Ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen. Wir haben ein sehr spannendes und aktuelles Thema vor uns: den Kampf um das Westjordanland. Was sagt die Bibel dazu?
Das Westjordanland wurde 1967 während des Sechstagekrieges von der israelischen Armee Jordanien entrissen. Seither ist dieses Gebiet ständig in den Schlagzeilen der internationalen Presse. Die ganze Welt beschäftigt sich mit den damit verbundenen Fragen des Völkerrechts und der Weltpolitik. Doch was sagt eigentlich die Bibel zu diesen Fragen? Das ist unsere Ausgangslage.
In diesem Zusammenhang interessiert uns, was die Bibel dazu zu sagen hat. Die Propheten der Bibel verkündeten im Auftrag Gottes bereits vor Jahrtausenden detailliert, worin Gottes Plan und Bestimmung für diesen Landstrich besteht.
Im ersten, sehr ausführlichen Teil geht es um die Vorgeschichte. Im zweiten Teil betrachten wir dann Hesekiel Kapitel 35 und 36. Was sagt das prophetische Wort ausdrücklich im Blick auf das Westjordanland?
Wir gehen sehr weit zurück zu den Wurzeln. Das ist übrigens meistens das Problem in den Medien: Sie gehen normalerweise nicht zu den Wurzeln zurück. Alles steht sozusagen im luftleeren Raum, ohne Basis, und es wird einfach behauptet. Aber man muss die Wurzeln kennen. Alles, was heute geschieht, ist aufgebaut auf einer Geschichte, die Schichten über Jahrtausende hinweg umfasst.
So gehen wir zurück vor 3600 Jahren. Nach strenger biblischer Chronologie war das die Zeit des Exodus aus Ägypten. Wenn man die Zahlen der Bibel ernst nimmt, kommt man auf diese frühe Zeit des Exodus. Dabei stimmt auch alles mit der säkularen Chronologie und der Archäologie gut überein.
Nach dem Auszug aus Ägypten, etwa 1606 v. Chr., kam schließlich das Volk Israel nach der langen Wüstenwanderung von vierzig Jahren ins verheißene Land. Seither ist das Land Kanaan das Land Israel, und zwar inklusive des Gebiets des heutigen Westjordanlandes. Das ist das Heimatland der Juden seit 3600 Jahren.
Vor 2000 Jahren war Israel unter römischer Fremdherrschaft. König Herodes, ein Edomiter, wurde von den Römern als Herrscher über das Volk der Juden eingesetzt.
Dieses Israel umfasste damals große Teile von Syrien und Jordanien, neben dem Gebiet des heutigen Kernisraels. Auch das gesamte Westjordanland gehörte selbstverständlich dazu.
Vor 2000 Jahren kam Jesus Christus zur Welt. Er wurde als Jude in Bethlehem geboren. Durch sein Kommen erfüllte er über 300 Prophezeiungen aus dem Alten Testament über den Messias.
Der Messias ist der verheißene Erlöser für Israel und alle Völker. Über dieses Thema habe ich ein Büchlein geschrieben, das den Titel „Der verheißene Erlöser“ trägt. Darin geht es um den Nachweis der Erfüllung der messianischen Prophezeiungen in Jesus von Nazareth.
Es gibt jedoch etwas Paradoxes: Die Propheten hatten den Messias angekündigt, und das jüdische Volk wartete über Jahrhunderte, ja seit der ersten messianischen Verheißung sogar seit Jahrtausenden, auf den kommenden Retter. Als er schließlich da war, lehnte die Mehrheit ihn ab – so wie es in Jesaja 53 beschrieben ist.
Obwohl die alten Rabbiner erklärten, dass Jesaja 53 vom Messias spricht, zum Beispiel in der Rabbinerbibel. Diese Rabbinerbibel ist eine mehrbändige Ausgabe, in der nicht nur der Bibeltext enthalten ist, sondern auch Kommentare und alte aramäische Übersetzungen.
Diese Bibel nennt man „Mikra'ot Gedolot“. Dort kann man in Jesaja 53 in der aramäischen Übersetzung lesen: „Siehe, mein Knecht, der Messias wird einsichtig handeln.“ Auch in Jesaja 52, Vers 13 steht in jeder Rabbinerbibel, dass es sich um den Messias handelt.
Es wurde vorausgesagt, dass die Mehrheit des Volkes ihn ablehnen würde – und so ist es gekommen. Schließlich wurde Jesus Christus durch die Römer auf dem Golgatha-Felsen, außerhalb des Palastes des Präfekten von Jerusalem, gekreuzigt.
Die Propheten hatten vorausgesagt, welche nationalen Konsequenzen eine Ablehnung des Messias nach sich ziehen würde. Besonders in 5. Mose 18 wird der Prophet, der Messias, angekündigt. Gott sagt dort: Wenn jemand nicht auf ihn hören wird, von dem werde ich es fordern. Die Tora warnt also vor einer Ablehnung des Messias.
In 5. Mose 28, Vers 63 heißt es: „Und ihr werdet herausgerissen werden aus dem Lande, wohin du kommst, um es in Besitz zu nehmen. Und der Herr wird dich unter alle Völker zerstreuen, von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.“ Diese Worte haben sich wörtlich erfüllt. Ab dem Jahr siebzig nach Christus, also wenige Jahre nach der Verwerfung des Messias, wurde das jüdische Volk in einem jahrhundertelangen Prozess unter alle Völker der Welt zerstreut.
Doch wo ist das „Ende der Erde“? Es gibt keinen Ort auf der Erde, an dem man herunterfällt, weil dort das Ende der Welt wäre. Es ist viel einfacher: Israel, Jerusalem gilt in Gottes Augen, in Gottes Geographie, als das Zentrum der Erde – und zwar wirklich überwältigend. Das Land Israel liegt am Knotenpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika. Diese einzigartige geografische Konstellation macht Jerusalem zum Mittelpunkt.
Das „Ende der Erde“ bezeichnet das Festland, das am weitesten von Israel entfernt ist. So sind die Juden in Chile und Argentinien eine Erfüllung von 5. Mose 28 – von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde. Ebenso die Juden in China, Kanada und den USA. Auf der anderen Seite sind die Juden in Australien und Neuseeland eine Erfüllung davon. Noch heute leben in Melbourne und Sydney etwa 120 Juden. Auch die Juden in Schweden und Südafrika gehören dazu – von einem Ende der Erde bis zum anderen Ende der Erde.
Gott hatte also den Verlust des Landes angekündigt. In 3. Mose 26,32 wird vorausgesagt, dass das Land selbst eine Wüste werden sollte. Auch dies hat sich erfüllt. Ab dem Jahr siebzig nach Christus sank das Land in einem jahrhundertelangen Prozess zu einer unansehnlichen Wüste ab.
In 3. Mose 26,32 heißt es: „Man bedenke, der Chasan in der Synagoge darf diesen Text nur mit gedämpfter Stimme singend vortragen, weil man weiß, wie schrecklich sich jedes Wort erfüllt hat.“ Das gilt übrigens auch für 5. Mose 28. Dort wird nur gedämpft vorgetragen: „Und ich werde das Land verwüsten“, spricht Gott, „dass eure Feinde, die darin wohnen werden, sich darüber entsetzen sollen.“
Hier finden wir auch eine Prophetie, dass, wenn die Juden gehen, andere kommen werden – und diese anderen werden keine Freunde sein, sondern Feinde. So steht es geschrieben: „Dass eure Feinde, die darin wohnen werden, sich darüber entsetzen sollen“ (5. Mose 28, Vers 33). „Und euer Land wird eine Wüste sein und eure Städte eine Öde.“ Diese Prophezeiungen sind durch die Jahrhunderte hindurch tatsächlich in Erfüllung gegangen.
Ganz wichtig ist Jesaja 6. Dort spricht Gott darüber, dass er eine geistliche Verblendung über sein Volk bringen würde. Es geht also nicht nur um die weltweite Zerstreuung oder darum, dass das Land zur Wüste wird, sondern auch um eine geistliche Verblendung.
Hörend werden sie nicht hören und nicht verstehen, sehend werden sie nicht sehen. Der Prophet Jesaja ist darüber ganz entsetzt. Er fragt: „Wie lange, Herr?“ So steht es in Jesaja 6,11: „Und ich sprach: Wie lange, Herr?“
Und Gott antwortet: „Bis die Städte verwüstet sind, ohne Bewohner, und die Häuser ohne Menschen, und das Land so öde verwüstet ist, und der Herr die Menschen weit entfernt hat, und die verlassenen Orte viele sind inmitten des Landes.“
Gott sagt also, diese Verblendung wird andauern. Gleichzeitig wird ein Prozess der Entvölkerung des verheißenden Landes stattfinden. Doch der Text geht weiter.
In Vers 13 heißt es: „Und ist noch ein Zehntel darin, so wird es wiederum vertilgt werden.“ Ein Zehntel ist also immer noch zu viel. Es wird weiter reduziert, „gleich der Terrebinte und gleich der Eiche, von welchen, wenn sie gefällt sind, ein Wurzelstock bleibt.“
Ein heiliger Same ist sein Wurzelstock. Terrebinte und Eichen sind in Israel sehr markante Bäume, die Landschaften prägen, weil sie so alt werden. Hier geht es darum, dass, wenn eine Terrebinte gefällt wird, immer noch Hoffnung besteht, denn der Wurzelstock bleibt im Land.
Diese Stelle zeigt also, dass, obwohl ein Zehntel noch zu viel ist und weiter vertilgt wird, dennoch eine Restpopulation bleibt. So wie bei der gefällten Eiche, bei der der Wurzelstock im Boden verbleibt, bleibt auch ein Rest des Volkes Israel im Land.
Israel wird also nie völlig entvölkert werden von Juden. Obwohl viele Stellen von der weltweiten Zerstreuung sprechen, soll eine Restpopulation im Land bleiben. Dies ist auch in der Geschichte so geschehen.
Der Tiefstpunkt wurde um 1800 erreicht. Damals gab es nur noch fünf Juden im Land der Verheißung. Bald darauf kamen im Zuge der Einwanderungswellen Juden aus aller Welt zurück. Die Wende sollte im neunzehnten Jahrhundert kommen.
Und das Interessante ist: Seit dem neunzehnten Jahrhundert erkennen viele Juden, dass Jesus doch der Messias war. Im neunzehnten Jahrhundert gab es sehr viele Juden, darunter auch Rabbiner, die zum Glauben an Jesus gekommen sind.
Diese Entwicklung setzte sich im zwanzigsten Jahrhundert fort. Heute rechnen wir mit etwa 400 bis 500 Juden, die glauben, dass Jesus der Messias ist. In Israel selbst sind es nur etwa 15. Das ist relativ wenig, aber wenn man bedenkt, dass es zur Zeit der Staatsgründung 1948 nur eine Handvoll waren, ist das doch ein Anstieg.
Die meisten jüdischen Gläubigen an Jesus findet man in den USA und Kanada. Viele von ihnen berichten, dass für sie das Kapitel Jesaja 53 eine Schlüsselrolle gespielt hat. Dieses Kapitel ist wirklich fantastisch.
Normalerweise kennt ein Durchschnittsjude Jesaja 53 nicht, weil er es in der Synagoge nie zu hören bekommt. Bei der Toralesung wird im Laufe eines Jahres die gesamte Tora, also die fünf Bücher Mose, gelesen. Dazu gibt es immer Lesungen aus den Propheten, entsprechend dem Hafterot-Verzeichnis.
Dieses Verzeichnis gilt weltweit und enthält ausgewählte Kapitel aus den Propheten. Jesaja 53 ist darin jedoch nicht enthalten. Deshalb kommt ein durchschnittlicher Jude, der die Bibel nicht selbst intensiv studiert und das gesamte Alte Testament auf Hebräisch durchliest, kaum mit Jesaja 53 in Berührung.
Es ist sehr wichtig, das Alte Testament selbst zu lesen, sonst stößt man nie auf Jesaja 53. Wenn jemand dieses Kapitel jedoch zum ersten Mal liest, trifft es ihn tief. Es ist Gottes Wort, es ist der Tanach.
Nun sehen wir, dass diese vier Ortschaften Schlüsselrollen bei der dauerhaften Restpopulation im Land Israel spielten. Dazu gehören Safed, die Künstlerstadt in Galiläa, Tiberias, die Stadt am See Genezareth, sowie Jerusalem, insbesondere Ostjerusalem im Gebiet des Westjordanlandes, und Hebron, mitten im Westjordanland. Diese Orte waren die wichtigsten Zentren der dauerhaften jüdischen Bevölkerung im Land.
Besonders auffällig ist, dass sich zwei dieser vier Orte im Gebiet des sogenannten Westjordanlandes befinden.
Die Propheten hatten angekündigt, dass diese Zerstreuung unter den Völkern nicht ewig dauern wird, sondern eine Rückkehr stattfinden wird. Hesekiel 36,24 sagt: Gott spricht im sechsten Jahrhundert vor Christus: „Und ich werde euch aus den Nationen holen und euch sammeln aus allen Ländern.“ Das bedeutet auch aus Australien, Chile, China, Kanada und vielen weiteren Ländern. Er wird euch aus allen Ländern sammeln und in euer Land bringen.
Wir sind heute Zeugen dieser Rückkehr. Seit 1882 begann die erste Einwanderungswelle, gefolgt von der zweiten und dritten. Bis heute sind etwa drei Millionen Menschen aus allen fünf Kontinenten und aus circa 130 verschiedenen Ländern in das Land ihrer Vorfahren zurückgekehrt.
Übrigens wird hier gleich noch erklärt, wem dieses Land gehört und warum die Menschen dorthin zurückkehren. Das ist besonders wichtig, denn vielen Menschen ist heute nicht klar, wem das Land gehört. Der Bibeltext macht deutlich, dass sie in ihr Land einkehren werden – in das Land der Juden.
Nun gab es aber ein großes Problem. Als die ersten Siedler 1882, 1883, 1884 und 1885 heimkehrten, sagten viele, das seien ein bisschen verrückte Leute, Idealisten, und das bringe ja nichts. Sie kehren zurück nach Palästina – so nannte man damals das Gebiet des früheren Landes Israel.
Palästina war zu dieser Zeit Teil des Osmanischen Reiches. Das Osmanische Reich, wie man hier auf der Karte sieht, war je nach Zeit unterschiedlich groß, aber dennoch beeindruckend. Über große Teile von Asien, sogar Europa und Afrika, herrschte dieses Reich über Jahrhunderte hinweg.
Die Kritiker sagten: Palästina gehört zum Osmanischen Reich der Türken, einem islamischen Reich. Nie würden die Juden dort einen eigenen Staat haben können. Das sei gar nicht möglich, denn das Osmanische Reich sei ein anderer Staat.
Doch dann kam eine Überraschung. Ein Thronfolgermord auf dem Balkan im Jahr 1914 führte zu einem Dominoeffekt und schließlich zum Ersten Weltkrieg. Meine Damen und Herren, das war nicht der 27. Weltkrieg, sondern – wie wir es korrekt in der Schule gelernt haben – der erste.
Warum? Das haben die Lehrer nie gesagt. Es gab noch nie einen Krieg in der Geschichte, bei dem alle fünf Kontinente betroffen waren. Das war das erste Mal. Deshalb war es der erste Krieg. Es war ein neues Phänomen in der Geschichte.
Während des Krieges fragten sich die Osmanen: Auf welche Seite sollen wir uns stellen? Auf die Seite der Entente-Mächte – so nannte man die Alliierten Frankreich, England und Russland – eine interessante Konstellation. Oder auf die Seite von Deutschland? Die Osmanen hatten gute Beziehungen zu beiden Seiten. Es war also menschlich gesprochen völlig offen, welche Seite sie wählen würden. Letztlich entschieden sie sich für die deutsche Seite.
Das führte dazu, dass die Alliierten England und Frankreich sich auf das Osmanische Reich stürzten und es während des Ersten Weltkrieges besiegten. So kam es zur Eroberung Palästinas, des ganzen Reiches, aber eben gerade auch Palästinas durch die Engländer.
Das war ein Schock für die islamische Welt.
Der Untergang des Osmanischen Reiches bedeutete das Ende der 400-jährigen Türkenherrschaft. Aus islamischer Sicht kam damit islamisches Territorium unter „christliche“ Herrschaft. Ich setze „christlich“ bewusst in Anführungszeichen, weil man nicht sagen kann, dass England im eigentlichen Sinne christlich war. Die meisten Christen dort waren nur Namenschristen, äußerlich.
Man muss verstehen, dass nach dem Neuen Testament jemand erst dann ein Christ ist, wenn er eine ganz persönliche Beziehung zu Jesus Christus durch eine Bekehrung bekommt. Aus islamischem Verständnis hingegen ist man Muslim durch Geburt. Wer in eine muslimische Familie hineingeboren wird, ist Muslim – das braucht keine Bekehrung. Deshalb sind für Muslime alle, die in diesen „christlichen“ Ländern wohnen, Christen.
Das war ein Schock: Christen herrschten über islamisches Gebiet. Dabei muss man die Lehre von Al-Mawardi, einem islamischen Systematiker im Mittelalter, verstehen. Aufgrund des Korans formulierte er die Lehre, dass die Welt aus zwei Teilen besteht: Dar-ul-Islam, das Haus des Islam, wo der Islam herrscht und die Scharia Gesetz ist, und Dar-ul-Harb, das Gebiet des Schwertes, das noch islamisch werden muss.
Nach diesem Verständnis war Palästina – ich benutze bewusst den historischen Ausdruck, damit sich niemand daran stößt – aus islamischer Sicht Dar-ul-Islam, das Haus des Islam. Diese Lehre ist nicht die von Extremisten, sondern die des Zentralislam, des durchschnittlichen, üblichen Islams. Sie besagt, dass ein solches Gebiet niemals von Juden oder Christen beherrscht werden darf. Schon gar nicht von Hindus, die mehrere Götter verehren, aber auch nicht von Juden oder Christen. Diese dürfen zwar Untertanen zweiten Ranges sein, aber niemals selbst herrschen.
Genau das ist jedoch geschehen. Von diesem Schock hat sich die islamische Welt bis heute nicht erholt. Nach islamischem Verständnis ist das Beherrschen und der Erfolg im Krieg ein Beweis dafür, dass der Islam richtig ist. Dieser Schlag bedeutete also: Der Islam ist falsch. So muss man das verstehen, um zu begreifen, was innerlich in Gedanken und Gefühlen eines Muslims vorgeht.
Noch schlimmer wurde es während des Ersten Weltkrieges, als die englische Regierung die Balfour-Erklärung herausgab. Das war ein Versprechen zur Schaffung eines Judenstaates in Palästina. Der wichtige Abschnitt daraus, ganz kurz: Es ist ein Brief von Lord Balfour im Namen der königlichen Regierung an Lord Rothschild.
„His Majesty's Government view with favour the establishment in Palestine of a national home for the Jewish people and will use their best endeavours to facilitate the achievement of this object.“
Die königliche Regierung betrachtet es mit Wohlwollen, dass in Palästina eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk geschaffen wird. Die Regierung wird ihr bestes Können einsetzen, um den Weg zur Erreichung dieses Ziels zu erleichtern.
Das war ein weiterer Schlag für die islamische Welt. Was? Und jetzt soll ein Judenstaat kommen? Sie hatten gerade das Osmanische Reich zerschlagen, und nun soll ein Judenstaat entstehen! Ein Schlag nach dem anderen.
Ich muss vielleicht noch erklären, warum dieses Versprechen gemacht wurde. Während des Krieges erwies sich die deutsche Wehrmacht als unglaublich stark. Die Engländer merkten, dass sie den Weltkrieg verlieren würden. Es musste eine neue Erfindung her, um schneller Sprengstoff für Munition herzustellen. Ein englischer Chemiker schaffte das: Dr. Weizmann machte die Erfindung, die den Krieg drehte. Schließlich gewannen die Entente-Mächte, darunter England.
Danach fragte man Dr. Weizmann, was er sich als Dank von der Regierung wünsche. Er sagte: „Ich wünsche ein Land für mein Volk.“ Chaim Weizmann war übrigens ein englischer Jude, genauer gesagt ein deutscher Jude, der vor dem Ersten Weltkrieg nach England ausgewandert war, dort die Staatsbürgerschaft erhielt und als Chemiker arbeitete. So hängen die Zusammenhänge zusammen.
Ich muss jedoch sagen, dass dieses Papier völkerrechtlich kein Gewicht hatte. Es war eine Entscheidung der englischen Regierung. Doch die Geschichte ging weiter.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Völkerbund gegründet, der Vorläufer der UNO. Der Völkerbund, ein Bündnis vieler Nationen, sollte verhindern, dass sich eine Katastrophe wie der Erste Weltkrieg wiederholt. Eine der ersten bedeutenden Sitzungen fand in Sanremo statt. Dort wurde die Balfour-Erklärung vom Völkerbund akzeptiert und so internationales Recht.
Dem Völkerbund übergab England das Mandat für Palästina. Mandat bedeutet Auftrag auf gut Deutsch. England sollte dafür sorgen, dass aus Palästina etwas Rechtes wird.
Nun muss man gut auf die Karte schauen: Das Mandat für Palästina umfasste nicht nur das Westjordanland und den Gazastreifen. Palästina war das gesamte Gebiet des heutigen Israels, inklusive Gazastreifen und Westjordanland. Auch das heutige Jordanien gehörte dazu. Alle Menschen, die dort wohnten, waren Palästinenser, weil sie in Palästina lebten.
Unter dem Begriff „Palästinenser“ verstand man damals – man muss historisch denken, denn Geschichte ist in Schichten aufgebaut – etwas anderes als heute. Heute versteht man unter Palästinensern eine bestimmte arabischsprachige Volksgruppe. Damals jedoch war jeder ein Palästinenser, egal ob Araber oder nicht.
Ein Araber ist jemand, dessen Muttersprache Arabisch ist. Das hat mit der Abstammung wenig zu tun. Die Araber in Ägypten sind hauptsächlich Hamiten, die auf Mizraim zurückgehen. Die Araber im Libanon stammen von den Kanaanäern ab, ebenfalls hamitischer Abstammung. Die Aramäer in Syrien haben semitische Abstammung, und so weiter. Araber bezeichnet also einfach Menschen mit Arabisch als Muttersprache, unabhängig von ihrer völkischen Herkunft.
Ein palästinensisches Volk gab es damals so nicht, gar nicht. Auch Juden waren Palästinenser. Übrigens gab es damals in Palästina eine Frau namens Golda Meir, die später Ministerpräsidentin von Israel wurde. Sie hatte, wie alle anderen, eine Identitätskarte von England, auf der „Palästina“ und „Palästinenser“ stand. Sie war also eine Palästinenserin.
Es gab eine Zeitung namens The Palestine Post, später The Jerusalem Post, eine jüdische Zeitung. Es gab ein Sinfonieorchester, das The Palestine Symphony Orchestra hieß – ein jüdisches Sinfonieorchester. Der Begriff „Palästinenser“ war damals völlig neutral.
Im Jahr 1921 geschah etwas Entscheidendes: Es kam zur ersten Teilung Palästinas. England entschied, dass nicht nur den Juden ein Staat in Palästina ermöglicht werden sollte, sondern auch den arabischen Palästinensern. Deshalb schnitten sie 77 Prozent von Palästina ab – alles östlich vom Jordan – und gaben dieses Gebiet den arabischen Palästinensern.
Dieses Gebiet wurde zunächst Transjordanien genannt, was „jenseits des Jordans“ bedeutet. Im Jahr 1946 wurde Transjordanien von England unabhängig, und so entstand der moderne Staat Jordanien.
Wenn heute also die Frage aufkommt, wann endlich der palästinensische Staat komme, stellt sich die Frage: Was bedeutet „endlich“? Seit 1946 gibt es diesen Staat bereits. Und zwar mit mehr als drei Vierteln des ursprünglichen Palästinas. Das ist doch eigentlich eine beträchtliche Fläche.
Man könnte sogar sagen, es wäre schade, dass man das Gebiet nicht Ostpalästina genannt hat. Dann wüssten auch Journalisten und führende Politiker heute, worum es wirklich geht.
Ich darf das an dieser Stelle etwas scharf formulieren, denn das ist kein Geheimwissen, das ich hier weitergebe. Man muss nicht unbedingt die Fachliteratur kennen, um das zu verstehen. Diese Informationen sind auch auf Wikipedia verfügbar. Dort ist alles nachzulesen, und jeder kann darauf zugreifen, wenn er möchte.
Das ist zudem keine umstrittene Darstellung, sondern die Geschichte, so wie sie allgemein akzeptiert ist. Andernfalls wäre sie längst aus Wikipedia gelöscht worden, denn dort wird auf Neutralität geachtet – auch wenn diese manchmal schwer zu halten ist.
Und dann kamen diese schrecklichen Jahre von 1938 bis 1945. Nazi-Europa vernichtete 6,5 Millionen Juden – und das im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Der Völkerbund konnte das nicht verhindern, und der Krieg war noch schrecklicher, mit insgesamt 50 bis 70 Millionen Toten. Der Erste Weltkrieg forderte ungefähr 17 Millionen Opfer. Schrecklich, was hier geschehen ist – unvorstellbar.
Im Frühjahr 1945 läuteten die Glocken in Europa, und der schrecklichste Krieg der Weltgeschichte war vorbei. Die Konzentrationslager wurden geöffnet, und der ganze Schrecken, die ganze Abscheulichkeit wurde der Allgemeinheit bewusst. Man löste den Völkerbund auf, da er den Zweiten Weltkrieg nicht verhindern konnte. Es musste eine bessere Organisation her.
So wurde die UNO gegründet. Sie sollte fortan verhindern, dass wieder etwas so Schreckliches geschieht. Eine der ersten Sitzungen der UNO fand im November 1947 statt. Der UNO-Teilungsplan wurde von der Mehrheit der Nationen akzeptiert. Die meisten Länder in der UNO standen unter dem Schock des Zweiten Weltkrieges und der Judenvernichtung in Europa. Für sie war klar, dass es eine Lösung der Judenfrage brauchte.
Die Akzeptanz des UNO-Teilungsplans bedeutete ein Ja zu einer nationalen Heimstätte, zu einem Staat für die Juden in Palästina. Die Mehrheit stimmte dafür. Die UNO legte damals fest, dass nicht 23 Prozent des Landes an die Juden gehen sollten – so viel war ursprünglich vorgesehen –, sondern nur 12,6 Prozent. Aus dem Rest sollte später ein arabisch-palästinensischer Staat entstehen, also ein zweiter Staat.
Auf der Karte sieht man das sehr gut: Die dunkel eingezeichneten Gebiete waren für den Judenstaat vorgesehen. Man sollte jedoch nicht zu gut über das Gebiet denken, denn alles südlich von Beerscheba ist die Negevwüste – heiß und trocken. Falls man tropische Hitze mit Feuchtigkeit hasst, ist der Negev wunderbar, weil er richtig trocken und heiß ist. Viele Menschen vertragen das besser. Ich persönlich finde beides schön, aber das ist Geschmackssache.
Dennoch sollte man das Gebiet nicht zu positiv bewerten. Außerdem gibt es zwei schmale Streifen, die man gar nicht verteidigen kann, ohne Militärdienst geleistet zu haben. Trotzdem akzeptierten die Juden den Plan – wohl oder übel. Das bedeutete also 12,6 Prozent für die Juden, für die palästinensischen Juden, und 87,4 Prozent für die palästinensischen Araber.
Die islamische Welt tobte damals. Wie ist das möglich? Ist das nicht gerecht? Die Juden bekommen 12,6 Prozent, die anderen 87,4 Prozent. Nein, das war unmöglich für sie. Warum? Es gab damals kein besetztes Westjordanland. Das sieht man auf der Karte. In dem gelben Gebiet befindet sich das heutige sogenannte besetzte Westjordanland – nicht das gesamte Gebiet, aber fast das gesamte, das hier zu sehen ist. Auch der Gazastreifen war damals kein Thema, ebenso wenig die Golanhöhen.
Wo liegt also das Problem? Das Problem liegt in der Lehre: Islamisch beherrschtes Gebiet darf nicht zum Staatsgebiet von Nichtmuslimen werden. Das ist der Punkt. Tariq Aziz, der einzige Außenminister des Irak, war ein Namenschrist. Jemand hat mir schon einmal gesagt: „Wie kann Tariq Aziz Außenminister sein?“ Kein Problem, solange es unter islamischer Herrschaft ist.
Was nicht geht, ist ein nicht-islamischer Staat auf islamischem Boden. Darum tobte die islamische Welt rund um Israel: Das geht nicht.
In diesem Zusammenhang, bei der zweiten Teilung von Palästina, möchte ich das prophetische Wort aus Joel 4,1 lesen. Dort spricht der Messias, der als König der Welt kommen wird.
Und was sagt er? „Denn siehe, in jenen Tagen und zu jener Zeit, wenn ich das Schicksal Judas und Jerusalems wenden werde, dann werde ich alle Nationen versammeln und sie in das Tal Josaphat hinabführen. Und ich werde dort mit ihnen ins Gericht gehen wegen meines Volkes und meines Erbteils Israel, weil sie es unter den Nationen zerstreut haben, und mein Land haben sie geteilt und über mein Volk das Los geworfen.“
Das ist doch der Hammer! Ganz interessant ist, dass in der Epoche „in jenen Tagen und zu jener Zeit“ das jüdische Schicksal fast 2000 Jahre lang geprägt war durch Staatenlosigkeit. Es war das Bild vom von Getto zu Getto wandernden Juden, gehasst, unerwünscht und heimatlos.
Dann sehen wir, wie sich dieses Schicksal ab 1882 wendet. Schließlich kam es sogar zur Staatsgründung Israels und 1967 zur Eroberung des Tempelberges – all das ist Teil dieses Prozesses „in jenen Tagen und zu jener Zeit“.
„Wenn ich das Schicksal Judas und Jerusalems wenden werde, dann werde ich alle Nationen versammeln und sie in das Tal Josaphat hinabführen, und ich werde dort mit ihnen ins Gericht gehen.“ Das heißt also, der Messias wird im Tal Josaphat sein, in der Epoche, wenn sich das jüdische Schicksal wendet.
So kann man beweisen, dass wir in der Endzeit leben. Wir können das Jahr nicht berechnen – und haben auch kein Interesse daran. Aber die Zeichen der Zeit reichen aus, um zu erkennen, in welcher Zeit wir leben.
Wir leben in der Epoche, in der man später einmal sagen wird: „Seht ihr, diese Epoche, und jetzt ist der Messias gekommen.“ Wenn er kommt, wird er mit dieser Welt abrechnen – und übrigens auch mit der UNO.
Er wird mit ihnen ins Gericht gehen wegen meines Volkes und meines Erbteils Israel, weil sie es unter den Nationen zerstreut haben. Für all das Elend, das sie ihnen in der Diaspora angetan haben, und wie sie sie vertrieben haben.
Und mein Land haben sie geteilt: die erste Teilung 1921, die zweite Teilung 1947 – das ist ein heißes Eisen. Die UNO hat sich wirklich an den Augapfel Gottes vergriffen.
So steht es in Sacharja 2: „Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an.“ Das ist der originale Text. Die Tikkune Sofrim, also die Veränderungen am hebräischen Text, die in ganz wenigen Fällen durch Rabbiner in der Vergangenheit vorgenommen wurden, sind genau verzeichnet.
Diese Stelle in Sacharja 2 ist so ein Fall. Man hat den Text für die Lektüre in der Synagoge etwas geändert: „Wer euch antastet, tastet seinen Augapfel an.“
Eno! Der Apfel von seinem Auge. Aber der Originaltext lautet: „Eni“, den Apfel von meinem Auge.
Das haben sie geändert. Gott wird also die Welt einmal zur Rechenschaft ziehen für diese Teilungen.
Am 14. Mai 1948 kam es zur Staatsgründung Israels. Dieses Ereignis war das Ergebnis eines langen und dramatischen Prozesses, der unter anderem durch die zweite Teilung Palästinas im November 1947 durch die UNO ermöglicht wurde. An jenem Freitagnachmittag verkündete David Ben-Gurion, der erste Ministerpräsident Israels, über das Radio die Gründung des Staates Israel.
Er sagte: „2000 Jahre sind vergangen, und nun ist dieser Tag gekommen, auf den wir so lange gewartet haben. Wenn für Gott die Zeit gekommen ist, kann niemand Gott widerstehen.“ Danach stand ein Rabbiner auf und betete. Dieses Gebet ist jedem jüdischen Kind aus verschiedenen Zusammenhängen bekannt, doch in diesem Moment war es besonders ergreifend. Etwa 400 Zionisten waren damals in Tel Aviv versammelt. Frau Goldameyer beschreibt in einem späteren Bericht, dass alle Tränen in den Augen hatten.
Der Rabbiner sprach das bekannte Gebet: „Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, dass du uns geführt hast, uns hast überleben lassen und uns bis zu diesem Zeitpunkt geführt hast.“ Frau Goldameyer schreibt, dass dieses Gebet noch nie eine solche Bedeutung gehabt habe wie nach der Judenvernichtung. „Hast uns überleben lassen, Hecheianu, und hast uns geführt bis auf diesen Tag, Higianu, Lasman ha-Zeh!“
So erfüllte sich Jesaja 66,8: „Wer hat solches gehört, wer hat dergleichen gesehen? Kann ein Land an einem Tag zur Welt gebracht oder eine Nation mit einem Male geboren werden?“ Jahrzehntelange Einwanderung nach Palästina war vorausgegangen, doch es gab keinen Staat. Am 14. Mai, kurz nach der Judenvernichtung durch die Nazis, wurde eine Nation mit einem Mal geboren. Zion bekam Wehen und zugleich ihre Kinder geboren.
Man muss sich die enorme Spannung vorstellen: Hochgerüstete, moderne Armeen hatten sich an den neu durch die UNO festgelegten Grenzen aufgestellt. Das Ziel war klar: Sobald am 14. Mai die letzten britischen Soldaten das Land verlassen, würde der totale Krieg beginnen. Das wurde deutlich kommuniziert: „Wenn die UNO-Abstimmung umgesetzt wird, dann werden wir die Juden vernichten!“ Die direkte Fortsetzung von Hitlers Werk, aber nun im Land selbst und nicht in Europa.
Diese Armeen standen an den Grenzen. Amerika sah voraus, dass das eine Katastrophe werden würde. Die Juden hatten kaum schwere Waffen, nur wenige Flugzeuge, während neun Armeen hochgerüstet waren. Es schien unmöglich, zu überleben. Die Amerikaner versuchten, die Juden im Land zu überzeugen, den Staat nicht zu gründen. Doch die Menschen im Land sagten: „Nein, zweitausend Jahre haben wir auf diesen Moment gewartet, und jetzt sollen wir das absagen? Auf keinen Fall! Wir ziehen das durch.“
So kam es zu der Verkündung am Freitagnachmittag, kurz bevor der Schabbat begann. In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai begann der totale Krieg. Es war der erste Versuch der Totalvernichtung Israels. Psalm 83,4 erfüllte sich: „Sie sprechen: Kommt und lasst uns sie vertilgen, dass sie keine Nation mehr seien, dass nicht mehr gedacht werde des Namens Israel.“ Genau das war das Ziel damals: die Vernichtung, nicht nur die Besiegung Israels.
Man wollte die Juden ins Mittelmeer hinaustreiben und alle ertrinken lassen. So begann der sogenannte Unabhängigkeitskrieg. Doch dieser Name ist fast eine Verniedlichung dessen, was wirklich geschah. Es war eine Katastrophe. Jordanien, damals noch Ostpalästina, führte zusammen mit der Armee des Irak, aber auch mit Streitkräften aus Syrien, Libanon, Ägypten sowie Kontingenten aus Saudi-Arabien und Jemen und weiteren Ländern insgesamt neun Armeen an, die den Vernichtungskrieg gegen Israel eröffneten.
Nach einem Jahr jedoch überlebte Israel und ging als Sieger aus dem Krieg hervor – mit Landgewinn. Am 7. Juli 1949 erzwang die UNO einen Waffenstillstand, als Israel auf dem Vormarsch war. Dieses Vorgehen wurde später zur Regel: Dort, wo Israel Vorteile erzielte, wurde ein Waffenstillstand durchgesetzt.
Nun muss man jedoch an dieser Stelle innehalten. Die Konsequenzen für das Westjordanland waren fatal. Die Juden, die dort lebten – und ich habe erklärt, dass dies eine zweitausendjährige Tradition ist – wurden im Westjordanland entweder abgeschlachtet oder vertrieben.
So wurde das Westjordanland, um einen abscheulichen Ausdruck der Nazis zu verwenden, zu einem Gebiet ohne Juden. Jordanien konnte das Gebiet mit Hilfe seiner Verbündeten erobern. Im Jahr 1950, was sehr wichtig ist, wurde das Westjordanland zunächst von Jordanien besetzt. Anschließend annektierte Jordanien das Gebiet.
Man muss den Unterschied genau verstehen: Besetzen bedeutet, dass im Krieg eine Nation fremdes Land erobert und nun darüber herrscht. Das ist Besetzung. Danach kann man über Friedensbedingungen verhandeln und sich gegebenenfalls wieder zurückziehen. Das Völkerrecht erkennt den Begriff der Besetzung fremden Landes an und erlaubt es, ein Gebiet so lange zu besetzen, wie von ihm eine dauerhafte Bedrohung ausgeht.
Wichtig ist dabei jedoch: Das Völkerrecht bezieht sich auf Gebiete, die einem Staat gehören. Genau das ist hier der Knackpunkt. Das Osmanische Reich wurde nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Es wäre, als würde man die Schweiz im Krieg besiegen und danach sagen, die Schweiz gibt es nicht mehr, sie gehört nun Süddeutschland. So ähnlich ist es geschehen.
Das Osmanische Reich existierte nicht mehr, und die moderne Türkei wurde unter Atatürk auf einem deutlich kleineren Gebiet gegründet. Das Gebiet des Westjordanlands gehörte also keinem Staat. Dennoch annektierte Jordanien 1950 dieses Gebiet. Damit erklärte Jordanien, dass das Land ihnen gehöre – nicht nur alles östlich des Jordans, sondern nun auch das Westjordanland.
So versteht man den Ausdruck „Westjordanland“ besser. Man sieht aber auch, dass das Gebiet seine heutige Kontur erst durch die Eroberungen Israels in den Kriegen erhielt. Das, was wir heute als Westjordanland bezeichnen, ist also eine neuere geschichtliche Erscheinung.
Wichtig ist ferner: Obwohl Jordanien das Gebiet 1950 annektierte, erkannte die Weltgemeinschaft diese Annexion nicht an. Das ist von großer Bedeutung. Daher kann das internationale Recht nicht einfach auf das Westjordanland angewandt werden, denn dieses Recht bezieht sich auf Gebiete, die einem Staat gehören. Hier ist das jedoch nicht der Fall, da die Annexion völkerrechtlich nicht anerkannt wurde.
Das sind die Fakten.
Die islamische Welt war unter Schock. Schon im Ersten Weltkrieg hatte man eine Katastrophe erlebt. Und jetzt, im Unabhängigkeitskrieg, war zu Beginn klar, dass die Juden besiegt und vernichtet werden würden. Es schien sicher, dass sie verlieren würden. Wie konnte es gegen so schlecht gerüstete Gegner anders sein? Das war eine weitere unglaubliche Demütigung für die islamische Welt.
Man muss das religiös verstehen. Für einen Muslim damals bedeutete das, dass die Wahrheit der eigenen Religion in Frage gestellt wurde. Denn der Islam gilt als Religion der Stärke. Deshalb wird jeden Tag „Allahu Akbar“ verkündet. Das heißt nicht einfach „Allah ist groß“, denn das wäre „Allahu Kabir“. „Akbar“ ist der Komparativ im Arabischen und bedeutet „Allah ist größer“. Diese Größe zeigt sich nach islamischem Verständnis in militärischer Stärke. Jeder militärische Erfolg wird sofort so gedeutet, dass er ein Beweis für die Wahrheit des Islam ist.
Aber sie haben verloren. Das lag einfach daran, dass die Juden überleben wollten. Sie wollten nicht noch einmal sterben, wie im Zweiten Weltkrieg. Das durfte nicht mehr geschehen. Daraufhin sagte die islamische Welt: Gut, wir müssen auf eine weitere Gelegenheit warten.
Die Sowjetunion rüstete über Jahre hinweg die Länder rund um Israel mit modernen Waffen aus. So entstand in den 1960er Jahren die Überzeugung, dass man die Juden nun vernichten könne. Im Mai 1967 sagte der ägyptische Präsident Nasser, der damals eine führende Persönlichkeit in der arabischen Welt war: „Unser Hauptziel besteht in der Vernichtung Israels.“
Dann kam es zum Sechstagekrieg, der vom 5. bis 10. Juni stattfand. Das war der zweite Versuch, Israel total zu vernichten. Noch einmal erfüllte sich Psalm 83, Vers 4: „Sie sprechen: Kommt, lasst uns sie vertilgen, dass sie keine Nation mehr seien, dass nicht mehr gedacht werde des Namens Israel.“ Nach sechs Tagen herrschte Ruhe an allen drei Fronten. Unglaublich! Das war ein Schock für die islamische Welt.
Kann man sich das vorstellen? Ja, man muss es sich vorstellen, um Muslime besser zu verstehen. Dann kann man auch besser mit ihnen sprechen. Dabei ist es wichtig, über diese Themen sensibel zu sprechen, um nicht zu provozieren. Es ist wichtig, dass man diese Dinge weiß. Man kann über alles sprechen, man muss nur die richtige Art finden.
Das gilt übrigens auch in der Seelsorge. Man muss über alles sprechen, aber es kommt darauf an, wie man es tut. Es geht darum, Menschen zu gewinnen, nicht zu besiegen. Man muss die Menschen gewinnen.
Als Folge des Sechstagekrieges kam es zur Eroberung der Sinai-Halbinsel, die Ägypten entrissen wurde, sowie zur Eroberung des Gazastreifens, der ebenfalls von Ägypten abgetrennt wurde. Ich setze diese Angaben in Anführungszeichen, weil Ägypten damals den Gazastreifen als Teil seines Staatsgebiets betrachtete. Das muss man wissen. Völkerrechtlich war dies jedoch nie anerkannt, was ebenfalls wichtig zu wissen ist.
Darüber hinaus wurde das Westjordanland erobert, das Jordanien entrissen wurde. Auch hier setze ich Anführungszeichen, denn dieses Gebiet gehörte nicht wirklich zu Jordanien. Jordanien hatte es zwar besetzt, aber ihre Annexion wurde völkerrechtlich nicht anerkannt. Schließlich wurden auch die Golanhöhen erobert, die Syrien entrissen wurden.
Warum geschah das? Die Sinai-Halbinsel und der Gazastreifen sollten als Pufferzone dienen, um Schutz gegen Ägypten zu bieten, also gegen die Gefahr, die von Ägypten ausging. Die Golanhöhen waren ein Schutz gegen Syrien, und das Westjordanland sollte Schutz gegen Jordanien bieten.
Nun möchte ich kurz etwas zur Bedeutung des Westjordanlandes aus biblischer Sicht sagen. Dieses Gebiet ist eigentlich das Zentralgebiet der Geschichte Israels im Alten Testament. Wenn man die Bibel liest, geht es ganz wesentlich um diese Gebiete im heutigen Westjordanland. Es ist kein Randgebiet Israels, sondern das Zentralgebiet. Ich erkläre das.
Im Norden und im Süden befinden sich die Stammesgebiete von Issachar, Manasse, Ephraim, Benjamin, Juda und den levitischen Städten. Das gehört ganz klar zur Verteilung des Landes unter insgesamt zwölf Stämmen.
Ein wichtiger Ort ist Sichem, heute Nablus, eine der größten palästinensischen Städte im Westjordanland. Sichem war der Ort, an dem Gott den Bund mit Abraham schloss (1. Mose 12,7): „Deiner Nachkommenschaft werde ich dieses Land geben.“ Ausgerechnet im Westjordanland wurde dieser Bund geschlossen, exakt 430 Jahre vor dem Auszug aus Ägypten und dem Bund am Sinai, wie Galater 3 ausdrücklich bestätigt.
Sichem war lange der Wohnsitz von Jakob, dem Vater Jakob. Dort wurde die Bundeserneuerung unter Josua vollzogen, als er den großen Stein in Sichem aufstellte (Josua 24) und den Bund vom Sinai bestätigte. Dort findet man auch das Grab von Joseph. Sichem war die erste Königsstadt der zehn Stämme; Jerobeam I. hatte dort seinen Königssitz.
Jericho war die erste Stadt Israels unter Josua bei der Landnahme.
Hier noch kurz zu den Ruinen von Sichem: Dort befindet sich genau der Ort, an dem Gott den Bund mit Abraham geschlossen hat. Archäologisch kann man ihn identifizieren, aber das wäre ein anderes Thema. Eines meiner nächsten Bücher wird davon handeln. Dort ist auch der Ort, an dem Josua seinen Stein aufgestellt hat. Man sieht ihn auf der Aufschüttung oben.
Das ist jedoch nicht das Thema dieses Vortrags, daher habe ich keinen besonderen Fokus darauf gelegt. Man sieht die Häuser darum herum, das ist ein Vorort von Nablus, einer palästinensischen Stadt.
Man sieht noch etwas genauer die berühmte Mauer, die eigentlich berühmt sein sollte: die Mauer 900. Dort ist ein heiliger Bezirk aus der Mittel- und Bronzezeit IIa. Das ist der Ort, an dem Abraham seinen Altar hatte, als Dank für den Bund: „Deiner Nachkommenschaft werde ich dieses Land geben.“
Das ist auch der Stein von Josua, den er dort aufgerichtet hat, um den Bund vom Sinai zu bestätigen. Die Schichtverhältnisse stimmen perfekt mit der strengen biblischen Chronologie überein.
Dann gibt es noch Shiloh, den Standort der Stiftshütte über Jahrhunderte hinweg, Bethel, den Ort der Verheißung für Jakob, Gibeah, die Königsstadt Israels unter König Saul, Jerusalem als Hauptstadt und Standort des ersten und zweiten Tempels, Hebron, insbesondere Ostjerusalem, wo Abraham lange Zeit wohnte und David in seinen ersten Jahren Königssitz hatte.
Auch Tirza – das ist nicht nur ein Name, sondern eine Stadt – und Samaria waren Königstädte der zehn Stämme. Bethlehem sollte nach Micha 5 der Geburtsort des Messias sein. Heute liegt Bethlehem jenseits des Checkpoints. Wie sollte der Messias dort geboren werden, wenn keine Juden mehr dort leben?
Hier sieht man die Mauern, die in Shiloh um die Stiftshütte herumgebaut wurden. Das ist der Standort der Stiftshütte, und die Maße stimmen gut, sodass die Stiftshütte dort hineinpassen konnte. Das alles liegt im Westjordanland.
Wir sind also am Ort der Anbetung in Shiloh und in Jerusalem. In Ostjerusalem, in der Davidstadt, gibt es eine gigantische Steinaufschüttung, die David angelegt hat. Oberhalb des Millo hat Elad Mazar vor einigen Jahren Überreste des Davidspalastes ausgegraben. Diese sehr großen Steine sind markant anders als sonstige Bausteine.
Nach 1967 förderte die israelische Regierung aus strategischen Gründen den Siedlungsbau im Westjordanland. Sie sagten: „Geht ins Westjordanland, baut hier Siedlungen, wir brauchen das.“ Zwar würde man einen Teil der Gebiete an die Palästinenser, also an die arabischen Palästinenser, abgeben, aber nicht alles. Aus strategischen Gründen müsse Israel dort präsent sein, sonst habe man keine strategische Tiefe, falls Jordanien wieder ein Problem werden sollte. Damals protestierte die Welt nicht. Das Schreien kam erst später.
Noch etwas: Wenn man heute ins Westjordanland reist und dort Tourismus betreibt, muss man vorsichtig sein. Die Straße Nummer 60 von Jerusalem nach Norden bis Shiloh und Nablus ist gesichert und schön zu befahren. Wenn man jedoch von der Straße abzweigt und Nebenstraßen in arabische Dörfer nimmt, muss man aufpassen.
Man trifft dort ständig auf Tafeln, bevor man in ein Dorf oder eine Stadt kommt. Diese Tafeln sind in drei Sprachen: Hebräisch, Arabisch und Englisch. Darauf steht: „This road leads to area A under the Palestinian Authority. The entrance for Israeli citizens is forbidden, dangerous to your lives and is against the Israeli law.“
Diese Straßen führen also in Zone A. Im Zuge der Friedensverhandlungen mit den Palästinensern – ich meine damit die arabischen Palästinenser – in den 1990er Jahren wurde festgelegt, dass gewisse Siedlungen unter israelischer Kontrolle bleiben, andere Gebiete von der Armee patrouilliert werden und wieder andere Gebiete ganz in die Verwaltung der Palästinenser übergehen. Das ist Zone A.
In Zone A dürfen keine Israelis hineingehen. Das ist wirklich gefährlich. Gerade in den Nachrichten konnte man hören, dass sich amerikanische Juden in Hebron verirrt haben und fast zu Tode gesteinigt worden wären. Hätte nicht ein Palästinenser aus Hebron die Tür geöffnet und sie gerettet, wäre es schlimmer ausgegangen. Ein schönes Beispiel.
Man muss also wirklich auf diese Tafeln achten und nicht einfach hineingehen. Umgekehrt ist das in Kernisrael nicht so. In rein jüdischen Gebieten gibt es keine roten Tafeln mit der Aufschrift „Achtung Araber, hier darfst du nicht rein, sonst kommst du nicht mehr lebend raus.“ Darüber habe ich in den Medien noch nie etwas gehört.
Man muss diese Tafeln kennen, sonst kann man sich im Westjordanland nicht sicher bewegen.
Und dann kam im Herbst 1973 der Jom-Kippur-Krieg. Die arabische Welt um Israel herum versuchte zum dritten Mal, Israel zu vernichten. Das war eine Katastrophe.
Am Jom Kippur, als die Armee noch nicht mobilisiert war, weil damals Fernsehen und Radio – anders als heute – nicht sofort informiert hatten, griff man Israel an. Es war der dritte Versuch, das Land auszulöschen. Doch auch diesmal überlebte Israel.
Damit haben wir die Einleitung hinter uns. Ja, die Einleitung war Teil eins. Heute Abend geht es um Teil zwei.
Wir haben nun die Basis geschaffen und die Geschichte mit all ihren Schichten erarbeitet. So kann man den Bibeltext viel einfacher verstehen. Aber das braucht es, wie wir gleich sehen werden – also heute Abend.
Vielen Dank an Roger Liebi, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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