
Der heutige Guterat trägt den Titel „Über Gutmütigkeit und Festigkeit“.
Sei nicht lauter Zucker, sonst lutscht die Welt dich aus. Sei aber auch nicht lauter Essig, sonst spuckt die Welt dich aus. Es gibt einen Mittelweg in allem. Nur Dummköpfe verfallen in Extreme.
Wir brauchen nicht ganz aus Felsen oder ganz aus Sand, ganz aus Eisen oder ganz aus Wachs zu sein. Wir sollten weder vor jedermann mit dem Schwanze wedeln wie einfältige Schosshunde, noch auf jedermann losfahren wie wütende Kettenhunde.
Aus Schwarzen und aus Weißen ist die Welt zusammengesetzt, und daher haben wir es mit Leuten verschiedener Art zu tun. Einige sind so biegsam wie ein alter Schuh, aber auch kaum mehr wert als der andere in demselben Paar. Andere fangen bei der kleinsten Beleidigung Feuer wie Zunder und sind so gefährlich wie Schießpulver.
Es ist wirklich kein Vergnügen, wenn man einen Arbeiter auf dem Gehöft beschäftigen muss, der so verdrießlich ist wie ein alter Bär, der ein Temperament hat wie saure Trauben, der so scharf ist wie ein Rasiermesser und der so grimmig dreinschaut wie ein Fleischerhund. Und doch mag der Mensch einige gute Seiten an sich haben, so dass er bei alledem dennoch ein Mann ist.
Aber der arme, sanfte Heinrich, der so grün ist wie das Gras und so bereit, sich zu beugen wie eine Weide, bringt niemandem Gewinn und ist jedermanns Spott.
Ein Mensch muss Mark im Rückgrat haben, wie soll er sonst seinen Kopf gerade halten? Aber dieses Rückgrat muss sich auch biegen lassen, sonst wird er mit der Stirn gegen einen Balken anrennen.
Zu tun, was andere wünschen, hat seine Zeit, und es abzulehnen hat auch seine Zeit. Machen wir uns zu Packeseln, so wird jedermann auf uns reiten.
Wollen wir aber geachtet sein, so müssen wir unsere eigenen Herren sein und nicht anderen erlauben, uns nach ihrem Belieben einen Sattel aufzulegen.
Wollen wir jedermann gefallen, werden wir wie eine Kröte unter einer Egge sein und nie Frieden finden. Wenn wir allen unseren Nachbarn gegenüber, seien sie gut oder böse, Diener spielen, werden wir dafür von niemandem Dank ernten. Denn dann richten wir ebenso viel Schaden an wie Nutzen.
Wer sich zum Schaf macht, wird merken, dass noch nicht alle Wölfe tot sind. Wer sich auf die Erde legt, muss damit rechnen, getreten zu werden. Wer sich zur Maus macht, wird von der Katze gefressen. Wer sich von seinen Nachbarn das Kalb auf die Schulter legen lässt, dem werden sie bald auch die Kuh aufladen.
Wir sollen unserem Nächsten gefallen – zum Guten, zur Besserung –, aber das ist etwas ganz anderes. Alte Füchse laufen umher, denen der Mund nach jungen Gänsen wässert. Wenn sie diese mit List dazu bringen können, alles für sie zu tun, was sie wünschen, lassen sie sie bald die Rechnung bezahlen.
Ein prima Kamerad wirst du genannt, wenn du dich zur Mietkutsche für deine Freunde machst. Doch ein doppeltes Maß wirst du bald zu tragen haben. Aus deiner Lage musst du dich ganz alleine herausarbeiten, denn deine alten Freunde werden dir gewiss zurufen: „Adieu, lieber Korb, der du meine Äpfel so schön getragen hast!“ Oder sie werden dir ihre allerbesten Wünsche mitgeben, aber nichts für dich tun.
Du wirst bemerken, dass schöne Worte keine Katze satt machen, dir keine Butter aufs Brot legen und deine Taschen nicht füllen. Diejenigen, die so viel aus dir machen, wollen dich entweder betrügen oder gebrauchen. Haben sie die Apfelsine ausgequetscht, werfen sie die Schale weg.
Darum sei weise und sieh erst hin, ehe du springst. Der Rat eines Freundes kann dir mehr Schaden bringen als die Lästerung eines Feindes.
Ein Unverständiger glaubt alles, aber ein Kluger gibt Acht auf seinen Gang (Sprüche 14,15).
Gehe mit deinem Nachbarn so weit, wie ein gutes Gewissen mit dir gehen wird. Trenne dich jedoch von ihm dort, wo der Schuh des Gewissens deinen Fuß zu drücken beginnt.
Fange mit deinem Freund so an, wie du mit ihm fortzufahren gedenkst. Lass ihn bald wissen, dass du kein Mensch bist, der aus Fensterkitt gemacht ist, sondern einer, der seinen eigenen Verstand hat und ihn auch zu gebrauchen gedenkt.
Halte die Pferde in dem Augenblick an, in dem du merkst, dass du nicht mehr auf der rechten Straße fährst. Schlage sofort den nächsten Weg zurück ein.
Wer große Fehler vermeiden will, muss sich vor kleinen in Acht nehmen. Darum halte rechtzeitig an, wenn dich dein Freund nicht in die Grube hinunterziehen soll.
Besser einen guten Bekannten beleidigen, als seinen guten Leumund verlieren und seine Seele aufs Spiel setzen.
Scheue dich nicht, die Wiederumkehrgasse einzuschlagen. Lass dich ruhig einen Feigling schelten, wenn du vor der Sünde fliehst. Es ist besser, in der Zeit zu fliehen als in der Ewigkeit.
Lass dich nicht überreden, dich selbst zu verderben. Wenn wir unseren Gefährten nur zu unserem eigenen Untergang gefallen können, so haben wir es zu teuer erkauft.
Tritt kräftig auf, wo du zu stehen gedenkst, und lass dich von niemandem von dem, was recht ist, abbringen.
Lerne, Nein zu sagen. Das wird dir von größerem Nutzen sein, als Lateinisch lesen zu können.
Jedermanns Freund ist oft Niemands Freund. In seiner Einfalt beraubt er seine Familie, um Fremden zu helfen.
In der Wohltätigkeit, wie in allem anderen, bedarf es der Weisheit. Einige hätten es nötig, in die Schule zu gehen, um diese Weisheit zu lernen. Ein wohlwollender Mensch kann sehr hart gegenüber seinen eigenen Kindern sein, wenn er ihnen das Brot aus dem Munde nimmt, um es denen zu geben, die ihn einen guten Kameraden nennen und ihn danach dafür auslachen.
Sehr oft verliert der, der sein Geld verleiht, dieses Geld und seine Freunde dazu. Und der, der für andere Sicherheit bietet, ist selber niemals sicher.
„Lass dir vom Pflüger Hans raten: verbürge dich nie für mehr, als du Lust hast zu verlieren. Wer für einen anderen bürgt, der wird Schaden haben; wer sich aber hütet, Bürger zu sein, geht sicher.“
Sprüche 11,15.
Wenn wir beleidigt werden, sind wir als Christen verpflichtet, dies ohne Groll zu erdulden.
Wir sollen jedoch nicht so tun, als fühlten wir es nicht, denn das würde unsere Feinde nur ermutigen, uns einen neuen Stoß zu versetzen. Wer sich zweimal vom selben Menschen betrügen lässt, ist halb so schlecht wie der Spitzbube.
Nehmen wir unser Recht nicht selbst in Anspruch, so haben wir es uns selbst zuzuschreiben, wenn wir es nicht bekommen. Paulus war bereit, um seines Meisters Willen Schläge zu erdulden. Dennoch vergaß er nicht, den Beamten zu sagen, dass er ein Römer sei.
Als jene Herren ihn heimlich aus seinem Gefängnis entlassen wollten, sprach er: „Nicht also, sondern lasst sie selbst kommen und uns hinausführen.“ (Apostelgeschichte 16,37)
Ein Christ ist der sanftmütigste Mensch unter der Sonne, aber er ist bei all dem doch ein Mensch.
Sehr vielen Menschen braucht man dies freilich nicht erst zu sagen, denn sie brausen schon auf, wenn sie meinen, jemand wolle ihnen zu nahe treten. Lange bevor sie wissen, ob ein Dieb auf dem Gehöft ist oder ob sich der alte Gaul losgerissen hat, reißen sie die Fenster auf und feuern hinaus.
Gefährliche Nachbarn sind das. Man könnte ebenso gut erwarten, einen ruhigen Platz auf der Stirn eines Bullen zu finden, als in ihrer Nähe viele Annehmlichkeiten zu genießen. Schliesse keine Freundschaft mit einem zornigen Mann und mache nicht gemeinsame Sache mit einem Wütenden. Wer geduldig ist, der ist weise, wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit (Sprüche 14,29).
Siehst du einen, der schnell ist zu reden, da ist für einen Toren mehr Hoffnung als für ihn (Sprüche 29,20).
Ich habe in meinem Leben einige sehr halsstarrige Menschen kennengelernt, die weder Vernunft noch Verstand annahmen. Ein Mann in unserem Dorf hat eine Bulldogge, über die er mir sagt: Wenn das Tier einmal etwas mit den Zähnen gepackt hat, lässt es das nicht wieder fahren. Wenn man es ihm aus dem Maul reißen wollte, müsste man ihm erst den Kopf abschlagen.
Auch Menschen dieser Art gibt es. Sie haben mich oft geärgert und fast verrückt gemacht. Eher könnte man einen Mauerstein dazu überreden, zu Marmor zu werden, als einen solchen Menschen dahin bringen, auf vernünftige Vorstellungen einzugehen. Flecken aus Leoparden herauszubringen ist nichts im Vergleich mit dem Versuch, einen ausgemacht halsstarrigen Menschen von seiner Ansicht abzubringen.
Wenn man im Recht ist, so ist ein solches unerschütterliches Festhalten an seiner Überzeugung etwas Großartiges. Unser Prediger sagt, dass es das Holz ist, aus dem Märtyrer geschnitzt werden. Wenn aber ein ganz unwissender und verdrehter Mensch sich etwas derart hartnäckig in den Kopf setzt, so macht er Märtyrer aus denen, die mit ihm umzugehen haben.
Der alte Pächter Dickkopf schwor, er wolle mit der Faust einen Nagel in ein Eichenbrett hineinschlagen, und hatte sein Leben lang eine lahme Hand davon. Da er sein Korn nicht so verkaufen konnte, wie er wollte, ließ er die Vorräte von den Ratten auffressen.
Man kann an seinen Feldern nicht vorbeifahren, ohne seinen Eigensinn wahrzunehmen. Denn er hat feierlich gelobt, dass er nichts von all den neuen Methoden wissen will, und so hat er die schlechtesten Ernten im Kirchspiel.
Es ist besser, voreilige Gelübde zu brechen, als sie zu halten. Wer sich nie ändert, bessert sich nie. Wer nie nachgibt, siegt auch nie.
Bei unseren Kindern müssen wir Freundlichkeit und Festigkeit miteinander verbinden. Sie müssen nicht immer ihren Willen bekommen, aber man muss ihnen auch nicht alles verbieten.
Gib einem Schwein so oft, wie es grunzt, und einem Kind so oft, wie es schreit, und du hast ein fettes Schwein und ein verzogenes Kind. Ein Mann, der Trompete blasen lernt, und ein verhätscheltes Kind sind zwei sehr unangenehme Stubennachbarn.
Wenn wir nicht aufpassen, werden unsere Kinder zum Ärgernis für andere und zur Qual für uns selbst. Wenn wir nie Kopfweh von der Erziehung unserer kleinen Kinder bekommen wollen, werden wir hinreichend Herzweh bekommen, wenn sie aufwachsen.
Strengere Wahrhaftigkeit muss unser ganzes Verhalten den Kindern gegenüber prägen. Unser Ja muss Ja und unser Nein muss Nein sein – buchstäblich und augenblicklich. Versprich einem Kind niemals etwas und unterlasse es, das Versprochene nicht zu tun – sei es, dass du ihm eine Brezel versprochen hast oder eine Tracht Prügel.
Erwarte auf alle Fälle Gehorsam. Ungehorsame Kinder sind unglückliche Kinder. Wir dürfen unsere Kinder nicht zum Zorn reizen, damit sie nicht scheu werden. Aber wir sollen unser Haus in der Furcht des Herrn regieren. Wenn wir das tun, dürfen wir seinen Segen erwarten.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit