Nachdem wir jahrelang die Offenbarung Kapitel für Kapitel studiert haben, beginnen wir heute ein ganz neues Thema: das Matthäusevangelium aus messianisch-jüdischer Sicht. Das bedeutet im Grunde nichts anderes, als es aus der Perspektive der Jünger Jesu zu betrachten.
Wir starten damit neu, und deshalb eignet sich dieser Moment besonders gut, um ein weiteres Medium zu nutzen. Viele haben die vergangenen Bibelklassen auf YouTube als Audioaufnahme nachgehört. Jetzt bieten wir zusätzlich auch Videoaufnahmen an.
Das sollte niemanden beunruhigen. Es gilt eine klare Regel: Die Kamera ist nur auf mich gerichtet, und eure Identität bleibt geschützt – so, wie es sich gehört.
Heute beginnen wir mit dem Evangelium nach Matthäus. Ich schlage vor, dass wir gleich Kapitel 1 vorlesen.
Darf ich jemanden bitten, den Text laut und deutlich vorzulesen? Das ist sehr wichtig, denn es handelt sich um das Wort Gottes, das inspirierte Wort Gottes.
Auch in Predigten ist es entscheidend, den Bibeltext gut und strukturiert vorzulesen. So wird er besser verständlich. Sollte die Predigt einmal nicht so gut gelingen, kann man am Ende immer noch sagen: Die Worte, die du am Anfang gelesen hast, waren so wunderbar!
Darf ich dich bitten, das Evangelium nach Matthäus, Kapitel 1, vorzulesen?
Geschlechtsregister Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.
Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte Jakob, Jakob zeugte Juda und seine Brüder. Juda zeugte Peres und Serach mit der Tami. Peres zeugte Hetzron, Hetzron zeugte Aram. Aram zeugte Aminadab, Aminadab zeugte Nachschon, Nachschon zeugte Salmon. Salmon zeugte Boas mit der Rahab, Boas zeugte Obed mit der Rut, Obed zeugte Isai, Isai zeugte König David.
König David zeugte Salomo mit der Frau des Uria. Salomo zeugte Rehabeam, Rehabeam zeugte Abia, Abia zeugte Asa, Asa zeugte Josaphat, Josaphat zeugte Joram, Joram zeugte Usia. Usia zeugte Jotam, Jotam zeugte Ahas, Ahas zeugte Hiskia, Hiskia zeugte Manasse, Manasse zeugte Amon, Amon zeugte Josia.
Josia zeugte Jechonja und seine Brüder zur Zeit der Wegführung nach Babylon. Nach der Wegführung nach Babylon zeugte Jechonja Shealtiel. Shealtiel zeugte Serubbabel, Serubbabel zeugte Abihud, Abihud zeugte Eliakim, Eliakim zeugte Asor, Asor zeugte Zadok, Zadok zeugte Achim, Achim zeugte Eliud, Eliud zeugte Eleasar, Eleasar zeugte Matan, Matan zeugte Jakob, Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der Jesus geboren ist, der Christus genannt wird.
So sind es nun von Abraham bis David insgesamt vierzehn Generationen, von David bis zur Wegführung nach Babylon vierzehn Generationen und von der Wegführung nach Babylon bis zu Christus vierzehn Generationen.
Die Geburt Jesu Christi geschah auf folgende Weise: Seine Mutter Maria war mit Joseph verlobt, noch bevor sie zusammengekommen waren. Es stellte sich heraus, dass sie durch den Heiligen Geist schwanger geworden war.
Joseph, ihr Verlobter, war gerecht und wollte sie nicht öffentlich bloßstellen. Deshalb dachte er daran, sie heimlich zu entlassen.
Während er darüber nachdachte, erschien ihm im Traum ein Engel des Herrn. Der Engel sagte: „Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen. Denn das Kind, das in ihr gezeugt ist, stammt vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er wird sein Volk von ihren Sünden retten.“
All dies geschah, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hatte: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären. Man wird ihm den Namen Immanuel geben, was übersetzt ‚Gott mit uns‘ bedeutet.“
Als Joseph vom Schlaf erwachte, handelte er genau so, wie es ihm der Engel des Herrn befohlen hatte. Er nahm seine Frau zu sich, erkannte sie jedoch nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte. Dann gab er ihm den Namen Jesus.
Es ist so, dass wir im Neuen Testament nicht nur ein Evangelium haben, auch nicht zwei oder drei, sondern gleich vier. Zunächst stellt sich die Frage: Warum sind es genau vier Evangelien?
Man kann hier das Prinzip mehrerer Zeugen erkennen. Es wird also nicht nur von einer Person bestätigt, was hier steht, sondern von vier Zeugen. Aber warum genau vier? Warum nicht nur zwei Zeugen? Diese Frage ist wichtig.
Nehmen wir das Stichwort „Zeugen“ einmal auf und betrachten einen Grundsatz aus dem Alten Testament, der vor Gericht galt. Das juristische Prinzip steht in 5. Mose 19,15.
Dort heißt es: Ein einzelner Zeuge soll nicht gegen jemanden auftreten, wegen irgendeiner Ungerechtigkeit oder Sünde. Nur aufgrund von zweier oder dreier Zeugenaussagen soll eine Sache als gültig angesehen werden. Im alten Israel, so hat Gott es gelehrt, galt vor Gericht der Rechtsgrundsatz, dass mindestens zwei Zeugen nötig sind, um ein Zeugnis als wahr anzunehmen. Drei Zeugen wären noch besser, deshalb heißt es „zwei oder drei“.
Nun haben wir aber bei den Evangelien vier Zeugen – also zwei mal zwei. Damit soll ein überaus glaubwürdiges Zeugnis gegeben werden.
Man könnte sich fragen: Warum haben andere Bibelbücher nicht auch eine vierfache Ausführung? Zum Beispiel die Apostelgeschichte, die die ersten drei Jahrzehnte des Christentums beschreibt. Warum gibt es dieses besonders glaubwürdige Zeugnis nur bei den Evangelien?
Der Grund liegt darin, dass es um Jesus Christus, den Sohn Gottes geht. Wir haben es hier mit dem Höhepunkt der gesamten Heilsgeschichte zu tun. Von Ewigkeit zu Ewigkeit, beziehungsweise von der Schöpfung im Anfang (1. Mose 1,1) bis hin zum neuen Himmel und der neuen Erde (Offenbarung 21).
Das ist der absolute Höhepunkt: Gott selbst kam in diese Welt und wurde Mensch. Doch das allein hätte noch niemanden gerettet. Das Kommen von Jesus Christus als Mensch hat vielmehr gezeigt, wie verloren wir sind.
Wenn wir sein Leben in den Evangelien anschauen, wird deutlich, wie weit wir von Gott entfernt sind. Sein Leben kann man wie einen Scheidevorhang sehen. Als der Herr Jesus starb, wurde dieser Scheidevorhang zerrissen.
Das ist der entscheidende Punkt: Er wurde Mensch, damit er schließlich als Mensch für Menschen sterben konnte. So öffnete er uns den Weg zu Gott.
All das zeigen uns alle vier Evangelien. Deshalb ist es von Gott so vorgesehen, dass ein überaus glaubwürdiges Zeugnis vorliegt – zwei mal zwei.
Außerdem hat jeder Evangelist einen anderen Hauptpunkt im Blick.
Was wäre, wenn wir einfach ohne Beweise als Behauptung festhalten, was das besondere Anliegen der Botschaft von Matthäus ist? Jesus Christus ist der König für Israel. Ja, darauf werden wir noch zurückkommen.
Es wurde bereits gesagt – für diejenigen, die es nicht gehört haben –, dass Matthäus Jesus Christus als das Schuldopfer zeigt. Und das stimmt, wie wir noch sehen werden.
Im Judentum, das heißt in der Tora, im Wort Gottes, werden uns vier verschiedene blutige Opfer vorgestellt. In 3. Mose 1-7 sind das das Brandopfer, das Friedensopfer sowie das Sünd- und das Schuldopfer. Diese vier Opfer zeigen vier verschiedene Seiten des Opfertodes des Messias, der nach Jesaja 53 einmal kommen sollte, um all diese Opfer zu erfüllen.
Wir werden sehen, dass man diese vier blutigen Opfer genau den Evangelien zuweisen kann. Matthäus beschreibt das Schuldopfer, Markus das Sündopfer, Lukas das Friedensopfer und ganz eindeutig Johannes das Brandopfer. Aber hier sind wir schon ein bisschen weit vorgegriffen – dennoch ist das ein schöner Punkt.
Matthäus zeigt Jesus Christus als den König, Markus als den Knecht. Man kann feststellen, dass dies genau der Kontrast ist. Eine höhere Karriere als König zu werden, ist kaum möglich. Ja, Präsident von Amerika zu sein, ist etwas, aber König von Amerika zu sein, wäre noch etwas anderes. Als Präsident kann man nach vier Jahren wieder weg sein – manche wünschen sich das sogar schon nach vier Monaten –, aber als König ist das anders vorgesehen.
Der kürzlich verstorbene König von Thailand hat beispielsweise siebzig Jahre als König regiert. Der absolute Kontrast dazu ist der Knecht im Markus-Evangelium.
Und was ist das Anliegen von Lukas? Das Lukas-Evangelium betont, dass Jesus Christus wirklich Mensch geworden ist. Der vollkommene Mensch wird dort gezeigt. Darum wurde Lukas von einem Arzt geschrieben, und Ärzte sollten ja Spezialisten für Menschen sein.
Gerade um die Geburt Jesu und übrigens auch die Jungfrauengeburt Jesu zu beschreiben, wählte Gott einen Arzt – keinen Unwissenden. Das ist der Punkt. Und dieser Arzt verstand, was er schrieb.
Und was ist die Botschaft des Johannesevangeliums? Dort wird Jesus Christus als der Sohn, der Sohn Gottes, dargestellt. Es wurde auch gesagt, dass er der ewige Gott ist.
Man sieht den Kontrast zwischen Mensch und Gott. Ein Mensch ist ein Mensch, und als Mensch muss man sich bewusst sein, wie klein wir vor Gott sind. Etwas Höheres gibt es nicht als Gott zu sein.
So fällt uns auf, dass ein gewisses Schema erkennbar ist: König, Knecht, Mensch, Gott. Zwei Evangelisten betonen die Erhabenheit von Jesus Christus in seiner höchsten Stellung, und zwei betonen seine Herrlichkeit in seiner Erniedrigung – als Knecht und als Mensch.
Wir stellen also bereits fest: Diese Evangelien bilden zwei Gruppen. Zwei beschreiben seine höchste Stellung, und zwei beschreiben seine Stellung in der Erniedrigung.
Wir haben gesehen, dass mindestens zwei Zeugen erforderlich sind, doch hier haben wir sogar zweimal zwei Zeugen. Nun stellt sich die Frage: Was waren eigentlich diese Evangelisten? Waren das alles Apostel?
Tatsächlich waren zwei von ihnen Apostel und zwei neutestamentliche Propheten. Es gab also zwei Apostel und zwei neutestamentliche Propheten. Welche waren Apostel? Matthäus und Johannes. Diese beiden gehörten zu den Zwölfen, also zu den erwählten zwölf Aposteln. Diese Auswahl bezog sich auf Israel, die zwölf Stämme Israels, daher waren es zwölf Apostel.
Der Apostel Paulus wurde als Apostel für die nichtjüdischen Völker berufen. Somit gab es zwei Gruppen von Aposteln: die Zwölf für Israel und Paulus für die Heidenvölker, die Nationen. Matthäus und Johannes sind also Apostel, aber Markus und Lukas nicht. Beide waren jedoch neutestamentliche Propheten, das heißt, von Gott inspirierte Schreiber, die von den Aposteln anerkannt waren und enge Mitarbeiter von Petrus beziehungsweise Paulus.
Petrus hat, wie wir aus der frühchristlichen Überlieferung wissen, das Markus-Evangelium besonders bestätigt. Nachdem Markus es verfasst hatte, erhielt er von Apostel Petrus die apostolische Bestätigung. Petrus nennt Markus in 1. Petrus 5 „meinen Sohn“, das heißt im Glauben. Das zeigt, dass er eine ganz besondere Beziehung zu ihm hatte – ähnlich wie Paulus von Timotheus sagt, er sei sein Sohn, weil er durch ihn zum Glauben kam.
Die Apostel haben also diese Schriften anerkannt: Petrus ausdrücklich das Markus-Evangelium, Paulus das Lukas-Evangelium als inspiriert. Wo sieht man das? In der Schrift selbst. Zum Beispiel in 1. Timotheus 5. Dort zitiert Paulus zuerst das Alte Testament, nämlich die Tora, und sagt: „Die Schrift sagt“, ein üblicher Ausdruck im Judentum, um die Heilige Schrift zu zitieren.
In 1. Timotheus 5,18 heißt es: „Denn die Schrift sagt: Du sollst dem Ochsen nicht das Maul verbinden, wenn er trischt, und der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ Hier zitiert Paulus zuerst aus 5. Mose 25,4: „Du sollst dem Ochsen, der da trischt, nicht das Maul verbinden.“ Dann fügt er ein zweites Zitat hinzu: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ Dieses zweite Zitat findet sich im Alten Testament nicht, sondern in Lukas 10,7.
Das zeigt, dass das Lukasevangelium auf dieselbe Stufe gestellt wird wie die Tora, die fünf Bücher Mose. Das bedeutet, es musste nicht ein späteres Gremium oder Konzil beschließen, dass das Lukasevangelium zum Neuen Testament gehört. Das war von Anfang an klar, denn es war apostolisch anerkannt. Der Apostel Paulus hat das bestätigt.
Ganz wichtig ist auch Epheser 2,20. Dort heißt es: „Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist.“ Im Zusammenhang geht es um die Gemeinde, die als ein Tempel Gottes gesehen wird, der wächst. Von diesem Tempel, also von der Gemeinde oder Kirche, wird gesagt, dass sie auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut ist. Das ist die Basis der Gemeinde.
Das, was die Apostel von Jesus Christus gelehrt haben, bildet die Grundlage. Jesus selbst sagt in Matthäus 10 zu den Aposteln: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf; wer euch verwirft, verwirft mich.“ Es ist also nicht möglich zu sagen: „Ich glaube Jesus Christus, aber das Neue Testament und die Apostel lehne ich ab.“ Wer die Apostel Jesu Christi ablehnt, lehnt damit auch den Herrn ab. Der Herr hat ihnen seine Autorität gegeben.
Darum heißt es in Epheser 2,20: Die Gemeinde ist auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut. Damit sind die neutestamentlichen Propheten gemeint, wie Lukas. Es gab noch mehr Propheten, die keine Apostel waren. Paulus war Apostel und Prophet, Johannes ebenfalls, denn er schrieb nicht nur das Johannesevangelium, sondern auch die Offenbarung.
Andere Schreiber waren nur Propheten, zum Beispiel Judas, der Halbbruder des Herrn, der den Judasbrief schrieb, und Jakobus, der den Jakobusbrief verfasste, sowie Markus. Markus war kein Apostel, sondern ein anerkannter Prophet.
Wir haben also vier Apostel: Matthäus, Johannes, Paulus und Petrus. Das war entscheidend, denn in der Kirchengeschichte musste nie durch ein Gremium bestimmt werden, welche Bücher zum Neuen Testament gehören. Der Kanon, so nennt man die Sammlung der biblischen Bücher, die zur Heiligen Schrift gehören, musste nicht beschlossen, sondern erkannt werden.
Die frühen Christen mussten genau nachweisen können, dass alle Briefe von Paulus tatsächlich von ihm stammen, dass das Johannesevangelium, die Johannesbriefe und die Offenbarung wirklich vom Apostel Johannes sind. Alle anderen anerkannten Bücher mussten von Propheten geschrieben sein, die von den Aposteln anerkannt wurden. Das war die Grundlage für das Markus- und Lukas-Evangelium sowie den Jakobus- und Judasbrief.
Der Kanon wurde also nie beschlossen. Das ist wichtig, denn oft wird behauptet, die Kirche hätte im vierten Jahrhundert in einem Konzil die 27 Bücher des Neuen Testaments festgelegt. Das ist ein historisches Märchen. Keines der ökumenischen Konzile hat den Kanon festgelegt.
Dabei muss man erklären, was „ökumenisch“ bedeutet. Es heißt nicht dasselbe wie heute „Ökumene“, sondern kommt vom griechischen Wort „Oikumene“, das den Erdkreis bezeichnet. Ökumenische Konzilien hatten Vertreter aus den Kirchen der damaligen Welt.
Es gab solche Konzilien, zum Beispiel das Konzil von Nicäa, wo festgehalten wurde, dass Jesus Christus dem Vater gleich ist, oder das ökumenische Konzil von Konstantinopel 382, das die Gottheit des Heiligen Geistes bestätigte. Diese Konzilien legten Glaubensbekenntnisse fest, aber keines von ihnen bestimmte den Kanon.
Man könnte einwenden: „Aber doch in Hippo 397 wurde die Kanonfrage besprochen.“ Das ist korrekt, aber Hippo war kein ökumenisches Konzil, sondern ein lokales. Es hatte keinen Einfluss auf die gesamte Christenheit.
Trotzdem akzeptierte die Christenheit später die 27 Bücher, egal ob in katholischen oder protestantischen Bibeln. Dabei gibt es keine Probleme mit den Apokryphen im Neuen Testament. Das ist ein anderes Thema, denn das Konzil von Trient erklärte im Zuge der Gegenreformation die Apokryphen verbindlich zu Gottes Wort. Diese wurden in katholischen Bibeln nach dem Alten Testament eingefügt.
Doch im Neuen Testament gibt es diesen Unterschied zwischen katholischer und protestantischer Bibel nicht. Warum ist die Christenheit also weitgehend einig über diese 27 Bücher? Weil die Argumente stark waren: Diese Schriften stammen von Aposteln und von ihnen anerkannten Propheten.
Das war ein kleiner Exkurs zum Thema Markus und Lukas: Sie waren Propheten. Somit haben wir zwei Gruppen: zwei Apostel und zwei Propheten.
Jetzt können wir noch mehr solcher Zweiergruppen erkennen. Matthäus war ein Augenzeuge, ein Jünger, der mit dem Herrn gereist ist. Wer war ebenfalls ein Augenzeuge? Johannes.
Bei Markus ist das anders. Er gehörte nicht zu den Zwölfen, ebenso wenig wie Lukas. Lukas schreibt auch, wie er sein Evangelium verfasst hat. Er ist vorgegangen wie ein Historiker, weil er nicht sagen kann, ich war Augenzeuge und habe den öffentlichen Dienst des Herrn selbst erlebt, wie es Matthäus konnte.
In Lukas 1,1-4 heißt es: „Damit du die Gewissheit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.“ Hier sagt Lukas, dass er den Augenzeugen nachgegangen ist. Er hat die Zeugnisse von vielen gesammelt. Er selbst ist ein Zeuge durch Nachforschung, aber auch ein Multiplikator, denn er fasst viele Augenzeugen zusammen. Diese sind in seinem Evangelium gewissermaßen wiedergegeben.
Markus hatte, wie schon gesagt, eine ganz besondere Beziehung zu Petrus. Er hatte von ihm eine erstklassige Bezugsquelle. Doch nicht nur das: In Jerusalem gab es eine Gemeindeversammlung im Haus seiner Mutter. Johannes Markus heißt mit vollem Namen Johannes Markus. In Apostelgeschichte 12,12 lesen wir: „Er kam an das Haus der Maria, der Mutter des Johannes mit dem Beinamen Markus, wo viele versammelt waren und beteten.“
Im Zusammenhang geht es um Petrus, der im Gefängnis war, befreit wurde und dann zur Gemeinde kam, die für ihn gebetet hatte, um seine Befreiung zu erzählen. Diese Gemeinde war im Haus der Maria, der Mutter des Johannes Markus, versammelt. Dadurch hatte Markus natürlich Kontakt mit all den erstrangigen Augenzeugen der ersten Zeit des Christentums. Das bringt er in seinem Evangelium zusammen.
So haben wir also zwei Evangelisten, die Augenzeugen sind, und zwei, die als Historiker durch Nachforschung viele Augenzeugen zusammengefasst haben. Auch das ergibt wieder eine Zweier- und eine Zweiergruppe.
Und jetzt einfach mal als Behauptung: Im Matthäusevangelium werden wir später immer wieder Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen. Es gibt zwei Evangelisten, die die Ereignisse ganz genau in zeitlicher Abfolge schreiben. Alle Evangelisten ordnen die Dinge in einer bestimmten Reihenfolge, aber nicht alle strikt nach einer zeitlichen Abfolge. Die grobe Abfolge ist überall zeitlich, ja, aber das Material wird manchmal nach anderen Gesichtspunkten zusammengesetzt.
So können wir sagen: Im Markus-Evangelium geht es ganz strikt um den zeitlichen Ablauf. Zum Beispiel wird die Passionswoche, also die Woche von Palmsonntag bis zur Kreuzigung und Auferstehung, in den Evangelien besonders ausführlich behandelt. Ich habe das mal ausgerechnet: Etwa 32 Prozent der Evangelien beschreiben diese Woche.
Wow, ein Drittel der Evangelien beschäftigt sich nur mit einer Woche! Wenn man sagt, die Evangelien seien Biografien, also Lebensbeschreibungen von Jesus Christus von seiner Geburt bis zu Tod und Auferstehung, ist das in gewissem Sinne korrekt. Allerdings wird sehr stark auf diese letzte Woche fokussiert, weil sie so wichtig ist.
Nur im Markus-Evangelium sieht man genau die zeitlichen Angaben, so dass man weiß, was am Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag und am Aufstehungssonntag geschehen ist. Im Matthäusevangelium ist das nicht so klar erkennbar, weil die Chronologie nicht im Vordergrund steht. Auch das Johannes-Evangelium ist ganz strikt chronologisch. Zwei Evangelisten haben also ihre Berichte in strikter zeitlicher Abfolge geschrieben, zwei andere ordnen sie nach inhaltlichen Kriterien.
Dann gibt es auch zwei Gruppen von jeweils zwei Evangelisten. Wie wir schon gesehen haben, zeigen Matthäus und Markus den König, den Knecht, als Kontrast. Lukas zeigt den Menschen, und Johannes zeigt Gott. Man kann sagen: Zwei Evangelisten beschreiben eine Herrlichkeit, die der Herr Jesus von Ewigkeit her hatte, und zwei beschreiben eine Herrlichkeit, die er erst durch die Menschwerdung erhielt.
Wer beschreibt eine ewige Herrlichkeit? Johannes, weil er ja Gott ist, von Ewigkeit her, genau, und der ewige Sohn Gottes ist. Und welches Evangelium noch? Matthäus, warum? Weil er König ist. Seit wann ist Jesus Christus König? Ich glaube nur, was geschrieben steht. Beweise es mir! Da steht einfach, dass er König ist, aber von Ewigkeit her. Wo? Schlagen wir auf: Jeremia 10,10. Das kann man sich gut merken.
Jeremia 10,10: "Aber der Herr ist der wahre Gott, er ist der lebendige Gott und ein ewiger König." Das ist klar. Matthäus beschreibt den ewigen König, und Johannes beschreibt den ewigen Gott, den ewigen Sohn.
Nun, Knecht war der Herr Jesus nicht von Ewigkeit her. Denn Philipper 2,5 sagt: Christus Jesus hielt es nicht für einen Raub, gottgleich zu sein, sondern erniedrigte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an. Er war also gottgleich. Das sehen wir auch in dem, was das Konzil von Nicaea 325 bekannt gemacht hat. Das war keine menschliche Erfindung, sondern genau das, was die Bibel lehrt: dass er Gott dem Vater in seiner Gottheit gleich war.
Das erinnert mich an einen wichtigen Punkt der Reformatoren. Wir stehen gerade ein paar Tage vor dem großen Jubiläum, 500 Jahre Reformation am 31. Oktober. Die Reformatoren haben ganz klar den Grundsatz "sola scriptura" aufgezeigt – allein die Schrift. Nicht die Päpste, nicht die Kardinäle, nicht die Konzilien, nicht die Tradition haben Autorität, sondern nur die Heilige Schrift.
Darum haben die Reformatoren die Konzilien als Autorität abgelehnt. Aber sie sagten: Wir glauben das, was auf dem Konzil von Nicaea bekannt wurde. Nicht, weil das Konzil es beschlossen hat, sondern weil es in der Heiligen Schrift steht. Ebenso glaubten sie, was das Konzil von Konstantinopel bekannt gab, nämlich dass der Heilige Geist Gott ist. Aber auch das glaubten sie nicht, weil ein Konzil es gesagt hat, sondern weil es der Heiligen Schrift entspricht.
Deshalb haben sie alle weiteren Konzilsbeschlüsse, die gegen die Bibel waren, schlichtweg verworfen. Man muss also nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Nur weil ein Konzil etwas beschließt, ist es nicht automatisch falsch. Man muss prüfen, ob es mit der Bibel übereinstimmt. Wenn ja, akzeptieren wir es – aber nicht, weil das Konzil es sagt, sondern weil es die Bibel sagt. Wenn ein Konzil etwas sagt, das gegen die Bibel ist, muss man es ablehnen. Nur die Heilige Schrift hat Autorität.
Jetzt haben wir gesehen: Jesus Christus ist Gott gleich und wurde Knecht. Er nahm Knechtsgestalt an. Philippper 2,5-11 zeigt, dass der Herr Jesus sich erniedrigte und diese Herrlichkeit als Knecht annahm, indem er Mensch wurde.
Jetzt versteht man auch, warum der Herr Jesus im Johannesevangelium sagt: "Der Vater ist größer als ich." Das sagt er als Mensch, der sich erniedrigt hat, als Knecht. Aber in seiner Gottheit ist er dem Vater gleich.
Übrigens, in Sacharja 13,7 finden wir eine messianische Weissagung. Dort heißt es: "Wach auf, Schwert, gegen meinen Hirten und gegen den Mann, der mein Gefährte ist, spricht der Herr der Heerscharen! Schlage den Hirten, dass die Schafe sich zerstreuen, und ich werde meine Hand den Kleinen zuwenden."
Gott, der Vater, spricht hier vom Messias, dem guten Hirten. Dann heißt es: "Und gegen den Mann, der mein Gefährte ist, spricht der Herr der Heerscharen." Das Wort "Gefährte" auf Hebräisch heißt "Amit" – mein Gleichgestellter. Das Wort "am" drückt aus, dass sie auf der gleichen Ebene stehen. So nennt Gott der Vater den Messias "mein Gleichgestellter".
Also könnte man mit Fug und Recht übersetzen: "Mein Gefährte" oder "Mein Gleichgestellter." Jesus hat sich erniedrigt, wurde Knecht (Markus-Evangelium) und wurde Mensch.
Als Mensch hat er sich in Begrenzung gegeben. Als Mensch war der Herr Jesus nicht allgegenwärtig. Wenn er in Jerusalem war, war er nicht gleichzeitig bei den Menschen überall auf der Erde. Als er in Bethlehem geboren wurde, war er als Mensch eben in Bethlehem und nicht in Jerusalem. Als die Eltern das Kind mehr als einen Monat später in den Tempel nach Jerusalem brachten, war er dort und nicht in Bethlehem.
Seine Gottheit hat er nie aufgegeben. Darum sagt zum Beispiel Johannes 3,13: Der Herr Jesus spricht mit Nikodemus in Jerusalem und sagt: "Niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist, dem Sohn des Menschen, der im Himmel ist."
In seiner Gottheit war er natürlich gleichzeitig im Himmel, aber als Mensch hat er sich begrenzt. Auch was die Weisheit betrifft, lesen wir in Lukas 2. Schlagen wir Lukas 2,40 auf: "Das Kind aber wuchs und wurde stark im Geist, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade war auf ihm."
Er war ein richtiges Kind, wuchs und erstarkte. In Vers 52 heißt es: "Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen." Er nahm also an Weisheit zu. Er musste lernen, in die Synagogenschule gehen, wie es üblich war. So ist er gewachsen.
Gleichzeitig war er der allwissende Gott in seiner Gottheit. Aber als Mensch gab er sich eine Begrenzung. So versteht man auch, wie es möglich ist, dass der Herr am Dienstag vor Karfreitag auf dem Ölberg den Jüngern sagt: "Von jenem Tag und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater."
Als Mensch wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht das Datum seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit. Das hat damit zu tun, dass er sich so erniedrigt und wirklich Mensch geworden ist.
Der Hebräerbrief beschreibt das mit erstaunlichen Worten. Schlagen wir Hebräer 5,8 auf: "Obwohl er Sohn war, hat er den Gehorsam an dem gelernt, was er litt."
Wie geht das? Lernen würde bedeuten, dass er inneren Widerstand gehabt hätte, zu gehorchen. Nein, überhaupt nicht. Er konnte seinen Jüngern sagen in Johannes 4, dass es seine Speise ist, den Willen dessen zu tun, der ihn gesandt hat. Und später im Johannesevangelium sagt er, dass er allezeit das tue, was dem Vater wohlgefällig ist.
Es war seine Freude, den Willen Gottes zu tun (Hebräer 10). Aber als ewiger Sohn musste er nie gehorchen. Er war Gott dem Vater und dem Heiligen Geist gleich. Als Mensch jedoch hat er diese Erfahrung als neue Erfahrung kennengelernt und so den Gehorsam gelernt.
Nicht wie wir, die wir Gehorsam lernen mussten und dabei oft Widerstand hatten. Er hat Gehorsam gelernt, weil er sich bewusst in die Stellung der Abhängigkeit begeben hat.
Noch etwas: Zwei Evangelisten beschreiben eine Herrlichkeit, die mit dem Wesen seiner Person zu tun hat, und zwei beschreiben eine amtliche Herrlichkeit.
Welche zwei Evangelisten beschreiben etwas, was sein Wesen ausmacht? Johannes beschreibt Gott, denn Gott ist Gott – das ist sein Wesen. Mensch ist man als Wesen, das ist die Identität. Ich bin Mensch, kein Affe, auch wenn ich vielleicht so aussehen kann.
Wenn jemand König ist, ist das nicht sein Wesen, sondern eine amtliche Herrlichkeit. Die weltliche Presse bewundert ein Royal Baby, wenn es geboren oder erwartet wird. Die adlige Dame schwebt im Mutterglück. Wie schön wäre es, wenn man das auch von ganz normalen Frauen so beschreiben würde!
Das Mutterglück ist wunderbar, wenn man ein Baby erwartet, nicht nur einen Fötus im Bauch. Aber es muss kein Royal Baby sein, damit es etwas Wunderbares ist. Diese Familien sind aus geschichtlichen Faktoren königlich geworden. Im Prinzip könnte man aus jedem einen König machen, wenn man wollte.
Das ist eine amtliche Herrlichkeit. Ein König könnte wählen, er wolle kein König mehr sein, sondern ein Knecht. Sein Wesen ändert sich dadurch nicht, nur seine amtliche Stellung.
So beschreiben also zwei Evangelisten eine Herrlichkeit, die das Wesen des Messias beschreibt, und zwei eine amtliche Herrlichkeit.
Wenn man sich die Mühe machen würde, alle diese zwei Gruppen, die wir jetzt in fast einer Stunde zusammen erarbeitet haben, aufzuzeichnen, würde man feststellen, dass es alle möglichen Zweierkombinationen aus vier Evangelien gibt: Matthäus mit Johannes, Matthäus mit Markus, Johannes mit Lukas und so weiter.
Das zeigt, dass diese Evangelien eine literarische Einheit bilden, nämlich eine Gruppe von zwei und zwei Zeugen, die miteinander verwoben sind. Diese Struktur würde kaputtgehen, wenn es fünf Evangelien gäbe, und auch bei drei Evangelien wäre sie zerstört. Es braucht wirklich diese vier Evangelisten.
Das Alte Testament kündigt in Zacharja 9 den Messias genauso an, wie Matthäus ihn beschreibt. Zacharja 9, Vers 9 lautet: „Siehe, dein König wird zu dir kommen, gerecht und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin.“
Es steht nicht „ewiger König“ da, aber es steht etwas sehr Schönes geschrieben. „Siehe, dein König wird zu dir kommen“ – genau das ist das Thema des Matthäusevangeliums. Dort wird die Erfüllung dieser Verheißung gezeigt. Jerusalem, Zion wird hier mit dieser frohen Botschaft bedacht: „Siehe, dein König wird zu dir kommen.“ Matthäus zeigt: Ja, er ist gekommen.
Auch das Markus-Evangelium beschreibt diese Botschaft, die von Zacharja in Kapitel 3, Vers 8, umschrieben wird. Wie Zacharja 9,9 von den Rabbinern in ihren alten Schriften auf den Messias gedeutet wurde, so geschah das auch mit Zacharja 3,8.
Wenn man mit orthodoxen Juden über den Messias diskutiert, kann man die Diskussion auf eine gemeinsame Ebene bringen, indem man zeigt, dass auch die Rabbiner diese Stellen als Hinweise auf den Messias verstanden haben.
Zacharja 3,8 lautet: „Siehe! Höre doch, Joshua, du der Hohepriester, du und deine Gefährten, die vor dir sitzen, denn Männer des Wunders sind sie. Ja, siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen, denn siehe, der Steig.“
Die Botschaft hier lautet also: „Siehe, ich will meinen Knecht kommen lassen.“ Das ist genau das, was Markus uns zeigt. Es ist die Erfüllung dessen, was in diesem Evangelium beschrieben wird: der angekündigte Knecht.
Man sieht in beiden Fällen das Wort „siehe“. Dieses Wort kommt in der Bibel, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, oft vor. Es wird eingesetzt, um die Aufmerksamkeit des Lesers besonders zu wecken. Man soll mit den inneren Augen der Aufmerksamkeit auf etwas Wichtiges schauen.
Jetzt kommt etwas ganz Wichtiges. Natürlich ist alles in der Bibel wichtig, aber mit „siehe“ wird die Aufmerksamkeit noch einmal besonders geweckt: „Siehe, dein König“, „siehe, mein Knecht wird kommen.“ Hier wird der Knecht übrigens „Spross“ genannt.
In Matthäus 2 kommen wir später noch einmal darauf zurück. Kurz vorweg: Jesus Christus wuchs in Nazareth auf und wurde deshalb Jesus der Nazaräer genannt – nicht Jesus der Bethlehemit. Er wurde in Bethlehem geboren, lebte aber die meiste Zeit in Nazareth.
Nazareth leitet sich von dem Wort „Nazar“ ab, das „Spross“ bedeutet. So sprach man im ganzen Land von Jeshua Hannozri, Jesus der Nazaräer, Nozri, was „der Spross“ oder „der Mann aus Sprosslingen“ bedeutet.
Das war vorausgesagt: Der Messias wird „Spross“ genannt werden. Die Erfüllung dieser Prophezeiung war dann eine Überraschung, nämlich durch die Herkunftsbezeichnung „Jesus von Nazareth“, „Jesus der Nazaräer“.
Weiter lesen wir in Zacharja 6,12: „Und du sollst zu ihm reden und sagen: So spricht der Herr der Heerscharen, siehe, ein Mann, dessen Name Spross ist, denn er wird aus seinem Ort hervorsprossen und den Tempel des Herrn bauen.“
Auch hier haben die Rabbiner in ihren Kommentaren geschrieben, dass dies vom Messias spricht.
Hier heißt es nicht „der König“ oder „der Knecht“, sondern „siehe, ein Mann“. Das ist das Thema des Lukasevangeliums. Man könnte es als Titel über das Lukasevangelium setzen: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross.“ Es geht um den Nazaräer.
Schließlich, bevor wir in die Pause gehen, lesen wir noch Jesaja 35,4: „Sagt zu denen, die ein ängstliches Herz haben: Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, da ist euer Gott, Rache kommt, die Vergeltung Gottes. Er selbst kommt und wird euch retten.“
Auch hier wird „siehe“ verwendet: „Siehe, euer Gott, er selbst kommt.“ Das könnte man als Überschrift über das Johannesevangelium setzen: „Siehe, euer Gott, er selbst kommt.“
Die Evangelien sind von Gott als eine literarische Einheit konzipiert. Jedes Evangelium hat eine besondere Botschaft. Diese Botschaften sind jedoch untrennbar miteinander verwoben und zeigen den Messias, der im Alten Testament angekündigt wurde, aus vier verschiedenen Blickwinkeln.
Gut, dann machen wir jetzt Pause, um danach mit voller Energie weiterzumachen.
Jetzt haben wir gesehen, dass das Matthäusevangelium Jesus Christus vorstellt mit den Worten: „Siehe, dein König kommt.“ Und nun zum ersten Vers, den wir bereits gelesen hatten: „Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“
Dann folgt das königliche Geschlechtsregister von König David, von König Salomo und den judäischen Königen bis zur Wegführung nach Babylon, als schließlich das judäische Königtum ein Ende nahm. Dieses Geschlechtsregister ist sehr wichtig, und es findet sich nur im Matthäusevangelium, nicht in Markus, Lukas oder Johannes.
Im Markus-Evangelium kommt überhaupt kein Geschlechtsregister vor. Es beginnt mit einer kurzen Einleitung über den Dienst von Johannes dem Täufer und dann gleich mit dem Dienst von Jesus Christus. Markus 1 beschreibt einen ganzen Tagesablauf des Herrn Jesus: wie er durch den Tag dient, bis es Abend wird und dunkel, und er weiterhin dient. Am nächsten Morgen, noch vor Sonnenaufgang, ist er am Beten und bereitet den nächsten Tag vor. Diese Zusammenstellung findet man nur im Markus-Evangelium.
Man kann sagen: Wenn man einen Arbeiter einstellt, interessiert es nicht, ob er königlicher Herkunft ist oder aus einer königlichen Familie stammt. Herkunft spielt keine Rolle, wichtig ist, dass jemand dienen kann. Deshalb behandelt das Markus-Evangelium nicht die Geburtsgeschichte oder das königliche Geschlechtsregister, sondern beginnt gleich mit dem Dienst. Man kann sagen, das Markus-Evangelium legt ganz klar den Akzent auf die Taten von Jesus.
Wenn man alle Verse in den Evangelien zählt, in denen Jesus spricht, stellt man objektiv fest, dass Jesus im Markus-Evangelium am wenigsten spricht. Das könnte man darauf zurückführen, dass Markus das kürzeste Evangelium ist mit nur sechzehn Kapiteln, während Matthäus achtundzwanzig und Lukas vierundzwanzig Kapitel hat. Lukas ist sogar das längste der Evangelien. Aber man sollte nicht nur die Kapitel zählen, sondern die Verse. Dann wird klar, dass das Lukasevangelium das längste aller Evangelien ist, Markus aber das kürzeste. Prozentual gerechnet spricht Jesus im Markus-Evangelium am wenigsten.
Noch einmal: Wenn man bei einem Bewerbungsgespräch einen Arbeiter einstellt, fragt man nicht, ob er gut sprechen kann, sondern ob er gut handeln und arbeiten kann. So setzt das Markus-Evangelium ganz klar den Schwerpunkt auf das Tun von Jesus und weniger auf sein Reden.
Im Gegensatz dazu hat das Matthäusevangelium dieses königliche Geschlechtsregister. Man muss sich im Klaren sein, dass dieses Geschlechtsregister in Israel bis zum Jahr 70 nach Christus geführt wurde. Es war also im Normalfall möglich, für jeden Juden nachzuweisen, woher er stammt. Und das war sehr wichtig.
Schauen wir kurz in das Alte Testament, Erste Chronik 9. Dort heißt es in Vers 1: „Sie sind aufgeschrieben in dem Buch der Könige von Israel, und Juda wurde wegen seiner Untreue gefangen nach Babel weggeführt.“ In der Alten Elberfelder Übersetzung steht es noch deutlicher: „Ganz Israel wurde im Geschlechtsverzeichnis verzeichnet.“ Jeder Israelit wurde alttestamentlich in Geschlechtsregistern eingetragen. So war es wichtig, die Herkunft nachzuweisen.
Nach der Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft, wie man in Nehemia 2 nachlesen kann, gab es einige, die ihr Geschlechtsregister nicht auftreiben konnten. Dort steht, dass diese als unrein ausgeschlossen wurden, bis sie ihre Linie nachweisen konnten. Man musste also belegen, ob man zum auserwählten irdischen Volk Gottes gehörte oder nicht. Das war entscheidend.
Diese Geschlechtsregister waren auch wichtig, wenn jemand öffentlich auftrat, zum Beispiel als Bibellehrer. So wird in Esra 7, ab Vers 1, beschrieben, wie Esra ins Land Israel zog. Dort wird ausführlich erklärt, woher er stammt, nämlich als Sohn Serajas, des Sohnes Asarjas, des Sohnes Hilkias und so weiter. Sein Geschlechtsregister musste ihn als einwandfreien Israeliten ausweisen, um einen öffentlichen Dienst auszuüben.
Im Jahr 70 nach Christus wurden diese Geschlechtsregister im Archiv von Jerusalem durch die Römer verbrannt. In dem Krieg von 140 Tagen wurde Jerusalem dem Erdboden gleichgemacht, und auch der zweite Tempel zerstört. Dadurch gingen die Geschlechtsregister verloren.
Von da an war es schwierig, die Herkunft nachzuweisen. Gewisse Familien führten ihre Überlieferung weiter. Es gibt sogar Juden heute, die ihre Abstammung bis auf David zurückverfolgen können, aber das sind Ausnahmen. Die meisten können es nicht mehr.
Man muss wissen, bis zum Jahr 70 gab es alle zwölf Stämme im Land, nicht nur die Stämme Juda, Benjamin und Levi, sondern auch die anderen. Sie wurden alle als Juden bezeichnet, weil sie zum Königreich Juda gehörten, das die Babylonier nach Babylon deportiert hatten. Diese Juden kamen wieder zurück.
In Lukas 2 wird zum Beispiel die Prophetin Hanna aus dem Stamm Asser genannt, einem der zehn Stämme. Der Apostel Paulus sagt in Apostelgeschichte 26 zu Agrippa: „Unser zwölfstämmiges Volk dient Gott Tag und Nacht im Tempel.“ Im Jakobusbrief richtet sich Jakobus an die messiasgläubigen Juden und grüßt die zwölf Stämme in der Diaspora.
Auch heute bezeichnet der Begriff „Juden“ alle zwölf Stämme. Durch die Zerstörung der Geschlechtsregister im Jahr 70 ist die Herkunft jedoch so vermischt, dass man im Normalfall nicht mehr nachweisen kann, aus welchem Stamm man stammt.
Einige Familien haben besonders darauf geachtet, etwa solche aus dem Stamm Levi. Deshalb wurden Familiennamen eingeführt wie Levi, Levin oder Lewinsky. Auch Juden mit dem Namen Kohen stammen aus der Linie Aarons, dem Priesterstamm. Diese Linie wurde besonders in der Tradition erhalten. Heute kann man sogar mit Gentests nachweisen, dass etwa 80 Prozent der Kohanim einen speziellen genetischen Marker besitzen, der auf die Linie Aarons hinweist.
Es gibt auch andere typische Familiennamen. Zum Beispiel hieß meine Großmutter Fürst, ein Name, der typisch für den Stamm Levi ist, so das Diasporamuseum in Tel Aviv. Manche Namen sind also Indikatoren für die Herkunft, aber die meisten wissen es nicht mehr.
Das ist wichtig zu wissen. Ich habe schon das Argument gehört, dass die 144.000 in der Offenbarung sich gar nicht erfüllen könnten, weil die zwölf Stämme ja gar nicht gesammelt seien. Man müsse also noch lange warten, bis der Herr kommt und die Offenbarung sich erfüllt. Aber Gott weiß genau, von allen Juden in Israel, aus welcher Linie sie stammen. Er weiß, wer von Manasse, Ephraim oder Zebulon abstammt. Und er wird diese zwölf mal je 12.000 erwählen. Das ist kein Problem.
Das war nur ein kleiner Exkurs, um zu zeigen, dass mit dem Jahr 70 eine große Wende kam. Bis dahin war der Nachweis möglich. Deshalb hat Matthäus sein Evangelium vor dem Jahr 70 geschrieben. Die frühchristliche Überlieferung bestätigt, dass alle vier Evangelien vor dem Jahr 70 entstanden sind. Alles andere sind Behauptungen bibelkritischer Theologen, die es nicht beweisen können. Historische Zeugnisse sprechen klar für eine frühere Entstehung.
Man muss sich klar machen: Matthäus hat das Matthäusevangelium vor dem Jahr 70 geschrieben, als es noch Geschlechtsregister gab. Gegner konnten das überprüfen. Das war gefährlich, wenn Matthäus und die anderen Evangelisten nicht die Wahrheit geschrieben hätten, denn die Augenzeugen lebten noch und hätten das Gegenteil beweisen können.
Matthäus veröffentlicht hier den Stammbaum, und das wurde nicht in Frage gestellt. Im frühen Judentum gab es einen Kampf gegen die messiasgläubigen Juden, wie in der Apostelgeschichte beschrieben. Dieser Kampf war vor allem physisch, mit Verfolgung. Es gibt keine Schriften, die behaupten, Matthäus habe falsch berichtet, etwa dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, obwohl alle wissen, dass er in Nazareth geboren sei. Das gibt es nicht.
Das ist ein starkes Argument für die Glaubwürdigkeit der Evangelien, dass sie in der Zeit der Augenzeugen veröffentlicht wurden. Die Gegner mussten in diesen Punkten schweigen. Bis zum Jahr 70 konnten die Archive überprüft werden.
Wenn wir das Matthäusevangelium durchgehen, sehen wir, dass Jesus in der Öffentlichkeit immer wieder als Sohn Davids genannt wird. Wenn er nicht von David abstamme, hätten die Pharisäer sofort eingegriffen. Jemand ohne einwandfreies Geschlechtsregister wäre sofort als unkompetent abgetan worden. Aber das wurde nie bestritten. Das war eine Tatsache, öffentlich überprüft. Deshalb hat das Geschlechtsregister eine besondere Beweiskraft.
Da es in Matthäus um den König geht, wird hier das königliche Geschlechtsregister vorgestellt. Es ist zwar nicht die biologische Abstammungslinie, denn diese Genealogie geht von Abraham (Vers 2) über David (Vers 6), Salomo (Vers 6), dann Rehabeam (Vers 7) und die Könige bis zu Jakob (Vers 16). Dort heißt es: „Jakob aber zeugte Joseph, den Mann der Maria.“ Joseph heiratete Maria, und dadurch galt der Sohn von Maria als adoptiert von Joseph. Juristisch hatte Jesus somit Anspruch auf das königliche Geschlechtsregister und damit den Anspruch auf den Thron Davids.
Gibt es dazu Fragen? Ja, Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Was ist genau Ihre Frage? Ach so, ich werde noch zeigen, dass Jesus Christus als Mensch von Maria abstammt. Maria stammt ebenfalls von König David ab, aber nicht über die königliche Linie. Die königliche Linie sehen wir hier in Matthäus: David, Salomo, Rehabeam und so weiter.
Maria hingegen wird in Lukas 3 aufgeführt. Ihre Linie geht über Nathan, einen Bruder Salomos, zurück bis zu Marias Vater Eli. Deshalb ist es wichtig, dass Lukas die wahre Menschheit Jesu beschreibt und das biologische Abstammungsregister von Maria zeigt. Matthäus zeigt hingegen den juristischen Anspruch auf das königliche Geschlechtsregister.
Ich möchte damit nur sagen: Matthäus macht klar, dass Jesus Christus der König ist. „Siehe, der König.“ Deshalb stellt er dieses Geschlechtsregister vor. Später werde ich noch weitere Besonderheiten dazu erläutern und auch das Geschlechtsregister von Maria näher betrachten und den Beweis bringen, dass Lukas das Geschlechtsregister von Maria wiedergibt.
Nur so viel vorweg: Warum beginnt das Evangelium so? Es ist absolut einzigartig. Wenn man die Evangelien studiert, muss man auf die Punkte achten, die nur in einem Evangelium vorkommen. So erkennt man die spezielle Botschaft des jeweiligen Evangeliums.
Viele Dinge werden von allen vier Evangelisten berichtet, manche von drei. Aber das, was man als Sondergut bezeichnen kann, ist wichtig, um die besondere Botschaft zu erkennen. Dieses königliche Geschlechtsregister ist Sondergut von Matthäus. Es zeigt, dass es um den König geht.
Ich sage das nur, weil oft behauptet wird, Matthäus beschreibe den König. Wenn man fragt, wie man das sieht, haben wir es eben gesagt. Es ist gut, das zu wissen, aber es ist auch wichtig, die Dinge zu belegen, damit es keine bloßen Behauptungen sind.
Ich habe zum Beispiel alle Wörter wie „König“ (griechisch Basileus), „regieren“ (Basileuo) oder „königlich“ ausgezählt in allen Evangelien. Was kam heraus? Matthäus 78-mal, Markus 32-mal, Lukas 61-mal, Johannes 21-mal. Schon statistisch ist klar: Der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig bei Matthäus.
Auch Wörter wie „Königreich“ (Basileia), „das Reich der Himmel“ oder „das Reich Gottes“ habe ich ausgezählt. Auch hier zeigt sich, dass Matthäus führend ist. Prozentual gerechnet bleibt es so: Matthäus betont den König.
Schauen wir noch einmal in Kapitel 2. Dort lesen wir Verse 1 und 2:
„Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise vom Morgenland nach Jerusalem und fragten: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen.“
Diese Geschichte von den Sterndeutern aus dem Morgenland findet man in keinem anderen Evangelium. Es ist Sondergut von Matthäus.
Worum geht es hier? Die große Frage lautet: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Es geht um das Thema König, das wird hier sehr deutlich.
Das Ganze hat politischen Sprengstoff in der Formulierung. Wo findet man den Ausdruck „König der Juden“ im Alten Testament? Eigentlich gibt es diesen Ausdruck nicht. Es gab Könige aus Juda, wie Rehabeam, Abia, Asa und andere, aber der Ausdruck „König der Juden“ ist nicht biblisch.
Geschichtlich finden wir den Ausdruck erstmals, als der Senat von Rom einen Edomiter namens Herodes zum „König der Juden“ ernannte. Das war ein politischer Schachzug Roms, als sie das jüdische Volk im Jahr 30 vor Christus unter ihre Herrschaft brachten, durch die Invasion unter Pompeius.
Herodes wurde vom Senat in Rom zum „König der Juden“ ernannt. Er herrschte, als die Sterndeuter kamen und fragten: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist?“
Man merkt den Zündstoff: Herodes war vom Senat eingesetzt, nun wird ein neuer König geboren, der rechtmäßige König der Juden.
Herodes reagiert bestürzt. Vers 3 sagt: „Als der König Herodes es hörte, wurde er bestürzt.“ Er ist außer sich. Jetzt kommen diese Perser und fragen nach dem König der Juden, obwohl er vom Senat ernannt wurde.
Übrigens: Warum sage ich Perser? Hat jemand das Wort „Perser“ gefunden? Nein, im griechischen Text steht „Magoi“, das wird mit „Magier“ übersetzt. „Magoi“ ist kein griechisches Wort, es ist persisch. Deshalb ist klar, dass diese Sterndeuter aus dem Morgenland aus Persien kamen.
Ich will damit nur zeigen, dass es hier um den König geht. Herodes ist entsetzt. Was tut er als Reaktion? Noch nicht gleich. Liest jemand bitte die Verse 3 bis 6 aus Matthäus 2 vor?
„Als aber der König Herodes es hörte, wurde er bestürzt und ganz Jerusalem mit ihm. Er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erkundigte sich bei ihnen, wo der Christus geboren werden solle. Sie aber sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa, denn so steht es durch den Propheten geschrieben:
‚Und du, Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürsten Judas, denn aus dir wird dein Führer hervorkommen, der mein Volk Israel hüten wird.‘“
Danke. Herodes versammelt also die führenden jüdischen Schriftgelehrten, um zu erfahren, wo der Messias geboren werden soll.
Man muss sich vorstellen: Die Magier aus Persien haben einen neuen Stern gesehen und wussten, dass der König der Juden jetzt da ist. Sie wussten aber nicht, wo er geboren wurde. Deshalb reisten sie zunächst nach Jerusalem, zur Hauptstadt, und fragten bei Herodes nach.
Die führenden Schriftgelehrten in Jerusalem wussten aus den Schriften, dass der Messias in Bethlehem geboren wird, wie in Micha 5,1 geschrieben steht.
Schauen wir kurz in Micha 5,1:
„Und du, Bethlehem Ephrathah, du bist zwar gering unter den Hauptorten von Juda, aber aus dir wird hervorgehen, der Herrscher über Israel werden soll, dessen Hervorgehen von Anfang, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist.“
In jeder Rabbinerbibel findet man im hebräischen Text die aramäische Übersetzung, den sogenannten Targum, und dazu Kommentare. Im Targum zu Micha 5,1 heißt es: „Aus dir wird mir hervorkommen der Messias.“ Dort steht klar „Messias“.
Im Judentum wurde der hebräische Text sehr sorgfältig abgeschrieben, ohne Änderungen, weil man schrieb: Wer einen Buchstaben verändert, zerstört die Welt. Aber bei Übersetzungen fühlten sich die Übersetzer freier, und so fügten sie Kommentare ein. Im aramäischen Targum wurde der Messias als Erklärung eingefügt.
Diese Targumim stammen aus der Synagogentradition. Im Matthäusevangelium sehen wir, wie Jesus in verschiedenen Synagogen predigt. Der Synagogengottesdienst bestand darin, dass Abschnitte aus der Tora und den Propheten vorgelesen wurden. Dort, wo nicht alle Hebräisch konnten, gab es den Meturgeman, einen Übersetzer, der frei in Aramäisch übersetzte, damit alle es verstehen konnten.
In Jerusalem war das nicht nötig, weil die Leute dort Hebräisch sprachen. Auf dem Land, etwa in Galiläa, brauchte man den Meturgeman. Aus dieser Tradition entstanden die Targumim, die auch Kommentare enthielten.
Daher steht in jeder Rabbinerbibel, dass der Messias in Bethlehem geboren werden muss. Das war den Schriftgelehrten und Priestern damals klar, und sie erklärten es Herodes.
Heute gibt es Probleme: Wer nach Bethlehem will, muss einen Checkpoint passieren. Ich rate niemandem mit israelischem Pass, diesen Weg zu nehmen, es könnte gefährlich sein. Dort gibt es keine jüdischen Mütter, die auf ihr Baby warten. Wie soll das geschehen, wenn das orthodoxe Judentum Jesus als Messias ablehnt und noch auf den Messias wartet? Der Messias müsste jenseits der Checkpoints geboren werden, in der palästinensischen Stadt, in der es keine Juden gibt. Das ist ein Problem.
Aber Jesus wurde in Bethlehem geboren, und Matthäus kann das bezeugen. Er schrieb zu einer Zeit, als Augenzeugen lebten und Rekurs einlegen konnten. Doch niemand legte Rekurs ein, weil die Sache klar war. Jesus erfüllte die Prophetie aus Micha 5.
Aufgrund dieses Wissens reisten die Perser nach Bethlehem. Sie kamen nicht auf die Idee, nach Bethlehem zu gehen, sondern sie erhielten diese biblische Information und folgten ihr. Die Schriftgelehrten gingen nicht. Sie hatten zwar das Wissen, aber sie folgten ihm nicht.
Wir wissen genau, wo der Palast von Herodes in Jerusalem war: am Jaffa-Tor. Wer demnächst nach Israel reist, kann das sehen. Der Palast von Herodes war dort, heute ist es ein Museum. Dort sind noch Grundmauern erhalten.
Vom Jaffa-Tor aus führt eine Straße direkt nach Bethlehem, etwa zwölf Kilometer. So kann man den Weg der Perser genau nachvollziehen, wie sie zum Messias kamen – als Nichtjuden.
Das ist eine besondere Pointe im Matthäusevangelium, das speziell für Juden geschrieben wurde. Unter den ersten, die den Messias erkannten, waren Nichtjuden. Das sagt schon viel aus.
Das ist eine Vorwegnahme dessen, was in den folgenden Jahrhunderten geschah: Die große Mehrheit in Israel erkannte den Messias nicht. Es war immer ein Überrest, der glaubte.
Im ersten Jahrhundert gab es Zehntausende Juden, die glaubten (Apostelgeschichte 21). Im zweiten und dritten Jahrhundert nahm die Zahl ab, und es wurde schwierig. Martin Luther erlebte eine Erweckung in Europa, doch die Juden blieben unaufgeschlossen für das Evangelium.
Die Wende kam erst im 19. Jahrhundert, als sich viele Juden zu Christus bekehrten. Das hält bis heute an.
Das Matthäusevangelium zeigt immer wieder: Die Juden schliefen, sie wussten zwar aus den Schriften, gingen aber nicht. Die Heiden wussten fast nichts, nur vom Stern und vom König der Juden, und sie gingen und fanden den Messias.
Nun wollen wir schließen. Beim nächsten Mal werden wir weitere Details zum Geschlechtsregister, zur Jungfrauengeburt und zur Stelle in Jesaja 7 besprechen. Dort werden wir wichtige Argumente kennenlernen, um auch die Kritik an der Übersetzung von „Jungfrau“ zu widerlegen.
Noch eine Frage? Ach so, das hängt mit der Frage zusammen, was die Sterndeuter wussten. Ich kann es kurz vorwegnehmen: In 4. Mose 24, Vers 17, sagt der Prophet Bileam prophetisch voraus: „Ich sehe ihn, den Messias, aber er ist noch nicht gekommen. Ich schaue ihn, aber nicht nahe. Es wird noch lange dauern.“ Dann sagt er: „Es geht ein Stern hervor aus Jakob und ein Zepter erhebt sich aus Israel.“
Das war eine Prophetie, dass der Messias das Zepter ergreifen wird und dabei ein Stern aufgeht.
Das jüdische Volk wurde durch Nebukadnezar in die babylonische Gefangenschaft geführt. Am Ende der Gefangenschaft übernahmen die Perser Babylon und erlaubten den Juden, zurückzukehren.
Es gab engen Kontakt zwischen Juden und Persern. Nicht alle Juden kehrten zurück, viele blieben im persischen Reich, wie im Buch Esther beschrieben. Im ganzen persischen Reich waren Juden zerstreut.
Es liegt nahe, dass die Perser, die sich für Sterne interessierten, von der biblischen Prophetie wussten: Wenn ein neuer Stern aufgeht, kommt der Messias. Dieses Wissen wurde im Heidentum Persiens bewahrt.
Als tatsächlich ein neuer Stern erschien, brachen die Sterndeuter auf. Sie brauchten etwa drei Monate. Sie waren also nicht da, als die Hirten kamen (Lukas 2). Ihre Reise erstreckte sich über einen längeren Zeitraum.
Drei Monate später konnten sie frühestens ankommen, vielleicht auch etwas später. Dann war klar: Der König der Juden, der geboren wurde, ist der Messias.
Darum fragten sie sofort, wo der Messias geboren wurde – griechisch der Christus. Die Antwort ist bekannt: Micha 5.
Wollen wir zum Schluss gemeinsam beten?
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