anfang die Lehre, dann die Praxis. Das ist sehr wichtig, denn es gibt eigentlich nichts, was Menschen tun, ohne dass eine Theorie im Hintergrund steht. Es kann sein, dass man von der Theorie nichts weiß, aber irgendwie ist sie schon verinnerlicht.
Bedeutung von Lehre und Praxis im Glauben
Ich habe das einmal so erlebt, während meines Studiums am Konservatorium in Zürich. Dort hieß es, man müsse einen Kurs in Eutonie besuchen. Das ist eine Entspannungslehre, ähnlich wie Yoga. Das wollte ich natürlich nicht mitmachen, aber ich hatte die Überzeugung, dass ich die obligatorischen Stunden besuchen muss. Also bin ich hingegangen.
Gleich zu Beginn sagte die Dozentin, wir sollten uns alle auf Matten legen. Daraufhin bin ich zu ihr gegangen und habe gesagt, dass ich eigentlich nicht mitmachen möchte. Sie fragte: „Warum sind Sie denn gekommen?“ Ich antwortete: „Ich muss kommen.“ Daraufhin sagte sie: „Entweder machen Sie mit oder Sie gehen.“ Also bin ich gegangen.
Ich wollte aber noch etwas sagen. Die Dozentin meinte daraufhin, sie habe mit dem ideologischen Hintergrund von Eutonie ein Problem. Sie behauptete, es gebe keine Lehre, keine Ideologie dahinter, es sei nur Praxis. Ich widersprach: Jede Praxis hat eine Lehre. Natürlich gibt es eine Ideologie dahinter. Auch hinter Yoga steckt eine Religion. Das kann man nicht einfach voneinander trennen.
Genauso ist es auch im Glauben. Zuerst brauchen wir die Lehre, und dann kommt die Praxis. Man kann sagen: „Ja, es gibt Orte, die haben die Lehre, aber die Praxis ist nicht in Ordnung.“ Das gibt es natürlich immer wieder. Aber wenn die Lehre stimmt, kann man die Praxis korrigieren. Wenn die Lehre nicht stimmt, kann man auch die Praxis nicht korrigieren.
Wenn die Lehre stimmt, kann man sagen: „Eigentlich ist das falsch, das ist falsch und das ist auch falsch.“ Und das müssten wir korrigieren. Deshalb kommt zuerst die Lehre, und dann in Kapitel drei und vier die Praxis.
Schauen wir uns den Übergang an, von Kapitel zwei am Schluss, wo die Lehre endet, zu Kapitel drei, Vers eins mit dem praktischen Teil:
„Wenn ihr nun mit Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.“
Hier folgen Befehle, einer nach dem anderen: „Sucht, was droben ist“ (Vers 1), „sinnt auf das, was droben ist“ (Vers 2), „tötet nun eure Glieder“ (Vers 5), „legt auch ihr das alles ab“ (Vers 8) und so weiter.
Das sind ganz konkrete Anweisungen. In Vers 1 sieht man das kleine Wörtchen „nun“. Das ist die Schlussfolgerung aus der Lehre in den Kapiteln 1 und 2. Die Lehre hat immer Auswirkungen und Konsequenzen für die Praxis. Das darf man nicht voneinander trennen.
Lehre und Praxis gehören vollständig zusammen. Es wäre so, als würde man den Kolosserbrief in zwei Teile schneiden und sagen: „Wir brauchen nur Kapitel drei und vier.“ Das geht gar nicht!
Vergleich mit anderen Paulusbriefen zur Struktur von Lehre und Praxis
Sehen wir uns dieses Prinzip am Epheserbrief an, um es zu illustrieren. Der Brief wurde am Ende der zweijährigen Gefangenschaft in Rom geschrieben. Dort finden wir die Lehre in den Kapiteln 1 bis 3 und die Praxis in den Kapiteln 4 bis 6.
Der Übergang ist deutlich in Epheser 4,1 zu erkennen: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid.“ Dieses Wort ist die Schlussfolgerung aus Epheser 1 bis 3. Es zeigt, dass diese Lehre für das praktische Verhalten der Christen notwendig ist.
Er sagt, daraus folgt, dass ihr auch würdig leben sollt, entsprechend der Berufung Gottes, wie sie in den Kapiteln 1 bis 3 erhaben beschrieben ist.
Ein weiteres Beispiel ist der Römerbrief. Er besteht aus zwei Teilen: Römer 1 bis 11 und Römer 12 bis 16. Nach der Lehre in Römer 1 bis 11 folgt die Praxis, die in Kapitel 12, Vers 1, beginnt: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmung Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer.“
Im weiteren Verlauf folgen praktische Anweisungen, ein Kapitel voller neutestamentlicher Gebote. Diese Praxis ist aber die Folge dessen, was in Römer 1 bis 11 gelehrt wurde. Dieses Wissen ist Voraussetzung, um die Kraft und Freude zu haben, diesen Weg in der Praxis zu gehen.
Auch hier fällt das kleine Wort „nun“ auf. Solche kleine Wörter sind keineswegs nebensächlich. Ich nenne sie Strukturwörter, weil sie den Textverlauf strukturieren – linguistisch gesehen. Sie sind sehr bedeutsam und helfen uns, den Aufbau eines Bibelbuches besser zu verstehen.
Beginn der Betrachtung von Kolosser 2, Vers 1
Jetzt kommen wir zu Kapitel 2, Vers 1. Zu jedem Vers habe ich auf dem Skript eine kurze Bemerkung notiert.
Ich wiederhole: Paulus führte einen Kampf um die gläubigen Kolosser, in Laodizea und um alle Gläubigen dort. Das war für ihn nicht einfach eine Frage der Ansicht, sondern es war ihm ganz wichtig, dass die Kolosser in der gesunden Lehre der Apostel verankert waren.
Das Christentum begann im Jahr 32, an Pfingsten. In Apostelgeschichte 2 befinden wir uns im Jahr 62, also etwa dreißig Jahre nach dem Beginn des Christentums. Dort lesen wir an Pfingsten in Apostelgeschichte 2,42: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.“
Vier Punkte werden hier als Kennzeichen der Gemeinde genannt. Die Gemeinde ist Gottes Tempel, Gottes Stiftshütte. Im Stiftszeltbauplan in 2. Mose 25-40 ist das Heiligtum, das Allerheiligste, aufgebaut aus Brettern, die mit Gold überzogen sind und auf Sockeln aus Silber stehen.
Jedes dieser Bretter stellt einen Gläubigen dar, als Bauteil des Tempels Gottes, der Gemeinde. Es gibt vier sichtbare Riegel, die die Bretter miteinander verbinden, und einen verborgenen Riegel in der Mitte.
Die vier sichtbaren Riegel entsprechen Apostelgeschichte 2,42: „Sie verharrten in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.“ Diese vier Punkte halten die Gläubigen praktisch zusammen.
Der verborgene Riegel ist das, was wir zuletzt in Kolosser 1,27 besprochen haben: „Welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen, das ist Christus in euch.“ Das sieht niemand in dieser Welt.
Aber man sieht, wenn wir in der Lehre verharren, wenn wir das Brotbrechen, den Tod des Herrn, regelmäßig verkündigen, wenn wir Gemeinschaft untereinander haben – und dazu gehört übrigens auch das gemeinsame Essen.
Wir hatten jetzt eine Durststrecke, besser gesagt eine Hungersnot, aber im Judasbrief wird das gemeinsame Essen der Gläubigen als Liebesmahl bezeichnet. Das war etwas ganz Wichtiges in der christlichen Gemeinschaft.
Die Gläubigen essen zusammen, so wie wir es heute gemacht haben, ohne Abstand. Alle haben Freude am Essen und noch mehr aneinander. Sie haben Gemeinschaft und Austausch. Das ist etwas sehr Wichtiges.
Bedeutung des Liebesmahls und des Wortes „Agape“
Und das Wort Liebesmahl – weiß jemand, wie das auf Griechisch heißt? Wieso weißt du das? Ah, natürlich, auf Italienisch sagt man Liebesmahl „Agape“. Und auf Französisch? „Agap“.
Das Wort Agape ist griechisch und bezeichnet im Neuen Testament die Liebe. Lange Zeit ging man in der Forschung, insbesondere in der griechischen Philologie, davon aus, dass dieses Wort eine Erfindung aus dem Judentum sei. Das lag daran, dass man in der säkularen griechischen Literatur das Wort nicht finden konnte.
Im Neuen Testament steht Agape für die Liebe Gottes. Gott ist Liebe, heißt es: „Ho Theos agape estin“ – Gott ist Liebe. Später fand man jedoch doch Belege für das Wort im Griechischen. Man erkannte, dass es nicht eine jüdische Erfindung ist, denn in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, kommt das Wort bereits vor – beziehungsweise das Verb „agapao“, das lieben bedeutet, ist sehr dominant im Neuen Testament.
Das Wort war also schon vorhanden, wurde aber nur wenig verwendet. Dadurch war es ein neutrales Wort. Genau dieses neutrale Wort wählte der Heilige Geist. In 1. Korinther 2 lesen wir, dass der Heilige Geist die Bibelschreiber in den Worten unterwies, die sie wählen sollten. So wurde Agape zum Hauptwort im Neuen Testament, um die Liebe Gottes zu bezeichnen – das Wesen Gottes, so wie Gott ist.
Agape bezeichnet eine Liebe, die auch fähig ist, Feinde zu lieben, die nicht liebenswürdig sind, und dennoch das Höchste für sie zu geben. Zum Beispiel in Johannes 3,16: „So sehr hat Gott die Welt geliebt“ – hier wird das Verb „agapao“ verwendet –, „dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“
Im Griechischen gibt es auch andere Wörter für Liebe, zum Beispiel „eros“. Wie oft findet man „eros“ im Neuen Testament? Null, wirklich null! Es gab mehrere Wörter im Griechischen für Liebe: „philia“ bezeichnet freundschaftliche Liebe, die aus Sympathie entsteht. „Eros“ steht für eine andere Form der Liebe, „storge“ beschreibt die besondere Liebe zwischen Eltern und Kindern.
Dann gibt es noch die negative Form „a-“ (ohne), die natürliche Liebe bezeichnet. Diese wird zum Beispiel in Römer 1 verwendet. So gibt es verschiedene Wörter für Liebe, und „eros“ ist eines davon. Es umfasst eine Bandbreite von Liebe im positiven Sinn bis hin zu Perversion. Doch dieses Wort war belastet.
Deshalb hat der Heilige Geist „eros“ nicht verwendet, sondern ein Wort gewählt, das unbelastet war: Agape. Dieses Wort wurde mit der Botschaft über das Wesen Gottes gefüllt – mit der Agape.
Die Bedeutung der Gemeinde und der Kampf um die Kolosser
Und der langen Rede kurzer Sinn: Dieses Liebesmal im Judasbrief wird Agape genannt, weil hier genau diese Liebe Gottes auf eine ganz besondere Weise zum Ausdruck kommt.
Deshalb ist es wichtig, dass die Gemeinde, wenn keine Pandemie herrscht, diese Gelegenheit nutzt und gemeinsam Liebesmahle feiert.
Wir haben nun gesehen, dass Paulus für die Gemeinde in Koloss kämpft und auch für die in der Nachbargemeinde Laodizea. Diese Gemeinden lagen in der Provinz Asia, die in ihrer Größe mit der Schweiz vergleichbar ist. In der heutigen Westtürkei befanden sich diese Gemeinden, die wir auch aus Offenbarung 2 und 3 kennen: Ephesus, Smyrna, Pergamos, Theatira, Sardes, Philadelphia, Laodizea sowie Colossae und Hierapolis. Die Gemeinde in Hierapolis wird ebenfalls in Kolosser 1,3 erwähnt. Insgesamt habe ich hier neun Gemeinden aus diesem Gebiet genannt.
Paulus sagt nun, dass er für euch in Koloss kämpft, dann auch für die in Laodizea und darüber hinaus.
Doch was ist das Ziel dieses Kampfes? Beim Lesen muss man auf die Strukturwörter achten. Der Satz geht weiter mit dem Wort „damit“. Dieses Wort zeigt, was das Ziel des Kampfes ist, der in Vers 1 erwähnt wird.
Ich habe dies hier auf dem Blatt aufgefächert. Das kann helfen und ist nur eine Anregung, wenn man die Bibel liest, besonders das Neue Testament. Man kann manchmal wie bei einer Grafik vorgehen und die langen, verschachtelten Sätze so aufgliedern.
Dann folgt das „und“ und man kann, wie ich es hier gemacht habe, erstens, zweitens und drittens herausarbeiten.
Ziele des Kampfes um die Gläubigen
Das Ziel des Kampfes ist, dass ihre Herzen getröstet werden. Er kämpft also dafür, dass die Kolosser die wahre biblische Lehre haben. Dies führt zu Trost im Herzen und verbindet die Gläubigen miteinander. Getröstete Herzen bringen Ruhe ins Leben beziehungsweise ins Herz und vereinen die Gläubigen in der Agape, in der Liebe.
Zweitens geht es darum, dass ihre Herzen getröstet werden, vereinigt in Liebe und zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses. Er kämpft also dafür, dass sie zu diesem Reichtum und zur vollen Gewissheit des Verständnisses gelangen.
Drittens nennt er als Ziel, dass sie zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, des Vaters, und des Christus gelangen. Das heißt, sie sollen zur vollen Erkenntnis gelangen. Im Griechischen steht hier „Epignosis“. „Gnosis“ bedeutet Wissen, aber die Vorsilbe „Epi-“ verstärkt dies, sodass man es mit „volle Erkenntnis“ übersetzen kann.
Hier steckt natürlich ein Wortspiel dahinter. Die Irrlehre in Kolossä war eine eigenartige Mischung aus jüdischer Gesetzlichkeit und griechischer gnostischer Philosophie. Die Gnostiker waren keine Organisation, sondern eine Bewegung, die dem Zeitgeist entsprach. Schon im ersten Jahrhundert schlichen sie sich in die Gemeinden ein. Im zweiten Jahrhundert breitete sich diese Bewegung noch stärker aus und wurde zu einer tödlichen Gefahr für alle Christen.
Die Gnosis-Bewegung und ihre Lehren
Das war eine Bewegung, die Gedankenanstöße aus der Philosophie von Platon und den Stoikern übernommen hat. Sie vermischten diese mit dem Christentum und nannten sich Gnosis, was Wissen bedeutet. Dabei verstanden sie unter Wissen nicht intellektuelles Wissen, sondern ein mystisches Wissen. Nur diejenigen, die wirklich dabei waren, konnten in diese höheren Sphären aufsteigen.
Sie sagten: Es ist in Ordnung, wenn ihr Gläubige geworden seid, ihr Kolosser, aber jetzt kommt die nächste Stufe. Ihr braucht eine zweite Erfahrung, eine dritte Erfahrung.
Im 1. Timotheusbrief, Kapitel 6, schreibt der Apostel Paulus etwa im Jahr 64, also zwei Jahre nach dem Kolosserbrief, an Timotheus, der damals in Ephesus war – das ist auch nicht weit von Kolosse entfernt. In 1. Timotheus 1 sagt Paulus: „Ich habe dich in Ephesus gelassen, damit du so und so …“ Und dann in Kapitel 6, Vers 20 heißt es: „O Timotheus, bewahre das anvertraute Gut!“ Damit meint er die gesunde biblische Lehre.
Man merkt die Inbrunst am Schluss des Briefes: „O Timotheus, bewahre das anvertraute Gut, indem du dich von den ungöttlichen Lehren, Geschwätz und Widersprüchen wegwendest.“ Widersprüche heißen hier: dagegen reden, „Nein, das ist nicht so, das ist anders.“
Mit „fälschlich so genannter Kenntnis“ ist Gnosis gemeint. Sie behaupteten, mystisches Wissen zu haben, das normale Christen nicht besitzen. Aber wenn sich Christen mit ihnen zusammentun, könnten sie dieses Wissen ebenfalls erlangen.
Paulus fordert Timotheus also auf, sich von dieser „fälschlich sogenannten Gnosis“ wegzuwenden. Das bedeutet, das Gute zu bewahren und sich von der Gnosis abzuwenden, zu der sich etliche bekennend vom Glauben abgeirrt haben.
Die Worte „Die Gnade sei mit dir. Amen.“ schließen den Brief ab. Hier steht „dem Glauben“ mit Artikel, was die Elberfelder Übersetzung immer wieder deutlich macht. Wo der Artikel fehlt, wäre „dem Glauben“ kleiner gedruckt, wie in der alten Elberfelder oder in der Elberfelder CSV (Höckiswagen).
Das große „dem Glauben“ meint speziell das Glaubensgut, also die Lehre der Bibel zusammen. Das ist das Glaubensgut. Es gibt auch Stellen, wo „Glaube“ ohne Artikel erwähnt wird. Dort ist es mehr das persönliche Vertrauen zu Gott und seinem Wort – Glauben im Sinn von Vertrauen Gott gegenüber.
Hier jedoch geht es darum, dass sich etliche zur Gnosis bekannt haben und dadurch vom biblischen Glaubensgut abgeirrt sind. Die Gnade sei mit dir. Amen.
Die Bedeutung des Glaubensguts und Warnung vor Irrlehren
Paulus sagt im ersten Kapitel des ersten Timotheusbriefes: „Ich habe dich in Ephesus gelassen“ und so weiter. Zunächst habe ich nichts weiter dazu gesagt, aber jetzt möchte ich doch noch etwas hinzufügen.
In Vers 3 heißt es: „So wie ich dich bat, als ich nach Mazedonien reiste, in Ephesus zu bleiben, damit du einigen gebietest, keine anderen Lehren zu lehren und dich nicht mit Mythen und endlosen Geschlechtsregistern abzugeben, die mehr Streitfragen hervorrufen, als die Verwaltung Gottes fördern, die im Glauben ist.“
Paulus musste also vor Ort sein, um den Leuten entgegenzutreten und klarzustellen, dass bestimmte Lehren in der Gemeinde nicht erlaubt sind. Er verbietet insbesondere andere Lehren und warnt vor Mythen. Diese Mythen sind religiöse Erfindungen. Auch die endlosen Geschlechtsregister sind problematisch. Dabei handelt es sich nicht um die Geschlechtsregister des Alten Testaments, die eine klare Begrenzung haben. In der Gnosis hingegen spielten Abstammungslinien von verschiedenen göttlichen Wesen, Geistern und Engeln eine große Rolle.
Die Gemeinde in Kolossä war mit solchen Leuten konfrontiert worden. Diese Personen kamen gerne zu Besuch und brachten die Gemeinde durcheinander. Paulus befand sich zu dieser Zeit im Gefängnis und konnte nicht persönlich dorthin gehen. Doch er konnte Briefe schreiben. Er hatte zwei Jahre lang eine Art „Lockdown“ in Rom, aber er bezeichnete dies als Gottes Gebundenheit. Während dieser Zeit konnte er Briefe verfassen.
Wenn ein „Lockdown“ herrscht, muss man sich überlegen, wie man das Wort Gottes auf andere Weise verbreiten kann. Heute haben wir viele Möglichkeiten, dies sehr effektiv zu tun.
Paulus schrieb also diesen Brief und erklärte das Anliegen, dass die Gläubigen zur vollen Erkenntnis gelangen sollten – nicht nur zur Gnosis, sondern zur Epignosis. Damit weist er die Gnosis zurück und zeigt die wahre Erkenntnis, die aus dem Wort Gottes stammt: dem Wort der Apostel, dem Geheimnis Gottes.
Die Bedeutung von vollem Verständnis und Gewissheit
Aber jetzt muss ich noch etwas zu Punkt zwei sagen. Er möchte also, dass sie zum Verständnis hinkommen, dass sie hingelangen zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses.
Wenn es um Verständnisfragen geht, wer erlebt das nicht in Hauskreisen oder in Gemeinden? Es wird etwas gesagt, und dann heißt es: Ja, kann man so sagen, aber man könnte es auch anders sehen. Okay. Und einer, der noch belesener ist, sagt: Ja, das ist nicht nur das oder das. Es gibt da etwa so üblicherweise sechs verschiedene Ansichten unter den evangelikalen Christen.
Man kann dann ganz genau eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs aufzählen und sagen: Ja, gut, also denke ich schon, dass es Ansicht zwei ist, aber ich könnte auch mit fünf leben. Das ist evangelischer Agnostizismus.
Der Agnostizismus in der Welt bedeutet, man kann nicht wissen, ob es Gott gibt. Das sind oft so Intellektuelle, die ein bisschen zurücklehnen, ziemlich entspannt sind und sagen: Ob es Gott gibt, das kann man nicht behaupten, aber auch nicht das Gegenteil. Ich bin ein Agnostiker. Das ist einfach nicht klar.
Und das macht gerade die Weisheit aus, dass man eben ganz kühl bleibt, auch wenn es überhaupt nicht klar ist. Viele Christen sind genauso. Es gibt auch solche, die hassen Klarheit aus dem Wort. Nein, es muss irgendwie so in der Schwebe bleiben.
Übrigens hat sich die Musik in den christlichen Kirchen genauso entwickelt. Wenn man denkt an einen Choral von Luther, der wieder zum Wort zurückfand, zum Beispiel „Das Wort sie sollen lassen starren und keinen Dank haben“. Ja, aus welchem Lied habe ich zitiert? „Ein feste Burg ist unser Gott“.
Wenn man das singt – „Ein feste Burg ist unser Gott“ – dann endet es auf der Tonika. Man weiß genau, wo man harmonisch ist. Aber in den Liedern heute ist das immer ein bisschen rüber gebunden. Das endet nicht auf eins, sondern auf vier plus.
Das ist nicht nur eine musikalische Spielerei, sondern es gibt dann das Gefühl vom Schweben. Es ist einfach nicht so klar. Man könnte die gleichen Lieder singen und auf eins enden lassen. Dann ist es plötzlich wie ein Choral, man weiß, wo man ist, ja, und da ist der Abschluss, der Toniker.
Aber das hat Symbolik, dieses Schweben.
Nun, Paulus wollte, dass sie hingelangen zum Verständnis. Aber er sagt nicht nur, dass sie hingelangen zum Verständnis, sondern er sagt: zur Gewissheit des Verständnisses. Also er möchte, dass sie in dem, was sie begreifen aus dem Wort Gottes, Sicherheit haben, Gewissheit.
Aber das ist ihm doch noch zu wenig. Und wenn ich sage „ihm“ – der Heilige Geist hat ja ihn inspiriert, diese Worte zu verwenden – er möchte nämlich, dass sie zu voller Gewissheit des Verständnisses kommen.
Aber das ist eben noch zu wenig. Er sagt nämlich: „hingelangen zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses“. Das ist wie ein Hammerschlag.
Das Wort ist ja ein Hammer, sagt Jeremia, das Felsen zerschmettert. Hier sehen wir, dass Gott diese Unsicherheit im Glauben nicht möchte. Aber wenn wir sie haben, dann haben wir nicht gesündigt.
Wenn unser Wunsch aber ist, diese Gewissheit zu bekommen, dann ist das schon eine gute Voraussetzung, um anhand der gesunden Lehre dies zu lernen und so zu Festigkeit zu kommen. Das führt zu Punkt eins: getröstete Herzen, Vereinigung in Liebe, und dabei kommt man dann zur vollen Erkenntnis des Geheimnisses Gottes.
Das Geheimnis Christi in uns und die Offenbarung im Neuen Testament
Und wir haben uns beim letzten Mal genau das Geheimnis „Christus in euch“ angeschaut. Dabei haben wir gesehen, was der Begriff „Geheimnis“ bedeutet.
Kann das jemand wiederholen? Was meint ein Geheimnis im Neuen Testament? Ich wiederhole es, da der Livestream das vielleicht nicht mitbekommen hat: Ein Geheimnis ist eine Wahrheit, die im Alten Testament verborgen war. Das heißt, sie wird dort nirgends erwähnt und erst in neutestamentlicher Zeit durch den Heiligen Geist offenbart.
Genau. Und wo sieht man das? Letztes Mal haben wir noch einmal Kapitel 1, Vers 25 gelesen. Paulus hatte den Auftrag, das Wort Gottes zu vollenden und zum Vollmaß zu bringen. Dafür musste er 14 Bücher zu den 27 des Neuen Testaments beitragen. Den Hebräerbrief zähle ich mit.
Dann sagt Paulus: Das Geheimnis, Vers 26, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, ist jetzt seinen Heiligen offenbart worden. Er sagt also: In früheren Generationen – all die Generationen, die im Alten Testament an Geschlechtern aufgezählt sind, wie Adam, Seth, Enos, Kenan, Mahalal, Lehl und so weiter – hat keine dieser Generationen etwas davon erfahren. Gott hat dieses Geheimnis niemandem mitgeteilt, weder Propheten noch Engeln.
Epheser 3 sagt, es war verborgen in Gott. Paulus spricht also von früheren Geschlechtern. Zweitens sagt er, dass es von den Zeitaltern her verborgen war. Das heißt, in den früheren Zeitaltern des Alten Testaments hat Gott das nie offenbart.
Ein Zeitalter in der Bibel beginnt immer mit einem Bund Gottes, der Segen bringt. Dann folgt ein Niedergang, der mit Fluch und Gericht endet. Danach kommt ein neuer Bund.
Zuerst hatten wir den Bund mit Adam, dann den Sündenfall und die Ausbreitung des Bösen, bis schließlich die Sintflut kam. Danach schloss Gott einen Bund mit Noah. Dann ging es wieder bergab, endete mit Gericht, und es folgte ein weiterer Bund, der Bund mit Abraham, und so weiter. So geht es durch die Zeitalter hindurch.
Durch all diese Generationen und Zeitalter hindurch hat Gott dieses Geheimnis nie mitgeteilt. Diese Geheimnisse in den Paulusbriefen findet man nicht im Alten Testament.
Dazu gehört zum Beispiel das Geheimnis der Vollzahl der Nationen. Gott hat also in der heutigen Zeit eine ganz bestimmte Zahl von Gläubigen festgelegt, die zur Gemeinde gehören werden. Danach folgt die Entrückung.
Dies ist auch ein Geheimnis, zum Beispiel in 1. Korinther 15,51: „Ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune.“ Dort wird beschrieben, wie wir verwandelt werden.
Sven, du hast noch ein weiteres Geheimnis erwähnt: Christus in uns beziehungsweise Christus in euch. Das ist das, was wir in Kapitel 1, Vers 27, beim letzten Mal angeschaut haben.
Und alle acht Geheimnisse – ich möchte besonders einen Punkt betonen: Das Thema der Entrückung ist im Alten Testament kein Thema. Wenn man es aber im Nachhinein erkennt, sieht man Parallelen. Zum Beispiel die Gemeinde Abrahams, seine Nachkommen, die wie Sand am Meer sind, Israel und die Sterne im Himmel.
Dann haben wir Henoch, der mit Gott wandelte und entrückt wurde. Das bedeutet ja, mit Gott zu wandeln. Jetzt sieht man: Das Geheimnis war schon da, es war verborgen, aber nicht offenbart. Jetzt wird es mir bewusst.
Im Alten Testament hat Gott diese Wahrheiten der Geheimnisse bereits bildlich vorweggenommen. Du hast gerade das Beispiel Henoch genannt, der mit Gott wandelte und vor dem weltweiten Gericht entrückt wurde.
Die Gemeinde wird entrückt, bevor der Zorn Gottes kommt, der in der Offenbarung beschrieben wird und über diese Welt kommen wird.
Der Zorn Gottes, die große Drangsal, kann nicht kommen, solange die Gemeinde hier auf der Erde ist. Der Ukraine-Konflikt führt jetzt nicht zur großen Drangsal, obwohl wir am Rande eines Weltkrieges stehen. Das ist wirklich beängstigend.
Wir hatten die Pandemie, und der Herr sagt, dass es in der Endzeit Seuchen geben wird, dann Kriege und Kriegsgerüchte. Das ist jetzt Kriegsgerücht, aber ein Volk gegen das andere, Königreich gegen Königreich.
Solange die Gemeinde auf der Erde ist, ist das noch nicht die große Drangsal. Denn erst in Offenbarung 3 und 4 wird gesagt, dass Jesus kommen wird, um uns vor dem kommenden Zorn zu retten.
So wurde Henoch entrückt, bevor das Gericht über die ganze Welt kam. Noah und seine Söhne symbolisieren den Überrest aus Israel und all die aus allen Nationen, die unzählbar sind (Offenbarung 7). Sie werden aus allen Nationen zum Glauben kommen und durch die große Drangsal hindurchgehen ins tausendjährige Friedensreich.
Also: Die Entrückung ist kein Thema im Alten Testament, aber wirklich schon angedeutet. So könnten wir das immer weiter durch das Alte Testament verfolgen. Es ist wunderbar, plötzlich erkennt man: Das ist alles vorgeschattet.
Für Gott war das Geheimnis von Ewigkeit her so kostbar. Epheser 3 sagt, es war in Gott verborgen, aber Gott wollte trotzdem schon etwas davon sagen.
So geht es mir manchmal auch. Ich weiß, die nächste Serie wird dies und das beinhalten, und ich denke, es ist schade, dass ich das nicht heute Abend schon behandeln kann. Dann deute ich es schon ein bisschen an. Aber man kann noch nicht alles offenbaren.
So war das im Alten Testament: Die Bilder sind da, aber niemand konnte wissen, was sie bedeuten. Jetzt, mit dem Licht der vollen Offenbarung Gottes im Alten und Neuen Testament, können wir im Rückblick diese Symbole deuten. Sie sind so kostbar für unsere Herzen.
Zum Beispiel: Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser zum Schutz, und Jesus ging über das Wasser zum Schutz. Man sieht immer wieder solche Parallelen.
Noch eindrücklicher ist die Arche. Sie schwamm auf dem Wasser, aber im Hebräischen steht „halach“, und das ist das Wort für „gehen“. Die Arche ging auf dem Wasser.
Die Arche ist ein Bild von Jesus Christus, dem einzigen Retter. Es gibt also viele solcher Parallelen.
Aber dazu braucht man das Licht des Neuen Testaments, um das Alte Testament zu verstehen.
Die alttestamentlichen Bilder sind Schatten. Wenn ich einen Schatten von meiner Hand werfen könnte, dann sieht der Schatten vielleicht ziemlich komisch aus, und die Proportionen sind anders.
Aber wenn man den Körper kennt, kann man den Schatten deuten: Aha, das ist der kleine Finger, und der ist nur so viel länger, weil der Schatten verzogen ist.
Man braucht also den Körper, um den Schatten zu verstehen. Den Körper finden wir im Neuen Testament, und den Schatten im Alten. So ist das.
Offenbarung des Geheimnisses im Epheserbrief
Jetzt schlagen wir den Epheserbrief Kapitel 3 auf. Dort beschreibt Paulus das Geheimnis Christi. Es ist das Geheimnis vom Leib Christi, also Christus und die Gemeinde als sein Leib.
Im Epheserbrief werden drei Geheimnisse genannt: das Geheimnis seines Willens (Kapitel 1), das Geheimnis Christi (Kapitel 3) und das Geheimnis von Christus als Mann und der Gemeinde als Frau (Kapitel 5).
Nun lese ich Epheser 3, Vers 3: Paulus sagt, dass ihm das Geheimnis durch Offenbarung kundgetan worden ist, wie er es zuvor kurz beschrieben hat. Beim Lesen erkennt man sein Verständnis des Geheimnisses Christi. Das Geheimnis wurde also schon in Kapitel 2 angedeutet. Jetzt zeigt Paulus, dass er dieses Verständnis durch Offenbarung erhalten hat.
Wir wissen, dass Paulus sich auf dem Weg nach Damaskus bekehrt hat. Danach ging er in die Stadt, wurde von Ananias, einem messiasgläubigen Juden, weitergeführt und getauft. Bald begann er zu predigen, zog sich aber später nach Arabien zurück.
Das Gebiet, das man damals Arabien nannte, umfasste die heutige saudische Halbinsel und auch die Sinai-Wüste. In Galater 4 sieht man, dass es bis Jordanien reichte, ganz nahe an Damaskus. Von Damaskus war es also einfach, nach Arabien zu gehen, man musste nur nach Jordanien reisen. In der Wüste konnte Paulus gut allein sein.
In Galater 1 berichtet Paulus, dass Gott sich ihm in Arabien durch Offenbarungen gezeigt hat. Dort hat er Dinge erfahren, die im Alten Testament nicht erwähnt sind und die ihm auch sein Lehrer Gamaliel in Jerusalem nie hätte erzählen können. Alles war neu.
Diese Offenbarungen erhielt Paulus nicht nur in Arabien, sondern auch später. Jetzt sagt er, dass ihm durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist, wie er es zuvor kurz beschrieben hat (Kapitel 2). Beim Lesen erkennt man sein Verständnis des Geheimnisses Christi.
Weiter sagt Paulus, dass dieses Geheimnis früheren Generationen nicht kundgetan wurde. Gott hat es in früheren Zeiten den Menschen nicht mitgeteilt. Nun aber ist es seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist offenbart worden. Das heißt, durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Das ist der wichtige Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament: Früher war es verborgen, jetzt ist es offenbart. Nicht nur Paulus hat diese Geheimnisse erhalten, sondern auch die anderen Apostel und neutestamentlichen Propheten.
In der Offenbarung finden wir ebenfalls Geheimnisse, zum Beispiel das Geheimnis des Tieres oder das Geheimnis der Frau Babylon. Diese Geheimnisse haben alle mit der Zeit der Gemeinde, dem Christentum und der Christenheit zu tun.
Paulus hat offensichtlich die meisten Offenbarungen erhalten. Deshalb durfte er in seinen Briefen so viel davon mitteilen. Das war Gottes Plan, um das Vollmaß zu bringen, wie in Kolosser 1 beschrieben.
In Vers 8 sagt Paulus von sich selbst, dass er der allergeringste von allen Heiligen ist. Das ist eine Anspielung auf seinen ursprünglichen Namen. Von Geburt an hieß er Saul oder Saulus – das ist nicht dasselbe. Saul ist hebräisch und wird Schaul ausgesprochen. Auf Griechisch schreibt man Saul, aber er wird auch Saulus genannt, mit griechischer Endung.
Paulus wuchs in einer heidnischen Umgebung auf, in Tarsus in Zilizien, der heutigen Südtürkei am Mittelmeer. Gegenüber den Heiden trug er oft den Namen Saulus, der griechisch klingt. Unter Juden hieß er Shaul, was dieselbe Bedeutung hat: der Begehrte, der Gefragte.
Er machte eine steile Karriere in Jerusalem. In Galater 1 sagt er, dass er über viele aus seinem Alter herausragte. Seine Eltern waren ehrgeizig und schickten ihn als Jungen zu einem der besten Lehrer im Judentum, Gamaliel, Mitglied des Sanhedrins.
Nach seiner Bekehrung fiel Paulus auf den Boden. Wenn man auf dem Boden liegt, ist man ganz klein – im Vergleich zu seiner Körpergröße von etwa 1,80 Meter. In der Apostelgeschichte wird er nach seiner Bekehrung noch Saulus genannt. Erst in Kapitel 13 nennt Lukas ihn Saulus, der auch Paulus heißt.
Paulus ist ein lateinisches Wort und bedeutet „der Kleine“. Es gibt ein Wortspiel: Im Hebräischen heißt er Saulos, im Griechischen wurde daraus Paulos. Saulos erinnert an Saul, der ein Kopf größer war als das übrige Volk. So einen starken Mann wollte man, der sagt, wo es langgeht und alle Probleme löst.
Bis einer kam, der noch größer war: Goliath, sechs Ellen und eine Spanne groß, wie in 1. Samuel 17 beschrieben. Nach Saul, dem großen Mann, kam Goliath, vor dem alle Angst hatten.
Saulus wurde zu Paulus, „der Kleine“. Er wollte nicht mehr der Großartige sein, sondern erkannte, dass er zusammenbrechen musste. Deshalb nennt er sich hier „mir, dem allergeringsten von allen Heiligen“.
Paulus’ Auftrag und die Offenbarung des Geheimnisses
Das erste Wort des Epheserbriefes ist Paulus. Er sagt nicht einfach „Apostel Jesu Christi“, sondern stellt sich vor als Paulus, Apostel Jesu Christi, der Kleine, dem mit der allergeringsten Gnade von allen Heiligen gegeben wurde, den Nationen den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen oder als frohe Botschaft zu evangelisieren.
Hier steht das Wort „evangelisieren“ und „alle zu erleuchten“, nicht nur ein paar Gläubige. Paulus kämpft dafür, dass alle Gläubigen diese Dinge kennen und erleuchtet werden. Es geht um die Verwaltung des Geheimnisses, das von den Zeitaltern her verborgen war. Dieses Geheimnis war von Ewigkeit her in Gott verborgen, der alle Dinge durch Jesus Christus erschaffen hat.
Jetzt soll es den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Orten durch die Gemeinde kundgetan werden. Dabei zeigt sich die mannigfaltige Weisheit Gottes nach dem ewigen Vorsatz, den er in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat. Man merkt: Dieses Geheimnis war in Gott verborgen, von Ewigkeit her.
Dieser ewige Vorsatz entfaltet die mannigfaltige Weisheit Gottes über die Gemeinde. Nun wird dieses Geheimnis, die Weisheit des Geheimnisses, allen Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Orten durch die Gemeinde offenbart. Das heißt, die ganze Engelwelt wusste nichts davon und ist völlig überrascht, was nach dem Kreuz plötzlich geschehen ist.
Gott hat mit der Gemeinde etwas Neues geschaffen: Gläubige aus allen Nationen werden mit den Gläubigen aus Israel zusammengeführt zu einem neuen Volk. Das ist nicht die Weiterführung Israels, denn das ist etwas ganz anderes. Israel bleibt bestehen und wird von Gott weitergeführt. Aber in dieser Zeit, in der Israel unter allen Nationen zerstreut war, baut Gott etwas Neues auf: die Gemeinde, den Leib Christi.
In dieser Gemeinde haben Juden keine Sonderstellung, und die aus den Nationen sind nicht untergeordnet. Nein, auf gleicher Ebene gibt es weder Jude noch Grieche. Das spielt in der Gemeinde keine Rolle, wie es in Galater 3 heißt. Die Gemeinde verkündet dies dadurch, dass wir Gemeinde leben und sind.
Die ganze Engelwelt schaut zu. In 1. Korinther 4 sagt Paulus, dass sie ein Schauspiel geworden sind für Engel und Menschen – aber besonders für Engel. Die Engel sind überwältigt von dem, was Gott getan hat, und sie hatten keine Ahnung davon.
In 1. Petrus 1, Vers 11 heißt es, dass Engel in diese Dinge hineinzuschauen begehren. Das griechische Wort meint eigentlich, dass sie „lange Hälse machen“ – also sehr neugierig sind. Die Engelwelt ist überwältigt von dem, was geschieht.
Dadurch, dass die Gemeinde zusammenkommt und das Wort verkündigt, schaut die Engelwelt mit Interesse zu – sowohl die gefallene als auch die nicht gefallene Engelwelt. Sie wussten nichts davon.
Jesus sagt in Johannes 14, am Vorabend der Kreuzigung: „In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich es euch gesagt. Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten.“ Hier spricht er nicht vom Haus des Vaters in Jerusalem, das im Johannes-Evangelium als Tempel bezeichnet wird (Johannes 2), sondern vom himmlischen Tempel.
Er geht in den Himmel, um dort für die Gläubigen der Gemeinde Wohnungen, also eine Stätte, bereitzumachen. Warum erst dann? Gott hat doch das himmlische Jerusalem schon längst gebaut, wie es in Hebräer 11 heißt, dessen Schöpfer und Baumeister Gott ist. Die Stadt hat Grundlagen, die schon Abraham erwartete.
Auch der Tempel Gottes im Himmel wird im Alten Testament immer wieder erwähnt. Die Wohnungen im Haus des Vaters – also im Tempel damals in Jerusalem – waren ein Gebäude namens Hammoket, das Haus der Feuerstelle. Es lag nördlich vom Allerheiligsten, und dort schliefen die Priester, wenn sie Dienst hatten.
Zacharias, der im Lukas-Evangelium erwähnt wird, hatte Dienst von Sabbat bis Sabbat. Danach kam die nächste Priesterabteilung, die ebenfalls von Sabbat bis Sabbat Dienst tat. So wurden zweimal im Jahr 48 Wochen mit den 24 Priesterklassen abgedeckt. Zusätzlich mussten alle bei den großen obligatorischen Festen antreten, sodass das Jahr vollständig abgedeckt war.
Die Priester schliefen dort also während ihres Dienstes. Jesus sagt: „In dem Hause meines Vaters sind viele Wohnungen.“ Jetzt geht er hin, um diese Wohnungen auszubauen und vorzubereiten.
Wären diese Wohnungen schon in der ganzen Zahl der Gemeinde durch alle Generationen von der Zeit der Apostel bis heute und bis zur Entrückung vorhanden gewesen, hätten die Engel sich gefragt, was das bedeutet und wer dort hin kommt. Es ist klar, dass die alttestamentlichen Gläubigen bereits auf das himmlische Jerusalem warten (Hebräer 11). Aber was ist mit diesen Wohnungen?
Gott hat dieses Geheimnis mit der Gemeinde verborgen gehalten. Deshalb sagt der Herr: „Ich gehe hin und werde euch eine Stätte bereiten, und ich komme wieder und werde euch zu mir nehmen.“ Das spricht von der Entrückung.
Die Engelwelt ist außer sich über diesen Vorsatz Gottes von Ewigkeit her. Paulus möchte, dass die Gläubigen all dies kennen. Nicht nur kennen, sondern sich daran freuen. Nicht mystisch aufsteigen, sondern die Wahrheiten des Wortes erfassen und sich daran freuen.
Dadurch sollen sie ermutigt werden, diese Wahrheiten im täglichen Leben umzusetzen.