Guten Abend, ich möchte alle herzlich begrüßen. Wir kommen heute Abend zu Lukas 7.
Lukas 7 und 8 bilden zusammen wieder einen geschlossenen Abschnitt. Im Lukas-Evangelium ist dies der vierte Teil. Wie wir bereits in den vergangenen Bibelseminaren gesehen haben, ist auch dieser Teil nach einem strengen Plan aufgebaut.
Wie bei allen anderen Teilen sind die Abschnitte in einer harmonischen Weise zusammengefügt. In diesem vierten Teil gibt es insgesamt acht Abschnitte. Dabei spiegeln sich die Abschnitte eins bis vier inhaltlich in den Abschnitten fünf bis acht wider.
Diese Spiegelung ist wichtig, weil ein Abschnitt den anderen interpretiert und uns zeigt, worauf es eigentlich ankommt und worauf wir besonders achten sollten.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass man nicht nur diese Spiegelungen beachten sollte, sondern auch den linearen Verlauf. Das bedeutet, den Ablauf von einer Geschichte zur nächsten, von einem Abschnitt zum nächsten, genau zu verfolgen.
Gerade hier unterscheidet sich Lukas wieder von Markus und Matthäus. Jeder der Evangelisten hat den Erzählstoff so angeordnet, dass durch den Ablauf eine ganz bestimmte Botschaft herauskommt. Diese Botschaft ist einzigartig für jedes einzelne Evangelium.
Einführung in den Aufbau von Lukas 7 und 8
Lesen wir zu Beginn Kapitel 7, die Verse 1 bis 17. Das wäre also genau dieser erste Teil. Dann könnten wir noch die Spiegelung lesen, Kapitel 8, Verse 22 bis 25, weil wir in einem Abend nicht zwei ganze Kapitel schaffen.
Kapitel 7, Vers 1: Nachdem er alle seine Worte vor den Ohren des Volkes beendet hatte, ging er nach Kapernaum hinein. Der Knecht eines gewissen Hauptmanns, der ihm wert war, war krank und lag im Sterben.
Als der Hauptmann von Jesus hörte, sandte er Älteste der Juden zu ihm und bat ihn, dass er komme und seinen Knecht gesund mache. Als diese zu Jesus kamen, baten sie ihn inständig und sprachen: „Er ist würdig, dass du ihm dies gewährst. Denn er liebt unsere Nation und hat uns die Synagoge erbaut.“
Jesus aber ging mit ihnen. Als er nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen: „Herr, bemühe dich nicht, denn ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach trittst. Darum habe ich mich selbst auch nicht für würdig erachtet, zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird geheilt werden. Denn auch ich bin ein Mensch, der unter Befehlsgewalt steht und Soldaten unter mir hat. Ich sage zu diesem: ‚Geh!‘, und er geht, und zu einem anderen: ‚Komm!‘, und er kommt, und zu meinem Knecht: ‚Tu dies!‘, und er tut es.“
Als Jesus dies hörte, verwunderte er sich über ihn. Er wandte sich zu der Volksmenge, die ihm folgte, und sprach: „Ich sage euch, selbst in Israel habe ich so großen Glauben nicht gefunden.“
Als die Abgesandten in das Haus zurückkehrten, fanden sie den kranken Knecht gesund. Danach geschah es, dass Jesus in eine Stadt ging, genannt Nain. Viele seiner Jünger und eine große Volksmenge gingen mit ihm.
Als er sich dem Tor der Stadt näherte, siehe, da wurde ein Toter herausgetragen, der einzige Sohn seiner Mutter. Sie war eine Witwe, und eine zahlreiche Volksmenge aus der Stadt ging mit ihr.
Als der Herr sie sah, wurde er innerlich bewegt und sprach zu ihr: „Weine nicht!“ Er trat hinzu und berührte die Bahre. Die Träger aber blieben stehen. Er sprach: „Jüngling, ich sage dir, steh auf!“
Der Tote setzte sich auf, fing an zu reden und gab ihn seiner Mutter zurück. Alle aber ergriff Furcht, und sie verherrlichten Gott und sprachen: „Ein großer Prophet ist unter uns erweckt worden, und Gott hat sein Volk besucht.“
Diese Rede über ihn verbreitete sich in ganz Judäa und in der ganzen Umgebung.
Es geschah aber an einem der Tage, dass er in ein Schiff stieg, er und seine Jünger. Er sprach zu ihnen: „Lasst uns übersetzen an das jenseitige Ufer des Sees.“ Sie fuhren ab.
Während sie fuhren, schlief er ein. Ein Sturm kam auf den See, das Schiff lief voll Wasser, und sie waren in Gefahr.
Sie traten zu ihm und weckten ihn auf mit den Worten: „Meister, Meister, wir kommen um!“
Er aber wachte auf, schaltete den Wind und das Wogen des Wassers, und sie hörten auf. Es trat Stille ein.
Er sprach zu ihnen: „Wo ist euer Glaube?“ Erschrocken und erstaunt sagten sie zueinander: „Wer ist denn dieser, dass er auch den Winden und dem Wasser gebietet, und sie ihm gehorchen?“
Das Thema Rettung vor dem Tod und seine Bedeutung
Vielen Dank! Im ersten Abschnitt, in Lukas 7, geht es zunächst um das Thema Rettung vor dem Tod – allerdings im Sinne von Rettung vor Todesgefahr. Der Hauptmann von Kapernaum hat einen Knecht, der am Sterben ist, und der Herr macht ihn gesund.
Im nächsten Abschnitt bleibt das Thema Rettung vom Tod bestehen, das eigentlich das Hauptthema in diesem Teil ist. Hier ist jedoch jemand tatsächlich gestorben. Das zeigt, dass der Herr nicht nur jemanden retten kann, der fast stirbt, sondern auch jemanden, der bereits tot ist.
Ich möchte kurz erläutern, wie man herausfindet, was das besondere Thema in einem Abschnitt ist. Man muss darauf achten, welche Themen wie ein roter Faden durch die verschiedenen Geschichten laufen und welche Ausdrücke und Begriffe verwendet werden. Wir werden gleich sehen, dass es hier sehr stark um das Thema Rettung und Retter geht.
Im vergangenen Teil, in den Kapiteln 5 und 6, ging es vor allem um das Thema Autorität und auch um die Frage, was Sünde ist. Doch wie erkennt man, dass es hier um das Thema Rettung geht?
In der ersten Geschichte finden wir in Vers 3 die Bitte, dass der Herr komme und den Knecht gesund mache. Wichtig ist zu wissen, dass das Wort für „gesund machen“ hier „dia sozo“ ist. „Sozo“ bedeutet „retten“ und ist in den Evangelien ein sehr gebräuchliches Wort für „retten“. Auch im Matthäus- und Markus-Evangelium wird oft das griechische Wort „sozo“ verwendet, das im Deutschen häufig mit „heilen“ übersetzt wird, eigentlich aber „erretten“ bedeutet. In der Elberfelder Bibel ist dies oft in den Fußnoten sichtbar. Hier wird es sogar mit der Vorsilbe „dia“ verstärkt, was „durch“ bedeutet und im Sinne von „vollständig retten“ zu verstehen ist.
Schauen wir nun in Lukas 7, Vers 50. Dort geht es um die Sünderin im Haus des Pharisäers Simon. Der Herr vergibt ihr die Sünden. Vers 50 lautet: „Er sprach aber zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet, geh hin in Frieden.“ Auch hier begegnet uns wieder das Wort „sozo“ im Zusammenhang mit Rettung.
Ein weiteres Beispiel finden wir in Kapitel 8, Vers 12. In diesem Abschnitt geht es um das vierfache Ackerfeld und den Samen, das Wort Gottes, das auf den Weg gesät wird. Vers 12 lautet: „Die aber an dem Weg sind, das sind diejenigen, die hören; dann kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihren Herzen weg, damit sie nicht glauben und errettet werden.“ Hier wird deutlich, dass es um Errettung durch Glauben geht.
Auch beim besessenen Gadarener, der von einer Legion Dämonen besessen war, finden wir das Wort „sozo“. In Kapitel 8, Vers 36, heißt es: „Die es aber gesehen hatten, verkündeten ihnen, wie der Besessene geheilt worden war.“ Das griechische Wort für „geheilt“ ist hier „sozo“, das typische Wort für „retten“. Der Mann wird also von der dämonischen Macht gerettet.
Die Frau, die Sünderin, und der besessene Mann in den Kapiteln 7, Vers 36 und folgenden, zeigen eine Parallele. Der Herr sagt beiden Frauen genau dasselbe: Ihr Glaube hat sie gerettet.
Parallelen zwischen den Heilungsgeschichten und das Thema Glauben
Und wenn wir schon dabei sind, vielleicht noch ein Detail, damit man wirklich versteht, wie diese Harmonien zusammenpassen.
Die Frau, die Sünderin im Haus des Pharisäers – kannst du gerade mal vorlesen, Lukas 7,36?
Lukas 7,36: Es bat ihn aber einer der Pharisäer, dass er mit ihm essen möge, und er ging in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch. Und siehe, da war eine Frau in der Stadt, die eine Sünderin war, und als sie erfahren hatte, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl, trat von hinten an seine Füße heran, weinte und begann, seine Füße mit Tränen zu benetzen.
Ja, und so weiter. Also, diese Frau kommt von hinten und berührt den Herrn.
Jetzt in der Parallelgeschichte, Lukas 8,43, da lese mal Vers 43: „Und eine Frau, die seit zwölf Jahren an einem Blutfuss litt und obwohl sie ihren ganzen Lebensunterhalt an die Ärzte verwandt hatte, von niemandem geheilt werden konnte, kam von hinten heran und berührte die Quaste seines Gewandes. Und sogleich hörte ihr Blutverlust auf.“
Jawohl, auch diese Frau kommt von hinten und berührt den Herrn.
Und in der parallelen Geschichte sagt sich der Pharisäer Simon so in Gedanken: Wenn dieser Mann, Jesus von Nazareth, ein Prophet wäre, dann würde er merken, was für eine Frau ihn da berührt.
In dieser Parallelgeschichte ist ja bekannt, dass der Herr, obwohl er von der Volksmenge gedrängt wird, sagt: „Jemand hat mich berührt.“ Und er beharrt darauf, obwohl die Jünger sagen: „Ja, jemand hat dich berührt, das ist ja klar in der Volksmenge.“ Er beharrt darauf, dass da jemand ganz bestimmt ihn berührt hat, bis die Frau dann alles zugibt.
So hat Lukas, geleitet durch den Heiligen Geist, das Lukasevangelium komponiert. Und das gilt für alle Abschnitte, von Lukas 1 bis zum Schluss ist alles so harmonisch aufgebaut.
Das hilft uns jetzt zu sehen: Es geht hier um das Thema Rettung. Wir haben jetzt ein paar Stellen gesehen, aber das war noch nicht erschöpfend. Schon mal klar ist, dass das Wort „retten“ – Sozo – ganz wichtig ist.
Überall dort, wo auch ein anderes Wort gebraucht wird für „heilen“, gibt es verschiedene Begriffe. Zum Beispiel Lukas 7,21 – kann das jemand lesen? „In jeder Stunde heilte er viele von Krankheiten und Plagen und bösen Geistern. Und vielen Blinden schenkte er das Augenlicht.“
Das ist nicht das Wort Sozo, sondern Therapeu. Wir kennen das Wort Therapie. Therapeu heißt heilen.
Weil aber durch das häufig gebrauchte Wort „retten“ im Sinn von heilen klar wird, dass Heilungen durch den Herrn in den Evangelien ein Bild der Rettung sind, können wir auch dann, wenn ein anderes Wort gebraucht wird, immer daran denken: All diese Heilungen von Krankheiten und Plagen sind ein Bild für die Rettung eines Menschen.
Ein anderes Wort ist noch zu erwähnen: In Kapitel 7, Vers 10 – wer liest das? „Als die Abgesandten in das Haus zurückkehrten, fanden sie den kranken Knecht gesund.“
Das ist jetzt dieser Totkranke, der wird gesund. Das Wort hier für gesund sein ist Hygiene, das kennen wir von Hygiene, also gesund sein.
So wird also klar: Es geht um Rettung. Und noch ein Thema zieht sich durch den Text: die Frage, wer ist der Retter, wer ist Jesus Christus.
Zweifel und Ablehnung gegenüber Jesus als Retter
Das wird zum Beispiel klar in dem Abschnitt in Kapitel sieben, Vers achtzehn. Kann das jemand vorlesen?
Kapitel 7, Vers 18: Und dem Johannes berichteten seine Jünger über dies alles.
Weiter, ja, gerne.
Und Johannes rief zwei seiner Jünger herzu, sandte sie zu Jesus und ließ ihm sagen: Bist du der Kommende? Oder sollen wir auf einen anderen warten?
Als aber die Männer zu ihm gekommen waren, sprachen sie: Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und lässt dir sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?
Jawohl, also Johannes der Täufer im Gefängnis hat plötzlich ein Glaubenstief. Da stellt sich die Frage: Ist Jesus Christus wirklich der Messias? Er hat ihn ja als Messias angekündigt und eingeführt, aber jetzt, im Gefängnis, kommt natürlich die Frage auf: Warum hat er mich bis jetzt nicht befreit aus dem Gefängnis? Und was ist mit dem Joch der Römer? Ist er vielleicht doch nicht der Messias? So kommt hier die Frage auf: Bist du der Kommende?
Er hat Zweifel. Aber in dem gleichen Abschnitt, der zusammenhängend bis Vers 35 geht, sehen wir, wie die Gegner des Herrn, die Pharisäer, die ihn ablehnten, sich Gedanken machten, wer er ist.
Liests jemand Kapitel 7, Verse 33 bis 34?
Johannes, der Täufer, ist gekommen, der weder Brot aß noch Wein trank, und ihr sagt, er hat einen Dämon. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der da isst und trinkt, und ihr sagt: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern.
Jawohl, also hier sieht man nicht nur die Frage: Bist du der Kommende oder sollen wir auf einen anderen warten? Sondern auch die klare Ablehnung. Er ist es nicht, weil der Herr eben nicht asketisch gelebt hat wie Johannes der Täufer, der sich von Heuschrecken und Honig ernährte. Er hat Wein getrunken und gegessen.
Wir haben zum Beispiel gesehen, dass er im Haus von Matthäus zusammen mit Sündern und Zöllnern war, die zum Glauben geführt werden sollten. Und da kommen die Feinde und sagen: Er ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern.
Also es geht um die Frage: Wer ist Jesus Christus? Ist er der Retter oder eben nicht?
In der Geschichte, die wir schon gelesen haben über die Stillung des Sturmes, nachdem der Herr die Naturgewalten in eigener Autorität beruhigt hat, kommt dort die Frage auf.
Kapitel 8, Vers 25: Er aber sprach zu ihnen: Wo ist euer Glaube? Erschrocken aber erstaunten sie und sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass er auch den Winden und dem Wasser gebietet und sie ihm gehorchen?
Ja, jetzt kommt die richtige Frage auf: Wer ist denn das? Jemand, der einfach in eigener Autorität dem Wind gebietet, und die Wellen und die Naturgewalten werden beruhigt. Nicht im Namen Gottes, sondern er kann in seiner eigenen Autorität die Naturgewalten beruhigen. Wer ist denn dieser?
Also es geht um die Frage: Wie geht Rettung und wer ist der Retter?
Und so können wir noch weiterfahren und anhand dieser zwei Kapitel zeigen, dass immer wieder diese Frage gestellt wird: Wer ist Jesus Christus?
Es lohnt sich ganz besonders, auf all die Titel und Namen, besonders in diesen zwei Kapiteln, zu achten – die Namen des Herrn Jesus.
Der Hauptmann von Capernaum als Beispiel für Glauben und Demut
So, jetzt gehen wir der Reihe nach vor. Der Herr kommt nach Kapernaum (Lukas 7,1). Es geht hier um einen Hauptmann. Im Griechischen wird das etwas genauer bezeichnet: Hauptmann ist vielleicht etwas zu allgemein. Es handelt sich um einen Zenturio, also einen Offizier, der über hundert Soldaten steht. Das Wort sagt es ja – er hat hundert Soldaten unter sich. Er ist also kein General, aber doch jemand mit einer gehobenen Position in der Armee.
Dieser Zenturio hatte einen Knecht, der am Sterben war. Nun schickt er Älteste der Juden zum Herrn Jesus, um ihn um Heilung zu bitten. Er selbst geht nicht persönlich hin. Warum will er nicht selbst kommen, obwohl er eine hohe soziale Stellung hat? Der Grund ist die Furcht vor dem Herrn. Das hängt direkt zusammen mit seiner Begründung: Er sagt nicht, ich habe so viel Ehrfurcht, darum komme ich nicht, sondern er sagt, ich bin unwürdig. In welchem Vers steht das? In Vers 7.
Schon in Vers 6 sagt der Herr am Schluss: „Bemühe dich nicht, denn ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach trittst.“ Und dann sagt der Hauptmann in Vers 7: „Ich bin nicht würdig.“ Obwohl er gesellschaftlich eine hohe Position im Römischen Reich hatte als Zenturio, als Hauptmann, sagt er, ich bin unwürdig. Auch in der jüdischen Gesellschaft hatte er einen besonderen Platz. Warum? Weil er die Synagoge finanziert hatte. In welchem Vers steht das? In Vers 5.
Diese Ältesten der Juden kommen zum Herrn und sagen, dieser Mann sei würdig. Er sagt selbst, ich bin unwürdig, sie aber sagen, er ist würdig und er liebt Israel. Das war etwas Besonderes, denn wir müssen wissen: Antisemitismus begann nicht erst im Nazireich, sondern zieht sich durch alle Jahrhunderte hindurch. Schon die alten Römer waren schuldig, denn Antisemitismus war im Römischen Reich weit verbreitet – Hass und sogar Spott über die Juden und ihre besonderen Gesetze.
Aber hier ist ein Römer, der Israel liebt. Das wird besonders hervorgehoben. Er hat sogar die Synagoge erbaut. Das Besondere ist, dass man die Überreste dieser Synagoge heute noch sehen kann. In Kapernaum wurden im 20. Jahrhundert Ausgrabungen gemacht von Wohnhäusern aus dem ersten Jahrhundert und auch die Synagoge gefunden. Die Kalksteinsynagoge aus weißem Stein, die sehr gut erhalten ist, stammt allerdings aus dem 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus. Sie ist aber auf Basaltfundamenten aus schwarzem Gestein gebaut, und diese Basaltfundamente stammen aus dem ersten Jahrhundert. Das ist offensichtlich die Synagoge, die dieser Hauptmann gespendet hatte.
In späterer Zeit hatten die Juden in Kapernaum offenbar Reichtum erlangt und importierten daher den Kalkstein von anderswo, denn der typische örtliche Stein ist der vulkanische Basalt, schwarz.
Christoph fragt: Der Hauptmann hat Jesus ja nie selbst gesehen. Er hat nur von Jesus gehört. Er hatte also Glauben aus Berichten, die andere ihm erzählt hatten. Man könnte sagen, dieser Glaube ist erstaunlich, weil er Jesus nicht persönlich erlebt hat. Allerdings muss man bedenken, dass der Herr in Kapernaum wohnte. Es ist also möglich, dass er Jesus bei Veranstaltungen miterlebt hat. Aber hier wird klar: Er kommt nicht persönlich zu Jesus, um ihm seine Bitte zu bringen. Er sagt, ich bin unwürdig, direkt mit dir Umgang zu haben.
Diese Art von Glauben – ist das nicht ein Zeichen, dass er wiedergeboren ist? Dass er dieses Vertrauen hat? Es ist wirklich erstaunlich, dass sogar der Herr sich darüber erstaunt.
Liest jemand Vers 9 vor? Vers 9 lautet: „Als aber Jesus dies hörte, wunderte er sich über ihn und wandte sich zu der Volksmenge, die ihm folgte, und sprach: Ich sage euch selbst, nicht in Israel habe ich so großen Glauben gefunden.“
Ja, der Mann liebte Israel, war aber kein Israelit. Sein Glaube ist so groß und vorbildlich, dass der Herr ihn in ganz Israel nicht vorfand. Das bestätigt genau, was gesagt wurde.
Man muss den Kontrast sehen: In dieser Geschichte wird klargemacht, dass es keinen so großen Glauben in Israel gibt. Aber unter den Heiden hat der Herr diesen Mann gefunden.
In der Parallelgeschichte wecken die Jünger den Herrn in Todesgefahr auf dem See. Das ist der typische Wind des Sees Genezareth, der Scharkiye, wie man ihn auf Arabisch nennt. Der Wind kommt zuweilen von den Golanhöhen herunter und kann den idyllischen, romantischen See Genezareth in kurzer Zeit in einen Sturm verwandeln. Bis ins 20. Jahrhundert war dieser Wind gefürchtet von Fischern, so gefährlich war er.
Einen solchen Sturm, einen Scharkiye von den Golanhöhen, erlebten die Jünger, und der Herr schlief im Boot. Sie wecken ihn auf, und er stillt den See. In Vers 25, Kapitel 8, sagt der Herr zu ihnen: „Wo ist euer Glaube?“ Erschrocken und erstaunt sagen sie zueinander: „Wer ist denn dieser, dass er auch den Winden und dem Wasser gebietet und sie ihm gehorchen?“
Jetzt muss man sich vorstellen, der Herr spricht hier zu Israeliten, und zwar nicht zu irgendwelchen Israeliten, sondern zu seinen auserwählten Jüngern. Und er muss ihnen sagen: „Wo ist euer Glaube?“ Merken wir den Kontrast? Und dann sagt er: „Nicht einmal in Israel habe ich solchen Glauben gefunden.“
Das zeigt, wie harmonisch diese Geschichten einander gegenübergestellt werden, um zu zeigen, dass dieser Glaube etwas ganz Außergewöhnliches ist. Das macht das Lukasevangelium auf jeden Fall klar.
Noch mehr: In Lukas 10 sagt der Herr, wie die Heiden in Tyrus und Sidon reagiert hätten mit Buße auf die Wunder des Herrn, was in Israel nicht der Fall war. Das zeigt wieder das Problem des Unglaubens in Israel, bei denen, die es am besten hätten wissen können. Die Heiden tun Buße. Das ist genau die Absicht von Lukas, um zu zeigen – wie ich schon mehrmals sagte – im Lukasevangelium zieht sich ein roter Faden: Die Gnade Gottes geht über die Grenzen Israels hinaus zu den Heiden.
Darum ist diese Geschichte wichtig: Ein Römer hat einen Glauben, wie man ihn in Israel nicht einmal findet.
Doch jetzt kommt die eigentliche Pointe: Er selbst sagt, ich bin unwürdig, zum Herrn zu kommen, darum schickt er andere Leute. Welchen Fehler machen die Ältesten von Kapernaum, diese jüdischen Ältesten? Sie machen den großen Fehler, dass sie weltliche Gerechtigkeit anlegen. Sie sagen, er ist würdig, weil er Israel liebt und die Synagoge gebaut hat.
Aber wenn es um Rettung geht, zählt das nicht. Es geht nicht darum, was wir gespendet oder Gutes getan haben, sondern vor Gott müssen wir erkennen: Ich bin unwürdig. Ich bin nicht einmal würdig zu kommen.
Das ist genau der Fehler des Judentums, dass man lehrte, der Mensch werde durch Werke gerettet. Das Neue Testament zeigt, das Evangelium zeigt: Nein, im Römerbrief steht klar, nur durch Glauben allein.
Gut, wenn ich sage, das Judentum hat dieses Problem entwickelt, so sehen wir später in der Geschichte der Christenheit, dass es genauso wieder aufkam – durch Werke, durch Leistung –, bis Luther feststellen musste: Nein, wenn ich auf meine Leistung schaue, ist sie nichts wert. Wie kann ein gerechter Gott einem Sünder gnädig sein? Er musste genau das lernen, was der Hauptmann lernte: Ich bin unwürdig.
Ich habe überhaupt nichts, was ich vorweisen kann vor Gott, worauf ich ein Recht ableiten könnte, dass er mir gnädig ist.
Der Glaube wird noch deutlicher in einer weiteren Weise: Was erwartet der Hauptmann vom Herrn? Er glaubt, dass Jesus ihn heilen kann, ohne persönlich anwesend zu sein. Er muss nicht einmal da sein. Er glaubt auf Distanz.
Und noch etwas: Er glaubt, dass Jesus nur ein Wort sprechen muss. Er ist überzeugt, dass der Messias ein Wort sprechen muss, und dann geschieht es.
Diese Geschichte ist parallel zu einer anderen Geschichte. Was haben wir dort gesehen? Der Herr hat gesprochen, hat den Wind und die Wellen mit einem Wort geboten, und dann kam die Ruhe. Da wird gezeigt, wer er ist. Er kann sogar die Natur durch sein Wort zügeln.
Und hier wird klargemacht: Durch sein Wort kann er vor dem Tod retten.
Gerade die nächste Geschichte mit dem Jüngling von Nain zeigt das. Dort spricht er auch einfach ein Wort. Liest jemand Lukas 7,14 vor?
„Und er trat hinzu und rührte die Bahre an, die Träger aber blieben stehen, und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Und der Tote setzte sich auf, fing an zu reden und gab ihn seiner Mutter.“
Und die Reaktion? „Alle aber ergriff Furcht, und sie verherrlichten Gott und sprachen: Ein großer Prophet ist unter uns erweckt worden, und Gott hat sein Volk besucht.“
Der Herr spricht ein Wort, und der Tote wird auferweckt.
Ganz wichtig: Er sagt nicht „Jüngling, ich sage dir im Namen Gottes, steh auf!“, sondern „Ich sage dir, steh auf!“ Das heißt in eigener Autorität, nicht wie ein wundertätiger Prophet – etwa Elija oder Elisa –, die im Namen Gottes beteten und Wunder taten.
Er kann ein Wort sprechen.
Der Hauptmann sagt: Sprich nur ein Wort, und es geschieht.
In Verbindung mit der Geschichte von Nain spricht der Herr ein Wort, und der Tote wird auferweckt.
Das ist ein Beweis für seine Gottheit: Er ist Gott und Mensch in einer Person.
Und Gott hat sein Volk besucht. Das heißt: Sie erkennen, dass Gott der Herr da ist.
Sie erkennen die Macht Gottes, dass Gott auf Besuch gekommen ist.
Ich komme noch auf diesen Ausdruck zurück.
Die Reaktion haben wir gesehen: „Alle aber ergriff Furcht.“
Und wie ist das in der parallelen Geschichte mit der Rettung vor dem Tod auf dem See Genezareth (Lukas 8,25)?
„Erschrocken, aber erstaunten sie.“
Auch das ist parallel gestellt.
Nun etwas ganz Wichtiges: Der Hauptmann hat erkannt, ich bin unwürdig, ich habe keine Rechte. Aber ich bitte ihn einfach, und er kann es mit einem Wort tun, und so geschieht es.
Warum hat Lukas noch die Geschichte vom Jüngling zu Nain hinzugefügt? Diese Geschichte kommt nur im Lukasevangelium vor. Die Geschichte mit dem Hauptmann kommt auch anderswo vor, aber diese ist exklusiv bei Lukas.
In der ersten Geschichte haben wir einen Hauptmann, der eine höhere Position im Römischen Reich und auch eine angesehene Position unter den Juden hat – als Ausländer.
Hier aber haben wir eine Witwe, die wirklich nichts mehr hat. Sie hat ihren Mann verloren und jetzt sogar noch ihren Sohn. Eine Frau, der jeder ansieht, dass sie nichts mehr vorzuweisen hat.
Der Herr kommt, und wie ist seine innere Reaktion, seine innere Haltung? Das wird ausdrücklich von Lukas beschrieben: Erbarmen.
Wo steht das? In Vers 13.
Carlo, liest du mal Vers 13 vor?
„Und als der Herr sie sah, wurde er innerlich bewegt über sie und sprach zu ihr: Weine nicht!“
Der Ausdruck „innerlich bewegt“ ist besonders kostbar. Er zeigt, dass es nur die unverdiente Gnade Gottes und sein inneres Erbarmen sind, die zur Rettung führen.
Wo kommt dieser Ausdruck „innerlich bewegt“ noch vor im Lukasevangelium? Bei Lazarus – da war er auch bewegt. Aber der Ausdruck „innerlich bewegt“ kommt nicht so vor, er weint dort, aber nicht „innerlich bewegt“.
Eine weitere Stelle ist Lukas 10, Vers 33. Carlo, liest du den Vers bitte vor?
„Aber ein Samariter, der auf der Reise war, kam zu ihm hin, und als er ihn sah, wurde er innerlich bewegt. Und er trat hinzu, verband seine Wunden und goss Öl und Wein darauf, setzte ihn auf sein eigenes Tier, führte ihn in eine Herberge und trug Sorge für ihn.“
Der gleiche Ausdruck wird für den guten Samariter verwendet. Das wird in Kapitel 10 wichtig sein, um das richtig zu interpretieren.
Wer ist der gute Samariter? Das ist der Herr Jesus.
Man muss bedenken, dass in Johannes 8 als Schimpfwort „Du bist ein Samariter“ verwendet wird.
Hier im Gleichnis vergleicht er sich mit diesem Samariter, der innerlich bewegt ist.
Man muss sich vorstellen: Er ist ein Mann, der von Jerusalem nach Jericho geht. Das ist ein Gefälle von über einem Kilometer.
Jerusalem heißt „Stadt des Friedens“, die Stadt Gottes. Er geht weg von der Stadt des Friedens Richtung Jericho, der Stadt des Fluches (Josua 6).
Das ist die Geschichte des Menschen, der sich von Gott und der Gemeinschaft mit Gott im Garten Eden entfernt hat.
Unterwegs wird er von Räubern halb totgeschlagen – ein Bild für Satan, den Menschenmörder von Anfang an, wie der Herr ihn in Johannes 8 nennt.
Dann kommen ein Priester und ein Levit vorbei, aber sie helfen nicht.
Das hat eine besondere Bedeutung: Leviten und Priester repräsentieren die Tora, das Gesetz, das sagt: Wenn du dies tust, wirst du leben.
Das war die Verheißung der Tora.
Aber Gott hat die Tora gegeben, damit alle Israeliten merken: Wir können das gar nicht und können nicht ewiges Leben durch das Einhalten der Gebote erlangen.
Wir brauchen jemanden, der sich über uns erbarmt, sodass wir nicht mehr sagen können: Ich bin würdig.
Das Gesetz kann niemanden retten, genauso wenig wie der Levit und der Priester halfen.
Dann kommt ein Samariter, der auf der Reise war.
Vom Leviten und Priester heißt es nur, sie kamen „von ungefähr“, etwas Zufälliges, Ungeplantes.
Beim Samariter heißt es, er war auf der Reise.
So ist der Herr Jesus nach dem Plan Gottes, nach dem Rettungsplan Gottes gekommen und hat Rettung gebracht – ohne Verdienst.
Niemand kann sich auf ein Recht berufen. Wir sind abhängig davon, dass er innerlich bewegt ist über uns.
Eine weitere Stelle ist Lukas 15, Vers 20.
„Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt und lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn sehr.“
Der Sohn spricht: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“
Bis hierhin sehen wir in der Geschichte vom verlorenen Sohn, dass der Vater – Gottvater – innerlich erbarmt ist über unseren verlorenen Zustand. Nur so gibt es Rettung.
Der Sohn muss sich über uns erbarmen, der Vater muss sich über uns erbarmen – und so gibt es Rettung ohne Anspruch.
Darum ist in unserer zweiten Geschichte, die aus zwei Geschichten besteht – Rettung vom Tod –, eine Witwe vorgestellt.
Um klarzumachen: Auch dort, wo jemand keine Position mehr hat und nichts mehr vorweisen kann, gibt es den Herrn, der innerlich bewegt ist und retten kann.
Es ist dann schön, wie es in Vers 15 heißt: „Und er gab ihn seiner Mutter.“
Sie hatte nichts mehr, aber der Herr gibt und macht sie reich.
Wir haben gelesen, die Volksmenge sagt: „Gott hat sein Volk besucht.“
Kommt dieser Ausdruck „besucht“ irgendwo anders vor? Ja, in Lukas 1,78. Das ist ein Leitmotiv, das immer wiederkehrt.
In der Musik kennt man dieses Phänomen vom Leitmotiv: Man hat einen Wiedererkennungseffekt.
Im Lukasevangelium ist das ein Leitmotiv.
Lest Lukas 1,67-68 und 78 vor:
„Und Zacharias, sein Vater, wurde mit dem Heiligen Geist erfüllt und weissagte und sprach: Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, dass er sein Volk angesehen und ihm Erlösung geschaffen hat.“
Die Übersetzung sollte hier besser heißen: „Dass er sein Volk besucht und ihm Erlösung bereitet hat.“
Weiter, Vers 77-78:
„Um seinem Volk Erkenntnis des Heils zu geben in Vergebung ihrer Sünden durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, mit der uns der Aufgang aus der Höhe besucht hat.“
Das ist genau der gleiche Ausdruck, der dreimal im Lukasevangelium vorkommt.
Das macht deutlich, dass das Lukasevangelium zeigt, wie der Herr Jesus vom Himmel in diese Welt gekommen ist.
So hat Gott uns besucht.
Das Lukasevangelium ist aufgebaut in zwei Teile: Teil 1 bis Kapitel 9, Vers 50, beschreibt sein Kommen in die Welt.
Der zweite Teil, ab Kapitel 9, Vers 51 bis zum Schluss, beschreibt eine Reise.
Der Herr geht weiter und weiter, schließlich nach Jerusalem, um dort zu leiden, und dann geht er in die himmlische Herrlichkeit. Es endet mit der Himmelfahrt.
So haben wir den Besuch, und in der zweiten Hälfte sehen wir, wie der Herr von diesem Besuch aufbricht und zurückkehrt in die himmlische Herrlichkeit.
Bei dieser Wende, in Lukas 9,51, ist der Herr Jesus in Samaria und nennt sich den Samariter auf der Reise.
Ja, ganz genau, das ist der Samariter auf der Reise.
Dort bricht seine Reise an (Lukas 9,51) im Zusammenhang mit dem Samariterland, wie er dann zurückgeht in die himmlische Herrlichkeit.
Übrigens: Was heißt Samariter? Samaria heißt auf Hebräisch Shamron, davon leitet sich Samariter ab.
Die Wurzel ist Shamar, was „beobachten“ oder „einhalten“ bedeutet.
Das ist das typische Wort im fünften Buch Mose, das etwa fünfzigmal vorkommt, wenn es heißt, du sollst diese Gebote beobachten und einhalten.
Beobachten und Einhalten heißt Schamar.
Das ist das typische Wort für das Buch des Gehorsams, im fünften Buch Mose geht es um das Einhalten der Gebote.
Aber wir wissen, dass niemand das geschafft hat.
Der Herr Jesus ist der Einzige, der sagen konnte: Ich bin gekommen, nicht um das Gesetz aufzulösen, sondern um es zu erfüllen, das heißt, in seiner ganzen Fülle darzustellen.
Er ist der Einzige, der die Tora wirklich eingehalten hat und damit der wahre Samariter ist.
Samariter heißt also „der Einhaltende“, „der Beobachtende“, und zwar der Gebote Gottes.
Genau diese Stelle habe ich erwähnt, nur als Lästerung.
Dort wird er von seinen Feinden lästerlich genannt: „Du bist ja ein Samariter und hast einen Dämon.“
Der Herr benutzt das Wort Samariter, um zu zeigen, wie er gekommen ist, um innerlich bewegt Rettung zu bringen.
Dann gehen wir jetzt weiter.
Johannes der Täufer und die Frage nach dem Messias
Und den Johannes berichteten seine Jünger über all dies. Johannes rief daraufhin zwei seiner Jünger zu sich, sandte sie zu Jesus und ließ ihm sagen: „Bist du der Kommende? Oder sollen wir auf einen anderen warten?“
Als die Männer zu Jesus gekommen waren, sagten sie: „Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und lässt dir sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?“
In jener Stunde heilte Jesus viele von Krankheiten, Plagen und bösen Geistern. Vielen Blinden schenkte er das Augenlicht.
Er antwortete ihnen und sprach: „Geht hin und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen umher, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird gute Botschaft verkündigt. Glückselig ist, wer sich durch mich nicht Anstoß nehmen lässt.“
Als die Boten des Johannes weggegangen waren, begann Jesus zu den Volksmengen über Johannes zu reden: „Was seid ihr in die Wüste hinausgegangen, um zu sehen? Ein Schilfrohr, das vom Wind hin und her bewegt wird? Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen mit weichen Kleidern bekleidet? Siehe, die in herrlicher Kleidung und in Üppigkeit leben, sind an den Königshöfen. Aber was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Propheten? Ja, ich sage euch, sogar mehr als einen Propheten. Dieser ist es, von dem geschrieben steht: ‚Siehe, ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg vor dir bereiten wird.‘ Denn ich sage euch: Unter den von Frauen Geborenen ist kein größerer Prophet als Johannes der Täufer. Der Kleinste aber im Reich Gottes ist größer als er.“
Und das ganze Volk, das zuhörte, sowie die Zöllner, rechtfertigten Gott dadurch, dass sie sich von Johannes taufen ließen. Die Pharisäer und Gesetzeslehrer hingegen machten den Ratschluss Gottes an sich selbst wirkungslos, weil sie sich nicht von ihm taufen ließen.
Ja, bis dahin haben wir das schon besprochen: Johannes im Gefängnis hat plötzlich ein Glaubenstief erlebt. Das ist für manche vielleicht eine Ermutigung, die in einer besonderen Lebenssituation ein Glaubenstief durchmachen und denken: Wie ist das möglich? Kann jemand, der ein richtiger Gläubiger ist, bekehrt und wiedergeboren, plötzlich solche Zweifel bekommen?
Aber es ist ermutigend zu sehen, dass Johannes, von dem der Herr sagt, er sei nicht nur ein einfacher Prophet, sondern der größte unter den von Frauen Geborenen, eine solche Glaubenskrise erlebte. Also muss man nicht verzweifeln, wenn man vielleicht in einer Depression so tief unten ist, dass man das Gefühl hat, nicht mehr weiterzukönnen und alles dunkel erscheint.
Wir sehen aber auch, wie Johannes vom Herrn herausgeführt wird. Das ist die andere Seite. Der Herr kann wieder herausführen. Er schickt Jünger, um zu fragen: „Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten? Bist du der Retter?“
Johannes hatte natürlich noch nicht erlebt, was wir bereits gelesen haben, was in Kapernaum geschah. Zum Beispiel wie der Hauptmann sagen konnte: „Sprich nur ein Wort, und es ist geschehen“ oder wie der Jüngling von Nain aus den Toten auferweckt wurde.
Jarl, hast du etwas dazu zu sagen, Carlo?
Ja, ich habe eine Frage bezüglich des Hauptmanns und Johannes des Täufers. Man spricht von der Wiedergeburt. Aber wie ist das? Ist die Wiedergeburt nicht erst nach Pfingsten möglich gewesen? Kann man sagen, dass es die Evangelien vor Pfingsten auch schon wiedergeborene Menschen gab?
Also deine Frage lautet: Ist es möglich, von Wiedergeborenen zu sprechen, schon vor Golgatha, also auch alttestamentlich oder erst neutestamentlich? Was heißt Wiedergeburt? Das bedeutet, dass jemand Leben aus Gott erhält. Dieses Leben, wie es besonders im ersten Johannesbrief gezeigt wird, ermöglicht es überhaupt, dass wir gottgemäß leben können – nicht aus eigener Kraft, sondern aus der Kraft dieses Lebens aus Gott.
Das macht es überhaupt aus, dass ein Gläubiger gottgemäß leben kann. Im Alten Testament, stell dir vor, Mose wird in 4. Mose 12 als der sanftmütigste Mann auf der ganzen Erde bezeichnet. Gott rühmt ihn! Aber Gott rühmt nicht das Fleisch, die verdorbene Natur des Menschen. Mose war durch den Glauben bereits alttestamentlich erneuert.
Was die alttestamentlichen Gläubigen normalerweise nicht hatten, war der Heilige Geist, der in ihnen wohnte. Wir sehen, wie der Heilige Geist auf gewisse Propheten kam, im Normalfall aber auch wieder ging und wiederkehrte. Die Gläubigen im Neuen Testament ab Pfingsten haben nicht nur das Leben aus Gott, sondern auch den Heiligen Geist, der die Kraft gibt, damit sich das neue Leben im Alltag entfalten kann.
Ja, Christoph?
Wiedergeburt ist nicht mit dem Heiligen Geist verknüpft. Wiedergeburt und Empfang des Heiligen Geistes sind zwei verschiedene Dinge, die im Neuen Testament aber zusammenfallen. Im Normalfall, wie wir ganz am Anfang der Apostelgeschichte sehen, gibt es Ausnahmen bei den Juden, später bei den Samaritern und dann bei den Nichtjuden. Dort haben wir den regulären Fall, wie es auch in den Lehrbriefen, zum Beispiel in Epheser 1,13-14, erklärt wird: Beim Glauben an das Evangelium wird man mit dem Heiligen Geist versiegelt.
Bei den alttestamentlichen Gläubigen war das anders. Man konnte nie den Ausdruck „Wiedergeburt“ erlangen, indem man sich an die Tora hielt. Nein, die Wiedergeburt geschah nie durch das Halten von Geboten. Gott hat die Tora gegeben und sagt in 3. Mose 18: „Wer diese Gebote einhält, wird durch sie leben.“ Aber Gott hat das Gesetz gegeben, um Israel zu zeigen, dass niemand in der Lage ist, Gottes Forderungen zu erfüllen. Rettung ist nur möglich durch Glauben allein und durch die Gnade Gottes, also durch das innerlich bewegte Herz.
Darum sind alle Pharisäer gestorben. Hätten sie ihre Gebote einhalten können, wären sie nicht gestorben. Das ist die Verheißung von 3. Mose 18: „Wer diese Gebote hält, wird durch sie leben.“ Aber wie wurde man im Alten Testament wiedergeboren? Durch Bekenntnis der Sünde, durch Umkehr – also genau nach dem gleichen Grundsatz durch Bekehrung, alttestamentlich wie neutestamentlich. Das war der Weg zur Sündenvergebung und zur Wiedergeburt.
Das heißt, wenn jemand außer dem Herrn das Gesetz voll und ganz befolgt hätte, würde er heute noch leben und so weiter. Wenn jemand die Tora wirklich hätte einhalten können, wäre er nicht gestorben und es gäbe heute noch Pharisäer von vor zweitausend Jahren. Aber das ist eben der Punkt: Das Gesetz war gegeben als Spiegel, um dem Menschen zu zeigen, dass wir nicht durch eigene Werke gerecht werden können.
Ja?
Im Lukas-Evangelium, Kapitel 2, wird auch geschrieben, dass Simeon und Hanna durch die Leitung des Heiligen Geistes im Tempel waren, und das war ja auch noch vor der Apostelgeschichte.
Ja, also Simeon sehen wir in Lukas 2, wie er in den Tempel kam, geleitet durch den Heiligen Geist. Er war eigentlich ein Prophet. Das haben die Propheten im Alten Testament erlebt, dass der Heilige Geist auf sie kam, aber nicht unbedingt ihr ganzes Leben lang. Oft kam der Heilige Geist nur zeitweise, ging wieder weg. Heute gilt für die Gläubigen Johannes 14, wo der Herr Jesus sagt: „Der Heilige Geist wird bei euch sein in Ewigkeit und in euch wohnen.“
Ja, Christoph?
Mich wundert einfach noch das Volk Israel, das Gottes Wunder gesehen hat, Gottes Führung. Jedes Mal, wenn der Herr abgefahren ist, haben sie das richtig gefordert. Hätten sie überhaupt die Möglichkeit gehabt zu glauben? Sie hatten den Heiligen Geist nicht wie ein Prophet. Und wenn du jetzt sagst, das Leben aus Gott ist sehr separat und kommt durch Bekenntnis der Sünde, was sie ja immer wieder getan haben – sie haben immer wieder bekannt –, dann hat es sich aber lange gehalten und ist wieder abgestürzt. Aber konnten sie überhaupt so wie Mose diesen Sinn für Gottes Gerechtigkeit haben?
Also du fragst dich, ob Israel als Nation im Alten Testament überhaupt die Möglichkeit hatte, so verändert zu werden, wie das bei Mose der Fall war.
Ja, und da muss man sagen: Ja, jeder hätte diese Möglichkeit gehabt. Es war ja nicht nur Mose. Wenn wir an Josua und Kaleb denken, von denen Gott sagt, sie sind ihm völlig nachgefolgt – das war ihre Entscheidung, dem Herrn treu zu bleiben. Wir könnten durchs gesamte Alte Testament gehen und all diese Beispiele von wirklich treuen Gläubigen anschauen, meist Führungspersonen.
Wir merken immer: Wenn der König von Israel anfängt, Götzen anzubeten, dann folgen alle ihm. Aber das gilt auch für das Volk selbst. Die einfachen Leute folgten dem König. Wenn der König in Gottes Wegen wandelte, dann auch das Volk. Wenn der König nicht in Gottes Wegen wandelte, dann fiel das Volk ab.
Es war oft so, dass eine Führungsperson, die ein gutes Beispiel war, das Volk mitzog. Und wenn eine Führungsperson abfiel, wie zum Beispiel Salomo, dann fiel auch das Volk ab. Das ist heute in der Christenheit nicht anders. Die Masse der Gläubigen hängt stark von Führungspersonen ab. Wenn diese falsche Lehren verbreiten, glaubt die Masse. Es gibt auch positive Beispiele.
Aber man kann nicht sagen, dass im Alten Testament nur Führungspersonen treu waren. Denk an das Mädchen, das Naaman den Rat gab, unbedingt zum Propheten Elisa zu gehen. Sie war keine Führungsperson. So könnten wir das ganze Alte Testament durchgehen und viele Menschen finden, die keine Führungspersonen waren, nicht im Rampenlicht standen und dennoch treu waren.
Ja, auch die siebentausend, die Gott freudig verschont hat. Zum Beispiel in der Zeit von Elija sagt Gott, er habe siebentausend übriggelassen, die dem Baal nicht die Knie beugen. Das waren für uns Namenlose.
Ja?
Ein Gedankengang zur Witwe und der nachfolgenden Szene mit Johannes lenkt mich an die Szene in der Synagoge, wo Jesus das Gnadenjahr des Herrn verkündet. Gerade die Dinge, die Johannes ausrichtet, führen dazu, dass sie ihn steinigen wollen. Zum Schluss wird noch die Witwe von Zarephath erwähnt. Es gab viele Witwen in Israel, aber Elija ging nur zu dieser Witwe im Ausland. Hier geht Jesus zu einer armen Witwe in Israel und leitet damit die Szene zu Johannes ein – was eine Tröstung und Ermutigung für Johannes war.
Eben in Lukas 4 spricht der Herr von der Zeit von Elija und Elisa und sagt, wie Elija nur zu einer Witwe im Ausland ging, aber hier geht der Herr zu einer Witwe im Inland, einer Israelitin.
Und noch etwas: Du hast auch den Zusammenhang mit dem Gnadenjahr des Herrn angedeutet, das gerade in Lukas 4 in der Synagoge von Nazareth verkündet wurde. Das ist wichtig im Zusammenhang mit unserem Abschnitt.
Nur zum Schluss noch ein letzter Gedanke: Wie reagiert der Herr Jesus auf die Frage „Bist du der Kommende?“ Er sagt: „Erzählt Johannes, was da geschieht. Kranke werden geheilt, Menschen werden von Plagen befreit, böse Geister werden ausgetrieben, Blinde sehen wieder. Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt.“
Jetzt schauen wir uns an, was der Herr in Lukas 4 zitiert hat. Lukas 4,18: Dort liest Jesus in der Synagoge von Nazareth vor:
„Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen. Er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit auszurufen und Blinden, dass sie wiedersehen. Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen ein angenehmes Jahr des Herrn.“
Ja, das ist ein Zitat aus Jesaja 61. Es geht hier um das fünfte Gottesknechtgedicht in Jesaja. Es gibt fünf Gottesknechtgedichte, die auf den Messias hinweisen: Jesaja 42, 49, 50, 53 und 61.
Es wird genau klargemacht: Wenn der Messias kommt, werden diese wunderbaren Dinge geschehen. Gefangene werden befreit aus der Dämonie, Blinde können wieder sehen. Der Herr ruft das „angenehme Jahr des Herrn“ aus.
Dann stoppt Jesus hier. Das ist wichtig, denn in Jesaja 61 folgt nach „auszurufen das angenehme Jahr“ die Zeit des Zorns und des Gerichts. Das lässt der Herr weg.
Wir sehen in Jesaja 61 ein Phänomen, das an verschiedenen messianischen Stellen im Alten Testament vorkommt: Das erste Kommen des Herrn Jesus, des Messias, als Retter und das zweite Kommen als Richter werden in einem Abschnitt zusammengefasst.
Aber der Herr hat in der Synagoge nur bis zum angenehmen Jahr des Herrn gelesen. Es geht nicht weiter mit dem Gericht.
Das war wichtig für Johannes. Der Herr sagt: „Schau, all diese Heilungen geschehen genau so, wie es in Jesaja 61 und auch in Jesaja 35,3-5 gesagt wird.“ Das macht klar, dass Jesus der Messias ist. Aber er ist noch nicht der Messias im Sinn dessen, wie er es sein wird, wenn er das zweite Mal kommt als Richter und alle Weltreiche besiegt.
Johannes darf wissen: Jetzt ist der Messias gekommen, um Gnade zu bringen, aber noch nicht Gericht. Darum blieb Johannes im Gefängnis und wurde schließlich sogar enthauptet.
Das ist ganz wichtig und unterscheidet das Lukas-Evangelium. Es zeigt uns, wie Jesus gekommen ist, das angenehme Jahr des Herrn zu bringen, die Gnadenzeit, aber noch nicht das Gericht. Das ist für später.
Ja, an dieser Stelle müssen wir jetzt aufhören. Ich schlage vor, dass wir beim nächsten Mal wieder bei Lukas 7,18 beginnen und dann weitermachen.