Heidenmission und die Rolle der Synagoge in der Apostelgeschichte
Wir fahren weiter und haben gerade vor der Pause gesehen, dass die Apostelgeschichte an zahlreichen Stellen von Heiden spricht, die durch den Kontakt mit der Synagoge an verschiedenen Orten zum Glauben an den Gott Israels gekommen sind.
Ein weiteres Beispiel möchte ich aus den vielen nennen: Apostelgeschichte 10, der Hauptmann Cornelius. Ein römischer Militär. In Apostelgeschichte 10, Vers 1 heißt es: Ein gewisser Mann aber in Caesarea mit Namen Cornelius, ein Hauptmann von der Schar, genannt die italische, fromm und gottesfürchtig mit seinem ganzen Haus, der dem Volk viele Almosen gab und allezeit zu Gott betete.
Dieser Mann war bereits vorbereitet für das Evangelium. Später kommt Petrus zu ihm auf Besuch. Während der Predigt kommt Cornelius zum Glauben. Und noch während Petrus predigt, kommt auch der Heilige Geist auf ihn und alle, die in seinem Haushalt waren.
Hier sehen wir sehr klar illustriert, wie wichtig die Synagoge als Vorbereitung für das Evangelium unter den Heidenvölkern war. Das war strategisch bedeutsam in der Apostelgeschichte.
Der Apostel Paulus beginnt seine Heidenmission in Apostelgeschichte 13. Seine Vorgehensweise ist dabei stets dieselbe: Er kommt an einen Ort und sucht zuerst die Synagoge auf.
Zum Beispiel in Apostelgeschichte 13, wo die Missionsreise beginnt. Vers 4: Sie nun, ausgesandt vom Heiligen Geist – das wird in Klammern noch hinzugefügt, also nicht ausgesandt von einer Missionsgesellschaft und auch nicht von der örtlichen Gemeinde. Die örtliche Gemeinde hat sie nämlich im Vers vorher „entlassen“ und hat ihnen die Hände aufgelegt als Zeichen: „Wir machen uns mit eurem Dienst eins und stehen hinter euch.“ Aber ausgesandt hat sie der Heilige Geist.
Auch berufen hat sie nicht ein Mensch, sondern der Heilige Geist (Apostelgeschichte 13, Vers 2). Nicht Menschen berufen, sondern der Heilige Geist; nicht Menschen senden aus, sondern der Heilige Geist. Nochmals in Vers 4: Sie nun, ausgesandt vom Heiligen Geist, gingen hinab nach Seleucia, und von dort segelten sie nach Zypern. Als sie in Salamis waren, verkündigten sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden.
So geht das ständig weiter: Paulus kommt in eine Stadt, sucht die Synagoge auf und predigt dort. Dabei kommen Juden zum Glauben und auch Heiden, die bereits an den Gott Israels glauben.
Der nächste Schritt ist dann, die eigentlichen Heiden, die nichts von Gott wissen, zu evangelisieren. Paulus geht zum nächsten Ort und sucht dort wieder die Synagoge auf.
Paulus’ Missionsstrategie und die Bedeutung der Synagoge
Schauen wir uns Apostelgeschichte 13,13 an. Paulus und seine Begleiter fuhren von Paphos ab und kamen nach Perge in Pamphylien. Johannes aber trennte sich von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück.
Nun zogen sie von Perge weiter und erreichten Antiochia in Pisidien. Am Sabbattag gingen sie in die Synagoge und setzten sich. Nach dem Vorlesen des Gesetzes und der Propheten baten die Vorsteher der Synagoge sie: „Brüder, wenn ihr ein ermutigendes Wort an das Volk habt, dann sprecht.“
Paulus stand auf, winkte mit der Hand und sprach: „Männer von Israel und ihr, die ihr Gott fürchtet.“ Dabei handelte es sich um Heiden, die bereits zum Glauben an den Gott der Bibel gekommen waren. Hört zu! Danach folgt die ausführliche Predigt, die Lukas genau wiedergibt, was Paulus in der Synagoge predigte.
Wir sehen auch, welchen Einfluss diese Predigt auf die ganze Stadt hatte, besonders auf die Heiden.
So geht es weiter in Kapitel 14: „Es geschah aber in Ikonion, dass sie zusammen in die Synagoge der Juden gingen.“ Paulus und seine Begleiter ziehen also von Ort zu Ort und suchen immer die Synagoge auf. Sie ist gewissermaßen der Brückenkopf in der heidnischen Welt.
Der Begriff „Brückenkopf“ stammt aus dem Militärwesen. Er bezeichnet einen ersten Abschnitt, den eine Armee im Feindesland erobert, um sich dort zu festigen und von dort aus weiter vorzugehen.
Warum tut Paulus das? Im Gegensatz zu den zwölf Aposteln, die einen besonderen Auftrag für die zwölf Stämme Israels hatten, ist Paulus der Apostel der Nationen, also der Heiden und Nichtjuden. Warum geht er dennoch ständig in die Synagoge?
Priorität der Judenmission und praktische Umsetzung
Nun, das ist das Prinzip, das der Apostel in Römer 1,16 erklärt – und das manche in der heutigen Zeit nicht mehr wissen. Er sagt: „Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen.“
Judenmission hat eine Priorität. Darum hat der Apostel Paulus das auch praktisch umgesetzt. Juden müssen mit dem Evangelium erreicht werden – damals und heute.
All jene, die sich da irgendwie herausreden und sagen, seit dem Holocaust könne man das nicht mehr, oder gerade als Deutscher müsse man besonders vorsichtig sein, müssen bedenken: Ja, man muss es auf eine gute und gewinnende Art tun, klar. Aber wir alle haben den Auftrag, auch als Deutsche.
Übrigens muss man den Leuten auch erklären: Wir sind eine neue Generation und haben niemals Ja gesagt zu dem, was eine frühere Generation getan hat. Das verurteilen wir ganz klar.
Und schauen Sie: Wir sagen auch nicht, ihr seid die, die Christus gekreuzigt haben. Das war eine Generation viel, viel, viel früher. Aber jede Generation muss sich natürlich neu entscheiden.
Man kann sagen: Wir mussten uns auch entscheiden, dass wir mit Neonazis nichts zu tun haben. Und ihr müsst euch auch entscheiden, dass ihr mit denen, die Christus ans Kreuz gebracht haben, nichts zu tun haben wollt. So einfach ist das.
Man kann sich da gar nicht herausreden. Diese Notwendigkeit, das Evangelium den Juden zu bringen, ist ganz klar vorgegeben. Die Apostelgeschichte zeigt, wie Paulus in Römer 1,16 das umgesetzt hat.
Stabilität der Gemeinden durch jüdische Bekehrte
Das hat auch dazu geführt, dass immer, wenn in einer großen Stadt eine Gemeinde entstand – was bei der Missionsarbeit des Apostels Paulus sehr regelmäßig der Fall war – sich vor allem Juden bekehrten. Diese kannten die Bibel bereits von Kindesbeinen an. Als Bekehrte, als Wiedergeborene, hatten sie im Glauben eine größere Stabilität im Leben.
Ich meine, das ist wirklich ein Problem in der sogenannten Dritten Welt, wenn dort Missionsarbeit geleistet wird. Menschen können zum Glauben kommen, aber man hat manchmal große Mühe mit ihrer Unstabilität. Das liegt daran, dass sie eine ganz andere Erziehung genossen haben, in der nicht Verbindlichkeit und Treue im Kleinen gefragt und beigebracht wurden. Deshalb haben sie auch im geistlichen Leben oft viel mehr Probleme.
Hier ist es sehr hilfreich, wenn einige Jüngere bekehrt werden, die von Anfang an viel stabiler sind. Sie wissen besser, was Recht und was Unrecht ist, weil sie durch Gottes Gnade nicht in dem „Sumpf“ des Heidentums steckten. So konnten Gemeinden von Anfang an stabil sein. Das ermöglichte es dem Apostel Paulus, sehr schnell an einen neuen Ort weiterzuziehen.
Diese Vorgehensweise hat sich sehr bewährt. In kürzester Zeit konnte Paulus viele Gemeinden gründen. Er kam aus Asien, also der heutigen Türkei, und zog dann nach Europa. Die erste Stadt war Philippi, gefolgt von verschiedenen Großstädten wie Korinth, Thessalonich, Athen und weiteren.
Von diesen Brückenköpfen aus wurde das Evangelium von den neu zum Glauben Gekommenen ins Hinterland getragen.
Herkunft des Wortes „Heiden“ und Missionsstrategie in Europa
Jetzt versteht man auch, woher unser deutsches Wort „Heiden“ stammt. Die Heiden sind nämlich diejenigen, die auf dem Land leben und erst später zum Glauben kamen.
Zuerst besuchte der Apostel Paulus bewusst die Ballungszentren. Er ging nicht aufs Land, um dort zu predigen. Stattdessen predigte er dort, wo die Ballungszentren waren, möglichst in der Nähe einer Synagoge. Dort entstand eine Gemeinde, und dann begannen diese Jungbekehrten, das Hinterland, also die Menschen auf der Heide, zu evangelisieren.
So entstand im Deutschen das Wort „Heide“. Es geht natürlich auf das Vorbild im Lateinischen zurück, nämlich auf den Begriff „Paganus“. Der Paganus ist derjenige, der auf der Heide lebt, also im Hinterland.
Daraus entwickelte sich im Französischen das Wort „paysan“. Auch in anderen Sprachen hat sich diese Bedeutung so übertragen.
Überblick über Synagogen im Neuen Testament
Kommen wir nun zu Punkt vier. Ich habe hier alle Stellen aufgeführt, in denen die Synagoge im Neuen Testament erwähnt wird – insgesamt 56 Stellen. Dabei wird entweder das Wort „Synagoge“ im Singular oder „Synagogen“ im Plural verwendet. Das zeigt, wie wichtig dieses Thema im Neuen Testament ist.
Unter Punkt fünf habe ich die örtlichen Synagogen zusammengestellt, die namentlich erwähnt werden. Ganz generell sind die Synagogen von Galiläa zu nennen, wie wir bereits in Matthäus 4,23 gelesen haben. Ganz konkret wird die Synagoge von Nazareth erwähnt, mit entsprechenden Beispielstellen. Außerdem die Synagoge von Kapernaum, die an mehreren Stellen genannt wird und besonders wichtig war. Denn Matthäus 11 sagt, dass Jesus am meisten in diesem Dreieck von Kapernaum, Bethsaida und Chorazin gewirkt hat. Diese drei Ortschaften liegen ganz nah beieinander und werden auch als das Evangeliumsdreieck am nördlichen Ende des Sees Genezareth bezeichnet.
Kapernaum ist also eine besonders wichtige Synagoge. Dort wird auch die Predigt, die Jesus in Johannes 6 gehalten hat, sehr ausführlich beschrieben. Er spricht darüber, dass er das Brot aus dem Himmel ist, herabgekommen, um der Welt das Leben zu geben. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben. In Johannes 6,59 wird ausdrücklich gesagt, dass Jesus diese Worte in der Synagoge zu Kapernaum gesprochen hatte. Das ist eindrücklich, wenn man diese Worte heute vor Ort lesen kann, dort, wo Jesus sie direkt gepredigt hat – er, der Mann, der in Bethlehem, dem „Haus des Brotes“, geboren wurde, um der Welt das lebenbringende Brot aus dem Himmel zu geben.
Weiter werden die Synagogen von Jerusalem erwähnt, es gab eine Vielzahl davon (Apostelgeschichte 6,9 und 24,12). Sehr konkret wird auch die Synagoge von Damaskus genannt, die in Verbindung mit der Bekehrung von Saulus, der zu Paulus wurde, wichtig war (Apostelgeschichte 9). Dann haben wir bereits die Synagogen von Salamis auf der Insel Zypern (Apostelgeschichte 13,5), Antiochien in Pisidien (Apostelgeschichte 13,14) und Ikonion (Apostelgeschichte 14,1) gelesen.
Später kommt Paulus zur Synagoge von Thessalonich und darauf zur Synagoge von Beröa. Dort können wir kurz aufschlagen, um zu sehen, wie Paulus in der Synagoge evangelisiert hat. Dort sehen wir eine Vorgehensweise in zwei Punkten (Apostelgeschichte 17,1-3):
Nachdem sie durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessalonich, wo die Synagoge der Juden war. Nach seiner Gewohnheit ging Paulus zu ihnen hinein und unterredete sich an drei Sabbaten mit ihnen aus den Schriften. Der Ausdruck „unterreden“ meint im Griechischen „Dialog führen“. Also spricht er, aber es kann auch gefragt werden. Es gibt einen Dialog an drei Sabbaten mit ihnen aus den Schriften, in dem er eröffnet und darlegt, dass der Christus – das griechische Wort für das hebräische „Messias“ – leiden und aus den Toten auferstehen musste. Und dass dieser Jesus, den ich euch verkündige, der Christus, der Messias ist. Etliche von ihnen glaubten und gesellten sich zu Paulus und Silas. Auch von den anbetenden Griechen war eine große Menge dabei, ebenso nicht wenige vornehme Frauen.
Man sieht hier zwei Stufen: In der ersten Stufe erklärt Paulus in der Synagoge anhand des Alten Testaments, dass der Messias ein leidender Messias sein wird. Er macht klar, dass man unterscheiden muss zwischen den Stellen, die von einem herrschenden Messias sprechen, der Gerechtigkeit und Frieden in die Welt bringen wird, und den Stellen, die davon sprechen, dass er zuvor leiden, sterben und auferstehen muss. Das erklärt er theoretisch aus dem Alten Testament heraus.
Im nächsten Schritt sagt er: Dieser Jesus, der vor einigen Jahren in Jerusalem vor den Toren der Stadt gekreuzigt wurde, ist der Messias. Denn er hat genau das erfüllt, was in Jesaja 53, Psalm 22, Daniel 9 und anderen Stellen steht. So erläutert Paulus in zwei Stufen das Evangelium, und viele kommen zum Glauben – auch Heiden, die bereits an den Gott Israels glaubten.
Dann kommt es zu einer großen Aufruhr. Paulus geht weiter in die nächste Synagoge (Apostelgeschichte 17,10-12): Die Brüder sandten Paulus und Silas noch in der Nacht nach Beröa. Dort gingen sie in die Synagoge der Juden. Diese aber waren edler als die in Thessalonich. Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf und untersuchten täglich die Schriften, ob das so sei. Viele von ihnen glaubten, ebenso nicht wenige griechische vornehme Frauen und Männer. Auch hier sieht man wieder Heiden in der Synagoge, die vorbereitet waren für das Evangelium.
In Beröa war also eine allgemeine Bereitschaft vorhanden, das Wort aufzunehmen, aber nicht blindlings. Sie glaubten nicht einfach alles, was ihnen gesagt wurde, aber sie lehnten es auch nicht ab. Sie prüften täglich in der Bibel, ob das Gehörte mit den Schriften übereinstimmte. Das ist wichtig: Offenheit verbunden mit kritischem Prüfen anhand der Bibel schützt vor Irrlehren.
Ein weiterer Vorteil ist: Wenn man selbst etwas verstanden hat, muss man nicht ständig sagen: „Der Herr hat mal gesagt“ oder „Das hat jemand anderes gesagt“. Man kann es dann frei weitergeben, weil man es selbst in der Bibel gesehen hat.
Weiter habe ich die Synagoge von Athen erwähnt (Apostelgeschichte 17,16-17): Während Paulus in Athen wartete, wurde sein Geist erregt, weil die Stadt voller Götzenbilder war. Er unterredete sich in der Synagoge mit den Juden und mit den Anbetern auf dem Markt – das waren wieder vorbereitete Heiden. Und dann die Synagoge von Korinth (Apostelgeschichte 18,4) und schließlich die Synagoge von Ephesus (Apostelgeschichte 18,19; 18,26; 19,8).
Nun einige Bemerkungen zur Praxis: Im Neuen Testament finden wir mehrmals den Begriff „Synagogenvorsteher“, griechisch Archisynagogos, zum Beispiel Markus 5,22. Das ist der bekannte Jairus, der wegen seiner kranken zwölfjährigen Tochter zu Jesus kam. Ein anderer Ausdruck ist „archontes synagoges“, also „Vorsteher der Synagoge“. Das ist dieselbe Person, nur eine andere Bezeichnung. Dieser Ausdruck kommt in Lukas 8,41 und 49 vor.
Im Judentum nennt man diese Person „Rosch ha-Knesset“. „Rosch“ bedeutet „Kopf“ und „Knesset“ ist hier die Synagoge – nicht das Parlament, sondern die Versammlung in der Synagoge. Seine Aufgabe war die Leitung des Gottesdienstes, die Auswahl der Vorleser und Prediger. Er musste zum Beispiel jemanden bitten, den Tora-Abschnitt vorzulesen: „Herr Levi, würden Sie heute den Abschnitt vorlesen?“ Falls dieser nicht kam, musste der Synagogendiener ihn nochmals einladen. Er hatte auch die allgemeine Aufsicht über die Synagoge und musste darauf achten, dass ein angemessenes Benehmen herrschte und der Ablauf ordentlich verlief.
Ich habe eine Reihe von Stellen aufgelistet, in denen der Synagogenvorsteher vorkommt: Markus 5, drei Verse; Lukas 8, zwei Verse; 13,14; sowie Apostelgeschichte 13,15 und 18,8 und 17. Ein konkretes Beispiel ist Apostelgeschichte 13,15: Nach dem Vorlesen des Gesetzes und der Propheten sandten die Vorsteher der Synagoge zu ihnen. Üblich war ein Synagogenvorsteher pro Synagoge, aber hier erwähnt Lukas, dass es mehr als einen gab. Die Mehrzahl bedeutet mindestens zwei.
Konkrete Personen sind Jairus (Markus 5,22), Crispus (Apostelgeschichte 18,8), der zum Glauben kam, und sein Nachfolger Sostenes, der in Apostelgeschichte 18,17 erwähnt wird. Offenbar kam auch er zum Glauben, denn wir lesen, wie Juden sich gegen ihn stellten (Apostelgeschichte 18,12-17):
Als Gallion Prokonsul in Korinth war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf und führten ihn vor den Richterstuhl mit der Anklage, dass Paulus Menschen überrede, Gott gegen das Gesetz anzubeten. Gallion wollte darüber nicht richten, weil es Streitfragen um Worte und das Gesetz waren. Er trieb die Juden vom Richterstuhl weg. Doch sie ergriffen Sostenes, den Vorsteher der Synagoge, und schlugen ihn vor dem Richterstuhl. Gallion kümmerte sich nicht darum.
Sostenes war der Nachfolger von Crispus, der zum Glauben kam. Warum wurde er so übel behandelt? Offensichtlich, weil er sich ebenfalls auf die Seite des Evangeliums stellte.
Interessant ist, dass Paulus im ersten Korintherbrief, den er etwa drei Jahre später schrieb, Sostenes als Mitabsender nennt (1. Korinther 1,1). Sostenes wird dort als Bruder und Mitarbeiter bezeichnet. Er ist nicht Mitverfasser des Briefes, sondern Mitabsender. Das ist ein Hinweis darauf, dass dieser Synagogenvorsteher Paulus im Missionsdienst unterstützte.
Weiter wird in Lukas 4,20 der Synagogendiener erwähnt, griechisch Hyperätes, was in der rabbinischen Literatur dem Chasan entspricht. Lukas 4,14-20 beschreibt, wie Jesus in die Synagoge von Nazareth kam, wo er aufgewachsen war, und nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge ging. Er stand auf, um vorzulesen. Es wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht – damals eine Schriftrolle, keine gebundene Buchform.
Als er die Rolle aufrollte, fand er die Stelle, die in Jesaja 61,1-2 steht: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen, Gefangenen Befreiung auszurufen, Blinden das Augenlicht zu geben, Zerschlagene in Freiheit zu setzen und das angenehme Jahr des Herrn auszurufen.“ Nachdem er die Rolle zugerollt hatte, gab er sie dem Diener zurück und setzte sich. Das war die übliche Praxis.
Der Diener, der Hyperätes, hatte die Aufgabe, die Schriftrollen hervor- und zurückzuholen sowie die Vorleser aufzurufen. So war es damals in der Synagoge – und so ist es in vielen Synagogen heute noch.
Zuerst wurde der Tora-Abschnitt verlesen, danach Abschnitte aus den Propheten, die den Tora-Text unterstrichen und ergänzten. Vor zweitausend Jahren war die Einteilung so, dass man in einem Jahr durch die fünf Bücher Mose kam. Die Sabbatabschnitte waren also länger als heute. Heute ist weltweit ein Dreijahreszyklus üblich, der mit Simchat Tora endet, dem Abschluss des Laubhüttenfestes. Danach beginnt man wieder mit 1. Mose 1,1.
Jesus las also aus Jesaja 61, einer messianischen Prophezeiung, dem fünften Gottesknechtgedicht aus Jesaja (Kapitel 42, 49, 50, 53 und 61). Danach hielt er eine freie Predigt – also nicht abgelesen, sondern vom Heiligen Geist geleitet.
Alle Augen in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Er begann zu sagen: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“ Die Zuhörer waren erstaunt und fragten: „Ist das nicht der Sohn Josephs?“ Jesus antwortete, dass sie ihm wohl sagen würden: „Heile dich selbst! Tu hier in deinem Vaterland, was wir gehört haben, dass du in Kapernaum getan hast.“ Er erklärte, dass kein Prophet in seinem Vaterland angenehm sei. Dann gab er Beispiele aus der Zeit des Propheten Elia.
Die Zuhörer wurden wütend, standen auf, stießen ihn zur Stadt hinaus und wollten ihn vom Berg stürzen. Doch Jesus ging mitten durch die Menge hindurch und kam nach Kapernaum, wo er an den Sabbaten lehrte – auch dort in der Synagoge.
So haben wir eine Predigt Jesu in Nazareth und eine in Kapernaum festgehalten. Nach der Tora-Lesung folgt die Prophetenlesung, und dann die Predigt.
In Apostelgeschichte 13,15 wird beschrieben, dass nach dem Vorlesen von Gesetz und Propheten die Vorsteher der Synagoge zu Paulus und seinen Begleitern sagten, sie sollten eine Predigt halten. Diese war frei gehalten, nicht aufgeschrieben.
Jesus und Paulus wurden durch den Heiligen Geist geleitet. Lukas 3 beschreibt, wie der Geist auf Jesus kam und ihn für seinen Dienst salbte. Paulus war ebenfalls mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgerüstet und konnte frei predigen – mit geistlicher Kraft, die Rabbiner ohne den Geist nicht hatten.
Kommen wir nun zum Punkt Minjan. Für eine Synagoge war es ein Grundgesetz, dass mindestens zehn Männer beieinander sein müssen, um eine Synagoge zu bilden. Minjan bedeutet auf Aramäisch „Zahl“, und zwar zehn.
Die Begründung findet sich in 1. Mose 18,32: Abraham verhandelt mit Gott, Sodom zu verschonen, wenn es dort zehn Gerechte gibt. Gott sagt, wenn es zehn Gerechte gibt, wird er die Stadt verschonen. Daraus wurde abgeleitet, dass zehn Männer die Mindestzahl für ein glaubwürdiges Zeugnis Gottes an einem Ort sind.
Ich habe das auch an der Klagemauer erlebt, die als Synagoge unter freiem Himmel gilt. Dort suchen Gruppen immer eine Zehnerzahl zusammen, um eine Synagoge zu bilden. Ich wurde sogar eingeladen, um den Minjan zu vervollständigen – was ich jedoch nicht angenommen habe.
In Philippi, der ersten Stadt in Europa, die Paulus missionierte (Apostelgeschichte 16), gab es keine Synagoge. Paulus fand dort einen Gebetsplatz, an dem einige Frauen beteten (Apostelgeschichte 16,13). Es war kein Minjan, weil keine zehn Männer da waren. Dennoch war es ein Brückenkopf, von dem aus Paulus das Evangelium verbreiten konnte und eine Gemeinde entstand.
Wenn kein Minjan vorhanden ist, kann ein Gebetsort eingerichtet werden, der keine Synagoge ist.
Zum Thema Ausschluss: Im Judentum gab es in der Synagoge die Möglichkeit, jemanden auszuschließen, der in Sünde lebte. Das wurde „Binden“ genannt, das Aufnehmen „Lösen“. Diese Begriffe finden sich bei Josephus Flavius („Jüdischer Krieg“, Buch 1, Kapitel 5, Abschnitt 2) und im babylonischen Talmud, Traktat Moed-Katan 16a.
So versteht man, was Jesus mit „Binden und Lösen“ meint, zum Beispiel in Matthäus 18. Es hat nichts mit Okkultseelsorge zu tun, sondern mit Ausschluss und Aufnahme.
Matthäus 18,15-20 beschreibt das Vorgehen bei Konflikten zwischen Glaubensbrüdern: Wenn jemand sündigt, soll man ihn privat zurechtweisen. Hört er nicht, nimmt man einen oder zwei Zeugen hinzu. Hört er auch dann nicht, sagt man es der Gemeinde. Wenn die Gemeinde nicht hört, soll man ihn behandeln wie einen Heiden oder Zöllner, die damals aus der Synagoge ausgeschlossen waren.
Jesus sagt, dass die Gemeinde die richterliche Gewalt hat: Was sie auf Erden binden, wird im Himmel gebunden sein, und was sie lösen, wird im Himmel gelöst sein. Wenn zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, ist er in ihrer Mitte.
Der Ausschluss ist also nie Sache einzelner Personen, sondern der Gemeinde als Ganzes. Die Gemeinde muss auch wieder aufnehmen, wenn der Schuldige sein Leben geordnet hat.
Die Gemeinde hat eine weltweite Autorität. Ein Ausschluss in einer Gemeinde muss von anderen Gemeinden anerkannt werden, sonst wird die Zucht unterlaufen. Das Ziel des Ausschlusses ist, dass jemand wieder zurechtkommt im Glauben. Das ist oft ein langer Weg, weil das Abweichen meist allmählich geschieht.
Der Begriff „Binden und Lösen“ stammt aus dem Judentum und der Synagoge.
Ein weiteres Detail: Frauen dürfen in der Synagoge keine Fragen stellen. Im babylonischen Talmud (Bt Chagigah 3a) steht, dass Männer zum Lernen kommen, Frauen zum Hören. Lernen bedeutet hier, öffentlich Fragen zu stellen; Hören heißt zuhören, aber nicht sprechen.
In 1. Korinther 14,34-35 sagt Paulus: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen eure Frauen in den Gemeindezusammenkünften schweigen; es ist ihnen nicht erlaubt zu reden. Wenn sie etwas lernen wollen, sollen sie zu Hause ihre Männer fragen.“
Das bedeutet, dass Frauen in der Gemeinde keine öffentlichen Fragen stellen sollen, Männer aber schon. In Apostelgeschichte 20 sehen wir, dass Paulus in Troas bis Mitternacht mit den Brüdern im Dialog war, also Fragen gestellt wurden. Auch in Johannes 6 in der Synagoge zu Kapernaum gibt es einen Dialog zwischen Jesus und den Zuhörern.
Lernen heißt hier, öffentlich Fragen stellen, und das soll in der Gemeinde nicht von Frauen geschehen. Das ist kein generelles Redeverbot für Frauen in allen Situationen, sondern bezieht sich auf den Gottesdienst der Gemeinde.
Wenn eine Frau keine Fragen in der Gemeinde stellen kann, soll sie das zu Hause bei ihrem Mann tun. Wenn sie keinen Mann hat, gibt es andere Ansprechpartner in ihrem Umfeld.
Das hat eine heilsame Wirkung: Die Männer werden ermutigt, sich mit den Themen zu beschäftigen und Antworten zu suchen.
Zum Schluss ein Fazit: Die Einrichtung der Synagoge war in Gottes Vorsehung eine Vorbereitung für das Evangelium und auch für die Gemeinde.
Obwohl die Gemeinde im Alten Testament ein Geheimnis war (Epheser 3), hat Gott den Ratschluss der Gemeinde von Ewigkeit her gefasst, aber nie einem Engel oder Propheten davon erzählt. Erst mit dem Kommen des Messias, der von seinem Volk verworfen wurde, beginnt Gott, das Geheimnis der Gemeinde zu offenbaren.
Eine kleine Korrektur: Das erste Mal, dass Jesus das Wort „Ekklesia“ (Gemeinde) benutzt, ist in Matthäus 16, wo er sagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“ Er meint damit die weltweite Gemeinde, die niemals untergehen wird. In Matthäus 18 spricht er zum ersten Mal über die örtliche Gemeinde.
Man kann sagen: Das Wort „Ekklesia“ bezeichnet erst die weltweite Gemeinde, dann die örtliche Gemeinde.
Das Vorlesen des Alten Testaments auf Griechisch in Israel und unter den Heidenvölkern im Römischen Reich war eine Öffnung des Zugangs zur Bibel für die Heiden als Vorbereitung für das Evangelium.
Der Synagogengottesdienst war eine Vorbereitung auf den Gottesdienst der Gemeinde.
Braucht es in der Gemeinde auch einen Synagogenvorsteher, der den Ablauf festhält und sagt, wer lesen soll? Nein, in den Briefen des Neuen Testaments finden wir keinen Ekklesiavorsteher.
Warum nicht? Weil die Gemeinde den Heiligen Geist hat. Israel hat das in der Synagoge nicht. Man sieht das eindrücklich: Wie beten die Juden in der Synagoge? Alle lesen ihre Gebete ab. Warum können sie nicht frei beten? Weil sie den Heiligen Geist nicht haben.
Das ist der große Unterschied: In der Gemeinde führt und leitet der Heilige Geist, wie wir in 1. Korinther 12 bis 14 sehen.
Darum ist die Synagoge nur eine Vorbereitung gewesen. Sie hat gewisse Ähnlichkeiten, aber das, was Gottes Gedanken über die Gemeinde sind, wie sie in den Briefen des Neuen Testaments dargestellt werden, ist noch viel größer, herrlicher und wunderbarer.
Damit wollen wir hier schließen.
Empfang in der Synagoge von Beröa und kritische Prüfung
Apostelgeschichte 17, Vers 1: Nachdem sie durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessalonich, wo die Synagoge der Juden war. Paulus ging, wie es seine Gewohnheit war, zu ihnen hinein und unterredete sich an drei Sabbaten mit ihnen aus den Schriften.
Der Ausdruck „unterreden“ meint im Griechischen „Dialog führen“. Das bedeutet, Paulus sprach, es wurde aber auch gefragt; es fand ein Dialog an drei Sabbaten statt, in dem er eröffnete und darlegte, dass der Christus – das griechische Wort für den hebräischen Messias – leiden und aus den Toten auferstehen musste. Dieser Jesus, den ich euch verkündige, ist der Christus, der Messias.
Etliche von ihnen glaubten und schlossen sich Paulus und Silas an. Auch von den anbetenden Griechen war eine große Menge dabei, ebenso nicht wenige der vornehmsten Frauen. Man kann hier zwei Stufen erkennen: In der ersten Stufe erklärt Paulus in der Synagoge anhand des Alten Testaments, dass der Messias ein leidender Messias sein wird.
Er macht klar, dass man unterscheiden muss zwischen den Stellen, die von einem herrschenden Messias sprechen, der Gerechtigkeit und Frieden in diese Welt bringen wird, und den Stellen, die davon berichten, dass der Messias zuvor leiden, sterben für unsere Sünden und dann auferstehen muss. Das hat er ihnen theoretisch aus dem Alten Testament heraus erklärt.
Im nächsten Schritt zeigt er: Dieser Jesus, der vor einigen Jahren vor den Toren Jerusalems gekreuzigt wurde, ist der Messias. Denn er hat genau das erfüllt, was in Jesaja 53, Psalm 22, Daniel 9 und anderen Stellen steht. So hat Paulus in zwei Stufen das Evangelium erläutert, und viele sind zum Glauben gekommen – auch von den vorerwählten Heiden, die bereits an den Gott Israels glaubten.
Dann kommt es zu einem großen Aufruhr. Paulus geht weiter zur nächsten Synagoge. Apostelgeschichte 17, Vers 10: Die Brüder aber sandten Paulus und Silas alsbald in der Nacht nach Beröa. Dort angekommen, gingen sie in die Synagoge der Juden.
Diese waren edler als die in Thessalonich. Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf und untersuchten täglich die Schriften, ob dies sich so verhielte. Viele von ihnen glaubten, ebenso nicht wenige der griechischen vornehmen Frauen und Männer. Auch hier sieht man wieder Heiden, die in der Synagoge waren und für das Evangelium vorbereitet waren.
In Beröa herrschte allgemein eine gute Bereitschaft, das Wort aufzunehmen, aber nicht blindlings. Sie glaubten nicht einfach alles, was ihnen gesagt wurde, aber sie lehnten auch nicht alles ab. Man kennt das aus manchen Hauskreisen, wo manche Leute immer „aber, aber, aber“ sagen und man deshalb kaum etwas zusammenhängend erklären oder herleiten kann.
Andere hingegen nehmen jeden Unsinn an und glauben alles, was ihnen erzählt wird, zum Beispiel, dass Gott goldene Zähne schenkt oder Goldregen schickt. Solche Menschen glauben alles blind.
Hier aber lesen wir, dass die Beröer das Wort mit aller Bereitwilligkeit aufnahmen. Sie waren offen zuzuhören und folgten genau dem, was gesagt wurde. Gleichzeitig prüften sie täglich die Schriften, ob das Gesagte wirklich stimmte. Sie lasen selbst jeden Tag in der Bibel und verglichen, ob das, was Paulus sagte, mit den Schriften übereinstimmte.
Das ist wichtig, denn so fällt man nicht auf Unsinn herein. Es braucht Offenheit, verbunden mit kritischem Prüfen anhand der Bibel. Ein weiterer Vorteil ist: Wenn man das, was man gelernt hat, selbst verstanden hat, muss man nicht immer sagen: „Übrigens, der Herr hat mal gesagt...“ oder „Das hat Paulus gesagt...“
Man muss es nicht ständig zitieren, sondern kann sagen: „Ich habe es selbst in der Bibel gesehen und verstanden.“ Wenn man es selbst verstanden hat, ist das viel überzeugender.
Weitere Synagogen und ihre Bedeutung
Auf dem Blatt habe ich weiter aufgeführt: die Synagoge von Athen, Apostelgeschichte 17,16. Während Paulus in Athen war, wurde sein Geist in ihm erregt, weil er die Stadt voll von Götzenbildern sah.
Er unterredete sich nun in der Synagoge mit den Juden und auch mit den Anbetern auf dem Markt. Diese Anbeter sind wiederum die vorbereiteten Heiden, die an jedem Tag mit denen zusammenkamen, die gerade hergekommen waren.
Dann folgt die Synagoge von Korinth. Das haben wir schon gelesen in Apostelgeschichte 18,4. Schließlich gibt es noch die Synagoge von Ephesus, Apostelgeschichte 18,19; 18,26 und 19,8.
Synagogenvorsteher und ihre Aufgaben
Jetzt ein paar Bemerkungen zur Praxis.
Wir finden einige Male den Begriff „Synagogenvorsteher“ im Neuen Testament, griechisch Archisynagogos, zum Beispiel in Markus 5,22. Das ist der bekannte Jairus, der zu dem Herrn Jesus kam wegen seiner kranken zwölfjährigen Tochter.
Ein anderer Ausdruck im Neuen Testament ist griechisch „archontes synagoges“, das heißt einfach „Vorsteher der Synagoge“. Aber es ist die gleiche Person, ob man „Synagogenvorsteher“ oder „Vorsteher der Synagoge“ sagt, das ist dasselbe. Dieser Ausdruck kommt zum Beispiel in Lukas 8,41 und 49 vor.
Im Judentum nennt man diese Person „Rosch ha-Knesset“. „Rosch“ bedeutet Kopf der Knesset. Dabei ist die Knesset nicht das Parlament, sondern die Synagoge. Im Parlament kommt man ja auch zusammen, darum heißt es Knesset. Aber „Bet ha-Knesset“ ist die Synagoge, und der „Rosch ha-Knesset“ ist der Synagogenvorsteher.
Seine Aufgabe war die Leitung des Gottesdienstes und die Auswahl der Vorleser. Er musste zum Beispiel aufrufen: „Herr Levi, würden Sie heute den Tora-Abschnitt vorlesen?“ Dann kam er – falls er kam. Je nachdem musste der Synagogendiener ihn nochmals wirklich einladen: „Bitte, Herr Levi, kommen Sie, lesen Sie!“ Also die Auswahl der Vorleser und auch der Prediger lag in seiner Verantwortung.
Er hatte auch die allgemeine Aufsicht über die Synagoge. Er musste darauf achten, dass angemessenes Benehmen bei allen Leuten herrschte, dass der Ablauf ordentlich war und kein Chaos entstand. Das war seine Aufgabe.
Ich habe eine ganze Reihe von Stellen aufgeführt, in denen der Synagogenvorsteher vorkommt: Markus 5,3 (mehrere Verse), dann Lukas 8, zwei Verse, 13, Vers 14, und dann Apostelgeschichte 13,15 und 18,8 sowie 17. Ganz konkrete Beispiele.
Wir haben das bereits in Apostelgeschichte 13 gefunden. Dort werden in der Mehrzahl die Vorsteher der Synagoge genannt. Ich lese nochmals Apostelgeschichte 13, Vers 15: „Aber nach dem Vorlesen des Gesetzes und der Propheten sandten die Vorsteher der Synagoge zu ihnen.“ Üblich war ein Synagogenvorsteher pro Synagoge, aber hier erwähnt Lukas, dass es also mehr als einen gab. Zwei oder mehr? Die Mehrzahl bedeutet ja zwei und mehr. So hatten wir das in der Grammatik gelernt, ohne dass die Lehrer das ausdrücklich so gesagt haben.
Konkrete Personen sind Jairus in Markus 5,22, dann Crispus in Apostelgeschichte 18,8, von dem hatten wir es ja schon. Dieser Vorsteher kam in Korinth zum Glauben. Sein Nachfolger war Sostenes, der dann in Apostelgeschichte 18, Vers 17 erwähnt wird. Offensichtlich kam auch er zum Glauben, denn wir lesen dort, wie Juden sich gegen ihn stellten.
Ich lese Apostelgeschichte 18,12: „Als aber Gallion Prokonsul von Achaja war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf und führten ihn vor den Richterstuhl und sagten: ‚Dieser überredet die Menschen, Gott anzubeten, dem Gesetz zuwider.‘“
Als Paulus den Mund öffnen wollte, sagte Gallion zu den Juden: „Wenn es ein Unrecht oder eine böse Handlung wäre, o Juden, so hätte ich euch billigerweise ertragen. Wenn es aber über Streitfragen geht, über Worte und Namen und das Gesetz, das ihr habt, so seht ihr selbst zu; denn über diese Dinge will ich nicht Richter sein.“
Für Gallion gab es also nur das römische Gesetz und Recht. Über Dinge, die mit dem Gesetz Gottes, der Tora, zu tun hatten, war er überhaupt nicht interessiert. Dann liest man weiter: „Und er trieb sie von dem Richterstuhl hinweg. Alle aber ergriffen Sostenes, den Vorsteher der Synagoge, und schlugen ihn vor dem Richterstuhl. Gallion bekümmerte sich nicht um dies alles.“
Sostenes ist der Nachfolger von Crispus, der in Vers 8 genannt wird und zum Glauben kam. Warum wird er so übel behandelt? Offensichtlich hat er sich auch auf die Seite des Evangeliums gestellt.
Interessant ist, dass im ersten Korintherbrief, den Paulus ungefähr drei Jahre später schrieb, in Vers 1 steht: „Paulus, berufener Apostel Jesu Christi durch Gottes Willen, und Sostenes, der Bruder, der Gemeinde Gottes, die in Korinth ist.“ Paulus schreibt den ersten Korintherbrief zusammen mit Sostenes. Es ist naheliegend, daran zu denken, dass dieser Synagogenvorsteher den Apostel Paulus im Missionsdienst unterstützt hat.
Er ist nicht Mitverfasser des ersten Korintherbriefes, sondern Mitabsender. Das ist nicht ganz dasselbe. Das nur als Hinweis. Es gibt ja noch andere Briefe, in denen ein Apostel sich zusammen mit anderen Mitarbeitern am Anfang des Briefes erwähnt. Aber ein Paulusbrief bleibt ein Paulusbrief, auch wenn Sostenes Mitabsender ist.
Weiter, in Lukas 4, Vers 20 wird der Synagogendiener erwähnt, griechisch Hyperätes, und das entspricht in der rabbinischen Literatur dem Chasan.
Ich lese Lukas 4, ab Vers 14: „Und Jesus kehrte in der Kraft des Geistes nach Galiläa zurück, und das Gerücht über ihn ging aus durch die ganze Umgegend, und er lehrte sie in ihren Synagogen, geehrt von allen. Und jetzt kommt’s: Er kam nach Nazareth, wo er erzogen war, und er ging nach seiner Gewohnheit am Sabbattag in die Synagoge.“
Sehen wir das? Der Herr ging nach seiner Gewohnheit in die Synagoge. Die Synagoge ist ja nicht im Gesetz Mose vorgeschrieben worden, aber seine Eltern, Maria und Joseph, hatten ihn von klein auf gewohnheitsmäßig mitgenommen in die Synagoge.
So ist es, wenn man die Kinder gewohnheitsmäßig in die Gemeinde mitnimmt, dann ist es für sie auch später nicht mehr schwierig, als Erwachsene gewohnheitsmäßig in die Gemeinde zu gehen. Sie überlegen sich dann nicht mehr am Sonntagmorgen: „Oh, schönes Wetter heute“, sondern es ist wirklich dran, heute in die Gemeinde zu gehen.
Oder man plant Ferien, und wenn alles gebucht ist, überlegt man sich, wo man am Sonntag hingehen kann – und hat dann vielleicht ein echtes Problem.
Wenn man das aber von klein auf gelernt hat, dann ist das einfach eine gute geistliche Gewohnheit.
Es gibt Leute, die sagen, Gewohnheiten seien immer schlecht, und man solle zum Beispiel nicht immer auf dem gleichen Stuhl in der Gemeinde sitzen. Ja, so ist es ja. Man sitzt an einem Ort und das nächste Mal genau im gleichen Stuhl. Dabei könnte man auch einen daneben oder zehn daneben sitzen. Aber so sind wir nun mal.
Es gibt schlechte Gewohnheiten, die müssen wir ausmerzen, und es gibt gute Gewohnheiten, die müssen wir pflegen.
Ich meine jetzt nicht, dass immer auf dem gleichen Stuhl sitzen eine gute Gewohnheit ist, aber es ist eben eine mögliche Gewohnheit.
Dass der Herr gewohnheitsmäßig am Sabbat in die Synagoge ging, das war eine gute Gewohnheit.
Übrigens findet man im Lukasevangelium fünfmal den Ausdruck „Gewohnheit“. Das ist interessant, weil das Lukasevangelium gerade die Menschheit des Herrn Jesus besonders betont. Darum hat dieses Wort „Gewohnheit“ eine sehr tiefe Bedeutung.
Nochmal Vers 16: „Und er kam nach Nazareth, wo er erzogen war, und er ging nach seiner Gewohnheit am Sabbattag in die Synagoge und stand auf, um vorzulesen.“
Jetzt macht er die Lesung. Es wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht.
Wenn hier „Buch“ steht, ist eine Schriftrolle gemeint. Wir denken beim Wort „Buch“ oft gleich an einen Kodex, ein Buch mit Seiten, aber das ist eine spätere Gewohnheit in der Geschichte.
Damals waren die Bücher in Israel Schriftrollen.
Es wurde ihm also das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Als er das Buch aufgerollt hatte – ja, da sehen wir es –, das war nicht meine Erfindung, das zu sagen: „Als er das Buch aufgerollt hatte, fand er die Stelle, wo geschrieben war.“ Das ist nämlich Kapitel 61.
Man muss ziemlich lang rollen – eine Jesaja-Rolle ist etwa sieben Meter vierunddreißig lang, wie die vollständige Rolle aus Qumran Höhle 1, die 1947 gefunden wurde, zeigt, wo alle Kapitel enthalten sind.
Er fand die Stelle: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen. Er hat mich gesandt, Gefangenen Befreiung auszurufen und Blinden das Gesicht, Zerschlagenen Freiheit hinzusenden, auszurufen das angenehme Ja des Herrn.“
Als er das Buch zugerollt hatte, gab er es dem Diener zurück und setzte sich.
Hier haben wir also den Diener, den Chasan auf Hebräisch, Hyperätes im griechischen Text. Seine Aufgaben waren, Schriftrollen hervorzuholen – das macht er hier –, die Jesajarolle bringen und wieder zurückbringen.
Auch das Vorlesen organisieren und die Vorleser aufrufen war seine Aufgabe.
So war es in der Synagoge und ist es auch heute noch so.
Zuerst wird der Toratext verlesen, danach Abschnitte aus den Propheten.
Vor zweitausend Jahren waren die fünf Bücher Mose so eingeteilt, dass man in einem Jahr durch alle fünf Bücher hindurchkam.
Das heißt, der Sabbatabschnitt war viel größer als heute.
Heute ist es weltweit üblich, in den Synagogen in einem Dreijahreszyklus durchzukommen. Das endet mit Simchat Torah, dem Abschluss des Laubhüttenfestes, und dann beginnt die Lesung wieder mit 1. Mose 1,1.
Die Abschnitte waren damals deutlich länger als heute, und schon heute können sie je nach Sabbat recht lang sein.
Weltweit ist geregelt, welcher Abschnitt vorgelesen wird.
Dann kommen die Prophetenlesungen dazu, die den Abschnitt noch unterstreichen und unterstützen.
Der Herr Jesus liest hier aus Jesaja 61, einer messianischen Prophezeiung, dem fünften Gottesknechtgedicht aus Jesaja. Dieses beginnt in Kapitel 42, dann 49, 50, Kapitel 53 und eben auch 61.
Jetzt folgt die Predigt.
Vers 21: „Er fing aber schon an…“ Vers 20: „Und als er das Buch zugerollt hatte, gab er es dem Diener zurück und setzte sich.“
In der Synagoge wird in sitzender Stellung gelehrt. Darum heißt es hier korrekt im Lukasevangelium: „Und alle Augen in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.“
Er fing an zu ihnen zu sagen: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“
Alle gaben ihm Zeugnis und verwunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen.
Sie sprachen: „Ist dieser nicht der Sohn Josephs?“
Er antwortete ihnen: „Ihr werdet allerdings dieses Sprichwort zu mir sagen: ‚Arzt, heile dich selbst! Alles, was wir gehört haben, dass es in Kapernaum ganz viel geschehen sei, tue auch hier in deinem Vaterland.‘“
Er sprach weiter: „Wahrlich, ich sage euch, kein Prophet ist in seinem Vaterland angenehm.“
Am schwierigsten ist es immer am eigenen Ort.
Er fuhr fort: „Viele Witwen waren in den Tagen Elias in Israel, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate verschlossen war, so dass eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Und zu keiner von ihnen wurde Elias gesandt, außer zu einer Frau, einer Witwe, in Zarepta in Sidon.“
„Viele Aussätzige waren zur Zeit Elias des Propheten in Israel, und keiner von ihnen wurde gereinigt, außer Naaman, der Syrer.“
Alle wurden von Wut erfüllt in der Synagoge, als sie dies hörten. Sie standen auf, stießen ihn zur Stadt hinaus und führten ihn bis an den Rand des Berges, auf welchem ihre Stadt erbaut war, um ihn hinabzustürzen.
Er aber ging durch ihre Mitte hindurch und verschwand.
Dann heißt es: „Und er kam nach Kapernaum hinab, einer Stadt in Galiläa, und lehrte sie an den Sabbaten, auch wieder dort in der Synagoge.“
Hier haben wir eine Predigt des Herrn Jesus festgehalten in Nazareth, so wie wir in Johannes 6 eine Predigt in Kapernaum haben.
Wir sehen hier die Illustration, wie nach der Toralesung die Prophetenlesung kommt.
Schlagen wir nochmals auf Apostelgeschichte 13, Vers 15: „Aber nach dem Vorlesen des Gesetzes und der Propheten sandten die Vorsteher der Synagoge zu ihnen.“
Jetzt werden sie aufgefordert, eine Predigt zu halten. Aber zuerst in dieser Reihenfolge: Gesetzlesung, Prophetenlesung.
Es war üblich, danach eine freie Predigt zu halten, also nicht aufgeschrieben, sondern frei gepredigt.
Darum war die Predigt des Herrn Jesus in Lukas 4 eine freie Predigt, und auch in Apostelgeschichte 13 war es eine freie Predigt.
Das wirkt ganz anders. Wenn man abliest, ist das nicht dasselbe wie freie Predigt.
So sehen wir, dass Jesus sich durch den Heiligen Geist leiten ließ. Wir lesen in Lukas 3, wie der Heilige Geist auf ihn kam und ihn für den öffentlichen Dienst salbte.
Dann ging er so herum und predigte, geleitet durch den Heiligen Geist.
Auch Paulus war mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgerüstet und konnte frei predigen, und zwar mit geistlicher Kraft, so wie es die Rabbiner, die den Geist nicht hatten, nicht konnten.
Ich überspringe jetzt einen Punkt und nehme zuerst den Punkt mit Minjan.
Es war ein Grundgesetz für die Synagogen, dass man einen Minjan beieinander haben muss, um eine Synagoge zu bilden.
Minjan heißt auf Aramäisch „Zahl“, und zwar ist die Zahl zehn gemeint, mindestens zehn Männer, damit man an einem Ort eine Synagoge sein kann.
Die wichtigste Begründung ist 1. Mose 18, Vers 32. Abraham bietet Gott an, Sodom zu verschonen, wenn es noch fünfzig Gerechte darin gibt. Gott sagt ja, aber vielleicht sind es nur 45, auch dann, aber es könnten ja nur 40 sein. Abraham geht runter bis auf zehn, und Gott sagt: Wenn es zehn Gerechte gibt in Sodom, werde ich die Stadt verschonen.
Weiter ging er nicht runter. So wurde abgeleitet, dass die Mindestzahl für ein glaubwürdiges Zeugnis Gottes in einer Stadt zehn Männer sind.
Man muss den Minjan beieinander haben, sonst geht gar nichts.
Ich habe das auch schon an der Klagemauer erlebt. Die Klagemauer versteht man ja als eine Synagoge unter freiem Himmel.
Dort sind verschiedene Gruppen anwesend, und eine Gruppe sucht immer, ob sie eine Zehnerzahl zusammenbringen kann, um eine Synagoge zu bilden.
Ich wurde einmal eingeladen, um den Minjan zu vervollständigen. Ich erkläre nicht, was ich gemacht habe – ich habe nicht mitgemacht –, aber ich müsste erklären, warum nicht.
So funktioniert das: Man braucht zehn Männer.
Jetzt versteht man auch, dass es in Philippi keine Synagoge gab. Das war die erste Stadt, die Paulus in Europa missionierte (Apostelgeschichte 16). Dort gab es keine Synagoge.
Paulus hatte dort einen Gebetsplatz gefunden, an dem einige Frauen beteten.
Ich lese Apostelgeschichte 16, Vers 13: „Und am Tag des Sabbats gingen wir hinaus vor das Tor an einen Fluss, wo es gebräuchlich war, das Gebet zu verrichten, und wir setzten uns nieder und redeten zu den Frauen, die zusammengekommen waren.“
Dort ist auch Lydia, ein Frauengebetkreis. Das war keine Synagoge, weil sie keine zehn Männer hatten.
Aber es war ein Brückenkopf, und von dort aus konnte Paulus das Evangelium in Philippi verbreiten, und es entstand eine Gemeinde.
Darum der nächste Punkt: Wenn kein Minjan vorhanden ist, kann ein Gebetsort eingerichtet werden, der keine Synagoge ist. Das war ein Gebetsort.
Dann der Punkt Ausschluss.
Im Judentum gab es in der Synagoge die Möglichkeit, jemanden auszuschließen, der in Sünde lebte.
Das wurde „Binden“ (Ausschließen) und „Lösen“ (Aufnehmen) genannt.
Diese Ausdrücke „Binden“ und „Lösen“ in diesem Sinn findet man zum Beispiel bei Josephus Flavius, Jüdischer Krieg, Buch I, Kapitel 5, Abschnitt 2, oder im babylonischen Talmud (Bt), der verbindlichen Talmud-Ausgabe im Judentum, im Traktat Moed-Katan, 16a.
Nun versteht man, was das bedeutet, wenn der Herr Jesus über Binden und Lösen spricht, in Matthäus 18.
Das hat nichts zu tun mit Dämonen binden und lösen. Ich glaube, das wurde völlig verdreht im Zusammenhang mit Okkultseelsorge.
Es geht nicht um Okkultseelsorge beim Binden und Lösen, sondern um Ausschließen und Aufnehmen.
Matthäus 18, Vers 15: „Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt, so gehe hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein.“
Das ist ein Konflikt zwischen zwei Glaubensbrüdern, und den muss man privat lösen.
„Wenn er aber auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen.“
Das geht am besten, wenn man nicht den Kopf wäscht, sondern jemanden gewinnt.
„Du hast deinen Bruder gewonnen.“
Wenn er aber nicht hört, „so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werde.“
Das ist das Prinzip aus 5. Mose 19, Vers 15 im Alten Testament, das neutestamentlich ebenso gültig ist.
„Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde.“
Das ist das erste Mal in den Evangelien, dass der Herr Jesus die Gemeinde mit Namen „Ekklesia“ nennt.
„Wenn er aber auch auf die Ekklesia nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner.“
Die Heiden und Zöllner waren aus der Synagoge ausgeschlossen. Die Zöllner galten als Volksverräter, die mit der Besatzungsmacht kooperierten.
„So seiet ihr wie der Heide und der Zöllner.“
Wahrlich, ich sage euch: „Was ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein.“
Wiederum sagt er: „Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen über irgendeine Sache, um welche sie auch bitten mögen, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist.“
Denn „wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“
Der Herr zeigt, dass die Gemeinde richterliche Gewalt hat – nicht die Ältesten allein, sondern die Gemeinde.
Wenn er auf die Gemeinde nicht hört, also Ausschluss ist nie die Sache einzelner Personen, sondern die Gemeinde hat eine kollektive Verantwortung.
Die Gemeinde muss ausschließen und auch wieder prüfen und aufnehmen, wenn der Schuldige sein Leben geordnet hat.
Der Herr gibt der Gemeinde also eine solche richterliche Gewalt und sagt, was ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein.
Das heißt, wenn ihr den Beschluss fasst, wird das im Himmel anerkannt? Natürlich ist gemeint ein Beschluss in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken.
Es geht nicht um einen ungerechten Beschluss.
Genauso sagt der Herr weiter: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen über irgendeine Sache, um welche sie bitten, so wird es ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist.
Der Herr geht also von einem Beten in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken aus.
Auch beim Ausschluss geht er von einem Ausschluss aus, der mit Gottes Gedanken übereinstimmt.
Dann sagt der Herr: „Auf der Erde binden wird auch im Himmel gebunden sein.“
Gott anerkennt diesen Ausschluss.
Der Herr sagt hier nicht „was ihr an eurem Ort bindet“, sondern „auf der Erde“.
Das heißt, wenn jemand in einer örtlichen Gemeinde in Übereinstimmung mit dem Herrn ausgeschlossen wird – sagen wir nach 1. Korinther 5 wegen Ehebruch oder ausserehelichem Geschlechtsverkehr, was dort Hurerei genannt wird –, dann müssen das die anderen Gemeinden auch anerkennen.
Sonst verschulden sie sich.
Wenn in Gemeinde A jemand wegen ausserehelichem Verkehr ausgeschlossen ist und in der Nachbarstadt oder ein paar Städte weiter jemand sagt: „Toll, dass du kommst, jetzt haben wir wieder einen mehr“, dann sagen sie das nicht offen, aber man denkt es vielleicht.
Das geht natürlich nicht.
Dann wird die Zucht unterlaufen.
Der Sinn des Ausschlusses ist ja nach 1. Korinther 5, dass jemand wieder zurechtkommt im Glauben.
Das geht oft nicht schnell.
Das Zurechtkommen ist ein ganzer Weg.
Denn das Abweichen ist auch ein allmähliches Abweichen, bis man schließlich zu Fall kommt.
Da muss man helfen, der Seelsorge zurückzugehen bis an den Anfang, wo man begonnen hat abzuweichen.
Wir sehen, der Herr hat der Gemeinde eine richterliche Würde gegeben, die weltweite Autorität hat.
Wenn in Aarau in einer Gemeinde dieser Entschluss gefasst wird, dann müssen die in Los Angeles das auch anerkennen.
Es kann sein, dass der Betroffene sagt: „So, jetzt gehe ich, mit denen will ich gar nichts mehr zu tun haben.“
Aber in Los Angeles werde ich eine tolle Gemeinde finden, und die nehmen mich dann auf, als wäre nichts gewesen.
Nein, das geht absolut nicht!
Auch die anderen Gemeinden sind daran gebunden.
Der Begriff „Binden und Lösen“ kommt aus dem Judentum, aus der Synagoge.
Ein weiteres Detail: Frauen dürfen in der Synagoge keine Fragen stellen.
Im babylonischen Talmud, Bt Chagigah 3a, steht: „Die Männer kommen, um zu lernen, und die Frauen kommen, um zu hören.“
Komisch, nicht wahr?
Lernen die Frauen denn nichts in der Synagoge?
Doch, aber „lernen“ ist hier gebraucht im Sinne von „Fragen stellen“, öffentlich.
„Hören“ bedeutet hier zuhören, aber nicht reden.
In 1. Korinther 14,34 sagt der Apostel Paulus: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen eure Frauen in den Gemeindezusammenkünften schweigen; es ist ihnen nicht erlaubt zu reden.“
Er fährt fort: „Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen.“
Was, wenn sie etwas lernen wollen? Sollten sie nicht in der Gemeinde lernen?
Ja, aber nicht, indem sie öffentlich unterbrechen und eine Frage stellen.
Männer können das.
Darum lesen wir auch in Apostelgeschichte 20, dass der Apostel Paulus in der Gemeinde in Troas war und sich mit ihnen bis um Mitternacht unterredete.
„Unterredeten“ heißt „Dialog führen“. Da haben die Brüder auch zwischendurch Fragen gestellt.
Der Apostel Paulus hat frei gepredigt, darum konnte er auch frei auf die Fragen eingehen.
Das sehen wir auch in Johannes 6 in der Synagoge in Kapernaum. Dort ist ein ganzer Dialog mit dem Herrn.
Die Leute fragen zwischendurch: „Ja, und wie ist das denn?“
Der Herr erklärt das mit dem Brot des Lebens.
Dialog führen.
Lernen heißt hier, öffentlich Fragen stellen, und da sagt der Apostel Paulus, in der Gemeinde soll das nicht geschehen.
Das ist kein Redeverbot für Frauen in allen Umständen.
Es geht nicht um Hauskreise, Frauenfrühstücke oder viele andere Dienste für Frauen.
Es geht um das Zusammenkommen als Gemeinde zum Gottesdienst.
Darum sagt Paulus: Wenn sie etwas lernen wollen, sollen sie die Frage zu Hause stellen.
Dann kommt manchmal eine Frau und sagt: „Ich habe keinen Mann, was soll ich machen?“
Das ist so gemeint, dass der Apostel Paulus sagt, eine Frau soll an die erste Adresse gehen.
Wenn sie verheiratet ist, ist das ihr Mann.
Das heißt, sie soll nicht zuerst alle anderen Männer fragen, sondern zuerst den eigenen Mann.
Das bringt den Mann auf Trab.
Wenn er es nämlich nicht beantworten kann, muss er zum ersten Mal Beedel-Kommentare herausholen und sich selbst mit dem Thema beschäftigen.
Das hat eine sehr heilsame Wirkung.
Fragt eure Männer, und plötzlich werden sie interessiert und ermutigt, wenn sie sehen, dass es geklappt hat und sie auch Antworten geben konnten.
Man kann immer noch an die nächste Adresse gehen, wenn das nicht geht.
Wenn man nicht verheiratet ist, gibt es noch ein paar andere im nächsten Umfeld, die die nächste Ansprechperson wären.
Dann kommen alle auf Trab.
Nun können wir schließen und zum Fazit kommen:
Die Einrichtung der Synagoge war in Gottes Vorsehung eine Vorbereitung des Evangeliums und auch der Gemeinde.
Obwohl die Gemeinde im Alten Testament ein Geheimnis war (nach Epheser 3), hat Gott den Ratschluss der Gemeinde von Ewigkeit her gefasst, aber nie einem Engel etwas davon verraten.
Auch durch das ganze Alte Testament hindurch wurde dieses Geheimnis der Gemeinde keinem Propheten mitgeteilt.
Erst mit dem Kommen des Messias, der von seinem Volk verworfen wurde, beginnt der Herr, das Geheimnis der Gemeinde zu enthüllen.
Noch eine kleine Korrektur:
Das erste Mal, dass der Herr Jesus das Wort „Ekklesia“ (Gemeinde) benutzt, ist in Matthäus 16, wo er sagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“
Das ist er selbst, der Sohn Gottes, der Messias, der Fels.
Dort spricht der Herr Jesus über die weltweite Gemeinde, die niemals untergehen wird.
In Matthäus 18 spricht er zum ersten Mal über die örtliche Gemeinde.
So könnte man sagen: Das erste Mal benutzt der Herr das Wort „Ekklesia“ für die örtliche Gemeinde, der Ausdruck vor Ort für die weltweite Gemeinde.
Halten wir fest:
Das Vorlesen des Alten Testaments auf Griechisch in Israel und unter den Heidenvölkern im Römischen Reich und darüber hinaus war eine Eröffnung des Zugangs zur Bibel für die Heiden als Vorbereitung für das Evangelium.
Der Synagogengottesdienst war eine Vorbereitung auf den Gottesdienst der Gemeinde.
Braucht es da auch einen Synagogenvorsteher, der den Ablauf festhält und genau sagt, wer jetzt lesen soll?
Nein, in den Briefen im Neuen Testament finden wir keinen Ekklesiavorsteher.
Wieso nicht?
Weil die Gemeinde den Heiligen Geist hat, Israel aber in der Synagoge nicht.
Man kann das eindrücklich in den Synagogen sehen: Wie beten sie? Alle immer mit ihren Büchlein, sie lesen die Gebete ab.
Warum können sie nicht frei beten? Weil sie den Heiligen Geist nicht haben.
Das ist der große Unterschied.
In der Gemeinde will der Heilige Geist führen und leiten, wie wir in 1. Korinther 12 bis 14 schön sehen.
Darum ist die Synagoge nur eine Vorbereitung gewesen.
Sie hat gewisse Ähnlichkeiten, aber das, was Gottes Gedanken über die Gemeinde sind in den Briefen des Neuen Testaments, ist etwas noch viel Größeres, Herrlicheres, Wunderbares.
Ja, damit wollen wir hier schließen.
Minyan und Gebetsorte ohne Synagoge
Ja, ich überspringe einen Punkt und beginne mit dem Thema Minyan. Es war ein Grundgesetz für die Synagogen, dass man einen Minyan beieinander haben muss, um eine Synagoge zu bilden. Minyan bedeutet auf Aramäisch „Zahl“ und meint konkret die Zahl zehn, mindestens zehn Männer, damit man an einem Ort eine Synagoge sein kann.
Die wichtigste Begründung dafür findet sich in 1. Mose 18,32. Abraham bietet Gott an, Sodom zu verschonen, wenn es dort noch fünfzig Gerechte gibt. Gott sagt zu, doch Abraham fragt weiter: Vielleicht sind es nur 45? Auch dann. Vielleicht nur 40? Auch das ist möglich. Abraham zählt weiter herunter bis auf zehn, und Gott sagt, wenn es zehn Gerechte in Sodom gibt, werde er die Stadt verschonen. Weiter ging Abraham nicht herunter.
Daraus wurde abgeleitet, dass die Mindestzahl für ein glaubwürdiges Zeugnis Gottes in einer Stadt zehn Männer ist. Man muss also den Minyan beieinander haben, sonst funktioniert nichts.
Ich habe das auch schon an der Klagemauer erlebt. Die Klagemauer versteht man ja als eine Synagoge unter freiem Himmel. Dort sind natürlich verschiedene Gruppen anwesend, und eine Gruppe sucht immer, dass sie eine Zehnerzahl zusammenbringt, um wieder eine Synagoge zu bilden. Ich habe das also auch schon erlebt, und dann wollten sie mich einladen, um den Minyan vollständig zu machen. Ich erkläre jetzt nicht, was ich gemacht habe. Ich habe nicht mitgemacht, aber ich müsste noch erklären, warum nicht. So funktioniert das eben: Man braucht zehn Männer beieinander.
Nun versteht man auch, dass es in Philippi keine Synagoge gab. Es war die erste Stadt, die Paulus in Europa missionierte (Apostelgeschichte 16). Dort gab es keine Synagoge, obwohl Paulus immer nach einer solchen gesucht hatte. Stattdessen fand er einen Gebetsplatz, an dem einige Frauen beteten (Apg 16,13). Am Sabbattag gingen wir hinaus vor das Tor an einen Fluss, wo es üblich war, das Gebet zu verrichten. Wir setzten uns nieder und redeten zu den Frauen, die zusammengekommen waren.
Dort war auch Lydia. Es handelte sich um einen Frauengebetkreis, keine Synagoge, weil keine zehn Männer anwesend waren. Doch es war ein Brückenkopf, von dem aus Paulus das Evangelium in Philippi verbreiten konnte. In der Folge entstand eine Gemeinde.
Darum der nächste Punkt: Wenn kein Minyan vorhanden ist, kann ein Gebetsort eingerichtet werden, der keine Synagoge ist. Das war ein Gebetsort.
Ausschluss in der Synagoge und Gemeinde
Und dann der Punkt, den ich ausgelassen habe: Ausschluss.
Es gab auch im Judentum, in der Synagoge, die Möglichkeit, jemanden auszuschließen, der in Sünde lebte. Dies wurde genannt Binden – das Ausschließen – und Lösen – das Wiederaufnehmen. Diese Ausdrücke Binden und Lösen in diesem Sinn findet man zum Beispiel bei Josephus Flavius, im Jüdischen Krieg, Buch I, Kapitel 5, Abschnitt 2, oder im babylonischen Talmud. Der babylonische Talmud, kurz Bt, ist der verbindliche Talmud im Judentum. Dort findet man es im Traktat Moed-Katan, 16a.
Jetzt versteht man, was das bedeutet, wenn der Herr Jesus über Binden und Lösen spricht, in Matthäus 18. Das hat nichts zu tun mit Dämonen binden und lösen. Ich glaube, das wurde völlig verdreht im Zusammenhang mit Okkultseelsorge. Es geht gar nicht um Okkultseelsorge beim Binden und Lösen, sondern um Ausschließen und Aufnehmen.
Matthäus 18, Vers 15: Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt, so gehe hin und überführe ihn zwischen dir und ihm allein. Das ist ein Konflikt zwischen zwei Glaubensbrüdern, und den muss man privat lösen. Wenn er aber auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen. Das geht am besten, wenn man eben nicht den Kopf wäscht, sondern jemanden gewinnt. Du hast deinen Bruder gewonnen.
Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus dem Mund zweier oder dreier Zeugen jede Sache bestätigt werde. Das ist das Prinzip aus 5. Mose 19, Vers 15 im Alten Testament, das auch im Neuen Testament gültig ist, wie wir hier und an anderen Stellen lernen.
Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde. Das ist das erste Mal in den Evangelien, dass der Herr Jesus die Gemeinde mit Namen nennt: Ekklesia.
Wenn er aber auch auf die Ekklesia nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner. Diese waren aus der Synagoge ausgeschlossen. Die Heiden und die Zöllner galten als Volksverräter, die mit der Besatzungsmacht kooperierten, und waren deshalb ausgeschlossen. Also: So seiet ihr wie der Heide und der Zöllner.
Wahrlich, ich sage euch: Was ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein. Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen über irgendeine Sache, um welche sie auch bitten mögen, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.
Da zeigt der Herr, dass die Gemeinde richterliche Gewalt hat – nicht die Ältesten allein, sondern die Gemeinde. Wenn er auf die Gemeinde nicht hört, also ausschließen ist nie die Sache einzelner Personen, sondern die Gemeinde hat eine kollektive Verantwortung. Die Gemeinde muss ausschließen und auch wieder prüfen und aufnehmen, wenn der Schuldige sein Leben geordnet hat.
Der Herr gibt der Gemeinde also eine solche richterliche Gewalt und sagt: Was ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein. Das heißt, wenn ihr den Beschluss fasst, wird das im Himmel anerkannt? Natürlich ist gemeint ein Beschluss in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken. Es geht nicht um einen ungerechten Beschluss.
Genauso sagt der Herr danach: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen über irgendeine Sache, um welche sie bitten, so wird sie ihnen werden von dem Vater, der in den Himmeln ist. Da sagt der Herr, das Gebet der Gemeinde wird erhört werden. Aber wenn sie natürlich etwas Falsches bittet, dann erhört der Herr auch nicht.
Der Herr geht durchaus von einem Beten in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken aus, und auch beim Ausschluss geht er natürlich von einem Ausschluss aus, der mit Gottes Gedanken übereinstimmt. Aber dann sagt der Herr: Was ihr auf der Erde bindet, wird auch im Himmel gebunden sein. Gott anerkennt diesen Ausschluss.
Der Herr sagt hier nicht, was ihr an eurem Ort bindet, sondern er sagt: auf der Erde. Das heißt, wenn jemand in einer örtlichen Gemeinde in Übereinstimmung mit dem Herrn ausgeschlossen wird – sagen wir nach 1. Korinther 5 wegen Ehebruch oder ausserehelichem Geschlechtsverkehr, was dort Hurerei genannt wird – dann müssen das die anderen Gemeinden auch anerkennen. Sonst verschulden sie sich.
Wenn in Gemeinde A jemand wegen ausserehelichem Verkehr ausgeschlossen ist und dann in der Nachbarstadt oder ein paar Städte weiter jemand sagt: „Toll, dass du kommst, jetzt haben wir wieder einen mehr“ – das sagen sie zwar nicht, aber man denkt vielleicht so. Das geht natürlich nicht! So wird die Zucht unterlaufen.
Der Sinn des Ausschlusses ist ja nach 1. Korinther 5, dass jemand wieder zurechtkommt im Glauben. Und das geht oft nicht einfach so schnell. Das Zurechtkommen ist ein ganzer Weg. Das Abweichen ist auch ein allmähliches Abweichen, bis man schließlich zu Fall kommt. Da muss man mit Seelsorge helfen, zurückzugehen bis an den Anfang, wo man begonnen hat abzuweichen.
Aber hier sehen wir: Der Herr hat der Gemeinde eine richterliche Würde gegeben, die weltweite Autorität hat. Also sagen wir: Wenn in Aarau in einer Gemeinde dieser Entschluss gefasst wird, dann müssen die in Los Angeles das auch anerkennen.
Es kann ja sein, dass der Ausgeschlossene sagt: „So, jetzt gehe ich, mit denen will ich gar nichts mehr zu tun haben.“ Aber in Los Angeles werde ich eine tolle Gemeinde finden, und die nehmen mich dann auf, als wäre nichts gewesen. Nein, das geht absolut nicht! Die sind auch daran gebunden.
Der Begriff Binden und Lösen kommt also aus dem Judentum, aus der Synagoge.
Rolle der Frauen in der Synagoge und Gemeinde
Ein weiteres Detail betrifft den nächsten Punkt: Frauen dürfen in der Synagoge keine Fragen stellen. Im babylonischen Talmud, genauer in Bt Chagigah 3a, steht, dass die Männer kommen, um zu lernen, und die Frauen, um zu hören. Komisch, nicht wahr? Lernen die Frauen denn nichts in der Synagoge? Natürlich schon, aber „lernen“ wird hier im Sinne von „Fragen stellen, öffentlich“ gebraucht. Hören bedeutet in diesem Zusammenhang, zuzuhören, aber nicht zu sprechen.
In 1. Korinther 14,34 sagt der Apostel Paulus: „Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen eure Frauen in den Gemeindezusammenkünften schweigen; es ist ihnen nicht erlaubt zu reden.“ Weiter heißt es in Vers 35: „Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen.“ Was bedeutet das? Wenn Frauen etwas lernen wollen, sollen sie das doch in der Gemeinde tun. Ja, aber nicht, indem sie öffentlich unterbrechen und Fragen stellen. Das dürfen nur die Männer.
Daher lesen wir in Apostelgeschichte 20, dass der Apostel Paulus in der Gemeinde in Troas war und sich mit ihnen bis um Mitternacht unterredete. Dort heißt es, er führte einen Dialog (dialegomai bedeutet „Dialog führen“). Die Brüder stellten zwischendurch Fragen, und Paulus predigte frei. So konnte er auch frei auf die Fragen eingehen.
Ein ähnliches Beispiel finden wir in Johannes 6, in der Synagoge in Kapernaum. Dort gab es einen ganzen Dialog mit dem Herrn. Die Leute fragten zwischendurch: „Ja, und wie ist das denn?“ Und der Herr erklärte das mit dem Brot des Lebens. Dialog führen heißt also, öffentlich Fragen stellen. Und genau das sagt der Apostel Paulus, soll in der Gemeinde nicht geschehen.
Das ist kein generelles Redeverbot für Frauen in allen Umständen. Es geht nicht um Hauskreise, Frauenfrühstücke oder andere Möglichkeiten für Dienste der Frauen. Es geht um das Zusammenkommen als Gemeinde zum Gottesdienst. Daher sagt Paulus: Wenn sie etwas lernen wollen, sollen sie die Frage zuhause stellen.
Dann kommt manchmal eine Frau zu mir und sagt: „Ich habe aber keinen Mann, was soll ich machen?“ Paulus meint damit, dass die Frau an die erste Adresse gehen soll. Wenn sie verheiratet ist, ist das ihr Mann. Das heißt, sie soll nicht zuerst alle anderen Männer fragen, sondern zuerst ihren eigenen Mann.
Das bringt den Mann in Bewegung. Wenn er die Frage nämlich nicht beantworten kann, muss er zum ersten Mal Bibelkommentare herausholen und sich selbst mit dem Thema beschäftigen. Das hat eine sehr heilsame Wirkung. Also fragt eure Männer! Plötzlich werden sie interessiert und ermutigt, wenn sie sehen, dass sie Antworten geben können.
Wenn das nicht klappt, kann man immer noch an die nächste Adresse gehen. Aber der eigene Mann ist die erste Ansprechperson. Wenn man nicht verheiratet ist, gibt es noch weitere Personen im nächsten Umfeld, die die nächste Ansprechperson sein können. So kommen alle auf Trab.
Fazit: Synagoge als Vorbereitung auf das Evangelium und die Gemeinde
Ja, und jetzt können wir schließen, indem wir zu folgendem Fazit kommen: Die Einrichtung der Synagoge war in Gottes Vorsehung eine Vorbereitung auf das Evangelium und auch auf die Gemeinde.
Obwohl die Gemeinde im Alten Testament ein Geheimnis war – nach Epheser 3 –, das heißt, Gott hat den Ratschluss der Gemeinde von Ewigkeit her gefasst, aber niemals einem Engel etwas davon verraten. Auch durch das ganze Alte Testament hindurch wurde dieser Plan der Gemeinde keinem Propheten mitgeteilt. Erst mit dem Kommen des Messias, der von seinem Volk verworfen wurde, beginnt der Herr, das Geheimnis der Gemeinde zu enthüllen.
Noch eine kleine Korrektur: Das erste Mal, dass der Herr Jesus das Wort Ekklesia, Gemeinde, verwendet, ist in Matthäus 16, wo er sagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“ Dieser Fels ist er selbst, der Sohn Gottes, der Messias. Dort spricht der Herr Jesus über die weltweite Gemeinde, die niemals untergehen wird.
In Matthäus 18 spricht er dann zum ersten Mal über die örtliche Gemeinde. So könnte man sagen: Das erste Mal benutzt der Herr dieses Wort Ekklesia für die örtliche Gemeinde, die der Ausdruck am Ort für die weltweite Gemeinde ist.
Halten wir fest: Das Vorlesen des Alten Testaments auf Griechisch in Israel und unter den Heidenvölkern im Römischen Reich und darüber hinaus war eine Eröffnung des Zugangs zur Bibel für die Heiden als Vorbereitung auf das Evangelium. Der Synagogengottesdienst war eine Vorbereitung auf den Gottesdienst der Gemeinde.
Braucht es da auch einen Synagogenvorsteher, der den Ablauf festhält und genau sagt, wer jetzt lesen soll? Nein. In den Briefen des Neuen Testaments finden wir keinen Ekklesiavorsteher. Wieso nicht? Weil die Gemeinde den Heiligen Geist hat. Israel hat das in der Synagoge nicht. Man kann das eindrücklich sehen: Wie beten sie in den Synagogen? Alle immer mit ihren Büchlein, sie lesen die Gebete ab. Warum können sie nicht frei beten? Weil sie den Heiligen Geist nicht haben.
Das ist der große Unterschied: In der Gemeinde will der Heilige Geist führen und leiten, wie wir es so schön in 1. Korinther 12 bis 14 sehen.
Darum ist die Synagoge nur eine Vorbereitung gewesen. Sie hat gewisse Ähnlichkeiten, aber das, was Gottes Gedanken über die Gemeinde in den Briefen des Neuen Testaments sind, ist etwas noch viel Größeres, Herrlicheres, Wunderbares.
Ja, dann wollen wir hier schließen.