Einführung: Israel, Babylon und die Endzeitprophetie
Wir sind heute bei Johannes 2 angekommen. Als kurzen Vorspann möchte ich noch einmal auf ein Thema zurückkommen, das wir Ende des Jahres im Milchwerk behandelt hatten: Israel und das Schicksal des Irak, insbesondere der Untergang Babylons. Dabei möchte ich auch den jüngsten Krieg prophetisch einordnen und als Ergänzung zu dem, was damals noch deutlich zukünftig war, betrachten.
Damals standen wir vor dem Krieg und haben uns anhand von Jesaja 13 bis 14 sowie Jeremia 50 bis 51 mit der Prophetie über Babylon auseinandergesetzt. Wir haben gesehen, dass Babylonien, das Kerngebiet Babylons, den Südirak bis nach Bagdad umfasst. Wenn man diese Prophetie, die sich auf die Endzeit bezieht, biblisch einordnen will, muss man dieses Schema vor Augen haben: Die Bibel spricht von zwei Kommen des Messias – einem ersten und einem zweiten Kommen.
Das erste Kommen ist das des leidenden Messias, das zweite das des herrschenden Messias, der das tausendjährige Friedensreich auf Erden errichten wird. Dazwischen liegt die Zeit, in der das Evangelium allen Völkern verkündet werden soll.
Wie kann man diese zwei Kommen unterscheiden? Beim ersten Kommen sagen uns die Propheten, dass das jüdische Volk zerstreut unter alle Völker werden wird. Beim zweiten Kommen hingegen wird das jüdische Volk im Vorfeld aus allen Ländern zurückgeführt ins Land der Väter.
Israel war in der Zerstreuung vollständig. Zwischen 70 und 1882 begann die erste Einwanderungswelle der Juden ins Land der Väter. Daraus wird deutlich: Das ist die Endzeit. Die Endzeit ist keine kurze Zeitspanne von einem Jahr, einem Tag oder einer Woche, sondern eine längere Periode. Diese Periode ist die Zeit, in der das jüdische Volk zurückkehrt ins Land der Väter. Danach wird der Messias kommen.
Die Endzeit ist also eine Periode von bereits mindestens 120 Jahren. Seit der ersten Rückkehrwelle sind über 120 Jahre vergangen, und das Kommen des Herrn Jesus steht noch aus. Die Propheten haben viele Dinge vorausgesagt, die sich bereits in dieser Periode stufenweise erfüllt haben. Das haben wir gesehen, als wir den Propheten Hesekiel durchgenommen haben.
Die Erfüllung der Endzeit in Etappen am Beispiel Babylons
Die Endzeit nach Jeremia 50 bis 51 und Jesaja 13 bis 14 sieht folgendermaßen aus. Vielleicht noch kurz zur Erinnerung für diejenigen, die später dazugekommen sind: Wir machen nur einen kurzen Vorspann. Dieses Thema hatten wir bereits Ende letzten Jahres behandelt. Jetzt füge ich einfach noch das hinzu, was durch den neuesten Krieg dazugekommen ist, und dann gehen wir zu Johannes 2. Ihr seid also nicht im falschen Raum gelandet.
In der Prophetie über Babylon wird von der Rückkehr der Juden ins Land ihrer Väter gesprochen. Diese Rückkehr begann im Jahr 1982. In Jeremia wird ausdrücklich gesagt, dass die Juden aus Babylonien fliehen sollen. Die Flucht aus Babylonien fand in den Jahren 1941 bis 1950 statt.
Die Prophetie Jeremias sagt aber auch, dass die Juden geordnet aus Babylonien ausziehen sollen. Die Zeit dieses Auszugs war von 1950 bis 1952. Das haben wir ebenfalls gesehen: Damals wanderte die große Masse von etwa 104 Juden aus. Danach gab es wieder eine Periode der Flucht von 1952 bis 1991, sodass am Vorabend des Golfkrieges 1991 noch etwa 150 Juden im Irak waren. Alle anderen waren geflohen und ausgezogen.
Dann kam die Zertrümmerung des Landes Babylonien im Jahr 1991 durch den ersten, furchtbaren Golfkrieg. Danach begann eine neue Phase im Jahr 2003: Wiederum Zertrümmerung des Landes, aber nun auch die Eroberung Babyloniens. In der ersten Phase war das Land noch nicht erobert worden; das Ziel war lediglich die Befreiung Kuwaits und die Zerstörung des Landes.
Nun steht aber noch eine weitere Phase aus: die endgültige Verwüstung des Landes Babylonien, sodass es nicht mehr bewohnt werden kann. Danach folgt das Friedensreich des Messias.
Die Erfüllung der Endzeit verläuft also in Etappen. Ganz kurz zur Wiederholung: Jesaja 13 beschreibt in den Versen 1 bis 5 eindeutig den Golfkrieg von 1991. Das Ziel der Weltgemeinschaft, die ihren Ursprung ja in Babylon hatte, war die Befreiung Kuwaits.
Der Golfkrieg 1991 als prophetisches Ereignis
Ausspruch über Babylonien, den Jesaja, der Sohn des Amots, geschaut hat.
Auf kahlem Hügel richtet eine Fahne auf, ruft ihnen zu mit lauter Stimme, winkt mit der Hand, und sie sollen einziehen durch die Tore der Edlen.
Am Ende dieses Krieges zogen die Alliierten in die adlige Stadt des Emirs von Kuwait, Dschaber-es-Saba, ein. Sie wurden so von den Kuwaitis empfangen: mit Fahnen, lauten Zurufen, Winken, Hupen und mehr. Die Alliierten zogen am 27. Februar ein.
„Ich, ich habe meine Geweihten entboten, ja, ich habe meine Helden gerufen zu einem Zorngericht, meine Stolz verlockenden.“ So stolz sind die Amerikaner damals eingezogen.
Ein Lärm auf den Hügeln, wie von einem großen Volk. Horch, ein Kriegslärm von Königreichen, versammelte Nationen: 600 Soldaten aus 28 Nationen von vier Kontinenten.
Beim Zweiten Golfkrieg war diese riesige Versammlung von vielen Völkern nicht so eindrücklich, aber damals waren es mehr als eine halbe Million Menschen aus aller Welt.
Der Golfkrieg verlief so: der Bodenkrieg. Horch, ein Lärm auf den Hügeln wie von einem großen Volk. Horch, ein Kriegslärm von Königreichen, versammelter Nationen.
Von Saudi-Arabien aus bildeten die Alliierten zahlreiche Frontabschnitte, letztlich dreizehn Fronten. Die Großzahl der Fronten stieß von Saudi-Arabien über die Hügel – wohlverstanden, die Hügel des Südiraks in Feindesland – vor. Sie drehten ab nach Süden und drangen schließlich nach Kuwait und Kuwait City vor.
Also genau so, wenn man an all die Panzerkolonnen und gepanzerten Fahrzeugskolonnen denkt: ein Kriegslärm auf den Hügeln wie von einem großen Volk. Es waren 28 Nationen beteiligt.
Der Herr der Heerscharen mustert ein Kriegsheer. Aus fernem Land kommen sie, vom Ende des Himmels, der Herr, und die Werkzeuge seines Grimmes, um das ganze Land zugrunde zu richten, nicht das Land zu erobern, sondern das Land zugrunde zu richten.
Und sie kamen tatsächlich vom Ende des Himmels: USA, Kanada, Honduras, Senegal, Marokko, Frankreich, England, Norwegen, Bangladesch und so weiter und so fort.
Das hat sich nie in früherer Zeit so erfüllt. Als die Persomeder unter Kores kamen, kamen sie aus dem Nachbarland, und sie haben nicht das Land zertrümmert. In wenigen Kriegen haben sie damals Babylon erobert, und Babylon sogar nur durch einen Putsch.
Das ist die Beschreibung in Jesaja 13,1-5. Dann folgt der Tag des Herrn, also das Gericht im Zusammenhang mit der Wiederkunft Jesu.
Diese Verse 1-5 beschreiben genau das, was das UN-Mandat war: die Befreiung Kuwaits. Die Spitze war dieser Golfkrieg.
Und dann kommt der Tag des Herrn, an dem die ganze Erde einmal unter das Gericht Gottes kommen soll. So wird deutlich: Der Golfkrieg von 1991 war ein Vorgeschmack auf das weltweite Gericht bei der Wiederkunft von Jesus Christus.
Der Irak als Ursprungsgebiet der Menschheit ist eine Warnung. Wir haben alle dasselbe Gericht verdient.
Bedenken wir, der Prophet spricht, wenn es um den Tag des Herrn geht: Davon heult, denn nahe ist der Tag des Herrn, nahe im Vergleich zu dem, was sich in den Versen 1 bis 5 befindet, also nahe im Vergleich zu dem Golfkrieg von 1991.
Die Endzeit nach Jeremia: Flucht, Auszug und Kriege
Nun sehen wir: Jeremia Kapitel 15 bis 51 ist eine Prophetie, die sich in Etappen erfüllt. Es gibt eine Zeit der Flucht, erneut eine Zeit des Auszugs und eine ewige Zeit der Flucht. Beispiele dafür sind der Golfkrieg 1990/91, der Golfkrieg 2003, der Totaluntergang und die Wiederkunft Christi.
Wir können hier keine genauen Jahreszahlen einsetzen, weil die Bibel uns dazu keine Angaben macht. Aber alles fällt in den biblischen Begriff der Endzeit.
Nun vergleichen wir das Neue: den Golfkrieg 1991 mit dem Jahr 2003. Das Ende des ersten Golfkriegs war am 27. Februar 1991. An diesem Tag fand der Einmarsch nach Kuwait City statt. Dieser Termin fiel damals auf das jüdische Purimfest, das Fest aus dem Buch Esther. Dort hatte sich das Los der Juden gewendet, sodass die Feinde der Juden unter Gericht kamen.
Genau zu diesem Zeitpunkt hörten die Raketenangriffe aus dem Irak auf Israel auf – am Purimfest. Das war eine doppelte Purimfreude für die Juden in aller Welt. Das Ziel 1991 war die Befreiung Kuwaits und eine massive Bombardierung des Iraks.
Der neue Krieg begann am 20. März 2003. Doch die Tage davor, der 18. und 19. März, waren wiederum das Purimfest. Der jüdische Kalender weicht gegenüber dem gregorianischen Kalender jedes Jahr ein wenig ab. In diesem Jahr fiel das Purimfest auf den 18. und 19. März. Während dieser 48 Stunden galt das Ultimatum an Saddam Hussein, das Ultimatum von Präsident Bush.
Das Purimfest drehte erneut das Schicksal der Juden. Saddam Hussein hatte als Lebensziel die Vernichtung der Juden in Israel. Nun kam das Ultimatum an Saddam Hussein. Genau nach dem Purimfest begann der neue Golfkrieg.
Nach dem jüdischen Kalender ist das exakt zwölf Jahre auf den Tag genau. Dort, wo es am Purimfest 1991 aufgehört hatte, setzte es am folgenden Tag wieder ein.
Nun rücken diese Stellen ins Visier, die ausdrücklich von der Eroberung des Landes Babylonien sprechen. Wir können an Jesaja 14 denken, wo der König von Babylon in der Endzeit stürzt. Die Feinde werden sich an Babylonien bereichern.
Der Golfkrieg 2003 und die Zertrümmerung Babylons
Golfkrieg 2003: Kriegslärm im Land und große Zerstörung
Wie ist Babylonien zum Entsetzen unter den Nationen geworden? Millionen Menschen sind auf die Straße gegangen und waren im Vorfeld und während des Krieges entsetzt. Jeder, der auf die Straße ging, erfüllte damit die Prophetie: Babylonien ist zum Entsetzen unter den Nationen geworden.
Experten hatten vor einem zweiten Vietnam gewarnt, einem Krieg, der nicht enden würde. Doch der Konflikt dauerte etwa fünfundzwanzig Tage. Plötzlich versiegte die ganze Kraft der irakischen Armeen. In Kapitel 51, Vers 30 heißt es: Babylons Helden haben aufgehört zu streiten. Sie sitzen in ihren Festungen, und ganze Divisionen sind einfach verschwunden.
Ihre Kraft ist versiegt, sie sind zu Frauen geworden. Ihre Wohnungen wurden angezündet, ebenso die militärischen Unterkünfte, und ihre Befestigungen sind zerbrochen. Ein Läufer eilt dem anderen entgegen, ein Bote dem nächsten, um dem König von Babylon die Botschaft zu bringen, dass seine Stadt von allen Seiten eingenommen ist.
Diese Nachricht kam überraschend. Die AP-Meldung berichtete, begleitet von einer Karte von Bagdad: Plötzlich hatten die Alliierten die ganze Stadt umzingelt und waren ins Zentrum vorgestoßen. Sie besetzten die Übergänge über den Tigris, und die Paläste wurden in Brand gesetzt. Die Soldaten waren erschrocken.
Interessant ist, dass im Hebräischen das Wort „Agam“ sowohl „Teich“ als auch „Palast“ bedeuten kann. Im Zusammenhang mit der biblischen Prophezeiung wird es meist als Palast verstanden, entsprechend dem verwandten arabischen Wort. Die Übergänge sind besetzt, und die Paläste wurden mit Feuer ausgebrannt. Diese Reuters-Meldung berichtete von Saddam Husseins Bagdader Palast in Flammen. Dabei wird die Mehrzahl beachtet: Es sind mehrere Paläste betroffen.
Die Soldaten sind erschrocken. Die Meder werden in diesem Kapitel als Feinde Babylons besonders erwähnt. Sie hatten bereits eine Rolle im Nordirak gespielt, wo sich Hunderttausende Kurden mit der US-Allianz verbündet hatten, um den Nordirak zu erobern. Die Meder sind bekanntlich die Vorfahren der heutigen Kurden.
Nun erfüllt sich Jesaja 50,10, und Chaldäa – ein anderes Wort für das Land Babylonien – wird zum Raub. „Alle, die es berauben, werden satt werden“, spricht der Herr, „du, der du an vielen Wassern wohnst, reich an Schätzen. Dein Ende ist gekommen, das Maß deines Raubes.“
Nun können die Alliierten sich durch die Zusammenarbeit am Gewinn des irakischen Öls beteiligen. Dieses Öl ist gewissermaßen ihre Kriegsbeute. Wäre das Land schon jetzt total verwüstet und unpassierbar, würde sich die Frage stellen, wie sie sich dann bereichern könnten.
Die Bereicherungsphase beginnt nun, doch die Schlussphase liegt noch in der Zukunft. Sie muss noch kommen, denn die Erde erbebt und erzittert, während die Gedanken des Herrn sich gegen Babylonien erfüllen. Das Land Babylonien wird zu einem Ort des Schreckens ohne Bewohner.
Wir haben bereits gesehen, dass das Gericht in Phasen verläuft. Jeremia vergleicht Babylon mit einer Tenne, die zuerst gestampft werden muss. Erst wenn das Stampfen vorbei ist, folgt die Ernte, bei der das geschnittene Getreide ausgebreitet und mit dem Dreschschlitten ausgedroschen wird.
Bis jetzt haben wir nur die Phase des Stampfens erlebt, noch nicht die Endphase des Dreschens und der abschließenden Ernte. Diese Verse machen deutlich, dass das Gericht phasenweise abläuft: stampfen, ernten und dreschen.
Denn es heißt: „Siehe, ich erwecke und führe herauf gegen Babylon eine Versammlung mächtiger Nationen aus dem Land des Nordens, und sie werden sich gegen sie aufstellen. Von dort aus wird es eingenommen werden.“
Die letzte Phase unterscheidet sich von den vorherigen, weil der Angriff von Norden kommt und nicht, wie bei den beiden vergangenen Golfkriegen, hauptsächlich von Süden. Solche Details helfen, die Ereignisse besser einzuordnen.
Jesaja und Jeremia sprechen von einem bedeutenden Rachefeldzug der Meder und Kurden, der noch aussteht. Die Schlussphase wird eintreten, und Babylon soll für immer unbewohnt bleiben. Es wird keine Niederlassung mehr geben von Generation zu Generation.
So wie nach Gottes Gericht über Sodom, Gomorra und deren Nachbarstädte wird niemand mehr dort wohnen, und kein Menschenkind wird sich darin aufhalten, spricht der Herr.
Vor dem Krieg sah es sehr gefährlich aus, dass diese Dinge schon eintreten könnten. Doch ich habe immer betont: Wir können erst nach dem Geschehen sagen, ob dies wirklich die Endphase ist oder nicht. Deshalb muss man bei der Beurteilung vorsichtig sein und nicht zu früh behaupten, dass es jetzt so weit sei.
Sonst sagen die Leute: „Aha, seht ihr, die Bibel irrt sich.“ Dabei hätte nur ich mich geirrt. Das ist ein wichtiger Unterschied.
Parallelen zur Prophetie über Tyrus und deren Erfüllung
Die Parallelstelle in Jesaja 13 sagt dasselbe: Gleich der Umkehrung von Sodom und Gomorra wird das Gebiet in Ewigkeit nicht mehr bewohnt werden und keine Niederlassung mehr sein, von Geschlecht zu Geschlecht. Der Araber wird dort nicht zelten, und Hirten werden dort nicht lagern. Das Gebiet wird so kontaminiert sein, dass man nicht einmal hindurchziehen kann.
Wichtig ist, dass das Ganze überraschend kommen wird. Plötzlich wird Babylon gefallen und zertrümmert sein. Wir sehen, dass es mehrere Zertrümmerungsphasen geben wird. Es heißt: „Jammert über dasselbe, holt Balsam für seinen Schmerz, vielleicht wird es geheilt werden.“ Doch dann sagen die internationalen humanitären Helfer: „Wir haben Babylon heilen wollen, aber es ist nicht genesen. Verlasst es und lasst uns ein jeder in sein Land ziehen, denn sein Gericht reicht bis an den Himmel und erhebt sich bis zu den Wolken.“
Eine Parallele dazu zeigt sich in der Prophetie über Tyrus, die vielen durch Hesekiel 26 vertraut ist. Dort finden wir ebenfalls eine Erfüllung in Phasen. So spricht der Herr, der Ewige: „Siehe, ich will an dich, Tyrus, und ich werde viele Nationen gegen dich heraufführen, wie das Meer seine Wellen heraufführt. Sie werden die Mauern von Tyrus zerstören und seine Türme abbrechen, und ich werde seine Erde von ihm wegfegen und es zu einem kahlen Felsen machen. Ein Ort zum Ausbreiten der Netze wird es sein, mitten im Meer, denn ich habe geredet, spricht der Herr, der Ewige.“
Vor der Erfüllung hätten wir ein Stück Papyrus nehmen können, um aufzuschreiben, was alles kommen wird: Viele Völker kommen gegen Tyrus, zerstören die Mauern, brechen die Türme ab, fegen die Erde weg, und Tyrus wird zu einem kahlen Felsen, der zum Ausbreiten der Netze dient. Diese Punkte sind klare Aspekte der Prophetie.
Wie hat sich das erfüllt? Nebukadnezar, König von Babylon, eroberte den ganzen Nahen Osten. Er zog auch gegen Tyrus. Im Jahr 585 v. Chr., ein Jahr nach dem Fall Jerusalems und des Tempels, begann er die Belagerung der Stadt Tyrus auf dem Festland, genannt Alt-Tyrus. Diese Belagerung dauerte dreizehn Jahre, bis 572 v. Chr. Er zerstörte Mauern und Türme. Doch die klugen Bewohner von Tyrus packten ihre Schätze und flohen mit Schiffen auf die Insel, um alles zu retten. Nebukadnezar hatte somit keine Kriegsbeute, um seine Soldaten zu bezahlen. Danach zog er nach Ägypten, wo er die Finanzen für seine Armee erhielt.
Die Erde wurde jedoch nicht weggefegt, Tyrus wurde kein kahler Felsen und kein Ort zum Ausbreiten der Netze. Hier hätte man sagen können, dass sich die Prophetie nicht erfüllt hat. Doch Geduld, wie die Italiener sagen: „Piano, piano.“ Die Prophetie verläuft oft in Phasen.
Viel später, um 332 v. Chr., kam Alexander der Große mit seiner Armee gegen Tyrus. Er stand auf dem Festland, hatte aber keine Flotte, um Neutyrus auf der Insel zu erobern. Was tat er? Er ließ alle Steine der Ruinen, die noch vorhanden waren, ins Meer werfen. Weil die Steine nicht ausreichten, warf er auch den gesamten Schutt und die Erde hinein. So baute er einen 800 Meter langen Damm. Auf diesem Damm wurden etwa 30 Meter hohe rollende Türme vorgefahren, mit denen die Mauern von Neutyrus auf der Insel durchbrochen werden konnten.
Damit erfüllte sich, dass Alt-Tyrus effektiv ein kahler Felsen wurde, der bis heute zum Ausbreiten der Netze dient. Man kann heute noch nach Tyrus gehen und dies nachvollziehen. Durch den Damm Alexanders hat sich die geografische Situation so verändert, dass durch den angeschwemmten Sand alles Festland geworden ist. Die Küste verläuft heute ganz anders. Im Gebiet um den kahlen Felsen weiten die Fischer noch immer ihre Netze aus.
In Vers 21 heißt es: „Zum Schrecken werde ich dich machen, und du wirst nicht mehr sein. Du wirst gesucht und in Ewigkeit nicht wiedergefunden werden, spricht der Herr, der Ewige.“ Tatsächlich lohnt sich Archäologie in Alt-Tyrus kaum. Als Archäologe wird man dort arbeitslos, weil alles weggeräumt wurde. Archäologisch ist Alt-Tyrus kaum nachweisbar. Doch das Ganze verlief in Phasen.
Kann man die jetzigen Anschwemmungen und den Damm Alexanders noch erkennen, wenn man tief graben würde? Ich denke schon, auch wenn ich nicht genau weiß, was dort bisher ausgegraben wurde. Die Archäologie müsste genau an dieser Stelle ansetzen.
Noch etwas: Das Wort ist klar, besonders in Vers 3: „Ich werde viele Nationen gegen dich heraufführen, wie das Meer seine Wellen heraufführt.“ Wie geschieht das mit den Wellen? Sie kommen phasenweise an den Strand. So kamen auch die Armeen, die Allianzen, in Phasen – unter Nebukadnezar und unter Alexander dem Großen.
Dein Wort ist Wahrheit. Die Prophetie hat sich in der alten Zeit erfüllt und erfüllt sich auch heute vor unseren Augen.
Das wäre also die kurze, etwas länger gewordene Einführung zu diesem Thema gewesen. Wir machen jetzt eine Pause. Danach fahren wir mit Johannes 2,13-25 fort. Bruno wird uns den Abschnitt vorlesen.
Die Tempelreinigung in Johannes 2:13-25
2,13 Und das Passa der Juden war nahe, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. Dort fand er im Tempel die Ochsen-, Schaf- und Taubenverkäufer sowie die Wechsler sitzen.
Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus – sowohl die Schafe als auch die Ochsen. Die Münzen der Wechsler schüttete er aus, und die Tische warf er um. Zu den Taubenverkäufern sprach er: „Nehmt das weg von hier! Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus!“
Seine Jünger erinnerten sich daran, dass geschrieben steht: „Der Eifer um dein Haus verzehrt mich.“
Die Juden antworteten ihm und fragten: „Welches Zeichen zeigst du uns, dass du diese Dinge tust?“ Jesus antwortete ihnen: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“
Darauf sagten die Juden: „Sechsundvierzig Jahre ist an diesem Tempel gebaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?“ Doch er sprach von dem Tempel seines Leibes.
Als er aus den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte. Sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
Als er zu Jerusalem zum Passahfest kam, glaubten viele an seinen Namen, weil sie die Zeichen sahen, die er tat.
Jesus aber vertraute sich ihnen nicht an, weil er alle kannte. Er brauchte kein Zeugnis von Menschen, denn er selbst wusste, was im Menschen war.
Unterschiedliche Chronologie der Tempelreinigung in Johannes und den Synoptikern
Wenn wir das Johannesevangelium im Vergleich zu Matthäus, Markus und Lukas betrachten, wird von einer Tempelreinigung kurz vor der Kreuzigung berichtet. Bibelkritiker behaupten oft, dass die Evangelien dadurch historisch nicht zuverlässig seien. Denn Johannes setzt die Tempelreinigung an den Anfang des öffentlichen Dienstes Jesu oder sogar gleich zu Beginn. So sehen wir im Vers 11 von Johannes 2, dass das erste Zeichen Jesu die Hochzeit zu Kana in Galiläa war: „Diesen Anfang der Zeichen machte Jesus zu Kana in Galiläa.“
Johannes ordnet die Tempelreinigung also an den Beginn des Dienstes ein. Die Synoptiker – also Matthäus, Markus und Lukas, die aus einem ähnlichen Blickwinkel berichten – setzen die Tempelreinigung hingegen ans Ende des Dienstes.
Wie lässt sich das erklären? Eine Möglichkeit ist, dass es zwei Tempelreinigungen gab. Wer sagt denn, dass es sich bei der Tempelreinigung in Johannes um dieselbe handeln muss wie bei den anderen Evangelien? Natürlich könnte man einwenden, dass dies ein Versuch sei, Widersprüche um jeden Preis aufzulösen. Doch es gibt weitere Argumente.
Vielleicht schreibt Johannes nicht streng chronologisch, sondern eher thematisch. Das würde allerdings Probleme bereiten, denn der grobe Aufbau des Johannesevangeliums folgt einem chronologischen Plan. Er berichtet über mehrere Passafeste, die aufeinander folgen, und beschreibt so die etwa drei Jahre des öffentlichen Dienstes Jesu. Eine rein thematische Anordnung wäre also eher unwahrscheinlich.
Andererseits weist Johannes in seinem Bericht auf die spätere Bedeutung der Wiederauferstehung Jesu hin. Das erklärt jedoch nicht, warum die Tempelreinigung an dieser Stelle im Text steht.
Vergleichen wir die Berichte genauer, fallen deutliche Unterschiede auf. Zum Beispiel beschreibt Matthäus in Kapitel 21, Vers 12, dass Jesus in den Tempel Gottes eintrat und alle hinaustrieb, die dort kauften und verkauften. Er stieß die Tische der Geldwechsler und die Sitze der Taubenverkäufer um. Dabei zitierte er Jesaja: „Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden.“ Außerdem sagte er: „Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht.“
Die Verse 1 bis 11 von Matthäus 21 beschreiben den Palmsonntag, und nach Markus war der Tag der Tempelreinigung der nächste Tag, also Montag. Jesus heilte auch Blinde und Lahme im Tempel. Als die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen und die Kinder „Hosanna dem Sohn Davids“ riefen, wurden sie unwillig und sprachen zu Jesus, er solle die Kinder zum Schweigen bringen. Jesus antwortete mit einem weiteren Zitat: „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet.“ Danach verließ er den Tempel und ging nach Bethanien.
Wenn wir Matthäus mit Markus und Lukas vergleichen, ist klar, dass sie dasselbe Ereignis beschreiben. Der Vorwurf Jesu ist hier: Der Tempel ist ein Bethaus, kein Kaufhaus. Interessant ist, dass nur Matthäus Jesaja zitiert, während die Synoptiker alle den Vorwurf der Räuberhöhle übernehmen. Johannes hingegen zitiert Jesaja nicht und nennt auch nicht die Räuberhöhle. Hier lautet der Vorwurf lediglich, das Haus Gottes nicht zu einem Kaufhaus zu machen (Johannes 2,16).
Die Synoptiker machen den Vorwurf der Räuberhöhle viel deutlicher. Die einzige Übereinstimmung ist die Tatsache einer Tempelreinigung. Betrachtet man jedoch die Details, so handelt es sich in Johannes offenbar um ein anderes Ereignis als in den anderen Evangelien. Es gab also vermutlich zwei verschiedene Tempelreinigungen.
Unterschiedliche Zitate bedeuten nicht zwangsläufig unterschiedliche Ereignisse. Doch auch der Inhalt der Berichte unterscheidet sich deutlich. Der Vorwurf in den Synoptikern ist viel schärfer: „Ihr habt es zu einer Räuberhöhle gemacht.“ In Johannes heißt es nur, macht es nicht zu einem Kaufhaus.
Wo genau fand diese Verkaufsstelle im Tempel statt? Im Vorhof der Heiden, dem äußersten Vorhof des Tempels, der in der Zeit des Herodes kurz vor Christi Geburt massiv ausgebaut wurde. Wer schon in Jerusalem war, kennt die Klagemauer, die Westmauer des Tempels, die heute archäologisch vollständig bekannt ist. An der Südmauer befand sich die königliche Säulenhalle, die prächtigste und größte Säulenhalle überhaupt. Dort befand sich der Markt, auf dem die Opfertiere verkauft wurden.
Im Talmud wird diese Verkaufsstelle als „Chanut“ bezeichnet, was auf Hebräisch Kaufhaus bedeutet. Dieser Ausdruck kommt mehrfach vor, im Plural „Chanujot“. Die Rabbiner sprechen ganz selbstverständlich von dieser Halle als dem „Chanut“. Jesus sagt hier: „Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Chanut“ – also zu einem Kaufhaus.
Das ist bei weitem nicht so hart wie der Vorwurf der Räuberhöhle in den Synoptikern. Dagegen hätten die Händler sich natürlich deutlich gewehrt. Das „Chanut“ war im Sinn des Synedriums erlaubt; hier durfte verkauft werden. Jesus fordert nur, dass das nicht zum missbräuchlichen Kaufhaus wird.
In Johannes 2 geht es also weniger um Missbrauch, sondern um den falschen Gebrauch des Tempels. Er soll kein Kaufhaus sein. In den anderen Evangelien hingegen weist Jesus auf schreckliche Missstände hin: Überhöhte Preise führten zu schändlicher Bereicherung. Die Menschen mussten Opfer bringen, doch anstatt zum Beispiel einen Stier oder Ziegenbock von zu Hause mitzubringen, war es bequemer, in Jerusalem Tiere zu kaufen. Deshalb gab es den Markt.
Der Vorwurf Jesu in Johannes ist, dass dieser Markt nicht im Tempelbezirk sein darf. In den Synoptikern hingegen wird die schändliche Bereicherung kritisiert, die durch überhöhte Preise ermöglicht wurde. Nach dem Sechstagekrieg wurden die Wohnviertel der sadduzäischen Priester ausgegraben. Dabei kam ein Luxus zutage, der schockierte. Die Priester hatten den Tempel als Einnahmequelle missbraucht.
Man kann also unterscheiden: Bei der ersten Tempelreinigung ging es noch nicht um schändliche Bereicherung, sondern darum, dass der Tempel nicht zu einem Geschäftshaus werden darf. Der Begriff „Räuberhöhle“ stammt aus Jeremia.
Jesus zitiert in den Synoptikern Jeremia und sagt, dass es bei den Priestern so sei wie damals in Jeremia. Jesaja hatte gesagt: „Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker.“ Daraus wird auch der Zusammenhang deutlich. Die Halle befand sich im Vorhof der Heiden. Nicht einmal alle Juden durften in die inneren Bereiche des Tempels; Nichtjuden durften nur im äußersten Bereich, dem Heidenvorhof, beten.
Doch gerade dort hatte man eine marktschreierische Verkaufsstelle eingerichtet. Hier wollte man eine würdige Andacht ermöglichen. Deshalb setzte sich Jesus im Blick auf die Heiden ein: „Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden für alle Völker.“
Das ist jedoch noch nicht der Vorwurf in Johannes 2. All diese Punkte zeigen, dass es sich um eine Tempelreinigung am Anfang des Dienstes handelt. Die zweite Reinigung am Schluss des Dienstes weist darauf hin, dass sich die Zustände im Tempel in der Zwischenzeit offensichtlich verschlechtert hatten.
Architektur und Funktion der königlichen Säulenhalle
Übrigens, diese Südhalle – wir wissen ganz genau, wie sie ausgesehen hat, weil wir eine Detailbeschreibung von einem Augenzeugen aus dem ersten Jahrhundert haben: Josephus Flavius.
Es war so eine Art Kathedrale mit drei Schiffen und 162 Säulen. Jede Säule war so groß, dass drei Männer mit ausgestreckten Armen sie umfassen konnten. Das waren also Monolithen von etwa elf Metern Höhe, aus einem Stück Stein. Gigantisch, königlich, majestätisch – in jeder Hinsicht.
Die Halle war jedoch nicht geschlossen. Sie war völlig offen, durch die Säulen hindurch konnte man in die Halle hineingehen, und zwar vom Heidenvorhof aus. Die Südmauer hingegen war geschlossen.
Die Halle bestand aus drei Schiffen, wobei das mittlere nach oben offen war – also eine riesige Kathedrale. Die Bauform entspricht der griechisch-römischen Basilika. Der Begriff „Basilika“ kommt von „Basileus“, was König bedeutet – also eine königliche Halle.
Was war die Funktion einer Basilika in der alten Welt? Dort wurden die Könige gekrönt, oder? Ein König oder ein lokaler Herrscher konnte in einer Basilika einen pompösen Auftritt gestalten und seine Königswürde der breiten Bevölkerung demonstrieren. Dafür war die Basilika da.
Später wurde die Basilika auch zum Sitz des Bischofs. Das ist jedoch eine Entwicklung, die weiter in der Geschichte liegt. In der griechisch-römischen Kultur war die Basilika ursprünglich ein repräsentatives Gebäude.
Natürlich wurde die Basilika später als Vorbild für den Bau der Kirchen genommen. Man orientierte sich an dieser Art von Gebäuden. Übrigens war die Eingangshalle der Basilika nach Westen geöffnet. Deshalb sind viele Kirchen so ausgerichtet, dass die Eingangshalle nach Westen zeigt. Dieses Prinzip stammt also von der königlichen Säulenhalle, der Basilika in der alten Welt.
War Götzendienst in der Basilika? Nein. Sie war der Sitz des Gerichts und zweitens ein Markt. Die Basilika war üblicherweise Markt und Gerichtssitz zugleich. Diese Halle wurde genau in diesem Stil gebaut. Architektonisch war sie also prädestiniert für Gerichtssitz und Markt – beides war auch hier der Fall.
Ab dem Jahr 30, so steht es im Talmud, zog der Sanhedrin 40 Jahre vor der Zerstörung des Tempels aus der Quaderhalle im inneren Vorhof in das Kaufhaus, den sogenannten Chanut, um. Dort, in der Südostecke, richtete der oberste Gerichtshof seinen Sitz ein. Weiter westlich in der Halle befand sich der Markt.
Beides, Gericht und Handel, fand also in dieser Halle statt. Dieser Sachverhalt – Kirche und Handel – hat sich bis heute erhalten. Der Begriff „Messe“ stammt daher, dass nach der kirchlichen Messe der Handel auf dem Marktplatz eröffnet wurde.
Interessant ist auch, dass der Ablasshandel in der Basilika geführt wurde. Ja, diese „Räuberhöhle“ hat ihre Fortsetzung gefunden.
Die Tempelreinigung als Machtdemonstration Jesu
Nun sehen wir, wie der Herr Jesus hier machtvoll eingreift und Ordnung im Tempel schafft. Es ist uns klar, dass dies natürlich eine Herausforderung für den obersten Gerichtshof war. Entweder handelte es sich um einen falschen Propheten, der sich gegen den Sanhedrin richtete, oder er verfügte über eine höhere Autorität als der Sanhedrin selbst.
Wir sehen, dass sich die königliche Säulenhalle genau als das erwiesen hat: Der Herr Jesus demonstrierte hier seine Macht als der von Gott gesandte König durch die Tempelreinigung. Darum war dies wirklich die Basilika in ihrer eigentlichen Bedeutung – der Ort, an dem der König seine Macht zeigte.
Wie reagierten die führenden Juden darauf? Sie fragten: „Was für ein Zeichen der Vollmacht zeigst du uns?“ Übrigens ist dies ein deutlicher Unterschied zu den synoptischen Evangelien, in denen diese Frage so nicht gestellt wird. Dort gibt es zwar auch eine Auseinandersetzung mit den Führern, aber sie verläuft anders.
In Johannes heißt es: „Was für ein Zeichen tust du?“ Darauf antwortet der Herr Jesus: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Davon finden wir in den synoptischen Evangelien nichts. Das macht deutlich, dass es sich um zwei verschiedene Ereignisse handelt.
In den Synoptikern fragen die Führer: „In welcher Vollmacht tust du diese Dinge?“ Jesus antwortet darauf, dass er auch eine Frage an sie habe: „War die Taufe von Johannes von Gott oder von Menschen?“ Sie berieten sich und sagten: Wenn wir sagen, sie sei von Menschen, wird die Volksmenge gegen uns aufstehen, denn sie hält Johannes für einen echten Propheten. Wenn wir sagen, sie sei von Gott, wird er fragen, warum sie dann keine Buße getan haben, da Johannes doch der Vorläufer war, der auf den Herrn Jesus als König und Messias hingewiesen hatte. Schließlich antworteten sie: „Wir wissen es nicht.“ Darauf sagte Jesus: „Dann erkläre ich euch auch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue.“
Hier in Johannes verläuft die Diskussion anders: „Was für ein Zeichen tust du?“ Jesus sagt: „Brecht diesen Tempel ab, in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Die Zuhörer verstehen ihn falsch und denken, er spreche vom steinernen Tempel in Jerusalem. Deshalb argumentieren sie, dass an diesem Tempel 46 Jahre gebaut worden seien.
Johannes erklärt in Vers 21, dass Jesus gar nicht den Tempel aus Stein meinte, sondern den Tempel seines Körpers. Übrigens ist das eine wichtige Stelle auch für die Chronologie in der Bibel. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 46 Jahre am Zweiten Tempel gebaut worden. Das heißt nicht, dass er nach 46 Jahren fertig war, denn der Bau begann in der Zeit des Herodes und dauerte bis etwa 63 nach Christus. Sieben Jahre nach der scheinbaren Fertigstellung wurde der Tempel vollständig zerstört.
Die Hauptarbeiten waren also noch vor Christi Geburt vollendet, aber der Bau wurde über die Jahrzehnte hinweg fortgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren es eben 46 Jahre Bauzeit.
Die Zuhörer hatten Jesus also missverstanden. Doch wie hätte man überhaupt auf die Idee kommen können, dass er sich selbst meint, wenn er sagt: „Brecht diesen Tempel ab!“?
In Jesaja 8,13-14 heißt es: „Den Herrn, der Herrscher, sollt ihr heiligen; er sei eure Furcht und euer Schrecken. Er wird zum Heiligtum sein, zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Ärgernisses für die beiden Häuser Israel, zum Klappnetz und zur Falle für die Bewohner Jerusalems.“ Auch die alten Rabbiner deuteten diese Stelle auf den Messias.
Hier heißt es von dem Messias: „Er wird zum Heiligtum sein.“ Es war also schon immer klar, dass der Tempel eigentlich die Person des Messias im Blick hat. Der Tempel war ein sichtbarer Vorausweis auf die Person des Messias; er sollte zum Heiligtum werden.
Übrigens gibt es im Hebräischen verschiedene Wörter für Heiligtum und Tempel. Hier steht das Wort „Mikdash“. Es ist immer eine Herausforderung zu erkennen, wann das eigentliche Tempelhaus gemeint ist und wann der ganze Tempelbezirk. „Mikdash“ meint hier nicht nur das Tempelhaus, sondern eher den gesamten Bezirk.
Der Herr Jesus steht im Tempelbezirk, und diese Stelle macht deutlich, dass nicht nur das eigentliche Tempelhaus, sondern alles, auch die königliche Säulenhalle, auf den Messias hinweist.
Wir haben hier etwas ganz Besonderes vor uns in Johannes 2: Die Erfüllung des Symbols befindet sich im Symbol selbst. Oft denken wir, Symbol und Erfüllung schließen sich gegenseitig aus. Doch hier sind sie nicht nur gleichzeitig vorhanden, sondern die Erfüllung ist sogar im Symbol enthalten. Der Herr war im Tempelbezirk.
Man hätte also wissen können, dass er zum Heiligtum werden würde. Und wenn er das sagt – und Johannes zeigt es uns, indem er auf Jesus selbst verweist mit den Worten „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten“ – so deutete er gewissermaßen als messianisches Zeichen voraus, dass der Messias sterben wird. Die Beglaubigung, dass er der Messias ist, wird durch die Auferstehung erfolgen.
Die Jünger selbst verstanden das damals nicht. Lest nochmals Vers 22: „Als er nun von den Toten auferweckt war, gedachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.“
Die Feinde stießen sich an dem Herrn und sagten: „Das geht ja gar nicht, was du sagst. 46 Jahre haben wir daran gebaut, und du willst das in drei Tagen machen? Unmöglich!“ Hier zeigt sich das Problem des Missverständnisses.
Wenn wir im Johannes-Evangelium weitergehen, sehen wir, dass das Thema Missverständnis mit Worten wie ein roter Faden durchzieht. Das hat eine besondere Bedeutung, wenn wir an den ersten Vers zurückdenken: „Am Anfang war das Wort.“ Der Herr Jesus ist das Wort. Er ist in diese Welt gekommen und Fleisch geworden (Johannes 1,14: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“).
Er sprach zu den Menschen, doch es gab ständig Missverständnisse. Immer wieder wurde er falsch verstanden. Die Jünger verstanden es auch nicht, leisteten aber keinen Widerspruch. Sie warteten, und drei Jahre später wurde es ihnen klar. Die Feinde jedoch stießen sich am Wort und kamen nicht weiter.
Das ist ein sehr grundlegendes Problem: Kommunikationshindernisse, Kommunikationsstörungen, Missverständnisse. Die Sprache ist zwar ein wunderbares Werkzeug, von Gott gegeben, aber es kann immer wieder Missverständnisse geben – gerade weil Wörter mehrdeutig sein können.
Doch wir sollten froh sein, dass Wörter mehrdeutig sind. Sonst könnten wir gar nicht miteinander sprechen. Wenn wir für jede Bedeutungsnuance ein anderes Wort bräuchten, dann müssten wir etwa sechzigtausend Wörter kennen, um uns verständigen zu können.
Ein Erwachsener hat vielleicht einen Wortschatz von etwa 15.000 Wörtern. Es gibt einen Unterschied zwischen gewöhnlichen Bürgern und Akademikern, die etwas mehr kennen. Doch niemand kennt den gesamten Wortschatz einer Sprache, auch nicht im Deutschen.
Dadurch, dass Wörter mehrdeutig sind, brauchen wir nicht so viele Wörter und können trotzdem viele Konzepte austauschen.
Hier haben wir das Wort „Tempel“, das sowohl den Tempel in Jerusalem bezeichnen kann als auch den Körper des Messias. Wo scheitert nun die Kommunikation? In der Ablehnung.
Wir merken das immer wieder: Wenn Kommunikation nicht funktioniert, aber Liebe da ist, können Missverständnisse durch liebevolles Nachfragen ausgeräumt werden. Man fragt dann: „Wie meinst du das ganz genau?“
Ist jedoch Feindschaft vorhanden, will man den anderen oft gar nicht richtig verstehen. Man ist froh, wenn etwas da ist, das beweist, dass der andere falsch liegt.
Für die Führer war das ganz klar: Wenn Jesus sagt, „in drei Tagen“, dann geht das nicht. Sie hatten ein gutes Gedächtnis. Drei Jahre später, beim Prozess Jesu, der zur Kreuzigung führte, brachten falsche Zeugen diese alte Sache wieder vor: „Wir haben gehört, dass er gesagt hat, er werde diesen Tempel abbrechen und in drei Tagen aufrichten.“
Sie hatten nie richtig nachgefragt. Die Jünger, die ihren Herrn liebten, verstanden es zwar auch nicht sofort, doch später hat Gott ihnen das deutlich gemacht.
Kommunikationsprobleme im Johannesevangelium: Beispiele
Greifen wir noch einmal voraus: Johannes 3. Einer der größten Gelehrten Israels besucht nachts den Herrn. Jesus sagt in Vers 3: „Wer liest?“ Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
Das meinten sie doch. Ja, und dann? Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er etwa zum zweiten Mal in den Leib seiner Mutter hineingehen und geboren werden? Jawohl, in diesem Kapitel haben wir die berühmte Abhandlung des Herrn über die Neugeburt. Der Herr sagt zu Nikodemus: „Ihr müsst von neuem geboren werden.“ Das ist missverständlich.
Aber was macht Nikodemus? Er fragt nach: „Ja, wie soll das gehen? Es ist doch gar nicht möglich, dass ein Mensch wieder in den Mutterleib zurückkehrt.“ Der Herr erklärt ihm dann, was Neugeburt bedeutet. Es geht nicht darum, etwas Physisches zu tun, sondern um eine Neugeburt aus Wasser und Geist.
Auch hier gibt es Kommunikationsprobleme, aber sie werden gelöst, weil Nikodemus achtungsvoll nachfragt.
Oder Kapitel 4: Jesus kommt zu dem Jakobsbrunnen. Eine Frau ist da und will schöpfen. In Vers 10 sagt Jesus zu ihr: „Wenn du die Gabe Gottes kennen würdest und wer es ist, der zu dir spricht: ‚Gib mir zu trinken‘, so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“
Sie antwortet: „Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief. Woher hast du denn das lebendige Wasser? Du bist doch nicht größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gab, und er selbst trank daraus, seine Söhne und sein Vieh.“ Jesus erwidert: „Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten. Der aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird nicht dürsten in Ewigkeit. Das Wasser, das ich ihm gebe, wird ihm eine Quelle Wassers werden, die ins ewige Leben quillt.“
Auch hier haben wir wieder ein Problem mit den Worten. Der Herr spricht davon, dass er lebendiges Wasser geben würde. Im hebräischen Wörterbuch kann man nachschauen, was „Mayim Chayyim“ bedeutet: frisches Quellwasser. Klar, das ist frisches Quellwasser. Aber der Herr benutzt diesen Ausdruck „Mayim Chayyim“ in einem übertragenen Sinn, nämlich für die Erfrischung, die der Heilige Geist bewirken kann.
Was macht die Frau? Sie sagt nicht einfach: „Du hast kein Schöpfgefäß, du kannst das gar nicht.“ Nein, sie fragt nach: „Du hast ja kein Schöpfgefäß, woher bringst du dann das lebendige Wasser?“ Der Herr erklärt weiter, was das für ein Wasser ist, das wirklich den inneren Durst stillen und löschen kann – etwas, was normales Wasser nicht vermag.
Auch hier geht es wieder um die Bedeutung von Wörtern.
Oder Johannes 6: Wir wollen nicht auf alles eingehen, sondern nur illustrieren, wie sich diese Thematik der Kommunikationsprobleme im Johannesevangelium fortsetzt. Der Herr predigte in der Synagoge in Kapernaum und erregte mit seiner Rede Anstoß.
Schon Vers 52: Jesus sprach: „Ich bin das lebendige Brot.“ Und vielleicht Vers 51 am Schluss dazu: „Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“
Nun die Reaktion der Juden: Sie stritten und sagten: „Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?“ Jesus antwortete ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst.“
Er benutzt also eine Redeweise, spricht von seinem Fleisch und Blut, das er zu essen beziehungsweise zu trinken gibt. Die Juden sind schockiert, aber anstatt nachzufragen, was er konkret meint, denken sie sofort an Kannibalismus und sind entsetzt.
Woher kommt dieses Entsetzen? Aus einer inneren Ablehnung. Sie sind nicht bereit, das Bessere zu denken – vielleicht meint er das anders, als sie es gleich aufgefasst haben.
Schauen wir weiter auf die Reaktion der Jünger: Viele von ihnen, die das gehört hatten, sagten: „Diese Rede ist hart, wer kann sie hören?“ Jesus aber wusste bei sich selbst, dass seine Jünger darüber murrten. Er sprach zu ihnen: „Ärgert euch das? Was, wenn ihr den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er zuvor war?“ Von da an gingen viele seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit ihm.
Das führte zu einem Bruch. Bei den Juden, die keine Beziehung zum Herrn hatten, gab es ein Problem. Auch bei manchen, die sich bereits als seine Nachfolger sahen, kam es zu einem Bruch. Das zeigte, dass sie keine echten Jünger waren.
Der Herr sagte dann in Vers 67 zu den Zwölfen: „Wollt ihr auch weggehen?“ Simon Petrus antwortete ihm: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.“
So zieht sich das Thema weiter durch das Johannesevangelium.
Vielleicht noch ein Beispiel, weil es sehr bekannt ist: Johannes 11. Lazarus war krank, und der Herr ging nicht sofort zu ihm. Man hatte noch Hoffnung, dass er ihn heilen würde, doch dann kam der Tod.
Der Herr Jesus sagt in Johannes 11,11: „Wer ist?“ – die sprach er – und danach sagte er zu ihnen: „Unser Freund Lazarus ist eingeschlafen. Aber ich gehe hin, dass ich ihn aufwecke.“
Nun die Reaktion: Jemand sprach zu ihm: „Herr, wenn er eingeschlafen ist, so wird er gesund werden.“ Jesus aber redete von seinem Tod, sie aber meinten, er rede von der Ruhe des Schlafens.
Im Deutschen kann man den Unterschied machen zwischen „einschlafen“, „schlafen“ und „entschlafen“. Im griechischen Text ist es jedoch derselbe Ausdruck, der mit „entschlafen“ oder „eingeschlafen“ übersetzt werden kann.
Auch hier haben wir wieder eine Doppeldeutigkeit. Sie wussten nicht genau, was gemeint war. Sie dachten: „Aha, er ist eingeschlafen, dann kann man ihn wieder aufwecken.“ Aber der Herr meinte wirklich die Ruhe des Todes und dass er Lazarus aus dem Tod holen kann.
Durch das ganze Johannesevangelium ziehen sich solche Missverständnisse, als das Wort Gottes in die Welt gekommen ist.
Wenn die Menschen die Wahrheit wirklich erkennen wollen, können sie nachfragen, und der Herr erklärt es ihnen, sodass sie zur Wahrheit kommen. Andere aber stoßen sich an dem Missverständnis und gehen verloren.
Jesaja 8 als Schlüsselstelle für Johannes 2
Und kommen wir nochmals zurück zu Jesaja 8. An dieser Stelle, die eigentlich ein Schlüssel für Johannes 2 gewesen wäre – „er wird zum Heiligtum sein“ –, haben wir weitergelesen, Vers 14. Wer liest nochmals?
„Und er wird zum Heiligtum sein und zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchens für die beiden Häuser Israel, zum Klappnetz und zur Falle für die Bewohner Jerusalems.“
Für die Feinde in Johannes 2 wurde diese Aussage zum Anlass, dass sie über Jesus Christus gestolpert sind. Er ist ein Stein, ein Fels des Strauchelns.
In Vers 15 geht es nun weiter: „Und viele unter ihnen werden stürzen, werden fallen und zerbrechen, verstrickt und gefangen werden.“
Im Jahr siebzig haben die Römer Jerusalem zerstört. Mehr als eine Million Juden sind dabei umgekommen. Von keinem einzigen gläubigen Juden ist bekannt, dass er dabei ums Leben gekommen wäre.
Über eine Million sind gestrauchelt, gefallen, zerschmettert, verstrickt, und gegen hunderttausend gingen in die Kriegsgefangenschaft, wurden gefangen genommen.
Dann geht der Text weiter: „Binde das Zeugnis zu. Versiegle das Gesetz unter meinen Jüngern.“
Gott sagt also: „Jetzt binde ich das Zeugnis des Wortes Gottes zu, versiegle es, damit das jüdische Volk es nicht mehr versteht.“
Mit der Verwerfung des Messias begann diese erstaunliche Verblendung in den folgenden Jahrhunderten, sodass Juden massenweise den Messias nicht erkennen konnten.
Aber es heißt: „Versiegel das Gesetz unter meinen Jüngern.“ Diejenigen, die Gott nachfolgen wollen, das sind die Jünger. Für sie bleibt es offen.
Es ist quasi nur für die übrigen versiegelt. Wörtlich heißt es: „Versiegel das Gesetz in meinen Jüngern.“ In den Jüngern ist das Wort Gottes, aber für die anderen ist es eine geschlossene Sache.
Also hat sich das schon dramatisch erfüllt: Er ist das Heiligtum, aber sie haben ihn nicht als solches erkannt. Er ist zum Fels des Strauchens geworden, und damit sind Jerusalem und der Tempel im Jahr siebzig gefallen.
Psalm 69 als messianischer Psalm im Kontext der Tempelreinigung
Noch etwas müssten wir uns genauer ansehen: Johannes 2,17. Bei der Tempelreinigung wurde den Jüngern ein Vers aus Psalm 69 besonders bewusst: „Der Eifer um dein Haus verzehrt mich.“
Es ist vielleicht auch nützlich zu wissen, dass der übliche Ausdruck im Hebräischen für Tempel „Bayit“ ist, was einfach „Haus“ bedeutet. Zum Beispiel nennt man den zweiten Tempel auf Hebräisch „Beit Ceni“, das heißt „zweites Haus“. Man muss also immer daran denken, wenn es heißt „der Eifer um dein Haus“, könnte man auch sagen „der Eifer um dein Tempelhaus verzehrt mich“.
Dadurch wurde den Jüngern auch bewusst, dass Psalm 69 ein messianischer Psalm ist, der auf den kommenden Erlöser hinweist.
Schlagen wir Psalm 69 auf, da finden wir tatsächlich den Herrn Jesus beschrieben, auch am Kreuz, zum Beispiel in den Versen 21 und 22. Kann das jemand lesen?
„Und es ist unheilbar, und ich habe auf Mitleid gewartet, aber da war keines, und auf Tröster, die ich suchte, aber ich habe keine gefunden; und sie gaben mir zur Speise Gift, und in meinen Durst tränkten sie mich mit Essig.“
Hier sehen wir gerade den Gekreuzigten, allein, verlassen von den Jüngern, kein Tröster da. Man will ihm Gift geben, das hat er am Kreuz abgelehnt, dieses Betäubungsmittel. Dann hat man ihm nur Essig gegeben, den er getrunken hat.
Sehen wir auch Vers 10 in diesem Psalm: „Denn der Eifer um dein Haus“ – oder „dein Tempelhaus“ – „hat mich verzehrt.“ Und der Vers davor: „Entfremdet bin ich meinen Brüdern und ein Fremder geworden den Söhnen meiner Mutter.“
In Johannes 7 werden wir sehen, dass die eigenen Brüder zu Lebzeiten nicht an den Herrn glaubten. Es gab später eine Wende, aber so lernten die Jünger eben auch das prophetische Wort kennen. Sie erlebten die Tempelreinigung mit, und dadurch wurde ihnen plötzlich bewusst, beim Erinnern an die Schrift: „Ja, das steht doch im Psalm 69: Der Eifer um dein Haus hat mich verzehrt.“
So wuchs in ihnen die Klarheit, dass das ein messianischer Psalm ist. Das war für sie nicht sofort einfach klar. Aber indem man das, was sich realisiert, mit dem prophetischen Wort vergleicht, wächst die Erkenntnis. Das war auch bei den Aposteln so.
Waren die Psalmen damals schon so geordnet wie heute? Ja, klar. Das ganze Alte Testament war absolut endgültig fixiert. Mit dem letzten Propheten Maleachi, etwa 400 vor Christus, war das Alte Testament festgelegt – ebenso die Abfolge der Psalmen.
Verborgene Bedeutung und Kommunikationsprobleme bei den Jüngern
Noch etwas? In den anderen Evangelien heißt es, wenn Gott seine Leiden ankündigt – nicht immer, aber an einer Stelle –, dass dies vor den Jüngern verborgen war.
Ja, genau. Ich habe noch eine Frage. Moment, was war die Frage noch einmal? Na gut, es kommt noch etwas hinzu: Es war nicht nur ein Kommunikationsproblem, sondern für die Jünger war es auch speziell noch verborgen.
Ich weiß es noch nicht genau, weil es erst heute früh war. Sogar das Konzept an sich war verborgen. Ja, genau. Ich habe mit den Worten nur auf dieses spezielle Problem hingewiesen, weil das im Johannesevangelium immer wieder vorkommt: Probleme mit Wörtern. Da kommt das Wort, das am Anfang war, eben in die Welt.
Aber es kommt noch hinzu, dass das geistliche Verständnis in vielen Punkten überhaupt noch nicht da war. Dieses Verständnis wurde erst mit der Zeit geschenkt.
Ja, Herr Wagner.
Diskussion um die Neugeburt und Sündenvergebung
Die jüngste Enzyklika, die von Rom veröffentlicht wurde, legt bestimmte Dinge strenger fest, als es im Ausgleich zwischen evangelischen und katholischen Anhängern des Abendmahls üblich ist. Dabei handelt es sich im Grunde um ein Wortmissverständnis. Es geht um die Frage, ob es nun mein Fleisch ist oder nicht – und ja, es ist mein Fleisch.
Das führt direkt zum Problem, das in Johannes 6 behandelt wird. Der Herr meint es tatsächlich nur geistlich, wenn er sagt: „Meine Worte sind Geist und Leben.“ Es war also nicht wörtlich gemeint, wenn er vom Fleischessen sprach. Damit wäre das ganze Problem der Transsubstantiation eigentlich gelöst, vorausgesetzt, es bleibt bei diesem Bibeltext.
Ein weiterer Punkt ist der Ausdruck „das Haus meines Vaters“ in Johannes 2, Vers 16. Hier wendet der Herr Jesus diesen Ausdruck auf den Tempel in Jerusalem an. Interessanterweise kommt dieser Ausdruck nur noch einmal in der gesamten Bibel in einem ähnlichen Zusammenhang vor, nämlich in Johannes 14, am Vorabend der Kreuzigung. Dort sagt Jesus, dass er in den Himmel zurückgeht. In Johannes 14,2 heißt es: „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich euch gesagt haben, ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin.“
Aus dem Zusammenhang wird sofort klar, dass das Haus meines Vaters hier nicht der Tempel in Jerusalem ist. Jesus spricht davon, dass er im Haus des Vaters Wohnungen für die Jünger bereiten will und dann wieder zurückkommt. Somit ist damit der Tempel Gottes im Himmel gemeint.
Im Offenbarung 11, Vers 19 wird ebenfalls vom Tempel Gottes im Himmel gesprochen: „Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet.“ Der Tempel in Jerusalem war also nur ein irdisches Abbild eines himmlischen Originals. Schon Mose hatte laut Hebräer 8 auf dieses Urbild hingewiesen. Er hatte es gesehen und musste daraufhin die Stiftshütte, den transportablen Tempel, als Abbild nach diesem Urbild herstellen.
Im Johannesevangelium finden wir diese Zusammenhänge schön dargestellt: In Johannes 14 ist das Urbild im Himmel beschrieben, in Johannes 2 das Abbild auf Erden und im Herrn Jesus das Sinnbild, die Erfüllung dessen, was Urbild und Abbild ausdrücken.
Wenn wir diese Begriffe festhalten – Urbild, Abbild, Sinnbild – können wir das gut verstehen und greifen.
Abschluss der Tempelreinigung und der Glaube der Menschen
Ganz kurz noch zu den letzten drei Versen: Der Herr Jesus hat also auf dem Passafest in Jerusalem viele Menschen geheilt. Dadurch sind auch viele zum Glauben an ihn gekommen.
Vers 23 heißt es: „Aber“ – und dann in Vers 24 – „Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, weil er alle kannte und nicht bedurfte, dass jemand Zeugnis gebe von den Menschen. Denn er selbst wusste, was in dem Menschen war.“
Das ist schon eigenartig: Viele kamen durch die Zeichen zum Glauben, doch es heißt, der Herr hat sich ihnen nicht anvertraut. Was sagt das über diesen Glauben aus? Vermutlich ist er, wie man so schön sagt, auf Sand gebaut. Offensichtlich handelt es sich nicht um einen rettenden Glauben.
Dieses Thema wird im Johannesevangelium noch ausführlicher behandelt. Dort wird etwa hundertmal über Glauben gesprochen. Es ist ein wirklich wichtiges Stichwort. Wir sehen, dass es solche gibt, die für eine Zeit glauben, aber ihr Glaube nicht echt ist. Und es gibt solche, die bis zum Ende glauben.
Diese sind die, die neues Leben aus Gott haben. Der wahre Glaube bleibt also, während der äußere Glaube nur vorübergehend ist. In den synoptischen Evangelien erzählt Jesus Ähnliches anhand des Gleichnisses vom vierfachen Ackerfeld. Der Same, der auf steinigen Boden fällt, geht auf, und der Herr erklärt, dass das diejenigen sind, die das Wort mit Freude aufnehmen und für eine Zeit glauben. Wenn aber Verfolgung kommt, fallen sie ab.
Diese sind nicht die echten Gläubigen. Sie haben keine Neugeburt erlebt, aber sie glauben. Man kann durchaus sagen: Gläubige können verloren gehen. Was man jedoch nicht sagen darf, ist, dass Wiedergeborene verloren gehen können. Das ist der Unterschied.
Viele sind aufgrund der Zeichen ganz klar zur Einsicht gekommen, dass Jesus der Messias ist, und sie glaubten an ihn. Dennoch vertraute der Herr sich ihnen nicht an, denn er wusste, wie verdorben der Mensch ist. Er wusste, was im Menschen war. Der Mensch ist vor Gott durch und durch verdorben.
Im nächsten Mal sehen wir dann Johannes Kapitel 3, das Kapitel über die Neugeburt. Dort wird gezeigt, wie Gott den Menschen, der völlig verdorben ist und sogar äußerlich zum Glauben kommen kann, von innen her grundsätzlich erneuern muss, damit dieser ewiges Leben empfängt.
Zum Schluss können wir noch Johannes 3,16 lesen: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“
Jetzt ist wichtig: „sondern ewiges Leben habe“ – nicht „haben wird“. Die Neugeburt des wahren Gläubigen bedeutet, dass das ewige Leben, das Leben aus Gott, sein gegenwärtiger Besitz ist.
Außerdem ist wichtig, dass „jeder, der an ihn glaubt“ im Griechischen ein Durativ ist. Das heißt: Jeder, der fortdauernd an ihn glaubt, nicht nur punktuell. Jeder, der beständig glaubt, wird nicht verloren gehen, sondern hat ewiges Leben als bleibenden Besitz.
Der wahre Gläubige ist also der, dessen Glaube weiterbesteht. Und er besitzt das ewige Leben als gegenwärtigen und bleibenden Besitz.
Die Menschen, die damals für eine Zeit glaubten, haben offensichtlich nicht den wahren Glauben. Deshalb hat sich der Herr ihnen nicht anvertraut.
Reinhold, möchtest du noch etwas sagen?
Ja, ich möchte noch etwas anfügen. Anfangs war ich etwas naiv, aber inzwischen habe ich eine neue Frage: Kann man sich im Himmel bekehren?
Sündenvergebung gibt es nur auf der Erde. Bekehrung hängt mit Sündenvergebung zusammen, denn bei der Bekehrung gibt Gott Sündenvergebung. Jesus sagt in Markus 2, dass der Sohn des Menschen Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben.
Das bedeutet: Im Jenseits gibt es keine Sündenvergebung mehr. Der Mensch kann nur solange auf Erden Sündenvergebung erlangen, wie er lebt. Und nicht einmal bis zum Lebensende, denn die Gnadenzeit kann unter Umständen schon früher enden.
Der Pharao von Ägypten zur Zeit des Auszugs illustriert das: Sechsmal hat er sein Herz selbst verhärtet, und vom siebten Mal an hat Gott es getan. Ab dem siebten Mal war die Gnadenzeit vorbei, obwohl er noch lebte. Der Tod kam erst später im Roten Meer.
Spätestens mit dem Tod ist die Möglichkeit der Sündenvergebung vorbei, aber sie kann auch schon vorher enden. Darum ist es immer wichtig, wenn man das Evangelium weitergibt, zu betonen: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“ Denn wir wissen nicht, ob Gott uns morgen noch die Gnade zur Bekehrung gibt.
Heute betont man unter evangelikalen Christen sehr stark, dass der Mensch einen freien Willen hat und sich bekehren kann. Man meint, man müsse das Evangelium nur attraktiv präsentieren, mit guter Musik und allem Drum und Dran, dann könne man eine Erweckung auslösen.
Die Wahrheit ist jedoch: Der Mensch kann sich nur dann bekehren, wenn Gott ihn sieht. Wir können nicht bestimmen, „ich bekehre mich morgen oder übermorgen“. Es hängt von Gott ab, ob er uns die Gnade zur Bekehrung gibt – morgen oder später.
Weil das ungewiss ist, müssen wir betonen: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“
Reinhard?
Ich weiß ganz zuverlässig von einem Bruder, der sich im Himmel bekehrt hat. Er war im Himmel der Wolken, dem ersten Himmel. Es gibt ja drei Himmel.
Ja, gut. Wir waren auf dem Flug nach Amerika, da stellte sich die Frage: Würdest du Christ sein wollen, wenn du genau über die Zuverlässigkeit der Schriften Bescheid wüsstest? Ich denke, es ist eine innere Einstellung. Er sagte: „Wenn es wirklich einen Himmel gäbe, dann würde ich sehr gern auch mal dort sein.“
Dann zeigte ihm eine Christin das Evangelium des Heils im ersten Himmel der Wolken, und dort hat er sich tatsächlich bekehrt, weil er eine innere Einstellung hatte.
Ich komme noch auf die Frage zurück: Welches Zeichen gibst du uns, dass du das tust? Jesus sagte: „Brecht diesen Tempel ab, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Später erinnerten sich die Gläubigen daran, dass der Herr dies gesagt hatte. Warum sich die anderen nicht daran erinnerten, ist unklar.
Oder einmal fragten die Juden: „Welches Zeichen gibst du, damit wir glauben?“ Jesus antwortete: „Euch wird kein anderes Zeichen gegeben als das Zeichen Jona.“ Sie hätten sich eigentlich alle erinnern können.
Wir hatten ein Kommunikationsproblem, weil es mit Wörtern zu tun hatte. Hättest du Englisch gesprochen, wäre das Problem nicht entstanden. Du hättest mich gefragt: „Kann man sich bekehren in the sky?“ Und ich hätte gesagt: „Ja, aber in the heaven kann man es nicht.“
Der „sky“ ist der sichtbare Himmel, „heaven“ ist das Jenseits.
Du hast dann in der Bibel zurückgefragt, wie ich das meine. Danke! Wir haben es verstanden und können nun zusammen weiter darüber sprechen.
Fragen zur Bekehrung im Himmel und abschließende Gedanken
Es scheint, dass kein Text zum Überarbeiten vorliegt. Bitte stellen Sie den Text bereit, der überarbeitet werden soll.
