Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen, ebenso alle Freunde und Bekannten. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.
Es ist so: Ich nehme zum ersten Mal an meinem eigenen sechzigsten Geburtstag teil. Ich sehe dies als eine Gelegenheit, dem Schöpfer zu danken, der mich vor sechzig Jahren als Geschöpf geschaffen hat.
Die Bedeutung des Schöpfers und der Anfang mit Jesaja
Jesaja 43,1: Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
Und das führt uns eigentlich zum nächsten Programmpunkt.
Einführung in das Konzertprogramm und die Musik von Pachelbel
Sie haben auf dem ausgeteilten Konzertprogramm gesehen: Nach Joseph Michel folgt jetzt Johann Pachelbel (1653–1706) mit seinem bekannten Kanon in D-Dur. Über Pachelbel selbst ist fast nichts bekannt, dafür ist dieser Kanon weltberühmt.
Es ist mir wichtig, dass man das, was man hört, auch versteht und erkennt, was es ausdrückt. Deshalb habe ich mich entschieden, ein kommentiertes Programm, ein kommentiertes Konzert zu gestalten.
Ich habe das sehr eindrücklich erlebt, vor einiger Zeit, als ich ein Konzert in Sydney, Australien, gegeben habe. Danach kamen unter anderem einige Asiaten zu mir und sagten: „Jetzt verstehen wir diese Musik endlich.“ Oft hört man Musik und weiß gar nicht, was sie aussagen soll.
Der Pachelbel-Kanon ist folgendermaßen aufgebaut: Was ein Kanon ist, weiß jeder aus der Schule. Aber dieser Kanon ist ein großer Kanon, ein Riesenkanon, und zwar mit drei Stimmen, gespielt von drei Violinen. Als Bassstimme gibt es einen Boden, also eine Begleitung im Bass.
Diese Mehrstimmigkeit ist so gestaltet, dass jede einzelne Stimme eine eigene Melodie hat. Trotzdem ergibt sich zusammen mit den anderen Stimmen ein harmonisches Ganzes.
Historischer Hintergrund der Musik und die Verbindung zur Schöpfungsordnung
Warum hat man gerade in der Zeit von Bachelbel so viele Kanons, Fugen und Fugetten geschrieben und komponiert? Damals stand Europa noch immer unter dem tiefen Eindruck der Entdeckungen von Johannes Kepler. Es war ihm gelungen, den Lauf der Planeten mathematisch genau zu berechnen – und zwar nicht kreisförmig, sondern in einer Ellipse. Außerdem sind die Planeten nicht immer gleich schnell unterwegs. Kepler konnte das alles ganz genau mathematisch beschreiben.
Ganz Europa war von dieser Erkenntnis überwältigt. Das ganze Universum, die gesamte Schöpfung schien mathematisch durchdacht und logisch zu sein. Warum leben wir nicht in einem absurden Universum? Atheisten müssten eigentlich erwarten, dass das Universum gar nicht unbedingt logisch ist. Doch die Antwort war damals für die Masse klar: Sie kam aus der Bibel. Diese Ordnung komme daher, weil der Schöpfer sie so hineingelegt habe.
Kepler schrieb ein Buch über seine Astronomie mit dem Titel „Harmonia Mundi“ – Harmonie der Welt. Er nahm einen Begriff aus der Musik und stellte fest, dass das, was da läuft – die Planeten, der Mond, der um die Planeten kreist und so weiter – eine Art Musik sei. Alles spricht von Harmonie. Die Musik damals sollte ein Abbild dieser Ordnung im Universum sein.
So kann man sagen: Bachelbel und all die mehrstimmige Musik aus dieser Zeit entstanden, um Gottes Lob als Schöpfer zu erhöhen. Durch das Christentum entwickelte sich die Musik, die so konsequent mehrstimmig ist. In keiner anderen Kultur hat sich das so herausgebildet – weder in Afrika, noch bei den Indianern oder in China. Nur in Europa, und zwar bewusst aus der Überlegung heraus, das Lob Gottes zu erhöhen.
Wenn man also diesen Kanon hört und darüber nachdenkt, was er bedeutet, hört man ihn ganz anders. Ich spiele die erste Stimme als Solostimme, dann die zweite und dritte Geige. Im Bass sind die Celli und der Kontrabass, und natürlich wird das Ganze harmonisch durch das Cembalo ausgefüllt. Der Dirigent ist Andreas Kuss, der am Anfang die Begrüßung gemacht hat.
Persönliche Verbindung zu Bach und die Bedeutung seines Klavierkonzerts
Das nächste Stück, das für mich ein besonderes Highlight ist, stammt von Johann Sebastian Bach (1685–1750). Es handelt sich um das fünfte Klavierkonzert, also das Konzert für Klavier und Orchester in F-Moll, Bach-Werkverzeichnis 1056.
Dieses Stück hat mich mein ganzes Leben begleitet. Es gehörte bereits zu meinem Repertoire, als ich als junger Mann Musik in Zürich am Konservatorium und an der Musikhochschule studierte. Bach spielte dabei immer eine ganz grundlegende Rolle für mich.
Besonders hat mich dieses Stück begleitet. Wenn es darum geht, zu erklären, was dieses Stück bedeutet, möchte ich das sehr persönlich machen. Erstens ist das Stück in F-Moll, der zweite Satz dann in As-Dur. Das hat schon eine besondere Aussagekraft.
Bei Musikstücken mit Text ist es oft einfacher, herauszufinden, was das Stück bedeuten soll. Wenn kein Text vorhanden ist, sagt die Tonart schon einiges aus. Die 24 Tonarten in der klassischen Musik, also Dur- und Molltonarten, haben alle eine besondere Bedeutung in der Musikgeschichte.
Man sagt, F-Moll ist besonders die Tonart, die Tod, Grab, Ewigkeit, die Ahnung des Jenseits, aber auch den Frieden Gottes und Seligkeit ausdrückt. Jede Tonart hat so ihren eigenen Charakter. F-Moll ist eine sehr dunkle Tonart, nicht wahr? Der zweite Satz steht in As-Dur. Auch As-Dur wurde in diesem Sinn als Tonart des Todes und des Grabes verstanden.
Weiterhilft uns der zweite Satz, der nicht neu von Bach für dieses Konzert komponiert wurde. Er war bereits früher die Einleitung, die einleitende Sinfonie zur Kantate 156. Dieses Stück, genau mit dieser Melodie, wird dort mit einer Oboe und dem Orchester gespielt. Es bereitet die Tonart für das erste Gesangsstück vor.
Dort singt der Tenor: „Ich stehe mit einem Fuß im Grabe, bald fällt der kranke Leib hinein. Komm, lieber Gott, wenn dir's gefällt, ich habe schon mein Haus bestellt. Nur lass mein Ende selig sein.“
Zwischendurch kommt immer wieder der Sopran hinzu und singt einen Choral, der hineingewoben ist. Der Sopran singt: „Mach's mit mir, Gott, nach deiner Güt. Hilf mir in meinem Leiden, was ich dich bitte, versag mir nicht. Wenn sich mein Seel soll scheiden, so nimm sie, Herr, in deine Hände, ist alles gut, wenn gut das endet.“
So geht es weiter. Es geht um Krankheit und Tod. Der Dichter drückt aus: „Wenn meine Krankheit zum Tod führen will, ich bin bereit, es anzunehmen. Aber, Herr, wenn du mein Leben noch weitergehen lässt, dann bin ich dir dafür dankbar.“
Reflexion über Leben, Sterben und die Bedeutung des Geburtstags
Eben seinen sechzigsten Geburtstag zu feiern, ist wirklich ein Anlass, bei dem man sich noch intensiver mit dem Leben und vor allem mit dem Sterben beschäftigen sollte. Ich habe im Vorfeld dieser Feier gesagt: „Lieber kommen meine Freunde jetzt, und ich habe etwas dabei, als bei meiner Beerdigung.“ Ja, es ist viel fröhlicher, aber trotzdem ernst.
Dieses Stück ist also sehr ernst, und ich denke dabei besonders an Psalm 90, Vers 12: „So lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Dieser Psalm drückt die Vergänglichkeit des Lebens aus. Mit sechzig wird einem das besonders bewusst: „Sechzig Jahre, und so schnell ist es vergangen.“ So schnell!
Ich spiele das Stück so, dass der erste Satz mein Leben bisher bis heute ausdrückt. Dann folgt das Nachdenken über das Sterben, dargestellt im zweiten Satz: „Ich stehe mit einem Fuß im Grabe.“ Für mich persönlich kann ich sagen, ich wäre bereit zu gehen. So wie der Dichter sagt: „Ich habe mein Haus bestellt.“ Doch wenn der Herr mir noch weitere Jahre schenkt, nehme ich das aus Dankbarkeit an. Das ist dann der dritte Satz, der ab morgen ausdrückt.
Der erste Satz ist von Bach nicht mit einem bestimmten Tempo versehen. Man muss einfach spüren, welches das richtige Tempo ist. Es wird aus einem Allegro maestoso ein würdiges und majestätisches Stück, das dennoch fließt. Das ist Bach: Es muss fließen wie ein Bach.
Im zweiten Satz singt das Klavier himmlisch. Ich habe Geige gelernt, weil das Klavier eigentlich nicht singen kann, damit ich doch auch singen kann. Aber hier zeigt sich, dass das Klavier eben doch singen kann. Das Orchester zupft nur die Saiten, wie eine Harfe, sodass es klingt, als wären wir im Himmel.
Der dritte Satz ist dann flott, schnell, mit der Bezeichnung Presto.
Vielleicht noch eine Anmerkung zum Klavier: Warum stelle ich es so komisch hin, mit dem Rücken zum Orchester? Das ist zwar nicht ganz üblich, aber es ist eine neue Art. Auch Daniel Barenboim, wenn er das Orchester selbst dirigiert, macht das so, und es hat sich bewährt. So kann man das Orchester viel besser dirigieren.
Das Ganze ist dann eben noch mehr ein Guss.
Händels Largo als Ausdruck innerer Ruhe und familiärer Prägung
Wir kommen zum nächsten Programmpunkt: Georg Friedrich Händel, 1685 bis 1759. Wir spielen das wunderschöne und bekannte Largo „Ombra mai fu“. Es ist eigentlich eine Tenorarie aus einem Werk über Xerxes, über das Leben von Xerxes. Xerxes ist der Mann von Esther in der Bibel, dort wird er Ahasveros genannt.
Händel war in meinem Elternhaus ganz wichtig. Von klein auf habe ich das so mitbekommen. Ich muss auch sagen, dass mir die Musik eben von meinen Eltern her eingepflanzt wurde. Mein Vater war ein guter Pianist, und meine Mutter hat mir gesagt: „Das ist schön“ und „Das ist schön“. Ich habe ihr einfach geglaubt und fand es auch schön.
Ich erinnere mich noch daran, wie eine Platte mit der Wassermusik und der Feuerwerksmusik von Händel in unser Haus kam. Diese wurde immer wieder abgespielt – einfach wunderschöne Musik. Natürlich spielte auch Händels Werk „Der Messias“ eine ganz große Rolle in unserer Familie.
Das Thema Messias sollte auch später in meinem Leben sehr prägend sein. Mit 14 Jahren bekam ich ein Buch geschenkt, von denen, die ihn kennen, Hans Grobe. Es war ein Buch von einem messianischen Juden aus Amerika, John Meldau, mit dem Titel „Der Messias in beiden Testamenten“. Darin zeigte er, wie im Alten Testament vor Christus über 300 Prophezeiungen auf den Messias hinweisen, die in Jesus von Nazareth erfüllt wurden.
Ich erinnere mich heute noch gut daran, wie ich als Vierzehnjähriger am Schreibtisch saß, las und unterstrich. Ich war so überwältigt, kann ich sagen. John Meldau schreibt, dass es über 300 Prophezeiungen gibt, behandelt in seinem Buch aber vielleicht sechzig davon.
Ich dachte damals: Ich suche ein Buch, in dem alle behandelt sind, fand aber keines. Also begann ich mit 16 Jahren, eine Liste zu schreiben. Ich arbeitete das ganze Alte Testament durch und schrieb jedes Mal, wenn ich eine Prophezeiung fand, die sich in Jesus Christus durch sein erstes Kommen vor zweitausend Jahren erfüllt hatte, diese auf.
Ich schrieb wirklich systematisch: erstens, zweitens, drittens. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich bei 299, 300, 301 und so weiter war. Das hat mich sehr geprägt. Ich kann auch sagen, dass ich nie das Problem des Zweifels als junger Mensch hatte – und auch später nicht.
Ich sage nicht, dass es schlimm ist, wenn jemand Zweifel hat. Viele haben das, und es ist nichts Ungewöhnliches. Aber für mich war es ein Geschenk, dass ich dieses Problem nie hatte.
In der Schule, wenn das Christentum angegriffen wurde – typischerweise in der Deutschstunde – war das für mich ein Fest. Dann kam ich mit der messianischen Prophetie, und die Sache war erledigt. Das hat mich so beeindruckt, dass Leute, die so belesen und gelehrt sind, nichts dagegen einwenden konnten.
Mit 18 schrieb ich eine Arbeit über das Thema Messias in der Schule. Diese wurde dann mein erstes Buch. So hat mich dieses Thema mein ganzes Leben hindurch begleitet.
Nun hören Sie ein Stück von Händel, der das, was er als Messias komponiert hatte, offensichtlich tief in sein Herz aufgenommen hatte. Seine Musik ist so gestaltet, dass sie die innere Ruhe ausdrückt, die man in Christus, im Messias, finden kann.
Diese Ruhe wird nicht mystisch dargestellt, das ist interessant. Es ist keine mystische Musik zum Abheben, sondern nüchtern – so wie wir es vorhin auch bei Bach bemerkt haben. Es braucht Energie, man muss präsent sein, aber es bleibt immer realistisch und klar.
Die Nüchternheit bleibt bewahrt, das ist auch in dieser Musik spürbar. Doch diese innere, reale Ruhe drückt sie aus. Das wollte ich noch vor der Pause mit Ihnen teilen.
Vivaldis Konzert und die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies
Das Vivaldi-Berlin-Konzert – Antonio Vivaldi lebte von 1678 bis 1741 – das Konzert für Violine und Orchester in A-Moll, Op. 3, Nr. 6, weckt bei mir lebhafte Erinnerungen an meine Kindheit. Es war eines der Konzerte, das ich schon als Kind besonders geliebt habe. Meine Mutter sagte immer, Vivaldi sei wunderschön, und ich fand das genauso.
Opus 3 ist eine Sammlung von zwölf Violinkonzerten unter dem Titel „L’estro armonico – harmonische Erfindung“. Vivaldi hatte zuvor Opus 1 und 2 veröffentlicht, die ausschließlich Sonaten waren. Mit Opus 3 veröffentlichte er zum ersten Mal Violinkonzerte. Darin zeigte er wunderbare harmonische Ideen und schuf einfach schöne Musik. Diese Konzerte strahlen die Frische des ersten Mals aus.
Die Konzerte von Opus 3 wurden wegweisend für die weitere Musikgeschichte. Sie dienten als Orientierung, und selbst Bach nahm diese Konzerte auf. Er schrieb sie für Cembalo um, fügte weitere Stimmen hinzu, baute sie aus und machte sie noch schöner. So wurden sie zum Vorbild für die Weiterentwicklung solcher Konzerte. Man wird merken, dass im dritten Satz schon die vier Jahreszeiten vorweggenommen werden.
Woher kommt es eigentlich, dass wir so stark auf schöne Musik und das Schöne ansprechen? Für mich wurde vor vielen Jahren klar, dass Kunst und Musik, die das Schöne, Harmonische und Liebliche suchen, eigentlich eine Sehnsucht in uns ausdrücken – die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Wir haben dieses Paradies nicht mehr. Die Schöpfung ist logisch aufgebaut, aber wir erkennen, dass sie eine gefallene Schöpfung ist. Das sagt auch die Bibel.
So ist das Schöne und Harmonische mitten im Leiden und in Traurigkeiten eine Sehnsucht nach diesem idealen Zustand, dem Paradies. Viele Menschen haben diese Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Wenn man jedoch darüber nachdenkt, sollte es eigentlich vielmehr die Sehnsucht nach dem verlorenen Schöpfer sein. Denn mit dem verlorenen Paradies verloren die Menschen auch die Beziehung zum Schöpfer.
Diese Sehnsucht nach dem verlorenen Schöpfer sollte uns dazu führen, die Gemeinschaft mit Gott zu suchen. Für mich ist das ein persönliches Konzert. Vor fünfzig Jahren, als ich zehn Jahre alt war, traf ich ganz bewusst die Entscheidung für Jesus Christus und übergab mein Leben ihm. Diese Entscheidung hat mein ganzes Leben geprägt. Man sieht, ein Zehnjähriger kann etwas entscheiden, das das ganze Leben prägt und alles Weitere beeinflusst.
Das ist eine wichtige Erkenntnis: Die Bibel lehrt uns, dass wir aus dem Paradies vertrieben wurden, weil wir gegen Gott rebelliert haben und gegen seine Gebote. Wir haben uns alle Schuld aufgeladen. Aber Jesus Christus kam vor zweitausend Jahren als der Messias, um für unsere Sünden zu leiden. Das wurde in Jesaja 53 vorausgesagt. Der Messias nimmt stellvertretend das gerechte Gericht auf sich, das wir verdient haben.
Jeder, der seine persönliche Schuld Jesus bekennt und bereut – im persönlichen Gebet –, dem wird die Vergebung Gottes zugesprochen. So können wir zurückkehren zum Schöpfer. In diesem Sinn möchte ich dieses Konzert spielen: als Erinnerung an das verlorene Paradies und an den verlorenen Schöpfer. Doch es gibt einen Weg zurück.
Der Mittelsatz ist ganz speziell und klingt wie himmlische Musik. Die Celli sind still, der Kontrabass auch, ebenso das Cembalo. Dafür begleiten die Solovioline drei Violinen und die Bratschen. Teilweise ist die Begleitung sogar höher als die Solostimme. Es entsteht ein wunderbarer, eigenartiger Klang. So hat Vivaldi in „L’estro armonico“ ausprobiert, wie man das Schöne noch schöner ausdrücken kann.
Denken Sie daran: Bei dreisätzigen Stücken sollte man zwischen den Sätzen nicht klatschen. Die Pause gehört ebenfalls zur Musik. Das ist ganz wichtig, denn in dieser Ruhe geschieht viel, und dann folgt das Nächste, denn es ist eine Abfolge.
Persönliche Einblicke in Ehe und Musik von Peter Ritzi
Als nächster Programmpunkt auf Ihrem Blatt folgt Peter Ritzi. Er ist ein Schweizer Komponist, geboren im Jahr 1956. Er hat zur gleichen Zeit wie ich am Konservatorium in Zürich studiert.
Meine Frau spielt seine Gansonetta für Panflöte, allerdings spielt sie sie mit der Blockflöte.
An dieser Stelle möchte ich noch etwas zum Thema Heiraten sagen. Wir sind seit 34 Jahren verheiratet. Damals, als ich noch ein junger Mann war, wurde ich manchmal gefragt: „Warum willst du sie heiraten?“ Es ist gut, wenn Väter solche konkreten Fragen stellen.
Ich hätte damals ganz genau sagen können, warum ich sie heiraten wollte und warum ich überzeugt war, dass sie die richtige Frau ist, die Gott mir schenken wollte. Heute habe ich sogar noch mehr Gründe dafür.
Es ist doch wunderbar, dass man im Leben wirklich durch Jesus Christus geführt werden kann. Man sieht nicht alles, was auf einen zukommt. Doch in der Rückschau erkennt man umso mehr, wie Gott alles genau so geführt hat.
Zum Abschluss möchte ich noch ein kleines Lied, ein Liedchen, vortragen.
Bach und die Orchestersuite als Ausdruck von Freude und Trost
Als nächster Punkt ist nochmals Johann Sebastian Bach dran, und zwar das Stück, das aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken ist: das R aus der Orchestersuite in D-Dur. Dieses Stück spiele ich zu allen möglichen Gelegenheiten, sei es bei einer Hochzeit. Genau dieses Stück drückt eine innere Freude und ein Glück aus, aber sehr verhalten und mit tiefen Gefühlen – nicht oberflächlich. Gleichzeitig eignet es sich auch für Beerdigungen.
Im Jahr 2009, damals waren wir ein großer Teil der Familie in Kanada, kam die Nachricht: Nathan ist gestorben. Das war ein Schlag wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wir kamen zurück und hatten dann diese Beerdigung. Es war ein furchtbarer Schlag, denn eigentlich hatten wir schon früher damit rechnen müssen, dass die Hälfte unserer Kinder sterben könnte. Aber es wurde immer wieder gut, und wir haben so viele Erlebnisse gehabt. Es wurde immer wieder gut.
Mit der Zeit hat sich das Gefühl entwickelt: Es kann geschehen, was will – es wird sowieso immer wieder gut. Und da, das muss ich sagen, war ein Schlag, der mich verändert hat. Seit 2009 bin ich nicht mehr derselbe. Das gleiche Vertrauen auf den Herrn habe ich zwar noch wie vorher, aber ich rechne jetzt auch mit der Möglichkeit, dass es auch einmal so sein kann. Jetzt ist es eben so.
Ich habe mir vorgestellt, wie das bei der Beerdigung gehen soll, und ich habe mir gesagt: Ich werde das R von Bach spielen. Damals in der Stadtkirche in Aarau. Man hat mir gesagt: „Bist du sicher? Das schätzt dich vielleicht, aber das kannst du gar nicht.“ Ich war mir aber irgendwie sicher: Doch, das geht. Und ich habe es gespielt. Es hat wirklich genau das ausgedrückt.
Dieses Stück drückt einen tiefen Frieden und ein Getrostsein auch im tiefsten Leid aus. Das ist fantastisch. Woran liegt das, dass diese Musik das ausdrücken kann? Wir können es erklären und sagen, was es ausmacht. Aber es hängt eben mit dem Glauben von Bach zusammen.
Gideon Krämer, einer der ganz großen Geiger der Welt und selbst jüdischer Geiger, hat gesagt: Bach kann man nicht spielen oder verstehen, wenn man nicht den Glauben von Bach versteht. Das ist wirklich untrennbar verbunden. Bach hat immer wieder über die Noten geschrieben, das, was wir hier in seinem Schriftzug auf der Einladung haben: „Soli Deo Gloria“ – allein Gott die Ehre.
Gedanken zum Vortragstempo und die Bedeutung von Pausen
Ja, es ist gut, dass es manchmal Pausen gibt. Ich habe gehört, ich hätte zu schnell gesprochen – zumindest für gewisse Leute. Deshalb ändere ich das jetzt und möchte vielleicht erklären, warum ich so schnell gesprochen habe.
Ich wusste, dass die Zeit begrenzt ist. Das ist auch bei Vorträgen oft der Fall: Wenn man nicht anderthalb Stunden, sondern nur die Hälfte der Zeit hat, muss man einfach doppelt so schnell sprechen.
Allerdings ist das nicht immer gut.
Eigene Komposition: Improvisatia Israelit und die Geschichte Israels
Und jetzt folgt der Programmpunkt: ein Stück von mir, Improvisatia Israelit in D-Moll. Ich spiele darin eine etwas erweiterte Version meiner Rhapsodie in D-Moll, Hatikwa – die Hoffnung.
Diese Rhapsodie hat mich über Jahrzehnte begleitet. Ich habe sie immer wieder umgebaut und verändert. Dabei habe ich sie an vielen Orten gespielt: in Asien, Australien, Amerika und so weiter. Dieses Stück liegt mir sehr, sehr am Herzen.
Ich möchte kurz erklären, was der Text der israelischen Landeshymne bedeutet:
„Kollod bei Lewaw Penima, Nefesh Yehudi Homia, Ulefatei Mizrach Kadima, Ein Lezion, Lezion Sophia.“
Auf gut Deutsch heißt das: Solange im Herzen drinnen sich eine jüdische Seele noch sehnt und vorwärts hin nach Osten ein Auge nach Zion schaut, solang ist unsere Hoffnung, Tikwa, Hoffnung. Solange ist unsere Hoffnung nicht verloren, die Hoffnung von zweitausend Jahren, ein freies Volk in unserem Land, im Lande Zion und Jerusalem.
In diesem Stück habe ich versucht, die gesamte Geschichte von zweitausend Jahren Judentum darzustellen: die Zerstreuung der Juden unter allen Völkern, die ständige Verfolgung und der immerwährende Judenhass. Bis hin zur Heimkehr in unserer Zeit, im letzten Jahrhundert, 1948, als der Staat Israel wieder gegründet wurde.
Das Stück ist voll von Symbolik. Die Glocken am Anfang erinnern an die Kirchenglocken, die im Frühjahr 1945 läuteten, als der Zweite Weltkrieg vorbei war und die Konzentrationslager geöffnet wurden. Kurz darauf, nachdem sechs Millionen Juden getötet worden waren, kam es zur Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948.
Daran erinnert das Thema der Landeshymne Israels am Anfang, das ich vorspiele. Danach folgen Variationen über dieses Thema – freie Variationen, daher der Name Rhapsodie. Diese Variationen stellen die zweitausend Jahre jüdischer Geschichte dar, von siebzig nach Christus bis ins zwanzigste Jahrhundert. Dauernde Verfolgung und Zerstreuung unter alle Völker, gehasst und geächtet in aller Welt.
So, wie die Bibel es vorausgesagt hat in 5. Mose 28, Vers 64: Gott wird sein Volk zerstreuen unter alle Völker, von einem Ende der Erde bis zum anderen – von Südamerika bis China, von Kanada bis Australien, von Schweden bis Südafrika. Wortwörtlich hat sich diese Prophezeiung erfüllt.
Ich spanne den Bogen bis zum Frühjahr 1945. Die Stelle am Schluss klingt etwas ziellos, aber sie ist nicht atonal. Ich verlasse nie die Tonalität. Für mich ist dort eine klare rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Es gibt noch andere rote Linien in der Musik, aber das ist eine davon.
Es ist so, dass der Hörer an dieser Stelle nicht mehr genau weiß, in welcher Tonart wir sind. Ich verschleiere die Tonart, doch wir bleiben immer noch in der Tonart. Es wirkt etwas ziellos und repräsentiert den Moment der geöffneten Konzentrationslager, als der ganze abscheuliche Schrecken der Nazis ans Licht kam.
Dann kommt plötzlich das Thema wieder zurück, von Anfang an. Man erkennt es sofort. Das symbolisiert die Staatsgründung 1948. Es ist die Erfüllung der Prophetie, zum Beispiel Hesekiel 36,24. Im sechsten Jahrhundert vor Christus hat Gott gesagt: „Ich werde euch sammeln aus allen Nationen und euch in euer Land bringen.“
Das hat Gott in der Bibel gesagt, bevor das jüdische Volk weltweit zerstreut worden war. Er hat schon angekündigt, dass er sie weltweit sammeln wird. Das ist Prophetie, und das gibt es nur in der Bibel.
Deshalb kann man wirklich sagen: Erfüllte Prophetie ist der Test der Religionen. Alle Religionen fallen durch, außer der Bibel. Sie enthält hunderte solcher echten Prophetien. Das möchte ich hier ausdrücken.
Das ganze Ende wird durch ein Feuerwerk in schnellen chromatischen Oktavenläufen unterstrichen.
Ich möchte vielleicht noch sagen, dass dieses Stück auch mit meiner Lebensgeschichte zusammenhängt. Als Teenager war ich sehr beeindruckt von Franz Liszt, besonders von seinem zweiten Klavierkonzert. Unsere armen Nachbarn mussten das oft ertragen. Wir wohnten in einem Mietshaus mit billigem Zins. Mein Bruder sagte, wir lebten im Slum von Dietikon, aber es war ein schönerer Slum.
Ich habe viel geübt, und die Nachbarn haben es ertragen. Ständig hörten sie das zweite Klavierkonzert. Als es um das Konservatorium ging, sagte mein Lehrer: „Du spielst die Mazeppa von Liszt.“ Das ist eines der schwersten Stücke für Klavier. Es ist voller Oktavenläufe.
Als Jugendlicher merkte ich, dass mir diese Technik liegt. Deshalb habe ich sie in diesem Stück eingesetzt. Diese Mittel dienen dazu, mit der Musik genau das auszudrücken, was ich ausdrücken wollte.
Abschluss mit einem persönlichen Lied und Gebet aus Psalm 139
So, endlich sind wir am Schluss. Ich versetze mich in Ihre Lage. Das Letzte wird wieder eine Zusammensetzung von Chor, Orchester und Klavier sein – mein Lied, das ich als Jugendlicher komponiert und in den Unterricht eingebracht hatte.
Ich war Student bei dem israelischen Komponisten Yehoshua Lackner. Er selbst war als Dreizehnjähriger etwa vor den Nazis aus der Tschechoslowakei geflohen und kam damals noch nach Palästina, das war vor der Staatsgründung. Dort studierte er in Tel Aviv Musik und machte eine Laufbahn als Komponist. Er ist vor einigen Jahren verstorben.
Ich hatte ihm dieses Lied auch noch zur Korrektur vorgelegt, und er war zufrieden. Der Text, den ich verwendet habe, hat mich sehr geprägt: die Schlusssätze aus Psalm 139, wo König David sagt: "Erforsche mich, o Gott, und erkenne mein Herz. Prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Weg."
Ich habe mit zehn Jahren eine bewusste Entscheidung für Jesus Christus getroffen. Doch es brauchte noch einiges Weiteres. Ich muss sagen, dass diese Entscheidung mit zehn Jahren ganz klar und bewusst war. Allerdings hatte ich damals noch kein wirkliches Sündenbewusstsein. Das kommt erst als Teenager – oder sollte kommen –, es geschieht nicht automatisch.
Mir wurde dann wichtig, mein Leben wirklich aufzuräumen und in Ordnung zu halten. Dieser Gedanke hat mich sehr geprägt: dass man nichts in seinem Leben stehen lässt, was die Gemeinschaft mit Gott, mit Jesus Christus, trübt.
Immer wieder war mein Gebet: "Erforsche mich, Gott, erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken." Auch das, was mir nicht bewusst ist, möchte ich ans Licht bringen.
Das war ein ganz wichtiger Grundstein für alles, was Gott dann in meinem Leben schenken konnte. In diesem Sinn ist dieses Schlusslied zu verstehen.